Vertrau mir deine Flügel an von Erenya ================================================================================ Kapitel 12: Die einzige Blume im Garten --------------------------------------- Fassungslos sahen Chia und Mizu zu Yuki, die besorgt zu Koji ging, der sich langsam wieder aufrichtete. „Warum, Yuki? Warum hast du ihn fliehen lassen?“ Mit schmerzverzerrten Gesicht sprach Koji das aus, was auch die beiden Mädchen gedacht hatten. Und kaum, dass die Frage ausgesprochen war, verfinsterte sich Yukis Blick. „Weil er Erenya nicht mehr braucht. Er war bereit sie loszuwerden, denn er hat nichts mehr zu verlieren. Was immer er auch gesehen hat, er ahnt, dass es für ihn keine Zukunft gibt. Und doch greift er nach jedem Strohhalm, um das zu ändern. Selbst wenn er dafür Erenya opfern muss.“ Schweigend sahen sich die beiden Menschenmädchen an, die scheinbar verstanden, was in dem Oni vor sich ging. Im Prinzip verstand jeder, was er wohl in diesem Moment fühlte und dachte. Chia und Mizu hatten in ihrer Kindheit so gefühlt und Yuki und Koji, als sie dem Himmelsreich seinen Schatz gestohlen hatten. „Dann sollten wir ihm nach. Im Gegensatz zu ihm haben wir was zu verlieren. Und dieses Mal lassen wir ihn nicht einfach zurück.“ Ernst nickte die Gruppe auf Mizus Worte hin. Nur Yuki schien abwesend, denn ihr Blick glitt suchend durch das Zimmer. Sie spürte etwas. Etwas Vertrautes und Schönes. Ja, es war hier. Und schließlich, als es ihr klar wurde, dass es hier war, fand sie es. Ihr Schwert. Zielsicher lief sie auf die Ecke zu, in der es ruhte und streckte die Hand nach dem Griff aus. Sie war wieder vollständig, was ihr nur deutlich sagte, dass sie auch Erenya zurückerobern würden. Noch immer hielt Daren Erenya auf seinen Schultern und lief, noch erschöpft von der mentalen Reise in seine Vergangenheit, ziellos durch den naheliegenden Wald. Mit jedem Schritt den er tat, wurde das Schwert in seiner Hand schwerer, bis er schließlich bei einer Lichtung mitsamt dem Puppenmädchen ins sterbende Gras fiel. Kurz blieb er liegen und sah auf die braun werdenden Halme, die schon den kalten Winter ankündigten. Es würde wieder ein Winter werden, an dem er allein war. Ohne Eltern, ohne Freunde, ohne irgendwem. „Sterben...“ Verwundert sah Daren zu dem Puppenmädchen auf, dass nun doch wieder die Stimme erhob und scheinbar eine Vision verkünden wollte. Es war ihm egal. Diese verfluchte Puppe hatte ihm erst klar gemacht, wie wertlos sein Leben aufgrund all seiner Fehler geworden war. „Sei ruhig... Niemand will hören, was du siehst. Ersticke an deinen Worten.“ Hasserfüllt spuckte er dem Mädchen die Worte entgegen und erhob sich vom Boden. Sollten die Wölfe sie doch fressen. Er würde nun von hier verschwinden und sein Leben ordnen. Was aus dem Puppenmädchen wurde, war ihm egal. „Der letzte Oni des Nordens... stirbt mit der Liebe im Arm... Ein letzter Atemzug... in der Heimat... vor dem ersten Schnee.“ Abrupt hielt Daren in seiner Bewegung inne, als das Mädchen ihre Vision verkündet hatte. Auch wenn es ihn nicht interessiert hatte, konnte Daren nicht anders, als zuzuhören. Dieses Mal waren ihre Worte immerhin eindeutig. Er würde sterben wenn er nichts unternahm. „Wir kommen ihm näher! Ich kann ihn immer deutlicher spüren.“ Ernst nickte Yuki Koji zu. Sie wusste, was er meinte, denn auch sie fühlte den Oni mit seiner Präsenz immer deutlicher. Ihre Schritte beschleunigten sich, denn viel Zeit hatten sie nicht mehr und da konnten sie auch nicht auf die zwei Menschenmädchen hinter sich achten. „Wir gehen vor!“, rief Yuki ihnen zu und sah kurz nach hinten, um zu sehen, ob die Mädchen auch einverstanden waren. Sie glaubte ein Nicken von Beiden zu sehen, weswegen sie ein letztes Mal das Tempo erhöhte, bis sie schließlich zusammen mit Koji aus dem Sichtfeld der Mädchen verschwand. Gerade rechtzeitig fanden Koji und Yuki die Lichtung, auf der Erenya und Daren sich befanden. Daren hatte Erenya vom Boden erhoben und seine rauen Hände um ihren dünnen Hals gelegt. Seine Wut konnten die beiden Engel deutlich in seinen gelben Augen sehen, die auf dem Puppenmädchen gerichtet waren, dessen weißes Haar ihr ins Gesicht hing. „Stirb... Stirb endlich! Deine Existenz bringt nur Unglück!“ Vollkommen auf Erenya fixiert, die er mit aller Macht würgte, bemerkte Daren nicht, dass die zwei ihm zugelaufen kamen. Erst als eine Klinge auf ihn zuraste, ließ er von dem Puppenmädchen ab, dass zu Boden fiel und starr ins Gras sah. „Fass sie nicht an!“ Bedrohlich funkelte Koji, der sich schützend vor Erenya gestellt hatte, den Oni an, der sich seufzend durchs weiße Haar strich. „Prediger... Du schon wieder.“ Fragend hob Koji eine Augenbraue hoch. Prediger, so hatte man ihn schon lange nicht mehr genannt. Noch dazu konnte er sich nicht daran erinnern, diesem Oni schon einmal gegenüber gestanden zu haben. Doch scheinbar kannte Daren ihn, die Frage war nur woher? „Wegen dir musste mein Volk sterben, Prediger.“ Vergessen waren Erenyas Worte. Vergessen war, dass der Tod seine Zukunft war. In diesem Moment gab es nur seinen Rachedurst den er stillen wollte. Kampfbereit zog Daren sein Schwert ohne Koji auch nur einen Augenblick aus den Augen zu lassen. Er wollte heute ein für allemal mit seiner Vergangenheit abschließen. „Heute wirst du sterben, Prediger!“ Ohne länger zu zögern, stieß sich der Oni vom Boden ab und lief auf den Gefallenen zu, der in die Verteidigungsposition wechselte und sich für einen Angriff der unmenschlicheren Art bereit machte. Onis und Menschen sahen sich zwar ähnlich, aber wenn es um die rein körperliche Stärke ging, waren sie so verschieden wie Tag und Nacht. Es war diese Regel, die Daren nur zu deutlich demonstrierte, als er sein Schwert niedersausen ließ und das Metall der Klingen geräuschvoll aufeinander prallte. Verbissen und mit aller Kraft drückte Daren mit seinen Gewicht und der Kraft seines Schwungs gegen die Klinge des Gefallenen, der es wahrlich nicht leicht hatte gegen ihn stand zu halten. „Yuki...“ Aus dem Augenwinkel heraus spähte der Gefallene zu dem Schneeengel, der vorsichtig eine Haarsträhne aus Erenyas Gesicht strich. Ihre Augen waren noch lilafarben. „Bring sie weg!“, keuchte er und stieß nun mit aller Kraft Daren von sich weg. Dem Gefallenen war klar, dass er Yuki etwas zeit verschaffen musste, wenn sie das Mädchen retten wollten. Vor allem jetzt, da scheinbar er das Ziel des Onis war. „Yuki?“ Obwohl der Oni gerade zu nächsten Angriff über gehen wollte, hielt er inne, als er den Namen des Schneeengels hörte. Wie erstarrt blieb er stehen mit seinem Blick auf das Mädchen gebannt, das neben Erenya hockte. Sie hatte sich kein bisschen verändert und doch hatte sie etwas von dem Glanz ihrer Vergangenheit eingebüßt. Ihre Aura war fast identisch mit der des Predigers. „Ich bin dein Gegner!“ Von der Stimme des Predigers seinen Gedanken gerissen, bemerkte Daren wie dieser zum Schlag ausholte. Im letzten Augenblick konnte er diesen abwehren, indem er sein Schwert schwang und die Klingen erneut aufeinander schlugen. Mit aller Kraft, die Yuki aufbringen konnte, hob sie Erenyas Oberkörper etwas an und schleifte sie zu einem Baum, der weiter von den kämpfenden Männern entfernt war. Besorgt sah sie zu dem Puppenmädchen, dass starr und leblos vor sich hinblickte und scheinbar keine Sekunde daran dachte, in was für einer Gefahr sie sich befand. Yuki hingegen wusste, es sehr genau, als sie zu Koji und dem Oni sah. Ihr langjähriger Freund war bereits in den stärkenden Kampfmodus gewechselt. Das erkannte sie an seinem weiß entfärbten Haar und den orange glühenden Augen. Doch noch immer hatte er Mühe dem Oni Paroli zu bieten. Dieser hatte immer noch seine menschliche Form und wich Koji genauso schnell uns grazil aus, wie er angriff. „Warte hier auf mich, Erenya“, wisperte sie leise und erhob sich vom Boden. Es war eindeutig, dass Koji alleine chancenlos gegen den Oni war. Zu zweit konnten sie es aber vielleicht schaffen. Langsam, mit der Hand auf dem Griff ihres Schwertes, näherte sich Yuki den Kämpfenden. Sie musste ruhig und besonnen bleiben. Und vor allem leise, denn selbst wenn es unrühmlich war, so konnten sie den Oni wohl nur mit unfairen Mitteln aufhalten. „Da sind sie!“ Ein Schrei, jenen gleichend wie die der kampfwütigen Amazonen, schallte über das Schlachtfeld und ließ die Kämpfenden in ihrem tun inne halten. Ungestüm und todesmutig lief die Geiko erhobenen Schwertes auf den Oni zu, der sie nur verwundert ansah. Fast schon zu spät realisierte er, dass dies ein Angriff war, weswegen sich ein feiner roter Schnitt über seine Wange zog, als er im letzten Augenblick ausgewichen war. Fast schon ungläubig hob der Oni seine Hand und strich sich das rote Blut weg, dass er fassungslos ansah. Zu lange schon hatte seinen Körper kein Tropfen dieser roten Flüssigkeit verlassen. Es war seltsam, denn er verspürte keinen Schmerz, was vielleicht daran lag, dass dieser kleine Kratzer bereits verheilt war. „Du...“, setzte er ungläubig an und starrte auf die Geiko, die bereits zum nächsten Schlag ausholte. „Du niederer Mensch!“ Chias Schwachpunkt war ihre Verteidigung. Mizu wusste das nur zu genau. Vor allem jetzt, da die Geiko dabei war einen Angriff auszuführen, war sie ohne Deckung. Der Oni war viel schneller als die Wächterin Shimabaras, weswegen Mizu entschied einzugreifen. So wie sie es auch in den guten alten Zeiten getan hatte. Schützend hatte die Klinge von Mizus Schwert ihren Weg zwischen Darens Katana und Chias ungeschützter Seite gefunden. „Pass auf was du sagst, Oni.“ Mit aller Kraft, die Mizu aufbringen konnte, stieß sie den Oni zurück, den Schmerz der noch von ihren Verletzungen herführte, ignorierend. Überfordert sah sich der Oni nun um. Hier standen drei kampfbereite Gegner. Selbst er konnte nicht mehr leugnen, dass er nun etwas in Bedrängnis war. 'Zwei Menschenmädchen, scheinbar kampferfahren. Mit dem Blick eines Kriegers, der bereit ist zu sterben. Ein gefallener Prediger, der seine menschliche Form abgelegt hat. Zwar ist er kein Gegner für mich, aber... wenn der andere Engel sich noch einmischt...' Sein Blick glitt zu Yuki, die ihr Schwert bereits gezogen hatte und sich ihm und den anderen mit jedem Schritt näherte. 'Falsch... Sie wird sich einmischen... Vier gegen einen... Verdammtes Engelspack.' Er erkannte, dass er nun ein Problem hatte, zumindest wenn er diese Gestalt aufrecht erhielt. Es gab nur eine Chance für ihn. „Hier spielt die Musik!“ Erneut erklang der Kampfschrei der Amazone aus Shimabara, die wieder zum Angriff blies. Doch dieses Mal war sie nicht alleine, denn auch die Samuraitochter und der ehemalige Prediger ergriffen die Initiative. Behände wie eine Katze stieß sich Daren vom Boden ab und kam auf den drei gekreuzten Klingen, die für seinen Körper bestimmt waren zum stehen. Mit seinen gelben Augen fixierte er seine Gegner, die ihn anstarrten, als würden sie ein Monster sehen. Ihm waren diese Blicke vertraut. In seiner Kindheit, hatte er sie häufiger wegen seines Hörnchen in Verbindung mit den gelben Augen und den schneeweißen Haar ertragen müssen. Es waren diese Blicke, die ihn wütend machten. Doch heute, würde ihm diese Wut recht dienlich sein, denn sie gab ihm die Kraft, die er für seinen Sieg brauchte. „Ihr Maden! Glaubt ihr wirklich, dass eure Klingen mir schaden können? Ein Kratzer wird verheilen, als hätte es ihn nie gegeben. Zu mehr werdet ihr somit nicht fähig sein.“ Erneut stieß sich Daren von dem Grund unter seinen Füßen ab, um sich dieses Mal von der Gruppe zu entfernen. „Das trifft auf ihre Klingen zu, aber nicht auf meine!“ Er hatte sie diesen einen Augenblick nur vollkommen vergessen. Yuki, den Engel, der ihn, warum auch immer, in der Vergangenheit verschont hatte. Doch dieses Mal würde sie das nicht tun. Das verstand er nur zu deutlich, als er sich zu ihr umwandte und die Klinge ihrer himmlischen Waffe über seine Brust schnitt und dieser süßliche Schmerz ihn erfüllte. Doch dieses Mal ließ der Schmerz nicht nach, genauso wie die Blutung nicht stoppte. Aufmerksam beobachtete Yuki den Oni, der sie fast schon mit einem leidgeplagten Gesicht ansah. Sie hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er trotz seiner Verletzung so ruhig blieb. Er war der erste Gegner, den sie nicht einschätzen konnte, von dm ihr nicht klar war, was er als nächstes tun würde. „Ich habe nicht vor gegen dich zu kämpfen...“ Trotz seiner Verletzung, die nicht zu verheilen schien, richtete sich der Oni auf und umklammerte sein Schwert. Seine Lage schien aussichtslos, immerhin hatte er es mit vier Gegnern zu tun, von denen einer ihn wirklich schwer verletzen konnte. Suchend glitt sein Blick durch die Umgebung, während er Yuki weiterhin aufmerksam beobachtete. Irgendwas in seiner Umgebung musste ihm doch helfen lebend hier herauszukommen. Und schließlich fiel sein Blick auf etwas, dass ihn wirklich retten konnte. Er wusste, dass er sich nun keinen Fehler erlauben durfte, sonst war er verloren. Ernst fixierte er Yuki und tarnte seine Pläne mit einem siegessicheren Lächeln. „Ich habe nicht vor gegen dich zu kämpfen, aber wenn du es dir so sehr wünschst durch meine Klinge zu sterben...“ Yuki hatte seine Worte kaum vernommen und realisiert, als Daren sein Schwert erhob und zum Angriff auf den gefallenen Schneeengel ausholte. Yuki fehlte die Zeit um ihre Waffe zu erheben und seinen Schlag zu parieren, weswegen ihr nur die Chance blieb sich unter seinen Schlag wegzuducken. Er hatte darauf gehofft, weswegen er seine Chance wahrnahm und zu dem Baum lief, an dem Erenya gelehnt saß und stumm vor sich hinstarrte. 'Sie ist nur noch einen Schritt von mir entfernt!' Mizu sah, was Daren vor hatte und stürmte sie schnell sie trotz ihrer noch nicht ganz so wiederhergestellten Kräfte zu Erenya. Ihr gelang es auch tatsächlich, schneller zu sein und sich zwischen den Oni und seiner Beute aufzubauen. „Nur über meine Leiche!“, schrie die Kriegerstochter und erhob ihr Schwert. Sie war bereit Erenya zu beschützen. Noch einmal sollte dieser Oni nicht mit ihr fliehen können. Nicht, wenn sie es verhindern konnte. „Dafür kann ich sorgen!“ Zu allem bereit, holte Daren aus. Zum Spielen hatte er keine Zeit. Mit ganzer Kraft ließ er sein Schwert auf die Kriegerin niedersausen. Hinter sich hörte er schon die Verstärkung anrücken. Es musste also schnell gehen. Konzentriert sah er auf das Mädchen vor sich, das ihre Waffe eisern umklammerte, ihn parierte und seiner Kraft dennoch leicht nachgab. Ihr schmerzverzerrtes Gesicht signalisierte ihm, wie viel Mühe sie hatte ihm stand zu halten. Er wusste, dass sie verlieren würde, genauso wie sie es wusste. Wider aller Erwartungen, war sie doch nicht nicht bei vollen Kräften, dank des etwas erhöhten Blutverlustes, der ihr vor einigen Tagen widerfahren war. Wahrscheinlich war es an sich schon ein Wunder, dass sie noch stehen und kämpfen konnte, doch gegen Daren erkannte sie, wie niedrig ihre Grenze noch war. Und schließlich gaben ihre Beine nach. Sie konnte seinem Angriff nicht länger stand halten. Von der gewaltigen Restwucht getroffen, wurde Mizu auf den Boden der grausamen Wahrheit zurückgeschleudert. Ihr fehlte die Kraft sich zu erheben, oder auch nur nach ihrem Schwert zu greifen, das nun vor Erenya lag. 'Ein Krieger gibt nicht auf...' Obwohl ihre Sicht immer mehr verschwamm, kämpfte sie gegen ihre nahende Ohnmacht an und streckte ihre Hand nach der vertrauten Waffe aus. Und gerade, kaum dass ihre Fingerspitzen den Griff berührt hatten, nahm es jemand. Fragend und schwach sah sie auf und blickte in die leeren, orangefarbenen Augen der Puppe, bevor die Ohnmacht sie endgültig heimsuchte. Entsetzen machte sich in Koji und Yuki breit, als sie sahen, wie Erenya sich mit Mizus Schwert vom Boden erhob. Deutlich sahen sie den orangefarbenen Schimmer ihrer Augen. Ihnen war klar, was für eine Gefahr nun auf sie zukam. „Chia! Schnapp dir Mizu und verschwinde von hier!“ Sich ihrer Lage bewusst, gab Koji sofort die entscheidenden Befehle. Es war schon schwer genug für die Sicherheit zweier Menschen in Gegenwart eines Onis zu garantieren, doch sie jetzt noch vor dem Überlebenswillen der Puppe zu retten war unmöglich. „NARG!“ Ein Schrei von Yuki forderte wieder Kojis gesamte Aufmerksamkeit. Mit Schmerz verzogenem Gesicht hielt sich der ehemalige Schneeengel die Schulter. Selbst von seiner Entfernung konnte er das rote Blut sehen, dass durch ihre Finger rann. Und Erenya, die ganz von Sinnen war, machte nicht einmal Andeutungen den Engel verschonen zu wollen. Sie sah nur das Schwert in Yukis Hand und deutete sie damit als eine potentielle Lebensgefahr. „Yuki! Lass das Schwert fallen!“ So schnell er konnte, lief Koji auf seine Freundin zu, doch mit einem Mal versperrte ihm der Oni den Weg. Scheinbar hatte dieser erkannt, wie nützlich ihm dieser Umstand werden konnte. Solange die Puppe ihm alle anderen vom Leib hielt, konnte er sich um dieses Schandmaul, dass sich eins als Prediger bezeichnet hatte, kümmern. „Geh mir aus dem Weg!“ Wütend über das Tun seines Gegners, holte Koji mit dem Schwert aus. Er musste Yuki sehen. Er musste sehen, ob sie das Schwert fallen gelassen hatte und Erenya damit los geworden war. „Im Gegensatz zu Onis heilen eure Verletzungen nicht so schnell, Prediger!“ Seiner Aufmerksamkeit durch seiner Angst beraubt, konnte Koji nicht realisieren, wie Daren seinem Angriff ausgewichen war und dabei selbst den entscheidenden Schlag ausführte. Er spürte nur noch die scharfe Klinge, die seine Federrüstung durchdrang und ihn somit nicht mehr vor seiner Niederlage beschützen konnte. Deutlich hatte Yuki die Aufforderung Kojis gehört. Doch noch einmal wollte sie dieses Schwert nicht aus der Hand geben, selbst wenn es bedeutete, dass sie Erenya dafür ausschalten musste. In diesem Zustand war das Puppenmädchen sowieso eine viel zu große Gefahr für ihre Außenwelt. „Es tut mir leid, Erenya, aber unter diesen Umständen kann ich dich nicht am Leben lassen. Verzeih mir.“ Ihren Schmerz und die Verletzung vergessen, machte sich Yuki bereit es mit der Puppe, die sie nur starr ansah und bereits erneut das Schwert schwang, aufzunehmen. Dieses Mal gelang es ihr aber, ihren Angriff abzuwehren, indem sie ihre Klinge als Barriere zwischen sich und Mizus Waffe schob. Nur der Klang von aufeinanderprallenden Metall verriet den restlichen Umstehenden, mit welcher Kraft die Puppe angegriffen hatte und mit welcher sich Yuki gegen sie stemmen musste. 'Woher hat sie nur diese Stärke? Woher hat sie das kämpferische Können?' Angestrengt versuchte der Schneeengel der Angriffstirade der Puppe standhalten zu können, doch im Gegensatz zu ihr, nahm sie die Müdigkeit wahr, dieser einseitige Kampf bei ihr hinterließ. Die Puppe war einfach nicht lebendig genug, um so etwas wie Müdigkeit zu empfinden, oder auch auf die Signale ihres Körpers zu hören. 'Vielleicht kann ich das nutzen!' Es war Yukis einzige Chance, diese Puppe zu zerstören, bevor sie sie und viele andere Leben vernichtete. Doch vorerst musste sie kräftemäßig auf dieselbe Ebene kommen. Sich ihrer Sache vollkommen sicher, stieß Yuki sich von Erenya ab und versuchte so genug Distanz zwischen der Puppe und sich zu bekommen. Doch schon jetzt setzte Erenya zum nächsten Angriff an und lief auf Yuki zu, die versuchte ihren Puls zu beruhigen und tief Luft holte. Nur auf ihr Gehör bauend, schloss der Schneeengel die Augen und mobilisierte alle verbliebenen Kräfte. Wenige Schritte trennten sie von der Seherin, die ihre menschliche Waffe hob. Sie musste warten und sich gedulden, wenn sie gewinnen wollte. Wenn sie auch nur einen Moment zu früh auswich, war es um sie geschehen. Fest umklammerte Yuki ihr wiedergewonnenes Schwert und lauschte dem trockenen Gras, das kaum hörbar unter den Füßen der Puppe knirschte. 'Gleich...', ermahnte sie sich und hob das Schwert. Gerade als Erenya nur noch eine Armlänge von ihr entfernt war, öffnete sie ihre orangefarbenen Augen und stürmte auf die Puppe zu. Es war ein kurzer Schlagabtausch, bei dem das menschliche Auge nicht sehen konnte, wer den entscheidenden Treffer erhalten hatte. Bewegungslos standen sich die Puppe und Yuki Rücken an Rücken gegenüber. Ein kurzer Wind kam auf, umspielte beide Mädchen und schließlich mit einem blutigen Husten ging der Schneeengel in die Knie. Vollkommen unbeteiligt und emotionslos wandte sich die Puppe zu der Besiegten um und ließ ihr menschliches Schwert fallen. Langsam ging sie auf die Gefallene zu, die regungslos am Boden lag und nur noch ihr Schwert umklammert hielt. Doch genau das war es, was die Puppe wollte. Das Schwert, das ihr schon einmal gute Dienste erwiesen hatte. Grob zog die Puppe der Gefallenen das Schwert aus der Hand und schwang es, um zu bestätigen, dass es wieder dieses leichte vertraute Metall war, dass sie nun noch gegen die letzten Bedrohungen führen wollte. Chia musste gestehen, dass sie selten so etwas wie Angst verspürte, aber im Angesicht der jetzigen Situation wurde ihr ganz anders. Vor ihr standen der Oni und das Puppenmädchen, die zeitgleich beide Engel ausgeschaltet und nun nur sie als Gegnerin vor sich hatten. Sie verstand nicht, was genau geschehen war, warum Yuki die Waffe gegen die Entführte erhoben und warum diesen den Engel ausgeschaltet hatte. Bis auf Daren standen sie doch alle auf derselben Seite, oder hatten sie sich in Erenya getäuscht? „Hey du, Geiko... Für dieses Mal verschone ich dich. Dafür wirst du mir aber helfen, das Püppchen auszuschalten.“ Es kostete Chia einen kurzen Augenblick, um zu verstehen, was der Oni gesagt hatte und was diese Worte bedeuteten. Und gerade diese Worte machten es ihr nicht leichter, diese Situation zu verstehen. „Aber...“ Gerade wollte die Geiko etwas sagen, doch da fiel Daren ihr ins Wort, um ihr klar zu machen in was für einer Situation sie sich wirklich befanden. „Das Engelchen dreht durch. Sie wird ohne Rücksicht auf Verluste alles und jeden vernichten, der bewaffnet ist oder aus ihrer Sicht eine Bedrohung darstellt. Und das impliziert auch uns beide. Wenn du also nicht wie das Federvieh enden willst, arbeite mit mir zusammen und zögere nicht sie umzubringen, wenn du die Chance hast.“ Kurz sah Chia zu Daren, der sich bereits kampfbereit machte, denn das Püppchen ruhte sich nicht lange auf ihrem Sieg über Yuki aus und war bereits wenige Schritte in ihre Richtung vorangeschritten. Ihr Blick war leer, kalt und die Geiko wusste nicht, was sie plante. Sie als Mensch hatte sicher nicht viele Chancen gegen einen Engel, doch mit dem Oni an ihrer Seite gab es Hoffnung. Nur aus diesem Grund entschied sie den Worten Darens zu glauben und ihm in diesem Kampf beizustehen. Obwohl Erenya sich ihnen nur langsam näherte, stieß sich Daren vom Boden ab und lief auf sie zu. Nur schwer konnte Chia seinen Bewegungen folgen, denn anders als bei einem gewöhnlichen Menschen waren seine Bewegungen schneller und wesentlich flüssiger. Doch es war nicht nur er. Auch das Püppchen schien um einiges schneller, sodass sich die Geiko fragte, wann sie das Schwert zu ihrer Verteidigung und wann zum Angriff erhoben hatte. Beide schienen sich in Sachen Aktion und Reaktion ebenbürtig zu sein, was kein Wunder war, denn beide waren keine Menschen. Chia musste einsehen, dass ein Hinterhalt, oder die aktuelle Ablenkung ihre Chance war den Engel in die Knie zu zwingen. Fest umklammerte sie ihr Kodachi und schlich sich so leise wie möglich hinter das Mädchen, während diese wieder und wieder zum Schlag ausholte um Daren zu bezwingen. Doch obwohl der Dämon verletzt war, hielt er die Stellung, damit die Geiko den entscheidenden Schlag ausführen konnte. Er musste solange durchhalten, damit ihre Chancen nicht verwirkt waren. Scheinbar funktionierte seine Ablenkung, denn die Puppe bemerkte nicht, dass die Geiko bereits hinter ihr stand und das Kodachi erhob. Es war nur noch wenige Sekunden, die er ausharren musste. Chia zögerte keinen Augenblick, als die Klinge ihres Kodachis über dem Engel schwebte. Zögern war das Letzte, was sie in so einer Situation tun durfte. Deswegen dachte sie keinen Augenblick darüber nach, als sie ihre Waffe auf die Puppe niedersausen lies. Sie spürte, wie das Fleisch unter der spitzen Klinge nachgab und in den Körper der Puppe eindrang. Mit aller Kraft zog sie die Klinge nach unten und schnitt von ihrer Schulter schräg über den Rücken. Mit dem letzten Schwung, zog sie die Klinge aus ihrem Körper sah zu der zerrissenen Kleidung, die sich mit dem Blut des Engels vollsog. Sie hatte wirklich ganze Arbeit geleistet und doch stand Erenya noch aufrecht und schlug gnadenlos weiter auf Daren ein. Erneut hob Chia das Kurzschwert. Wenn es die Puppe so wollte, dann würde sie eben noch tiefer in ihr Fleisch schneiden und solange zustechen, bis die Beine des Engels nachgaben und sie gewonnen hatten. Wieder ließ sie ihre Klinge auf Erenyas ungeschützten Rücken niedersausen, doch mit einem Mal beförderte sie ein kräftiger Schlag zu Boden. Daren sah, wie seine Mitstreiterin von den weißen Flügeln, die Erenya eben ausgebreitet hatte, zu Boden geschickt wurde. Er hielt dem Angriff des Püppchens stand und hoffte inständig, dass die Geiko wieder aufstehen würde. Doch sie tat es nicht. Scheinbar hatte der Schlag mit dem Flügel doch viel heftiger gesessen, als Daren es erwartet hatte. Nun gab es nur noch ihn und das Mädchen, das ihm seinen Tod vorausgesagt hatte. Mit der Geiko hatte er wenigstens die Chance gehabt die Vision des Püppchens zu einer Lüge zu machen, doch so ganz alleine zweifelte sogar er daran jetzt noch zu überleben. 'Aufgeben steht hier gar nicht zur Debatte!' Obwohl er seine Lage kannte und wohl auch richtig eingeschätzt hatte, zwang ihn sein Stolz als Oni bis zum letzten Atemzug zu kämpfen. Immer noch Erenyas Angriff stand haltend, stemmte sich Daren gegen die Kraft des Püppchens. In seinem Kopf ratterte es. Er musste weg, auf Abstand, doch jetzt da das Engelchen seine Flügel ausgebreitet hatte, war sie ihm von der Schnelligkeit her überlegen. 'Wenn ich es in den Wald schaffe vielleicht...' Es war keiner seiner besten Pläne, aber es war immerhin einer. Das einzige woran er sich noch klammern konnte. Er musste sie nur auf Abstand halten und so schnell er konnte in den Wald laufen. Die Bäume würden sie dann daran hindern wirklich voranzukommen. Mit letzter Kraft stieß er den Engel von sich und nutzte ihren Gegendruck dazu mit einem etwas größeren Sprung nach hinten etwas mehr Platz zwischen ihnen zu schaffen. Was er nicht bedacht hatte, war die Verletzung, die ihm Yuki zugefügt hatte. Kaum waren seine Füße auf dem Boden angekommen, durchzog ihn der schwächende Schmerz seiner Verletzung. Mit einem schmerzerfüllten Ausdruck auf seinem Gesicht gaben seine Beine nach, sodass er in die Knie gezwungen wurde. 'Mein Enge...' Wie ein Blitz durchzog ihn der Gedanke, als er sah, wie das Püppchen sich ihm bereits wieder näherte. Aus einem unerklärlichen Grund kamen ihm wieder Kazamas Worte in den Sinn, woraufhin ein Lächeln über seine Lippen schlich. Der starke Oni des Westens hatte Recht behalten, wie immer. Mit gesenkten Kopf erwartete Daren den tödlichen Schlag des Puppenmädchens. Ihm kamen die kurzen Sekunden wie endlich lange Minuten vor, in denen einfach nichts geschah. In denen er nur auf den grausamen, demütigenden Untergang seinerseits wartete. Gab es etwas, dass er bereute? Irgendwie war es eine lächerliche Frage, die ihm in den Sinn kam, doch er bereute in der Tat einige Dinge. 'Jetzt ist es zu spät diese Fehler zu erkennen...' Ein Seufzen trat über seine Lippen. Er spürte sie bereits. Sie war nur noch eine Schwertlänge von ihm entfernt. Vor seinem inneren Auge sah er, wie sie das Schwert hob und auf ihn niedersausen ließ, doch... Sein Ende blieb aus. Verwundert sah er auf und erblickte langes weißes Haar, dass vom Luftzug des Schwertes leicht wehte. 'Ein Oni?' Daren konnte nicht abstreiten, dass er verwirrt war, denn er hatte nicht damit gerechnet, dass ein Oni ihm zur Rettung eilen würde. Die Frage war nur, wer es war. Kazama konnte er aufgrund der Haarlänge ausschließen, ebenso Amagiri, der sicher nicht hitzköpfig genug war um sich Kazamas Willen zu widersetzen. Der Einzige, den er hier aus der Nähe kannte, war Shiranui, aber der schießwütige Teufel hätte viel eher selbst zur Waffe gegriffen und ihn ausgeschaltet, bevor er dem Engelchen dieses Vergnügen gönnte. Noch dazu war die Person vor ihm nicht so gut gebräunt wie der Revolverheld, wodurch er wieder auf seine Ursprungsfrage, wer das war, zurück kam. „Ist alles in Ordnung, Daren?“ Die Augen des Onis weiteten sich, als er die Stimme der Person erkannte, die ihn vor dem tödlichen Schlag gerettet hatte. Er konnte, nein er wollte es nicht glauben. „Du lebst noch, Akazumi? Aber... Wie... Und warum siehst du so aus?“ Vorsichtig sah Akazumi über ihre Schulter, mit der sie den Schlag abgefangen hatte. Er sah ihre roten Augen. Rote Augen hatte kein Oni in seiner Oni-Form. Auch von Engeln war ihm eine andere Farbe vertrauter. Es gab nur eine künstliche Art von Wesen, die weißes Haar und rote Augen hatten. „Lange Geschichte. Erst einmal erledige ich das Problem hier.“ Die Klinge Erenyas hatte sich wieder aus Akazumis Fleisch gelöst und zielte erneut auf die Person, die sich eingemischt hatte. Doch dieses Mal griff diese Person, die schlechte Imitation eines Onis, zu ihren Waffen, die sie in Form von Stäbchen aus ihrem Haar zog. Keinen Zentimeter gab Akazumi nach, als Erenyas Schwert auf ihre Stäbchen traf. Sie hatte extra die guten aus Metall genommen, sodass ein Klirren erschallte. Es war wirklich erstaunlich, wie gut das Wasser des alten Mannes wirkte. Nicht nur, dass all ihre Verletzungen vom Kampf gegen Yuki geheilt waren, sie hatte auch neue Stärke gewonnen, von der sie bisher immer nur hatte träumen können. Allerdings hatte sie ein Problem. Das Blut, dass hier bereits geflossen war, hatte einen verführerischen Duft und es kostete sie einiges an Selbstbeherrschung und Konzentration nicht durchzudrehen. Sie war einfach von der Angst beseelt, dass sie wie die anderen Wesen der Shinsengumi werden und dabei Darens Leben aufs Spiel setzen würde. „Bist du verrückt? Mit deinem Essbesteck kannst du nicht gewinnen!“ Nur zu deutlich verstand sie Darens Einwand und musste sich eingestehen, dass er Recht hatte. Selbst ihre besten Stäbchen würden dem Druck des Püppchens nicht lange stand halten. „Die Geiko hat sie vorhin verletzt... Wir müssen das als unsere Chance sehen.“ Durch Akazumi hatte Daren wieder die Hoffnung, dass sie etwas gegen den Engel tun konnten. Immerhin war das Ninjamädchen nun nicht mehr menschlich. Sie hatten also allemal bessere Chancen als eine Armee von Sterblichen. „Ich bin nicht hergekommen, damit du nun den Kampf suchst, Daren! Verschwinde gefälligst von hier. Ich werde dir genug Zeit verschaffen!“ Mit aller Kraft, die sie ohne geeigneten Schwung aufbringen konnte, stieß sie das Püppchen zurück, das sofort wieder auf das Ninjamädchen und den Oni zulief. Blitzschnell nutzte Akazumi die kurze Atempause und entriss dem ungläubig drein blickenden Daren sein Schwert, mit welchem sie erneut einen Angriff parierte. „Geh!“ Unschlüssig darüber, wie er diese Situation deuten sollte, stand Daren wie versteinert da. Das Mädchen, dass einst so etwas wie eine Freundin für ihn gewesen war, deren Eltern seine ermordet hatten, die sich an ihm, den Oni der Jahre später ihre Heimat vernichtet hatte, rächen wollte, war bereit für ihn zu sterben. Wie sollte er das verstehen? Sie sah doch seine Gestalt. Sie wusste, dass er es gewesen war und dennoch kämpfte sie um sein Leben. „Rede ich so undeutlich? Verschwinde! Meine Verletzung heilt schnell, ich kann also dein Schutzschild sein!“ Eine Lüge. Daren wusste, dass sie log, denn die Klinge des Engels, die das Püppchen führte, besaß eine Macht, die nicht zuließ, dass sich eine Verletzung schloss. Es war somit recht eindeutig, dass Akazumi sterben würde, wenn er wirklich ging. Der Oni dachte nicht mehr groß nach, als er sich bückte und eines der metallenen Stäbchen aufhob. Er dachte gar nichts mehr, außer dass er Akazumi nicht sterben lassen wollte. Zusammen würden sie entkommen und überleben, weil sie gemeinsam stärker waren. Ohne Erenyas Aufmerksamkeit zu sehr auf sich zu lenken, zog sich Daren zurück. Er wollte von den beiden Kämpfenden nicht bemerkt werden, was auch klappte, da sie viel zu sehr aufeinander fixiert waren. Es war seine Chance, als er etwas weiter entfernt von den beiden stand und das Stäbchen fest umklammerte. Er musste es ihr in den Hals rammen. Auch wenn sie den Schmerz nicht wahrnehmen würde, vielleicht noch ein paar Schritte ging, wenn er richtig zielte, würde es sie umbringen. Er hatte nur diesen einen Versuch. Tief holte der Oni Luft und rannte schließlich auf die Kämpfenden zu. Mit jedem Schritt hob er das Stäbchen mehr und machte sich bereit diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Vier Armlängen, drei Armlängen. Er musste nur richtig zielen. Zwei Armlängen. Jetzt oder nie. Eine Armlänge. Er stach zu und sah mit an, wie das Schwert ihn ein letztes Mal verfehlte, ihm dafür aber auch die letzte Chance zunichte machte. Ungläubig sah Daren auf den kopflosen Körper des Ninjamädchens, der in die Arme des Puppenmädchens fiel. Unbeeindruckt warf sie diesen zur Seite und fixierte wieder Daren, dessen Blick sich starr auf Akazumis Kopf richtete. Ihre Augen waren weit und entschuldigend aufgerissen. Wahrscheinlich hatte sie keinen Schmerz mehr verspürt. Unfähig auf den Engel zu achten, griff Daren zu dem Kopf und hob ihn vom Boden auf, der sich mit ihrem Blut vollsog. Sie mussten weg, solange sie noch konnten. Mechanisch erhob sich Daren und nahm nicht einmal mehr den Treffer wahr, den er am Rücken erlitt, als er sich umwand und einfach nur zu den Bäumen lief. Schneller, immer schneller, damit er so weit wie möglich von diesem teuflischen Püppchen wegkam. Dabei drückte er fest Akazumis Kopf an sich, als wolle er ihn schützen und das, obwohl ihm bewusst war, dass das Ninjamädchen tot war. Dennoch wollte er ihren Kopf weit wegtragen. Zu einem Ort, an dem niemand sie mehr finden würde. Wo sie glücklich werden könnten. Wo kein Püppchen Amok lief, weil es dort keine Krieger mehr gab. Er wollte zurück in ihr Paradies. Emotionslos ließ Erenya ihren Blick über das Schlachtfeld gleiten. Alle die ihr gefährlich werden konnten waren besiegt. Nur um sicher zu gehen, dass sie wirklich außer Gefahr war, ging sie zu dem Mädchen, dass nicht durch ihre Hand gefallen war und kniete sich nieder. Vorsichtig und bereit ihr jederzeit den Gar auszumachen, wenn sie sich doch noch bewegte, strich sie ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Es war seltsam, denn irgendwoher kannte sie dieses Gesicht. Schweigend starrte sie das Kriegermädchen an und suchte in ihren Erinnerungen, woher sie das Mädchen kannte. Langsam dämmerte es ihr. Sie hatten lange zusammen gewohnt. Das Mädchen hatte sich um sie gekümmert. Aber sie war nicht die einzige gewesen. Da waren noch mehr Erinnerungen von Menschen die sie gerettet und beschützt hatten. Suchend streifte ihr Blick über die Lichtung und hielt bei der Geiko inne. Sie hatte sie vor Daren beschützt, damals in Shimabara. Und nun hatte sie diese niedergeschlagen. Nicht unweit von ihr lag dieser Schönling, der sie und Harada angegriffen hatte. Sie kannte ihn nicht, aber die Tatsache, dass auch er hier war, erschien ihr so falsch. Und das führte dazu, dass ihr der Schneeengel ins Blickfeld geriet. Zumindest war er fast schneeweiß. Fragend sah Erenya zu dem Schwert in ihrer Hand. Dieser Engel hatte es gehalten. Genau wie der Engel, der sie aus dem Himmel geholt hatte. Der Engel, dem sie diese Waffe hatte zurückbringen wollen. Konnte sie es sein? Wenn ja, warum hatten sie dann gegeneinander gekämpft? Warum hatte sie ihre Retterin getötet? Warum hatte sie der Geiko wehgetan und dem Ninjamädchen? Erenya entfernte sich schwankend von Mizus Körper, ehe sie auf die Knie sank. Schon einmal war es beinahe passiert. Damals, als sie diesen Mann, der ihr so wichtig war, beinahe umgebracht hatte. Doch anders als damals, hatte sie es dieses Mal geschafft. Wie bei ihrer Ankunft in dieser Welt, als sie diese zwei Männer umgebracht hatte. Wie vor einigen Wochen, als sie einem Dutzend Samurai ihres Lebens beraubt hatte. Dabei waren ihr diese Menschen egal gewesen. Sie hatte nie einen Gedanken daran verschwendet wer sie waren, ob sie ihr nur helfen wollte, so wie der Engel und die anderen, die nun vor ihr lagen. Sie war es gewesen, die sie alle ausgelöscht hatte. „Ich habe... sie... umgebracht...“, wisperte sie leise und machte sich damit selbst klar, was für einen Fehler sie begangen hatte. „Ich habe...“ Bilder aus ihrer Vergangenheit fielen über sie herein. Bilder von unschuldigen Engeln, die sie umgebracht hatte. Bilder von Menschen des Mannes, der sie dafür hassen würde. Aber er sollte sie nicht hassen, er durfte das nicht. „Er wird auch nicht... wenn ich nach Hause gehe...“ Mechanisch lies sie das Schwert los. Sie brauchte es dort nicht, wo sie hin wollte. Fernab von Menschen und Engeln. Dort wo der Baum ihrer Eltern stand. Die Blumenwiese. Ihre perfekte Puppenwelt. Die Bäume der Lichtung verschwanden wie von Geisterhand und machten für ein buntes Meer aus Blumen Platz. Verdeckt wurden Yukis Schwert und die Körper die leblos am Boden lagen. Sie verschwanden aus Erenyas Blick und aus ihren Erinnerungen, als hätte es sie nie gegeben. Ihre Fehler waren mit dem Blickkontakt auch aus ihren Gedanken verschwunden. In ihrer perfekten Welt gab es nur schöne Dinge. Kein Leid, keine Angst und auch keinen Tod. „Ich bin Zuhause...“, wisperte das Mädchen leise und lächelte die irrealen Blumen an. Der Schweiß rann von Haradas Stirn, als er durch den Wald hetzte und nach Erenya suchte. Die Hütte von der Natsu gesprochen hatte, hatte er leer vorgefunden, weswegen er nun tiefer in den Wald gelaufen war und überall lauschte. Er hoffte Stimmen oder Kampfgeräusche zu hören, doch alles blieb ruhig. 'Verdammt...' Schwer atmend hielt Harada inne und sah sich in seiner Umgebung um. Doch außer hochgewachsener Bäume sah er nichts in seine naheliegenden Umgebung. 'Ich muss sie finden...' Obwohl er immer noch nicht ganz bei Kräften war, erhob sich Harada wieder und lief weiter. Doch er hielt plötzlich inne, als er aus nicht all zu weiter Ferne seinen Namen hörte. Erschrocken sah Harada auf und sah sich um, doch nirgendwo sah er jemanden und doch hörte er klar und deutlich, wie jemand seinen Namen rief. „Harada-kun...“ Seichter Wind kam auf, als Harada erneut seinen Namen vernahm. Die Stimme ähnelte der Erenyas, aber sicher war er sich aufgrund des Raschelns der Blätter nicht. „Harada-kun...“ Wieder erklang sein Name, doch dieses Mal klang die Stimme so nahe. Sie war hier irgendwo. Und es war eindeutig, dass sie nach ihm rief. „Harada-kun...“ Erst jetzt bemerkte Harada, aus welcher Richtung die Stimme kam. Sofort setzte er sich in Bewegung und lief in die Richtung, aus der sie eindeutig zu kommen schien. Er wusste nicht einmal woher er auf einmal diese Kräfte hatte. Aber alles was zählte war Erenya und dass es ihr gut ging. „Keinen Schritt weiter, Krieger!“ Die Bäume waren einer Blumenwiese gewichen. Es schien nicht einmal fließende Übergänge zu geben. Sie waren plötzlich einfach verschwunden und selbst als er sich umwandte, waren sie nicht mehr zu sehen. Er schien in einer vollkommen anderen Welt zu sein. Einer Welt, die ihm Erenya einst beschrieben hatte. Es war nun mehr als deutlich, dass Erenya hier war. Doch mit dem Wunsch nach ihrer Heimat, hatte sie das Ebenbild einer Frau zum Leben erweckt, die vor ihren Augen gestorben war. Und diese Frau versperrte Harada nun den Weg. „Ich lasse nicht zu, dass du weiter zu ihr vordringst. Sie will dich nicht sehen!“ Ein seltsames Gefühl der Vertrautheit stieg in Harada auf, als er sich die Frau genauer ansah. Ihre Augen ähnelten denen Erenyas und doch waren ihre Gesichtszüge älter und viel markanter, weswegen Harada davon ausging, dass diese Frau das widerspiegelte, was Erenya selbst gerne wäre. „Wenn sie mich nicht sehen wollte, hätte ihre Stimme mich nicht hier her geführt. Und du wirst mich nicht daran hindern Erenya zu finden!“ Klar und deutlich sprach Harada sein Vorhaben aus und animierte die fremde Frau dazu eine Sense in ihrer Hand erscheinen zu lassen. Sie wollte ihn mit Gewalt beseitigen wenn es sein musste, doch Harada hatte nie damit gerechnet so leicht zu Erenya zu gelangen, weswegen er seinen Speer fest umgriff und sich bereit machte alles abzuwehren, was sie ihm entgegenschleudern würde. Wahrscheinlich hatte Harada bloß Glück gehabt, als die Fremde plötzlich vor ihm stand und er gerade rechtzeitig seinen Speer zur Abwehr erhoben hatte. Er sah nur noch, dass die Klinge der Sense knapp über ihm zum stehen kam und leicht zitterte, weil ihr eine Kraft entgegen wirkte, mit der sie nicht gerechnet hatte. „Warum sollte sie dich sehen wollen? Dich, einen dummen Sterblichen, der rein gar nichts von ihr versteht?“ Harada hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie ihre Diskussion in so einem Moment fortführen wollte und er verstand auch nicht, was sie damit bezweckte. Und dennoch, er wollte dieser Frau keine Antwort schuldig sein. „Weil sie weiß, dass sie mir vertrauen kann. Und weil sie mir vertrauen kann bin ich auch hier!“ Kräftig stieß Harada die Frau von sich, die ihm aber nicht einen Atemzug lang ruhen lassen wollte und erneut angriff. Doch dieses Mal wich Harada einfach aus und nutzte die Verwunderung der Fremden, um tiefer in Erenyas Welt vorzudringen. Ihm war schließlich klar, dass ein Kampf nicht sonderlich vorteilhaft für ihn enden würde, weswegen Erenya zu finden seine oberste Priorität war. „Weil sie weiß, dass sie mir vertrauen kann. Und weil sie mir vertrauen kann bin ich auch hier!“ Ihre Augenlider zuckten, als sie Haradas Stimme so klar und deutlich vernahm, als würde er persönlich neben ihr stehen. Doch er war noch weit von ihr entfernt und auch wenn sie wirklich immer darauf vertraut hatte, dass er sie suchen würde, durfte er nicht näher kommen. Er durfte ihre Schuld nicht sehen. Sie wollte sie nicht sehen, doch obwohl das Blumenmeer über jenen Fehlern wuchs, konnte sie diese nicht aus ihren Gedanken vertreiben. 'Mizu... schneeweiße Flügel... Glen Koji...' Ihr war jede Identität die unter den Blumen lag, auf eine gewisse Art und Weise vertraut und nicht einmal ihre geliebten Blumen konnten sie diese Identität vergessen lassen, weswegen einige in einem welkenden Braun vergingen. „Komm nicht näher, Harada-kun... Du darfst sie nicht sehen...“ Angst ergriff die Puppe. Angst, die sie noch nie in ihrer Welt gespürt hatte, die ihre Blumen welken lies und ihnen allen Lebens beraubte. „Komm nicht her... bitte...“ Ein leises Wimmern kam ihr über die Lippen. So sehr sich ihr Herz auch danach sehnte ihren Samurai zu sehen, sie konnte und wollte es in dieser Situation auch nicht. Knapp entkam Harada einem weiteren Angriff der Frau hinter sich. Sie schien von Sekunde zu Sekunde schneller zu werden, oder viel mehr noch, stärker mit jeder Blume die verblühte. Dem Samurai entfiel nicht, dass die Blumen unter seinen Füßen welk wurden und sich alle Farben in dieser harmonischen Welt zu einem leblosen Braun wandelten. „Das ist alles deine Schuld!“, fluchte die Fremde, die erneut mit ganzer Kraft angriff. „Wenn sie dich nicht kennengelernt hätte, wäre all das nicht passiert. Dieser Ort wäre perfekt. Sie wäre weiterhin perfekt. Sie wüsste nichts von der Grausamkeit der Menschenwelt!“ Haarscharf verfehlte die Sensenklinge Harada, sodass nur ein paar unbedeutende Härchen dran glauben mussten. Harada verstand nicht, was genau seine Schuld war. Alles was er sah, war das Erenyas Welt, ihre Heimat, die für sie gewohnt immer blühte, den Gesetzen der Zeit wich. Doch anders als die Fremde beunruhigte es ihn nicht. Er war mit diesem Prinzipien einfach vertraut, doch wahrscheinlich hatte es in Anbetracht der Tatsache, dass es Erenyas Welt war, noch eine tiefere Bedeutung. Er musste sich deswegen die Frage stellen, was gewesen wäre, wenn Erenya ihn nicht kennengelernt hätte. Doch egal wie er es drehte und wand, er war nicht der Einzige gewesen, der Einfluss auf Erenyas Leben hatte. Es war somit sinnlos sich solche Fragen zu stellen. „Sie wäre als Puppe also perfekt? Das sehe ich anders! Lebewesen sind nicht dazu bestimmt stur irgendwelchen Befehlen zu folgen oder sich irgendeiner Bestimmung zu unterwerfen die andere für sie gewählt haben. Es mag zwar so etwas wie Perfektion nicht geben, aber gerade weil niemand perfekt ist, wird das Leben doch interessant.“ Um die Fremde wieder von sich loszubekommen, entschied Harada, selbst in den Angriff überzugehen. Gezielt holte er mit seinem Speer aus und warf diesen auf die Frau, die überrascht über diesen Angriff auswich. „... aber gerade weil niemand perfekt ist, wird das Leben doch interessant.“ Haradas Stimme schien ihr immer näher zu kommen. Nichts konnte den Krieger aufhalten, nicht einmal die Wächterin, die Erenya aus einer Erinnerung heraus erschaffen hatte. Nicht einmal diese Wächterin war perfekt, weswegen sie wie damals leiden würde. Erenya hatte immer unter Schmerzen gelitten, wenn sie zu viel Persönlichkeit entwickelt hatte. Sie erinnerte sich an Stromschläge, an Feuer und Wasser und an die bedrückende Stille des provisorischen Grabes, in dem sie ihre Ängste und ihr Ich begraben hatte, weil sich niemand für Sie, Erenya, interessiert hatte. Alle hatten sie nur die Seherin gewollte. Alle, bis auf die Personen die sie umgebracht hatte und die nun unter dem sterbenden Blumenmeer lagen. Obwohl sie keine dieser Personen sah, erinnerte sie sich klar und deutlich an eben jene. Sie konnte sie nicht mehr vergessen, egal wie sehr sie es auch versuchte. Mit einer recht schlecht ausgeführten Sprungrolle gelang es Harada erneut dem Angriff seiner Verfolgerin zu entkommen. Allerdings knickte ihm seine Hand, auf die er sich abgestützt hatte, weg, weswegen er unsanft zum liegen kam. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah Harada zu den verwelkten Blumen vor sich. Er konnte doch nicht unterliegen ohne Erenya gesehen zu haben. Selbst wenn seine Chancen nicht gut waren, er durfte nicht aufgeben. Deutlich vernahm er die Schritte der Fremden hinter sich, die nun etwas langsamer auf ihn zuging, da er augenscheinlich nicht mehr fliehen konnte. „Und nun verschwinde, damit Erenya und ihre Welt wieder blühen können!“ Mit seiner Hand am Griff des Katanas, war Harada bereit sich umzudrehen und den Angriff zu blocken, doch er hielt inne, als er etwas rosafarbenes durch das welke Braun des Blumenmeeres durchschimmern sah. Und obwohl er es selbst kaum glauben konnte, griff er zu diesem strahlenden Farbklecks und ergriff den grünen, hauchzart pulsierenden Stängel einer Blume, die entgegen all dem was ihre Artgenossen taten, weiterkämpfte. „Du irrst dich!“ Gewand drehte sich Harada zu seiner Angreiferin, die bereits erbarmungslos ihre Sichel auf ihn niedersausen ließ. Er hingegen hielt ihr nur die Blume entgegen, wissend, dass dies ein Fehler sein würden, den er wohl auch mit seinem Leben bezahlen konnte. Doch er musste ihr unbedingt diese einzelne Blume zeigen. Nur wenige Zentimeter hatte die Spitze der Sensenklinge über der Blume inne gehalten. Fassungslos starrte die Fremde auf diese Blume, die selbst jetzt, da Harada sie entwurzelt hatte, noch strahlender blühte. Sie kämpfte mir jeder Spore, egal wie schlecht ihre Lebensumstände auch wurden. „Aber wie?“ Ihre Worte waren mehr ein Japsen als wirklich ausgesprochen. „Ihre Welt ist zerstört... durch dich... Weil sie dir nicht die Wahrheit zeigen kann... Diese Blumen sind doch alle verdorben... warum die nicht?“ Harada bemerkte, dass die Hände der Fremden zitterten. Scheinbar hatte sie das nicht kommen sehen, oder auch nur ansatzweise erwartet. „Diese Welt ist nicht zerstört. Sie lebt. Es ist nur natürlich, dass Blumen blühen und welken. Genauso ist es für uns Menschen, und sicher auch für Engel, natürlich Fehler zu machen. Nichts ist perfekt, aber solange wir durch unsere Fehler nicht sterben, haben wir die Möglichkeit aus ihnen zu lernen und sie wieder gut machen zu können.“ Als hätte sie aufgegeben, ließ die Fremde ihre Sense sinken, die sofort verschwand und dennoch wusste Harada, dass es noch nicht vorbei war. „Und wenn man jemanden umgebracht hat? Wie soll man diesen Fehler wieder gut machen? Wie soll man jemanden das Leben wieder schenken?“ So langsam verstand Harada, was los war und warum er dieses Blumenmeer sah. Noch deutlicher verstand er auch, wer diese Frau vor ihm war und warum sie ihn von Erenya fernhalten wollte. „Als Krieger kann ich dir darauf keine Antwort geben. Zumindest keine, die vielleicht passend für Erenya wäre. Sie kann versuchen diese Person zu vergessen und so tun, als hätte es sie nie gegeben. Oder aber sie lebt mit der Schuld, was sie entweder Stärker oder Schwächer macht. Ich kann nur soviel sagen, dass die erste Variante keine Ideallösung ist, denn weglaufen ist niemals der richtige Weg. Oder sieht ihre Welt für dich so aus, als hätte es funktioniert?“ Wie als wollte sie seine Worte überprüfen, sah sich die Fremde erneut um. Sie begann zu glauben, dass es doch nicht Haradas Schuld war, dass diese einst perfekte Welt sich nun den sterblichen Regeln unterwarf. Vielleicht hatte sich diese Welt so verändert, weil Erenya das richtige, wahre Leben kennengelernt hatte und damit unfähig war ihre Augen davor zu verschließen. „Du würdest auch an ihrer Seite bleiben, wenn sie ein Monster wäre?“ Ernst sah sie Harada an, in dessen Augen sie den Funken der Aufrichtigkeit erkannte. Egal was Erenya als Lebewesen und nicht als Puppe noch widerfahren würde, sie könnte den verzweifelten Engel ziehen lassen, jetzt da sie wusste dass jemand sich um sie kümmern würde. „Ich akzeptiere sie mit all ihren Fehlern. Und es gibt nichts auf der Welt, was mich dazu bringen könnte, sie zu hassen.“ Ein Seufzen kam über die Lippen der Fremden, als sie seine Worte vernahm. Ihr wurde klar, warum dieser Mann Erenyas Herz erobert hatte. Und auch wenn es ungewohnt war, dass ihre Herrin und Schöpferin deswegen wohl andere Qualen als die körperlichen litt, verstand sie, dass es wohl zu Erenyas neuen Leben gehörte. Sie musste loslassen, genauso wie Erenya sich von den eingeflüsterten Lügen dieser perfekten Welt lösen musste. Erst dann würde sie wirklich leben und auch Erwachsen werden können. „Pass gut auf sie auf, Harada Sanosuke.“ Die Welt die Erenya sichtbar gemacht hatte um ihre Fehler zu verbergen, verschwand als wäre sie ein Traum gewesen. Obwohl sich die Puppe panisch umsah, weil sie nicht die Leichen der Menschen darunter sehen wollte, wusste sie, dass es nur richtig so war. Und zu ihrer Überraschung waren sie nicht tot. Durch ihre Welt hatte sie nicht bemerkt, wie sich Koji und auch Chia erhoben hatten und sich nun um die Anderen kümmerten. Zumindest hatte es für sie so den Anschein, denn trotz seiner Verletzung kämpfte sich Koji zu Yuki und nutzt einen Teil seiner Kraft, um ihre Blutung zu stoppen. Chia hingegen war zu Mizu gegangen, die ebenfalls wieder zu sich kam, es aber doch schwerer hatte auf ihre Beine zu kommen. Erenya begriff, dass sie lebten und ihre Schuld wohl nur halb so groß war, wie sie es vermutet hatte. „Ich hab dich endlich gefunden.“ Erschrocken sah Erenya auf, als sie die ihr so vertraute Stimme Haradas vernahm. Er lächelte sie an und das obwohl sie es wieder getan hatte. Sie war wieder zur Puppe geworden und hatte wahllos Lebewesen angegriffen. Und dennoch verzieh er ihr und schenkte ihr dieses warme, charmante Lächeln. Ihr war genauso wie ihm klar, dass er hätte sterben können. Genauso wie es wohl auch den anderen klar war. Und dennoch, sie hatten es auf sich genommen ihr zu helfen. „Harada-kun...“ Seinen Namen auszusprechen hatte etwas erlösendes, sodass sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte und sich ihm fast schon in die Arme warf. Es hatte einige Tage gedauert, bis Yuki und Koji vollständig genesen waren, sodass sich die Abreise immer wieder etwas verschoben hatte. Doch jetzt da die Shinsengumi mit eigenen Problemen zu kämpfen hatte, wollte der Schneeengel nicht länger deren Gastfreundschaft überbeanspruchen. „Du willst wirklich hier bleiben, Natsu?“ Yuki war schon ein wenig traurig, dass die Kitsune und sie nun getrennte Wege gehen würden, denn auch wenn sie nur kurze Zeit zusammen gewesen waren, war ihr das Fuchsmädchen ans Herz gewachsen. „Das ist meine Heimat. Außerdem muss jemand auf Heisuke-san aufpassen.“ Es brauchte keine weiteren Worte, damit Yuki verstand, dass Natsu einen Narren an dem Nesthäkchen der Shinsengumi gefressen hatte. Und wahrscheinlich würde es wohl in Zukunft der junge Krieger sein, der auf das Kitsunemädchen aufpassen würde. „Yuki, lass uns gehen. Wir müssen das hier nicht länger hinauszögern.“ Yuki seufzte leise, denn wie immer drängelte Koji heftiger zum Aufbruch. Vielleicht lag es daran, dass er nur wenige persönliche Beziehungen mit den Menschen Kyotos geknüpft hatte. Anders als Erenya, die schon einen Tag zuvor unter Tränen von Lhikan und Mizu verabschiedet hatte. Den schwersten Abschied hatte sich das Mädchen aber für die Abreise aufgehoben. „Gib Erenya die Zeit die sie braucht, um sich von Harada-san zu verabschieden.“ Mahnend sah Yuki zu dem Gefallenen, der grummelnd die Arme verschränkte. Sie würde ihn doch im Auge behalten müssen, wenn sie nicht wollte, dass Erenya der angemessene Abschied verwehrt blieb. „Und du hast gerade wirklich nichts zu tun? Ich meine, nachdem Nimi-san verschwunden ist.“ In Erenyas Stimme schwang Sorge mit, als sie sich endlich traute das Wort zu erheben, denn irgendwie mussten sie doch miteinander reden, jetzt da sie etwas weiter von Yuki und Koji entfernt standen und alle Ruhe der Welt hatten. Dem Püppchen war die letzten Tage nicht entgangen, dass auch die Shinsengumi mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen hatten, weswegen sie ein schlechtes Gewissen hatte, dass sie Harada um diese letzten Minuten gebeten hatte. „Ich will nicht sagen, dass Hijikata-san sehr erfreut war, aber er hat Verständnis dafür. Auch wenn er meist so böse guckt, ist er doch in der Lage die Gefühle anderer zu verstehen.“ Ein sanftes Lächeln lag auf Haradas Lippen, als er versuchte Erenyas Sympathien für Hijikata doch noch zu wecken. Dass dies nicht gerade erfolgreich war, konnte er an der Mimik des Mädchens sehen, das selbst nicht gerade freundliche Worte vom Kommandanten der Shinsengumi erhalten hatte. „Du willst wirklich gehen?“ Auch wenn Harada verstand, dass er zu abrupt das Thema wechselte, konnte er nicht anders. Denn schließlich war dies der Augenblick, den er schon lange gefürchtet hatte. „Ich muss. Auch wenn ich Kyoto, Mizu und Lhikan vermissen werde. Ich muss hier weg, dahin wo ich lernen kann, was es für mich bedeutet zu leben und dahin, wo ich keine Gefahr für jene bin, die mir am Herzen liegen.“ Harada merkte, dass sie bewusst vermied zu erwähnen, dass sie auch ihn vermissen würde. Der Abschied selbst fiel ihr schon schwer genug, dass sie nicht auch noch daran denken wollte, dass sie ihre erste Liebe wohl nie wiedersehen würde. „Und mich wirst du nicht vermissen?“ Er konnte einfach nicht anders als zu fragen, selbst wenn Erenya die Antwort schmerzen würde. Aber sie musste diesen Schmerz dann nicht alleine ertragen. „Nein.“ Es war eine Antwort, mit der Harada nicht gerechnet hatte und das Lächeln, dass sie ihm schenkte, war Zeuge davon, dass sie nicht log. „Ich muss dich nicht vermissen, denn du bist die einzige Blume, die in meinem Garten blüht. Du bist mir damit näher als jeder andere.“ Ihre letzten Worte waren nur ein Flüstern und doch verstand Harada sie klar und deutlich. Auch wenn sie nicht log, zumindest nicht bewusst, so war dem Krieger doch klar, dass sie sich nach ihm sehnen würde. „Harada-kun... ich habe eine Entscheidung getroffen.“ So aufrichtig und stark wie er sie noch nie erlebt hatte, wandte sich das Mädchen zu ihm und fixierte ihn ernst. „Ich werde wiederkommen, wenn ich stark genug bin immer die schönste Blume in deinem Garten zu sein. Das ist mein Versprechen an dich.“ Ein rosafarbener Schimmer legte sich auf Haradas Wangen, als er sie hörte. Sie meinte es wirklich ernst, was sie umso deutlicher unterstrich, als sie sich ohne ein weiteres Wort von ihm abwandte. Jetzt und hier wollte sie die Saat legen, in dem sie diesen Abschied tapfer durchzog, ohne eine Berührung, die sie geschwächt und weinen lassen hätte. Doch Harada konnte das nicht zulassen. Sie konnte wann anders stark sein, aber nicht jetzt. Bevor sie gehen konnte, ergriff er sie und drehte sie zu sich, um ihr einen letzten zärtlichen Kuss zu geben. „Ich werde auf diesen Tag warten...“, wisperte er ihr sanft ins Ohr, küsste ihr eine Träne weg und entließ sie mit ihrem gemeinsamen Versprechen in die Freiheit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)