Deine Freundschaft hilft mir aber nicht! von goldpetal ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 - Hilflosigkeit ------------------------------------ Kapitel 2 – Hilflosigkeit. Sakura hatte mich ganze zwei Wochen lang ignoriert. Eigentlich nicht nur mich. Sie hatte sich von allem abgeschottet. Sie saß nur noch mit glasigem Blick im Unterricht und redete mit niemandem. Wenn unser Lehrer sie ansprach, dann brummte sie etwas oder tat, als hörte sie nichts. „He, Sakura! Rede doch mal mit mir“, versuchte ich nun schon zum gefühlt hundertsten Mal meine beste Freundin aus ihrer sonderbaren Abwesenheit zu holen, doch sie reagierte nicht, zuckte noch nichteinmal mit einer Wimper. Ich fluchte leise vor mich hin, bevor ich mich dazu entschloss, sie einfach anzurufen. Der Unterricht hatte noch nicht angefangen und so wählte ich einfach an Ort und stelle ihre Nummer, in der Hoffnung, dass sie nach zwei Wochen stillschweigen einen Existenzbeweis abgeben könnte. Quäl dich. Hass dich. Schlag dich. Iss nicht. Verabscheu dich. Ekel dich. Beherrsch dich. Iss nicht. Zwing dich. Bekämpf dich. Töte dich. Iss nicht. Mach dich schön, mach dich schlank, mach dich mager, mach dich krank. klingelte ihr Handy, bis sie es gefunden hatte und mich wegdrückte. Seit wann war das denn ihr Klingelton? Ich kannte das Lied, wir hatten es einmal in einer Philosophiestunde bei Sensai Asuma bearbeitet. Liebe Ana von Debbie Rockt! , ein Song über Anorexie. Sakura hatte es damals nicht gemocht. „Die müssen doch irre sein, wenn sie nichts mehr essen wollen.“ „Zu dünn ist doch hässlich. Schau dir mal Keira Knightley an, die ist auch schon so mager. Ich würde nie so aussehen wollen.“ „Ich bekomm bei dem Lied Kopfschmerzen, Ino.“ „Kopfschmerzen…“, murmelte ich leise vor mich hin. Das war noch vor der ganzen Zeit gewesen. Als Sasuke Uchiha noch nicht ihr Freund gewesen war. Wenn ich mich nicht irrte, war es kurz nach einer Demonstration gegen Atomkraft gewesen. Zwei Tage nach dieser Unterrichtsstunde hatte sie mir gesagt, dass sie sich in ihn verliebt hatte. Vier Monate danach waren sie ein Paar gewesen. Ein halbes Jahr nach der Demonstration hatte sie sich von uns allen abgeschottet. Warum mochte sie dieses Lied auf einmal? So sehr, dass sie es… oh nein. In meinen Gedanken gab es einen Kurzschluss und ich war so schnell bei Sakura, das sie selbst keine Gelegenheit hatte sich wegzubewegen. Ich zog sie herum und sah ihr ins Gesicht. Sie blickte mich völlig teilnahmslos an, ihre Augenringe machten mich schon vom ansehen müde und sie war blass. Alles an gesunder Röte war aus ihrem Gesicht verschwunden, sogar die vereinzelten Pickel die sich auf Sakuras unreiner Haut zeigten waren verblasst. „Sakura, rede mit mir, verdammt!“, sagte ich sorgenvoll zu ihr, doch sie drehte nur den Kopf weg, nahm meine Hände von ihren Schultern und ging einen Schritt zurück, bevor sie sich ihre Tasche und die Wasserflasche daneben schnappte und das Schulgebäude betrat, nicht ohne ihr Handy vorher auszuschalten. Ich selbst schlurfte nur hinter ihr die tristen Gänge des Schulgebäudes entlang. Gräulich-blaue Wände, brauner Fliesenboden und in regelmäßigen Abständen weiße Türen mit roten Plastikklinken, die teilweise abgebrochen waren. Es war echt kein Wunder, wenn man in diesem Gebäude Depressionen oder ähnliches bekam. Sakura bog plötzlich in eine Tür ein, die nicht wirklich unser Klassenzimmer war. Es war eine der babyrosa Mädchenklotüren. Ich fand es zwar nicht komisch, das Sakura auf Toilette ging, aber dennoch kam mir ihr Verhalten bevor sie die Tür geöffnet hatte auffällig vor. Sie hatte sich umgesehen, als hätte sie das Gefühl verfolgt zu werden. Durch mich hatte sie dennoch gekonnt hindurchgesehen. Ich legte meine Tasche mit dem Bandlogo von Evanescence neben der Tür ab und öffnete diese dann langsam. Ich blickte direkt auf das schneeweiße Waschbecken, auf dessen Rand mit Schwarzem Edding  hate the mirror geschrieben stand und die zerschlagene Spiegelhälfte, welche darüber hing. Links ging es in den Raum, in dem sich die zwei Toilettenkabinen befanden. Die Farbwahl von ebendiesen lies wirklich zu wünschen übrig, denn sie hatten einen dreckigen Grünton. Auch wenn man ihn kaum noch erkennen konnte regte er mich tierisch auf. Eine der Kabinen war verschlossen, doch man sah die Sohlen von schwarzen Absatzschuhen unter der Tür. Wenn man sich – wie ich – herunterlehnte, um zu sehen, wer dort kniete, erkannte man auch eine rote Strumpfhose unter grau-schwarz karierten Hotpants, die meines Wissens Sakura gehörten. Ich hörte sie schwer atmen und gelegentlich ein leises Plätschern, des weiteren nahm ich einen bitteren Geruch war. Wir hatten etwas Ähnliches neulich in Chemie unter sie Nase gehalten bekommen. Essigsäure war es gewesen, doch das was ich hier roch war nicht so intensiv. Dennoch war es Säure. Sakura kotze doch nicht etwa gerade? Als ich die Toilettenspülung hörte, stand ich rasch auf und hechtete zu dem Waschbecken, wo ich blitzschnell das Lipgloss aufdrehte und es mit Hilfe der großen Scherbe, die sie Spiegel nannten, auftrug. Kurz darauf hörte man ein Klacken und die Metalltür öffnete sich. Ich drehte mich um und tat verwundert, als ich fragte „Sakura? Du hier?“ Diesmal ignorierte sie mich nicht. Sie starrte mich an, wie ein Kaninchen eine Schlange anstarrt, bevor es gefressen wird, dann stammelte sie „I- Ino, e- es tut mi- mir leid!“ und fiel mir schluchzend um den Hals. Diesmal war ich es, die sie von sich stieß. Ich hielt erneut ihre Schultern fest, doch ich sah sie mit kaltem Blick an „Warum?“ „Wie warum?“, fragte sie in einem naiv-kindlichem Ton, den sie sonst nur anwandte, um Lehrer zu verwirren, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht hatte. „Du hast gerade gekotzt, Sakura. Ich bin weder blind, noch taub und mein Geruchssinn funktioniert auch noch ganz akzeptabel“, brummte ich, als sie erneut begann zu weinen. Sie stotterte etwas für mich unverständliches von sich hin und schon nahm ich meine etwas kleinere Freundin in die Arme. Die rosahaarige stammelte noch immer etwas in ihr Schluchzen hinein, doch ich konnte es einfach nicht entziffern. „Sakura, Spätzchen, beruhig dich doch mal…“, flüsterte ich, während ich ihr teilnahmslos über den Rücken strich und meine eigenen Tränen zurückhielt. Sakura war meine beste Freundin seit ich denken konnte. Wir hatten so viel gemeinsam erlebt. Wir hatten uns zusammen das erste Mal richtig betrunken, wir hatten uns zusammen unsere erste und letzte Zigarette geteilt, wir hatten gemeinsam gelernt zu schwimmen, Fahrrad zu fahren, wir belegten momentan zusammen Fahrstunden. Ich kannte sie besser als jeder andere. Und doch konnte ich ihr nicht helfen. Jedenfalls wusste ich keine Möglichkeit. Sakura hatte sich inzwischen wieder etwas beruhigt. Sie sagte nur leise „Sie hat es mir befohlen. Ich habe ein Brötchen gegessen und sie hat mir befohlen, es wieder zurück zu holen.“ Ich verstand nicht, was sie sagte. „Sie?“ Sakura nickte, in ihren jadegrünen Augen blitzte sowohl Angst als auch Ehrfurcht auf und sie flüsterte „Ja, sie. Die Stimme.“ Jetzt war sie endgültig durchgedreht, dessen war ich mir sicher. Das schlimmste an dieser Zeit war für mich wohl meine Hilflosigkeit. Ich wollte ihr helfen, ich hätte vermutlich mein Leben gegeben um ihr zu helfen, aber sie konnte mir nichts erklären. Selbst wenn, es wäre zweifelhaft gewesen, ob ich es überhaupt verstanden hätte. Vermutlich nicht. Ich habe einen starken Willen, ich hatte schon immer einen starken Willen, bei mir hätte diese Stimme von der Sakura ab da an stetig faselte niemals entstehen können. Und heute weis ich mehr als vorher. Sakura war nicht durchgedreht. Diese Stimme, die war ein Teil ihrer Essstörung. Ein Teil der Borderline-Persönlichkeitsstörung, die zu dieser Zeit gerade in den Startlöchern saß. Ein Teil von ihr. ___________ So, da ist das nächste Kapitel^^ Danke für den Kommentar, hat mich sehr gefreut, wirklich! Wie auch immer, man liest sich :D Gglg Yukiko Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)