Bloody Fragments von KagerixShinsui ================================================================================ Kapitel 3: Contract ------------------- Geschockt riss Saori ihre Augen auf. Sie spürte seine warmen, weichen Lippen noch immer auf ihren. Wenige Sekunden dauerte dieser Kuss, doch für Saori schien es wie eine halbe Ewigkeit. Der Fremde löste sich von ihr und sah sie an. Sofort zeigte sich erneut ein grinsen auf seinem Gesicht, während seine Augen in ihre blickten. Seine Augen durchbohrten sie, als wäre er gerade dabei in sie hinein zu schauen um sich anzusehen was sie fühlte. Schock und Verwirrung. Saori hatte ihren Tod erwartet. Sie hatte erwartet, dass dieser Junge seine im Mondlicht schimmernde Sense durch ihr Herz bohren würde. Stattdessen hatte er ihr einen sanften und warmen Kuss gegeben und von einem Vertrag gesprochen. War das ganze vielleicht nur ein dummer Traum? Ja, so musste es wohl geweßen sein. Niemand würde einfach so in einer dunklen Sackgasse auftauchen und drei Jugendliche abschlachten. Es war einfach nur ein idiotischer und unsinniger Traum. Saori würde sicherlich schon bald aufwachen. Nachdem sie ihren Schock überwunden hatte wanderten ihre Augen zu Boden. Immer mehr Blut zerlief im Schnee. Diese Gasse stank nach Tod. Es dauerte noch eine Weile, bis Saori in der Lage war ihren Mund zu öffnen, doch letztendlich schaffte sie es die Verwirrung zu überwinden und sich langsam zu beruhigen. "W-Wer...Wer bist du..? Und...was für einen Vertrag? Was meinst du..?", deutliche Verwirrung war in der zittrigen Stimme zu hören. "Vertrag...hmm....gute Frage...es war eine Instinktive Handlung das zu tun. Irgendwas hat mir gesagt, dass ich es tun muss, wenn ich bleiben will". Instinktive Handlung? Wenn er bleiben wollte? Von was sprach dieser Junge? "Was ist das denn für eine bescheuerte Antwort? Kannst du dich nicht klarer ausdrücken?". "Du würdest mir nicht glauben wenn ich es dir erkläre". "Versuch es einfach". Kurz dachte Saori nach: "Was tu ich hier überhaupt? Ich spreche mit einem Fremden, der gerade vor meinen Augen mordete...ich spreche mit ihm, als wäre das alles nie passiert....". Ja, noch immer hatte sie keine Angst und noch immer betrauerte sie den Tod dieser Jungs nicht. "Ich...bin Kenta Shinsui...und...ich bin tod. Ich weiß nicht wie ich gestorben bin, ich weiß nicht was ich nun bin und ich weiß nicht wo ich in der Zeit war, in der ich nicht hier in dieser Gasse war. Es ist als hätte ich all meine Erinnerungen von meinem Todeszeitpunkt bis jetzt vergessen.....doch ich weiß, dass ich nicht hier war und ich denke, dass ein 'Vetrrag' notwendig war um mich bleiben zu lassen...", der Junge, der sich selbst als Kenta vorstellte, schien sich selbst nicht genau sicher zu sein was er sprach. Es wirkte, als wäre er selbst ein wenig Verwirrt, doch gab er sich Mühe seine Situation zu erklären. "A..ha...?", war alles was Saori aus sich heraus bekam nachdem sie diese unglaubwürdige Geschichte zu hören bekam. "Ich weiß..ich würd´s auch nicht glauben, wenn ich wer anders wäre", Kenta zuckte mit den schultern und seufzte, "keine Ahnung warum ausgerechnet du in der Lage warst mich zurück zu bringen, aber das alles ging dann auch einmal so schnell...wie ein reflex..diese ganze Sache da..mit dem töten und Vertrag schließen....". Kenta streckte seine Hände aus und blickte auf seine blassen Handflächen, als würde er darüber nachdenken wie er die Dinge getan hatte. "Und..jetzt..wo du wieder zurück bist...was hast du nun vor?", Saoris neugier packte sie, auch wenn sie noch immer dachte, dass sie sich in einem Traum befand. In ihrer kleinen naiven Fantasiewelt. "Ich will meine Erinnerungen zurück haben. Ich will wissen wie ich gestorben bin und vor allen Dingen wer mich getötet hat...und ich will wissen was ich nun bin", antwortete Kenta, "außerdem wäre es nicht schlecht zu wissen wo ich die ganze Zeit über geblieben bin und wie viel Zeit vergangen ist....was für ein Tag ist heute? Welches Jahr haben wir?". "Vierter Dezember 2012...", antwortete Saori. "2 Jahre also...", murmelte Kenta vor sich hin und sah das schwarzhaarige Mädchen wieder an. Mittlerweile waren ihre Haare stark vom hellen weiß der Schneeflocken verdeckt. Ihre Augen wirkten unschuldig und verwirrt, als sie auf die ausdruckslos kühlen von Kenta trafen. Es verging eine Weile, die von Stille umhüllt war, bis die nächste Handlung geschah. Kenta bewegte sich plötzlich, als wäre er auf einmal von einer Biene gestochen worden. Er packte Saori an der Hand und zog sie mit sich. Sofort wurde das Mädchen von erneuter Verwirrung ergriffen. "Wo willst du hin?". "Weiß nicht. Irgendwo hin wo man in ruhe reden kann". An einer abgelegenen Mauer angekommen blieb der Junge mit dem feurig roten Haar stehen. Er setzte sich auf die Mauer, welche von Schnee bedeckt war. Doch es schien ihm nichts auszumachen. Entweder war sein schwarzer Ledermantel so wärmegebend, dass er gegen die eisige kälte immun war oder ein Toter hatte einfach nichts gegen das für einen Menschen unangenehme Klima. Kentas Augen wanderten in den von Wolken bedeckten dunklen Nachthimmel. Ob es wohl an der Dunkelheit lag, dass seine Atmung keinen weißen Nebelschleier zeigte? Doch Saori konnte ihren eigenen, weißen Atem deutlich sehen. Kurz rieb sie sich über ihre kühlen Hände und wartete auf ein Wort ihres gegenübers. "Warum hast du gerufen?", es war schon wieder diese Frage. Er hatte ihr dieselbe Frage schon einmal gestellt. "Ich habe nicht gerufen", antwortete Saori. Gerne hätte sie sich neben ihn gesetzt, doch der hoch liegende Schnee war eindeutig zu viel für sie. Schon Kentas Anblick in der hohen Schneemasse sitzend gab ihr eine Gänsehaut. "Zumindest habe ich kein Wort von mir gegeben". "Aber in Gedanken?". Erst gab Saori keine Antwort, doch dann nickte sie zögernd. "Warum?", er wiederholte es erneut. "Weil...mein Leben ein Chaos ist...vielleicht deswegen....aber Fremden erzählt man sowas nicht gerne". "Aber vielleicht sollst du es mir erzählen? Vielleicht bin ich ja dafür da dein Leben wieder gut zu machen? Und dafür, dass ich dein Leben wieder in Ordnung bringe hilfst du mir meine Erinnerugen zu finden", auf seinen Lippen lag plötzlich ein amüsiertes und freches Grinsen. Was war so lustig? Machte ihm der Gedanke etwa spaß? Das war doch kein Spiel. "Vielleicht..", murmelte Saori. "Und wenn mein Einsatz sowas wie meine Seele ist?". Plötzlich fing der Junge an laut zu lachen. "Seh ich für dich aus wie ein Dämon oder sowas?", meinte er frech grinsend. "Wie ein böser Teufel, ja", Saoris gemurmel war unverständlich, doch Kenta schien es auch nicht wirklich zu interessieren was ihre Antwort war, denn er fragte nicht noch einmal. Saori dachte wirklich, dass er eine ähnlichkeit mit dem hatte, was man in Geschichten 'Teufel' nannte. Zwar hatte er keine Hörner, doch die Farbe seiner Haare passte wirklich gut. Seine Haut war leichenblass und die Augen wirkten eisig kühl, als könnte er einen Menschen in eine Eissäule verwandeln. Vielleicht hätten die Augen eines Teufels eher wie brennendes Feuer wirken sollen, doch Kentas eiskalte Augen wirkten genauso gruselig. Ein schwarz verschmierter Kayalstrich war um sie gezogen, welcher diesen Augen nochmehr Ausdruck verleihte. Als er noch lebte war er bestimmt ein Mädchenschwarm, denn es gab ja einige, die auf diese 'Badboy'-Art standen. Wie lange er wohl schon diese Narbe hatte, die sich über sein rechtes Auge zog? Kam sie von seinem Tod oder war es ein Unfall der sich schon zuvor begeben hatte? "Über was genau wolltest du jetzt eigentlich reden?". "Über das was nun als nächstes passieren soll....ich weiß nicht ob ich ohne dich herumirren darf. Schließlich haben wir ja einen Vertrag abgeschlossen". Saori seufzte. Diese Vertragssache war ihr zu dämlich und viel zu kompliziert. Was für eine bescheuerte Art von Vertrag war das, wenn man nicht wusste wie der Inhalt lautete? "Ich denke ich sollte es einfach so machen wie ich es dachte. Ich bring dein Leben ein wenig in Ordnung und suche nach meinen Erinnerungen", meinte Kenta und grinste erneut, "das wird bestimmt ´ne lustige Sache". Was war daran lustig? Saori verstand es nicht. "Wie du meinst....darf ich jetzt nach Hause?". "Klar". Mit seinen Beinen stoßte er sich von der Mauer ab und landete elegant auf seinen Beinen. Perfekt, wie eine flinke Katze. Der Mantel war leicht durchnässt, doch das schien Kenta nicht wirklich zu interessieren. Er zog sich seine von Fell umgebene Kapuze auf den Kopf und verabschiedete sich mit einem frechen, vielleicht sogar leich fieß wirkendem lächeln: "Ich denke man sieht sich dann". Und ohne auf ein weiteres Wort zu warten machte er sich auf den Weg in die Dunkelheit der Nacht. Nun stand sie alleine da. Alleine in einer der etwas abgelegeneren Gegenden der Stadt. Der Schnee wirkte noch immer unaufhörlich und nur von weitem war das Gehupe des Stadtchaos wahr zu nehmen. Bis auf die üblichen Geräusche des fernen Stadtlebens war es still. Der Wind wehte sanft und kühl durch Saoris Haar, als würde er es liebhaft streicheln. Das Mädchen zog ihre Jacke noch mehr zu, um sich vor der Kälte zu schützen. Sie zitterte leicht. Ihre Haare waren von geschmolzenen Schneeflocken durchnässt. Noch einmal drehte sie sich um, doch von Kenta fehlte jede Spur. Nicht mal mehr seine Schritte waren zu hören. Saori fühlte sich einsam und sie entschied sich vorsichtig den Heimweg anzutreten. Die Nacht verging, der Wecker klingelte unaufhörlich, nervtötend, laut. Saori hatte schlecht geschlafen, ihr Kopf gefüllt mit den verschiedensten Gedanken. War es nun ein Traum geweßen oder nicht? Sie seufzte und stand auf. Ihre nackten Füße berührten den eisig kalten Holzboden und hinterließen ihre Form im zuvor staub bedeckten Boden als reiner Abdruck, doch schon bald würden diese wieder unter Staub bedeckt liegen. Leise, beinahe lautlos tappste sie zum alten Schrank, zog ihre Schuluniform herauß und zog diese an. Die zarte Haut verschwand unter der weißen Bluße. Die schön geformten und schlanken Schenkel steckten im blauen Faltenrock und die nackten Füße waren nun in weiße Kniestrümpfe gepackt worden. Nun huschte das Mädchen nur noch in die braunen Schuhe und öffnete die Tür. Leise schlich sie in die Küche und bereitete ein Bento zu. Das traditionelle 'Pausenbrot', welches damals immer ihre Mutter für sie zubereitet hatte. Irgendwann hatte sie es dann selbst gelernt, doch das Bento, welches sie sich in diesem Haus zubereitete war längst nicht mehr traditionell. Die Zutaten waren anders, da dieser Haushalt nicht alle Zutaten hatte, welche für die japanische Mahlzeit üblich waren. Saori vermisste ihre Familie. Sie vermisste ihre Mutter, ihren Vater, ihren Zwillingsbruder und auch ihre ältere Schwester. Alle waren sie damals bei dem Unfall umgekommen. Sie war die einzige, die überlebt hatte. Es war wirklich so, als würde ein Fluch auf ihren Schultern lasten. Der Schultag verlief so, wie es für Saori schon normaler Alltag geworden war. Frau Walker als Ersatz Lehrkraft für Herrn Weston, eine einsame Pause, in der Saori das Bento an einen von Davids Schlägerfreunden abgeben musste und mal hier mal da etwas Lästerei über das japanische Mädchen. Saori hoffte, dass man sie wenigstens nach Schulschluss in ruhe lassen würde, doch es kam anders. "Hey kleines! Hast du noch ein wenig Geld dabei?", einer der Schüler ihrer Klasse hielt Saori an ihrer Schulter fest. Er hatte einen groben und festen Griff. "Nein, tut mir leid", flüsterte Saori und sah zu Boden. Wieder einmal raste ihr Herz schneller vor Angst. "Ach so? Dann lass mich doch mal nachsehen", ohne zu zögern nahm der Schüler ihren Rucksack und durchwühlte diesen. Nachdem ihm das gewühle zu blöd wurde packte er den Rucksack und leerte ihn aus. In wenigen Sekunden war sämtlicher Inhalt der Tasche auf dem verschneiten Boden gelandet, auch der schwarze sonst so unauffällige Geldbeutel, der im hellen weiß des Schnees jedoch am meisten ins Auge stach. Als der Junge ins innere blickte erfüllte sich seine Miene mit zorn. "Ach..kein Geld also!? Da is ja noch haufenweise was drinnen!", brüllte er sofort los und zog somit wieder einmal die ganze Aufmerksamkeit auf sich und Saori. Mit voller Wucht schubste er Saori, welche sofort zu Boden fiel. Auch wenn der Schnee ihr etwas Schutz vorm harten Aufschlag bot, so war es keine angenehme Landung. "Miststück!", der Kerl zog die restlichen fünf Dollar, welche in Saoris Geldbeutel gesteckt hatten, heraus und warf die nun leere und nutlose Brieftasche zu Boden. Doch noch immer war er nicht zufrieden, hob er nun sein Bein und trat Saori auch noch. Ein furchtbarer Schmerz zog durch Saoris Arm, auf welchen sie gestürzt war - und nun kam auch noch ein stechender Schmerz in ihren Rippen dazu. Auf einmal spürte sie, wie ihre Augen immer nässer wurden. Ihre Sicht wirkte verschwommen und dann fühlte sie auch schon die kullernden Tränen auf ihren Wangen. "Was..von dem bisschen heulst du jetzt? Das hast du doch wirklich verdient! Wer lügt verdient eine Strafe!", dieser Kerl zeigte kein bisschen Mitleid. Stattdessen wollte er sogar noch einmal zutreten. Verängstigt kniff Saori ihre Augen zu und machte sich für weiteren Schmerz bereit. Doch so weit kam es nicht. Es gab keine weiteren Schmerzen mehr. "Macht´s wirklich so sehr spaß andere Leute zu tyrannisieren?", als Saori diese Stimme hörte riss sie ihre Augen auf. Diese Stimme hatte sie schon einmal gehört. Sie kannte sie aus ihrem letzten Traum. "Wenn es dumme Leute sind, die nur lügen können, schon", antwortete der Kerl. Und plötzlich, ja, es ging unglaublich schnell, plötzlich fiel er auch schon zu Boden, da er einen heftigen Schlag ins Gesicht abbekommen hatte. "Wow..du hast recht, macht spaß bei Vollidioten". Saoris Blick erhob sich und sah in das Gesicht eines Jungen, welcher wohl ungefähr in ihrem Alter war. Rotes Haar, blasse Haut, ein blaues und ein graues Auge. Geschockt blickte sie ihn an. Das konnte nicht sein. Es konnte einfach nicht sein. Auf seinen Lippen lag ein leicht bösartiges lächeln, als er sich zu Saoris Angreifer herab kniete. "Wenn du dieses Mädchen noch einmal anfässt..wirst du es bereuen, das schwöre ich dir", die Stimme des rothaarigen Jungen war leise, doch klang sie bedrohlich, gefährlich. Die Nase des Angreifers blutete stark. Der Junge hatte sie wohl perfekt getroffen. Das böse lächeln war aus seinem Gesicht gewichen. Alles was man nun in seinem Gesicht sah war purer ernst. "Was geht´n mit dir ab!?", brüllte der Kerl geschockt und hielt seine Hand an seine blutende Nase. "Nun, ich kann´s einfach nicht leiden, wenn Arschlöcher wie du eins bist, unschuldige Mädchen schlagen und tyrannisieren", antwortete der Rothaarige, "also mach´s nicht mehr". Nach seiner Drohung nahm er diesem Kerl die fünf Dollar ab, lief zum Geldbeutel und hob auch diesen auf. Der Rest des ausgeschütteten Tascheninhalts fand nun wieder Platz in dem leeren Rucksack, nicht wirklich ordentlich eingepackt, doch das war in diesem Moment auch gar nicht wichtig. Danach lief er zu Saori, welche die ganze Szene geschockt beobachtet hatte. Ihr Herz raßte unaufhörlich. War sie wieder eingeschlafen? Fing sie schon mit Tagträumerei an? Oder hatte dieser Frauenschläger sie vielleicht Ohnmächtig getreten? "Alles in Ordnung?", wollte der Rothaarige nun wissen und sah sie an. Sein Blick wirkte kühl. "Äh...ich....ich glaube..schon", stammelte Saori total durcheinander vor sich hin. Um die Beiden herum war nur gemurmele zu hören. Eine Menge an Schülern hatte dem Geschehen zugesehen. Der Junge hielt ihr eine Hand hin und Saori nahm diese. Er half ihr beim aufstehen und auch wenn Saori es eigentlich verheimlichen wollte zeigte sich nun kurz der Schmerz in ihrem Gesicht. "Sicher, dass alles in ordnung ist?", wollte er wissen und es war überraschend, wie sanft und vorsichtig seine Stimme klang. Sie war leise und nur an Saori gerichtet. Doch die Zeit reichte nicht für eine Antwort: "Hey! Was soll das ganze!?". Plötzlich war einer der Lehrer auf die chaotische Bühne auf der das Schauspiel stattfand getreten. "Du!", und schon zeigte er auf den aggressiven Schüler mit der blutenden Nase, "ab mit dir ins Sekretariat! Und du, Shinji, solltest nicht gleich an deinem ersten Tag negativ auffallen". Shinji? "Ja, ich weiß. Tut mir Leid, aber ich konnte einfach nicht mit ansehen wie der Kerl ein Mädchen schlägt", entschuldigte Kenta oder 'Shinji' sich. Saori blickte ihn irritiert an - und schon bekam sie einen "ich erklär dir das nachher"-Blick zugeworfen. Der Lehrer seufzte nur und ging dann zurück in die Schule um sich nun um den Rebellen zu kümmern. Plötzlich spürte Saori einen festen Griff um ihr Handgelenk und schon wurde sie vom großen Schulgebäude weggezogen. Schmerz zog sich durch ihren Körper und ihre Rippe schmerzte, als hätte man tausend Nadeln in sie gerammt. "Wo gehen wir hin?", den Schmerz unterdrückend sah sie den rothaarigen Jungen, der sie wegzog, an. "Irgendwo hin wo man in Ruhe reden kann". Saori fühlte sich wie in einem Geheimagenten Film. Immer wenn sie auf Kenta traf ging er mit ihr irgendwo hin wo man ungestört reden konnte, als hätten sie ein erschütterndes Geheimnis - welches sie vielleicht sogar hatten... In einer stilleren Gegend angekommen ließ Kenta endlich los. Saori sah sich um und als sie sich sicher war, dass keiner dem Gespräch folgen konnte zögerte sie nicht mehr die lang unterdrückten Fragen loszulassen: "Was soll dieser falsche Name?". "Ich hab´ mich an deiner Schule angemeldet. Ich dachte, dass es so am besten wäre. So kann ich dich am besten beobachten und auf dich aufpassen, was wohl auch wirklich nötig ist. Wenn dieser Kerl dich nochmal eingreift brech ich ihm das Genick", Kenta klang bedrohlich ernst, doch warum? Warum tat er das alles nur für Saori? Ein Mädchen, welches er doch gar nicht kannte. "Aber...warum tust du das alles?", offenbarte Saori ihre Gedanken. "Wer weiß was mit mir passiert wenn dir was zustößt. Ich bin mir sicher, dass ich wieder verschwinde, wenn dir was passiert und der Vertrag ungültig wird". Diese Antwort hatte Saori nicht erwartet. Sie spürte die Enttäuschung, die sich langsam in ihrem Körper ausbreitete, wie ein flüssiges Gift, welches sie zu sich genommen hatte. Doch was hatte sie denn eigentlich erwartet? Dachte sie wirklich, dass sie einem Fremden irgendwie wichtig wäre? Nur weil er ihr einmal das Leben rettete und sie danach einmal vor einem Schlägertypen beschützte? All das hatte er nur wegen des Vertrages getan. Für sein eigenes Wohl und sein eigenes Vergnügen. "Achso..", auch wenn sie es versuchte, gelang es ihr nicht ganz die in ihrer Stimme liegenden Enttäuschung zu unterdrücken. Ehe Kenta es bemerken oder sich irgendwie dazu äußern konnte änderte Saori rasch das Thema: "Und für was dann der andere Name?". "Ich kann meinen richtigen Namen nicht mehr nutzen. Kenta Shinsui ist tot". Stimmt ja, das hatte Saori beinahe vergessen. Er war tot. Leichenblass wie ein Geist und selbst seine Körpertemperatur für einen Menschen viel zu niedrig. Er fror nie und egal wie stark seine Atmung war es bildete sich nie der weiße Atemschleier der warmen Luft die er eigentlich hätte von sich geben sollen. Er wusste zwar nicht wie, doch er war auch in der Lage eine Waffe zu formen. Ja, als sie sich wieder an die Sense erinnerte lief ihr ein Schauer über den Rücken. Konnte es sein, dass er vielleicht sogar emotionslos geworden war? Es kam ihr immernoch wie ein Traum vor, doch Kenta hatte wirklich ohne mit den Wimpern zu zucken Menschen getötet. Kein bisschen Mitleid hatte er gezeigt. Kein schlechtes Gewissen plagte ihn. Doch er hatte schon öfter gelacht oder wirkte aggressiv. Nein, emotionslos konnte er nicht sein, auch wenn er die meiste Zeit über so wirkte. Plötzlich schnippste jemand mit seinen Fingern direkt vor Saoris Augen. "Hey! Über was denkst du so scharf nach?", fragte Kenta plötzlich, als Saori wieder anwesend war. "Was? Äh..ach..nichts besonderes....nur....", was wollte sie ihn gerade Fragen? Ob es ihm nichts ausmacht gemordet zu haben? "Nur?", dieses mal bohrte Kenta neugierig nach. "Nur....plagt dich kein schlechtes Gewissen? Du..hast Leute ermordet.....". Kenta zuckte mit den Schultern. "Schienen Arschlöcher geweßen zu sein. Was wollen drei Kerle mit einem Mädchen in einer dunklen Gasse? Das konnten einfach keine guten Typen geweßen sein...dich scheint es ja auch nicht wirklich zu belasten, dass sie nicht mehr da sind". Stimmt, es verursachte zwar manchmal ein stechen in ihrem Herzen einen Mord mit angesehen zu haben, doch...diese Kerle hatten es nicht anders verdient. Über diese Bande hatte man nie etwas positives gehört. Sie hatten sogar schon einige Probleme mit der Polizei gehabt, auch wenn es keine großen waren. Eigentlich hatten sie ihr Leben schon weggeworfen. Es war trauig zu sehen, dass Menschen schon in diesem jungen Alter zu solch bösartigen Taten im stande waren ohne an die Folgen und ihre danach verkorkste Zukunft zu denken. Wieder einmal wechselte Saori das Thema: "Und nun? Was hast du jetzt vor?". Kenta zuckte erneut mit den Schultern. "Ich werde mir erst mal die Stadt ansehen...was sich so in den zwei Jahren geändert hat....danach überleg ich mir wie ich am besten meine Erinnerugen zurück erlange". "Ah...dafür brauchst du mich nicht zwingend oder?". Kenta schüttelte den Kopf. "Gestern ging´s auch ohne dich. Also bin ich wohl nicht dein Schoßhündchen, dass du an der Leine herumführen musst". "Ist auch besser so. Ich wollte sowieso immer eher eine Katze haben". Kentas kühl wirkendes Gesicht zeigte plötzlich ein Grinsen. "Auf was willst du hinaus?". Erst jetzt fiel ihr auf, dass es klang, als wäre Kenta gemeint. Und eigentlich war es ein guter Vergleich geweßen, denn auf den ersten Eindruck wirkte er wirklich wie eine unabhängige und freie Wildkatze. "Ach, vergiss es", meinte Saori schließlich. Ihre Schuhe hinterließen einen Abdruck und knarzende Geräusche im Schnee, als sie einige Schritte lief. "Ich denke ich gehe jetzt nach Hause. Viel Spaß beim Streunen". "Danke, den werde ich vielleicht haben", antwortete Kenta schmunzelnd und auch er ging seinen Weg. Ehe Saori sich versah war der junge Mann auch schon verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)