Von Skalpellen und Noten von Tatheya ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kommentar: Hallo und herzlich Willkommen zu meiner neuen Story: Von Skalpellen und Noten. Ich hoffe auf euer Wohlwollen und Interesse! Ich bin gespannt, was ihr sagt. Zu den Charakteren, zu dem Setting, usw... Kennt ihr Frank noch? Er hatte einen kleinen Auftritt in meiner ersten Story Holz und Elfenbein. War dort quasi nur ein „Gastauftritt“, jetzt wird seine Geschichte erzählt. [Update November 2014: Inzwischen ist die Geschichte grundlegend überarbeitet und auch verlängert worden. Daher auf ff.de "nur" noch eine Leseprobe. Das eBook ist auf amazon unter http://www.amazon.de/Von-Skalpellen-Noten-Tanya-Heinrich-ebook/dp/B00PEE50R0/ref=sr_1_1?s=digital-text&ie=UTF8&qid=1415529279&sr=1-1 erhältlich für 5,49€. Neben der Story enthält das eBook zwei Bonusgeschichten: Cote d'Emeraud mit Alexis und Federico und Mile High Club mit Claude und Patrice. ] Von Skalpellen und Noten Kapitel 1 Frank Taylor brummte der Kopf, im wahrsten Sinne des Wortes, und er wünschte sich jetzt nur noch Eines: Sich endlich in seinem Zimmer auf dem Bett ausstrecken zu können und etwas von dem Schlaf nachholen, der ihm letzte Nacht abhanden gekommen war. Und nicht etwa, weil er bis tief in die Nacht an seiner Dissertation gearbeitet hätte. Nein, auch nicht, weil ihn Bianca, seine Freundin, auf den Beinen gehalten hätte. Nein, sein Mitbewohner hatte sich ein uralt Videospiel auf seinem Rechner installiert und sie hatten gemeinsam in Kindheitserinnerungen geschwelgt. Monkey Island war schon ein Klassiker für sich und sie würden sich wohl noch tagelang mit den Sprüchen „Du kämpfst wie eine Kuh!“ „Du kämpfst wie eine Super-Kuh!“begrüßen. Doch er zweifelte bereits jetzt an der Durchführbarkeit seines Wunsches nach etwas Ruhe. Wann war es in der WG, die er sich mit vier Studenten teilte, schon einmal ruhig und friedlich? Ihm kam es so vor, das sich das Leben seiner Mitbewohner grob gesagt in zwei Phasen einteilen ließ: In der ersten Phase waren alle aufgedreht und immer auf dem Sprung zur nächsten Party. In Phase zwei drehten sie wieder durch, dieses Mal waren jedoch waren Klausuren, Prüfungen oder Abgabetermine für diverse Hausarbeiten der Grund. Für ihn sah die Situation mittlerweile etwas andres aus. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität hatte er im Großen und Ganzen ein recht entspanntes Leben. Wenn nicht gerade sein Betreuer wegen der Doktorarbeit Druck machte. So wie heute, deshalb war er auch so gereizt und er hatte insgesamt einen grauenhaften Tag hinter sich. Die Erstsemester waren ihm heute in seinem Tutorium dermaßen penetrant vorgekommen, hatten ihn pausenlos mit Fragen gelöchert, sodass er kaum seinen Stoff geschafft hatte. Zu guter Letzt hatte ihm sein Doktorvater noch vor dem Assistentenzimmer aufgelauert und ihn darüber informiert, dass Frank in drei Wochen auf einer Tagung einen Vortrag über seine Forschungsarbeit halten sollte. Immerhin war die Hauptstraße nicht vollgestopft mit Touristen wie es vom Frühjahr bis Herbst in Heidelberg bei jedem Sonnentag der Fall war. Nun ja, im Winter gab es den Weihnachtsmarkt. Eigentlich gab es in Heidelberg immer Touristen. Heute jedoch regnete es und so versuchte Frank möglichst schnell nach Hause zu kommen und dabei nicht auf dem Kopfsteinpflaster auszurutschen. Natürlich hatte er den Regenschirm vergessen. Er fragte sich inzwischen ob der Tag noch schlimmer werden konnte. Vielleicht erbarmte sich ja seine Freundin und gab ihm einen Rückenmassage, eine Sache die Bianca wirklich gut beherrschte. Diese Aussicht besserte seine Laune. Seine Kleidung klebte ihm bereits an der Haut. Als er endlich vor der Tür des Wohnhauses angelangt war, bräuchte er den sprichwörtlichen Vergleich mit einem begossenen Pudel keineswegs scheuen. Beinahe wäre er mit den nassen Sohlen seiner Schuhe auch endgültig auf der ausgetretenen Treppe des Hauses ausgerutscht und konnte sich gerade noch so am Geländer festhalten. Hoffentlich sah ihn niemand der Nachbarn, die würden ihn doch glatt dazu verdonnern die Sauerei, die er im Treppenhaus anrichtete, sofort wieder zu beseitigen. Jetzt allerdings noch mit einem Schrubber und mehreren Wischlappen bewaffnet die Treppe zu putzen, das würde diesem schon sowieso beschissenen Tag noch die Krone aufsetzen. Außerdem hatte ihre WG nächste Woche Putzdienst. Kein Grund sich wegen ein paar Schlieren auf dem Boden ein schlechtes Gewissen zu machen. In ein paar Tagen würde es sowieso wieder an ihm hängenbleiben, das Treppenhaus zu putzen. Doch Wunder über Wunder niemand der Nachbarn sah ihn und so kam er unbehelligt in den zweiten Stock. Gerade wollte Frank die Tür aufschließen als Lydia, das neueste Mitglied der WG die Wohnung verließ. Lydia war ein Erstsemester und hatte noch dringend ein Zimmer gesucht. Daher hatte sie auch mit der ausgebauten Besenkammer vorlieb genommen. Als Matthias, ihm gehörte die Wohnung, gesagt hatte, er würde die Besenkammer vermieten, hatte Frank nicht geglaubt, dass dieser Plan von Erfolg gesegnet war. Erstsemester jedoch, die händeringend eine Bleibe suchten, waren sogar mit einer kleinen Kammer zufrieden. Bezahlbarer Wohnraum in Heidelberg war ein knappes Gut, gerade zu Beginn der neuen Semester. „Regnet es etwa?“ Lydia hüpfte an ihm vorbei und die gleich die Treppe hinunter. Oh diese Jugend. Immer gut drauf und überdreht! „Wie kommst du bloß darauf?“, gab Frank spitz zurück. Insgeheim hoffte er, sie würde auf der Treppe ausrutschen. Lydia hatte sich an seinen Essensvorräten, seinen Vorrat an den besten Pralinen im Besonderen, vergriffen und das konnte er ihr nicht im Geringsten verzeihen. Allerdings hörte er keinen Schmerzensschrei noch sonst irgendein Anzeichen dafür, dass sein makaberer Wunsch in Erfüllung gegangen wäre. „Wäre ja auch zu viel des Guten gewesen“, brummte Frank vor sich hin. Nein, er war normalerweise nicht so negativ eingestellt. Aber vielleicht lag es auch daran, dass er Engländer war. Schwarzer Humor gehörte bei ihm zur Lebenseinstellung. Frank schnürte die Schuhe auf und zog sie aus. Er wollte nicht noch ihren Flur volltropfen. Dann öffnete er die Wohnungstür und ging zu seinem Zimmer. Korrektur, zu Biancas und seinem Zimmer. Sie wohnten jetzt schon seit sechs Monaten zusammen in der WG. Mit einem inbrünstigen Seufzer warf er seinen Rucksack auf den Boden. Die nassen Schuhe hatte er im Flur gelassen, um die würde er sich später kümmern können. Jetzt wollte Frank nur noch eine Sache erledigen: Sich endlich unter eine warme Dusche stellen, damit er die Kälte aus seinen Gliedern verbannen konnte. Dann würde er noch eine Kleinigkeit essen, falls sich Lydia nicht auch noch den letzten Rest von ihrem Nudelsalat unter den Nagel gerissen hatte. Keine fünf Minuten später befand er sich dann auch bereits im Badezimmer. Genüsslich drückte er den Rücken durch und hob den Kopf dem angenehm warmen Wasserstrahl entgegen. Das war himmlisch. Das brachte das Universum wieder ins Gleichgewicht. „Hi Frank!“ Erschrocken zuckte er zusammen und wäre daraufhin fast in der Duschwanne ausgerutscht. „Raus aus dem Bad!“ Frank stützte sich mit einer Hand an den Kacheln ab, um so sein Gleichgewicht wieder zu finden. „Verdammt, warum kann Matthias nicht endlich das Türschloss reparieren?“, fluchte er. Matthias, der Glückspilz, hatte die Wohnung von seinen Großeltern geerbt und weil er nun einmal notorisch pleite war, hatte er die Zimmer bald vermietet, um so über ein regelmäßiges Einkommen zu verfügen. Eine eigene Wohnung in der Heidelberger Hauptstraße sein Eigen nennen zu können, das alleine war schon eine Goldgrube. Zurzeit zählte die WG fünf Bewohner: Matthias, Frank und seine Freundin Bianca, Lydia und eben David, der gerade Franks wohlverdiente Dusche störte. „Verdammt David, hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man nicht zu fremden Leuten ins Badezimmer kommt!“, ereiferte sich Frank und versicherte sich nochmals, dass die Glaswände der Dusche tatsächlich beschlagen waren. „Meine Mutter? Die war ne Dragqueen“, gab David zurück. „Warum glaub ich dir das bloß aufs Wort?“, murmelte Frank. „Mensch Frank, jetzt zier dich nicht so. Du hast nichts, was ich nicht schon irgendwo mal gesehen hätte. Außerdem dachte ich immer, du wärst bi.“ „Sei bloß ruhig.“ Wenn Bianca das hören würde, dann war sie die längste Zeit Franks Freundin gewesen. Er hatte es ihr nie gesagt, dass er schon mit Männern geschlafen hatte. Mittlerweile glaubte Frank sogar, dass sie ein Problem mit Homosexuellen hatte. Sie konnte auch David nicht leiden. Gut, David war in der Tat etwas schwierig und nicht zu vergessen tuntig. Eigentlich war er sogar sehr tuntig, aber doch ein sehr humorvoller, junger Mann. Jedoch kam sie mit Matthias auch nicht sonderlich gut zurecht. Er war ihr zu nerdig, zu sehr Computerfreak. Dabei war er wirklich umgänglich, für einen Informatiker... „Du meinst wegen Bianca? Ich habe dir schon oft gesagt, dass sie nicht zu dir passt.“ Frank stöhnte nur, erwiderte nichts und wusch sich das Shampoo aus den Haaren. Es nervte ihn wirklich, dass David und auch Matthias ihm das immer wieder unter die Nase rieben. Sogar Alexis, sein bester Freund seit Kindertagen, ritt von Zeit zu Zeit auf diesem Thema herum. Er hatte mittlerweile bereits den Eindruck, dass sich die Drei irgendwie abgesprochen hatte. Aber was wussten sie schon über ihn und seine Freundin. Er und Bianca waren seit neun Monaten ein Paar. Es war ziemlich schnell gegangen, nachdem sie sich in einem Café kennengelernt hatten. Keine drei Monate später war sie zu ihm in die WG gezogen. Es hatte die Vernunft überwogen: Die Miete war für Bianca auf diese Weise um einiges billiger und die Wohnung lag näher am Germanistischen Seminar der Universität. Sie benötigte noch nicht einmal ein Fahrrad auf dem Weg zu ihren Vorlesungen. Sie hätte es zwar gerne, dass sie in eine eigene Wohnung umzogen, doch Frank wollte die heimelige Atmosphäre in der WG nur ungern aufgeben. Es gab noch einen ganz pragmatischen Grund. Die hohen Mieten wollte er sich sparen, denn auf Dauer würde er ganz sicher nicht in Deutschland bleiben. Irgendwann wollte er wieder zurück nach England und sich dann dort eine Existenz aufbauen. „Frank!“ Das war Matthias und auch er kam ungerührt ins Badezimmer und scherte sich nicht im Geringsten darum, dass Frank unter der Dusche stand und David gerade seine Hose auszog. „Hey, du kämpfst wie eine Kuh!“, gab Frank fröhlich von sich und knüpfte an ihre gestrigen Erlebnisse vor dem Rechner an. „Das hilft dir jetzt auch nicht weiter. Und was soll das hier überhaupt? Wollt ihr hier ne Nummer schieben?“, fragte Matthias interessiert. „Nö, aber jetzt wo du es sagst...“, schnurrt David und legte seinem Vermieter eine Hand an die Wange. „Hör auf damit“, wehrte ihn Matthias ab. Er war nicht schwul, aber auf der anderen Seite hatte ihn Frank auch noch nie in Begleitung eines Mädchens gesehen. „Frank du musst noch einkaufen gehen.“ Mit der gerechten Aufteilung der jeweiligen Pflichten in der WG ließ Matthias nicht mit sich spaßen. „Ach nein, Matze komm schon! Ich hatte so einen scheiß Tag. Außerdem wollte sollte das doch Bianca machen!“ „Nun deine teure Freundin hat sich vor einer Stunde von uns verabschiedet. Sie wollte noch mal ins Seminar gehen und dann auf die Party von den Medizinern“, und so wie Matthias das letzte Wort betonte, ließ es keinerlei Zweifel mehr an seiner Wertschätzung gegenüber diesen Studenten. Dies konnte aber auch daran liegen, dass er trotz einem guten Abitur und einem passablen Eignungstests nicht für das Medizinstudium zugelassen worden war. Um die Zeit zu überbrücken hatte er angefangen Medizinische Informatik zu studieren und war schließlich dabei geblieben. Frank hatte bis dato nicht einmal gewusst, dass es solche exotischen Fächerkombinationen gab. „Was hast du gegen die Halbgötter in Weiß? Ich hatte mal einen...“, begann David. „Das will ich nicht hören!“, rief Matthias. Frank stimmte ihm im Stillen voll und ganz zu. Mit Davids Männergeschichten könnte man das Drehbuch einer Soap füllen. Bianca war also mal wieder auf einer Party. Schön, dass sie es ihm nicht gesagt hatte, sondern nur seinen Mitbewohnern. Noch nicht einmal einen Zettel hatte sie ihm auf den Schreibtisch gelegt, oder eine SMS hätte sie ja wenigstens schreiben können. Das war doch nicht zu viel verlangt. „Kann das mit dem Einkaufen nicht warten? Und kann ich jetzt in Ruhe fertig duschen?“ „Gottchen seid ihr verklemmt.“ David öffnete die Tür der Duschkabine. „Bist du endlich fertig?“ „David!“ Frank versuchte die Tür wieder zu schließen, aber es war zwecklos. David störte sich nicht an dem erbosten Blick, der ihm zugeworfen wurde. Also angelte sich Frank das Handtuch, das auf dem Boden vor der Dusche lag und gab die Kabine frei. „Warum gehst du dich jetzt eigentlich duschen? Es ist mitten am Tag“, erkundigte sich Matthias. „Tja, ich hab noch ein Rendezvous. Und zwar mit einem...“ „Das will ich auch nicht wissen!“ Matthias ging in den Flur hinaus. „Mir reicht es, wenn ich mir die Typen morgens beim Frühstück ansehen muss!“ „Wenn du niemanden mitbringst, dann muss ich das ja wohl kompensieren.“ Das waren Matthias und Frank in Bestform. Wieder trocken und aufgewärmt ließ sich Frank auf sein Bett fallen. Er würde morgen einkaufen gehen. Matthias hatte noch einmal mit sich reden lassen. Er kickte Biancas Playboy-Kissen auf den Boden. Wie er das Teil verabscheute. Aber genau genommen war es ja ihr Bett. Sie hatte es damals aus ihrer alten Bude mitgenommen als sie hier in die WG gezogen war. Auf Franks schmaler Matratze hatten sie beide nun wirklich nicht schlafen wollen. Eigentlich sollte er den ersten Entwurf für seinen Vortrag zu Papier bringen, aber nicht jetzt. Vielleicht konnte er sich am Abend dazu aufraffen oder es morgen im Büro machen, sofern ihn keine nervigen Studenten aufsuchten. Frank war gerade eingeschlafen, als David in sein Zimmer kam: „Telefon für dich.“ Er gähnte und streckte die Hand aus, um sein Handy entgegenzunehmen. Das hatte er heute auch schon gesucht, also hatte er es wohl einmal wieder in der Gemeinschaftsküche liegen gelassen. „Ja?“, Frank setzte sich auf und gähnte erneut. Ihm fiel auf, dass David die Zimmertür nicht wieder geschlossen hatte. Mit Sicherheit hatte er den Namen des Anrufers auf dem Display gesehen und wollte lauschen. Nein, David war überhaupt nicht neugierig. „Ich wollte dich gewiss nicht aufwecken“, meldete sich die Stimme des Anrufers im feinsten Oxford English. „Endlich rede ich einmal wieder mit einem vernünftigen Menschen“, wechselte Frank nun auch ins Englische. Natürlich hatte er diese Stimme sofort erkannt. „Alex, ich hatte einen scheiß Tag“, jammerte er gleich los. „So hörst du dich an.“ „Danke. Endlich jemand, der es auch anerkennt. Wo bist du?“ „Du wirst lachen. Ich bin in Deutschland. Ich habe gedacht, dass so die Telefonkosten niedrig bleiben.“ „Wenn du sowieso in Deutschland bist, warum kommst du nicht für einen kleinen Besuch vorbei?“ „Ich würde gerne kommen, aber wir reisen morgen bereits wieder nach England zurück.“ „Wir?“ „Federico und ich.“ „Ach so.“ „Wie geht es Bianca?“ Alexis‘ Stimme klang betont gleichgültig. „Bianca, Bianca. Darüber will ich jetzt kein Wort hören. Sie ist mal wieder auf einer Party“, knurrte Frank. Er hörte wie David hinter der Zimmertür lachte. „Ich dachte, du hast ein heißes Date“, rief Frank dem Mitbewohner zu. David kicherte noch einmal und verschwand. „Frank...“ Alexis seufzte und beachtete den Zwischenruf gar nicht. „Weißt du noch, wie es bei mir und Henry war?“ „Du wirst das doch nicht vergleichen wollen?“ Natürlich wusste Frank alles von der missglückten Beziehung zwischen seinem Freund und Henry. Aber dies war längst Vergangenheit. Das war noch vor Federico gewesen. „Es ist einen Vergleich wert“, verteidigte sich Alexis. „Jeder hat mich vor Henry gewarnt, aber ich war zu blind es zu erkennen. Bis es dann zu spät war... Nun, du kennst das Ende der Geschichte...“ Alexis‘ Stimme hatte einen bitteren Ton angenommen. „Es ist nicht das Gleiche“, meinte Frank noch einmal. „Du kannst Bianca auch schlecht mit Henry vergleichen.“ Da musste Alexis lachen: „Nein, ich denke nicht.“ Dann verstummte er und stöhnte. „Fedri lass das. Ich telefoniere... Nein, lenk mich nicht ab. Das ist nicht fair. Oh, komm schon!“ „Was ist los bei euch?“, erkundigte sich Frank. Doch er konnte ein Grinsen schon nicht mehr unterdrücken, konnte sich ziemlich genau vorstellen, was am anderen Ende der Leitung passierte. „Federico ist wieder aufgewacht. Du solltest sehen wie er sich im Bett räkelt. Mensch Fedri, jetzt schmoll doch nicht so!“ Ja, das waren Alexis und Federico, die beiden Turteltauben. Kurioserweise, obwohl Frank der beste Freund von Alexis war, seinen Lover Federico hatte er erst zweimal von Angesicht zu Angesicht gesehen. Und zugegeben, es war damals auch nur ein kurzes Vergnügen gewesen. Federico war aus Alexis‘ damaliger Wohnung in Genf gestürmt und hatte dabei so ausgesehen als ob er in den nächstbesten Rosenbusch kotzen wollte. Alexis hatte die Dummheit begangen und den damals noch so jungen und unerfahrenen Pianisten geküsst, was für Federico zu viel gewesen war. Das zweite Mal war in London gewesen. Er hatte er sich mit Alexis getroffen und bevor sie ihre Tour durch die Clubs begonnen hatten, waren sie noch einmal in dessen Wohnung auf einen Zwischenstopp vorbeigekommen. Federico war auch da gewesen und hatte es sich bequem gemacht... Ziemlich bequem... Sehr bequem. Andere Männer hätten Federico wohl gefragt, was ihm einfiele sich hier mitten am Tag auf der Couch einen runterzuholen. Alexis war aus einem anderen Grund aufgebracht gewesen: „Du sollst doch auf meiner Couch nichts essen!“, war alles, was er zu Federico und der halb aufgegessenen Pizza gesagt hatte, die noch neben ihm stand. Frank hatte es vorgezogen sich zu entschuldigen und im Flur auf seinen Kumpel zu warten. „Ich muss Schluss machen“, verabschiedete sich Alexis und holte Frank wieder in die Gegenwart zurück. „Lass mich raten... Eheliche Verpflichtungen?“, stichelte Frank. Das Wort ‚Ehe‘ durfte man momentan gegenüber Alexis nicht in den Mund nehmen, denn Federico und Alexis planten gerade ihre Heirat. Also die offizielle Zeremonie. Ja, die beiden machten wirklich ernst. Dies an sich genommen war zwar heute nichts mehr Besonderes, aber wenn man Alexis noch aus seinen wilden Jahren kannte – so wie Frank... „Sehr witzig. Also dann. Wenn du willst, kannst du dich nächste Woche bei mir in England melden.“ „Okay.“ Frank beendete das Gespräch. Es hatte seine Laune definitiv gebessert. Aber so war das schon immer gewesen, wenn er mit Alexis geredet hatte. Sie beide verstanden sich wirklich sehr gut, waren beinahe so etwas wie Brüder. Sie waren im gleichen kleinen Städtchen im Süden Englands geboren und aufgewachsen. Auch wenn Alexis, bedingt durch den Beruf seines Vaters, oft im Ausland geweilt hatte. Zumindest in den langen Ferien im Sommer hatten sie viel gemeinsam unternommen. Sie waren sich recht ähnlich, auch in ihrer sexuellen Orientierung. Alexis war sogar der erste Junge gewesen, den Frank je geküsst hatte und der Erste, mit dem er Sex gehabt hatte. Er konnte sich noch sehr genau an diesen Nachmittag erinnern. An seine Unsicherheit und wie aufgeregt er gewesen war als er zu Alexis gegangen war, der an diesem Tag an der Orgel in der Stadtkirche geübt hatte. Sie hatten nichts gesprochen, die ganze Zeit nicht. Und es war schließlich Alexis gewesen, der ihn angesehen, gelächelt und ihm eine Hand in den Nacken gelegt hatte, um ihn näher zu sich heran zu ziehen. Alexis hatte schon sehr bald sein Coming Out gehabt, während Frank lange Zeit seine sexuellen Vorlieben verschwiegen hatte. „Wer ist dieser Alexis eigentlich?“, riss ihn David aus seiner Versunkenheit und Frank fühlte sich wie ertappt. Er hatte gedacht, David hätte nicht mehr gelauscht und wäre in sein Zimmer gegangen. Jetzt stand er in all seiner Pracht vor Franks Bett. Die Haare mit einer Unmenge von Gel in Form gebracht, den knackigen Hintern in einer roten Jeans verpackt von dem engen, figurbetonten Shirt ganz zu schweigen. „Ein guter Freund.“ „Wie gut?“ „Mhm?“ Frank wusste nicht genau, worauf der andere hinauswollte. „Bist du in ihn verliebt?“ „Nein, das heißt, ich war es einmal - zwei Wochen lang. Da war ich sechzehn.“ Sie waren ziemlich bald von Verliebtheit zum pragmatischen Kumpelsex übergegangen. Überraschenderweise hatte dies ziemlich gut und lange Zeit funktioniert. „Ach so. Er hat ne sexy Stimme. Oh, ich steh auf Engländer!“ Frank prustete los, wenn Alexis dies hören würde. „Was denn?“ „Nichts“, wehrte Frank ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Eigentlich konnte er auch noch etwas arbeiten, wo er schon einmal wach war. Um Mitternacht beschloss Frank nicht mehr länger auf seine Freundin zu warten. Schließlich musste er morgen auch wieder im Büro sitzen. Es machte einfach keinen guten Eindruck, wenn er ständig am Gähnen war oder Augenringe hatte. Frank war zunehmend verärgert über Biancas Verhalten. Es war schlichtweg unverantwortlich und sie gefährdete ihr Studium damit. Ganz sicher würde sie morgen nämlich keine ihrer Vorlesungen besuchen wollen, geschweige können. Es war nicht so, dass er ihr den Spaß nicht gönnen würde, oder generell etwas gegen Studi-Partys hatte. Ganz im Gegenteil! Als er noch studiert hatte, war er auch öfters auf den Partys anzutreffen gewesen. Er hatte sich auch mal übelst betrunken, das war im zweiten Semester gewesen. Er wusste es noch sehr genau, so dreckig war es ihm noch nie gegangen. Das alles gehörte dazu. Doch wenn man es übertrieb und jede Woche einen auf Partymaus machte, das konnte Frank wirklich nicht gutheißen. Sollte ihn Bianca ruhig einen Spießer nennen, damit konnte er leben. Aber vielleicht hatte sie nur ein wenig gefeiert und war vernünftig geblieben. Die Hoffnung starb bekanntlich zuletzt. Doch nein, seine Freundin hatte es einmal mehr so richtig krachen lassen. Es war Matthias, der in sein Schlafzimmer kam und an seiner Schulter rüttelte. In dem Glauben, dass es seine Freundin war, griff er nach der Hand und zog die Person näher an sich heran. „Also Frank!“, zischte es und Frank zuckte zurück als ob er sich verbrannt hätte. „Matze? Was soll das?“ „Deine Freundin sitzt neben der Toilette. Mach was!“ „Oh, Shit!“ Frank war schon auf den Beinen. „Hat sie wieder das Schlüsselloch nicht gefunden?“ „Sieht ganz so aus, sie hat an der Tür geklopft.“ Die Haustür war im Sommer meistens offen, daher hatte es Bianca noch die Treppe hinauf zur WG geschafft. Matthias bewohnte das Zimmer direkt neben der Wohnungstür. Kein Wunder, dass ihn Biancas Lärmen auch als erstes aufgeschreckt hatte. „Tut mir wirklich leid.“ „Hm, dir muss es ganz bestimmt nicht leid tun!“, meinte sein Mitbewohner spitz und ging dann am Filmplakat von Priscilla – Königin der Wüste vorbei wieder in sein Zimmer. David war hauptsächlich für die Dekoration ihrer Bude verantwortlich wie man an solchen Utensilien unschwer erkennen konnte. Frank gähnte und wäre jetzt auch lieber wieder ins Bett gekrochen, doch er musste sich um Bianca kümmern. Hoffentlich musste sie sich nicht auch noch erbrechen... Oh Fehlanzeige. Sie war gerade mitten dabei. Frank rieb sich über das Gesicht. Wenn er dies Alexis erzählen würde... Er hörte förmlich den Kommentar seines Freundes: ‚Bianca ist nichts für dich!‘ Kapitel 2: ----------- Kommentar: Hallo alle zusammen. Vielen Dank für eure Rückmeldungen zum ersten Kapitel. Ihr scheint Bianca ja alle nicht sonderlich zu mögen! Ich wollte zunächst dieses Kapitel hier aufteilen, aber dann dachte ich mir: Wir wissen ja alle, dass es nicht gut geht mit Frank und Bianca, warum also das Unvermeidliche hinauszögern? Außerdem wäre dann im zweiten Kapitel nicht mehr passiert, als dass Frank in Selbstmitleid schwelgt. ;) Ich hoffe, es war die richtige Entscheidung. Es kam die Frage auf, wann diese Story nach Holz und Elfenbein und Con molto senitmento spielt. Ich habe da http://tanyatheinrich.livejournal.com/8190.html unter eine kleine Timeline gepostet. Wen es interessiert... Ich möchte das nicht so explizit in der Story schreiben, weil die Geschichten sind ja unabhängig voneinander. Man soll sie einzeln lesen können. Und noch etwas. Federico und Alexis werden natürlich auch hier auftreten und nicht zu knapp. Die Hochzeit wird auch beschrieben werden. Das sei schon einmal verraten. Aber jetzt genug. Viel Spaß beim Lesen! Kapitel 2 Gab es eigentlich einen größeren Liebesbeweis als neben der Freundin auf den kalten Kacheln neben der Toilette zu kauern und ihr das Haar halten, während sie sich übergab? Frank glaubte mittlerweile nein. Er biss die Zähne zusammen und dies war jetzt wörtlich zu nehmen. Er verkraftete das nun einmal gar nicht gut. Ihm wurde schon selbst beinahe übel als er Bianca so betrachtete. Ihre bebenden Schultern und die weißen Fingerknöchel, die um die Brille der Toilette gekrallt waren. Wenigstens hatte sie noch die Kloschüssel getroffen, dachte er sarkastisch. Sonst hätte er die Sauerei noch aufwischen müssen, was allerdings auch nicht das erste Mal gewesen wäre. Gott, er hätte nie gedacht, dass sich Frauen so volllaufen lassen konnten! Bianca war in dieser Hinsicht ein wahrer Augenöffner gewesen. Deshalb wusste er auch, dass nichts besser gegen den Geruch von Erbrochenem half, als mit Essig zu putzen. Aber auf diesen Haushaltstipp hätte er liebend gerne verzichtet. „Mensch, Bianca“, tadelte er sanft und half ihr sich auf das Sitzbänkchen zu setzen, das gegenüber der Toilette an der Wand stand. Er füllte ihr einen Zahnputzbecher mit kaltem Wasser und suchte danach im Badezimmerschrank nach den Kopfwehtabletten. Ah, da hinten waren sie. Bianca konnte gerade noch so ihre Finger um den pinken Plastikbecher schließen. Sie war komplett dicht. Er beneidete sie nicht um den Kater, den sie unweigerlich haben würde. Aber Mitleid, nein Bedauernis oder Mitleid, hatte er nicht mit ihr. Sie war erwachsen und selbst verantwortlich für ihr Leben und daher auch selbst schuld, wenn sie zu ausgiebig feierte. „Geht es wieder?“ „Mhm.“ Nach dem Wasser reichte er ihr ein angefeuchtetes Handtuch. Wortlos wischte sie sich damit über das Gesicht. Die Reste ihres Mascaras hinterließen schwarze Streifen auf dem Frottee. Wie gerne würde er ihr die Leviten lesen. Allerdings wusste Frank auch, dass es nichts nützte. Selbst wenn sie ihn verstünde, morgen früh hätte sie es bereits wieder vergessen. Doch er würde ihr einen Vortrag halten, darauf konnte sie gefasst sein. Nachdem er sicher war, dass sie nicht wieder den Kopf über die Kloschüssel hängen musste, half er ihr sich auszuziehen. Zunächst wehrte sie seine Hände ab, doch er ließ sich nicht beirren und zog ihr das Oberteil über den Kopf. Was er auf ihren Schultern sah, ließ ihn erstarren. Knutschflecken! Das waren ganz eindeutig Knutschflecken! „Bianca, was ist das?“, fragte er, als er mit spitzen Fingern die blauen Flecken nachzog. Hatte sie etwa auf der Party in ihrem Vollsuff mit einem Typen herumgemacht? Nein, es konnte gar nicht von heute Abend gewesen sein! Diese Knutschflecken waren schon ein, vielleicht zwei Tage alt. Nicht frisch. Aber das wäre ja noch ungeheuerlicher! Wie ihm die Konsequenz dieser Mutmaßungen bewusst wurde. „Oh, hm. Das warst du, mein Hengst!“ Sie kicherte und versuchte sich an dem Verschluss ihres BHs. Allerdings hatte sie einige ernstzunehmende Koordinationsschwierigkeiten und so war es an Frank den BH zu öffnen. Sie hatte tolle Brüste, keine Frage. Doch es wäre wohl zu viel, wenn er jetzt hoffte, er könnte noch zum Schuss kommen. Bianca war sturzbetrunken und die Sache mit den Knutschflecken wollte und konnte er nicht auf die leichte Schulter nehmen. Die waren ganz sicher nicht von ihm! Und wer blieb noch ruhig und gelassen, wenn die Freundin plötzlich Knutschflecken von anderen Männern hatte. Immerhin konnte er sich noch zusammenreißen und presste die Lippen aufeinander. ‚Morgen! Morgen!‘, betete er innerlich vor sich hin! Also reichte er ihr ein T-Shirt, das sie so gerne zum Schlafen benützte und half ihr danach noch mit den Pumps und den Strumpfhosen. Keine fünf Minuten später lag sie selig schlummernd auf ihrer Seite des 1,80 Meter-breiten Betts und schnarchte leise. Er hatte das bei Frauen irgendwie immer süß gefunden. Bei Männern komischerweise nie. Frank konnte sich nicht daran hindern, ihr durch die Haare zu streichen. Sie rollte sich auf ihrer Seite des Bettes zusammen. Aber die Frage stand im Raum. Betrog sie ihn? Diese verdammten Knutschflecken, woher sollten sie denn sonst stammen als von einem anderen Mann? Sollte er vorgeben es nicht gesehen zu haben? Oder sollte er einen Streit vom Zaun brechen? Auf einer Party konnte sich schnell etwas ergeben und wenn man betrunken war... Bianca gehörte zu der Sorte Mädchen, die im Rausch Sachen taten, die sie später bereuten. Das wusste er. Es war vielleicht nicht einmal Absicht, womöglich war ein Bekannter auch zu aufdringlich geworden. Verzweifelt versuchte Frank sich ein Szenario auszudenken, das nicht darauf fußte, dass sie ihn betrog. Eigentlich ergänzten er und Bianca sich ja recht gut. Vielleicht sollte er darüber hinwegsehen, falls es wirklich eine Verfehlung auf ihrer Seite war. Vielleicht gab es auch eine ganz einfache, andere plausible Erklärung für die Flecken. Zum Beispiel eine Sportverletzung. Er wusste von Alexis, der ein passionierter Fechter war, dass dieser auch öfters mal mit blauen Flecken vom Training heimkam. Doch mit Sicherheit hatte Alexis keinerlei Verletzungen vom Fechten am Hals, oder etwa doch? Er sollte Alexis einmal danach fragen. Sollte er mit solchen eifersüchtigen Gedanken ihre Beziehung zerstören? Es lief doch ganz okay. Mehr noch. Manche Menschen – nicht unbedingt Alexis und auch nicht Franks Mitbewohner - würden es als perfekt bezeichnen. Ein Ausrutscher konnte ja auch einmal jedem passieren. Alexis würde jetzt sagen, dass Frank ganz eindeutig viel zu gutmütig war. Er und Bianca hatten einen ziemlich ähnlichen Geschmack was Filme, Bücher und Kunst anging. Sie war nicht im Geringsten abgeschreckt, wenn er vorschlug in die neuste Inszenierung im Staatstheater in Mannheim zu gehen. Oder in einen Klavierabend in Heidelberg. Sie mochte klassische Musik und insbesondere auch Klaviermusik so gern wie er. Außerdem konnte Bianca ziemlich gut kochen, was er nun einmal gar nicht konnte. Ihre Freundinnen, auch allesamt Germanistikstudentinnen, konnte er alle gut leiden. Das war ja schon einmal ein dicker Pluspunkt. So gesehen passten sie perfekt zueinander. Jedoch... Ja, es gab auch einige Punkte, die Frank gewaltig störten, neben der Tatsache, dass sie Matthias und David nicht leiden konnte. Allen voran die Tatsache, dass sie sich weigerte auch einmal Englisch mit ihm zu sprechen. Und nicht nur dies! Das Englisch seiner Freundin war grottenschlecht. Natürlich hatte sie ihre Englischstunden im Gymnasium abgeleistet, wie es jeder Schüler in Deutschland zu tun hatte, doch sie hatte da nicht gerade geglänzt. Ihr Akzent tat ihm jedes Mal weh, wenn sie auch nur wenige Worte in seiner Muttersprache über die Lippen brachte. Natürlich verlangte er nicht, dass sie ein perfektes Englisch sprach, aber was ihn dabei am meisten ärgerte, sie versuchte es nicht einmal besser zu werden. „Komm schon Frankie, wenn ich Englisch lernen wollte, hätte ich Anglistik studiert“, war ihre bevorzugte Ausrede, wenn er auf dieses Thema zu sprechen kam. Als er einmal vorgeschlagen hatte, sie könnten ihren Urlaub in England bei seinen Eltern verbringen, hatte sie vehement abgelehnt. Franks Deutsch hingegen war ziemlich gut. Immerhin hatte er bevor er nach Heidelberg gekommen war in Freiburg seinen Bachelor in Musikwissenschaften abgelegt. Den Master hatte er dann hier durchgezogen. Außerdem war sein Großvater Deutscher und da seine Großeltern wichtige Bezugspersonen in seiner Kindheit gewesen waren, hatte er viel Zeit mit Opa Ludwig verbracht. Ludwigs Englisch war selbst nach mehr als sechzig Jahren in England nicht akzentfrei gewesen und er war stolz auf seine Herkunft, wenn es für ihn auch sicherlich problematisch gewesen war direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in England zu leben. Aber es war ihm ein Vergnügen gewesen seinem einzigem Enkel Deutsch beizubringen. Frank hatte auch noch entfernte Verwandte im Süden Deutschlands, bei denen er als Kind oft Ferien gemacht hatte. So, und wenn er schon einmal dabei die negativen Seiten aufzuzählen. Ein bisschen verklemmt war Bianca auch. Zwar war sie nicht unerfahren gewesen, als sie ein Paar geworden und kurz darauf im Bett gelandet waren, doch sonderlich ausgefallen war der Sex jetzt auch wieder nicht. Und nur wenn sie besonders gut gelaunt war oder zu viel Wein getrunken hatte, konnte sie sich dazu aufraffen ihm einen zu blasen. Natürlich wusste er, dass nicht jeder darauf scharf war einen Blowjob zu geben, aber man könnte ja allgemein etwas offener sein. Dann diese latente homophobe Ader. Natürlich wusste sie, dass er einen guten Freund namens Alexis hatte. Aber Bianca wusste nicht, dass es genau jener Alexis Arrowfield war, der als der beste Organist Europas galt und der in der Fachpresse regelmäßig mit seinen Improvisationskonzerten für Begeisterungstürme sorgte. Jener Alexis, der mit dem begnadeten Pianisten Federico Batist eine schon jetzt mehrjährige Beziehung führte. Das Traumpaar der Klassikcharts schlechthin. So hatte Frank erst kürzlich einen Bericht über die beiden auf einem Spartensender im Fernsehen angesehen. Einmal mehr hatte der Sender die Bilder von dem Augenblick gezeigt, in welchem Federico erfahren hatte, dass er den renommierten Chopin-Wettbewerb gewonnen hatte: Federicos fassungsloses Gesicht und Alexis, der ihn zu sich gezogen und geküsst hatte. So dass es die halbe Welt gesehen hatte, was die beiden verband. Okay, die halbe Welt der klassischen Musikszene, aber dennoch. Bianca hatte nur angewidert den Mund verzogen und Frank hatte sich genötigt gesehen sich zu erkundigen, ob sie denn etwas gegen Homosexuelle hätte. Sie hieß es zumindest nicht gut, um es einmal charmant auszudrücken. Von da an, war es für Frank sicher gewesen, dass er mit ihr nicht darüber sprechen konnte, dass ihm ihr Sexleben zu fade war. Dass er sich insgeheim nach einer anderen Befriedigung verzehrte und er nicht nur auf Frauen gepolt war. Doch er wagte es sich gar nicht erst auszumalen, wie Bianca darauf reagieren würde, wenn er bekannte, dass er auch auf Männer stand. Dass sein erster Kuss mit einem Mann gewesen war, ebenso der erste Sex. Er hatte vor Biancas Reaktion auf solche Bekenntnisse regelrecht Angst. Aber auf der anderen Seite hätte er es gerne einmal wieder... Nein, besser er dachte nicht einmal mehr daran. Je mehr er darüber fantasierte, desto mehr lief er Gefahr, dass er gegenüber Bianca doch einmal mit der Wahrheit herausrückte. Die Tatsache, dass ihr Sexleben zurzeit etwas eingeschlafen war, half nicht darüber hinweg, dass er sich immer öfter dabei ertappte in seinem Büro zu sitzen und darüber nachzudenken, wie es wäre, wenn ihn Alexis einmal wieder nehmen würde. Aber auch diese Gedanken waren reine Wunschgebilde seiner Fantasie. Alexis würde seinem Federico nie untreu werden. Gleichgültig der vergangenen Episoden, die sie beide in der Vergangenheit miteinander durchlebt hatten. So gesehen konnte Bianca auch nicht die Richtig sein. Oder? Wenn es die richtige Partnerin für ihn wäre, dann müsste er doch mit ihr auch über solche Gefühle und geheimste Wünsche reden können. Gott, das machte ihn echt fertig! Noch immer lag er neben ihr auf dem Bett. Mittlerweile war es fast vier Uhr. Er sollte um neun Uhr wieder am Schreibtisch sitzen, seine Sprechstunde begann aber erst um elf Uhr. Sein Professor sah es nicht gerne, wenn die Studenten warten mussten und sich im Flur die Beine in den Bauch standen. Zwar waren die Studiengebühren wieder abgeschafft worden, doch noch immer pochten die Studis darauf, dass die Stellen, die der ‚Verbesserung der Lehre‘ dienten auch ihrer Bestimmung nachkamen. Frank konnte sich glücklich schätzen, dass er eine Vollzeitstelle hatte. Klar, es blieb wenig Zeit für seine Doktorarbeit übrig, aber immerhin verdiente er so genug und durch das Leben in der WG konnte er auch etwas zur Seite legen. Aber wenn er dann einmal wieder nach England zurückkehrte, würde dann Bianca überhaupt mitkommen wollen? Darüber hatte er auch noch nicht mit ihr geredet. Er rückte näher an sie heran und breitete den Arm um ihre schmale Taille, zog sie näher an sich. Wow, sie bewegte ihren Hintern und rieb sich an ihm. Natürlich würde jetzt nichts laufen, sie war betrunken und besser er ließ sie schlafen, nicht, dass sie noch ins Bett reiherte. Das letzte Mal als er einen Versuch gestartet hatte, war sie ihm mit Platz zwei auf der Liste der ultimativen Ausreden von Frauen gekommen: Sie hätte ihre Tage. Frank war klug genug gewesen es ihr gegenüber nicht anzuzweifeln. Doch er kannte Bianca und wenn sie wirklich ihre Tage hätte, wäre sie mit einer Wärmflasche ins Bett gegangen und hätte ihnen allen zwei Tage lang vorgejammert, dass sie zwei Kilo zu viel auf die Waage brachte. Ausrede Numero Uno waren natürlich Kopfschmerzen oder Migräne. Einmal hatte er sie darum gebeten, dass sie ihm ja etwas anders Abhilfe schaffen könnte. Wenn es schon kein Blowjob war, dann vielleicht mit etwas gutem altem Petting. Doch nein, sie hatte ihn unter die Dusche geschickt. Oh Mann, wenn er all diese grandiosen Momente ihrer Beziehung so durchlebte, war es durch und durch deprimierend. Warum war ihm das bis heute noch nicht so deutlich bewusst gewesen? War er etwa sprichwörtlich vor Liebe blind? Frank schloss die Augen. Etwas mehr Sex wäre wirklich nicht schlecht, er fühlte sich regelrecht ausgehungert. Oh, was machte er sich etwas vor. Er war unbefriedigt. Man sollte die Dinge beim Namen nennen! Oh, das war eine bittere Erkenntnis und sie traf ihn wie einen Schwall Eiswasser mitten ins Gesicht. Frank drehte sich auf den Rücken und lauschte Biancas Atmen. Immerhin schnarchte sie nicht mehr. Wie würde sie wohl darauf reagieren, wenn er ihr beichtete, dass er einmal wieder einen Schwanz in seinem Hintern brauchte? Oh ja, er wollte einmal wieder gefickt werden. Wollte den harten, heißen Schwanz eines Kerls in sich spüren. Er wollte einmal wieder geritten werden. Wenn schon nicht von einem Mann, dann gab es ja durchaus auch Möglichkeiten für Frauen. Frank hatte es zwar noch nie ausprobiert wie es war von einer Frau mit einem Dildo gefickt zu werden, aber warum auch nicht. Aber wie sollte er es Bianca verklickern, dass er sich wünschte, sie würde sich einen Dildo umschnallen und ihn rannehmen. Die Gute wusste bestimmt nicht einmal, was Pegging war. Ganz zu schweigen davon, dass ihr Freund sich wünschte diese Praktik auszuleben. Frank biss sich auf die Lippen und umfasste seine Erektion mit der Hand. Und wie erbärmlich war das denn? Da lag er neben seiner Freundin und holte sich einen runter. Sie schlief nur ihren Rausch aus und ahnte nicht einmal, was für Fantasien in seinem Kopf umhergeisterten. Traurig. Durch und durch. Noch den Großteil der Nacht grübelte Frank darüber nach, woher Bianca wohl diese Knutschflecken hatte. An Schlaf war kaum zu denken gewesen. Er war sich sicher, dass sie nicht von ihm waren. Sollte sie ihn etwa wirklich betrügen? David und Matthias würden diese Frage sofort bejahen. Doch Frank glaubte nicht, dass seine Freundin so etwas tun würde. Er würde sich doch nicht derart in ihr täuschen können? Nun, er könnte ja Bianca einfach fragen. Womöglich gab es eine ganz einfache Erklärung. Oder auch nicht... Wenn sie ihn betrog, dann kam er gleich zum nächsten Punkt. Warum? Lag es an ihm? War er ihr zu alt, zu langweilig? Er war bereits Anfang dreißig, sie Mitte zwanzig. Natürlich war er auch bereit Party zu machen. Aber dann am Wochenende, nicht werktags und auf Studentenfeten hatte er keine Lust mehr. Dazu fühlte er sich wirklich schon zu alt und als Assistent ziemte sich das auch nicht – befand er zumindest. Wie sollte er Studenten unterrichten, wenn er sie am Abend zuvor auf einer Party gesehen hatte und sie ihn, nichts konnte Autorität besser untergraben als ein angeheiterter Dozent. So jemandem respektierte man als Student doch nicht mehr. Ein paar Stunden Schlaf hatte er dann doch noch gefunden, wenn er auch beschlossen hatte den Wecker um eine Stunde zu verstellen. Bianca wachte nicht einmal auf, als er schließlich aufstand und sich duschte. Als er dann jedoch in die Küche kam, um seine obligatorischen drei Scheiben Toast zu essen, saß sie dort am Tisch: Eingehüllt in einen dicken Bademantel, das Haar zerzaust und man sah ihr den Kopfschmerz förmlich an. Sogar David schien Mitleid mit ihr zu haben und stellte ein Glas Orangensaft und eine Packung Aspirin auf den Tisch. Sie bedankte sie kleinlaut und vermied es weder David oder Frank in die Augen zu sehen. Schämte sie sich etwa für ihren Auftritt gestern? Das wäre ja mal ein guter Anfangspunkt, um sich zu bessern. Oder war ihr bewusst geworden, dass Frank zwangsläufig die Knutschflecken gesehen hatte? Frank schob das Brot in den Toaster und beschäftigte sie damit nach seiner Lieblingsmarmelade im Kühlschrank zu suchen. „Du musst unbedingt einkaufen gehen.“ David nagte an einem Apfel. „Ich gehe ja auch heute nach der Arbeit“, gab Frank zurück. „Wie war dein Date? Du warst heute Nacht nicht zuhause.“ David zog vielsagend die Augenbrauen nach oben und grinste vergnügt. Oh, er war auf seine Kosten gekommen. Frank lachte und schüttelte den Kopf. Bianca überhörte den Wortwechsel geflissentlich und puhlte mit ihrem Finger an der Alufolie des Tablettenblisters herum. Dann war David auch schon wieder verschwunden und Frank setzte sich zu Bianca. „Möchtest du etwas?“ Sie verneinte mit wehleidiger Stimme. Ihr ging es richtig, richtig dreckig. „Sag es nicht!“, bat sie. „Mhm?“ Frank kaute auf dem Toast herum. „Ich hab doch gar nichts gesagt.“ „Brauchst du auch nicht, ich weiß auch so, dass du mir am liebsten Vorhaltungen machen möchtest.“ „Berechtigt, oder etwa nicht? Dieses Semester lässt du es wohl an der Universität etwas ruhiger angehen.“ „Du hörst dich schon an wie mein Vater.“ Frank zuckte mit den Schultern und verteilte noch mehr Marmelade auf seiner Toastscheibe. Hielt sie ihn eigentlich für blöd? Warum rückte sie nicht mit der Sprache heraus, was die Knutschflecken anging. Sie konnte sich doch denken, dass er sie ausgezogen und dabeo die Dinger bemerkt hatte. „Was ist mit deiner Schulter geschehen?“ Ups, eigentlich hatte er es gar nicht aussprechen wollen. Ah, egal. Jetzt war es schon zu spät. „Die Knutschflecken hast du dir ja nicht alleine gemacht. Aus dem Alter bist du raus.“ Sie starrte ihn an, blinzelte, dann blickte sie auf ihre Hände. „Das war auf der Party letzten Freitag.“ Er hätte darauf gewettet, dass sie es leugnen würde. „Dachte ich mir schon“, hielt er entgegen und wäre in diesem Moment am liebsten vom Tisch aufgesprungen. Doch er zwang sich ruhig zu bleiben. Irgendwie gelang es ihm auch, wenn es sich auch anfühlte, als ob sein Innerstes durch den Fleischwolf gedreht werden würde. „Es war Tim vom Seminar. Er war ziemlich dicht und ich auch und...“ „Mhm.“ Stille. Frank wartete, biss sich auf die Zunge. „Und weiter?“, hakte er schließlich nach. „Nichts weiter.“ „‚Nichts weiter‘?“, wiederholte er fassungslos. „Du knutscht mit einem anderen Typen rum und hast nicht mehr dazu zu sagen?“ „Was soll ich sonst noch sagen? Es ist halt so passiert.“ „Halt so passiert“, wiederholte er fassungslos. Das war ihm zu viel. Sie könnte sich wenigstens entschuldigen. Das wäre das Mindeste! Frank trug sein Geschirr zur Spüle und beeilte sich dann zu verschwinden. Bianca ging ihm nicht nach als er seine Schuhe anzog oder sagte auch sonst nichts mehr. „Hallo Frank, gehst du mit essen?“ Er hatte gar nicht gehört, dass Lena an seiner Bürotür geklopft hatte. Sie streckte den Kopf hinein und lachte ihn an. Sie war einfach ein Sonnenschein. Immer gut gelaunt, egal ob ihr Seminar voller Nichtsnutze war, ihr Professor Stress machte oder das Wetter schlecht war. Lena schien sich daran nie zu stören. Noch dazu, dass sie es fachlich wirklich drauf hatte. Selten, dass Frank jemand getroffen hatte, dessen Werkanalysen so treffend und gleichzeitig so unterhaltsam geschrieben waren. Außerdem war sie stets geduldig mit ihren Studenten. Sie würde einmal eine gute Professorin abgeben. Normalerweise teilten sie sich das Büro, doch heute Vormittag hatte Lena alle Hände voll mit den Erstsemestern zu tun gehabt. „Kommt noch jemand mit?“, Frank sperrte bereits seinen Computer, wo die Präsentation, die er für das Tutorium nächste Woche benötigte, noch keinen Deut weiter war als am Morgen. Vielleicht würde er nach dem Mittagessen endlich vernünftig arbeiten können. „Nein, alle anderen sind beschäftigt oder außer Haus. Wir haben quasi ein Date.“ Sie spitzte die Lippen. Frank lachte nur, Lena meinte solche Anspielungen nie ernst. Sie wusste auch genau, dass er Bianca hatte und daher vergeben war. Schon ein paar Mal war sie Zeuge gewesen, wenn ihn Bianca im Büro besucht hatte und regelmäßig fragte sie nach, wie es denn zwischen ihnen beiden lief. Es war lediglich kollegiales Interesse. Sie hatten keine Lust zur großen Mensa in der Innenstadt zu laufen. Also kehrten sie in einer der kleinen Gaststätten in der Plöck ein. Die Straße, die parallel zur Hauptstraße verlief und wo sich nie die Touristen hinverirrten. „Alles in Ordnung bei dir?“ Sie würzte ihre Pasta mit einem ordentlichen Schuss Tabasco. Frank hatte sich indes für das Steak mit Pommes entschieden und ließ davon ab die Kartoffelstreifen auf seine Gabel zu spießen. „Wie kommst du darauf, dass etwas nicht stimmen würde?“ „Hallo, wie lange arbeiten wir jetzt schon zusammen? Mach mir nichts vor, du bist heute Morgen unkonzentriert. Das letzte Mal warst du so drauf als Bianca fünf Tage überfällig war und ihr dachtet, sie wäre schwanger.“ Oh das! An diese paar Tage wollte er besser nicht erinnert werden. Es hatte sich ganz und gar nicht gut angefühlt diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen in neun Monaten Vater zu werden. Zum Glück hatten lediglich Biancas Hormone etwas verrückt gespielt. „Bianca kam gestern spät von einer Party heim. Sie hat sich komplett die Kante gegeben.“ Er spießte eine Pommes auf und stellte sich vor es wäre dieser ominöse Tim. „So lange sie nicht ins Bett gekotzt hat“, Lena zog die Schulter hoch. Manchmal war sie einfach auch nur erfrischend pragmatisch. Frank grinste und konnte dies glücklicherweise verneinen. „Wie lief das Date letztes Wochenende?“, lenkte er von seinen unmittelbaren Problemen ab. Lena rollte mit den Augen. „Vergiss es. Der Typ hatte ganz eindeutig Probleme, konnte mir kaum in die Augen sehen und stand da wie ein begossener Pudel. Alles bloß nicht so, wie ich mir einen Mann vorstelle.“ Wieder musste er grinsen. Lena war einfach zu gut für die Männerwelt. Sie war perfekt, hatte einen tollen Körper, war intelligent, machte ihren Doktor, aber wenn sie wollte konnte sie auch die brave Hausfrau spielen. Aber genauso gut die Reifen bei ihrem alten Polo selbst wechseln oder den Garten umgraben und Rasenmähen. Sie hatte ihm auch schon einmal erzählt, dass sie mit ihrem Großvater auf die Jagd gegangen wäre und ein Reh erschossen hatte. Das fand dann sogar er ziemlich krass. Als Mann konnte man sich bei ihr schon leicht überfahren fühlen und Angst haben den Kürzeren zu ziehen. Aber er würde sich hüten das zu sagen. Sie waren bloß Arbeitskollegen, keine Freunde. Bianca wusste ja auch nicht, dass er bi war. Und seine Beziehungskiste wollte er mit ihr nicht diskutieren. Das war genau so ein Grundsatz, wie der, dass er sich nicht mit seinen Studentinnen einließ. Da hatte es nämlich schon Avancen gegeben. Frank bildete sich ein, dass er nicht übel aussah. Immerhin war er groß gewachsen und hatte in seiner Jugend Leichtathletik betrieben. Noch heute, trainierte er mit den Jungs im Olympiastützpunkt. Er legte nicht übermäßig wert auf sein Äußeres und kleidete sich auch nicht ständig in Markenklamotten, aber war das, was man im Allgemeinen als ‚gepflegt‘ bezeichnen konnte. Der Traum jeder Schwiegermutter. Biancas Mutter mochte ihn. Der Abend verlief dann recht angespannt. David und Matthias hatten es selbstverständlich auch bemerkt, dass irgendetwas vorgefallen war. Sie hielten sich auffällig zurück und blieben in ihren Zimmern. Frank saß vor dem Fernseher im Wohnzimmer und verhielt sich so, wie Männer sich meistens verhielten: Er schwieg und grübelte vor sich hin. Wie er es bereits den gesamten Tag tat. Nicht, dass es ihn irgendwie weitergebracht hätte in seinem Dilemma. Bianca suchte auch nicht die Aussprache mit ihm. Sie war am Nachmittag wohl im Seminar gewesen und jetzt saß sie am Schreibtisch. Doch wahrscheinlich surfte sie nur im Internet statt zu lernen. Er hatte überhaupt keine Lust heute Nacht neben ihr im Bett zu liegen. Vielleicht sollte er ausgehen? Das wäre doch eine Idee! Und wenn es nur ein Cocktail in einer Bar war, einfach um rauszukommen. Und um Bianca zu zeigen, dass sie nicht die Einzige war, die sich alleine einen vergnüglichen Abend machen konnte. Bevor er es sich noch anders überlegen konnte, schaltete er den Fernseher aus. Bianca saß in der Tat vor dem Laptop und klickte sich durch den Onlinekatalog eines Schuhverkäufers. Frank schnappte sich seine Jacke und schlüpfte in seine Sneaker. „Ich geh was trinken.“ „Okay.“ Sie sah nicht einmal auf. Die roten Pumps mit strassbesetzten Riemchen waren ihr wohl wichtiger. Frank schnaubte und eilte nach draußen. Früher wäre sie sofort mitgegangen! Früher. Was hieß hier früher. Vor zwei Monaten wäre sie noch mitgekommen. Was hatte sich geändert in dieser kurzen Zeit? Vielleicht war mit ihnen doch alles etwas zu schnell gegangen? Sie war zu jung für ihn, nicht ernsthaft genug. Zu unerfahren was eine Beziehung angeht. Ach nein, das passte alles nicht... und doch passte es so gut. Die Nachtluft war noch recht kühl um diese Jahreszeit. Mit hochgezogenen Schultern schritt er die schmale Straße entlang und ehe er noch viel darüber nachgedacht hatte, stieß er die Tür zu einem Irish Pub auf. An der Bar mit Blick auf den Fernseher waren noch ein paar Plätze frei und das passte ihm ganz gut. Sich alleine an einen Tisch setzen wollte er auch nicht. Er bestellte sich ein Guinness und wahrscheinlich würde es auch nicht das Letzte sein. Während er noch das Glas in der Hand drehte und die Bläschen beobachtete, die in dem dunklen Bier perlten, sah er wieder Biancas schlanken Hals und Schulter vor sich. Die dunklen Knutschflecken, die sich auf der Haut abzeichneten. Diese Göre hielt ihn wirklich für bescheuert, oder? Er knurrte etwas, von dem er selbst nicht sagen konnte, ob es jetzt auf Englisch oder auf Deutsch gewesen war und setzte zu einem Zug Bier an. Er leerte fast das halbe Glas und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von der Oberlippe. Hier, bitteschön. Er konnte sich auch betrinken und das mitten in der Woche, obwohl er morgen wieder arbeiten musste. Ha! Irgendwann im Laufe der zweiten Halbzeit des Fußballspiels, das auf dem bareigenen Fernseher übertragen wurde, hatte er sich dann doch an einen kleinen Tisch am Rande des Gastraums gesetzt. So konnte er die Beine ausstrecken und den Fernseher hatte er auch besser im Blick. Er war mittlerweile mit seinem zweiten Guinness fertig und wenn er sich jetzt ein drittes bestellen würde, dann war der Abend definitiv gelaufen. Doch diese Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn ein Mann setzte sich zu ihm an den Tisch und stellte ein frisches Glas mit dem dunklen Gebräu vor ihm ab. Frank blickte ihn überrascht an, der Störenfried hielt auch ein Glas Bier in der Hand und grinste ihn spitzbübisch an. Der Blick wanderte kurz von Franks Gesicht zu seinen Schultern, dem Oberkörper und wieder zurück. Er wurde abgecheckt und im Gegenzug musterte er den Typen. Hatte er ihn irgendwo schon einmal gesehen? Oder warum machte der ihn hier so unverhohlen an? Dies war hier keine Szenetreffpunkt also musste der Mann wissen, dass Frank und er in der gleichen Liga spielten. Vor der Sache mit Bianca war er ab und an in die einschlägigen Clubs gegangen – nicht hier in Heidelberg, in Mannheim war die Szene um einiges größer und lebendiger - und hatte auch eine Handvoll One-Night-Stands gehabt. Ah, ja! Da fiel es ihm wieder ein. „Auch wieder auf der Suche, Patrick?“, meinte er und prostete dem Neuankömmling zu. Dann wurde ihm bewusst, was er da gesagt hatte. ‚Wieder auf der Suche‘ als ob er schon keine Beziehung mehr mit Bianca hatte. Ups, war das etwa ein Freudscher Versprecher? „Yup.“ „Mhm.“ Schweigend verfolgten sie den Rest des Spiels, wobei Frank nicht wusste, ob es Patrick wirklich interessierte. Ihn interessierte es eigentlich nicht. Es war nur Verzögerungstaktik, denn er war nicht so naiv zu glauben, dass Patrick sich nur zu ihm an den Tisch gesetzt hatte, um ihm beim Trinken Gesellschaft zu leisten. Wenn er sich mit ihm einlassen würde, dann hätte er Gleiches mit Gleichem vergolten. Bianca hatte mit einem Typen rumgemacht und er dann auch. Sie wären quitt. Leider war es nicht so einfach und Frank konnte so einem Verhalten nichts abgewinnen. Er würde es nur bereuen, später dann. Aber es wäre schon toll einmal wieder einen Kerl zu haben. Hatte er nicht gestern Nacht davon geträumt und sich genau dies ausgemalt, während er sich einen runtergeholt hatte. Unbewusst biss er sich auf die Lippen und Patrick neben ihm prustete leise los. Der hatte ihn genau beobachtet und sein Blick sagte wirklich alles. Frank musste nur sein Einverständnis geben und er würde die Nacht nicht alleine verbringen. Wow, das tat gut! Zu wissen, dass er noch begehrt war und sein Marktwert nicht in den Keller gegangen war in den letzten Monaten, die er mit Bianca verbracht hatte. Shit! Das hörte ja gar nicht mehr auf. Er wollte nicht so denken, als ob er ihre Beziehung schon aufgegeben hätte. ‚Aber hat Bianca uns nicht aufgegeben?‘, fragte er sich sofort wieder, als ob er sich eine Berechtigung einholen wollte, warum es okay war, wenn er sich mit Patrick einließ. Frank fuhr sich mit den Händen durch die Haare und ließ sie dann in seinem Nacken ruhen... und verspannt war er auch, verdammt. Er musste dringend wieder regelmäßiger trainieren. „Was ist los?“ „Schlechten Tag gehabt.“ ‚Eher schlechte Tage, Plural.‘ Frank drehte den Kopf: „Ich habe nicht viel Zeit, also...“ „Muss auch nicht. Komm mit!“ Schon war Patrick aufgestanden und Frank beeilte sich noch zwei Geldscheine auf den Tisch unter sein Glas zu legen, dann eilte er dem anderen nach. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals und er stolperte Patrick nach, als dieser nach draußen in die Gasse trat. Ein paar Biegungen nach rechts und links und schon standen sie in einem Hinterhof. Der Ort war perfekt. Die Straßenlaterne war vermutlich defekt und augenscheinlich gab es keine Tür, die hier auf den Hof führte. Es war schummrig, man sah kaum die Hand vor den Augen, wäre nicht das milchige Licht des Vollmonds gewesen. Ja, da war zwar dieser große Müllcontainer, aber der leicht penetrante Geruch des Abfalls störte Frank nicht im Geringsten. Er war viel zu sehr damit beschäftigt Patrick zu küssen. Oh ja, ja! Innerlich jauchzte er auf. Es kam ihm so vor wie eine Befreiung. Sein Schwanz dachte ganz ähnlich und drängte sich gegen den dicken Stoff der Jeans. Patrick schien es zu ahnen, wie heftig er es brauchte und tastete zwischen ihren Körpern umher, zog den Reißverschluss der Hose nach unten. Er zog die Jeans und Franks Shorts genau so weit hinab, dass er ungehindert die Erektion umfassen konnte. Frank legte den Kopf in den Nacken und stöhnte, was Patrick damit quittierte, dass er die Lippen auf seinen Hals drückte, daran saugte. Das wurde immer besser! Was wohl Bianca zu diesem Knutschfleck sagen würde? Oh Mann und er führte sich auf wie ein Teenager, der diese Trophäe stolz herumzeigte. Der Gedanke brachte ihn zum Lachen, was er dann noch irgendwie dämpfte indem er die Hand vor den Mund presste. Nicht, dass noch irgendjemand von den angrenzenden Häusern gestört wurde. Solche Innenhöfe reflektierten den Schall ziemlich effektiv. „Soll ich dir einen blasen?“ Patricks Stimme war nahe an seinem Ohr, dann küsste er sich an Franks Kiefer entlang bis zu dessen Kinn. Frank nickte nur und lehnte sich gegen die Mauer in seinem Rücken. Machte es sich bequem so gut es ging, verlangend drückte er die Hüften nach vorn. Eine Hand hatte er auf Patricks Schulter gelegt als dieser vor ihm auf die Knie ging, mit der anderen fuhr er unter seinen eigenen Pullover und kniff sich in die Nippel. Nein, er dachte nicht mehr über sich und Bianca nach. Er schaltete einfach ab und ließ seinen Körper die Führung übernehmen. Die Instinkte waren manchmal doch zuverlässiger als das bewusste Denken. Patricks Kopf bewegte sich vor und zurück, bemühte sich ihm ein paar schöne Minuten zu bereiten. Danach lehnte er gegen die Schultern des anderen Mannes und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Patrick nahm es als Kompliment, lachte verhalten und strich ihm durch die Haare. Er hatte noch einen Ständer, Frank spürte es ganz genau. Warum nicht noch einen Schritt weitergehen? Jetzt war es doch ohnehin schon egal. Nein, ein Blowjob war eine Sache, Analsex noch einmal etwas ganz anderes und hier im Freien wollte er es auch nicht tun. Also war es nun an ihm seine Hand in den Bund von Patricks Hose wandern zu lassen. Als er das Objekt der Begierde gefunden hatte, entfuhr Patrick ein ganz und gar unmannhaftes Quieken. „Deine Hände sind eiskalt!“ „Die werden gleich warm.“ Gab Frank zurück. „Und du hast gleich ganz andere Sorgen als meine kalten Hände.“ Er packte Patricks Schulter mit der anderen, freien Hand und drückte ihn gegen die Mauer. Als ob sein Leben davonabhing küsste er ihn, immer und immer wieder. Während seine Hand beständig die Länge von Patricks Schwanz hinauf- und hinabstrich. Schneller und schneller. Frank hatte sogar noch genügend Geistesgegenwart, dass er ein Taschentuch aus seiner Hose zog und damit den größten Teil von Patricks Ladung sofort auffing. Nicht, dass noch etwas auf seiner Hose landete. Wie sollte er das erklären, wenn er wieder zuhause war. Aber Bianca würde ihn auch nicht mit UV-Licht absuchen, daher... Sofort kam diese miese Gefühl von Reue und Betrug. Er hatte sie betrogen. So sah es doch aus. ‚Verdammte Scheiße‘, dachte er und hoffte, dass es ihm nicht laut über die Lippen gekommen war. Doch nein, sie blieben noch ein paar Minuten in dieser engen Umarmung stehen und ihre Körper beruhigten sich wieder. Frank genoss es, wie sich dieser kantige, harte Männerkörper des anderen an ihn presste. Es war so anders als mit Bianca... besser. Ja, definitiv besser. ‚Scheiß auf Bianca. Ich darf auch meinen Spaß haben.‘ Sie richteten ihre Klamotten, ganz geschäftsmäßig und als sie wieder auf die Gasse hinaustraten, schob ihm Patrick eine Visitenkarte in die Jackentasche. „Falls du mal wieder Lust hast, dann ruf an...“ Es war ganz eindeutig die Mischung aus Alkohol und den Endorphinen von seinem Orgasmus, die ihn so unbekümmert den Weg zu seiner Wohnung zurückgehen ließ. Wäre er nüchtern gewesen, hätte er sich bedeutend mehr Gedanken über diese Verfehlung gerade eben gemacht. Wahrscheinlich würde er sich auch morgen früh noch mehr Gedanken darum machen, aber im Moment gelang es ihm ganz gut sämtliche Gewissensbisse beiseite zu schieben. Auf Zehenspitzen tappte er die Stufen empor. Jahrelange Übung und der Vollmond machten es ihm leicht, den Schlüssel auf Anhieb ins Schloss zu stecken und leicht zu drehen. So dass er möglichst leise war und keinen seiner Mitbewohner aufweckte. Er schlüpfte im Dunkeln aus den Schuhen und schob sie an die Wand, sodass niemand darüber stolpern würde. In Biancas und seinem Zimmer brannte noch die Schreibtischlampe, das konnte er sogar vom Flur aus sehen. Die anderen hingegen schliefen bereits. Zunächst ging er ins Badezimmer, putzte sich die Zähne - nahm sogar Zahnseide - und trödelte allgemein herum, weil er Bianca nicht unter die Augen treten wollte. Würde sie den Knutschfleck an seinem Hals bemerken. Die Stelle war bereits rot verfärbt. Aber dabei hörte sie ihn nicht einmal, als er die Tür öffnete. Sie saß noch immer vor ihrem Laptop am Schreibtisch, trug ein Headset und skypte mit jemandem. Als er allerdings das Deckenlicht anknipste, zuckte sie schuldbewusst zusammen und starrte ihn mit großen Augen an, das Gesicht kreidebleich. Da sah Frank, dass sie etwa nicht mit einer Freundin gechattet hatte, was er zunächst vermutet hatte, sondern mit einem Mann. Und dann sah er auch noch den Namen, bevor Bianca den Laptopdeckel schnell zuklappte. Noch verdächtiger konnte man sich auch nicht verhalten. Es war dieser Tim, mit dem sie sich hier zu später Stunde unterhalten hatte. „Du hältst mich wirklich für total bescheuert, oder? Wie lange soll das noch so weitergehen?“ Frank setzte sich auf das Bett und war überrascht, dass seine Stimme so ruhig blieb. Und er hatte leider nicht genug getrunken, denn dann wäre ihm dieser plötzliche Schmerz vielleicht erspart geblieben. Wie hatte er so blind und so doof sein können? Bianca hatte ihn doch nur ausgenutzt. Brauchte er noch mehr Beweise? Sie presste die Lippen aufeinander und wickelte das Kabel des Headsets fein säuberlich auf. „Es tut mir leid“, bekannte sie kleinlaut. „Wann wolltest du es mir sagen?“ „Ich weiß nicht.“ „Du... was?“ Er stütze die Ellbogen auf die Knie und fuhr sich durch die Haare. Er war ja so erbärmlich! Da ließ er sich tatsächlich von einer kleinen Studentin ausnehmen und betrügen. Als ob er ein liebestoller, blinder Teenager wäre. Das konnte er doch besser, zumindest hatte Frank das gedacht. „Ich weiß auch nicht, irgendwie hat es nicht mehr gepasst mit uns und dann war da Tim.“ Frank konnte diesen Namen schon nicht mehr hören. „Es war dir zu keiner Zeit ernst mit uns.“ „Nein, das solltest du so nicht sagen.“ Frank blickte sie nur stumm an, sie knetete die Hände. „Aber du hättest ja auch schon früher mal was sagen können“, meinte Bianca nun kleinlaut. „Jeder andere hätte schon früher etwas bemerkt.“ War er jetzt etwa selbst schuld daran, dass er es hatte so weit kommen lassen. „Oh nein, komm mir nicht damit. Du bist eine erwachsene Frau, Bianca. Du kannst fremdgehen und mich betrügen, dann kannst du es auch vernünftig beenden, statt so eine Scharade abziehen. Wie lange ging es schon?“ „Zwei Monate.“ Hatte sie geglaubt, weil es zwei Monate lang gut gegangen war, dass sie dieses Versteckspiel weiterhin durchziehen konnte? Womöglich hatte sie sich in Sicherheit gewiegt. Musste wohl so sein, wie sonst konnte man so unvorsichtig sein und mit dem Lover skypen und sich dabei erwischen lassen. Das war überhaupt nicht intelligent, es war sogar ziemlich armselig. Und mit so einer Frau hatte er sich abgegeben? „Ich glaube, es ist wirklich besser so“, sprach sie nach kurzer Stille weiter. Die Stimme schnippisch: „Immerhin scheinst du mich ja schlecht zu kennen, wenn es dir nicht früher aufgefallen ist. Ich war unglücklich! Tim gibt mir, was ich brauche.“ Aber ja, natürlich war es immer leichter den Fehler bei den anderen zu suchen, als sich selbst irgendein Fehlverhalten einzugestehen. Aber wie feige und kindisch! Frank war nahe daran zu explodieren. Dieses verdammte Gör! Er würde sie am liebsten... Jede vernünftige Diskussion war hier zu viel, war verschwendete Zeit und Geduld. „Am besten gehst du jetzt“, sprach er betont ruhig und umfasste seine Knie mit den Händen. „Mitten in der Nacht? Spinnst du?“ „Nein, Tim wird dir sicher geben, was du brauchst und dich hier abholen. Da bin ich mir sicher. Dein Zeugs kannst du ja dann morgen abholen und den Schlüssel abgeben.“ „Das kannst du nicht machen, ich habe ein Recht darauf...“ „‚Ein Recht‘? Oh nein, Bianca. Du hast überhaupt nichts. Der Mietvertrag läuft auf meinen Namen und ich zahle die Miete. Also komm mir nicht damit.“ „Kann ich dein Handy haben, um ihm wenigstens Bescheid zu geben?“, giftete sie. „Du hast doch gerade noch mit ihm geskypt.“ „Der Laptop ist jetzt runtergefahren, bis ich ihn wieder...“ Schon griff sie nach seiner Jacke, die neben ihm auf dem Bett lag. Mit seinem Smartphone fiel auch Patricks Visitenkarte auf die Matratze und nicht nur eine Visitenkarte... Biancas Gesichtsfarbe wechselte einmal mehr in den gräulichen Bereich, als sie die Kondompackung sah. Frank war selbst überrascht. Das hatte er gar nicht bemerkt, das ihm Patrick ebenfalls dieses Souvenir in die Tasche gesteckt hatte. „So, du machst mir Vorwürfe übers Fremdgehen, aber selbst...“ Sie stockte, als sie einen eingehenderen Blick auf die Visitenkarte warf. „Aber das ist ja...“ Bianca sah auf und ihr Mund klappte auf und zu, ohne ein Wort zu sagen. Sie verstand nicht so recht. „Oh, habe ich es nie erwähnt? Ich bin bi.“ Es bereitete ihm eine absurde Lust die Überraschung und den Schock auf ihrem Gesicht zu sehen. Jetzt konnte er sich nicht mehr bremsen: „Ich steh drauf richtig durchgenommen zu werden. Aber nein, das begreifst du nicht. Natürlich nicht.“ Wenn er nüchtern gewesen wäre, wären ihm solche derben Worte auch nie über die Lippen gekommen. „Du bist... Was? Wie lange schon?“ Diese Frage ließ ihn glatt lauthals auflachen. „Schon immer, Schätzchen!“ „Gottchen, das wurde aber auch mal Zeit, dass du es ihr sagst!“, dröhnte es gedämpft vom Nachbarzimmer. Es war niemand anderer als David und Frank verdrehte die Augen. David glaubte wohl, er tat ihm hier einen Gefallen. Frank war sich gar nicht bewusst gewesen, dass sie Wände so dünn und hellhörig waren. Oder waren sie etwa so laut gewesen? „Er wusste es? Diese tuntige Schwucke wusste es die ganze Zeit!“, ereiferte sich Bianca und deutete auf die Wand hinter dem Bett. Frank zog die Schultern nach oben. „Nicht nur er, Matze auch. Eigentlich alle. Nur du hast es nicht bemerkt.“ Das war jetzt unfair. Wie hätte sie es auch bemerken sollen. David hatte die letzte Beleidigung wohl mitangehört und war aufgestanden. Frank hörte ihn auf den Flur hinaustreten. Jetzt war Bianca nahe den Tränen und Frank griff nach der Visitenkarte, die sie noch immer in der Hand hielt. „Und die brauche ich vielleicht noch später. Gehst du jetzt endlich?“ Zu allem Überfluss kam jetzt wirklich David in ihr Zimmer. Natürlich in seinen pinken Bademantel von Victoria‘s Secret. Himmel, der Kerl hatte eine Figur, da konnte er sogar Frauenfummel tragen. David kam direkt zu Frank und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Glaub mir Süße, es ist besser so!“ „Habt ihr beide es hinter meinem Rücken miteinander getrieben?“ „Nein!“, beeilte sich Frank zu versichern. „Aber ja!“, schnurrte David, zog Frank an sich und küsste ihn. „War das wirklich nötig?“, wollte Frank wenig später wissen als sie beide auf dem Bett saßen und Bianca endlich aus der Wohnung gestürmt war. „Jetzt ist es doch auch egal!“ David erhob sich und kam wenig später mit einem Becher Eis zurück, nebst einer Flasche Jack Daniels. Frank sah nur stumm zu als sein Mitbewohner den Deckel von dem Pappbecher löst und ihm einen Löffel reichte. „Ben & Jerry‘s?“ David zuckte mit den Schultern und schleckte genüsslich an seinem Löffel. „Hat mir mein Arzt verordnet bei Trennungsschmerz.“ „Was für ein Arzt war das denn bitteschön?“ Doch Frank begann auch schon etwas Eiscreme auf seinen Löffel zu kratzen. Als den halben Becher vernichtet hatten, stieß tatsächlich Matthias zu ihnen. „War das etwa Bianca, die da aus der Wohnung gestürmt ist? Ich hab da so etwas gehört...“ „Jup, endlich!“ David streckte ihrem Vermieter auch schon einen Löffel hin. „Willst du auch etwas?“ Matthias ließ sich nicht zweimal bitten und so machten sie es sich zu dritt bequem. „Eigentlich muss ich morgen arbeiten“, meinte Frank, als er David dabei beobachtete wie dieser den Bourbon in den Becher kippte und so das restliche Eis zum Schmelzen brachte. David reichte ihm das Gebräu und Frank kippte die Hälfte davon herunter. Es gab schlimmere Arten Bourbon zu trinken, befand er. „Aber vielleicht fange ich später an.“ „Wird besser sein“, stimmte Matthias zu und bediente sich als nächster an ihrem improvisierten Drink. Irgendwann kam Lydia an Franks Zimmer vorbei und warf einen Blick hinein. Sie hatten die Tür zum Flur offen stehengelassen. „Ist irgendetwas passiert? Braucht ihr Hilfe?“ Frank brauchte später vielleicht in der Tat Hilfe. Er war mittlerweile ganz schön dicht. David war mittlerweile eingeschlafen. Den Kopf auf Franks Schoß gebettet. Frank und Matthias wechselten sich noch immer an der Flasche Jack Daniels ab. „Bianca hat Schluss gemacht“, brachte Frank sie auf den neuesten Stand. „Oh.“ Und dann tat Lydia etwas, das Frank nie erwartet hätte. Sie setzte sich neben sie auf das Bett, nahm auch einen kräftigen Schluck Bourbon und umarmte ihn. „Ich konnte die Tussi ehrlich gesagt noch nie leiden.“ Da öffnete Frank den Mund und wollte etwas erwidern, doch dann fiel ihm nicht ein, was er ursprünglich sagen wollte. Aber es war wohl der erste kluge Satz aus Lydias Mund gewesen, den er je gehört hatte. Kapitel 3: ----------- Kommentar: Hallo alle zusammen und willkommen zu Kapitel 3. Wow, dass Patrick noch einmal eine Auftritt hat, war eigentlich nicht geplant, aber... nun ja, lest selbst. ;) Ich hoffe, es ist nicht zu dirty geworden. Ich hoffe, dass ich demnächst noch eine neue Fanfiktion fertig gestellt habe. Natürlich auch Slash: 00Q, wie es auf Tumblr genannt wird. Wer den neuen Bond-Streifen gesehen hat, ist vielleicht aufgefallen, dass er nette Aufhänger für Q und Bond bietet. Also checkt mal mein Profil in den nächsten Tagen. Aber jetzt viel Spaß. Kapitel 3 Der Kater am Morgen danach war nicht einmal so schlimm. Sicher, Frank fühlte sich nicht in Topform und mit Sicherheit dürfte er ganz bestimmt noch kein Auto fahren, aber er konnte immerhin im Büro sitzen und erweckte den Anschein, als er würde arbeiten. Zwei Tabletten und reichlich Mineralwasser taten ihr übriges. Er hatte noch die Folien für seine Vorlesung in der nächsten Woche vorzubereiten. Doch so wirklich produktiv war er nicht. Jetzt war es also wirklich aus zwischen ihm und Bianca. Wow! Wie schnell so etwas gehen konnte. David, Matthias und sogar Lydia hatten ihm auch heute Morgen noch einmal gut zugesprochen. Fast hätten sie ihm noch zu der Trennung gratuliert. OK, David hatte ihm tatsächlich dazu gratuliert. Glücklicherweise war Lena heute nicht im Büro. Natürlich wäre ihr sein Verhalten aufgefallen, dass er keinerlei Interesse an dem fröhlichen Geplauder hatte, das man sich in der Kaffeepause erzählte. Die Studenten schienen ihn auch in Ruhe zu lassen. Bis jetzt hatte noch niemand an seiner Bürotür geklopft, auch das Telefon war still. Ein wahrer Segen! Doch konnte Frank nicht umhin sich zu fragen, warum es nicht zwischen ihm und Bianca funktioniert hatte. Es war auch nicht Franks erste Beziehung gewesen, die sich hier in Luft aufgelöst hatte. Und doch hatte er es noch nie so schwer genommen. Ha! Er war ja auch noch nie betrogen worden! Das setzte einem schon zu. Mit einem Mal konnte er seinen Kumpel Alexis auch besser verstehen. Kein Wunder, dass dieser nach dem Betrug seines Freundes Henry in die Schweiz gegangen war, weil er einen Tapetenwechsel dringend nötig gehabt hatte. Henry war als Vermögensberater tätig gewesen und nachdem Alexis mit ihm Schluss gemacht hatte, hatte er auch dafür gesorgt, dass Henry seine Selbstständigkeit hatte aufgeben müssen. Frank hatte das immer als einen zu drastischen und gehässigen Schritt angesehen. Bis jetzt. Er wünschte Bianca auch, dass sie durch alle ihre Prüfungen flog. Sollte sie doch sehen, wohin sie diese Hurerei geführt hatte. Nein, das war jetzt wirklich zu hart, von ‚Hurerei‘ zu sprechen. Warum hatte sie sich überhaupt auf ihn eingelassen, wenn er zu langweilig und zu alt für sie war? Sein Handy klingelte. Eine SMS von Bianca. „Huh, wenn man vom Teufel spricht...“ Sie teilte ihm mit, dass sie heute Nachmittag das Zimmer räumen würde. Wow, sie machte wirklich ernst und ließ nichts anbrennen. Bis dahin hatte Frank irgendwo, im tiefstem Winkel seines Herzens geglaubt, sie würde noch einmal zurückkommen. Sich entschuldigen und ihn anflehen, dass er ihre Verfehlungen vergessen und darüber hinwegsehen würde. Allerdings wusste Frank nicht, ob er ihr dann überhaupt vergeben konnte. Es war eine müßige Frage. Diese kurze SMS war wohl Beweis genug, dass sie alle Brücken abbrechen wollte. Zunächst hatte er nicht auf die knappe Nachricht antworten wollen, dann tippte er ein ebenso sachliches ‚OK‘. Es machte ihm auch bewusst, dass Bianca wohl schon längst mit ihnen beiden abgeschlossen hatte. Dass sie so schnell eine neue Bleibe hatte, vermutlich bei Tim, und umzog zeigte dies nur allzu deutlich. Aber es war gut so, dann traf er sie wenigstens nicht mehr. Er musste nur lange genug hier im Büro bleiben und die Sache im wahrsten Sinne des Wortes aussitzen. Sie würde alleine zurechtkommen müssen und ihren Kram auseinanderdividieren. Aber so schwierig sollte dies auch nicht sein. Frank verständigte David über diese neuesten Entwicklungen und bat ihn, dass er ihm mitteilte, wann Bianca mit dem Ausräumen fertig sei. So langsam wusste Frank nicht mehr, was er noch alles tun sollte. Er hatte seine Ablage auf dem Schreibtisch durchgearbeitet, jedes Schriftstück sorgsamst gelesen und beantwortet. Die Unterlagen, die er nicht mehr benötigte, hatte er sogar zum nächstbesten Aktenschredder zwei Stockwerke über ihm getragen und vorschriftsmäßig vernichtet. Dann hatte er sein E-Mailpostfach sortiert und auch hier einige alten Nachrichten endlich beantwortet oder schlichtweg gelöscht. Als nächstes hatte er seine neuesten Erkenntnisse in Bezug auf seine Dissertation abgetippt und damit seine Ausarbeitung um gut zehn Seiten anwachsen lassen. Das war erfreulich, das Ding nahm so langsam aber sicher Gestalt an. Die Kaffeetassen wurden gespült, was schon längst einmal nötig gewesen war. Wie so üblich bei Büros, die sich eine Kaffeemaschine teilten, welche zu guter Letzt auch noch von ihm gereinigt und entkalkt wurde. Inzwischen war wohl kaum noch jemand im Institut anzutreffen, ein paar Studenten saßen in Lerngruppen in den Arbeitsräumen. Die Bibliothek hatte schon ihre Ausleihe geschlossen, als er sich einen Schokoriegel vom Süßigkeitsautomaten holte. Mittlerweile hatte auch Alexis die E-Mail gelesen, die ihm Frank während am Mittag geschickt hatte und in der er kurz den vergangenen Abend umrissen hatte. Was sollte er auch mehr sagen, außer, dass er wieder Single war. Frank knabberte gerade an dem Schokoriegel als ihn Alexis auf dem Handy anrief. Da er alleine im Büro saß, konnten sie ungezwungen miteinander reden. „Soll ich zu dir kommen?“ Frank glaubte sich verhört zu haben. Klang er etwa so erbärmlich, dass es in Alexis sämtliche Beschützerinstinkte weckte und dieser sogar nach Deutschland reisen würde? „Das ist doch Blödsinn!“, wehrte er vehement ab. Frank hatte da wirklich kein gutes Gewissen, wenn er Alexis für sich in Anspruch nahm. Federico wäre mit Sicherheit nicht erfreut. Doch das Angebot rührte ihn doch ungemein. Natürlich hatten sie in den vergangenen Jahren nicht mehr so viel Zeit miteinander verbringen könnte. Sie hatten ihre eigene Leben, ihre eigene Karrieren, dennoch fühlten sie sich einander immer noch verbunden. Und warum auch nicht, wenn man so viel zusammen durchmachte wie sie. Alexis bohrte nicht weiter nach, was genau alles geschehen und gesagt worden war. Frank konnte es ihm gar nicht hoch genug anrechnen. Er wusste, wenn er seine Mutter anrief und ihr beichtete, dass es mit Bianca vorbei war, dann würde sie ihn löchern, warum und wieso und überhaupt. Oh herrlich! Diese bittere Wahrheit wollte er seinen Eltern gar nicht so bald eröffnen. Sie waren so froh gewesen, als er bekannt hatte eine Freundin zu haben. Welche Eltern wünschten sich nicht Enkelkinder und ‚geordnete Verhältnisse‘. Frank konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Insgeheim hatte er ja auch... ‚Hör auf damit!‘, wies er sich selbst in Gedanken zurecht. „Bitte?“ Er musste wohl irgendeinen Laut von sich gegeben haben. Aber wovon hatte Alexis gerade gesprochen? „Ich sagte, wenn man vom Pferd fällt, steigt man auch gleich wieder in den Sattel.“ „War diese Zweideutigkeit jetzt beabsichtigt?“ „Nein. Ich meine nur, du solltest jetzt nicht alleine sein. Geh auf die Piste, such dir einen netten Jungen.“ „Himmel noch mal, Alex. Es geht mir gut. Außerdem bin ich nicht alleine. Matze und David sind auch noch da und Sex ist auch keine Lösung.“ Auch wenn er es dringend nötig hatte. Verdammt. Irgendwann musste dann auch Alexis wieder Schluss machen und Frank war auf sich alleine gestellt. Die plötzliche Stille im Büro und auf den Fluren des Instituts war schon trübsinnig. Besser er ging in die Stadt, denn David hatte sich noch nicht bei ihm gemeldet. Das hieß, dass Bianca noch mit dem Auszug beschäftigt war. Hoffentlich halfen ihr seine Mitbewohner nicht auch noch beim Packen und Tragen der Kisten. Das sollte die Göre schön selbst tun, oder sich ihren neuen Stecher mit dazuholen. Genau! Sollte sich doch Tim einen Bandscheibenvorfall holen, wenn er ihre Klamotten und Schuhe durchs Haus schleppte. Frank fuhr den Computer herunter und griff nach seiner Jacke. Er wollte noch nicht zurück, also konnte er auch noch in der Stadt Essen gehen. Fand nicht heute irgendwo eine Party statt? Er hätte nicht übel Lust dazu etwas mitzumischen und Alexis‘ Rat wahrzunehmen. Allerdings fragte er sich, ob dies nur Kompensation dafür war, dass ihn Bianca abserviert hatte, weil er ihr womöglich doch zu alt und langweilig gewesen war. Er könnte David fragen, ob dieser nicht eine gute Location wusste und mit ihm mitginge. David wäre sofort dabei, das stand außer Frage. Auf dem Universitätsplatz herrschte das übliche Treiben und Gewirr aus Studenten, Touristengruppen und den Verkehrsbussen. Frank ging in entgegengesetzter Richtung seiner Wohnung davon. Hauptsache weit weg von der Verflossenen. Dann suchte er sich ein Lokal, um eine Kleinigkeit zu essen. Während er auf die Bestellung wartete, blätterte er eine der Zeitungen durch, die auf der Sitzbank neben ihm gelegen hatte. Er las sich durch das Feuilleton und die Wirtschaftsmeldungen. Na also, geht doch. Jetzt hatte er schon eine halbe Stunde lang nicht mehr an Bianca gedacht. Zur Vorsicht warf er einen Blick auf sein Handy. Vielleicht hatte ihm David inzwischen eine SMS geschickt und die Luft war wieder rein. Aber nein, Fehlanzeige. Er wollte das Gerät wieder in seine Jackentasche stecken, als seine Finger dabei die Visitenkarte von Patrick streiften. Heute Morgen hatte er sie einfach mit seinem Handy in die Tasche gesteckt. Unschlüssig legte er das Kärtchen vor sich auf den Tisch und strich die Kanten glatt. Er würde garantiert nicht an Bianca denken, wenn er... Vielleicht hatte Alexis ja doch recht. Und schon hatte er begonnen die Nummer zu wählen. Es klingelte und unbewusst biss er sich auf Lippen, wischte seine linke Hand an seinem Hosenbein ab, dabei würde Patrick doch gar nicht bemerkten, ob er schweißnasse Hände bekommen hatte oder nicht. Die Stimme, die sich am anderen Ende der Leitung meldete, erkannte Frank sofort wieder. Manche Menschen klangen ja am Telefon ganz anders, Patrick nicht. „Hallo Patrick, hier ist Frank.“ Die Pause war nur sehr kurz. Gerade wollte Frank ansetzen und sich vorstellen, dass sie sich doch im Pub gesehen hatte. Gott, war das etwa erst gestern Abend gewesen? Vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden? „Das ging aber schnell!“ Ein kurzes, aber durch und durch erfreutes Lachen war zu hören. „Störe ich?“ „Oh, nein.“ „Ich... ahm... ich bin gerade eine Kleinigkeit essen und dachte mir... Möchtest du auch kommen?“ „Bist du etwa auf ein Date aus?“ Wollte er das? Nein! Beziehungen konnten ihm erst einmal gestohlen bleiben. „Nein, ich... Man könnte sagen, ich hätte etwas Ablenkung nötig.“ „Den Eindruck hatte ich gestern auch“, erwiderte Patrick trocken. „Gut, wo bist du?“ Patrick musste wohl ganz in der Nähe gewesen sein, denn Frank bekam gerade seinen Burger an den Tisch gebracht als er eintraf. Dann bestellte sich Patrick lediglich eine Tomatensuppe und begründete es damit, dass er schon zuhause gegessen hätte. Sie plauderten miteinander, ganz ungezwungen. Es war nett. Vor allem war es die langersehnte Ablenkung. „Also, was ist mit dir los?“ So viel zum Thema Ablenkung. Frank rührte mit dem Strohhalm in seinem alkoholfreien Cocktail. „Meine Freundin hat gestern mit mir Schluss gemacht.“ Seine Stimme klang dabei völlig neutral. Halleluja! Er machte Fortschritte. Als eine Reaktion von Patrick ausblieb, sah er auf. Der andere musterte ihn abschätzig. Hatte Frank etwas Falsches gesagt? War Patrick auf mehr aus als einen One-Night-Stand? Aber gestern noch schien es völlig in Ordnung gewesen zu sein und warum war er dann zu Frank in das Restaurant gekommen? „Deine Freundin?“ Patrick betonte das letzte Wort besonders. „Oh, ja. Ich...“ „Bist du einer von diesen Männern, die nur ab und an mit Männern schlafen, weil es ihnen Spaß macht? Denen es aber nie in den Sinn kommen würde sich als schwul zu bezeichnen?“ Glücklicherweise sprach er gedämpft und da das Lokal voller und die Geräuschkulisse entsprechend lauter geworden war, hörte man ihn nicht. Das Letzte, was Frank heute noch bräuchte, wären dumme Blicke von den Pärchen an den anderen Tischen. „Ich bin bi.“ „Oh.“ War es nun an Patrick. Er blickte auf seinen Teller und rührte darin herum, obwohl nicht mehr viel Suppe übrig war. Ja, das hatte Frank schon oft beobachtet. So richtig passte man als Bisexueller nicht in die schwule Szene. Die Jungs glaubten, er hätte ein einfacheres Leben. Konnte ja dem Mainstream folgen und eine Heterobeziehung aufbauen. Für die Heten galt er natürlich auch nicht als einer von ihnen. Frank stand buchstäblich zwischen den Stühlen. Das machte alles nicht unbedingt leichter. „Mädels und Beziehungen stehen mir jedoch zurzeit hier“, Frank tippte an seine Stirn. Und das war die volle Wahrheit. Das war für Patrick wohl Erklärung genug, er nickte und hielt nach dem Kellner Ausschau. Er wollte zahlen. „Lass es“, hielt ihn Frank zurück,, als er dann sein Portmonee zücken wollte. „Ich lade dich ein. Du wärst heute wohl nicht hierher gekommen, wenn ich nicht angerufen hätte, oder?“ Patrick zog eine Schulter hoch und zierte sich noch etwas. Wie es eben der gute Ton forderte, doch dann zahlte Frank die Rechnung und sie gingen nach draußen. „Also, willst du immer noch?“ Frank neigte den Kopf zur Seite und zog die Augenbrauen nach oben. „Oder...?“ Er ließ den Satz unvollendet. An noch einer Zurückweisung würde Frank schwer zu beißen haben und hoffte inständig, dass Patrick sich auf den Sex einlassen würde. Dass es irgendetwas gegeben haben musste, dass Patricks Einstellung ihm gegenüber geändert hatte, spürte er. Aber war es das Bekenntnis gewesen, dass er bi war? Oder etwa doch die Bemerkung über Beziehungen und dass Frank daran kein Interesse hatte. Hatte sich Patrick etwa doch mehr erhofft? Frank musste hier zu sich selbst völlig ehrlich sein. Er wollte wirklich nicht ‚mehr‘. „Okay.“ Es war leichter. In einem Darkroom, in einem Club. Der Weg von der Innenstadt auf die andere Seite des Neckars, wo Patrick wohnte, erschien Frank als viel zu lang. Lang genug, dass man sich ernsthafte Gedanken über die Sinn- und Zweckhaftigkeit des Unternehmens machen konnte, das sie beide im Begriff waren zu tun. Es half auch nichts, dass sie kaum noch ein Wort miteinander wechselten. Stattdessen vergrub Patrick die Nase im hochgeschlagenen Kragen seines Mantels. „So langsam müsste es einmal wärmer werden“, merkte Frank an, einfach damit irgendetwas gesagt war. „Ja, wäre nicht schlecht.“ Und so viel zum Smalltalk. Frank seufzte leise und schielte noch einmal auf sein Smartphone. Nein, noch immer nichts von David. Auch recht. Er schaltete das Gerät gleich auf lautlos und ließ es wieder in die Jackentasche gleiten. Patrick geleitete ihn zu einem dieser schmucken Altbauten und Frank war überrascht, dass es keine WG war. Was arbeitete Patrick denn bitteschön? Frank war bisher einfach davon ausgegangen, dass der andere vielleicht noch ein Student war. Dabei wusste er noch nicht einmal, wie alt der gute Patrick überhaupt war. Vielleicht war er auch Anwalt oder Investmentbanker. Man hörte ja, dass die nicht schlecht verdienten und dies war definitiv eine der neuen Topadressen in Heidelberg. Der Altbau verfügte sogar über einen Aufzug, der direkt ins Penthouse führte. Also das komplette Klischee bis zur letzten Note. Frank musste sich beherrschen nicht anfangen loszukichern, als er sich dessen bewusst wurde. Sie fielen nicht sofort übereinander her. Sie waren sogar richtig zivilisiert. Patrick bot ihm einen Drink an, selbstgemixt. Es war schon spät genug, dass man guten Gewissens Alkohol trinken konnte. Frank ließ sich in die Grundlagen des Cocktailmixens einweihen, während er an der hohen Theke in der Küche saß. Die Wohnung war stilvoll eingerichtet. Ein paar Familienbilder in einer Ecke, Ledercouch, großes Bücherregal. Es juckte ihn in den Fingern hinüberzugehen und die Bücher genauer zu inspizieren. Aber es kam ihm für einen One-Night-Stand als zu intim und persönlich vor. Was ja im Grund völliger Blödsinn war. ‚Intim und persönlich‘ nun ja, das was sie im Begriff waren zu tun, würde man landläufig auch als ‚intim‘ und ‚persönlich‘ bezeichnen. Er würde bald jeden einzelnen Quadratzentimeter von Patricks Haut sehen. Mehr noch, er würde vielleicht sogar die pikantesten Quadratzentimeter mit der Zunge erkunden und da scherte er sich darum, wie es aussah, wenn er einem schnöden Bücherregal Aufmerksamkeit schenkte? Versonnen starrte er auf die Hände des anderen, während Flaschen gesucht und diverse Früchte verschnitten wurden. Patrick führte einen Finger zum Mund und schleckte einen Spritzer Alkohol ab. Die einfache Geste tat es Frank irgendwie an. So simpel und irgendwie auch unbedarft, unbeobachtet, als ob Frank gar nicht da wäre. Patrick sah auf und grinste. Seine Wangen rötete sich sogar leicht. Auch Frank lächelte, es war einfach ansteckend und sie prosteten sich kurze Zeit später zu. Frank stellte sein Glas auf der Theke ab und rückte den Hocker ein Stückchen nach hinten. Er winkte Patrick zu sich heran. „Komm schon her!“, lockte er mit leiser Stimme und öffnete die Knie. Wie Eisenspäne in der Nähe eines Magneten, drängte sich Patrick zwischen Franks Knie. Er blickte auf Frank herab, eine Hand strich über seine Wange, ein Daumen drückte seine Unterlippe. Schon küssten sie sich. Im Gegensatz zu ihrem kurzen Intermezzo in einem Hinterhof vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden war es langsam, träge und so süß und zärtlich, dass es Frank fast das Herz brach. Das hatte er bei einem One-Night-Stand in dieser Form auch noch nie erlebt. Aber vielleicht lag es auch nur an seiner aktuellen emotionalen Lage, dass er so empfindlich war. Patrick zog ihn vom Barhocker und quer durch den Raum. Wahrscheinlich war dort hinten das Schlafzimmer untergebracht. Auf der Schwelle zum Zimmer hielten sie noch einmal inne. Als ob sie sich gegenseitig versichern wollten, dass es okay war, dass sie es beide wollten. Sie küssten sich erneut und dieses Mal ließ es Frank sogar das Atmen vergessen. „Du?“, Patrick löste sich mit sichtlicher Mühe von ihm und er ließ ihn auch nur ungern zurücktreten. Was kam jetzt? Die Frage, ob er negativ war? Wie sah es mit Hepatitis aus? Wie lange sein letzter AIDS-Test bereits zurücklag? Wobei es sich Patrick auch fast schon sparen konnte, sie hatten ja schon miteinander Sex gehabt. Doch es war nichts von alledem, denn Patrick ging zu seinem Bett, zog die mittlere Schublade des Nachttisches auf und hielt prompt einen schwarzen Dildo in der linken Hand. „Oh!“, entfuhr es Frank in dieser typischen britischen Intonation, wo diese Silbe so gut wie alles bedeuten konnte. Sein Schwanz zuckte unwillkürlich bei dem Anblick, der der Beginn von so mancher feuchter Fantasie sein könnte. Er könnte das Ding in seinem Hintern haben, schon spannten sich in freudiger Erwartung dessen seine Pobacken an. Himmel noch mal, er hatte es wirklich bitter nötig. Die Zustimmung muss ihm ziemlich deutlich anzusehen gewesen sein. Patrick legte das Sextoy auf die Matratze, noch ein paar Kondompackungen dazu und nicht zu vergessen die Tube mit Gleitmittel. „Dann darf ich dieses Mal ran?“, fragte Patrick noch beiläufig, als er seinen Pullover über den Kopf zog und achtlos zur Seite warf. Er hatte einen tollen Körper, trainierte wohl regelmäßig im Fitnessstudio. Seine Brust war haarlos, doch über dem Bund der Jeans fanden sich dunkle Härchen, die sich zu seinem Bauchnabel schlängelten. Frank fand es verdammt sexy, vor allem wenn man diesen Happy Trail mit der Nase entlangfuhr und dann das Paket am Ende davon auspackte. „Oh ja, bitte!“ Der akute sexuelle Notstand war nicht zu überhören. Da war der Blowjob von gestern nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Er wusste gar nicht mehr, wann er den Reißverschluss seiner Stoffhose heruntergezogen und das Kleidungsstück auf den Boden hatte fallen lassen. Ebenso die Socken, das Hemd und sein T-Shirt. Nur die Shorts behielt er noch an. Seine Erektion zeichnete sich mehr als deutlich unter dem dünnen, dunkelblauen, seidenen Stoff ab. „Komm her“, befahl nun im Gegenzug Patrick mit eindringlichem Tonfall. Er hatte sich auf die Bettkante gesetzt und legte seine Hände auf Franks Hinterteil. Die Fingernägel gruben sich in die Haut. Zum Glück trug Frank noch die Shorts, sonst hätte er dort gleich rote Striemen davongetragen. Verlangend drückte Frank sein Becken nach vorn. Natürlich verstand Patrick sofort. Millimeterweise zog er den Stoff hinab, bis ihm Franks Schwanz wie eine freigelassene Bestie aus ihm Käfig entgegensprang. Doch diese Bestie wurde nun äußerst freudig begrüßt. Eine Hand legte sich um die Basis seines Schwanz, bog ihn noch ein wenig weiter nach oben und Patricks Zunge begann die Unterseite zu lecken. Frank stützte sich auf den Schultern des anderen ab, zunächst ließ er den Kopf in den Nacken fallen, doch dann sah er an sich herab und betrachtete wie sich der braune Haarschopf eifrig auf und ab bewegte. Dann wurden ihm die forschenden Finger an seinem Hintereingang bewusst und fast hätten ihm seine Knie den Dienst versagt. Doch auch Patrick schien es genug zu sein. Er rutschte nach hinten weg, zur Mitte der Matratze und griff nach einem der Kondome. „Knie dich hin und vorbeugen.“ Das ließ sich nun Frank nicht zweimal sagen. Er schnappte sich ein Kissen und machte es sich bequem. Frisch gewaschene Bettwäsche, himmlisch. Sollte er Patrick sagen, dass er vorsichtig sein sollte? Eigentlich war es ja selbstverständlich, dass man einem anderen Mann nicht einfach so einen Schwanz in den Hintern rammte. Außerdem hatte Frank den Dildo nicht vergessen – Patrick mit Sicherheit auch nicht. Glitschige, kühle Fingerspitzen drückten nun gegen diesen engen Ring aus Muskeln. Er atmete aus und ließ locker, entspannte sämtliche ihm bekannten Muskeln. Er wusste noch genau, wie es funktionierte, damit Patrick leichter eindringen konnte. Und doch war es wieder aufregend zu spüren, wie sich erst ein, dann zwei Finger in ihn schoben. Ihn von innen bearbeiteten, weiteten, aber gekonnt seinen Hotspot ignorierten – vorerst. „Gut so?“ „Oh ja“, gab Frank inbrünstig zurück und bewegte sich den Eindringlingen entgegen. „Mhm, so gierig.“ Plötzlich zog sich Patrick zurück und augenblicklich vermisste Frank das Gefühl der Finger in ihm. „Bereit für etwas Größeres?“ Warum fragte Patrick überhaupt noch? Schon drängte sich die dicke Spitze des Dildos in Franks Körper. Vor und zurück, immer wieder und immer noch ein Stückchen weiter. „Was für ein gieriges kleinen Ding!“ Frank hätte in einer anderen Situation nur genervt mit den Augen gerollt. Eigentlich stand er nicht einmal so sehr auf diese Art von Dirty Talk, aber heute und jetzt war es ihm einerlei. Patricks Zunge schlängelte sich um die nun gespannte Haut an seinem Hintern, während er weiter den Dildo in ihn schob. Frank presste die Stirn gegen das Kissen und schloss die Augen, wenn Patrick so weitermachten, dann... Doch bevor er kam, zog der andere abrupt das Spielzeug aus ihm heraus. Frustriert stöhnte Frank und blickte über seine Schulter hinweg den anderen an. Patricks Wangen brannten und auch er war nun in Schweiß gebadet. Seine eine Hand strich beiläufig über die beachtliche Erektion. Oh, er hatte seinen Spaß, keine Frage. Frank dachte nun schon, dass Patrick in ihn eindringen wollte, doch stattdessen kramte er wieder etwas in diesem Nachttisch herum. Was für Schätze dieses Möbelstück wohl noch so alles bereithielt? Wenn ihm der Sex mit Bianca zu langweilig gewesen war, dann war dies hier das völlige Kontrastprogramm. „Uh“, rutschte es ihm heraus, als er den Buttplug erkannte. Geformt wie diese Dinger eben geformt waren: Kegelförmig mit einem breiteren Ende. Frank musste zugeben, dass er bisher noch nie mit einem Buttplug experimentiert hatte und doch erschien ihm dieses Exemplar als recht groß. „Meinst du, du schaffst ihn?“ Frank war auf alle Fälle bereit es zu probieren. Er setzte sich auf und Patrick rückte ganz dicht an ihn heran. Ihre Nasenspitzen berührten sich, ihre Schwänze rieben aneinander. Wieder wurde ein Kondom bemüht, dann griff Patrick um ihn herum und positionierte den Plug unter Franks Hintern, der ließ sich vorsichtig darauf hinab und stöhnte einmal mehr laut auf. Hoffentlich waren die Wände hier ausreichend dick. Patrick küsste währenddessen seinen Hals, die glatte Haut unterhalb seines Schlüsselbeins und schließlich seine Nippel, während er Franks Körper Zeit gab sich an diese neue Stimulation zu gewöhnen. Dann bissen sanft die Zähne zu und die Überraschung ließ Frank zusammenkrampfen, was einen nicht gänzlich unangenehmen Effekt in seinem Hintern auslöste. Und schon kam er. Keuchend kauerte er auf seinen Knien, der Plug noch an Ort und Stelle. Patrick wischte das Sperma mit einem Handtuch weg und umfasste dann seinen Schwanz. Frank hätte ihm auch sagen können, dass es heute nicht viel Mühe bedurfte, um ihn für die nächste Runde fertig zu machen. Patrick bemerkte es und grinste ihn lüstern an. Er versetzte Frank einen Stoß, was den Plug noch etwas tiefer in ihn gleiten und Frank auf den Rücken fallen ließ. Mit einer ordentlichen Portion Gleitgel in der Hand befingerte Patrick sich dann selbst, während er schon auf Franks Beinen saß. Der Mann war definitiv multitaskingfähig: Bereitete sich selbst vor und vergaß auch nicht Franks Schwanz die ein oder andere Streicheleinheit zu verpassen. Okay, also würde es auf diese Variante hinauslaufen. Frank hatte zwar zunächst einen richtigen Ständer in sich spüren wollen, aber gegen dies hier würde er jetzt auch nicht protestieren. Patrick beugte sich nach vorn, seine Handflächen, noch glitschig vom Gleitgel, stemmten sich gegen Franks Brustmuskeln. Sie erfüllten dieses Klischee von den in sich versenkenden Blicken, als ob sie sich in die Seele blicken wollten. Oder was für einen Quatsch man darüber auch immer las. Jedenfalls, es war ein sehr inniger Moment. Frank musste sich erst einmal wieder ins Gedächtnis rufen, dass dies lediglich ein One-Night-Stand war. Nichts weiter. Sex, purer und zugegebenermaßen sehr geiler Sex. Aber morgen früh oder sogar noch heute Nacht würden sie wieder getrennte Wege gehen. Es sollte ihm nicht so nahe gehen, es durfte ihm nicht so nahe gehen. Es war gefährlich. Indes ließ sich Patrick auf ihm nieder. Frank wusste nicht, wer von ihnen lautstarker seiner Freude darüber Ausdruck verlieh. Es wurde ein kurzer, aber nicht minder heftiger Ritt. Nur ungern kämpfte sich Frank aus dem Berg von Kissen und Bettdecken, als er eine Stunde später das erste Nickerchen hinter sich gebracht hatte. Patrick schlummerte selig auf seiner Seite des Bettes. Er hoffte, dass Patrick noch aufwachte, während er seine Klamotten zusammenglaubte. Es wäre so unhöflich und feige einfach so zu verschwinden. Auch wenn er die Telefonnummer des anderen hatte und eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen könnte, aber lieber wäre es ihm, wenn er sich richtig verabschieden könnte. Als er sich wieder auf das Bett setzte, um die Schuhe zu schnüren, regte sich Patrick in der Tat und stellte das Offensichtliche fest: „Du gehst.“ Frank nickte und ließ den Blick noch einmal über Patricks nackten Oberkörper streifen. Er könnte einfach wieder ins Bett steigen, in diesen warmen, wohligen Kokon. Patricks Arme um sich spüren einen feuchten Kuss, der zwischen seine Schulterblätter gedrückt wurde. Aber nein, er kannte Patrick nicht. Zwei One-Night-Stands, ein Blowjob in einem Hinterhof, das war kaum ein Fundament für eine Beziehung. Und er hatte ja gelernt, dass man besser nichts überstürzte, wenn man an einer Beziehung interessiert war. Oh ja, in dieser Hinsicht war Frank wohl vorsichtiger geworden. Ein gebranntes Kind scheute bekanntlich das Feuer. Er würde sich nie mehr Hals über Kopf verlieben. Er würde in Zukunft immer besonnen sein und daher würde er jetzt auch aufstehen und aus Patricks Leben schreiten. Mit hoch erhobenem Kopf und ohne einen einzigen schwermütigen Gedanken. „Danke, das hatte ich bitter nötig.“ Patrick grinste geschmeichelt, nickte langsam und legte den Kopf schräg: „Melde dich mal wieder.“ Damit klopfte er sich eines der Kissen auf und streckte sich auf der gesamten Breite der Matratze aus. „Du findest alleine raus?“ „Klar.“ Und dann ging er. Einfach so. Alexis wäre wahrhaftig stolz auf ihn. Während Frank wieder auf die andere Seite des Neckars wechselte, schaute er auf sein Handy. Vor zwei Stunden hatte ihm David die langersehnte SMS geschrieben. Sie war weg. Sehr gut! So dachte Frank zumindest bis er in der WG in ihrem – nein, Korrektur – in seinem Zimmer stand. Es war so leer. Hatte Bianca so viel ‚Zeug‘ mitgebracht und hatte er im Gegenzug so viel ausgeräumt und weggebracht, als sie eingezogen war? Es war doch zuvor nicht so kahl hier drin gewesen. „Oh.“ Und dieses Mal war diese Silbe eindeutig negativ konnotiert. Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte er sich so besonnen geben wollen und jetzt war dieser Vorsatz schon gebrochen. Nein, nicht wirklich, oder? Das konnte er doch besser. „Hey du!“ David kam ins Zimmer und drückte ihn. „Ich hoffe, es ist in Ordnung. Aber wir konnten dich ja nicht auf dem Boden schlafen lassen. Soll gar nicht gut fürs Kreuz sein.“ Richtig, dort wo Biancas Bett gestanden hatte, befand sich nun eines dieser sich selbst aufblasbaren Luftbetten, frisch bezogen, nebst Kopfkissen und dicker Bettdecke. „Danke.“ Frank war ehrlich gerührt. „Matze und ich saßen bei einem Prosecco im Hof und haben Bianca und ihrem Kerl zugesehen. Ich glaube, sie war fuchsteufelswild.“ „Gut so.“ „Ja, das ist die richtige Einstellung.“ David küsste ihn auf die Wange. „Du...“, er stockte, rückte etwas von ihm ab, grinste dann wissend und musterte ihn noch einmal von oben bis unten. „Hey, hey!“ Er pfiff leise durch die Zähne. Frank musste das Grinsen einfach erwidern. Er hatte nach seiner Nummer mit Patrick nicht geduscht, wahrscheinlich hatte ihn dies verraten. „Du hast...“ „Ja, ich bin... Ich bin sozusagen wieder in den Sattel gestiegen.“ Zumindest für ein paar Stunden. Doch heute Nacht würde er alleine sein auf diesem Luftbett in seinem halb leergeräumten Zimmer. Er würde es ertragen. 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