Hochzeitsglocken... von Gaomee (... auf Umwegen) ================================================================================ Kapitel 15: Das Grashüpfer-Date ------------------------------- „Okay …“ Ino atmete ein paar Mal durch und trug ihren pinken cremigen Lippenstift auf. Sie fand sich selbst echt unwiderstehlich mit dem auf ihren Lippen, musste sie sich eingestehen. Wann immer sie vor einem Spiegel saß und sich gerade frisch geschminkt hatte, konnte sie nicht anders als sich selbst Luftküsse zuzuwerfen und Kussmünder zu machen oder sich selbst zuzuzwinkern. Sie seufzte und erhob sich. Sie hatte sich entschlossen die Haare offen zu tragen und über ihrer schwarzen Leggings ein elegantes, weit in Falten fallendes Top zu tragen, das einen guten Ausblick auf ihr milchiges Dekolletee gab. Das war ihr Problem. Sie hatten sich zum „Abhängen“ verabredet und Ino tauchte als Diva auf. Aber sie konnte sich nicht helfen. Nachdem sie zur Kleidanprobe so abgewrackt erschienen war, hatte sie sich so schlecht gefühlt, dass ihr Ego einen Schub brauchte – Also hatte sie sich zurechtgemacht. Stirnrunzelnd dachte sie an das Telefonat zurück. Nachdem sie von der Anprobe heimgekehrt war, hatte sie erstmal eine Stunde verstreichen lassen, in der sie nur bange am Küchentisch saß und das Telefon vor sich anstarrte. Dann hatte sie Hinata angerufen und sie nach der Nummer gefragt und es gewagt. Er ging nur mit „Hm? Shino“ ans Telefon und sie wusste gar nicht so genau wie sie sich vorstellen sollte. „Hi, ich bin’s“, gab sie deshalb zum Besten. Er erkannte sie auch sofort erstaunlicherweise. „Ah … Ino.“ Sehr hilfreich war er nicht gewesen. Ganz im Gegenteil, hatte er sie hilflos stammelnd sich einen Weg durch das Gespräch suchen lassen. „Ich rufe an, weil es Abend ist.“ Pause. „Wegen dem … ’Rumhängen.“ „Ach ja.“ Ino hatte verzweifelt darauf gewartet, dass er irgendetwas vorschlug. Einen Bruchteil einer Sekunde hatte sie überlegt einfach damit herauszuplatzen und ihn „Welche Sexphantasie habe ich an dir ausgelebt? Die mit dem Pferd? Huh? Huh?!“ zu fragen, aber diese Idee hatte sie bald verworfen aus dem schlicht und ergreifenden Grund, dass sie es nicht über ihre Lippen brachte. Dreimal begann sie „Welche …?“ zu fragen und gab schließlich auf: Für „Welche Bars magst du denn so?“ entschied sie sich letzten Endes und hoffte, dass er auf die Sorte Bar stand, in die sonst niemand ging und sie dort somit auch keiner ihrer Freunde zusammen sehen konnte. Und jetzt saß sie wieder in ihrer Küche am selben Tisch, an dem er ihr heute Morgen gegenüber gesessen hatte und wartete auf ihn. Während sie so da saß und versuchte ihre frisch lackierten Nägel nicht abzukauen, fragte sie sich, ob Shino sie mochte. Im Prinzip war es eine dämliche Frage – Ino ging davon aus, dass jedes männliche Wesen sie mochte. Der Unterschied war, dass die Schwulen nur mit ihr befreundet sein wollten, wo hingegen die Heterosexuellen sie ins Bett kriegen wollten. Wenn man diese Theorie bis zu ihrem Ursprung verfolgte, dann musste man erkennen, dass Ino wirklich davon ausging, dass jeder sie mochte. Bei den Männern hatten wir ja bereits herausgefunden wie es funktionierte und bei Frauen war es ähnlich: Die Lesben wollten sie ins Bett kriegen und die Heterosexuellen wollten nur mit ihr befreundet sein. Auch für Kinder, die noch keine ausgeprägte sexuelle Ausrichtung hatten, hatte sie eine Erklärung, weshalb sie sie mögen sollten: Die zukünftigen Schwulen und die zukünftigen heterosexuellen Mädchen wollten später einmal so sein wie sie, wo hingegen die zukünftigen Lesben und heterosexuellen Jungen später einmal eine Freundin wie sie haben wollten. So sah Inos Weltanschauung aus und deshalb war es äußerst merkwürdig, dass sie sich fragen sollte, ob der Insektenliebhaber sie wohl mochte. Er war mit ihr nach Haus gekommen und offenbar hatte er auch mit ihr geschlafen – Da musste er sie doch ein wenig mögen, oder? (Davon abgesehen, dass sowieso jeder sie mochte.) Allerdings, musste Ino einräumen, mochte sie einen gewissen Anteil ihrer Sexpartner auch nicht wirklich. Sie fand, dass sie geil aussahen, aber sie mochte sie nicht unbedingt, das hieß sie wollte nicht mehr Zeit als nötig mit ihnen verbringen. Aber schließlich würden sie doch jetzt ’rumhängen, was eigentlich nur ein anderer Ausdruck für „unnötig Zeit miteinander verbringen“ war. Schließlich würden sie nicht mitten in der Bar miteinander schlafen … oder? Nein, bestimmt nicht. Da unterbrach ein Klingeln Inos seltsamen Gedankengang und sie sprang auf, schlüpfte in ihre Schuhe und die Jacke, griff ihre Handtasche im Vorbeigehen und öffnete die Tür. *** „Schon gespannt?“ Oh Gott, dachte Ino, gespannt auf was? „Ehm, klar. Aber passiert jetzt überhaupt etwas wahnsinnig Spannendes?“ Sie rückte auf dem bequemen Schalensitz hin und her und betrachtete ihren Fahrer. „Na ja, du sagtest doch, du wärst noch nie ins Tucura gegangen, oder?“ Ino schwante Böses. „Ach ja … Stimmt, das habe ich gesagt.“ Einer Eingebung folgend, erkundigte sie sich: „Was heißt Tucura eigentlich?“ „Ach, das ist lateinamerikanische Umgangssprache für Grashüpfer.“ Super, sie ging mit dem Insektenliebhaber, der sie möglicherweise mochte oder auch nicht mochte, in eine Bar namens „Grashüpfer“. Von außen sah es gar nicht so übel aus. Es lag etwas abseits der Stadtmitte und sie hatten leicht einen Parkplatz gekriegt. Man hatte versucht dem Grundgerüst ein mexikanisches Flair zu geben und zwar war es außen mit Holz vertäfelt mit einer Veranda und Saloontüren verziert. „Komm“, forderte Shino sie auf und als sie die Treppen zur Veranda hoch schritten, legte er seine Hand federleicht in ihr Kreuz, was Ino dazu veranlasste sich gerader aufzurichten. Wenn man durch die Saloontüren hindurch schritt, gelangte man erst in einen Eingangsbereich und dann erst weiter in den eigentlichen Schankraum. Beherrscht wurde der Raum von der langen Theke. Alles in dem Raum war aus dunklem Holz (bis auf die Gläser). Hier und da hatte man exotisch aussehende Pflanzen aufgestellt und entlang der Seiten befanden sich Séparées und im Innenraum waren Tische und Stühle aufgestellt. „Nett“, kommentierte Ino und lächelte gezwungen. Sie nahm eine Getränkekarte auf und schauderte. Hier konnte man Grashüpfer und Maden bestellen. Und das geschah gerade. Sie hörte ganz deutlich wie Shino zwei Grashüpfer bestellte. „Eh …“, wollte Ino einwenden, doch es war zu spät. Erstaunlicherweise bekam sie aber tatsächlich einen Grashüpfer und zwar nicht das Viech, sondern die Art von Grashüpfer, die Ino kannte. Ein milchiges Neongrünes Getränk in einem Cocktailglas. Wie dämlich starrte sie ihr Glas an, während Shino es sich schon einmal auf einem Barhocker gemütlich machte. „Was ist?“ „Alle diese Viecher …“ Sie zeigte demonstrativ auf die Karte, die sie noch immer in Händen hielt. „…sind alles Getränke?“ „Yup.“ Shino schien verwirrt. „Was hast du denn gedacht? Dass man seine Cocktails hier aus Insekten zusammen mischen lassen kann?“ Hmm … Vielleicht ein bisschen, lenkte Ino in Gedanken ein und positionierte ihren niedlichen Hintern auf einem der Barhocker und trank ihren Grashüpfer. „Und kommen hier öfters Leute hin?“ Shino blickte sie unwissend an. „Keine Ahnung, ich hab’ die Adresse von Tenten.“ Also ja, dachte Ino verzweifelt. Hoffentlich nicht heute Nacht. Etwa zwei Stunden lang wurde sie verschont, ließ sich einen Cocktail nach dem nächsten spendieren und stellte sich sowieso total dämlich dabei an ein Gespräch in Gang zu bringen, in dem sie relativ unauffällig nach Pferdephantasien fragen konnte. Ihre ersten Versuche waren die schlimmsten: „Magst du Pferde?“ „Klar“, zuckte er mit der Schulter, aber es klang nicht überzeugend. „Ich wette, du magst Insekten lieber“, vermutete Ino und klimperte mit ihren langen schwarzen Wimpern. „Auf jeden Fall.“ Diesmal klang es ehrlich. „Sagen wir ’mal, du würdest Pferde genauso mögen wie Insekten. Wie sehr würdest du sie mögen?“ „Uhm … sehr?“, fragte er verzweifelnd und bestellte sich noch einen Drink. „Ja, aber … “ Ino machte ein paar wage Gesten. „Wie steht es mit ... na ja … Würdest du dann nicht gerne mit Pferden? – Wie sieht eigentlich dein Sexleben aus? Ich meine, könntest du dir Pferde in deinem Sexleben vorstellen?“ Sie versuchte ganz unschuldig zu klingen, was aber das Gegenteilige bewirkte. „Entschuldige, Ino, aber … reden wir hier von Sodomie?“ „Was?“ Ino sah ganz überrascht aus, dann begann sie wie verrückt den Kopf zu schütteln. „Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein … nein.“ Sie räusperte sich verlegen und nippte an ihrem Drink. Den nächsten Versuch startete sie, indem sie nicht mit dem Tier begann, sondern mit dem Wort Phantasie. „Liest du gern Phantastisches?“ „Liest du gern Phantastisches?“, stellte er eine Gegenfrage. „Ohh, ja klar“, versicherte Ino lachend und machte eine wegwerfende Geste. „Klar, ich steh’ voll auf Fantasy.“ „Achso, ja, ich … auch“, gab er etwas zögerlich von sich, aber er nickte zur Bekräftigung. „Ja? Cool! Was würdest du denn so schreiben, wenn du’s selber schreiben müsstest?“ „Ehh … Abenteuer … und … “ Man konnte förmlich sehen wie sein Hirn arbeitete. „… Orks?“ Statt zu merken, dass Shino noch nie in seinem Leben einen Fantasy-Roman gelesen hatte, verfolgte sie ihren Suizidplan einfach. „Achso, Orks?“ Oh Gott, beinah hätte sie gefragt, ob er nicht auch über Pferde schreiben würde, aber das konnte sie jetzt nicht schon wieder bringen! „Ach ja und du hattest noch nie andere Phantasien ... außer Orks?“ Shino zog die Stirn kraus und betrachtete sie unsicher. „Reden wir hier noch über dasselbe?“ „Natürlich. Natürlich!“, bekräftigte Ino und machte eine Geste, dass er ruhig weiterreden sollte. „Was anderes als Orks, ja?“ „Ja.“ „… Elfen?“ Er sah sehr verunsichert aus. „Achso … Und wie sieht’s aus mit Rotkäppchen?“ Seit einer Weile hegte Ino diese Phantasie, dass sie Rotkäppchen sein wollte, um von dem großen bösen Wolf im Bett ihrer Großmutter überfallen zu werden. „Rotkäppchen?“ Shino lachte. „Ich glaube, das sind Märchen, keine Fantasy-Geschichten.“ „Ach, du hast bestimmt Recht … “, stimmte Ino ihm zähneknirschend zu. Machte er sich über sie lustig? Wusste er die ganze Zeit, worum es ging? Erinnerte er sich klammheimlich daran und lachte sie aus, weil sie versuchte es ihm zu entlocken und er genau wusste, dass sie sich nicht erinnern konnte? Grr …, grollte sie innerlich. Sie war gerade dabei sich eine neue Strategie auszudenken als die still im Hintergrund laufende Musik plötzlich aufgedreht wurde. Sie wusste es noch nicht, doch ihre Verschonungsphase war vorbei. Die Kneipe war ein wenig voller geworden und plötzlich wurden einige der Tische zur Seite geschoben und Stühle wurden gerückt und einige Pärchen begannen in der Mitte des Raumes Salsa zu tanzen. Plötzlich wurde sie von ihrem Barhocker gerissen. Allerdings waren die Arme, die sich um sie schlossen nicht die Shinos, sondern Kibas. „Hey, Süße, was machst du denn hier?“ Er zog sie auf die Tanzfläche und begann mit ihr zu tanzen. Abwesend bewegte Ino sich zur Musik und versuchte über ihre Schulter zurück zur Theke zu blicken, wo sie Shino suchte. „Hey … “ Er drehte ihr Kinn mit dem Zeigefinger und Daumen wieder in seine Richtung. „Was?“ „Was machst du hier?“, wollte er noch einmal wissen. „Ich bin mit jemandem hier“, erklärte sie wage. „Aha, der muss aber eine Memme sein, dass der dich einfach so mit mir auf die Tanzfläche lässt.“ Er grinste und zog sie noch ein bisschen enger an sich. Hatte er seinen Teamkameraden denn nicht gesehen? „Eh, hör zu, Kiba? Heute hab’ ich echt keine Zeit …“ Sie lächelte ihn an und hob die Schultern bedauernd. „Du weißt – Sonst immer gern, aber heute Abend hab’ ich ’was zu erledigen.“ Abrupt blieb er stehen. „Hä?“ Wie sollte sie ihm das erklären? „Ich bin heute einfach mit wem anderes hier“, stellte sie klar und als Kiba immer noch zweifelhaft dreinschaute, wurde sie langsam wütend. Sie brauchte wirklich keine Erklärung abzugeben, wenn sie nicht mit ihm tanzen wollte. Wenn sie nicht wollte, wollte sie nicht. Basta. Sie machte sich von ihm los und ging zurück zur Theke. Normalerweise ging sie unglaublich gern mit Kiba aus – Er sah gut aus, war extrovertiert und konnte verdammt gut Party machen. Mit ihm hatte man immer Spaß, doch gerade wollte sie etwas herausfinden! „Ihr Begleiter ist gerade gegangen.“ Ino wirbelte herum. „Was?“ Der Bartender warf ihr ein strahlendes Lächeln zu. „Aber ich könnte dir auch ein paar Drinks spendieren.“ „Tut mir leid!“, herrschte Ino theatralisch „Du kannst mir nicht geben, was er mir geben kann!“ und stürmte aus der Kneipe. Nicht nur der Barkeeper blieb verdutzt zurück. Kiba stand auch wie angewurzelt allein am Rande der Tanzfläche und wusste natürlich nicht, wie Ino ihre Worte tatsächlich gemeint hatte. Er hatte sehr wohl gesehen, dass es Shino war, der an der Bar saß, aber er hatte nicht einen Gedanken daran verschwendet, ob es gerecht war Shino sein Date wegzunehmen. Shino war einfach niemand, dem Mädchen wichtig waren. Kiba hingegen war jemand, bei dem Mädchen fast auf selber Höhe mit Hunden waren und das hieß schon etwas. Daher konnte er auch nicht glauben, dass es zwischen Ino und seinem Kumpel so ernst war. Du kannst mir nicht geben, was er mir geben kann! Was war denn so besonders an Shino, fragte er sich. Er schämte sich nicht besonders dafür seinen Kumpel ausrangieren zu wollen, denn schließlich war Ino sein Date. Shino war einfach nicht ihr Typ! Vergrollt stampfte er ihr hinterher. *** Erst versuchte sie es beim Auto und hoffte, dass er nicht einfach weggefahren war. Allerdings könnte sie dann trotzdem noch mit Kiba nach Hause fahren. Trotzdem war sie erleichtert als sie sah, dass es noch dort stand, wo sie es zuletzt gesehen hatte. Allerdings wusste sie jetzt nicht mehr, wo sie weiter suchen sollte. Glücklicherweise war das Schicksal ihr für einen Augenblick gnädig und sie hörte eine Stimme hinter sich: „Keine Sorge, ich bin nicht ohne dich gefahren.“ „Huch!“ Überrascht fuhr Ino herum. „Ich hab dich gar nicht gesehen!“ „Ich glaube, du siehst sehr viele Dinge nicht“, schmunzelte er und kam auf sie zu. Sie roch schon den ganzen Abend so gut. Sein ganzer Wagen war wahrscheinlich von diesem Duft erfüllt und er freute sich schon auf das Fahren die nächsten paar Tage. Ihre zierliche Nase kräuselte sich. „Was willst du damit sagen?“ Sie verschränkte die Arme und sah ihn abwartend an. Er nahm es als Einladung noch einen Schritt auf sie zu zutun. „Damit möchte ich sagen, dass mit dir alles zum Hintergrund wird.“ Er hob eine Hand und strich eine Strähne aus ihrem verwirrten Gesicht. Sie war sich nämlich nicht ganz sicher wie sie das aufzufassen hatte, traute sich aber nicht einfach danach zu fragen. Er stand jetzt so dicht bei ihr, dass sie sich nur auf die Zehenspitzen hätte stellen müssen, um seine mit ihrer Nase anstupsen zu können. „Meinst du, dass ich … egozentrisch bin?“, fragte sie auf der Hut. Das meinten nämlich wirklich viele Leute und vielleicht, nur vielleicht, musste Ino einräumen, war auch ein Fünkchen Wahrheit darin. „Nein“, antwortete er jedoch. „Ich meine damit, dass sich alles andere auf dich zentriert, sobald du einen Raum betrittst.“ Er sah nicht so aus als würde er lügen, aber vielleicht war er auch nur ein guter Lügner. Da sie spürte, dass sie jetzt nicht mehr befangen war, stellte sie die pressende Frage rundheraus: „Warum war es dir so peinlich als ich mich nach dem Sex erkundigt habe?“ Sie hatte ihre Arme mittlerweile wieder entschränkt und stemmte ihre Hände lieber auf ihre Hüften. „Na?“ Sie legte fordernd den Kopf schief. Er schien zu zögern und abzuwägen. Als er endlich sprach, wusste Ino nicht, wofür er sich entschieden hatte. „Mir war es ein wenig peinlich …“ Die Sonne war bereits untergegangen und sie standen im Dunkeln neben seinem silbernen Wagen. „…weil ich gar nicht mit dir geschlafen habe und das ist die Wahrheit“, gestand er schließlich. Stattdessen hatte er sie die ganze Nacht beim Schlafen beobachtet, neben ihr gelegen und ihr Haar und ihre Wangen gestreichelt und das war für einen Kerl nun mal etwas Peinliches. „Warum hast gelogen?“ „Ich dachte wohl … “ Er überlegte noch, während er sprach. „… dass es dann vorbei wäre.“ Inos Gedanken zentrierten sich plötzlich um eine bestimmte Vermutung: „Du hast mit Absicht gelogen, weil du dachtest, dass ich dann noch einmal mit dir ausgehe?“ Nein, dass du überhaupt mit mir ausgehst. Mich auf der Junggesellinnenparty deiner Chefin anzumachen zählt nicht als Date. „Ja“, sagte er allerdings – Und kassierte einen Faustschlag in die Magengrube. „Uff“, ging ihm die Puste aus und er umschlang den Bauch mit beiden Armen. Weil er sich etwas nach vorn beugte, wich Ino etwas zurück bis sie an seinem Wagen lehnte. Süß war es schon, krakeelte plötzlich ein unliebsamer Gedanke hinter ihrer Stirn. Nein, war es nicht, schnaubte Ino zurück, doch der Gedanke ließ sich nicht beirren. Er ist sowieso sehr süß, fing er schon wieder an. Du willst ihm schon den ganzen Abend diese dämliche Sonnenbrille herunterreißen, fuhr er fort. Nein, dachte Ino, geriet aber bereits ins Schwanken. Ich beweis es dir, schlug sie dem Gedanken vor und nahm dem sich gerade wieder aufrichtendem Shino die dunkle Brille ab. Da waren sie – Diese wunderschönen, dunklen Augen, die ihr das Atmen schwer machten. Siehst du, schluchzte sie innerlich. Ich fühle gar nichts. Klar, machte der Gedanke ironisch und befahl ihrem rechten Arm sich zu heben und seine Hand auf Shinos Brust zu platzieren. Ino wusste gar nicht so recht wie ihr geschah als alles zusammenkam. Erst sein unglaublich heißer Körper, dann seine Augen und zum Schluss die Tatsache, dass sie wohl nackt zusammen in einem Zimmer gewesen waren und er nicht mit ihr geschlafen hatte. All das kam zusammen und veränderte ihr ganzes Weltbild. Plötzlich gab es noch eine Kategorie mehr als nur Homosexuelle und Heterosexuelle, die sie entweder nur ins Bett kriegen wollten oder nur mit ihr befreundet sein wollten. Shino gehörte zu der Kategorie, die anscheinend ... ja was? Beides wollte? Er hatte zwar nicht mit ihr geschlafen, wollte dennoch Zeit mit ihr verbringen, aber als er sie im nächsten Moment küsste war sie sich ziemlich sicher, dass er nicht nur Freunde sein wollte. Er hatte ihre schmale Hand ergriffen und sie an seinen Wagen gedrängt. Zögerlich näherte er sich ihr, seine Lippen hielten bereits auf ihre zu, trauten sich jedoch nicht ganz, aber Ino überbrückte die paar Zentimeter mit ihren eigenen und kostete das Gefühl aus, denn schließlich konnte sie sich an ihren ersten Kuss beinah nicht mehr erinnern. (Außerdem hatte sie sich direkt danach auf die Fresse gelegt.) Er folgte den Kurven der Seite ihres Körpers mit den Fingern und sie legte ihren freien Arm um seinen Hals und ein Bein schob sie an ihm hoch. Als er sich kurz von ihr löste, um ihr in die Augen zu sehen, fragte sie: „Wusstest du, dass ich ein paar schräge Phantasien habe?“ „Ich kann’s mir denken … Rotkäppchen und Pferde?“ „Ohh ja.“ Er lehnte seine Stirn an ihre. „Mit dir ist bestimmt jeder Tag ein Abenteuer.“ „Allerdings“, nuschelte sie, bevor sie seinen Hals küsste. Plötzlich riss sich Shino von ihr los und erbost keuchte sie: „Hey!“ Doch dann erblickte sie auch den Grund für sein Handeln. Kiba kam schnaubend die Straße herunter. „Ich hab’ Ewigkeiten gebraucht, um euch zu finden!“, schrie er. „Wie kannst du mir einfach die Freundin ausspannen?!“ Er warf anklagend die Hände in die Luft. „Tut mir Leid“, entschuldigte Shino sich, fügte in Gedanken aber hinzu, dass Kiba noch viele andere Mädchen mochte, er hingegen nur dieses eine. „Moment!“ Das war Ino, die sich zornig einmischte. Mit einem imposant lackierten Zeigefinger tippte sie Kiba ein paar Mal auf die Brust. „Freundin? Seit wann bin ich denn deine Freundin? Das ist mir Neu. Jetzt verpiss dich, bevor ich dir in die Eier trete.“ „Whowhowhow …“, machte er. „Immer mit der Ruhe.“ „Nee, glaub nicht.“ Ino schüttelte ihren Kopf, sodass ihr Haar nur so flog und hatte gar keine Lust auf Ruhe. „Shino, ins Auto! Wir fahren!“ Er war noch nie genug von einer Frau beachtet worden, um von einer herumkommandiert zu werden (Jedenfalls nicht, wenn er nicht gerade in einem Feuerwehrkostüm steckte). Er kostete das Gefühl aus, während er um seinen Wagen herumging und einstieg. Mit einem letzten dramatischen Blick in Kibas Richtung setzte auch Ino sich in den Wagen und sie fuhren von dannen. „Unfassbar“, lachte Kiba, versuchte seine Demütigung zu überspielen und rief eine seiner anderen Mädchen an. *** Im Auto leckte sie sich über die Lippen und sah Shino schließlich an. „Ich bin niemandes Eigentum.“ „Schon klar.“ „Und ich bin auch nicht der Freundinnentyp.“ „Verstanden“, nickte er resolut. „Kommst du gleich mit ’rein?“ „Natürlich.“ Sie lächelte. 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