Himmelsschlacht von Momotaro ================================================================================ Kapitel 3: Hüftschwung ---------------------- Die Brüste wogten mit einem wahnsinnig übertriebenen Hüftschwung hinter Hana her, als sie an der Kathedrale vorbei auf einen neueren Teil der Stadt zuhielt. Hanas Wohnung war klein, aber da sie so gut wie keine Sachgüter hatte, trotzdem geräumig. „Nichtmal ein Kleiderständer...“, stellte die fremde Frau in Leder ungläubig fest. Hana warf ihren Schal in die von ihr dafür vorgesehene – und extra besonders frei gelassene – Ecke. Sie fragte: „Tee?“ und warf ihre Schuhe in eine andere Richtung fort. Die Fremde lächelte charmant. „Das wäre nett, danke. Bad?“ „Ist dort.“ Hana deutete auf die Tür gleich hinter dem Bereich des Vorraums, der bereits Küche war. „Sehr schön.“ Hana füllte den Topf mit Wasser und holte sich schon im selben Handgriff den Schnaps vom obersten Regalbrett runter. Achtlos stürzte sie das erste Stamperl direkt in die Kehle, atmete tief durch und wartete auf die wohlig warme Gedankenlosigkeit. Dann drehte sie den Herd auf. . Hana wachte auf. Der Kopf fühlte sich an wie mit Helium gefüllt. Die Zunge war pelzig. Unwillig drehte sich Hana zur Seite. Blinzelte und sah mitten in ein fremdes Frauengesicht... Im ersten Moment befürchtete sie das Schlimmste. Verkatert neben fremden Frauen aufzuwachen ist eine Zeit lang der prägendste Moment ihres Lebenswandels gewesen. Zum Glück geruhte die eine oder andere Erinnerung träge zurückzukehren. Richtig, der Greif mit dem abgehackten Kopf. Der Schnee aus Federn. Die Frau mit dem fetten Busen. Der Abend, an dem die ganze Welt ihren Sinn für Realität verloren hatte. Oder ist es nur Hana gewesen, die durchgedreht war? Die Fremde murmelte, noch mit geschlossenen Augen: „Morgen, Herzchen.“ Hana antwortete gedankenlos: „Morgen.“ Angewidert drehte sich die Fremde weg. „Uuh, Kind, du solltest deinen Alkoholkonsum unter Kontrolle bringen.“ „Verzeihung.“ Hana setzte sich auf, wartete, bis ihr zum Bersten voller Kopf zu schwanken aufgehört hatte, und betrachtete schließlich den sonnenüberfluteten Wohnraum, in dem ihre Schlafcouch stand – ein eigenes Schlafzimmer besaß die Wohnung nicht. Am Esstisch stand ein Heferl mit ausgelutschtem Teebeutel. Ah ja... Über dem Sessel hing die schwarze Lederkluft der Fremden. Hana schielte kurz auf die Decke herab, unter der sich die Beischläferin schamlos streckte. Vermutlich nackt. Hana sprang aus dem Bett, als ob die Matratze glühende Lava wäre. Zur Erklärung murmelte sie: „Kaffee.“ „Für mich bitte auch!“, rief ihr die Fremde nach. Sie saßen sich am Esstisch gegenüber, jede eine volle Tasse Kaffee vor sich. Und die Fremde meinte: „Welchem Clan du wohl entstammst...“, nachdenklich, vermutlich mehr an sich selbst gerichtet als an Hana. Sie trug ein ärmelloses Leiberl in ausgewaschenem Grau und ihre Unterhose und aus. Mehr nicht. Die langen schwarzen Haare, am vorigen Tag noch zu einem Zopf gebunden, hingen ihr offen über die Schultern herab bis zum Bauchnabel. Ihr schmales Gesicht war auf edle Weise schön, nicht süß wie das eines Kindes, sondern fein geschnitten, mit klaren, geraden Linien, und makellos wie das einer Puppe. Bleiche Sommersprossen zogen sich von Wange zu Wange. Die Nase war schmal, ihr Rücken leicht nach oben gebogen. Die Augen gruslig hell, blaugrau wie Nebelschwaden. „Zu welchem Clan du wohl gehörst!“, wiederholte die Fremde, deutlich lauter, als ob es eine Frage gewesen wäre und Hana versäumt hätte, zu antworten. Also stellte Hana die nähere Betrachtung ihres Gegenübers ein und sah fragend in die nebeligen Augen. „Mein Familienname?“, versicherte sie sich. „Nein, der Clan.“, verbesserte die Fremde, merklich ungeduldig. Lange Erklärungen waren wohl nicht ihr Fall. Hana dachte darüber nach, mit ihrem heliumgefüllten Kopf. „...Der Clan...“ „Ja, der Clan.“, bestätigte die Fremde: „Ists dir etwa peinlich? Sinds die Runenpfuscher, dann versteh ichs.“ Sie kicherte spöttisch. Hana konnte sie bloß verständnislos anglotzen. Welche Runenpfuscher? „Na, du bist doch auch ein Dunkelahn.“, versuchte die Frau ihr auf die Sprünge zu helfen: „Nicht wahr? ...Schwester?“ Das läutete alles keine Glocke in Hana. Die Miene blieb ahnungslos. Die Fremde seufzte. „Na gut... Ich weiß ja nicht, warum du mir dieses Theater vorspielst...“ Sie betrachtete Hana misstrauisch, doch auch diesbetreffend konnte Hana nicht weiterhelfen. „..., obwohl klar ist, dass du Teil der Schwesternschaft bist. Warum wäre sonst das Nachthemdwesen so auf dich angesprungen?“ Hana beschloss, etwas Vertrautes in das einseitige Gespräch einfließen zu lassen. „Ist der Kaffee süß genug?“ Die Fremde zeigte sich unkooperativ. „Was hat denn das damit zu tun?“ „Weil Sie ihn noch gar nicht gekostet haben.“ „Ich trink ihn ohne Zucker.“ „Oh, oh...“ „Oh, oh?“, wiederholte die Fremde fragend. Dann begriff sie und schob die Tasse leicht von sich weg. „Das konntest du ja nicht wissen, Schätzchen.“ Sie rieb sich kurz die Stirn, wie um inneren Stress abzubauen, und fragte: „Entschuldige bitte meine Unverfrorenheit, aber dürfte ich kurz das dritte Auge auf dich anwenden?“ Hana nickte bloß. Wenn es dazu beitrug, dass die unverständlichen Vorwürfe aufhörten, war ihr das mehr als recht, egal, um was es sich dabei handelte. Die Frau streckte die Hand nach Hana aus. Darin, in der Handfläche, öffnete sich ein Spalt – oh nein, drittes Auge war doch nicht gut – wurde größer – Hanas instabiler Kopf wollte nach hinten wegkippen – tatsächlich, dort, in der Hand, öffnete sich ein drittes Auge! Blinzelte. Sah rasch, irritiert, nach links, rechts, entdeckte Hana und fixierte eigentümlich entschlossen ihre Stirn. Die Pupille wurde eng, als ob das Ding in ein blendend helles Licht sehen würde... Eine Feuerbrunst fuhr durch den Heliumkopf, der sich aufblähte, dann, beinah hastig, zusammenzog und schließlich irgendwo zwischen den Extremen wobbelnd endete. Hana stiegen die Tränen in die Augen. In denen, schwarzweiß, ein uralt wirkender, mit Staub und Kratzern verunreinigter Filmstreifen abzulaufen begann. Ein riesiger Sessel, wie ein Thron. Darauf ein Zepter, an das sich eine Hand klammerte. Eine abgetrennte Hand. Darüber baumelte der Rest der Frau, aufgeknüpft an einem langen Seil. Der Armstumpf blutete noch. Als Hana wieder zu sich fand, merkte sie, dass sie wie am Spieß schrie. Sie hörte auf. Die Frau ihr gegenüber entfernte die Zeigefinger aus den eigenen Ohren, atmete tief durch und meinte: „Viel besser...“ Hana erhob sich mühsam von ihrem Stuhl. Die vergangenen Momente hatten sie scheinbar um Jahrzehnte altern lassen. Zur Erklärung meinte sie: „Darauf ein Schnäpschen.“ Die schmale, feingliedrige Hand schloss sich um Hanas Arm. Die unheimlich hellen Augen blickten tief und eindringlich in Hanas geröteten, unangenehm kratzenden Welchen. Die tiefe, tragende Stimme meinte: „Jetzt nicht.“ Unkonzentriert antwortete Hana: „Genau jetzt will ich aber.“ „Du solltest lieber klar bleiben, Schätzchen.“, riet die Frau. „Werden.“, besserte Hana sie aus. „Vertrau mir.“, ging die Frau darüber hinweg: „Du brauchst bald jedes Fitzelchen Geistesgegenwart, das du zustande bringen kannst.“ „Zuviel Klarheit hat sich noch nie ausgezahlt.“, widersprach Hana und wollte sich losmachen. Die Fremde meinte: „Tu's deiner Mutter zuliebe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)