Idyllisches Inferno von Varlet (Das Ende der schwarzen Organisation) ================================================================================ Kapitel 19: Fallentwicklung --------------------------- Kogoro blickte auf seinen Notizzettel. Er hatte wirklich keine gute Handschrift, aber man konnte es noch erkennen. Außerdem erinnerte er sich noch an das, was Ran ihm erzählte. Als Detektiv musste er sich die Begebenheiten merken und sie schnell interpretieren. Er hoffte, dass er diesmal einen Erfolg zu verbuchen hatte, zumal er schon bei der Einladung seines Mandanten versagte und auch bei der Suche nach der jungen Frau. Kogoro stand von seinem Platz auf, als sein Telefon klingelte. Sofort nahm er ab. „Kogoro Mori, Meisterdetektiv.“ „Suguru Miyano“, fing Gin an. „Ich habe meine Schwester gefunden. Sie werden nicht mehr gebraucht.” „Sie haben Sie gefunden?“, wollte Mori wissen. Er war überrascht und ließ sich zurück in seinen Stuhl fallen. Wenigstens diesen Auftrag wollte er alleine fertig stellen. Doch das konnte er nun vergessen. „Das habe ich doch gerade gesagt“, entgegnete der Mann in Schwarz. „Das war’s für Sie.“ „In Ordnung“, nickte der Detektiv. „Ich werde Ihnen die Rechnung zuschicken.“ Gin lachte auf. „Rechnung? Sie haben doch gar nichts getan…“ „Ich muss doch sehr bitten. Ich habe lange nach ihr gesucht und alle möglichen Labore angefragt“, warf Kogoro ein. „Und wenn schon“, gab Gin knapp von sich und legte einfach auf. „Jetzt hören…“ Kogoro stockte. Er hörte nur noch das Tuten. „Das darf doch nicht wahr sein“, meinte er darauf. Der Detektiv suchte das Bild von dem Mädchen und sah auf die Rückseite. Dann wählte er die Nummer. Die gewünschte Rufnummer ist zurzeit nicht belegt…. Er versuchte es noch einmal, aber auch da kam die gleiche Durchsage. Kogoro knüllte das Bild zusammen und warf er auf seinen Tisch. „Na super“, knurrte er leise. Kaum erinnerte sich Conan wieder an alles, verlor er den Auftrag. Aber nicht nur das, der Klient weigerte sich zu zahlen. Aber nicht mit ihm. Der Detektiv nahm das zerknüllte Foto und stand wieder auf. Er ging aus der Detektei und lief die Treppen nach unten. Er war nicht blöd und hatte noch ein Ass im Ärmel. Wenn sie nicht zahlen wollten, konnte er auch anders. Kogoro entknüllte das Bild und sah auf die Adresse der Rückseite. Kogoro sah an der Fassade des Gebäudes hoch. Es war ein leerer Bürokomplex, der gerade erst gebaut wurde. Um ihn herum waren die Bauarbeiter am Arbeiten und setzten die nächsten Steine. Mori war schockiert. Die ganze Zeit über wurde er an der Nase herum geführt und hatte dabei noch mitgemacht. Diese Männer nahmen ihn aufs Korn und wollten seine Dienste umsonst in Anspruch nehmen. Er ballte die Faust. Sie würden ihn kennen lernen, sobald er sie das nächste Mal zu Gesicht bekam. Aber es war nicht heute. Heute musste er sich noch um eine andere Kleinigkeit kümmern. Mit schnellen Schritten ging der Detektiv zum Polizeipräsidium. Sofort suchte er das Archiv auf. Doch auch hier ging einiges schief. Kogoro kam nicht so einfach an die Akten, wie er dachte. Er brauchte entweder die Erlaubnis eins Vorgesetzten oder ein Polizist musste für ihn suchen. Wütend stampfte Kogoro nach oben ins Morddezernat. Dort kannte er wenigstens noch Personen, die die Akte suchen würden. Zumindest war er sich sicher, dass diese seiner Bitte nichts entgegen zu bringen hatten. Mori trat durch die Tür und sah die vielen Polizisten bei der Arbeit. Er sah sich um, entdeckte aber nicht den einen, nach dem er suchte. „Ist Inspektor Megure da?“, wollte er von einem Polizisten wissen, der gerade an ihm vorbei lief. Dieser schüttelte den Kopf. „Heute ist sein freier Tag. Aber vielleicht kann ich Ihnen weiter helfen.“ „Nein danke“, murmelte Kogoro. „Inspektor Takagi?“ „Dort hinten am Schreibtisch.“ „Danke“, entgegnete Mori und suchte den jungen Inspektor auf. „Inspektor Takagi?“ „Oh, Herr Mori“, lächelte der junge Mann. „Kann ich Ihnen helfen?“ „Das können Sie“, nickte der Detektiv. „Ich brauche eine Akte aus dem Archiv.“ „Aber die können Sie sich doch einfach holen“, warf er ein. „Nur, wenn sie dem Morddezernat zugeordnet wird. Andererseits brauch ich entweder einen Inspektor, der mir die Erlaubnis gibt oder einen Polizisten, der sie holt“, entgegnete er. „Oh…ja, das ist wahr“, murmelte Takagi. „Vielleicht könnten Sie nach der Akte suchen…“, schlug er vor. Takagi nickte. „Natürlich. Sagen Sie mir nur, welche Sie brauchen.“ „Es geht um einen gewissen…“, Kogoro zog den Zettel hervor. „Shuichi Akai, der bei einem Autounfall vor einigen Wochen ums Leben kam.“ „Haben Sie noch mehr Informationen?“ Mori schüttelte den Kopf. „Außer Ihnen hilft das Alter von 28 oder 29 Jahren weiter.“ „Eher weniger. Aber ich werde sehen, was sich machen lässt“, meinte Takagi. „Danke. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich gerne mitkommen.“ „Natürlich“, nickte der Inspektor. „Guten Tag.“ Takagi blickte sich um. „Oh hallo, Inspektorin Sato.“ „Geht es um einen Fall?“, wollte die junge Frau wissen. „Indirekt ja“, entgegnete Kogoro. „Möchten Sie uns darüber aufklären? Sie verlangen hier eine Akte, die scheinbar abgeschlossen wurde und nicht zum Morddezernat gehört. Oder vermuten Sie hinter dem Autounfall einen Mordanschlag?“, wollte sie wissen. Kogoro blickte sie an. „Das glaube ich eher weniger. Das ist kein richtiger Auftrag, es ist nur eine Bitte von meiner Tochter. Der gesuchte Mann ist der Bruder einer Freundin von Ran. Sie meinte, sie hätte keine Informationen über seinen Tod. Aus dem Grund hab ich mich dem Fall angenommen und werd ihr die Akte zeigen, damit sie damit abschließen kann.“ „Sie wissen, dass das eigentlich nicht erlaubt ist?“, wollte Miwako von ihm wissen. „Ich dachte, Sie könnten diesmal eine kleine Ausnahme machen, immerhin hab ich ziemlich viele Fälle für Sie gelöst.“ Takagi blickte zu seiner Kollegin. „Was meinst du? Ich würde es machen.“ „Von mir aus“, entgegnete die Inspektorin. „Takagi, du gehst nach unten und holst die Akte.“ Sie wandte sich an den Detektiv. „In der Zwischenzeit würde ich mich gerne mit Ihnen unterhalten.“ Takagi nickte und ging aus dem Raum heraus. „Um was geht es?“, wollte Kogoro von Miwako wissen. „Setzen wir uns doch zuerst“, sprach sie und wies auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Dann setzte auch sie sich. „Ich habe mir vor kurzem ein paar Akten von Ihren Fällen angesehen“, fing sie an. Kogoro nickte. „Dann wissen Sie ja, wie viele Fälle ich bisher erfolgreich gelöst hab.“ „Das weiß ich“, entgegnete sie. „Aber darum geht es mir nicht.“ „Nicht?“ „Mir ist aufgefallen, dass Sie erfolgreich wurden, nachdem Sie Conan bei sich aufnahmen.“ Der Detektiv stimmte zu. „Er war mein Glücksbringer.“ „Allerdings war er bei jedem Ihrer Fälle da.“ „Er wohnt ja auch bei mir. Ich kann ihn schließlich nicht alleine zu Hause lassen“, warf Kogoro ein. Alleine Ran hätte ihm den Kopf dafür abgerissen. „Aber was ist mit Ihrer Art, wie Sie die Fälle lösen?“ „Was soll damit sein?“, wollte er wissen. „Ich finde immer den Täter.“ „Aber wissen Sie auch wie? Sie beschuldigen zuerst immer einen Anderen…“ „Das mach ich immer. So arbeite ich. Ich gebe dem Täter das Gefühl, als hätte ich ihn nicht durchschaut und direkt danach erläutere ich, wer der wahre Täter ist.“ „Hmm…“ „Die Antwort scheint sie ja nicht gerade zu erfreuen.“ „Es ist nur, dass ich einige Ungereimtheiten fand.“ „Die da wären?“, wollte Mori wissen. „Mir wurde erzählt, dass Sie bei jedem Fall den kleinen Conan anschreien und ihn vom Tatort weg bringen wollen. Bei ihren sämtlichen Schlussfolgerungen lassen Sie aber genau ihn irgendwas vorzeigen.“ „Na und? Daran ist doch nichts Schlimmes. Ich möchte eben nicht, dass er irgendwelche Beweise anfässt oder irgendwas durcheinander bringt.“ „Sind Sie sich sicher, dass es nur das ist?“ „Natürlich. Was wollen Sie mir eigentlich vorwerfen?“, kam es von ihm. Kogoro wurde ein wenig lauter. „Bitte beruhigen Sie sich doch.“ Miwako sah kurz zu den anderen Kollegen und wandte sich dann wieder an Mori. „Natürlich will ich Ihnen nichts vorwerfen. Mir ist nur aufgefallen, dass es jedes Mal nach dem gleichen Muster vorgeht. Außerdem wurde ihre Art und Weise einen Fall zu lösen bereits von Sonoko Suzuki und Kommissar Yamamura nachgeahmt. Jedes Mal war Conan mit vor Ort.“ „Hmm“, murmelte Kogoro. „Sie sind eben Fans von mir“, fügte er an. „Deswegen machen sie mich nach und nehmen Conan dabei mit.“ „Herr Mori…ich weiß, es ist nicht gerade einfach. Allerdings…müssen Sie doch zugeben, dass das ein wenig merkwürdig ist“, fing Miwako an. „Wir wollen Ihnen natürlich nichts vorwerfen. Wir wollen nur mit Ihnen zusammen arbeiten um die Wahrheit heraus zu finden.“ Kogoro seufzte auf. „Sie geben ja sonst keine Ruhe…“ „Ist Ihnen bei Ihren Fällen irgendwas aufgefallen?“ Kogoro dachte nach. Dann schüttelte er den Kopf. „Nein, nichts“, sprach er. „Wir haben uns bereits überlegt, ob nicht Conan die ganzen Fälle löst und Ihnen die richtige Lösung erzählt.“ „Wieso sollte er?“, kam es von dem Detektiv skeptisch. „Das ist doch Unsinn.“ „Wir können uns das Ganze auch nicht erklären. Auf einigen Bildern, die während Ihren Ausführungen geschossen wurden, konnten wir erkennen, dass Conan die meiste Zeit über hinter Ihnen steht.“ „Hmm…“, murmelte Kogoro. Er seufzte leise auf. „Herr Mori?“ „Vergessen Sie es“, schüttelte der Detektiv den Kopf. „Jetzt nicht“, meinte Miwako. „Sie wissen doch etwas. Dann sprechen Sie bitte. Hier wird Ihnen nichts zu Ihrem Nachteil ausgelegt.“ Kogoro seufzte erneut auf. „Wenn Sie keine Ruhe geben…ich erinnere mich an keine Fallaufklärung.“ „Sie erinnern sich an nichts?“ „Das sagte ich doch“, gab er von sich. „Am Anfang war es komisch, als man mir zu den erfolgreich aufgelösten Fällen gratulierte. Dann wurde es zur Gewohnheit und ich hielt es für normal, diese narkoleptische Anfälle zu haben.“ „Narkoleptische Anfälle?“ Sie hob die Augenbraue. „Haben Sie das schon einmal untersuchen lassen?“ Er schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Diese Anfälle helfen mir bei der Falllösung.“ Miwako seufzte leise auf. „Aber Sie erinnern sich nie, wie Sie einen Fall gelöst haben.“ „Das find ich nicht so schlimm“, entgegnete er. „Ich verstehe…“, murmelte die junge Frau. „Wären Sie damit einverstanden, dass wir Sie mit einer kleinen Mikrokamera ausstatten und uns den Hergang selber ansehen können?“, wollte sie wissen. „Wenn es unbedingt sein muss“, murmelte Kogoro. Eigentlich hatte er keine wirkliche Lust darauf. Aber sobald er es ablehnte, würden sie nur noch weiter bohren. „Gut“, nickte sie. „Wir möchten das gerne dann machen, wenn Conan seine Erinnerungen wieder hat.“ „Da müssen Sie nicht lange warten. Er weiß seit heute wieder alles.“ „Oh…das ist gut“, lächelte Miwako. „Da bin ich wieder.“ Miwako blickte auf. „Sehr schön“, fing sie an. „Herr Mori stimmte der kleinen Kamera zu.“ „Gut“, nickte der Inspektor. „Was ist mit Conan?“ „Der hat seine Erinnerungen wieder zurück. Wir könnten ihm die Kamera nachher an die Jacke machen.“ „Ich kümmer mich dann darum“, sprach er. „Haben Sie meine Akte gefunden?“, wollte Kogoro dann wissen. „Ja…da ist so eine Sache“, entgegnete Takagi. Er zog einen Stuhl heran und setzte sich. Er hatte eine Akte in der Hand, doch es war nicht die, die der Detektiv suchte. „Was ist los?“, kam es von Miwako. „Die einzige Akte, die es mit seinem Namen gibt, ist schon älter…23. Februar.“ „Das würde doch recht gut passen“, warf Kogoro ein. „Das wären erst ein paar Wochen.“ Takagi schüttelte den Kopf. „Es ist der 23. Februar des letzten Jahres.“ „So lange her?“, murmelte der Detektiv. „Hmm…vielleicht hat das Mädchen auch erst später von dem Tod ihres Bruders erfahren und denkt, dass es erst vor kurzem war.“ „Nur geht es in der Akte nicht um den Tod des Mannes.“ „Nicht?“ Takagi schüttelte den Kopf. „Es ist die von der Busentführung der Yashima Bande.“ „Daran erinnere ich mich noch“, nickte Miwako. „Conan war auch in dem Bus und wurde doch auch verletzt.“ Takagi öffnete die Akte. „Die Entführer ließen Dr. Araide und Herrn Akai ihre Sachen anziehen und wollten diese als Entführer mit dem Bus hochjagen. Damals war er lediglich ein Zeuge.“ „Oh“, murmelte Kogoro. „Mehr Akten über ihn gibt es nicht.“ „Haben Sie auch bei den abgeschlossenen Unfallakten geschaut?“ „Natürlich“, nickte Takagi. „Ich hab das eingegeben, was Sie mir gesagt haben. Allerdings gab es keinen Treffer, der dazu passen würde. Ich könnte mir natürlich noch alle Unfallakten mit Autounfällen ansehen. Aber das würde eine Weile brauchen.“ Miwako schüttelte den Kopf. „Lass es“, meinte sie darauf. „Unsere Akten sind in Ordnung. Wenn du nichts darüber finden kannst, dann muss es eine andere Erklärung dafür geben.“ „Vielleicht liegt Ihnen auch ein Schreibfehler vor.“ „Das glaub ich nicht“, entgegnete Takagi. „Ich hab alles eingegeben, was auch nur so ähnlich wie der Name ist. Kein Treffer.“ „Hmm…sind Sie sich sicher, dass dieser Mann gestorben ist?“, wollte Miwako wissen. Kogoro nickte. „Seine Schwester trauert um ihn.“ „Der Name ist wirklich richtig?“ Kogoro nickte erneut. „Ran würde mir keinen falschen Namen sagen.“ „Wurde er vielleicht gar nicht identifiziert?“ „Das glaub ich weniger. Woher sollte Masumi dann wissen, dass ihr Bruder verstorben sei?“, gab Mori von sich. „Masumi?“ „Ja, das Mädchen das mit Ran befreundet ist. Masumi Sera.“ „Ich weiß, wenn Sie meinen“, nickte Takagi. „Ach ja?“ „Ja, das ist das Mädchen, das bei einem Fall dabei war. Sie hat auch ein ganz gutes detektivisches Können.“ „Naja…es geht“, murmelte Mori. „Aber darum geht es ja nicht“, fügte er an und überlegte. „Kann es sein, dass der Mann unter einem anderen Namen hier her kam?“ „Meinen Sie?“ „Zumindest wäre das eine Möglichkeit, warum wir ihn in den Akten nicht finden“, entgegnete Miwako. „Aber es würde doch keinen Sinn machen, dass er hier unter einem falschen Namen lebt.“ „Außer er wäre in kriminelle Machenschaften verwickelt“, warf die Inspektorin ein. „Hmm…darauf sollte ich Ran noch einmal ansprechen.“ Miwako nickte. „Das sollten Sie wirklich machen. Aber bevor Sie gehen, würden wir gerne die Kamera anbringen.“ „Also gut.“ Kogoro blickte immer wieder nach unten auf seine Jacke. Obwohl die Kamera klein war und gar nicht auffiel, hatte er das Gefühl, als würde sie ihn dauernd auf den Boden ziehen. Der Detektiv musste sich zusammen reißen, um nicht immer wieder nach unten zu sehen. Manchmal klappte es, manchmal aber erwischte er sich dabei, wie er dauernd nach unten blickte. Kogoro atmete tief durch, als er die Treppen zu seiner Wohnung hoch ging. Er öffnete die Tür. „Ran?“, rief er nach seiner Tochter. „Ich komm gleich“, kam es von dem Mädchen. Ran saß in ihrem Zimmer und machte gerade ihre Hausaufgaben, als sie die Stimme ihres Vaters hörte. Sogleich ließ sie den Stift auf das Blatt Papier fallen und ging in das Wohnzimmer. „Hast du etwas raus gefunden?“ Kogoro schüttelte den Kopf und setzte sich. „Die Sache ist doch ein wenig verzwickter.“ „In wie fern?“ „Es existiert nur eine Akte von diesem Shuichi Akai.“ „Das ist doch gut“, meinte das Mädchen. „Nicht wirklich. In der Akte war er ein Zeuge bei einer Busentführung, in die er verwickelt wurde. Nichts von einem Todesfall.“ „Oh“, murmelte Ran. „Weißt du, ob er noch unter einem anderen Namen hier lebte?“ „Ein anderer Name?“, gab Ran nachdenklich von sich. „Davon hat Masumi kein Wort erwähnt“, antwortete sie dann. „Verstehe. Vielleicht solltest du noch einmal mit Masumi darüber reden.“ „In Ordnung“, nickte Ran. Das hatte sie sowieso vor gehabt. „Paps? Was ist los?“ „Denkst du, es wäre möglich, dass sich ihr Bruder in kriminelle Machenschaften verstrickt hat?“, wollte er von ihr wissen. „Was? Nein“, schüttelte sie den Kopf. „Du weißt es nicht, oder er hat nichts in der Art gemacht?“ „Ich…ich weiß es nicht“, seufzte sie. „Ist sich Masumi überhaupt sicher, dass er verstorben ist?“ „Paps! Wie kannst du so was nur sagen. Sie bekam sogar einen Anruf vom FBI, dass ihr Bruder hier bei einem Autounfall starb.“ „Sagtest du da gerade FBI?“ „Ja, ihr Bruder lebte vorher in Amerika und arbeitete dort für das FBI. Dann kam er hier her…“ „Wegen der Arbeit?“ „Ich weiß nicht…“, murmelte das Mädchen. „Es hörte sich bei Masumi eher an, als wolle er alleine Urlaub machen.“ „Hmm…“ „Glaubst du mir nicht?“ „Doch ich glaub dir“, sprach Kogoro. „Mir kommt die Sache nur ein wenig komisch vor. Ist Conan eigentlich da?“ „Conan ist noch in der Villa.“ Kogoro hob die Augenbraue. „Wieso denn?“ „Ich weiß nicht. Ich glaub, er will dort noch ein wenig lesen.“ „Ach so.“ „Wieso fragst du eigentlich nach ihm?“, wollte das Mädchen wissen. „Ach nur so. Ich wollte mal wissen, was der Kleine gerade macht. Vielleicht mischt er sich ja wieder unter die Menschen und gerät in einen Fall.“ „Brauchst du einen neuen Fall so dringend?“ Kogoro seufzte leise auf. „Momentan laufen die Aufträge nicht so gut.“ „Ist es immer noch, weil du das Mädchen nicht finden konntest?“, fragte sie nach. „Erwähn diesen Auftrag nicht“, gab der Detektiv von sich. Er ballte die Faust. „Was ist passiert, Paps?“ „Der Auftraggeber rief an. Er hat seine Schwester selber gefunden.“ „Aber das ist doch großartig.“ Mori schüttelte den Kopf. „Für ihn ja. Allerdings kündigte er den Auftrag und von einer Bezahlung wollte er auch nichts wissen“, erzählte er. „Und als ich zurück rief, ging nur die Ansage heran, dass die Nummer nicht vergeben sei.“ „Oh. Hast du nicht die Adresse deines Auftraggebers?“, wollte Ran wissen. „Natürlich. Zumindest dachte ich das. Ich bin heute schon dort gewesen. Der Ort ist eine Baustelle, auf der ein Bürokomplex gebaut werden soll. Der Kerl hat mich so was von ver…“ „Paps…“, wisperte Ran leise. Es tat ihr so leid, aber sie konnte nichts machen. „Wenn ich sie gefunden hätte, hätten sie bestimmt auch nicht bezahlt.“ „Solchen Klienten möchte man einfach nur an die Gurgel.“ „Ich muss mich damit abfinden. Aber ich werd mir ihre Gesichter merken. Und wenn ich sie noch einmal in der Stadt sehe, werden sie schon sehen, was ich tu.“ „Wieso schaltest du nicht die Polizei ein?“ „Bist du verrückt? Es wäre schnell publik, dass ich über den Tisch gezogen worden bin. Dann würden uns die Klienten vielleicht komplett ausbleiben oder sie würden das gleiche machen. Und Geld im Voraus zu nehmen, wird keiner machen“, entgegnete er. „Das tut mir so leid, Paps“, murmelte Ran. „Du kannst nichts dafür. Vielleicht hätte ich Conans Geschrei mehr Beachtung schenken sollen und die Männer nach draußen bringen.“ „Aber Conan konnte das doch auch nicht wissen.“ „Ich weiß. Aber jetzt klammert man sich doch an jeden Strohhalm.“ Kogoro zuckte mit den Schultern. „Naja, es ist jetzt vorbei und ich warte, auf den neuen Auftrag.“ „Das ist eine gute Einstellung.“ Kogoro überlegte. „Ich hoffe, Amuro nimmt mir keine Klienten weg.“ „Wieso sollte er?“ „Er fühlt sich, als hätte er ausgelernt. Wenn er sich die Klientenakten im Computer ansah, könnte er sich mit denen in Verbindung setzen. Von konkurrierenden Detektiven halte ich nicht vieles. Aber wenigstens verschwinden sie alle irgendwann…“ „Ist das jetzt eine Anspielung auf Shinichi?“, wollte Ran von ihm wissen. „Ach ja…der ist auch verschwunden. Hast du eigentlich schon mal was von ihm gehört?“ Ran seufzte leise. „Das letzte Mal haben wir vor einer Woche miteinander telefoniert. Er rief an, nachdem er das mit Conan erfahren hat und beruhigte mich. Danach wollte er sich mal wieder melden, aber bisher kam kein Anruf. Er sitzt wohl immer noch an seinem großen Fall.“ „Was soll das eigentlich für ein Fall sein?“, fragte Kogoro. „Ich weiß es nicht. Es muss wirklich ein Großer sein, da er schon recht lange daran arbeitet und so gut wie keine Zeit hat.“ „Vielleicht macht er auch gar nichts und braucht eine Pause von allem“, warf Mori ein. „Das würde er nicht machen. Ich kenn ihn doch. Außerdem löst er ja auch hin und wieder Fälle bei uns“, sprach sie. „Wenn er Lust hat…“ „Paps!“ „Was ist? Das stimmt doch. Wenn du mich fragst, hat der Kleine einfach keine Lust mehr und lässt es sich irgendwo gut gehen. Genügend Geld hätte er ja.“ „So ist Shinichi nicht“, entgegnete Ran. „Ich bin wieder da!“ Conan zog sich die Schuhe aus und legte seine Schultasche auf den Boden. Der geschrumpfte Oberschüler ging in das Wohnzimmer, wo er zwischen den Beiden hin und her blickte. „Ich meinte ja auch nur. Es könnte doch sein.“ „Nein, es kann nicht sein“, warf Ran ein. „Komm ich gerade ungelegen?“ Ran blickte zu Conan und schüttelte dann den Kopf. „Nein, es ist alles in Ordnung“, meinte sie darauf. „Da bist du ja auch wieder“, gab Kogoro von sich. Conan nickte. „Ich war noch drüben in der Villa.“ „Warum eigentlich?“, wollte Mori wissen. „Was? Einfach nur so…ich wollte ein Buch lesen.“ „Ein Buch?“ Kogoro hob die Augenbraue. „Dort drüben?“ Conan nickte. „Ich war dort schon hin und wieder. Und Herr Okiya hat auch nichts dagegen“, fing er an. „Irgendwann sah ich dort ein Buch über Amnesie. Weil ich gerade erst eine hatte, wollte ich ein wenig mehr darüber lesen. Zu Professor Agasa kann ich ja nicht.“ Kogoro verdrehte die Augen. „Du hättest auch zu Hause etwas Lesen können, anstatt die Menschen zu nerven.“ „Aber es hatte ihm wirklich nichts ausgemacht“, warf Conan ein. „Darum geht es nicht.“ „Paps! Du kannst doch nicht so mit Conan reden.“ „Ist nicht so schlimm, Ran. Ich kenn deinen Vater ja“, schmunzelte der Kleine. Conan wandte sich wieder an Kogoro. „Bist du schon bei deinem Auftrag weiter gekommen?“ Ran verzog das Gesicht und versuchte Conan irgendwie zu signalisieren, dass das gerade keine gute Frage war. Aber das schaffte sie ja nicht rechtzeitig. „Das Mädchen wurde schon gefunden, deswegen braucht mich der Auftraggeber nicht mehr“, gab Kogoro von sich. „Weißt du auch, wo?“ Mori schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Dieser Mistkerl hat mich einfach weggedrückt und falsche Angaben gemacht.“ „Ach ja?“ „Ja“, knurrte der Detektiv. „Und du konntest das Mädchen nicht finden?“ Er murrte. „Nein.“ „Hmm…wie konnten die Männer das Mädchen den alleine finden?“ „Woher soll ich das wissen. Vielleicht haben sie sich noch an andere Detektive gewendet.“ Kogoro stoppte. „Vielleicht hat Amuro sie gefunden und das alles als seinen Fall ausgegeben.“ „Glaubst du das wirklich?“, kam es von Ran. „Er ist doch recht nett.“ „Wer sollte es sonst gewesen sein?“ „Hast du ihm denn von dem Fall erzählt?“, wollte Conan wissen. Kogoro schüttelte den Kopf. „Hab ich nicht. Der Fall ist ja noch relativ neu.“ „Dann glaube ich auch nicht, dass er es war. Wahrscheinlich ist das Mädchen auch selber wieder zu ihm gegangen und es war kein anderer Detektiv.“ „Hm…“, murmelte Kogoro. „Das ist doch möglich, Onkel.“ Nun musste Conan alles machen, damit Kogoro nicht noch weiter auf Amuro herum hackte. Außerdem bestand die Gefahr, dass er dadurch auf die Organisation aufmerksam werden konnte. Es war besser, wenn Amuro keine Rolle mehr spielte. „Schon…ich wünschte, ich könnte ihn danach fragen.“ „Kannst du das nicht?“, fragte Conan nach. „Er hat seine Lehre bei mir aufgegeben, weil er nun genügend gelernt hätte und sich wieder auf sich selber konzentrieren muss.“ Conan war erleichtert. Damit hatte er wenigstens kein Organisationsmitglied, welches ihn und Ran beobachten konnte. „Er hat ja auch schon eine ganze Weile bei dir lernen können, jetzt muss er einfach seinen eigenen Weg gehen.“ Kogoro nickte. „Irgendwie wird er mir schon fehlen…“ „Nur, weil er dir immer Kaffee und alles Mögliche zu Essen hoch gebracht hat“, schmunzelte Ran. „Und? Er hat mehr gemacht, als erwartet. Und wolltest du nicht noch mit Masumi sprechen?“ „Mit Masumi?“, fragte Conan nach. Ran nickte. „Sie hat mir noch etwas über ihren großen Bruder erzählt. Masumi tut mir so leid, vor allem, weil sie keine Hintergründe darüber kennt. Also hab ich Paps gebeten, dass er etwas heraus findet. Nur leider konnte er keine Akte über ihren Bruder finden“, erzählte das Mädchen. „Oh“, murmelte Conan. Er schluckte leicht. „Aber ich finde es schon heraus“, gab Kogoro von sich. „Momentan stehen uns eigentlich nur drei Optionen zur Verfügung.“ „Drei?“ „Entweder er lebte hier unter einem anderen Namen, weil er nicht gefunden werden wollte, oder weil er in kriminelle Machenschaften gezogen wurde. Oder aber, er ist gar nicht gestorben und das alles ist nur ein Irrtum.“ Conan schluckte. „Das glaub ich nicht. Wenn er noch leben würde, hätte Masumi doch keinen Anruf bekommen. Und wenn er noch am Leben wäre, würde er doch die Suche nach ihm mit bekommen und hätte sich schon bei ihr gemeldet.“ „Bei dem, was ich bisher erlebt habe, wäre alles möglich“, entgegnete Kogoro. „Ich ruf Masumi jetzt einfach an“, meinte Ran und ging zu dem Telefon. „Ja, bitte?“, sprach Masumi in den Hörer. „Ich bin‘s, Ran.“ „Hallo Ran“, lächelte sie. „Was kann ich für dich tun.“ „Bitte halte mich nicht für unverschämt“, fing sie an. „Du hattest vorhin doch erzählt, dass du keine Akte von dem Tod deines Bruders finden konntest…“ „Ja, das stimmt…“, murmelte sie. „Ich hab jetzt mit meinem Vater darüber gesprochen und ihn gebeten, dass er seine Beziehung bei der Polizei einmal spielen lässt.“ „Und?“ „Es existiert keine Akte von deinem Bruder.“ Masumi weitete ihre Augen. „Keine? Bist du dir sicher?“ „Ja, er hat mehrfach nach gesehen.“ „Das heißt er lebt noch.“ „Masumi…?“ „Ja?“ „Paps hält noch eine andere Möglichkeit dafür…“, murmelte das Mädchen. „Die da wäre?“ „Könnte es sein, dass dein Bruder unter einem falschen Namen hier war?“ „Was? Nein, warum sollte er?“ „Ich weiß nicht. Aber es wäre doch sehr gut möglich. Du sagtest, er war beim FBI. Vielleicht wollte er auch einfach nur Abstand zu seinem alten Leben und neu anfangen.“ Masumi schüttelt den Kopf. „So ist mein Bruder nicht. Ja, er war ruhig und kühl, aber er würde doch nicht einfach seine ganze Identität ändern. Glaub mir, so ist er nicht.“ „Reg dich nicht auf“, entgegnete Ran. „Ich wollte ihm ja nichts unterstellen. Es waren nur Bedenken, die mein Vater hatte. Er meinte auch, dass dein Bruder in kriminelle Geschäfte verwickelt worden sein könnte und deswegen den Namen änderte.“ „DAS WÜRDE ER NIE TUN.“ „Masumi…“ „Tut mir leid. Wenn es darum geht, kann ich einfach nicht anders.“ „Du musst dich nicht entschuldigen. Wenn das irgendjemand über Paps oder Conan behaupten würde, würde ich wohl genau wie du reagieren.“ „Ich bin mir sicher, dass er in keine krummen Geschäfte geraten ist. Er braucht so etwas nicht. Verstehst du?“ Das Mädchen nickte. „Ich versteh dich. Ich werd es Paps auch so sagen.“ „Du, Ran?“ „Ja?“ „Meinst du…er könnte noch am Leben sein?“ „Ich weiß es nicht. Ich kenn deinen Bruder ja nicht. Und ich weiß nicht, ob man den Unfall, den er hatte, überleben kann.“ „Ich weiß es auch nicht. Ich weiß ja kaum irgendwas über den Unfall“, seufzte Masumi leise auf. „Aber vielleicht lebt er ja doch.“ „Wenn du das denkst, dann solltest du weiter nach ihm suchen“, entgegnete sie. „Was sagt dir denn dein Gefühl?“ „Mein Gefühl sagt mir, dass er noch am Leben ist.“ „Dann solltest du diesem Gefühl vertrauen. Wenn du dir wirklich sicher bist, dann kann dich dein Gefühl nicht trügen.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher“, entgegnete Masumi. „Es kann auch nur Wunschdenken von mir sein, weil ich ihn nicht los lassen will.“ „Das wäre eine Möglichkeit, aber ich habe mittlerweile gelernt, dass man sich meistens auf sein Gefühl vertrauen kann. Es hätte dir bestimmt schon gesagt, wenn dein Bruder tot wäre“, sprach Ran. „Hmm…stimmt schon“, murmelte sie. Masumi überlegte. „Dann sollte ich mich in den nächsten Tagen wieder daran machen, ihn zu suchen.“ „Ich kann doch auch meinen Vater bitten, nach deinem Bruder zu suchen. Das macht er sicherlich gerne. Du müsstest ihm nur die wichtigsten Informationen zu ihm geben. Und ein Foto wäre auch gut.“ Ran blickte zu Kogoro. „Ich bin sicher, dass mein Vater nach ihm suchen wird.“ „Ach Ran“, fing Masumi an. „Du weißt doch, dass ich auch eine Detektivin bin. Ich werd schon selber nach ihm suchen und ihn bestimmt auch bald finden.“ Jetzt wurde ihr bewusst, dass der Mann, den sie im Zug sah, wirklich ihr Bruder sein musste. Es war keine Illusion, wie sie anfangs annahm. Er war real. Und wegen irgendwas versteckte er sich vor ihr. „Das weiß ich. Aber du bist doch noch recht neu in der Stadt. Und ich dachte mir, dass sich mein Vater besser auskennt. Außerdem kann er während wir in der Schule sind, nach deinem Bruder suchen.“ „Das wäre wirklich ein Vorteil…“, murmelte sie. „Weißt du was, Ran? Lass es uns so machen, dass ich es mir überlegen werde und dann sag ich dir oder deinem Vater Bescheid.“ „In Ordnung. Machen wir das so“, lächelte sie. „Dann sehen wir uns morgen in der Schule.“ Masumi legte auf und ließ ihr Handy auf den Tisch fallen. Sie stand auf und warf sich auf ihr Bett. Mit der rechten Hand griff sie nach hinten an den kleinen Nachttisch und zog einen Bilderrahmen zu sich. Die Schülerin blickte ein altes Foto an. „Wo bist du nur“, wisperte sie leise und starrte dabei vor allem ihren Bruder an. Mit großen Augen blickte Conan zu Ran. „Du willst nach ihrem Bruder suchen lassen?“ Das Mädchen nickte. „Masumi hat das Gefühl, er würde noch am Leben sein. Ich finde, sie sollte dem Verdacht nachgehen.“ „Und wenn sie eine Enttäuschung erlebt?“, wollte er wissen. „Das kann natürlich passieren. Aber sie muss auf ihre Gefühle hören und die sagen ihr, dass er noch am Leben ist. Wer sagt denn, dass das unmöglich ist?“ Conan nickte. „Ich hoffe, sie wird am Ende nicht allzu enttäuscht sein.“ „Das hoffe ich auch“, murmelte Ran. Sie kniete sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. „Ich bin so froh, dass du wieder alles weißt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)