Merry Christmas Everyone von -Ayla- (Adventskalendertürchen Nr. 22) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Merry Christmas Everyone Shakin' Stevens Steve stand an der Straße und betrachtete das Einfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Er konnte kaum glauben, dass er wirklich hier war. Und er wusste nicht, ob es eine allzu gute Idee war, für alle Beteiligten. Lange hatte er darüber nachgedacht, ob er wirklich kommen sollte und jetzt stand er hier und wusste nicht, ob die Entscheidung richtig war. Vor einer Woche hatte er einen überraschenden Anruf erhalten. Von einer Rose Stone. Mit dem Namen hatte er nichts anfangen können, bis sie ihm erzählte, dass Peggy noch lebte, mittlerweile 96 Jahre alt war und ihn gerne sehen würde. Im ersten Moment hatte er nicht gewusst, wie er reagieren sollte. Er hatte angenommen, dass alle Menschen, die er von früher kannte, bereits gestorben waren, immerhin waren seitdem 70 Jahre vergangen. Und dass dann ausgerechnet Peggy noch lebte, war schon ein enormer Zufall. Seltsamerweise hatte sie ihn offenbar auch nie vergessen. Die Frau am Telefon hatte ihm erklärt, dass Peggy, wie alle Leute in dem Alter, einiges vergessen würde, aber sich gerade an Sachen, die länger her waren, noch besser erinnerte. Und ihn erkannt hatte, als er einmal als Captain America im Fernsehen zu sehen gewesen war und von der Schwierigkeit, herauszufinden, wie sie ihn überhaupt erreichen konnte. Später hatte er dann erfahren, dass SHIELD ihre Angaben und ihre Identität erst überprüft hatten, bevor sie ihr überhaupt die Möglichkeit gaben, ihn zu sprechen. Jedoch war er sich nicht sicher, ob er das überhaupt wollte. Wollte er Peggy in diesem Zustand sehen? Alt und gebrechlich, faltig, grauhaarig, vom Alter gebeugt, oder wollte er lieber die junge, vitale, wunderschöne, stolze Frau von damals in Erinnerung behalten? War es so gut für sie, zu sehen, dass die vergangenen 70 Jahre absolut keine Spuren an ihm hinterlassen hatten? Dass er genauso aussah, wie früher? Würde sie das verkraften? Oder würde es sie in die Vergangenheit werfen, möglicherweise, ohne dass sie wieder herausfand? Er wusste schließlich nicht, wie geistig stabil sie war. Sollte er also darauf vertrauen, dass Rose Stone schon wusste, was sie tat? Schließlich war sie Peggys Tochter, sie musste doch wissen, was sie ihrer Mutter noch zumuten konnte. Alleine bei dem Gedanken zog sich etwas in Steve zusammen. Denn wenn Peggy eine Tochter hatte, war es nur logisch, anzunehmen, dass sie nach seinem Absturz einen anderen Mann gefunden hatte. Natürlich konnte er nicht erwarten, dass sie ihr Leben lang alleine blieb, hätte sich auch gewünscht, dass sie glücklich ist. Dennoch tat es weh, sie sich mit einem anderen Mann vorzustellen. Aber es gelang ihm auch nicht, diesen Gedanken beiseite zu schieben. Eine Frage stand über alledem: Wie würde sie auf ihn reagieren? Und wie sollte er sich ihr gegenüber verhalten? Doch wenn er weiterhin hier herumstand und nur das Haus anstarrte, ohne hinzugehen, würde er es nie erfahren. Die Frage war, ob er es wirklich erfahren wollte. Doch dann gab Steve sich einen Ruck. Es konnte viel schief gehen, aber wenn er ehrlich zu sich selbst war, war er neugierig darauf, was Peggy alles in ihrem Leben erlebt hatte. Und wer würde es ihm besser erzählen können, als sie selbst? Und vielleicht würde es auch ihm guttun, eine vertraute Person zu sehen, ihre Stimme zu hören, denn manchmal kam er sich in dieser neuen Welt noch einsam und verlassen vor. Steve überquerte die Straße und versuchte, sein Herzklopfen zu ignorieren. Für ihn waren es schließlich gerade mal ein paar Monate her, dass sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Der letzte Kuss mit ihr war ihm noch in lebhafter Erinnerung. Er versuchte, sich daran zu erinnern, dass Peggy vermutlich eine ganz andere Frau war, als die, an die er sich erinnerte, schließlich hatte sie 70 Jahre mehr Lebenserfahrung. Und sie hatte ihn und vielleicht auch andere Menschen, die ihr viel bedeuteten, verloren, so etwas war ebenfalls prägend. Dennoch stellte er eine freudige Erregung in seinem Inneren fest. Rasch drückte er die Klingel, bevor er es sich wieder anders überlegen konnte, denn die letzten Tage war er wirklich hin und her gerissen gewesen und hatte nicht gewusst, wie er vorgehen sollte. Es dauerte auch nicht lange, bis ihm geöffnet wurde. Die Frau in der Haustür musste um die 70 sein und er vermutete, dass dies Rose war, was sich durch ihre Vorstellung auch bestätigte. Auch er stellte sich vor, auch wenn Rose natürlich wusste, wer er war. Höflich bat sie ihn herein und er sah sich neugierig, aber unauffällig um. Sie führte ihn durch den Eingangsbereich in eine große Wohnküche. Und dort am Esstisch saß eine alte Frau, die er nach einem zweiten Blick auch erkannte. Es war Peggy. Sie hatte sich äußerlich verändert, aber die funkelnden Augen und das Lächeln waren noch das selbe. Er konnte nicht anders, als es zu erwidern. Und es war ehrlich, denn er freute sich, sie zu sehen. Dass sie noch lebte. Langsam ging er zu ihr. „Peggy.“ Die verdrehte amüsiert die Augen. „Du bist noch so schüchtern, wie damals.“ Sie stand auf und zog ihn in eine Umarmung. Kurz zögerte er, legte dann aber doch seine Arme um die zerbrechlich wirkende Frau und genoss es. Er merkte, dass er sich in ihrer Nähe wohler fühlte. Nicht mehr so verloren, so wie er sich fühlte, seit er in einer fremden Welt aufgewacht war. Sie legte ihren Kopf an seiner Schulter ab, so dass ihr Atem seinen Hals streifte. „Ich konnte kaum glauben, dass du noch lebst. Und sieh dich an, du siehst noch genauso aus, wie damals. Das Serum?“ flüsterte sie leise. „Ja,“ erwiderte er einfach nur, wusste nicht, was er weiter sagen sollte oder was sie wusste. „Was ist passiert?“ Offenbar wollte sie es von ihm hören. Er stockte kurz, als er sich erinnerte. „Ich habe das Flugzeug abstürzen lassen. Das Wasser ist eingedrungen, ich war eingeklemmt. Allerdings wurde ich dann am Kopf getroffen und bewusstlos. Ich habe also nicht mehr mitbekommen, wie ich ... ertrunken bin.“ Bei seinen letzten Worten klammerte sie sich an ihm fest, als müsse sie an ihm Halt suchen. Aber es war nicht einfach, von dem Tod eines geliebten Menschen zu hören, auch wenn er es selbst erzählte. „Ich war siebzig Jahre eingefroren, dann wurde ich gefunden und aufgetaut. Man wollte mich langsam darauf vorbereiten, dass viel Zeit vergangen war, aber meine Soldateninstinkte haben gegriffen und es gelang mir, zu fliehen. Allerdings war der Schock dann groß, als mir das Ausmaß der Veränderungen bewusst wurde. Ich ... fühle mich oft einsam, auch wenn ich nun bereits seit acht Monaten wieder ... lebe,“ gab er schließlich zu. Peggy schwieg eine Weile. Vermutlich konnte niemand so recht nachvollziehen, wie es ihm ging, wie er sich fühlte. Dass das Serum ihn konserviert hatte und er dadurch auch tatsächlich noch lebte, war eher ein Nebeneffekt gewesen. „Kannst du dich noch an unsere letzte Abmachung erinnern?“ durchbrach Peggy schließlich die Stille. „Der Tanzabend? Natürlich, das könnte ich niemals vergessen. Du wolltest mir das Tanzen beibringen,“ entgegnete Steve sacht und musste bei der Erinnerung ein wenig lächeln. Plötzlich erklang Musik und er hob den Kopf, sah in das Gesicht einer ebenfalls lächelnden Rose, deren Anwesenheit er zugegebenermaßen vergessen hatte. Es schien geplant gewesen zu sein, dass sie heute tanzen sollten, sonst wäre keine Musik vorbereitet. Peggy löste sich ein wenig von ihm und legte ihre Arme um seinen Hals, sah ihm dabei in die Augen und bewegte sich zur Musik. Es war kein richtiges Tanzen, sondern eher ein sanftes hin und her Schwingen zu Musik. „Ich muss dir etwas beichten,“ begann Peggy nach einer Weile und senkte kurz den Blick, bevor sie ihn wieder hob. „Wir sind verheiratet.“ „Wie bitte?“ rutschte es Steve heraus. Er war komplett verwirrt. Normalerweise müsste er doch von einer Hochzeit wissen, oder? Fragend sah er sie an. „Nach dem Krieg ... wurde es uns Frauen, die mit einem Soldaten zusammen waren, erlaubt, diesen posthum zu heiraten, wenn man zwei Zeugen benennen konnte, die eine Verlobung bestätigen konnten. Bei mir waren das Howard und Colonel Phillips.“ Steve war überrascht, denn sie waren noch nicht einmal verlobt gewesen. Ja, verliebt, aber so weit waren sie noch nicht gewesen. Also musste sie die beiden überredet haben, dass sie für sie logen. Peggy Rogers, hallte es in seinen Gedanken wider. Es hörte sich gut an. Peggy sah ihn um Verständnis flehend an. „Was hätte ich denn tun sollen? Ich war schwanger, du weißt, wie das damals war...“ Steve blinzelte. „Moment, schwanger?“ Peggy lächelte leicht. „Rose ist unsere Tochter.“ Steve sah sie mit großen Augen an, dann drehte er den Kopf zu der anderen Frau, die die gesamte Zeit den Raum nicht verlassen hatte. Seine Tochter? Er öffnete den Mund, doch kein Laut verließ seine Lippen. Rose kam auf ihn zu und legte eine Hand auf seine Schulter. „Dad?“ Oh mein Gott. Er hatte das Gefühl, dass seine Beine weich wie Wackelpudding waren. Er hatte eine Tochter? Eine Familie? Er fühlte sich überrumpelt, überwältigt, war sprachlos und konnte Rose nur stumm anstarren. Diese bewegte sich nicht, sondern ließ es einfach zu, dass Steve sie musterte und jedes Detail an ihr in sich aufsog. Es war schwer für ihn zu begreifen, wie viel er verpasst hatte. Er hatte eine Tochter, die im Grunde doppelt so alt war, wie er selbst. Er hatte ihre Geburt verpasst, wie sie aufgewachsen war, die ersten Schritte, die ersten Zähne, der erste Schultag. Die Pubertät, den ersten Freund und – „Was ist mit –“ Er räusperte sich, wusste nicht, wie er es sagen sollte. „Wie groß ist diese Familie?“ Peggy lächelte. „Nun, Rose ist ein Einzelkind. Nach deinem Tod konnte ich mich nicht dazu durchringen, mir einen anderen Mann zu suchen. Ich war zwar verwitwet und hatte alles Recht, mir einen Mann zu suchen, der für uns sorgte. Aber ich konnte einfach nicht.“ Steve spürte einen Kloß in seine Hals und einen unbekannten Druck in der Magengegend. Er hätte es nie für möglich gehalten, dass Peggy, seine wunderschöne Peggy, ihm den Rest ihres Lebens die Treue halten würde. „Ich habe dich einfach zu sehr geliebt. Rose hat drei Kinder mit ihrem Mann bekommen, diese wiederum haben auch schon Kinder und vor kurzem ist das erste Enkelkind geboren worden. Also sind wir jetzt Ur-ur-Großeltern,“ erklärte sie schließlich. „Oh mein Gott,“ rutschte es ihm schließlich doch laut heraus. Es war ihm gerade etwas zu viel. Er konnte noch nicht richtig glauben, dass er ein Kind hatte und jetzt sollte seine Familie, seine Nachkommenschaft, auch noch so groß sein? Er spürte einen instinktiven Fluchtreflex aufkommen. Am liebsten würde er hier weg. Einfach abhauen und alles vergessen. Keine Verantwortung für die Geschehnisse, diese Familie übernehmen, die er nicht kannte. Und er war sich im Moment nicht sicher, ob er sie überhaupt kennen lernen wollte. Sein Anstand und seine Moral wollten ihm einreden, dass er sich irgendwie um sie kümmern musste. Dass er nun nicht mehr alleine war. Aber er war zu überwältigt. Und das schienen auch die beiden Frauen zu bemerken, denn Rose löste ihre Hand von ihm und auch Peggy drückte sich ein wenig von ihm weg. Sie legte ihm eine Hand an die Wange. „Ich verstehe, dass du das erst verarbeiten musst. Wenn du willst, kannst du an Weihnachten deine komplette Familie kennen lernen.“ Erst, als er wieder auf dem Heimweg war, fiel ihm auf, dass es noch drei Monate bis Weihnachten waren. Snow is falling all around me children playing having fun it's the season for love and understanding Merry Christmas everyone Abermals stand Steve gegenüber des Hauses, in dem Peggy und ihre Familie wohnte. Seine Familie. Erneut war er lange Zeit unsicher gewesen, ob er wirklich hier her kommen sollte. Wollte er seine offenbar sehr große Familie kennen lernen? Würde es ihm nicht wieder zu viel werden? Mit wem seiner neuen Freunde hätte er auch darüber sprechen können? Schließlich hatte er Pepper alles erzählt, sie war die einzige, von der er dachte, dass sie sein Problem verstehen könnte. Sie hatte ihm zugehört, ohne ihn zu unterbrechen oder für seine Gefühle zu verurteilen. Dann hatte sie ihm gut zugeredet, dass er es doch wenigstens versuchen könnte. Dass es seine Familie war, die ihn sicherlich verstehen würde. Die vielleicht auch mehr über ihren Vorfahren, über ihre Herkunft, über ihn und sein Schicksal erfahren wollte. Die immer für ihn da sein würde, sollte er sie brauchen. Die ihn auffangen würde ohne Fragen zu stellen. Nach einigen langen Gesprächen hatte er sich dazu entschlossen, doch hierher zu kommen. Jetzt stand er hier im Schnee, doch diesmal fragte er sich nicht, ob seine Entscheidung richtig gewesen war. Er wusste es einfach. Und er wollte sie alle kennen lernen, egal, wie viele Nachkommen er jetzt hatte. Entschlossen überquerte er die Straße und läutete. Schon bald hörte er Schritte, dann schwang die Tür auf. Er wollte etwas sagen, doch der Anblick verschlug ihm glatt die Sprache. Er hatte das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Die Haare waren zwar dunkler, aber ansonsten hätte der junge Mann, der ihm geöffnet hatte, tatsächlich sein Zwillingsbruder sein können. Der grinste nun spitzbübisch. „Du musst unser Ur-Großvater sein. Aber da du gar nicht so urig aussiehst, werde ich dich einfach Steve nennen. Ich bin Johnny.“ Er trat zur Seite und Steve folgte der Aufforderung, einzutreten. Dann folgte er dem Jüngeren, Gleichaltrigen oder wie auch immer ins Wohnzimmer, das brechend voll war. Die Erwachsenen saßen auf mehreren Sofas verteilt und hatten noch zusätzlich ein paar Stühle in die Sitzrunde gestellt, die Kinder saßen auf dem Boden oder rannten durch das Zimmer, während in der Ecke ein großer geschmückter Tannenbaum stand. Steve schluckte. Mit so vielen Leuten hatte er dann doch nicht gerechnet. Sein Blick fiel auf Peggy, die ihm strahlend entgegenkam und ihn sofort wieder in eine Umarmung zog, nachdem er ihr einen Blumenstrauß überreicht hatte. Es war ihr anzusehen, dass sie sich sehr freute, dass er da war. Währenddessen versuchte er, die neugierigen Blicke auf sich zu ignorieren. Schließlich wurden ihm alle Anwesenden vorgestellt, auch wenn er bezweifelte, dass er sich auf Anhieb alle Namen mit Gesichtern würde einprägen können. Bald saß er in der Runde, lauschte Erzählungen und erzählte Anekdoten. Im Laufe des Abends wurde er lockerer und er entspannte sich. Er fühlte sich wohl hier und es war gut, dass er sich für seine Familie entschieden hatte. ________________________________________________________________________________________ Ich konnte mir die kleine Anspielung auf die Tatsache, dass sowohl Steve Rogers als auch Johnny Storm aus Fantastic Four von Chris Evans dargestellt wurden, einfach nicht verkneifen ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)