bring me home. von Wooyoungie ================================================================================ Kapitel 1: until i find you. ---------------------------- Happiness hit her like a train on the track Unruhig tippte sie mit den Fingern auf der Lehne herum. Wann würde dieser elende Zug endlich stehen bleiben? Es war doch schon 22.47 Uhr. Sie war doch schon drei Minuten zu spät. Als sie allerdings schließlich das Ortsschild entdeckte, kniff sie die Augen zusammen. Clonfert Hier war sie richtig! Sie schnappte sich ihre Tasche, zog den langen Mantel an, den sie bei dem Wetter in Irland gut gebrauchen konnte. Sie war vor ein paar Tagen zu ihrer Verwandtschaft in Dublin gefahren und war nun mit dem Zug weitergereist. Um sie endlich zu sehen. Sie kannten sich nun schon ein Jahr, hatten auch schon ein paar Mal miteinander telefoniert und unendlich viele Briefe geschrieben, doch bisher hatte sich noch nicht die Gelegenheit ergeben, sie auch im „echten“ Leben zu sehen. Schnell eilte sie zur Tür, als der Zug hielt. Die Tür wurde aufgerissen, sie sprang aus dem Zug, blickte sich um. Schwarze Locken, schwarze Locken … Wo war sie nur? „Rúna?“ Verstört schreckte sie zusammen, drehte sich um, sah aus den Augenwinkeln, wie der Zug wieder abfuhr. „Wusste ich doch, dass du das bist. Die roten Haare würde ich überall erkennen.“ Da stand sie nun. Die Angesprochene wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus und legte nur den Kopf schief, grinste dabei etwas schüchtern. „Hi Étaín.“ Das war das erste Mal, dass sie sie beim Namen genannt hatte. Normalerweise nannte sie sie immer Sternchen, weil sie fand, dass Étaín dem französischen Wort für Stern, also l'étoile, ähnlich war. Da sie beide französisch sprachen, war das auch mehr zum Insider geworden und sie konnte sich noch genau dran erinnern, wie ihre Freundin erstaunt meinte, dass ihr das noch nie aufgefallen sei. Ein bisschen stolz war sie darauf schon gewesen, doch das hatte sie für sich behalten. „Ist das alles, das du dabei hast?“ Étaín deutete auf die Tasche, die Rúna vorhin vor Schreck hatte fallen lassen. „Ja. Der Rest ist in Dublin. Ich bleib ja nicht lang.“ 'Leider', ergänzte sie in Gedanken, lächelte nur unsicher. Da gab es noch etwas, das sie ihrer Brieffreundin nicht erzählt hatte: Sie war ein bisschen in sie verknallt. Aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen. Na gut … vielleicht auch ziemlich. Sie konnte nicht mehr aufwachen, ohne an sie zu denken oder auf die wöchentlichen Telefonate zu warten. Es war aber auch nicht sonderlich schwer, die ganze Zeit an sie zu denken, wenn sie die ganze Zeit miteinander in Kontakt waren. Dem Internet sei dank konnten sie ja mittlerweile rund um die Uhr miteinander reden, was sie die meiste Zeit auch taten. Trotzdem hatte es sie überrascht, als sie von Étaín dazu eingeladen wurde, Silvester mit ihr zu verbringen, war sie selbst doch nur über die Feiertage daheim, da sie in Dublin mittlerweile studierte. Archäologie und englische Literatur. Es passte zu ihr, fand Rúna. „Los, wir gehen zum Auto.“ „Ich dachte, du wohnst hier?“ „Na ja, in einem Vorort, direkt an der Küste.“ Unsicher und immer noch sehr schüchtern – war das etwa ihr Herz, das so furchtbar laut klopfte – nahm sie ihre Tasche und folgte ihrer Gastgeberin zum gesagten Wagen. „Willst du vielleicht fahren? Du meintest doch, dass du schon länger nicht mehr gefahren bist ...“ „Willst du, dass wir im Meer landen?“ Ein wenig errötete sie, als sie das Lachen ihrer Freundin hörte. Oh, hoffentlich würde sie das nicht sehen. Ihr war es so peinlich, dass sie sie so gern hatte, dass sie sogar deswegen schon rot wurde. „Gut, dann fahr ich.“ Stumm nickte sie, setzte sich auf den Beifahrersitz und schwieg die ganze Fahrt über, hing ihren Gedanken nach. Es war Nacht, die kleinen Dörfer erleuchteten die Küste, erleuchteten die Finsternis immer und immer wieder für einen kurzer Augenblick. Müde und geschafft von der Fahrt lehnte sie den Kopf an die Scheibe, schloss für einen Moment die Augen. Oder auch für einen sehr, sehr langen Moment, denn als sie die Augen wieder öffnete, stand das Auto. Sie waren schon angekommen. Das ging aber schnell. Vielleicht war sie aber auch eingeschlafen. Sie hätte doch wirklich im Zug schlafen sollen. Leise gähnte sie, streckte sich dann. Der Traum, den sie gehabt hatte, fiel ihr wieder ein. Es war eine Art Vorschau. Kaum merklich schüttelte sie den Kopf, wollte diese Gedanken, dieses Kopfkino loswerden. Als würde das jemals passieren. Sie wusste zwar, dass die Möglichkeit bestand, dass sich die Schwarzhaarige in sie verlieben könnte, doch wie wahrscheinlich war dies? Sie wusste doch, dass sie Probleme mit Beziehungen und vor allem Gefühlen hatte und Étaín ging es genauso. Das hatte sie nun schon oft genug betont. Doch trotzdem hatte sie das Gefühl, dass sich einiges zwischen ihnen geändert hatte. Sie konnte es nur noch benennen. Vielleicht war es die „Grundstimmung“ zwischen ihnen. Alles war verspielter, ständig fielen irgendwelche zweideutigen Andeutungen. Nicht, dass es sie störte, doch unbewusst machte sie sich nun Hoffnungen, dass sie sie vielleicht doch auch mögen könnte. Daran sollte sie gar nicht denken. Es würde nicht passieren. Niemals. Und selbst wenn … Wie würde das bitte gehen? Sie selbst lebte momentan noch in Edinburgh, machte gerade ihre A-Levels. Ein ganzes Meer trennte sie bis zum nächsten Sommer. Sie sollte sich das ganz schnell aus dem Kopf schlagen! Es würde … „Morgen Schlafmütze. Endlich wach?“ Wieder zuckte sie zusammen, drehte sich dann zur Seite und sah Étaíns Silhouette. „W-wie lang beobachtest du mich schon?“ „Seit wir losgefahren sind.“ Dieses Grinsen … Es war schon so etwas wie Étaíns Kennzeichen geworden. Und auch der Grund, weswegen Rúnas Wangen wieder einmal glühten. „Perversling.“ „Du kennst mich.“ Schnell schüttelte sie nur den Kopf, stieg dann aus dem Wagen. „Noch eine halbe Stunde, dann beginnt das neue Jahr.“, wurde sie von ihrer Freundin auf den kommenden Jahreswechsel aufmerksam gemacht. „Wir sollten erstmal reingehen, hm?“ Ihre Hand wurde genommen, sanft wurde sie in das kleine Haus am Strand gezogen. „Bin wieder da!“ Zwei Katzen kamen ihr entgegen, die sie neugierig beschnupperten und leise maunzten. „Das sind Áine und ...“ „Ailie, ich weiß. Du hast mir mal Fotos von den beiden gezeigt.“ Eine der beiden Russian Blue-Katzen, Áine, wurde von Rúna hochgenommen und gekrault. „Sie mögen dich.“ „Hast du was anderes erwartet?“ Leise lachte sie, ließ den Vierbeiner wieder auf eben jene und zog Schuhe und Mantel aus, wurde dann von Étaíns Mutter und Schwester begrüßt. „Und du musst die berühmte Rúna sein.“ „Wann ist denn endlich eure Hochzeit?“ „Abbey, sei ruhig!“ Verdutzt über diesen Empfang musste Rúna lachen, war allerdings auch etwas irritiert, als sie die Frage nach der Hochzeit hörte. Was genau hatte Étaín ihrer Familie erzählt, wenn hier plötzlich von Hochzeit die Rede war? Vielleicht hatte sie sich die Andeutungen ja doch nicht eingebildet, wie sie immer gedacht hatte … „Lass uns hochgehen.“ Sie sah nur noch, wie ihre Freundin die Augen verdreht und sie dann die Treppe hoch in Richtung Zimmer gezogen hatte. Nun wusste sie irgendwie gar nicht mehr, wie sie reagieren sollte. Irgendwas stimmte hier doch nicht, oder? Dieses ausweichende Verhalten kannte sie von sich selbst, wenn sie wieder einmal über Gefühle und potentielle Freundinnen sprachen. Aber das bedeutete doch noch lange nicht, dass sie genauso war, oder? Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass hier irgendetwas faul war. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. „Was war das denn grade?“ Leise kicherte sie, nachdem die Tür geschlossen wurde und sie die Tasche abstellte. „Meine Schwester spinnt ein bisschen rum. Nur weil ich ein paar Mal von dir geredet habe, glaubt sie, wir würden heiraten.“ „Was wäre so schlimm dran?“ „Nichts. Aber das hat sie doch nichts anzugehen, oder?“ Eine Augenbraue wurde hochgezogen, bevor sie einige Schritte auf Étaín zuging. Sie wollte ihr so viel in diesem Moment sagen, doch wieder einmal fehlte ihr der Mut. Lautlos seufzte sie, ließ sich dann auf einem Stuhl nieder und blickte zur Uhr. 23.53 Uhr. Noch sieben Minuten. Vielleicht sollte sie ihr Vorhaben, ihr während ihres Aufenthalts von ihren Gefühlen zu erzählen, doch lieber abblasen. Das gerade war fast schon deutlich genug, dass sie das Thema hier besser nicht anschneiden sollte. Doch trotzdem … Jetzt war sie schon einmal hier, da sollte sie auch den Mut dazu aufbringen, ihr endlich zu sagen, wie sie für sie empfand. Sie wollte das nicht noch länger für sich behalten. Das konnte sie nicht. „Komm, wir gehen an den Strand. Ich hab sogar Wunderkerzen.“ Schief lächelte sie, ehe sie mit ihr das Haus verließ und zur nahegelegenen Küste ging. Dort waren kaum Menschen, was vermutlich am leichten Wind, der ging, lag. Und genau dieser Wind brachte sie dazu zu zittern, zu frieren. Am liebsten würde sie wieder reingehen, doch da wurde sie schon umarmt und so gewärmt. „Gehts?“ „Danke ...“ Eng schmiegte sie sich an sie, schloss die Augen, als sie nach einer kleinen Weile die Kirchenglocken läuten hörte. Mitternacht. Nun konnte man auch schon einige Raketen hören und sehen, wie sie den Nachthimmel für einen kurzen Augenblick erleuchteten. „Frohes ...-“ Doch weiter kam sie nicht, spürte sie doch schon die Lippen ihrer Geliebten auf den ihrer, die sie unterbrachen. „Man soll doch um Mitternacht immer die Person küssen, die man liebt ...“ Verwirrt blickte sie zu ihr, musste dann leise lachen. „Du spinnst doch.“ „Von wem ich das wohl hab ...“ Leicht schüttelte sie den Kopf, zündete dann eine Wunderkerze an, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste sie auf die Wange. „Frohes neues Jahr ...“ Besser hätte das neue Jahr wirklich nicht anfangen können. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)