Vergessen von Eissturm ================================================================================ Prolog: -------- „Wer bin ich?“, diese Frage stellen sich sicher Millionen dieser Wesen, die mich umgeben, am Tag, allerdings hat sie für mich eine ganz spezielle Bedeutung. Ich weiß es nämlich wirklich nicht. Ich könnte niemanden meinen Namen sagen, oder woher ich komme. Ich weiß es einfach nicht und wenn sich dieser Zustand nicht verändert, werde ich noch verrückt darüber, falls ich das nicht schon bin. Ich schaue in den Spiegel und zwei große grüne Augen schauen mich ängstlich an. Ich mustere mein Gesicht, dass mir beim ersten Mal genau so unbekannt war, wie die Augen, die mich damals zum Ersten Mal zu erblicken schienen. Es ist schmal und zart, wie mein Körper. Ob ich mich einmal schön gefunden habe? Nun ja, diese Frage ist ziemlich schwer zu beantworten, ohne Gedächtnis. Zumindest jetzt kommt mir mein Gesicht plump vor, die schrägen Augenbrauen katzenhaft und tückisch, um den Mund scheint sich bereits eine harte Linie der Verbitterung zu ziehen, obwohl ich kaum fünfzig sein kann, die Augen verhindern durch ihre Ängstlichkeit einen Blick durch sie in mein wahres Inneres, aber manchmal glaube ich einen Anflug von List, von Misstrauen, von Intelligenz gepaart mit Skrupellosigkeit und von Hochmut zu erkennen. Aber da ist manchmal auch Schmerz in ihnen, ein Schmerz der größer ist als man es sich vorstellen kann und da ist auch Sehnsucht. Sehnsucht wieder nach Hause zu gehen? Ist es mein Schmerz der es mir verwehrt in mein Inneres vorzudringen? Ist er es, der mich nachts aus Alpträumen hochschrecken lässt? Schützt sich mein Körper nur selbst? „Denk nach, Denk nach!“, schreit mein Kopf, aber ich kann die Gedanken, die dunklen Schemen nicht festhalten, die in meinem Kopf aufsteigen und bevor ich es richtig bemerke verschwinden sie wieder. Ich wende mich ab und verlasse das Zimmer… Kapitel 1: Liebe mit Hindernissen --------------------------------- Gerade war der Chilene dabei, seine Freundin zu verführen. Nackt lagen sie eng aneinander geschmiegt in ihrem gemeinsamen Bett und küssten sich leidenschaftlich. Als er sich daran machte, sich vom Hals seiner Freundin in tiefere Gefilde zu küssen, vernahm er ein lautes Poltern, das aus der unteren Etage zu kommen schien. Augenblicklich unterbrach der Chilene seine Arbeit und entfernte sich von seiner Freundin. "Hör nicht auf, Rod!", hauchte sie ihm verführerisch zu und wollte ihn mit einigen Streicheleinheiten dazu bewegen, seine unterbrochene Arbeit wieder aufzunehmen, welche von dem Chilenen jedoch prompt unterbrochen wurden. "Komm schon, die Kinder sind bei deinen Eltern, wir haben endlich wieder ein bisschen Zeit für uns. Die haben wir so selten seit Rebecca auf der Welt ist." - "Ich muss nach ihm sehen, Sandra!" - "Das kann doch nicht dein Ernst sein! Schmeiß ihn raus! Ich möchte nicht, dass er hier bleibt!" Verständnisvoll blickte er der Brünetten entgegen. "Ich weiß, Schatz. Aber er hat doch sonst niemanden. Wo soll er denn hin?" - "Das sollte nicht unser Problem sein, Rodrigo! Du bist nicht für ihn verantwortlich!" Erneut startete sie einen Versuch Rodrigo wieder in eine wilde Küsserei zu verwickeln, dieser wandt sich aber ab, schnappte sich seine Hose, zog sie über und schwang sich aus dem Bett. "Ich bin gleich wieder da. Versprochen!" Unten angekommen schaltete Rodrigo erst einmal das Licht ein. Die plötzliche Helligkeit blendete ihn jedoch und er musste zunächst einmal die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, sah er einen völlig aufgelösten Menschen zusammengekauert vor der Haustür sitzen. Zielstrebig ging er auf diesen zu und hockte sich vor ihn. "Hey... Was ist passiert?", vorsichtig legte er eine Hand auf den Unterarm seines Gegenübers. Erschrocken hob dieser seinen Kopf. "Wer sind Sie? Ich will zu meinen Eltern.", die Stimme zitterte, klang ängstlich und eingeschüchtert. Betroffen sog der Chilene die Luft ein. "Es ist alles OK, dir passiert nichts! Komm, ich bring dich wieder ins Bett!" - "Ich... Ich möchte nach Hause, bringen Sie mich zu meinen Eltern." Rodrigo sagte nichts, nahm ihn an der Hand und half ihm schwerfällig beim Aufstehen. "Heute nicht mehr. Morgen bringe ich dich zu ihnen. Jetzt ist es Nacht, deine Eltern schlafen schon. Wir wollen sie doch nicht aufwecken, oder?" Diese Aussage klang einleuchtend. Der Kleinere nickte und folgte Rodrigo den Flur entlang in das Gästezimmer, in dem er vor einigen Wochen eingezogen war. "Ich möchte gern ins Kino gehen!", rief der Andere unvermittelt aus. Verwirrt sah Rodrigo den Kleinen an. "Das machen wir morgen. Jetzt haben die Kinos schon zu. Und wenn du jetzt liegen bleibst und schläfst, kauf ich dir auch Popcorn, OK?" - Mit diesem Angebot gab sich der Kleine zufrieden und willigte ein. Nachdem Rodrigo den Anderen noch zugedeckt und ihm eine gute Nacht gewünscht hatte, wollte er das Zimmer wieder verlassen. "Wer sind Sie?", fragte der Andere erneut. Innerlich schüttelte der Schwarzhaarige den Kopf. Er war kurz davor die Geduld zu verlieren, beherrschte sich aber und drehte sich noch einmal um. "Morgen wirst du es doch sowieso wieder vergessen haben", antwortete Rodrigo traurig. Der andere lächelte nur. Dann verließ Rod das Zimmer und stieg die Treppen zu seiner Freundin hinauf. Das Bild, das er im Schlafzimmer vorfand, entsprach jedoch nicht ganz dem, was er sich erhofft hatte. Er hatte sich darauf gefreut, seine Freundin sich nackt räkelnd im Bett vorzufinden, wie sie auf ihn wartete. Doch nun stand sie da, angezogen und eine Tasche packend. "Was machst du da?" Ohne sich zu ihrem Freund umzudrehen, antwortete sie ihm kalt: "Nach was sieht es denn aus? Ich verschwinde. Ich kann das nicht Rodrigo, das geht jetzt schon seit Wochen so, wir haben keine Zeit mehr für uns. Familienleben habe ich mir anders vorgestellt!" Die Augen geschlossen lehnte der Schwarzhaarige seinen Kopf an die Tür hinter ihm. "Aber einer muss sich doch um ihn kümmern, Sandra. Bitte bleib, wir finden eine Lösung." Die Brünette schüttelte mit dem Kopf. "Wir haben die Verantwortung für zwei Kinder, Rod. Wir können ihnen das nicht zumuten. Ich habe Angst, dass er ihnen etwas antut, verstehst du nicht? Ich habe nicht die Zeit und die Kraft mich noch um ein drittes zu kümmern." - "Aber ich bin doch noch da..." - "Ja, Nachmittags. Aber während du auf der Arbeit bist, bin ich alleine mit ihm. Und er wird immer merkwürdiger. Manchmal hab ich richtig Angst vor ihm...", den letzten Satz hatte sie nur noch geflüstert. Rodrigo sah seine Freundin mitfühlend an. Die Art wir sie es aussprach zeigte ihm, dass sie es ernst meinte und nicht übertrieb. "Wir bekommen das hin. Ich werde mit Jan sprechen, vielleicht greift er uns ein wenig unter die Arme und..." Doch Sandra ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Sie zog den Reißverschluss ihrer Tasche schwungvoll zu und ging geradewegs auf die Zimmertür zu. "Nein Rodrigo. Wir sind nicht seine Eltern und Lösungen hast du mir schon oft genug versprochen. Und mit Jan wolltest du schon so oft sprechen, bisher hat das doch auch nicht's eingebracht, weil der ständig auf seinen blöden Reisen ist. Ich liebe dich, aber ich kann unter diesen Voraussetzungen nicht mit dir zusammen sein. Allein der Kinder wegen. Es tut mir leid, ich verlasse dich!" Er gab die Tür frei. "Ich hol die Kinder wie vereinbart am Sonntag bei deinen Eltern ab und fahre dann mit ihnen nach München. Wir werden fünf Tage weg sein, die Zeit sollte dir reichen, deine Sachen zu packen und auszuziehen. Ich sag den Kindern, dass du arbeiten musst und deshalb nicht mit kannst. Sie müssen davon ja nichts mitbekommen. Zumindest vorerst nicht..." Seine Freundin verließ das Schlafzimmer und kurz darauf auch die gemeinsame Wohnung... Rodrigo hatte keine Kraft dem etwas entgegenzusetzen. Er war ausgelaugt. Die Geschehnisse der letzten Monate hatten ihn geschafft. So startete er nicht einmal den Versuch seine Freundin aufzuhalten, legte sich ins Bett und erinnerte sich daran, wie alles begonnen hatte... Kapitel 2: Der Anfang allen Übels --------------------------------- Etwa zwei Jahre zuvor... Bei jedem vorbeifahrenden Auto sprang der Gitarrist auf und lief zum Fenster. Doch der Ersehnte erschien nicht. Nervös begann Jan damit im Raum auf und ab zu laufen, schaute jede Minute mindestens einmal auf seine Armbanduhr und seufzte dann laut. Der Chilene hingegen saß gelangweilt auf dem Sofa, blätterte in einer Zeitschrift und blickte immer wieder zu Jan hinüber. "Jetzt reicht es aber mal, du machst mich wahnsinnig. Setz' dich gefälligst hin oder geh raus!" Erschrocken über diese plötzliche Ansage blickte Jan zu Rodrigo. "Er ist zu spät!" - "Das kennen wir doch schon von ihm. Er kommt immer zu spät, langsam solltest du dich dran gewöhnt haben, Jan!", erwiderte der Jüngere gereizt. "Später als üblich, meine ich. Nicht, dass was passiert ist. Es ist schließlich spiegelglatt draußen." - "Dann ruf ihn doch einfach an und frag ihn, wo er bleibt!" Genervt rollte Jan mit den Augen. Auf diese simple Idee hätte er auch selbst kommen können. Er kramte sein mobiles Telefon aus seiner Hosentasche und wählte die Nummer des Ältesten. "Hallo Dirk, ich wollte nur mal fragen, ob du vorhast heute nochmal vorbei zu kommen." ... "Wieso? Na, das Chilenchen und ich sitzen hier und warten auf dich!" ... "Vielleicht, weil wir verabredet sind? Wir wollen proben für die nächste Tour." ... Plötzlich entglitten dem Blonden sämtliche Gesichtszüge. "Die Tour, die in drei Monaten beginnt? Dirk, hast du dir jetzt sämtliche Gehirnzellen weggesoffen? Sieh zu, dass du deinen Hintern hoch bekommst und innerhalb der nächsten 20 Minuten hier auf der Matte stehst!" Wütend legte der Gitarrist auf und warf einen entsetzten Blick in Richtung des Chilenen, der interessiert aufblickte. "Was ist los?" - "Er hat's vergessen!" Gleichgültig winkte der Schwarzhaarige ab. "Mach keinen Elefanten draus! Kann jedem mal passieren. War gestern wohl doch ein bisschen später bei ihm. Kommt er noch oder verschieben wir die Probe?" - "Er hat die komplette Tour vergessen, soviel kann selbst ein Bela B nicht trinken! Was bildet der sich eigentlich ein?" - "Vielleicht ist das einfach eine Begleiterscheinung des Älterwerdens.", witzelte der Chilene. "Hauptsache ist doch, dass er nächsten Monat mit dabei ist.", Rodrigo erhob sich von seinem Stuhl "Ich bin draußen, noch schnell ein, zwei Zigaretten rauchen, bevor wir endlich loslegen können." Eine dreiviertel Stunde und drei Zigaretten später fuhr endlich der Wagen des Schlagzeugers auf den Hof. Rodrigo nahm einen letzten Zug, warf die Kippe auf den Boden und trat sie aus. "Hallo Dirk! Schön, dass du auch noch auftauchst. Gab's Stau?" - "Hi Rod! Nee, ich konnte meinen Autoschlüssel nicht finden. Ich hab das halbe Haus auf den Kopf stellen müssen, bis ich ihn endlich gefunden habe... Können wir?" - "Das haben wir gern. Erst zwei Stunden zu spät hier aufkreuzen und dann stressen.", grinste Rodrigo. "Tut mir ja leid, ich hab's einfach vergessen. Passiert doch jedem mal.", giftete Dirk. Besänftigend hob der Chilene die Arme. "Schon gut, schon gut, ich bin ein geduldiger Mensch. Jan ist es, dem du Rechenschaft ablegen solltest." Auf dem Weg nach drinnen betrachtete der Chilene den Schlagzeuger genau. Dessen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab. "Wo waren sie denn?" Überrascht wandt Dirk seinen Blick dem Jüngeren zu. "die Autoschlüssel.", bekräftigte Rod. "Achso." Der Kleinere grinste verlegen. "Ich hatte sie im Kühlschrank vergessen..." "BELAAAAAA!!!!! Jetzt reiß dich aber mal zusammen. Wir sind echt eingerostet und sollten wirklich proben. Wenn wir auf der Tour so grottenschlecht spielen, wird das unsere letzte sein!", Jan war wütend. Nicht nur, dass der Schlagzeuger sie zwei Stunden hatte warten lassen, nein, jetzt versemmelte er auch noch jedes dritte Lied. "Reg dich nicht so auf, Aussetzer gehören einfach mit zur Bühnenshow.", witzelte der Älteste. "Klar, hin und wieder einen Textaussetzer zu haben ist normal. Aber du übertreibst maßlos. Wir sind wirklich schlecht. - Ausgenommen von Rod, natürlich! Nächsten Monat müssen wir wenigstens einigermaßen überzeugen, sonst können wir einpacken, Die Fans in Tula kennen uns nicht, die erwarten ne einwandfreie Show!" Rodrigo, seineszeichens überaus harmoniebedürftig, war es der geschickt vom Thema ablenkte. "Jungs, ich hab echt Hunger. Lasst uns doch was essen gehen, vielleicht können wir mal ein bisschen über die Planung für das nächste Album sprechen. Das muss auch langsam in Angriff genommen werden. Zum Proben können wir uns ein andern Mal treffen. Bis zur Tour sind wir fit, hat bisher doch auch immer funktioniert. Kein Grund jetzt zu streiten." Wütend schnaubte der Blonde. "Ich hoffe, du behältst Recht." - "Sicher, cool bleiben! Lass uns gehen." Dirk war Rodrigo überaus dankbar für sein Ablenkungsmanöver und machte sich als erster auf den Weg nach draußen. Erst nachdem die Kellnerin die Getränke der drei Musiker an den Tisch gebracht hatte, begannen sie über die Planung des in Kürze anstehenden Albums. "Und? Habt ihr euch schon eure hübschen Köpfe über den Namen zerbrochen? Habt ihr Ideen? Anregungen?" Jan hatte sich mittlerweile wieder etwas entspannt und war wesentlich weniger feindseelig als noch vor einigen Minuten im Studio. Rodrigo schüttelte den Kopf. "Ich hatte zwar ein paar Ansätze, aber was wirklich gutes und aussagekräftiges ist mir nicht in den Kopf gekommen. In einem Haus, in dem ein Kind lebt, fällt das Arbeiten wirklich schwer. Aber der Name sollte das geringste Problem sein, viel mehr müssten wir so langsam die Stücke zusammentragen." Der Chilene wandte sich dem Schlagzeuger zu, welcher ziellos in der Gegend umherschaute. "Hilfst du mir wieder ein bisschen bei den Texten? Ich hab auch noch ein paar Akkorde überschüssig, vielleicht können wir den ein oder anderen bei deinen Texten mit unterbringen." Der Schlagzeuger reagierte nicht. Fragend warf der Jüngste der Runde dem Größten einen Blick zu. Der zuckte nur mit den Schultern. "Vielleicht hat er gerade eine spontane Eingebung bezüglich des Albumnamens.", witzelte er. Nachdem Dirk auch darauf nicht reagierte, wurde er von Rodrigo angestoßen. "Dirk, hörst du mir überhaupt zu?" Der Schlagzeuger schreckte auf. "Hast du was gesagt?" Jan und Rod grinsten. "Guten Morgen, Dornröschen. Ich hab gefragt, ob wir uns morgen nochmal treffen können um meine Texte durchzugehen." Der Schlagzeuger willigte ein. "Klar, ich bin morgen um zehn bei dir. Sorg' dafür, dass du was zum Frühstücken da hast, sonst fahr ich wieder heim." - "Geht in Ordnung, die Marzipancrossints stehen für dich bereit.", antwortete der Bassist lächelnd. Nach einem kurzem Blick auf die Uhr trank er seine Cola aus. "Jungs, ich muss gehen, Sandra hat einen Termin beim Arzt und ich muss Clara vom Kindergarten abholen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)