Der Kater auf dem Besenstiel von elm ================================================================================ Kapitel 1: Ein besonderer Kater ------------------------------- Kunibert sitzt in seinem Verschlag in der Ecke des Hexenkaterladens und wartet. Er hockt so weit hinten in der Ecke, dass ihn das flackernde Licht der vielen Kerzen und das schummrige Tageslicht von draußen kaum noch erreicht. Doch sein struppiges Fell flammt rot und seine Augen schimmern grün. Und obwohl Kunibert ein sehr imposanter Kater ist, mit einem buschigem Schwanz und wilder Mähne, steht keine einzige Hexe vor seinem Käfig. Da gerade stolziert der majestätische Kater vom Käfig nebenan mit seiner neuen Hexe aus dem Laden. Und gegenüber präsentiert sich Kuniberts Nachbar von seiner allerbesten Seite. Eine junge Hexe trägt ihn schließlich auf ihrer Schulter aus dem Geschäft. Nur Kunibert bleibt zurück. Mal wieder. Denn Kunibert hat rotes Fell, und ein Hexenkater muss nun einmal schwarz sein. Das weiß der Hexenkaterladenbesitzer, das weiß jede Hexe und natürlich weiß das auch Kunibert. Doch heute und nur heute hat Kunibert Glück, nur ahnt er davon noch nichts. Den vor dem Laden steht Miribel. Wenn Hexen einen Spitznamen hätten, dann würde Miribels wohl Mini heißen. Denn sie ist wirklich klein und winzig. Doch Hexen haben keinen Spitznamen und so heißt Miribel eben Miribel. Gerade erst und gerade so hat sie ihre Prüfung an der Hexenschule bestanden. Und nun braucht sie, wie jede Hexe die etwas auf sich hält, einen Hexenkater. Kling kling bimmelt die Glocke über der Tür, als Miribel den Laden betritt. Sie hat als letzte ihre Hexenprüfung bestanden und darf deshalb erst als letzte ihren Hexenkater abholen. Doch enttäuscht steht sie in der Tür, alle Käfige sind leer und kein einziger Kater mehr für sie übrig. „Haben Sie denn gar keinen Kater mehr für mich übrig?“, fragt sie etwas verzagt den Hexenkaterladenbesitzer. Etwas verlegen blickt dieser drein. «Na ja», drückst er herum. «Einen Kater hätte ich noch. Da ganz hinten in der Ecke hockt Kunibert.» Kunibert horcht auf, war da gerade die Rede von ihm? Er setzt sich kerzengerade auf, streicht mit seiner Pfote einige sträubende Bart Haare glatt und späht angestrengt ins halbdunkel vor ihm. Seine Augen glühen wie grüne Kohlen, als Miribel an seinen Käfig tritt. «Aber der ist ja rot!» ruft sie entgeistert. «Ich weiß», entgegnet der Hexenkaterladenbesitzer. «doch es ist der einzige, der noch übrig ist.“ Miribels Blick wandert durch den Laden mit den leeren Käfigen und zurück zu Kunibert. «Ach was soll’s. Ob nun rot oder nicht, ich nehme ihn. Denn was ist eine Hexe ohne ihren Hexenkater.» Seine Käfigtür öffnet sich und mit stolz erhobenem Schwanz springt Kunibert heraus. Streicht um die Beine von Miribel und maunzt. Gemeinsam verlassen beide den Laden, Miribel mit eingezogenen Schultern, Kunibert mit stolzen Schritten. Kapitel 2: Ein unerwartete Einladung ------------------------------------ Gerade als sie aus der Tür treten und um die erste Ecke biegen, kommt ihnen Wilhelmine Sprottertal entgegen. An ihrer Seite flaniert ihr eindrucksvoller Angorakater Kasimir. Kohlrabenschwarz schimmert sein Fell und eine Mähne umgibt seinen majestätischen Kopf. Kunibert kennt Kasimir noch aus dem Hexenkaterladen, er war der allererste Kater, der seine neue Hexe gefunden hatte. ‚Er ist genauso schön wie eingebildet. Und dabei hat er doch nur Stroh im Kopf.’ denkt sich Kunibert, als er seinen Schwanz um die Beine von Miribel wickelt und sich vor ihr auf seine Hinterpfoten setzt. „Oh, hallo Miribel, wie schön Dich zu sehen“, säuselt Wilhelmine und mustert Miribel mit zusammengekniffenen Augen. „Hast Du es endlich aus der Hexenschule geschafft? Weil lange hast Du dafür gebraucht, sieben Jahre? Ich war ja schon nach drei Jahren fertig, aber wenn man so talentiert ist, wie ich und aus solch einer altehrwürdigen Familie stammt, dann ist das auch kein Wunder. Und einen Kater hast Du Dir auch besorgt, was für ein Prachtexemplar, nur was soll ich sagen, die Farbe stimmt nicht. Hatten sie keinen schwarzen mehr? Oder hast Du kein Geld, um ihn schwarz anzumalen?“ Miribel weiß nichts zu antworten, doch Wilhelmine lässt sie ihr keine Zeit zum Luftholen, sondern fährt gleich fort, plappert ohne Punkt und Komma weiter. „Da Du ja nun eine, nun wie soll ich sagen, vollwertige Hexe bist, dann hast Du gewiss von unserem alljährigem Hexenwettbewerb gehört. In einem Monat ist es soweit und jemand wie Du kann die 100 Goldtaler sicher gut gebrauchen. Nicht, dass Du eine Chance hättest … Komm Kasimir wir gehen.“ Kopf erhoben, trippelt Wilhelmine von Sprottertal an Miribel vorbei, Kasmir stolziert an ihrer Seite, der schwarzen, buschigen Schwanz schlägt wild in der Luft. Sie würden Miribel und Kunibert keines weiteren Blickes. „Was für eine eingebildete Schnepfe“ maunzt Kunibert und macht dabei einen Buckel. „Aber das Wettbewerb, das Geld, das könnten wir wirklich gut gebrauchen“, flüstert Miribel. Sie sieht Wilhelmine noch einen Augenblick nach, dann strafft sie sie ihre Schultern und bringt Kunibert in sein neues Zu Hause. Kapitel 3: Nächtliche Aktivitäten --------------------------------- Eingerollt in seinem Lieblingssessel, blinzelt Kunibert in die Flammen. In der Ecke brodelt ein Zaubertrank im großen Kupfer Kessel, Miribel beugt sich über ihr dickes Zauberbuch und blättert hektisch durch die Seiten. ‚Zaubertränke sind einfach nicht ihre Stärke’, denkt sich Kunibert und gähnt. Gelbe Nebelschwaden wandern durchs Zimmer und es riecht nach faulen Eiern und altem Fisch. Dabei zaubert Miribel eigentlich einen süßen Duft für alte Schuhe. ‚Nun, von zaubern kann keine Rede sein. Sie versucht es zwar, aber wenn ich nicht ab und zu heimlich ihre Tränke retten würde, hätten wir nicht mal genügend Geld für mein Futter.’ Miribels Hexenkünste sind wirklich grauenhaft, einzig und allein mit Zauberpflanzen kennt sie sich aus. In ihrem kleinen Garten vor der Haustür gedeihen Augentrost und Bibernelle, Tausendgüldenkraut und der rote Fingerhut. Und wenn sie sich abends müde und traurig ins Bett legt, springt Kunibert auf ihr Zauberbuch und liest die Rezepte. Inzwischen kann er das dicke Buch auf dem Schreibtisch auswendig und hat sich ein kleines rotes vorgenommen. ‚Doch wenn ich das nachher lesen will, muss ich erst einmal dafür sorgen, dass ich in diesem Zimmer wieder atmen kann.’ Miribel steht seufzend auf, wirft noch einen resignierten Blick in ihren Kessel, streichelt Kunibert über den Kopf und schlurft ins Bett. Kunibert dagegen streckt sich ausgiebig und schreitet zur Tat. Schleicht in den Garten und pflückt sich Rosenblätter und eine Vanillieschote, nimmt dazu einen Stängel Zitronenmelisse und ein Stückchen Zimtrinde. Damit trabt er zurück zum Zauberkessel und widmet sich den Tränken im Regal hinter ihm. ‚Miribel übertreibt es immer wieder. Wenn sie eine Prise Schwefel nehmen soll, nimmt sie gleich einen ganzen Löffel. Und wer muss das nun wieder gerade biegen? Ich natürlich.’ Brummelnd schnappt sich Kunibert Fläschchen um Fläschchen und schüttet, tropft, gießt und träufelt die schimmernden Flüssigkeiten in den Kessel. Endlich lichten sich die Nebelschwaden, endlich kann Kunibert wieder tief durchatmen. Schnell wirft er noch die Kräuter und Gewürze aus Miribels Garten hinein und drosselt das Feuer unter dem Kessel. ‚Das sollte genügen’ denkt er sich selbstzufrieden und schleicht zum kleinen, roten Zauberbuch in das er sich vertieft, bis die Morgensonne ihre ersten Strahlen ins Zimmer wirft. Kapitel 4: Schwere Aufgaben --------------------------- Als Miribel zum Sonnenaufgang schlaftrunkend aus ihrem Bett steigt, traut sie ihren Augen und vor allem ihrer Nase nicht. Der Zaubertrank, den sie gestern Abend über dem Feuer zurückgelassen hatte, duftet unbeschreiblich gut – fruchtig und süß, ein bisschen nach Plätzchen und frischer Luft. Erklären kann sich Miribel das - mal wieder – nicht, aber sie hatte auch keine Zeit zum Nachdenken, denn es klingelt an der Hüttentür. „Kunibert!“ ruft Miribel und weckt den Kater damit aus seinem wohlverdienten Morgenschlaf. „Kunibert die Einladung ist da. Die Einladung zum Hexenwettbewerb. Wilhelmine hat sie mir tatsächlich geschickt, der Postbote hat extra geklingelt, um sie mir persönlich zu geben.“ „Na und?“, gähnt Kunibert. „Das ist doch kein Grund, mich zu wecken.“ Schließlich habe ich die ganze Nacht gearbeitet, denkt er sich, doch behält das wohlweislich für sich. Doch Miribel lässt ihn nicht mehr schlafen. „Der Wettbewerb ist schon an diesem Wochenende. Kunibert, das ist in drei Tagen!“ Sie scheucht Kunibert vom Sessel und fällt hinein. Den Brief liest sie mehrmals durch, bis ihn dann entmutigt in ihren Schoß sinken lässt. „Zaubertränke“, stöhnt sie entgeistert. „Dieses Jahr geht es um Zaubertränke. Wer beim Wettbewerb den besten Sonnenlichtstrank braut, der hat gewonnen. Ach, Kunibert, wie soll ich das denn machen? Einen Sonnenlichttrank, den habe ich noch nie gebraut. Der ist viel zu schwer. Und ich habe nur drei Tage Zeit, ihn zu lernen.“ Kunibert hebt sein Kopf, spitzt die Ohren. Einen Sonnenlichtstrank, davon hat auch er noch nie etwas gehört. Was nun? Doch Miribel lässt sich nicht einschüchtern. Nachdem der erste Schreck verflogen ist, springt sie auf und eilt zu ihren Zauberbüchern. „Nein, das ist es nicht, nein das auch nicht. Verflixt, wo habe ich es denn nur?“ Sie zieht ein Buch nach dem anderen aus dem Regal, blättert es schnell durch, stellt es ungeduldig wieder zurück. „Kunibert wo ist es? Wo ist das Buch, das ich zum Hexenabschluss von der Schule bekommen habe?“ Den ganzen Vormittag sucht sich Miribel durch ihre Bücher, Kunibert hat sich inzwischen auf den Kaminsims verzogen. Dort wird er immerhin nicht von umher fliegenden Büchern getroffen. Dann, endlich, der Triumphschrei. „Da, da, endlich. Kunibert, ich habe es gefunden! Es lag ganz oben auf meinem Schrank. Himmel, ist das eingestaubt.“ Vorsichtig bläst sie den Staub vom Buchdeckel, steigt ihre Leiter hinunter, die sie in der Zwischenzeit aufgestellt hat, und setzt sich wieder in den Sessel. „Nun schauen wir mal, Sonnenlichtstrank … Sonnenlichtstrank, wo steht er? Ach da, Seite tausenddreihundertundsechs.“ Kunibert springt vom Kaminsims auf die Sessellehne und schaut über Miribels Schulter. Die hat inzwischen die Seite tausenddreihundertsechs aufgeschlagen. „Was brauchen wir? Sonnenblume, na klar. Außerdem Schneeglöckchen, Sonnengold, Sonnenhut, Sonnenröschen … die habe ich alle draußen im Garten stehen. Sonnengold und Strähl brauche ich auch, gut, dass ich die dieses Jahr zum ersten Mal ausgepflanzt habe. Außerdem Morgentau, den können wir am Morgen vor dem Wettbewerb sammeln. Und Bergkristall, Bienenwachs, Perlmutt und eine Prise Diamantenstaub. Das bekomme ich alles im Laden …“ Nachdenklich tippt Miribell auf die aufgeschlagene Seite. „Doch Diamantenstaub ist teuer. Wir können uns nur diese eine Prise leisten. Wir können vor dem Wettbewerb also nicht einmal üben. Ach herrjee.“ Miribel beugt sich über ihr Buch und studiert das Rezept, wieder und wieder. „Wenn wir schon nicht üben können, Kunibert, dann lerne ich das Rezept eben auswendig und braue es eben erst einmal in Gedanken, dann kann nichts mehr schiefgehen.“ Erst als der Mond durchs kleine Fenster scheint, legt Miribel das Buch beiseite. Sie streckt sich ausgiebig, streichelt noch einmal über Kuniberts Kopf. „Morgen“, sagt sie gähnend, „morgen kaufen wir die Zutaten ein. Und übermorgen pflücken wir die Pflanzen, schließlich sollen sie frisch sein. Und dann, dann geht’s los zum Hexenwettbewerb.“ Kapitel 5: Der Wettbewerb ------------------------- Samstagmorgen hockt Kunibert vor Miribel auf ihrem alten Besen und klammert sich mit seinem Schwanz und den Vorderpfoten am Besenstiel fest. Der Flugwind zerzaust sein Fell und lässt seine Barthaare um sein Gesicht fliegen. Seine Augen tränen und er klammert sich mit Leibeskräften am Besenstiel fest. Miribel fliegt schnell. Sie ist aufgeregt und als sie schließlich den Hexenberg vor sich liegen sieht, steuert sie im Steilflug darauf zu. Kunibert kann sich bei der Landung nicht mehr halten und überkugelt sich im Gras. Miribel dagegen bremst, wirbelt dabei eine riesige Staubwolke und steigt vom Besen. „Ähem!“ ertönt es hinter ihr. „Musst Du immer so ein Aufsehen erregen, Miribel?“ Aus der Staubwolke tritt Wilhelmine von Sprottertal an Miribel heran und hält sich ein weißes Spitzentaschentuch vor den Mund. „Hast Du nicht einmal gelernt, elegant zu landen? Nun, mal sehen, ob Du beim Wettbewerb eine bessere Figur machst. Aber das würde mich überraschen.“ Wilhelmine lässt die verdatterte Miribel stehen und verschwindet in der Menge. Miribel hat kaum Zeit, ihren Kunibert einzusammeln, als sie schon den Aufruf zum Wettbewerb hört. „Sehr geehrte Hexen und Hexer. Ich begrüße sie alle zum diesjährigen Hexenwettbewerb. Würden sich alle Teilnehmer bitte bei der Bühne einfinden. Der Wettbewerb beginnt in zehn Minuten.“ „Nun aber flott, Kunibert. Hilfst Du mir tragen?“ Voll bepackt mit Zauberbuch, dem alten, zerbeulten Kessel, dem Sack voller Zutaten und dem Bündel Kräuter marschieren Miribel und Kunibert auf die Bühne zu. Drängeln sich an den wartenden Hexen und Hexern vorbei und kämpfen sich so langsam zur Bühne vor. Gerade noch rechtzeitig bauen sie ihren Zauberkessel über dem Feuer auf, breiten die Zutaten auf dem kleinen Tisch daneben aus und schlagen das Zauberbuch auf der Seite tausenddreihundertsechs auf. Kunibert macht es sich auf der freien Tischecke bequem, Miribel schaut angespannt auf den Schiedsrichter des Turniers, den alten Hexer Wilibald. Direkt neben den beiden stehen Wilhelmine und Kasimir bereit. Ihr Silberkessel blitzt in der Morgensonne und ihre Zutaten häufen sich auf dem Tisch. „Verehrte Teilnehmer. Ihre Aufgabe ist es heute, einen Sonnenlichtstrank zu brauen, sie haben bis zum Sonnenzenit Zeit. Nach der Mittagspause bewertet die Wettbewerbsleitung die Tränke, der beste Trank gewinnt. Verehrte Hexen und Hexer, haben sie alle ihre Zutaten vor sich? Dann, auf die Plätze! Fertig! Los!“ Miribel schneidet ihre Pflanzen zurecht, vermischt die Zutaten, schmelzt das Bienenwachs, pulverisiert das Perlmutt und den Bergkristall, vermischt alles mit dem Morgentau im Kessel. Sie wuselt und rührt, doch als die Sonne im Zenit steht, leuchtet ihr Trank nicht so, wie bei Wilhelmine nebenan. Es ist eine dicke, trübe Brühe. „Das wars dann wohl“, sagt sie traurig und schlurft von der Bühne. Kapitel 6: Dumme Entscheidungen ------------------------------- Kunibert hat sich alles genau angesehen. Er weiß genau, welche Fehler Miribel gemacht hat. Heimlich versteckt er sich in Miribels Beutel, den sie unter dem Tisch liegen gelassen hat. Erst als alle Hexen zum Mittagessen gegangen sind, wagt er sich behutsam hervor. Lugt vorsichtig nach links und rechts und hüpft dann auf den Tisch. „Oh, das sieht schlimm aus“, brummt er, als er einen Blick in Miribels Kessel wirft. „Doch nichts, was ich nicht hinbekommen würde.“ Wie auch schon in ihrem kleinen Haus träufelt und schüttet er Zutaten um Zutaten in den Kessel. In seinem Eifer bemerkt er nicht, wie sich eine Gestalt hinter einem Baum versteckt und ihn beobachtet. Leise huscht sie ins Gebüsch, während Kunibert den Kessel nach der Mittagssonne ausrichtet und siehe da, nach einer Stunde strahlt Miribels Zaubertrank mit der Sonne um die Wette. Hochzufrieden mit sich selbst schlüpft Kunibert wieder in seinen Beutel. Gerade noch rechtzeitig, denn die ersten Hexen kommen bereits zurück zur Bühne. Kapitel 7: Disqualifiziert -------------------------- Um die dampfenden Kessel sammelt sich eine riesige Traube neugieriger Hexen und Hexer. Miribel drückt sich an den Rand der Bühne und traut ihren Augen nicht. Ihr missratener Sonnenlichtstrank leuchtet wie die Sonne am Himmel. Wie kann das sein? Gerade eben war er doch nur eine trübe Brühe gewesen? Doch ihr bleibt keine Zeit, sich über das Wunder Gedanken zu machen. Schon tritt die Jury angeführt von Wilibald an die Kessel. Wilhelmine hat sich hinter ihrem Kessel aufgebaut und blickt säuerlich auf Miribels Trank. Ihr gewaltiger schwarzer Kater Kasimir schnurrt ihr um die Beine. Murmelnd geht die Jury von Kessel zu Kessel beraten sich bei jedem Trank und kritzeln geheimnisvolle Notizen auf ein Pergament. Wilhelmines Trank beeindruckt sie ganz eindeutig, doch bei Miribels Sonnenlichtstrank sind alle sprachlos. „Bravo!“ ruft Wilibald ganz aus dem Häuschen. Miribel wird rot, und tritt von einem Fuß auf den anderen. Sie fühlt sich unbehaglich und kann es sich einfach nicht erklären, wie aus ihrer missraten Brühe dieser fantastische Trank geworden ist. „Sehr geehrte Hexen und Hexer“, ruft da Wilibald. „Die Jury zieht sich nun zurück, um den Dieger zu bestimmt. Doch laufen sie nicht weg, es wird nicht lange dauern!“ Im Augenwinkel sieht Miribel, wie Kasimir seine Herrin Wilhelmine am Rockzipfel wegzieht, da kitzelt Kuniberts buschiger Schwanz an den Waden. Sie kichert und hebt ihren Hexenkater hoch. Da kommt die Jury auch schon wieder. Miribel ist schlecht vor Aufregung. Sie drückt ihr Gesicht in Kuniberts Fell. „Unsere Entscheidung ist einstimmig!“ schreit Wilibald in die Menge. „Ganz eindeutig hat Miribels vorzüglicher Sonnenlichtstrank gewonnen. Er strahlt wie die Sonne selbst und sein Duft wärmt die Seele. Eine hervorragende Leistung für eine so junge Hexe, die gerade erst die Hexenschule beendet hat. Der zweite Platz geht an Wilhelmine von Sprottertal und der dritte an Brundhilde aus Dunkelwald. Miribel komm doch bitte nach vorn. Und ja liebe Hexen und Hexer, sie dürfen ruhig applaudieren.“ Miribel wagt gar nicht zu glauben. Was? Mein Trank? Mit zitternden Knien wankt sie zu Wilibald, der sie herzlich umarmt und ihr den goldenen Mörser des Siegers übergibt. Da kreischt eine Stimme von hinten. „Betrug! Miribel hat betrogen!“ Alle Köpfe drehen sich nach hinten, da steht Wilhelmine zornesrot, mit struppigen Haaren, ihr Kater Kasimir fauchend und buckelnd zu ihren Füßen. „Verehrte Wilhelmine, was … „ Doch Wilhelmine schneidet ihm das Wort ab. „Nicht Miribel hat den Trank gebraut, sondern ihr Nichtsnutz von Kater“. „Aber Wilhelmine“, versucht Wilibald zu beschwichtigen. „Wir haben doch alle gesehen, dass Miribel am Kessel stand und nicht ihr, nun ja, seltsamer Kater.“ „Aber war jemand hier, als alle beim Mittagessen waren?“ fragt Wilhelmine triumphierend. „Nein, es war keine hier. Aber mein Kasimir, mein treuer Kasimir hat beobachtet, wie dieser rote Teufel sich an Miribels Kessel geschlichen hat und heimlich den Trank verändert hat. Gib es zu Miribel. Das hast Du geplant.“ Miribel steht da, wie vom Blitz getroffen. „Ich …“ stammelt sie. „Ich wusste davon nichts. Ich bin ja zum Essen gegangen, wie alle anderen auch. Kunibert, stimmt das?“ Der rote Kater würde am liebsten im Erdboden versinken, als ihn alle anstarren. „Ja“, maunzt er schließlich leise. „Ich wollte Dir doch nur helfen, Miribel.“ „Pah!“ höhnt Wilhelmine. „Was kann man auch von einem roten Hexenkater erwarten. Mein Kasimir hätte das niemals gemacht.“ „Nun“, ruft Wilibald die Hexen und Hexer wieder zur Ruhe. „Anbetracht dieser Umstände, Mirbel, müssen wir Dich disqualifizieren. Der erste Preis geht an Wilhelmine.“ Die streckt triumphierend und höhnisch grinsen ihre Hände nach dem goldenen Mörser aus, schnappt ihn und stolziert mit Kasimir im Schlepptau davon. Auch die Zuschauer verstreuen sich und Miribel bleibt mir Kunibert allein zurück. „Es tut mir wirklich Leid, Miribel“, flüstert Kasimir. „Das wollte ich nicht.“ „Ich weiß Kunibert, aber es ist jetzt auch egal. Jetzt wissen alle, dass ich im Zaubern eine Null bin. Was habe ich mir nur dabei gedacht, hierher zu kommen. Komm hilf mir unsere Sachen zusammenzupacken.“ Da tritt ein altes Hexlein an ihren Tisch und legt Miribel die Hand auf den Arm. „Kleine Miribel ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt bin.“ Miribel schaut sie ungläubig an und seufzt dann „Sie müssen mich nicht auch noch verhöhnen Frau Sonnenhut, ich fühle mich schon miserabel genug.“ „Aber ich verhöhne sie doch gar nicht! Ihr Trank war, nun ja, ein Desaster. Aber dass ihr Kater ihn doch noch retten konnte, das kann nur an einem liegen. An der herausragenden Qualität der Zutaten. Verraten sie mir Miribel, woher haben sie das Sonnenröschen und Sonnengold? Ich habe noch nie so wunderbare, kräftige und saftige Pflanzen gesehen. Schauen sie nur, obwohl sie schon vor einem Tag geerntet wurden stehen sie immer noch voll im Saft, sind knackig und wie frisch. Verraten sei mir Miribel, wo die diese Pflanzen her haben.“ „Aus meinem Garten Frau Sonnenhut, ich baue fast alle Zutaten in meinem Garten an.“ „Oh, Fräulein Miribel, haben sie nicht zufällig Queller in ihrem Wundergarten. Ich suche schon seit Wochen danach.“ „Aber natürlich habe ich Queller, wie viel brauchen sie denn?“ „Oh, nur ein Säckchen voll, und ich bezahle natürlich. Sind zehn Goldtaler ausreichend?“ „Aber sicher, natürlich“ stottert Miribel und kann ihr Glück kaum fassen. „Hier ist ihr Gold Fräulein Miribel“ sagt Frau Sonnenhut und zählt Miribel die Münzen in die Hand. „Ich hole den Queller dann morgen ab, einverstanden? Und bleiben sie noch einen Augenblick stehen. Ich kenne eine ganze Menge Hexen, die solch eine tüchtige Gärtnerin wie sie gut brauchen können“, sprach’s und verschwindet in der Menge. Kurz darauf steht Miribel mitten in einer Hexenmenge und nimmt Bestellung um Bestellung auf. „Kunibert“, flüstert sie. „Davon können wir einen Monat leben, und sie wollen wiederkommen und noch mehr kaufen. Kunibert, ich muss nicht mehr zaubern, ich kann meine Pflanzen verkaufen. Ist das nicht zauberhaft.“ Kapitel 8: Drei Monate später ----------------------------- Miribel stapft mit ihren Gartenschuhen in ihr kleines Haus, Erdbrocken fallen auf die Holzdielen, doch sie achtet nicht darauf. Sie nimmt einige Samen und Setzlinge und verschwindet wieder nach draußen. Da stehen vier fünf Hexen und Hexer und schwatzen. Über ihrer Eingangstür prangt stolz das Schild „Miribels Hexenzutaten – allerbeste Qualität ganz ohne Hexerei“ „Ihre Misteln sehen aber vorzüglich aus, Fräulein Miribel, kann ich davon ein dutzend Zweige haben?“ „Aber natürlich Frau von Sturmwolke, suchen sie sich einfach die Zweige heraus, die sie haben wollen.“ „Ach Fräulein Miribel, verraten sie mir, was sie mit den Schneebeeren machen, damit sie die auch im Sommer ernten können?“ „Das Herr Tannengrün ist mein Geheimnis. Aber ich verkaufe ihnen gern einen Setzling.“ „Dann doch lieber gleich eine ausgewachsene Pflanze. Wie viel macht das, Fräulein Miribel.“ Wie Ihr seht, läuft Miribels Geschäft glänzend. Sie konnte ihr kleines Häuschen renovieren und widmet sich jeden Tag ihren geliebten Pflanzen. Und Kunibert? Der liegt auf seinem Kaminsims und schnurrt. Und wenn ihm danach ist, dann braut er einen Trank für den Hausgebrauch. Andere Hexenkater besuchen ihn und er unterrichtet sie im Lesen und Brauen. Keiner verspottet ihn mehr, weil er ein roter Hexenkater ist. Er hat sogar schon die eine oder andere Hexe mit einem anderen bunten Hexenkater gesehen. Es gibt inzwischen getigerte, weiße, gescheckte. Und keine Hexe schämt sich mehr ihretwegen. Und abends, wenn Miribel, müde von der anstrengenden Gartenarbeit, eingeschlafen ist, kuschelt er sich an ihre Füße und schmökert im nächsten Zauberbuch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)