Sugar Sugar Rune - Sechs Jahre später (wird aktuell überarbeitet) von Anastasya ================================================================================ Kapitel 26: Romeo und Julia oder: Unverhofft kommt tatsächlich -------------------------------------------------------------- Ungläubig sah ich zu Pierre hoch. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass er rüber gekommen war, geschweige denn, dass er hier war. Der Typ - mittlerweile kann ich ihn wohl meinen Angreifer nennen - hielt, genauso wie ich, inne. Pierre sah wahnsinnig gut aus in seinem schwarzen Smoking. Ach du Scheiße, das war mein erster Gedanke! Pierres Augen waren hart und kalt wie immer und schienen den Kerl zermürben zu wollen. "Immerhin willst du ihr doch keine Unannehmlichkeiten bereiten oder dich gar selber in Schwierigkeiten bringen." Anscheinend zeigten Pierres Worte Wirkung, denn mein Angreifer zog sich von mir zurück, warf mir noch die Worte: "Du weißt ja nicht, was dir entgeht.", zu; dann ging er. Ich war immer noch wie vor den Kopf gestoßen und konnte Pierre einfach nur ansehen. "Dankeschön." Ich schaute noch verwirrter. "Das ist das, was du sagen solltest." Nun kam wieder Leben in mich. Ich erhob mich - wenn auch schwankend - und entgegnete barsch: "Vonwegen! Ich hätte das auch alleine geschafft. Du sollst dich nicht in meinen Kram einmischen!" "Chocola, ich habe dich davor bewahrt, vergewaltigt zu werden. Was machst du überhaupt alleine hier? Und wieso bist du betrunken? Du bist noch nicht volljährig." Echt, als würde ich mich mit Lovin unterhalten. Ich hob meinen Zeigefinger an sein Gesicht und versuchte, so normal wie möglich zu wirken. Ich war noch nie betrunken, aber jetzt anscheinend schon. Egal, ihn ging das dennoch nichts an. "Wie gesagt: Mein Leben geht dich nichts an. Und nur damit du's weißt: Deine Gesellschaft wünsche ich ebenso wenig!" Pierre sah mich einfach nur an. Ich wollte ihn von mir weg schieben, geriet aber ins Wanken und schien nach hinten zu kippen. Jetzt fiel ich also tatsächlich noch zu Boden. Doch dann kam es anders. Plötzlich spürte ich eine Hand im Rücken und schien auf halbem Weg zur Erde stehen zu bleiben. Pierre hatte mich aufgefangen und wir standen da wie in so einer Pose aus einem blöden Tanzfilm. Ich blinzelte kurz und befreite mich dann von ihm. Jetzt war ich wirklich maximal verwirrt. Seine Berührung hatte mir einen Schauer bereitet und sein Duft schien den letzten funktionierenden Rest meines Gehirn auszuschalten. "Lass mich los.", keifte ich, aber er ging nicht. Er stand einfach nur da, starrte mich seltsam an und wirkte gefasst wie immer. "Ich wollte dir nur helfen.", statuierte er trocken und plötzlich schossen mir die Tränen in die Augen. Ach du Elend, das auch noch? Der Abend wurde nicht nur scheiße, so wie es mir von Anfang an klar war, er war eine richtige Katastrophe! "Helfen?", wiederholte ich hysterisch. "Ich glaub', ich muss lachen. Du hast beinahe meine beste Freundin zugrunde gerichtet. Deinetwegen haben wir sechs Jahre unseres Lebens verpasst! Du machst mich..." Ich stockte. Was jetzt kam wollte ich wirklich nicht aussprechen, aber ich schien nicht mehr die Kontrolle inne zu haben. "Du hast mir so weh getan! Dabei dachte ich... Dabei dachte ich..." Wieder stockte ich und versuchte, meine Worte runterzuschlucken. Ich wollte mir jetzt nicht die Blöße geben; nicht hier, nicht jetzt, nicht vor Pierre! Allerdings schien er einigermaßen zu verstehen, worauf ich hinaus wollte. Er zögerte kurz, ehe er antworte. "Denkst du für mich war es leicht? Ist es leicht? Denkst du, ich würde mir nicht wünschen, dass es anders wäre? Aber das nennt man wohl schlechtes Timing. Falsche Zeit, falscher Ort. Ein bisschen wie bei Romeo und Julia, findest du nicht?" Jetzt war ich nicht nur ungläubig, sondern einfach fassungslos... Restlos... "Ich... Ich...", stotterte ich. Was sollte ich denn dazu sagen? Eigentlich habe ich immer gehofft, dass er genauso fühlte, wie ich. Aber eine Liebe zwischen uns war so absurd wie gefährlich, um nicht zu sagen unmöglich. Und dennoch... Es gab nichts, das ich lieber wollte. Nicht einmal nach sechs Jahren Koma... Pierre zog mich wieder an sich heran und lächelte traurig. "Wir sind Feinde, Chocola. Es ist ein Wunder, dass wir es schaffen einigermaßen zu koexistieren." "Das ist nicht fair.", wimmerte ich und Tränen rannen mir das Gesicht herunter. "Das Leben ist nicht fair, Chocola..." Das war mir nur zu bewusst. Aber es jetzt noch einmal zu hören tat weh. "Ich bringe dich wieder rein, zu deinen Freunden." Vehement schüttelte ich den Kopf. "Nein, ich will nicht! Ich will... Ich will..." Pierre legte mir einen Finger an die Lippen, mit seiner anderen Hand hob er mein Kinn an, sodass ich mich in seinen eisblauen Augen verlieren konnte. Aber nicht für lange. Er kam mit seinem Gesicht meinem immer näher und in mir herrschte höchste Alarmbereitschaft. Ich mochte ja betrunken sein, aber auf einmal schien alles glasklar zu werden. Pierres kühle Finger hatten sich in meinem zerzausten Haar vergraben und plötzlich lagen seine Lippen auf meinen. Ich hatte die Augen weit aufgerissen, das Gesicht noch immer tränennass. Die Welt um mich herum war vergessen. Es schien, als wäre sie nicht mehr da. Als gäbe es nur Pierre und mich. Ich bekam eine Gänsehaut und in meinem Bauch gab es ein gigantisches Feuerwerk. Ich wusste nicht mehr, wie mir geschah, aber ein wahnsinniges Glück durchströmte mich. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Als Pierre sich wieder von mir löste bemerkte ich, das nur wenige Sekunden vergangen sein konnten. Ich fühlte mich immer noch ein wenig wie gelähmt. Pierres Gesicht hatte sich nicht verändert. Immer noch lächelte er mich traurig und bitter an. Seine Finger fuhren ganz sanft mein Gesicht entlang, als er einen Schritt nach hinten tat und sich zwischen uns eine Kluft auftat. Es waren vielleicht 30 Zentimeter, aber mir kam es vor, wie ein unüberwindbarer Abgrund. So überglücklich ich eben war, so traurig war ich nun. Pierre griff kurz nach meiner Hand. "Du siehst wunderschön aus. Aber du solltest deine Haare richten." Ich wischte mir eine Träne von der Wange. "Deine kleine Auseinandersetzung vorhin hat offenbar deine Frisur zerstört." Einen Moment lang herrschte wieder Stille zwischen uns, dann ließ er meine Hand los und wand sich zum Gehen. "Auf Wiedersehen, Chocola.", hauchte er noch, dann war er wieder in die Menschenmassen eingetaucht. Ich blieb zurück. Alles um mich herum erschien mir unwirklich und mit zitternden Beinen kehrte ich zur Bank zurück. Wieder rein wollte ich jetzt wirklich nicht... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)