Wege des Lebens von Kittykate ================================================================================ Kapitel 2: Die fremde Diebin ---------------------------- Zwei Wochen waren zwischenzeitlich vergangen. Die Sommerferien waren schon so gut wie vorbei denn in zwei Tagen begann wieder die Schule. Aoko und Kaito verbrachten jede freie Minute zusammen, allerdings ging ihre Beziehung nicht über Händchen haltend und ein paar Küsschen hinaus. Für beide war diese Situation noch sehr neu und so verfielen sie schnell wieder in ihr altes Verhaltensmuster. Der Zauberer ärgerte seine Freundin am laufenden Band und sie gab ihm in einer Tour Kontra. Niemals würde sie ihm das letzte Wort lassen. Das war früher nicht ihre Art und in ihrer Beziehung würde sie es sich jetzt nicht angewöhnen. Um Kaitou Kid war es in den vergangenen beiden Wochen sehr still geworden. Gerade Nakamori machte sich dazu Gedanken ob dem Dieb etwas zugestoßen war, denn am Anfang der Ferien, war er fast jeden Tag hinter dem Meisterdieb her, da dieser einen Raubzug nach dem anderen geplant hatte. Umso überraschter reagierte er, als die Ankündigung gestern eintraf. Die Spezialisten der Polizei saßen bereits an dem Rätsel und auch Saguru Hakuba, Schülerdetektiv und der Sohn eines Polizeichefs, versuchte des Rätsels Lösung zu finden. Seit er vor fast einem Monat aus England zurückgekehrt war, half er der Sonderkommission Kid um endlich diesen Dieb gefangen zu nehmen, erfolglos. Verbissen las sich der blonde Oberschüler immer wieder die Nachricht durch, doch er konnte sich kaum darauf konzentrieren. Vor zwei Wochen erreichte ihn die erschütternde Nachricht, dass Kaito und Aoko, seine Klassenkameraden, nun ein Pärchen waren. Ihm gefiel das ganz und gar nicht. Sie hatte etwas Besseres verdient, als diesen Klassenclown, der sie ständig aufzog und sich über sie lustig machte. Aus diesem Grund kam er auch auf die Wette. Er war sich sicher, dass Aoko wirklich nur Freundschaft für den Aushilfszauberer empfand. Nur hatte er sich vollkommen geirrt und sich selbst ins Abseits befördert. Er würde sich an seinem Klassenkollegen rächen. Er wusste schon lange, dass dieser der berühmte und meistgesuchte Dieb Kaitou Kid ist, nur konnte er ihm nie etwas beweisen. Aber er schwor sich Rache zu nehmen und Kaito festzunehmen. Aoko würde diesen Dieb dann hassen und sich in seine Arme flüchten. So wie alles ursprünglich geplant war. Er blickte zum Fenster hinaus, öffnete dieses und ließ frische Luft ins Zimmer. Tief atmete er ein und wieder aus. Wesentlich konzentrierter setzte er sich wieder an die Nachricht. Kaito stand vor dem Hause der Nakamoris und wartete. Die Tür öffnete sich und Aoko erschien. Sofort sah er ihr trauriges Gesicht und trat einen Schritt auf sie zu. „Was ist los?“ Besorgt schloss er sie in die Arme und drückte ihr ein Küsschen auf die Stirn. Aoko kuschelte sich an seine Brust. „Dieser blöde Dieb!“, knurrte sie enttäuscht. Ihm fuhr ein kleiner Stich ins Herz. Wenn sie wüsste, dass er dieser blöde Dieb war… Nicht auszudenken. Sie hasste Kid, der ein Teil von ihm war. Fragend löste er sich von ihr und sah ihr in die Augen. „Es war so schön still und nun muss er wieder auftauchen. Meinen Vater hab ich schon wieder seit Tagen nicht gesehen. Er kommt nur zum Schlafen nach Hause.“ Sie ging ins Haus und betrat die Küche. Kaito folgte ihr schweigend. Er war schuld, dass sie sich so einsam fühlte. Aber es musste sein, auch wenn sie darunter litt. Sobald er die Mörder überführt hatte, würde er seine zweite Identität begraben. Ob sie das noch aushielt? Immerhin wusste er nicht einmal wie lange das ganze noch gehen könnte. Aoko packte eine Tüte zusammen und drehte sich lächelnd zu ihrem Freund. „Wollen wir einen Abstecher zum Revier machen? Dann kann ich ihm sein Mittagessen vorbeibringen.“ Der junge Magier nickte. Vielleicht erzählte der Kommissar auch wieder von seinen Plänen, was es ihm wieder um einiges leichter machte. Gemeinsam verließen sie das Haus und gingen die Straße nebeneinander her. Aoko blickte zu ihrem Freund auf. „Kommst du morgen zur Vorstellung?“ „Natürlich“, grinste der Wuschelkopf. Immerhin war er ja der Grund weswegen sich alle morgen, vor der Villa der Suzukis, versammelten. „Und du?“ „Ich wollte auch hin. Mich sozusagen Reinschleichen“, antwortete die Braunhaarige. Besorgt betrachtete er seine Freundin. Ihm gefiel es gar nicht, dass sie auch kommen wollte. Nicht nur, weil sie seine Freundin war und er sich sowieso schon rund um die Uhr um sie sorgte, nein, es könnte sogar richtig gefährlich werden, sollten diese Männer ausgerechnet morgen Abend erscheinen. Ausreden konnte er es ihr nicht und bevor sie ihn auch noch bat mit ihr zuhause zu sitzen… Jii, sein Haushälter war noch nicht zurück. Er könnte ihn nicht einmal bitten für ihn einzuspringen, wenn Aoko wirklich Verdacht schöpfte. „Versprich mir, dass du keine Dummheiten machst.“ Aoko blickte auf und lächelte. „Versprochen. Ich werde mich nicht einmischen, nur zusehen.“ Sie wandte ihren Blick wieder ab und erkannte bereits das Ionary-Revier, welches sich gegenüber dem Cafe Cat’s Eye befand. „Hoffentlich schafft es mein Vater diesen Dieb einzufangen.“ Kaito grinste wieder und konnte sich eine Spitze nicht verkneifen. „Du weißt schon, dass er ein Meister der Magie ist. Der hat Tricks drauf, da kann ja nicht mal ich mithalten.“ Natürlich konnte er das und das auch bei weitem. Nur an seinen Vater, der Kaitou Kid vor zwanzig Jahren ins Leben rief, kam er noch lange nicht heran. Dennoch würde er das Werk seines Vaters beenden. Aoko funkelte ihn böse an. „Ich weiß, dass du ihn toll findest. Dennoch ist er ein Verbrecher und gehört eingesperrt.“ „Aber er bringt die Edelsteine immer wieder zurück zu ihren Besitzern.“ Wütend ballte sie ihre Hände zu Fäusten. „Das ist ja das, was mich so ärgert!“ Sie blickte ihrem Freund in die Augen. „Warum veranstaltet er so etwas? Wegen diesem…“, ihr fiel keine passende Beleidigung ein. „Mein Vater ist tagelang mit seiner Ankündigung beschäftigt, um den Diebstahl zu verhindern und der Idiot behält das Diebesgut nicht einmal. Macht der das aus Spaß?“ Kaito beobachtete sie aufmerksam. Ein verletzter Ausdruck trat in seine Augen, jedoch wahrte er sich sein Pokerface. Es war die Grundregel, die ihm sein Vater von klein auf beigebracht hatte. „Aoko“, hauchte er und schloss seine Freundin in eine Umarmung. Nicht aus Spaß… Es war ernster, als sie annahm. Es tut mir so leid, fügte er in Gedanken hinzu. Wenig später betraten sie das Revier und gingen auf das Büro des Kommissars zu. Sie klopften und traten ein. Er saß über der Nachricht und grübelte. Erst das Erscheinen seiner Tochter und ihrem Freund ließ ihn aus den Gedanken auffahren. „Hallo, ihr beiden“, begrüßte er sie fröhlich. „Hallo, Papa“, lächelte Aoko und ging zum Schreibtisch. „Ich hab dir Essen mitgebracht.“ „Das ist lieb von dir.“ Er öffnete die Tüte und holte die vielen Leckereien heraus. „Ich bin hier so eingespannt, dass ich glatt vergessen habe zu Essen.“ Hungrig stürzte er sich auf sein Mittagessen. „Wie läuft es denn?“, fragte Aoko besorgt. „Wir wissen jetzt, wann er kommt und was er stehlen möchte“, mampfte er. „Ach ja?“, hakte Aoko nach. „Der Stein der Rose befindet sich in der Villa der Suzukis“, antwortete Nakamori kauend. „Dieses Mal bin ich mir sicher, dass wir ihn schnappen!“ Er blickte seine Tochter und ihren Mitschüler an. „Was habt ihr heute noch geplant?“ „Wir gehen in den Zoo“, verkündete Kaito und Aoko sah überrascht auf. Davon wusste sie ja noch gar nichts. „Und wir sollten jetzt los“, nickte er ihr zu. Die beiden verabschiedeten sich und verließen wenig später das Polizeirevier. „Wir gehen in den Zoo?“ Kaito lachte. „Ja, außer ins Aquarium. Da bekommst du mich nicht rein!“ Seine Freundin blickte ihn an und lächelte sanft. „Du bist bisher der einzige Mensch den ich kenne, der Angst vor Fischen hat.“ „Dann bin ich ja etwas besonderes“, erwiderte er, wobei ihm diese Schwäche überhaupt nicht gefiel. Er mochte keine Schwächen. Sie waren Fehler, die einen zum Stürzen bringen konnten. Sie nickte und blickte ihm in die blauen Augen. „Das bist du doch sowieso.“ Ihr zärtliches Lächeln ließ sein Herz sofort schneller klopfen. Sanft drückte er ihr ein Küsschen auf die Wange und ging mit ihr weiter. *** „Ladies und Gentleman“, begrüßte Kaitou Kid seine Fans pünktlich zum Showbeginn. Die Menge auf der Straße jubelte mit einem Mal und die Polizisten versuchten den Überblick zu behalten. „Genießen Sie die Show“, fügte er noch überheblich grinsend hinzu und verschwand auf dem Grundstück der Suzukis. Es war ihm ein leichtes den Polizisten und Wachmännern auszuweichen und in die Villa einzudringen, dennoch spürte er genau, dass er verfolgt wurde. Der Gang war nur spärlich beleuchtet. Das Auftreten seiner schnellen Schritte hallte laut wieder. Der weiße Umhang flatterte im Laufwind und das kurzatmige Hecheln verdeutlichte die Anstrengung. Nur noch ein paar Meter. Wenige Schritte trennten die Gestalt, gekleidet in einem weißen Anzug und mit einem Zylinder auf dem Kopf, von seinem Ziel. Am Ende des Ganges konnte er schon die Tür sehen. Dahinter würde er ihn bestimmt finden. Dieses Mal musste er es sein. Und wenn er ihn endlich in den Händen hielt wollte er aufhören. Sein Schicksal hätte sich besiegelt. Er hatte es geschworen. Am Grab seines Vaters hatte er bei sich geschworen ihn zu finden und zu zerstören. Und seinen Eid brach er nicht. Sonst wäre er nicht der berühmte Phantomdieb Kaitou Kid. Er biss die Zähne zusammen und spurtete noch schneller und endlich erreichte er sein Ziel. Vor der verschlossenen Tür blieb er stehen und atmete nochmals kräftig durch. Sein Puls raste durch den Sprint und er wusste dass ihm nicht viel Zeit blieb. Die Polizisten verfolgten ihn bereits und hatten ihn bald eingeholt. Er wusste, dass er in einen Hinterhalt geriet, doch ihm bleib keine andere Möglichkeit. Entschlossen griff seine, im weißen Handschuh gehüllte Hand, nach der Türklinke und drehte den Knauf. Die Tür war nicht abgeschlossen. Knarrend schwang die Tür auf. Dahinter befand sich ein Raum, der in ein tiefes schwarz gehüllt war. Aufmerksam blickte sich Kaitou Kid um, während er eintrat. Es war stockdunkel und er konzentrierte sich voll und ganz auf seine Umgebung. Schritt für Schritt ging er voran. Immer weiter drang er in die Dunkelheit hinein, doch inzwischen hatten sich seine Augen an die Finsternis gewöhnt und er konnte einzelne Umrisse wahrnehmen. Ihm gegenüber befand sich ein großer Schreibtisch und ein Büroschrank, dahinter hing ein großes Bild an der Wand. Zu seiner rechten Seite war ein Vorhang zugezogen, dahinter verbarg sich das Fenster, welches tagsüber den Raum erhellte. Und zu seiner linken Seite befand sich das Objekt seiner Begierde. Der Dieb behielt die Umgebung im Auge, doch blieb er plötzlich stehen und drehte sich linksum. Vor ihm erkannte er die Umrisse einer Glasvitrine. In ihr befand sich ein rosafarbener Edelstein in der Größe eines Golfballs. Niemand war in diesem Raum zur Wache abgestellt, hatten sie wirklich geglaubt ihn vorher fest zu nehmen? Wie töricht diese Polizisten doch waren. Kaitou Kid, gekleidet in einem weißen Smoking und ein blaues Hemd mit roter Krawatte, trug ein Monokel vor seinem rechten Auge. Schnell holte der Dieb einen Glasschneider aus seiner Hosentasche und machte sich an die Arbeit den Edelstein aus seinem Glasgefängnis zu befreien. Mit wenigen Handgriffen konnte er eine runde ausgeschnittene Glasplatte wegnehmen und vorsichtig zur Seite legen. Mit einem siegreichen Lächeln auf den Lippen und flinken Fingern hielt er den wertvollen Edlestein in seinen Händen. Ein Zischen zog durch die Luft und direkt an Kaitou Kids Ohr vorbei. Erschrocken betrachtete er die Wand vor sich und entdeckte etwas darin stecken. Überrascht zwinkerte er ein paar Mal bis er eine weibliche Stimme neben sich vernahm. „Ich bin überrascht, dass du bis hier her gekommen bist.“ Kaitou Kid senkte seinen Kopf und grinste vor sich hin. Er hatte gemerkt dass er verfolgt wurde, doch hatte er allen ernstes mit Kommissar Nakamori gerechnet. Eigentlich hätte er wissen müssen, dass sein Verfolger viel besser war als der Kommissar. Der Meisterdieb drehte sich zu seinem Gegner und in dem Moment, in dem er aufblickte, hatte er sein Pokerface aufgesetzt. Man sah ihm die Überraschung nicht an, doch innerlich erstarrte er verblüfft. In der Tür stand eine Silhouette. Sie trug ein hautenges Kostüm. Es brachte ihre schlanke Figur und die schönen Rundungen ihrer Brust wie auch des Hintern gut zum Vorschein. Um ihre Hüfte hing ein Tuch und die langen Haare trug sie offen über den Rücken. Allerdings konnte er nichts genaueres Erkennen. Ihr Gesicht war in der Dunkelheit verhüllt. Kaitou Kid grinste übers ganze Gesicht, doch wusste er nicht wer diese Frau war. „Und das sagt mir wer?“, konterte er spitzbübisch. Den Stein hielt er fest in seinen Händen. Die Frau trat ein paar Schritte auf ihn zu. „Das geht dich nichts an!“ Ihre Stimme hatte einen erotischen Klang und wie sie sich bewegte haute Kid glatt um. Sie war eine taffe Frau, die wusste was sie wollte. Und es schien als ständen sie nicht auf der gleichen Seite. Der Meisterdieb beobachtete sie aufmerksam. Plötzlich blieb sie stehen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie war immer darauf bedacht, dass er ihr nicht ins Gesicht sehen konnte. „Du hast etwas das mir gehört!“ Kaitou Kid hob seine Hand und warf einen schnellen Blick darauf. „Ich hab gar nicht gesehen, dass dein Name drauf steht“, konterte er belustigt. „Lass den Quatsch“, fauchte sie ungehalten. „Wir haben nicht ewig Zeit! Das Schlafgas wirkt nicht mehr lange!“ Schlafgas, schoss dem Meisterdieb durch den Kopf. Die Frau war äußerst gerissen. Wenn er nur wüsste wer ihm gegenüberstand. Neugierig betrachtete er die Fremde und beschloss sie noch ein wenig zu necken. „Schlafgas, also…“, er tat als müsse er überlegen, doch schon bemerkte er zynisch: „Ich hab solche Mittel nicht nötig. Wo bleibt denn sonst der Spaß?“ „Der Spaß wird zum Ernst, wenn wir hier weiter diskutieren. Gib mir den Stein der Rose!“ Kid kniff seine Augen zu kleinen Schlitzen zusammen und versteckte seine Hand hinter seinem Rücken. „Tut mir leid, aber ich brauche ihn eher als du!“ Die Frau ballte ihre Hände zu Fäusten und drohte ihm. „Du hast keine Ahnung was du da sagst!“ Im Gang hinter ihnen hallten Schritte und mehrere Stimmen riefen wild durcheinander. Eine unter ihnen war jedoch unverkennbar. Kommissar Nakamori schimpfte wie ein Rohrspatz und fluchte immer wieder vor sich hin. „Verzeihung, Gnädigste, aber ich habe noch etwas zu erledigen.“ Kid verneigte sich höflich und warf eine Rauchbombe, doch seine Gegnerin ahnte bereits wo er hinwollte. Sein einziger Fluchtweg war auch der ihrige und das war einzig und allein das Fenster. Der pinkfarbene Rauch breitete sich schnell im Raum aus und hüllte alles ein. Die Fensterscheibe klirrte laut und schon erreichten auch die Polizisten den Raum. Hustenanfälle plagten die Männer bis der Nebel sich löste. Einer der Polizisten schaltete das Licht ein und Kommissar Nakamoris Blick glitt zum Fenster. Der Vorhang war zur Hälfte herunter gerissen. Die Glasscheibe zerbrochen und vereinzelte Scherben hingen noch im Fensterrahmen. Mit großen Schritten stand der Kommissar am Fenster und lehnte sich etwas hinaus. In der Menschenmenge auf der Straße, die sich seit Kids Auftauchen dort gesammelt hatte, jubelten die Leute und feierten den Meisterdieb wie einen Helden. Sie pfiffen, jubelten und hielten Fanplakate hoch und riefen immer wieder Kids Namen. Kommissar Nakamori nervten diese Menschenaufläufe und er wandte seinen Blick von der Masse hinauf auf das nächste Haus. Dort entdeckte Nakamori den Dieb auf dem Nachbardach in Begleitung einer weiteren Person, doch er sah ein, dass sie nicht mehr einzuholen waren. Seit wann hatte Kid Verstärkung? Das war für den Kommissar eine unglaubliche Vorstellung. Toshi Utsumi, ein junger Mann, der erst vor kurzem seine Polizeiausbildung abgeschlossen hatte und nun unter Nakamoris Befehl stand, trat auf die Vitrine zu und griff nach einer kleinen Karte, die in der Wand steckte. An und für sich war das ja nichts neues, denn Kaitou Kid hinterließ immer seine Visitenkarte nach einem Diebstahl, doch dieses Mal war das anders. „Kommissar, ich hab eine Karte!“ Ohne sich umzudrehen knurrte der Polizeikommissar: „Was steht dieses Mal drauf?“ Er war bereits sehr wütend. Nicht nur, dass er nach acht Jahren Ruhe Kaitou Kid seit einem halben Jahr wieder jagte, dieser ständig entwischte, nein, der Dieb machte sich auch ständig über sein Versagen lustig. Immer wieder erreichte ihn eine neue bodenlose freche Nachricht des Naseweises. Der neue Polizist war reichlich verunsichert durch die knurrende Art des Kommissars. Mit leiser Stimme bemerkte er: „Gar nichts!“ Mit einem Ruck drehte sich Kommissar Nakamori um und eilte auf den Polizisten zu. Schon hatte er ihm die Karte aus der Hand gerissen und betrachtete sie aufmerksam. „Das ist nicht Kaitou Kids Karte“, stellte er überrascht fest. Der Himmel war mit Wolken bedeckt. Man könnte meinen es finge jeden Moment zum Regnen an. Kaitou Kid rannte und sprang über die Flachdächer. Die fremde Frau folgte ihm. Sie hatte eine gute Kondition, das musste er neidlos anerkennen. Immer wieder warf er einen Blick auf seine Verfolgerin und ein hämisches Grinsen trat ihm trotz der Anstrengung ins Gesicht. Ihre Hartnäckigkeit und Schlagfertigkeit gefiel ihm. Es war etwas Neues und brachte Abwechslung in seine normalen Raubzüge. Es wurde mit ihr interessanter, auch wenn er sich fragte, wer sie war oder warum sie den Stein der Rose wollte. Kid sprang gerade wieder von einem Dach zum anderen, als sich eine Wolke verzog und für einen kurzen Moment der Vollmond die Stadt erhellte. In diesem Moment blieb er stehen und hielt den Edelstein in das Licht des Mondes. Er schüttelte lächelnd seinen Kopf und drehte sich um. Auch die fremde Frau war plötzlich stehen geblieben. Er blickte zu ihrer Silhouette und warf so unverwandt wie auch vorsichtig den Stein zu ihr hinüber. Überrascht fing sie den Stein auf und verharrte reglos. Kaitou Kid konnte sich vorstellen wie sie ihn anstarrte und so verbeugte er sich höflichst vor ihr. „Es war mir ein Vergnügen.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in die Nacht hinaus. „Warte“, rief die fremde Frau ihm nach, doch er hörte sie schon längst nicht mehr. Sie blieb noch eine Weile auf dem Dach stehen und betrachtete den Edelstein in ihrer Hand. Aoko stand mit Keiko in der Masse vor der Villa und hielt ihr Anti-Kid-Plakat in den Händen. Suchend blickte sie sich um. „Sag mal, hast du Kaito irgendwo gesehen?“ Keiko schüttelte ihren Kopf. „Nein, wollte er denn auch kommen?“ „Ja, er lässt sich doch keine Show seines Lieblingsdiebes entgehen“, antwortete Aoko und suchte weiterhin ihre nähere Umgebung nach dem bekannten Gesicht ab. Plötzlich tauchte Kaito neben den Mädchen auf. „Hier seid ihr“, begrüßte er die beiden und zwinkerte Aoko zu. „War ganz schön schwierig euch in der Menge zu finden.“ Aoko nickte und Keiko begann zu gähnen. Langsam löste sich die Menschenmasse auf. „Kid konnte mal wieder entkommen“, sagte sie. „Lasst uns auch heimgehen.“ Die Mitschüler nickten und gemeinsam gingen sie zu Keiko, erst dann brachte Kaito seine Freundin nach Hause. Es war spät und er würde sie ungern allein durch die Nacht laufen lassen, auch wenn er von Keiko zu Aoko noch einen kleinen Umweg lief. „Hast du deinen Helden auch sehen können?“ „Ja, ich stand in der Nähe der Mauer, über die er hinweg ist“, flunkerte Kaito und legte seinen Arm um die Tochter des Kommissars. Seine Augen betrachteten das Plakat. „Du bist echt die einzige, die Kid nicht ausstehen kann.“ „Weil er meinen Vater immer wieder an der Nase herumführt“, erwiderte die Braunhaarige stur. Sie kamen vor dem Haus der Nakamoris an. Kaito drehte sie zu sich und legte seine Hände auf ihre Schultern. Schon beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie zärtlich auf die Lippen. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste er sich wieder und lächelte. „Schlaf gut, kleine Aoko!“ Eine unerklärliche Röte stieg ihr auf die Wangen. Sie war zu überrascht von seiner Gestik, dass ihr vollkommen entging, was er zu ihr gesagt hatte. Sie nickte kurz, hauchte ihm ebenfalls ein ‚Gute Nacht’ zu und beeilte sich ins Haus zu kommen. Kaito wartete bis sie sich immer Haus war und ging dann lächelnd weiter. Dieser Abend war ein voller Erfolg gewesen. Er hatte die Polizei ausgetrickst, seine Tricks haben alle geklappt, nur Pandora hatte er mal wieder nicht gefunden, aber gut, dann beim nächsten Mal. Vor seinem Haus angekommen trug er immer noch ein diebisches Lächeln auf seinen Lippen. Er öffnete die Haustür und betrat die Wohnung. Ein älterer, kleiner Herr mit Glatze und einer Brille auf der Nase trat auf ihn zu. „Master Kaito, willkommen zurück!“ „Hallo, Jii, du bist wieder hier?“, begrüßte der junge Mann. „Ja“, antwortete der Haushälter und deutete auf die Uhr. „Es ist schon spät.“ Kaito nickte und unterdrückte ein Gähnen. Zuerst verschwand er unter die Dusche. Er war ein Junge mit gerade mal siebzehn Jahren. Niemals hätte man angenommen einen so jungen Dieb zu jagen. Die Polizei rechnete mit einem Mann mittleren Alters, da Kaitou Kid vor fast zwanzig Jahren ins Rampenlicht trat. Doch die meisten wussten nichts von dem Tod des richtigen Kids und ihm, als selbst ernannten Nachfolger. Immer noch verarbeitete er seinen Raubzug und wieder kehrten seine Gedanken zu seiner Gegnerin zurück. Donnerwetter, die sah unglaublich aus stellte er zum erneuten Mal lächelnd fest. Es hatte Spaß gemacht und er hoffte, dass er sie bald wieder auf einem Raubzug traf. Als er ins Bett verschwand war es bereits weit nach Mitternacht. Zum Glück waren noch zwei Tage Sommerferien und mit diesem Gedanken schlief er in dieser Nacht schnell ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)