Feigning Sane von Votani (Justified) ================================================================================ Kapitel 5: - 5 - ---------------- Statik. Ein beständiges Rauschen war das einzige Geräusch, welches das Funkgerät von sich gab. Tim hatte es mit einigen Kabeln an die Autobatterie angeklemmt, um den nötigen Strom zu haben, um überhaupt zu versuchen, jemanden zu erreichen. Nun saß er an seinem Schreibtisch und veränderte immer wieder die Frequenz, um von irgendwoher ein Lebenszeichen aufschnappen zu können. Raylan sah ihm dabei zu. Er hatte einen zweiten Stuhl herangezogen und einige andere hatten sich ebenfalls um sie herum zu sammeln begonnen. Schon früher hatte es in ihrem Büro keine Geheimnisse gegeben und daran änderte scheinbar auch keine Zombieapokalypse etwas. Ein, zweimal waren verzerrte Stimmen zu vernehmen, doch jedes Mal übersprang Tim den Kanal, was Raylan die Augenbrauen heben ließ. „Nach was suchst du eigentlich?“ Doch dieser hob die Hand, wollte offensichtlich nicht gestört werden, während er weiter an dem kleinen Rädchen drehte und der Statik lauschte. Auch die umstehenden Leute – Leslie Mullen unter ihnen – hielten den Atem an, was Raylan doch als ein wenig albern empfand. Zumindest solange, bis eine weitere Stimme abhackt über das Funkgerät zu vernehmen war. Sogleich versuchte es Tim auf einer ähnlichen Frequenz, woraufhin sie ein deutliches „...und da fragte mich der Kerl, ob das meine Freundin wäre“ vernahmen. Ein schrilles, durch Mark und Bein gehendes Lachen folgte. Trotzdem huschte ein Schmunzeln über Tims Züge, wie Raylan aus den Augenwinkeln heraus bemerkte. „Das ist Gregory“, murmelte er in seinem typischen Südstaatendialekt, als er nach dem Lautsprecher griff und ihn an seine Lippen hielt. Mit einem Mal sprang seine Laune von einer professionellen Konzentriertheit zu einer Belustigung, vielleicht sogar Erleichterung, über. „Wie viele Verwarnungen braucht es, damit du lernst, dass das kein Privatsender ist, an dem du sitzt, Gory?“, sprach Tim in das Funkgerät hinein, als sein Gegenüber in seinem Geschwätz über seinen letzten Barbesuch eine Pause einlegte. Daraufhin herrschte eine minutenlange Stille, ehe ein „Timmi?“ zurückkam. Auf Raylans Lippen breitete sich sogleich ein amüsiertes Lächeln aus, als er seinem dunkelblonden Kollegen sachte einen Ellenbogen in die Seite stieß. „Timmi?“, formten seine Lippen, als Tim ihn ansah. Dieser verdrehte die Augen. „Der einzig wahre“, gab er über Funk zurück und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Erinnerst du dich noch, als ich deinen Hintern in Afghanistan gerettet hab'? Als du sagtest, dass ich etwas bei dir gut habe?“ Abermals folgte eine kurze Funkstille, als ahnte dieser Gregory bereits etwas Ungutes. Unrecht hätte er dabei nicht. Wahrscheinlich saß Tims Bekannter irgendwo sicher auf der anderen Seite der Quarantäneabsperrung und rauchte seine Zigaretten, während eine Horde Untoter sich vor dem Gerichtsgebäude gesammelt hatte und dort unruhig umherzog. Ein Blick vom Dach hatte erkenntlich gemacht, dass es doch mehr als gedacht waren. „Ich erinnere mich...“, antwortete Gregory und selbst über das Funkgerät vermochte man die Skepsis in seiner Stimme heraushören zu können. „Dann hör’ jetzt genau zu, Gory“, sagte Tim und schloss die Augen, als er sprach. „Ist mir egal, wie du das machst, aber ich möchte, dass du einen Hubschrauber besorgst. In drei Stunden werden eine kleine Gruppe Überlebender und ich uns auf dem Flugplatz außerhalb von Harlan zusammenfinden und du wirst dafür sorgen, dass man uns hier rausfliegt. Ist mir egal, was die von Ansteckungsgefahr sagen. Ich sage dir, dass das absoluter Schwachsinn ist.“ „Dafür könnte ich meinen Job verlieren, Timmi. Die stellen dafür alle vors Kriegsgericht!“ Doch Tim schienen diese Worte nicht aus der Ruhe zu bringen. Er atmete tief durch und starrte auf einen imaginären Punkt irgendwo auf der Tischplatte, während Raylan die Beine übereinander schlug. Wenn er ganz ehrlich sein sollte, hatte er Tim noch nie bei der Arbeit zugesehen. Aber konnte man das überhaupt Arbeit nennen? War die Linie zwischen dieser und ihrem Privatleben nicht angesichts der Tatsachen unlängst verwischt worden? „Du schuldest mir das“, entwich es Tim schließlich. Dabei war es offensichtlich, dass er nur ungern darauf beharrte, auch wenn die Bedenken Gregorys mehr als nachvollziehbar waren. „Fein!“, kam es sogleich zurück. Wütend und verstimmt, was Raylan nur belächeln konnte. Am besten ließ er sich niemals von Tim Gutterson retten, um diesem schwerwiegenden Gefallen erst gar nicht zum Opfer zu fallen. „Sei einfach da, wenn der Hubschrauber kommt. Mehr als fünf Minuten kann ich euch nicht einräumen, verstanden?“ „Verstanden.“ Damit schaltete Tim das Funkgerät aus, um die Energie zu sparen. Sein Blick wandte sich Raylan zu, der ihn beobachtete. „Wenn ich mich recht erinnere, hab' ich dir auch des Öfteren den Rücken freigehalten“, sagte er, als hätte er soeben Raylans Gedanken gelesen. „Und ich hab’ dir heute morgen deinen Kaffee gebracht.“ Mit diesen Worten erhob sich Raylan und schob amüsiert grinsend seinen Hut zurecht. „So wie ich das sehe, sind wir mehr als nur quitt.“ Tim sah ihm nach, als er sich von dem Schreibtisch entfernte und die Leute um sich herum zu sammeln begann. Die Hände in die Hüften stemmend wanderte sein Blick über die erwartungsvollen, aber gleichzeitig auch erschöpften, Gesichter. „Für alle, die es nicht wissen, der Weg bis zum Treffpunkt benötigt in etwa zwei Stunden. Ich würde also vorschlagen, dass jeder sich fertig macht und wir uns in einer Viertelstunde an der Glastür treffen. Ihr müsst auf die Toilette? Jetzt ist eure Chance.“ Keiner der Anwesenden stellte Fragen, alle setzten sich sofort in Bewegung. Einige sammelten das wenige Hab und Gut, das sie bei sich trugen, ein, während andere die letzten Vorräte aufteilten. Raylan selbst marschierte zu dem kleinen Waffenraum herüber, für den nur Tim und er einen Schlüssel besaßen. Nahrungsmittel waren wichtig, aber ohne eine Verteidigung würde ihnen auch das meiste Wasser und Brot nichts bringen. ● Raylan hatte nicht damit gerechnet, dass der Weg zu dem kleinen Flugplatz am Rand von Harlan einfach zu erreichen sein würde. Mit was er jedoch noch weniger gerechnet hatte, war der brummende Motor eines Wagen sowie das Knattern eines Maschinengewehres ganze fünf Minuten, nachdem sie das Gerichtsgebäude durch die Tiefgaragen verlassen hatten. Sie waren gerade dabei auch die letzten Taschen klammheimlich in die Kofferräume der von Tim kurzgeschlossenen Autos zu laden, als es ertönte. Ein kleiner Teil von Raylan kam sich dabei vor wie ein Verbrecher, denn Ordnungshüter schlichen nicht auf leisen Sohlen durch die Gegend. Sie marschierten bis auf wenige Ausnahmen geradeaus und nieteten alles um, was eine Gefahr für sie selbst und andere war – und einige Leute, die einfach nicht wussten, wann es angebracht war den Mund zu halten. „Runter!“, presste Raylan hervor und bedeutete den anderen, hinter den Autos in Deckung zu gehen, ehe Tim und er dasselbe taten. Frauen zogen ihre Kinder in die Arme und jeder von ihnen, denen sie eine Pistole anvertraut hatten, holte diese hervor, wobei die Hälfte vergaß die Sicherung zu lösen. Raylan schwante Übles, als er geduckt und mit einer Hand an seinem Holster über das Autodach hinwegspähte. Neben ihm schob Tim den Lauf seines Gewehres in den schmalen Spalt, den die geöffnete Wagentür kreiert hatte. Im nächsten Augenblick brauste ein alter Truck bereits vor ihnen um die Ecke. Mit einer seltsamen Eleganz, die bei der Geschwindigkeit eher manisch wirkte, manövrierte der Fahrer den Wagen zwischen den herumstehenden Autos hindurch. Raylan richtete sich ein Stück auf, als der Mann mit dem Maschinengewehr auf der Ablage zu schießen aufhörte und sich stattdessen festhielt, um nicht herunterzufallen. Er kannte den Truck, ebenso wie den jungen Mann auf der Ablage. Als das Auto näher kam, erkannte Raylan selbst die blonde Frau auf dem Beifahrersitz und den Fahrer – oh, ganz besonders den Fahrer. „Boyd Crowder...“, entrann es ihm, als der braunhaarige Mann ihn ins Auge fasste und auf die Bremse trat. Wahrscheinlich sollte es Raylan nicht überraschen, dass ausgerechnet er noch am Leben war. Irgendwie schien Boyd alles zu überleben, denn in dieser Hinsicht war er wie eine Kakerlake. Eigentlich waren in dieser Hinsicht so einige wie Kakerlaken, denn die Bewohner von Harlan County waren immer schon zäh und schwer umzubringen gewesen. Boyd warf nur einen knappen Blick in den Rückspiegel, um sicher zu gehen, dass sich für den Moment keine unerwünschten Gäste an sie heranschlichen, bevor er die quietschende Autotür öffnete. „Warte hier, Baby“, murmelte er zu Ava und stieg aus. Allerdings verweilte er in ihrem Schutz, in seiner Hand eine Pistole tragend. Auch Jimmy richtete sich mit seinem Maschinengewehr auf der Ablage des Trucks auf, um über das Dach sehen und notfalls schießen zu können. „Ach, hallo, Raylan“, begrüßte ihn Boyd, als sich beide Männer anstarrten. „Boyd.“ Kurz zuckten Raylans Augen zu Ava, die ihn besorgt durch die Frontscheibe hindurch musterte. „Wo hast du Johnny gelassen?“ Kurzzeitig neigte Boyd den Kopf zur Seite, obwohl kein Muskel in seinem Gesicht zuckte und auch keine Reue zu sehen war. Natürlich war da keine Reue, denn das vor ihm war immerhin Boyd. „Cousin Johnny hat es nicht lebend aus seiner Bar geschafft, fürchte ich“, antwortete dieser schließlich. „Ich würde ja jetzt sagen, dass es die Sünder als erstes trifft, aber das scheint nicht zu stimmen“, sagte Raylan und zuckte mit den Schultern. „Ansonsten wärst du jetzt nicht hier, Boyd, nicht wahr?“ Es würde ihn nicht einmal wundern, wenn es nicht die wiederauferstandenen Bewohner Harlans gewesen waren, die für Johnnys frühzeitiges Ableben die Verantwortung trugen, sondern ein noch kerngesunder. Immerhin gab es kaum jemanden, der nicht wusste, wie Johnny Boyd hintergangen hatte, um diesen aus dem Weg zu räumen. Johnny hatte ihm die Gründe irgendwann mal genannt, doch an mehr als Eifersucht und Habgier vermochte sich Raylan nicht zu erinnern. Über Boyd Crowders schmale Lippen huschte ein Lächeln, doch als er zu einer Erwiderung ansetzen wollte, schnitt ihm Jimmy das Wort ab: „Boyd! Wir kriegen Besuch!“ Kurz warf dieser einen Blick über seine Schulter und auch Raylan konnte die Schemen in der Ferne erkennen, die sich mit abgehackten Bewegungen zwischen den Autos in ihre Richtung bewegten. Sie waren von dem Krach, den Boyd und seine Leute angerichtet hatten, angelockt worden. „So wie ich das sehe, haben wir hier zwei Optionen, wie das ausgehen kann, Raylan“, entrann es Boyd, noch immer die Ruhe in Person. Doch Raylan kannte ihn lange genug, um den Nachdruck aus seinen Worten herauszuhören und zu wissen, dass sich Boyd ihrer Lage durchaus bewusst war. „Und ich bin sicher, dass du mir die gleich nennen wirst“, antwortete Raylan, dessen Blick zwischen seinem Gegenüber und der angekrochenen Schar Untoter hin- und herwechselte. Boyds Finger schlossen sich fester um den Griff seiner Pistole, ebenso wie Raylans es daraufhin taten. Wirkliche Sorgen machte er sich jedoch nicht, denn aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er, dass Tim ihm noch immer den Rücken freihielt. „Entweder wir gehen getrennte Wege, um uns allein durchzuschlagen, oder wir schließen einen vorläufigen Waffenstillstand, der meiner Meinung nach beiden Parteien zu Gute kommen könnte“, erklärte Boyd und machte eine ausschweifende Handbewegung in die Richtung der Männer, Frauen und Kinder, die noch immer hinter den Wägen kauerten oder ihm finstere Blick zuwarfen. „Denn deine kleine Kindergartengruppe wirkt auf mich nicht so, als würde sie sonderlich weit kommen. Im Gegensatz zu denen wissen wir in welche Richtung unsere Pistolen zeigen müssen und das könnte sich durchaus als praktisch herausstellen, meinst du nicht?“ Ein Kugelhagel, welcher aus Jimmys Maschinengewehr stammte und die vorderen Reihen der Untoten von den Beinen holte, gab Raylan Zeit zum Überlegen. Er biss lediglich die Zähne aufeinander, da das Knallen der Waffe seine Trommelfelle strapazierte. „Für mich sieht es aus, als kommt ihr drei auch gut allein klar“, warf er ein, als Jimmy seinen Finger vom Abzug nahm. Er musterte Boyd Crowder von seinen wild abstehenden Haaren bis hin zu den abgetragenen, schwarzen Stiefeln. Irgendwie würden sich er, Ava und Jimmy auch ohne ihre Hilfe durchschlagen können und Raylan war sicherlich kein Samariter, der sich allen Streunern annahm, die ihm über den Weg liefen. Aus diesem Grund war es fraglich, warum Raylans Finger sich schließlich von seiner Glock lösten, die er noch immer im Holster trug. „Wir werden nicht mehr lange hier sein. Unsere Mitfahrgelegenheit wartet nämlich bereits auf uns.“ Irritation und Erstaunen zeigte sich auf dem Gesicht des Mannes, mit dem er in seinen jüngeren Jahren in der Mine gearbeitet hatte. „Ein Maschinengewehr könnte trotzdem ganz praktisch sein, das stimmt“, fügte er hinzu, nachdem er sich für den Bruchteil einer Sekunde an dem Ausdruck gelabt hatte. „Also steig' in deinen Wagen und reih’ dich in unserer Autokolonne ein, Boyd.“ Mit diesen Worten wandte Raylan seinem Widersacher den Rücken zu und umrundete den Wagen, um sich hinter das Steuer zu setzen. Die anderen aus seiner Gruppe folgten seinem Beispiel und stiegen ebenfalls hastig in ihre Autos ein. „Du hast nicht vor, mir zu erzählen, was das für eine Mitfahrgelegenheit ist, oder, Raylan?“, rief Boyd noch aus. „Wo wäre denn da der Spaß?“, stellte Raylan die Gegenfrage, bevor er die Autotür zuzog. Im Seitenspiegel sah er Boyd, der zu seinem Truck zurückjoggte und ebenfalls einstieg, während sich Tim mit seinem Gewehr neben ihn auf den Beifahrersitz schob und Jimmy abermals einige der untoten Horde eliminierte. „Du weißt nicht mal, für wie viele Leute im Hubschrauber Platz ist“, bemerkte Tim und Raylan schenkte ihm einen Seitenblick. Anschließend setzte er den Wagen zurück, um auszuparken. Tim und er übernahmen die Führung, als sie sich durch die verwüsteten Straßen Lexingtons schlängelten. „Dann müssen sie halt in den Kofferraum, wenn sie mitwollen.“ Das Gewehr ließ Tim zwischen seinen Beinen ruhen, als er sich mit einer Hand an dem Haltegriff über ihm festhielt. „Gut, dass wir beide wissen, dass Hubschrauber keine Kofferräume haben.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)