The Life Around Us von 4FIVE (Evenfall-verse) ================================================================================ Hokage ------ . . Sakura seufzte schwer. Seit Stunden betrachtete sie sich im Spiegel, dessen Dampfschicht sie nach dem langen Bad weggewischt hatte. Er war schlierig, was nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass die Raute auf ihrer Stirn keine Illusion war. Sie würde sich erst daran gewöhnen müssen, dass sie dieses Mal für den Rest ihres Lebens brandmarkte. Als die stärkste Kunoichi Hi no Kunis. Nach Tsunade, verstand sich. Sie war die Teamkameradin des berühmtesten Jinchuurikis und eines Abtrünnigen, der nebenbei der letzte Überlebende eines verfluchten Klans war, und eigentlich gar nicht mehr abtrünnig. Oder doch? Sie hatte keine Ahnung. Der Krieg war vorbei, Sasuke war—nachdem seine alte Wohnung nach seinem Verrat zu Staatseigentum geworden und weitervermietet worden war—in einem der Appartementblöcke im Zentrum nahe dem Hokageturm untergebracht worden und irgendwie war alles wie früher. Mehr oder weniger. Ein zweiter tiefer Seufzer entkam ihr. Sie löste das Handtuch von ihrem Körper, legte es zusammen und warf ihre beste Freizeitkleidung über. Die weiße Bluse betonte ihre weiblichen Rundungen, der rote Rock die Farbe ihres frischgewaschenen Haares, das sie sorgfältig bürstete. Es hatte sich tatsächlich nicht viel verändert. Sie war immer noch naiv genug, sich für Sasuke aufzutakeln. Als würde er sie beachten! Selbst nach ihrem imposanten Auftritt hatte er ihr bloß einen schwachen Funken freundschaftlicher Anerkennung gezahlt. Fein, dann eben die harte Tour, die sie von Ino gelernt hatte. Sakura verdrehte raunend die Augen. Als hätten bissige Kommentare und sarkastische Attitüden bei ihr positive Wunder gewirkt. Im Gegenteil; es war ein Wunder, dass ihre blonde Freundin nach all ihren zickigen Entgegnungen noch lebte. Das war das einzig wundersame daran. Leider. Hach, wie sehr sie das alles nervte! Wenn Sasuke geblieben wäre, wo der Pfeffer wuchs—Akatsuki, Otogakure, wo auch immer—hätte sie diese Probleme nicht. Das ist die richtige Einstellung, Mädchen!, jubelte ihre innere Stimme, die sie möglichst nach außen zu kehren versuchte, als sie sich fertig angezogen und hübsch wie nie zuvor durch die Straßen Konohas auf den Weg zu ihrer Lehrmeisterin machte. Ehemaligen Lehrmeisterin. Tsunade hatte gestern Abend erklärt, sie könne Sakura nichts mehr beibringen, das den Status als ihre Shishō nicht rechtfertigte. Schwache Feinheiten, die kaum der Rede wert waren. Mit dem Wissen, dass Sakura mit sechzehn Jahren alles und mehr erreicht hatte, das ihr zwölfjähriges Ich sich ersehnt hatte, war ein berauschendes Gefühl, das ihre Nervosität kaschierte, die sie empfand, als sie an Tsunades Bürotür klopfte. Sie versuchte die Chakren im Inneren des Raumes zu differenzieren, scheiterte angesichts der Bündelung verschiedener mächtiger Signaturen kläglich daran. Naruto und Sasuke mussten bereits anwesend sein. "Komm herein", rief jemand von innen zu ihr heraus. Indem sie tief einatmete, schwer ausatmete, ihre Schultern straffte und das Kinn nach vorn reckte, drückte sie die Türschnalle hinab. Sie hatte rechtbehalten. Naruto und Sasuke standen neben Shikamaru, Sai, Hinata und Kakashi, die in eine hitzige Diskussion über etwas Diffuses verfallen waren, die wiederum von der ehrenwerten Hokage lustlos beobachtet wurde. Niemand schien Sakuras Eintreten wahrzunehmen, geschweige denn sich darum zu scheren. Hinata rief an Narutos Seite mit leiser Stimme ein haltloses Argument gegen Shikamaru, der lautstark gegen Sasuke wetterte, mit dem Kakashi ein ernstes Gespräch zu führen versuchte. Ein heilloses Durcheinander, in das sie sich versuchte einzugliedern. "Um was geht es hier, Naruto?" "Darum, dass Teme plötzlich Hokage werden will!", fluchte der blonde Chaosninja, dessen Finger anklagend auf den letzten Uchiha mit Herzschlag zeigte. "Das kann der doch nicht bringen! Oder?" "Als Uchiha hätte er sowieso keinen Anrecht auf diesen Titel", beantwortete Shikamaru seine Frage. "Mitglieder eines Klans dürfen nicht Hokage werden. Das ist gegen unsere Politik. Hinata ist es auch verboten." "Welcher Klan?", fragte Sasuke schulterzuckend. "Mein nicht mehr toter Bruder und der wieder einmal tote Gründer meiner Blutlinie und ich? Wo siehst du einen Klan um meinen Namen? Wenn du willst, nehme ich einen anderen Nachnamen an, falls dies dein einziges Argument ist." "Oh, komm schon!", raunte Naruto verzweifelt. Hinata und Sai hielen ihn japsend zurück, ehe er auf seinen Teamkameraden losgehen konnte. "Das ist doch alles kompletter Schwachsinn! Beschissene Heuchelei! Ich habe mir jahrelang den Arsch aufgerissen, um Hokage zu werden—außerdem bin ich der Sohn des Yondaime!" "Na und?" Tsunade schlug ihre Hand mittelstark auf den Tisch, was genügend Lärm machte, um ihr jede Aufmerksamkeit zuzuwenden. "Vetternwirtschaft wurde in diesem Dorf schon immer groß geschrieben. Angefangen beim Ersten bis hin zum Fünften wird der Sechste schwerlich eine Ausnahme bilden. Aber", unterbrach sie Narutos Jubel, "ich frage mich, wieso wir diese Diskussion führen. Noch bin ich Hokage und ich habe nicht vor, meine Position an jemanden aus diesem kindischen Bulk abzutreten. Naruto, du bist sechzehn Jahre alt. Und dein Geist ist der eines Zwölfjährigen. Eines großherzigen, ehrenhaften Zwölfjährigen, aber die Aufgabe, ein Dorf zu führen besteht in Friedenszeiten daraus, Papiere zu sortieren, Missionen zu verteilen und irgendwelche Sachen zu unterschreiben. Das ist nicht das, wofür ich deine Kräfte einsetzen werde." Sasuke schenkte ihm einen bissigen Seitenblick, herausfordernd und funkelnd. "Uchiha Sasuke", erhob sie erneut ihre Stimme, "ich habe von deinen menschlichen Qualitäten keine Ahnung. Weißt du auch, wieso? Weil du wenige Tage nachdem ich mein Amt als Hokage antrat, eine illoyale Glanzleistung performt hast, indem du Konohagakure no Sato und all seine Bewohner verraten, dich meinem Todfeind Orochimaru angeschlossen hast und in weiterer Folge temporäres Mitglied jener Organisation wurdest, die uns in einen grausamen, blutrünstigen Krieg trieb, bei dem wir zahlreiche Freunde, Verwandte und geliebte Menschen verloren. Habe ich etwas vergessen? Ach ja, du hattest die Dreistigkeit, einige meiner besten Konohashinobi anzugreifen und mich dazu zu zwingen, wertvolle Gelder auf missglückte Rettungsmissionen zu verschwenden. Sieh mich nicht so an; denkst du etwa, du könntest einfach so hier auftauchen und Forderungen stellen?" "Hokage-sama, es lag n—" "Spar's dir, Uchiha." Sie schüttelte ihren Kopf. "Ihr bringt mich noch in die Irrenanstalt! Wir haben einen Krieg hinter uns! Denkt ihr, ich habe nichts Wichtigeres zu tun, als mich mit euren lapidaren Streitereien auseinanderzusetzen? Raus! Ihr alle!" Sakura wich zurück als der warnende Blick ihrer ehemaligen Meisterin über die versammelte Menge streifte, um jeden von ihnen eindringlich den Ernst der Lage zu erklären. Es war alles so surreal. Auch als Sasuke an ihr vorbeiging, Naruto kameradschaftlich provokativ anrempelte und Kakashi ihm folgte, erschien es ihr wie die Szene aus einer schlechten Tragödie. Sasuke würdigte sie keiner Aufmerksamkeit. Er forderte Naruto zu etwas heraus, das nur Männer verstehen konnten, ohne sie auch nur ansatzweise zu bemerken. So viel zu Veränderungen. So viel zu ihrer Imposanz. So viel zu ihren kläglichen Hoffnungen, sie könnten wieder ein Team werden. Und vor allem: so viel dazu, dass sie sich vor Sasuke bewiesen hatte. Ein rauer Seufzer entwich ihr. Glücklicherweise war sie Iryōnin und konnte ihren gereizten Hals mit einem kurzen Handgriff heilen. Tsunade tadelte sie stumm über den unbesonnenen Einsatz ihrer kostbaren Chakrareserven. Sie waren alleine nachdem Hinata zusammen mit Shikamaru und Naruto das Büro verlassen hatte. "Was willst du noch?", brummte die Hokage. Angesichts des kläglichen Versuchs, sie aus ihrer Position zu drängen, war ihr Missmut durchaus verständlich. "Sagte ich nicht, ihr solltet verschwinden? Du bekommst keine Sonderbehandlung, Sakura." Die junge Kunoichi verbeugte sich respektvoll vor ihr, ihre Emotionen erfolgreich nach hinten drängend. Sie wollte professionell wirken. "Wie wird es weitergehen, Tsunade-sama?" Tsunade stieß sarkastisches Zischen aus. "Was willst du von mir hören? Dass alles gut wird? Das kann ich dir nicht sagen. Viele unserer Kameraden sind tot, was unsere Verteidigung extrem geschwächt hat, dafür sind die Reihen unter den Vereinigten Nationen so stark wie noch nie. Wir werden versuchen, unsere Schlagkraft wieder aufzubauen. Es wird zwingende politische Veränderungen geben, Altersanpassungen für unsere Akademie und—" "Das meine ich nicht." Sie schloss die Augen. Der Krieg war vorbei, doch der Kampf hatte gerade erst begonnen. Es würde lange dauern, bis man sich an die Veränderungen gewöhnt hätte. Ihre Protegé war nicht dumm; sie wusste diese Dinge. Ihre Frage war sehr viel egoistischer gewesen. "Sakura …" Tsunade brach ab. Drum herum zu reden brachte nichts. "Sasuke muss eingegliedert werden. Er war jahrelang außerhalb der Mauern, was ihm nicht viel Sympathie brachte. Ich kann ihm nicht recht trauen, denn das einzige Mal, dass ich ihn sah, war an Uchiha Fugakus fünfunddreißigstem Geburtstag, als er ein kleines Kind war. Damals war er zumindest unschuldig und niedlich mit seinen Kulleraugen." Sakura verlagerte ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Ein Zeichen, dass sie sich unwohl fühlte. Sie konnte ihre Unruhe nicht kaschieren, so sehr sie es auch versuchte. "Das bedeutet?" "Keiner vertraut ihm. Außer Naruto und du. Ihr werdet ihm die nächsten Wochen nicht von der Pelle rücken, keinen Schritt. Ihr werdet zusammen trainieren, essen, einkaufen, schlafen und arbeiten. Das ursprüngliche Team Sieben ist wieder vereint, weil ihr nie aufgegeben habt. Du hast mein vollstes Vertrauen, Sakura. Wenn Sasuke ein falsches Wort sagt, will ich das wissen. Er mag dein Freund sein, aber vergiss nicht, wem deine Loyalität gilt." Sie spannte ihre Schultern unwillkürlich an. "Wie lange wird diese Bewährungsprobe dauern? Ein paar Monate?" Tsunade unterschrieb ein Formular, bloß um Zeit zu schinden. Sie sortierte einen Stapel neu, schob das Formular unter und räusperte sich. "Wenn es sein muss bis an das Ende seines Lebens." Das klang in Sakuras Ohren viel zu endgültig. # Was genau sie spätnachts aus dem Bett trieb wusste Sakura nicht. Sie hatte versuche einzuschlafen, weil die rasenden Gedanken in ihrem Kopf ein Ringelspiel repetitiv wiederkehrender Sinnlosigkeiten waren. Immer wieder tauchten dieselben Fragen auf, immer wieder gab sie sich dieselben nichtssagenden Antworten darauf. Alles drehte sich um Sasuke, so wie immer in Team Sieben. Es hatte Tage gegeben, Wochen, in denen sie ihn aufgegeben hatte. Wenn sie damals auf Inos Wette eingegangen wäre, wäre sie nun um einige tausend Ryo ärmer. Früher, vor vier Jahren, hätte sie alles für Uchiha Sasuke getan. Heute war sie sich nicht sicher, ob sie etwas für ihn tun konnte. Es war gegen ihre Prinzipien, einen Nukenin zu schützen. Genau das verlangte Tsunade von ihr: Schutz vor den Zweiflern. Es gab nicht viele, die die Uchihas zu Lebzeiten hatten leiden können. Nach dem Verrat der beiden Brüder wussten noch weniger diesem Nachnamen etwas Positives anzugedeihen. Auch wenn Uchiha Itachi in Wahrheit in ein dunkles Netz verschiedenster Machenschaften getrieben worden war, sein kleiner Bruder war aus einer scheinbar willkürlichen Laune heraus dem Pfad ebendieser Dunkelheit gefolgt. Dass nun alles anders war, konnte niemand wissen, der die echte Wahrheit nicht kannte. Die Goikenban hatten verboten, die Vergangenheit aufzuwärmen. Niemand sollte jemals davon erfahren. Umso schwieriger würde es werden, Sasukes Loyalität zu beweisen, die Sakura selbst als allererste anzweifelte. Naruto war der Kämpfer. Naruto war der, der niemals aufgegeben hatte. Der immer wieder losgezogen war, um seinen besten Freund und Bruder im Geiste vor der Dunkelheit zu retten. Im Grunde hatte Sakura damals schon verstanden, dass niemand Sasuke vor sich selbst retten konnte. Heute, nachdem Tsunade ihr die wahre Begebenheit des Massakers dargelegt hatte, wusste sie, dass sie recht gehabt hatte. Die Dunkelheit, vor der Naruto Sasuke retten hatte wollen, war seiner eigenen, von Rache zerfressenen Seele entsprungen. Sakura war noch nie naiv gewesen. Sie wusste, dass die ehrenwerte Hokage jeden anderen noch vor den Dorfmauern gefangen nehmen, in ein Verhörzimmer sperren, foltern und schlussendlich töten hätte lassen. Doch Sasuke trug den Nachnamen Uchiha und er trug eine wahnwitzig mächtige Version des Sharingans, um die Sakura ihn nicht einen Meter beneidete. Das Ding sah hässlich aus und—ernsthaft: die Absurdität dieser neu entdeckten Schlag-mich-tot-Stufe war grenzwertig lächerlich. Als wäre Uchiha Sasuke nicht sowieso schon begnadet genug mit seinem Talent, seinem Eifer, seinem normalen Sharingan und all dem anderen Müll, der in Sakura tiefe Frustration entfachte. "Lächerlich. Einfach lächerlich", murmelte sie, die Jacke enger um sich schlingend, während sie ihr Elternhaus verließ und durch Konohas mondbeschienene Straßen wanderte. Es war ein Ding der Unmöglichkeit, nicht an Sasuke zu denken. Er war so präsent in ihrer Welt wie nie zuvor, bedingt durch seine lange Absenz. Tsunade hatte ihn für seinen Verrat nicht töten lassen, weil sie im Grunde um die Umstände wusste. In seiner eigenen Realität hatte Sasuke Konoha niemals verraten. Er war seinen egoistischen Zielen nachgeeifert, ohne Rücksicht auf Verluste und Konsequenzen. Jeder andere hätte dafür geblutet. Sasuke nicht. Tsunade hatte sein Talent längst erkannt und in Zeiten des Wiederaufbaus war ein Sharingan überaus nützlich. Sie würde eine derart effektive Waffe nicht gegen ein wenig Nukeninblut eintauschen. Tsunade war eine Spielerin, keine Närrin. Und sie ließ sich nicht lumpen. Dass es Sakura in dieser klischeehaften Vollmondnacht gerade in jenen Teil des Parks trieb, der für sie und Sasuke eine ganz eigene Bedeutung hatte, war noch klischeehafter als dieser beschissene Vollmond, der sie von seinem Himmelsthron herab auslachte. Ironischer Bastard. Dummes, lunares Gestein. Den Mond stumm verfluchend, ließ Sakura sich auf die Steinbank fallen, auf der sie vor vier Jahren aufgewacht war. Sie war unbequem. Kalt. Hart. Klischeehaft. Ja, Haruno Sakura war heute Nacht ein wandelndes Klischee. Alles an dieser Nacht war ein Klischee, das sie hasste. Deswegen war sie auch nicht überrascht, als sie eine bekannte Chakrapräsenz spürte. Noch ehe sie sie einordnen konnte, stand Sasuke vor ihr. "Du trägst dein Hitai-ate nicht", brummte sie missgelaunt. Dieser Mistkerl hielt sie damit wach, dass er in ihren Gedanken herumstolzierte. Nun stolzierte er auch noch vor ihren Augen herum. "Ich habe nicht vor, es zu tragen", entgegnete er in dem selbstgefälligen Ton, den sie schon damals gehasst hatte. "Was tust du hier, Sakura?" "Was denn—" Sie zog eine bittere Grimasse und stand auf. "—willst du mich heute nicht bewusstlos schlagen, auf eine Steinbank werfen und dein Heimatdorf und deine Freunde gleich mit dazu verraten? Das ist inzwischen ein Freizeitsport bei uns. Noch nicht gewusst?" "Lass den Sarkasmus. Verbitterung steht dir nicht." Sakura machte eine ausholende Geste. "Ich bin nicht verbittert. Schon gar nicht wegen dir. Denkst du, du könntest hier einfach wieder auftauchen und dann auch noch Hokage werden? Du bist ein Vollidiot, Sasuke, der es nicht verdient hat, diesen Posten auch nur zu erwähnen. Was fällt dir ein, Narutos Traum zu sabotieren, nachdem du die letzten Jahre, in denen er sich das Vertrauen und die Anerkennung aller Menschen hier mühsam erarbeitet hat, bei einem Kriminellen verbracht und herrenlos durch die Weltgeschichte gewandert bist, um jemanden zu töten, der es gar nicht verdient hatte?" "Du weißt von Itachi?" Dies war nicht die Antwort, die sie erwartet hatte. Nach all ihren Kritikpunkten verblieb er nach wie vor bei seinem Bruder? Wie pathetisch. "Tsunade-sama erzählte uns davon. Ich denke, ich verstehe es noch nicht ganz, aber der Kernpunkt ist, dass du manipuliert wurdest. Ist das deine Entschuldigung?" "Nein." Sasuke machte einen Schritt auf sie zu, ohne ihr wirklich näher zu kommen. Sie hatten sich einander nie nahe gefühlt, dazu waren sie einfach zu verschieden gewesen, doch hier und jetzt klaffte eine Distanz zwischen ihnen, die Sakura das Herz zusammenquetschte. "Sondern?" "Ich habe dafür keine Entschuldigung, weil es nichts ist, das ich bereue." Sie zischte verächtlich. Diese Selbstherrlichkeit war widerlich. "Du bist auch noch stolz darauf, ja? Das ist verwerflich, Sasuke. Ich frage mich nur, wie du dir das Amt als Hokage vorstellst. Denkst du, du würdest einfach in deinem Büro sitzen und lockerleicht entscheiden, was das Dorf morgen macht? Konohagakure ist kein Freizeitpark. Niemand wird auf dich hören. Niemals. Wie sollten sie jemandem folgen, der ihnen einst den Rücken zuwandte?" Sasuke gab ihr darauf keine Antwort. Er blieb regungslos vor ihr stehen, ähnlich einer Statue, die ausdruckslos in ihre Richtung sah, ohne sie zu fokussieren. Was immer er seine Erwiderung darauf gewesen wäre, sie blieb ungesagt. Stattdessen verschwand er in der Dunkelheit. Sakura wollte bereits frustriert ihre Arme in die Luft werfen und ein Schimpfwort in die Nacht brüllen, als ein seichter Lufthauch ihn verriet. Er stand dicht hinter ihr, keine zehn Zentimeter von ihr entfernt, ebenso bewegungslos wie zuvor. "Willst du mich wieder ausknocken?", fragte sie, ohne sich umzudrehen. "Ich möchte, dass du verstehst." "Wieso?" Es war eine berechtigte Frage. "Du hast dich nie um mich geschert. Alles was du für mich übrig hattest waren leere Worte und ein paar nette Gesten, wenn du dich danach fühltest. Du wusstest, wie ich damals für dich empfand. Du hast es ignoriert. Nicht, weil du meine Liebe nicht erwidern konntest, sondern weil es dir egal war. Und weißt du, was das Witzige daran ist?" Sakura lachte hohl, voller Ironie. "Dafür, dass es zu unseren Geninzeiten nichts Wichtigeres für mich gab als das, ist deine herablassende Ignoranz heute das, was ich dir am wenigsten nachtrage." Es vergingen Minuten, in denen sie schwiegen. Die Spannung zwischen ihnen war greifbar, aber nicht unangenehm. Sie war einfach da, war präsent, ohne von Wert zu sein. Sakura hätte gehen können, ihn einfach stehen lassen, um zu beweisen, dass sie ihm sein Fehlverhalten nicht verzeihen würde. Sie blieb stehen, weil sie wissen wollte, wie es weitergehen würde. Erst als sie dachte, Sasuke wäre bereits verschwunden, erhob er seine tiefe, dunkle Stimme in der stillen Dunkelheit. "Liebst du mich noch?" # Sakura dachte, sich verhört zu haben. Was sollte diese Frage? Was interessierte es ihn? Wieso wollte er solch Banalitäten wissen? Es gab so viel mehr, das wichtig war. Erschlagen von der Surrealität des Moments, konnte sie nicht antworten. Sie hätte ohnedies nicht gewusst, wie diese Antwort ausgesehen hätte. Für sie selbst machte diese Frage Sinn. "Eine berechtigte Frage, aber sie ist nicht von Relevanz", sagte sie nach einiger Zeit, die sie versucht hatte, eine Lösung für ihr inneres Dilemma zu finden. Ehe sie wusste, was sie tat, drehte sie sich plötzlich um und schlug mit einer chakrainfundierten Faust auf Sasuke ein. Er blockte mit seinem Unterarm ohne eine Miene zu verziehen, parierte ihren zweiten Schlag und befreite sich aus der Verkeilung ihrer Gliedmaßen, indem er ihre Arme nach unten drückte und seine Hände auf ihre Schultern legte, sodass sie genau eine Armlänge Abstand von ihm hielt. Sakura blinzelte geschockt. Sie hatte nicht erwartet, ihn zu treffen. Sasuke ließ seine Deckung nie fallen, wie beispielsweise Naruto es leichtfertiger Weise zu tun pflegte, was der einzige Grund war, wieso sie manchmal einen guten Treffer landen konnte. Dass er sie derart schnell abfertigte, löste eine innere Welle der Wut in ihr aus, die sie nach außen trug, indem sie ihre Augenbrauen über den angriffslustig funkelnden Augen zusammenschob. "Was sollte das?", wollte Sasuke tonlos wissen. Dieser tonlose Ton, ein Paradoxon für sich, war sein Markenzeichen, das sie ihm gerne aus dem Leib geprügelt hätte. Noch ehe sie über ihre Feinseligkeit schockiert sein konnte, sprach er weiter. "Möchtest du mich büßen lassen für alles, was ich dir antat?" "Es geht nicht um mich", erwiderte sie kalt. Seine Hände an ihren Schultern verkrampften merklich, was sie großzügig überging. Sasuke hatte noch nie Emotionen gezeigt. Er sollte jetzt nicht damit anfangen. "Es ging nie um mich, falls du das meinst. Naruto und du, das war unser Team. Ich war immer nur das Anhängsel, um euch neben mir gut aussehen zu lassen. Weißt du, wie grausam es ist, sein Bestes zu geben und zu wissen, dass du niemals annähernd so gut wirst wie diejenigen, die das Tempo angeben?" Er schüttelte den Kopf. Natürlich. "Nebenbei bemerkt, es ist furchtbar, aber darum ging es nie. Alles drehte sich immer nur um dich; dich aufhalten, dich suchen, dich finden, dich zurückholen. Lasst uns Sasuke retten, lasst uns Sasuke nach Hause bringen. Das war, um was sich die letzten Jahre drehten." Sakura schüttelte ihre Schultern, um sich aus seinem Griff zu befreien, der immer fester auf ihr lag. Sie trat einige Schritte zurück, ehe sie in Versuchung geriet, ihm den Arm zu brechen. Wohl eher: es zu versuchen. "Ich habe nie darum gebeten." "Das spielt keine Rolle. Naruto mag selig mit dieser Entwicklung sein, aber im Gegensatz zu ihm bin ich es leid, dass all unsere Handlungen ihre Wurzeln in deiner Existenz finden. Übrigens, Hokage zu werden ist das lächerlichste Ziel, das du dir setzen konntest." Sasuke hielt seine schwarzen, mattschimmernden Augen weiterhin auf sie gerichtet. Sein intensiver Blick ließ sie unter ihrer harten Maske schaudern, was es schwierig machte, den Augenkontakt zu halten. Sie widerstand dem Impuls wegzusehen. "Nachdem ich ein Ziel erreicht hatte, brauchte ich ein neues." Welch bahnbrechend profane Erkenntnis! Sakura stieß ein raues Rauen aus und holte zu einer weiten Geste aus. "Konntest du nicht etwas Gewinnbringenderes auswählen? Häkeln soll gut für den Blutdruck sein. Oder lege dir eine Katze zu, mit der du dich beschäftigen kannst. Nach allem, was Naruto für dich auf sich genommen hat, möchtest du ihm auch den letzten Stein in den Weg legen, den du noch in deinem Repertoire hast? Das ist eine unschöne Art sich zu bedanken." "Möchtest du mir ernsthaft einen Vortrag über Etikette halten oder beantwortest du meine Frage endlich?" Sakura schnaubte. Schweigsam war Sasuke um einiges leichter zu handhaben gewesen, so viel war sicher. Was auch immer er hören wollte, sie würde ihm nicht die Genugtuung einer klaren Antwort verschaffen. "Es ist nicht so, als hätte ich eingehend darüber nachgedacht. Oder überhaupt darüber nachgedacht. Wie auch immer meine Empfindungen für dich heute sein mögen, sie sind überschattet von Wut und Enttäuschung darüber, dass du nicht verstehen willst, was das alles für uns bedeutet. Wieso interessiert dich das überhaupt?" Mit einem großen Schritt war Sasuke plötzlich vor ihr. Sie musste ihren Kopf in den Nacken legen, um ihm in die Augen sehen zu können, die leblos und dunkel auf sie herab starrten. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als er seine raue Hand auf ihre Wange legte, die unter der unverhofften Berührung zu glühen begann. Wie er vor ihr stand, stur und unnachgiebig, jagte ihr keine Angst ein, aber verursachte ein starkes Gefühl der Beklemmung in ihr. "Wieso, Sasuke?", wiederholte sie nicht minder stur und unnachgiebig. "Wieso willst du wissen, ob ich dich noch liebe?" Er blieb einige Augenblicke völlig starr, wortlos, als habe er sie nicht gehört. Erst dann durchschnitt seine Stimme die Stille, die in ihren Ohren dröhnte. Sie klang samten, aber entschieden, geladen mit Emotionen hinter einer Maske kalter Herablassung, die in seinem Gesicht prangte wie die Narbe, die er auf der Seele trug. "Wenn ich nicht Hokage werden kann, muss ich mir ein neues Ziel suchen." Und das bin ich?, wollte sie bereits fragen, bevor die Formulierung dieses Gedankens ihr lächerlich vorkam. Sasuke war schon immer ein funktionaler Mensch gewesen. Er lebte nicht für Menschen, sondern für Errungenschaften. Instinktiv wusste sie, auf was er hinauswollte. "Du hast doch nicht im Ernst vor, deinen Klan mit mir wieder aufzubauen? Sasuke, das ist Irrsinn." Sasuke zischte amüsiert. "Mach dich doch nicht lächerlich." Plötzlich verzog sich die harte Linie seines Mundes zu einem schelmischen Lächeln. Er trat wieder zurück und strich sich den Kragen seines Oberteils glatt, der bei seiner Bewegung verrutscht war. Sakura wusste sich nicht anders zu helfen als ihn verwirrt anzusehen. "Sakura, denkst du, ich wüsste all diese Dinge nicht, die du mir versucht hast zu erklären?", tadelte er milde. Sein plötzlicher Stimmungsumschwung machte ihr schwer zu schaffen. "Ich wollte nicht mit dir reden, um mir Vorwürfe machen zu lassen, wobei ich zugeben muss, dass dein Vorschlag, meinen Klan wieder aufzubauen, mich durchaus erheitert. Du hast da draußen auf dem Schlachtfeld einen guten Eindruck gemacht. Aber, Sakura, wie du bereits richtig bemerkt hast, geht es hier nicht um dich." Er ließ die Fortsetzung einen Herzschlag lang in der Luft hängen. "Es geht um uns." Sie verzog ihren Mund zu einer bitteren Grimasse. "Es gibt kein Uns mehr." "Es wird wieder ein Uns geben. Ich habe mein Team schon einmal verlassen. Noch einmal werde ich es nicht tun. Ihr seid immerhin meine Familie." Sakura zog überrascht eine Augenbraue in ihrem irritierten Gesicht empor. Plötzlich waren sie seine Familie? "Wann hast du entschieden, dich um uns zu scheren?" "Ihr ward mir immer wichtig", korrigierte Sasuke trocken. Nüchtern. Wahrheitsgemäß. Obwohl sie keine Gedanken lesen konnte, wusste Sakura, dass er es ehrlich meinte. Es waren seine Augen, die das Versprechen gaben, dass alles anders werden würde. Dass sie ihm vertrauen konnte. "Wann? Als du Naruto halb tot geprügelt hast? Als du dich Orochimaru zuwandtest? Als du uns in seiner Basis bedrohtest? Als du vor uns davonliefst?" Sasuke verdrehte die Augen. "Das führt doch zu nichts. Du kannst mir glauben oder nicht. Aber ihr ward mir immer wichtig. Ich bin meinem Weg gefolgt, der nicht immer breit genug war, um zu dritt darauf zu wandern. Es gab schmale Stücke, die ich überwinden musste, aber der Rest der Straße ist für ein Team gemacht." "Wie pathetisch", murmelte sie, doch ihr Herz machte einen Sprung, als diese Worte an ihre Ohren drangen. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, etwas Derartiges von ihm zu hören. "Bist du deswegen gekommen? Um mich davon zu überzeugen, dass wir wieder Team Sieben sein können?" "Ja." Sakura hätte sich gerne darüber gefreut. Irgendwie tief in ihrem Inneren tat sie es auch. Bei Naruto war es nicht nötig gewesen, ihn zu überzeugen, weil er nie gezweifelt hatte. Dafür hatte sie eine einwandfreie Entschuldigung auf Sasuke-Art bekommen. "Könntest du mir bitte sagen, ob es etwas gebracht hat?" Sasuke-Art, durch und durch. Nach allem was sie durchgemacht hatten, waren sie in Wahrheit immer noch dieselben. Sakura lächelte zufrieden, verzeihend, ehrlich. Unter diesem Lächeln ging sie auf ihn zu und breitete die Arme aus. Sasukes Zögern entlockte ihr sanftes Kichern. Ja, er war wirklich immer noch derselbe. "Komm schon, Sasuke, zier dich nicht", feixte sie und legte die Arme um ihn. Selig grinste sie an seiner Brust und murmelte: "Wenn du möchtest, dass wir wieder ein Team werden, umarmst du mich besser." Zur Untermalung ihrer seichten Drohung drückte sie ihn fester mit chakrainfundierten Armen an sich, sodass er leise japste. Erst als er ihrem Befehl ohne Kommentar Folge leistete und sie seine Umarmung um sich spürte, lockerte sie ihren Griff. Vielleicht würden sie irgendwann doch noch ein Team werden. Vorerst jedoch hatte sie ein wunderbares Druckmittel, um Sasuke zu Nettigkeit zu zwingen. Letzten Endes waren sie immer ein Team gewesen. Ein Team, das niemand jemals trennen würde. "Willst du eigentlich wirklich Hokage werden oder wolltest du Naruto nur verarschen?", fragte sie an seiner Brust, sich weigernd, die Umarmung schon zu beenden. Der Mistkerl sollte ruhig ein wenig leiden. Sie spürte ihn leise lachen. Das war Antwort genug. Er war und blieb eben Uchiha Sasuke. Zum Glück. Irgendwie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)