Gathering Storms von Starwings ================================================================================ Kapitel 2: Ungebetene Gesellschaft ---------------------------------- Es war still zwischen den beiden Männern geworden. Der Silberhaarige spannte die Muskeln in seinen Armen an und Rem verbreiterte seinen Stand, damit der junge Mann ihn bei einem Angriff nicht einfach von den Füßen reißen konnte. „Hör mal, ich will dir wirklich nicht weh tun. Gib mir das Schiff einfach freiwillig…“, fixierte sein Gegenüber ihn und Rem hörte an der Stimmlage, dass er diesen lieber nicht unterschätzen sollte. Aber er schien eindeutig ihn zu unterschätzen. „Dein Fehler ist, dass du denkst, du könntest mich dazu zwingen“, entgegnete Rem ruhig. Vermutlich dachte der Silberhaarige, dass er ein leichtes Spiel mit ihm hatte, wenn er seinem Revolver ausweichen konnte und nur nah genug an ihn heran käme. Aber man durfte sich niemals der trügerischen Hoffnung hingeben, dass der Gegner nicht noch etwas in der Hinterhand versteckt hielt. In der Ferne waren Schritte zu hören. Ihr Takt ließ darauf schließen, dass es sich um eine Gruppe von mindestens drei Leuten handelte. Zwischen den Häusern oben auf der Promenade tauchte ein schwaches Licht auf, das mit jedem Augenblick der verstrich intensiver wurde und unruhig auf und ab hüpfte. „Runter von meinem Schiff“, hob Rem erneut die Stimme, bestimmt und nachdrücklich. Der Silberhaarige presste die Zähne aufeinander und wieder spannte er sich merklich an. Es war nur eine Frage der Zeit. Wie würde er reagieren? Er hatte drei Möglichkeiten, aber so wie Rem ihn einschätzte, würde er nicht einfach die Flucht ergreifen. Die Schritte wurden lauter und das Licht griff bereits nach den Häuserecken und drängte hinaus auf die Promenade. Dann ging alles ganz schnell. Der Silberhaarige hechtete nach vorn, geduckt und riss das linke Schwert nach oben um ihm den Revolver aus der Hand zu schlagen. Rem ließ das Metall der beiden Waffen aufeinander schlagen und drückte den Schwertarm nach unten. Dem anderen Schwert wich er durch eine Drehung zur Seite aus. Der Revolver und das Schwert lösten sich mit einem kreischenden Geräusch voneinander und Rem setzte mit einem Schlag zwischen die Schulterblätter des jungen Mannes nach. Der Silberhaarigen kam aus dem Gleichgewicht und musste einen Ausfallschritt machen, um nicht einfach auf die Holzdielen zu knallen. Aber er war schnell und wirbelte herum auf Rems Oberschenkel zielend. Der Braunhaarige machte einen Satz zurück und kam auf der Reling des Schiffes zum Stehen. Das kleine Boot schaukelte ein wenig hin und her, was aber beiden nichts ausmachte. Frustriert und vor allem zunehmend hektischer, warf der Silberhaarige den Kopf zur Seite und schielte hinter dem Aufbau des Schiffes her hinauf zur Promenade. Er rang kurz mit sich und blieb dann still auf der Stelle stehen: „Wie wär’s damit. Ich versteh ein wenig von Navigation. Ich bring dich dahin, wohin du willst, aber leg verdammt noch mal ab!“ Rem schüttelte lediglich den Kopf. Er konnte keinen Mann an Bord gebrauchen, der sich bei der ersten Gelegenheit mit der Marine anlegte. „Abgelehnt.“ „Ich hab nichts getan. Diese Marinetypen sind selbst schuld, wenn die einen immer provozieren!“, schrie der junge Mann ihn beinahe schon an und hechtete wieder nach vorne. „Zwecklos“, brummte Rem und sprang über den Silberhaarigen hinweg. Er feuerte erneut, dieses Mal mit einer etwas deutlicheren Warnung, sodass der junge Mann endlich verstehen würde, dass es bei ihm nicht weiter ging. Aber der sengende Schmerz im Oberschenkel schien den Hitzkopf nicht im Geringsten zu beeindrucken. Er richtete sich auf und überkreuzte die Arme vor dem Körper. „Ich hab’s versucht, Mann. Ehrlich“, grinste er verschwörerisch und Rems Instinkte machten ihm deutlich, dass er das hier nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Ein verwundetes Tier war zu allem bereit. Hinter ihm brach das Licht einer Laterne aus der dunklen Gasse hervor und vier Schatten schwärmten auf die Promenade aus. Ihre Blicke flogen über den Hafen und blieben nach kurzer Zeit an Rems kleinem Segelboot hängen. „Damit ist deine Zeit abgelaufen“, wähnte sich Rem im Vorteil, aber er irrte sich und zwar ganz gewaltig. „Käpt’n, die Marine ist da, wir müssen auslaufen!“, rief der Silberhaarige auf einmal laut und steckte die Schwerter ein. Rem ignorierte diese Aussage und zielte weiterhin auf den jungen Mann. Auch wenn er keine allzu hohe Meinung von der Marine hatte, wären die Soldaten sicherlich nicht so dumm auf so eine Finte herein zu fallen. „Wer ist der Typ?“, hörte man eine raue Stimme über den Hafen schallen. „Keine Ahnung“, antwortete jemand, während die Truppe die Steinstufen herunter eilte und die Waffen lud. „Hier“, deutete Rem auf den Silberhaarigen, „Er hat versucht…“ Man fiel ihm brutal ins Wort: „Kennt jemand den Mann mit der Augenklappe?“ „Keine Ahnung“, antwortete ein anderer Soldat und kramte in seiner Tasche nach Steckbriefen, „Sieht aus wie ein Pirat. Und der Flüchtige hat ihn Käpt’n genannt.“ Seufzend rollte Rem mit dem linken Auge und versuchte erneut die Situation zu klären: „Würde ich eine Waffe auf ein Crewmitglied richten?“ Aber die Chaotentruppe hörte ihm gar nicht zu und der Silberhaarige grinste offensichtlich belustigt. „Die überlegen echt ob wir zusammen gehören. Ich hab ja gesagt, die sind dumm genug“, trieb der junge Mann das Spiel noch weiter und so langsam schienen die Soldaten ein wenig verärgert zu werden. Rems Finger krümmte sich gefährlich um den Abzug seines Revolvers und sein Gegenüber wagte es nicht einmal sich zu bewegen. „Steckbrief?“, raunte wieder ein Soldat, mit zwei Abzeichen auf den Schultern. Er musste der Befehlshaber der Truppe sein, auch wenn er nicht wirklich klüger aussah als seine drei Gefolgsleute. Sie wirkten schlaksig und schlampig trainiert. Vermutlich allesamt Neulinge. Der Mann mit den geknüllten und ausgeblichenen Papieren in der Hand schüttelte den Kopf und suchte fieberhaft nach einem Hinweis. Die anderen hatten immer noch die Waffen auf sie gerichtet. Das durfte doch einfach nicht wahr sein. Wie blöd mussten die vier denn sein, wenn sie die offensichtliche Lage nicht erkannten? Rem wollte einen Schritt auf den jungen Mann zu machen, aber einer der Soldaten pfiff ihn sofort zurück. „Nicht bewegen!“ „Das ist alles nur ein Missverständnis“, brummte der Braunhaarige. „Lassen sie sofort die Waffe fallen!“, raunte man ihm zu. „Ich werde mich ganz sicher nicht entwaffnen“, bluffte Rem den inkompetenten Idioten an und zielte weiter auf den Silberhaarigen. Allerdings missfiel ihm das Klicken der Gewehre der Soldaten. „Das ist ein Witz…“, murmelte er vor sich hin und ließ den Arm mit der Waffe sinken. Er wusste, wie das enden würde und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Noch bevor er den Arm ganz an seine Seite hatte sinken lassen, sprang der junge Mann mit den Schwertern nach oben und löste die Seile für das Segel. Schüsse ertönten und Rem schmiss sich auf das Deck. Mit einem genervten Gesichtsausdruck nahm er zur Kenntnis, dass die Truppe tatsächlich nur aus vollkommenen Idioten bestand. „Vielen Dank!“, rief er herüber, „Dank euch wird mein Schiff gekapert!“ Als er den Kopf hob, schaute man ihn verwirrt an, bis jemand wieder das Wort ergriff: „Er hat ne Augenklappe. Das heißt doch, dass er Pirat ist, oder?“ Oben am Mast ertönte ein lautes Lachen. Kurz darauf sprang der Silberhaarige schon wieder herunter, presste sich auf den Boden als die Soldaten erneut feuerten und zerschnitt einfach das Seil, welches das Boot am Steg hielt. Rem hatte sich derweil hingesetzt und lehnte mit verschränkten Armen gegen die Tür zur Kabine, den Revolver unauffällig auf den Silberhaarigen gerichtet. „Die Machen sich aus dem Staub. Also steckten die doch unter einer Decke“, hörte er vom Hafen her und sah wie der Befehlshaber auf den Boden stampfte, bevor er seinen Untergebenen wütend Befehle entgegen brüllte. „Das waren nur zwei Leute! Und jetzt das!“ „Oh Gott!“, lachte der junge Mann wieder, „Jedes Mal dasselbe. Ich liebe es!“ Als sein Blick jedoch zu Rem wanderte, blieb ihm das Lachen im Hals stecken. Als der Morgen dämmerte, hatten die beiden jungen Männer nicht mehr als ein paar wenige Worte miteinander gewechselt. Rem hatte darauf verzichtet den Silberhaarigen, der sich unaufgefordert als Kiyan Dark vorgestellt hatte, an den Mast zu binden. Wenn er ihm glauben konnte, war er Navigator und er hatte sicherlich nicht die Absicht wieder auf der falschen Insel zu landen. Allerdings war er auch nicht so blöd Kiyan einfach zu vertrauen, also kontrollierte er den Kurs, soweit es seine Fähigkeiten zuließen. „Ich kann nicht glauben, dass das geklappt hat“, fühlte sich der Silberhaarige offenbar dazu gezwungen eine Konversation zu beginnen. Rem hatte jedoch nicht im Geringsten Lust dazu eine erzwungene Unterhaltung zu führen und schon gar nicht mit jemandem, der eindeutig nicht auf sein Schiff gehörte. Andererseits war er auch kein Unmensch, selbst wenn dieser Typ es verdient hatte. Er konnte Kiyan ansehen, dass die Wunde am Bein schmerzhaft sein musste. Sie war zwar nicht tief, da er den jungen Mann nicht hatte ernsthaft verletzen wollen, aber nichtsdestotrotz sollte sie versorgt werden. „Setz dich“, deutete er auf die Reling und stand auf um im Inneren der Kabine den Verbandskasten zu holen. Die Kabine war nicht sonderlich groß. Links befand sich eine einfache Kochnische, mit einem Waschbecken, einem Hängeschrank darüber und einem kleinen Gasherd. Gegenüber stand eine Sitzecke, bestehend aus einer dunklen Holzbank und einem ebenso dunklen Tisch. An der hinteren Wandseite war ein Bett mit dunkelblauer Decke und einem zusammengeknüllten Kopfkissen, da es Rem im Allgemeinen nicht für nötig erachtete es aufzuschütteln. Der Vorratsschrank an der rechten Außenwand war kaum von dem Kleiderschrank gleich daneben zu unterscheiden, dieser war lediglich kleiner. Mitten im Boden war eine Holzluke, die nach unten führte, wo Rem die meisten Vorräte lagerte, vor allem das Wasser. Nachdem er den Erste-Hilfe Kasten aus dem Kleiderschrank geholt hatte, nahm er noch seine Dolche, die einfach auf dem Holztisch lagen. Diese befestigte er hinten horizontal an seinem Gürtel. Wer wusste schon, welche Tricks Kiyan noch anwenden würde. Wieder an Deck blinzelte er zweimal als er aus der dämmrigen Kabine ins Licht der aufgehenden Sonne trat. Der Himmel war nur spärlich bewölkt und über dem dunklen Meer war der Horizont in ein feuriges Rot getaucht. Über ihnen waren nur noch wenige Sterne zu sehen und der Mond. Kiyan stand immer noch ungerührt da und starrte auf den Verbandskasten in Rems Hand. Der Braunhaarige war sich nicht sicher, ob er sich das einbildete, aber der junge Mann schien ein wenig nervös zu werden. Erst als er den Koffer öffnete und lediglich ein wenig Desinfektionsmittel und Verbandszeug hervorholte, beruhigte er sich wieder. „Hier. Das wirst du ja wohl allein hinbekommen“, drückte Rem ihm das Zeug in die Hand und setzte sich ihm gegenüber hin, die Arme wieder einmal vor der Brust verschränkt. „Danke…“, besaß Kiyan genug Anstand um sich zu bedanken. Rem sah über den Bug hinaus aufs Meer, jedoch nicht ohne vorher an dem gekappten Seil hängen zu bleiben. Er hatte kein Ersatztau, womit sich die Frage stellte, wie er sein Boot im nächsten Hafen festmachen sollte. „Fertig“, meldete sich Kiyan irgendwann und der Braunhaarige warf einen flüchtigen Blick auf den Verband. Aber er schien einigermaßen ordentlich angelegt worden zu sein. Der Silberhaarige hatte mittlerweile die Kapuze vom Kopf gezogen und Rem hatte ihn bereits des Öfteren dabei erwischt, wie er mit dem Totenkopfanhänger in den Fingern gespielt hatte. Die Haare hingen ihm auf der Stirn ein wenig ins Gesicht und seine Augen waren blaugrau, wie der Himmel von einigen Tagen als er in den Sturm geraten war. Ansonsten konnte er nicht viel über ihn sagen, aber er war sich mittlerweile sicher, dass er nicht viel älter sein konnte als er selbst. Vielleicht war er auch gleich alt. „Du hat mir noch gar nicht deinen Namen gesagt…“, versuchte der Silberhaarige es erneut, aber Rem blockte einfach ab. „Ach komm schon. Bei dem Kurs sitzen wir mindestens noch fünf Tage zusammen auf dem Kahn hier rum.“ Wieder keine Reaktion. „Das mit den Marinesoldaten war nicht meine Schuld.“ Ein vorwurfsvoller Blick des Braunhaarigen folgte. „Okay, vielleicht ein bisschen… Ist ja schon gut. Es tut mir leid, ja?“, brummte Kiyan und machte ein paar vorsichtige Schritte. Er überprüfte auf dem Kompass, den Rem ihm überlassen hatte, jedoch nur für die Dauer der Fahrt, wie er sehr deutlich gemacht hatte, die Richtung. Vor sich hinmurmelnd ging der Silberhaarige zum Heck um am Ruder den Kurs zu korrigieren. Rem sah ihm kurz nach, bevor er sich auf den Holzboden sinken ließ und den Kopf nach hinten gegen das raue Holz lehnte. Der Wind war nicht besonders stark, sodass das Segel immer wieder schlaff in sich zusammensank. Bei diesem Wind mussten sie am Ende noch Angst haben, dass die Marine sie einholen würde, auch wenn er nicht ernsthaft daran glaubte, dass die Marine wegen einem Kleinkriminellen gleich ein Kriegsschiff losschickte. Trotzdem war die Situation mehr als ärgerlich. Er hatte zwar einen Navigator an Bord, aber leider dazu ein bekanntes Gesicht für die Marine, dass auch noch gezielt Ärger suchte. Er war froh, wenn er Kiyan auf der nächsten Insel endlich los wäre. Ansonsten machte der junge Mann einen recht lebhaften Eindruck und schien nicht übermäßig aufgedreht zu sein, was Rem als sehr angenehm empfand. Sein Verhalten in dem kleinen Geplänkel war auch nicht unbedingt schlecht gewesen, durchaus einfallsreich auf jeden Fall. Der Braunhaarige schüttelte den Kopf. Es würde sich zeigen müssen, ob er ernsthaft in Erwägung ziehen würde ihn an Bord zu behalten. Zuerst brauchte er ein richtiges Schiff. Alles Weitere würde sich auf Resch-Island zeigen. Die Insel mit der Schiffswerft lag innerhalb des Corralemo Archipels und hatte einen durchaus guten Ruf, zumindest in dieser Gegend des North Blues. Das Archipel bestand aus vierzehn größeren und kleineren Inseln. Resch-Island lag am nordwestlichen Rand der Inselgruppe und trieb regen Handel mit den beiden Hauptinseln, die weiter im Süden lagen. Das war also das nächste Ziel und eine gute Gelegenheit um auf den einzelnen Inseln Informationen zu sammeln und die Vorräte aufzustocken, denn die würden schneller zur Neige gehen als Rem lieb war, immerhin hatte er jetzt ungebetene Gesellschaft an Bord. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)