Die Zauberin und das nostrische Komplott von Ghaldak (Die Abenteuer der Zauberin Freya, zweite Staffel) ================================================================================ Kapitel 2: Freya in: (10) Vogelfrei ----------------------------------- Der Weg zur Grenze Kurz nach Alberias Grenze bestieg ich eine Kutsche und ließ mich für ein paar Münzen schnell durchs Land tragen, denn ein Fehler zwang mich zur Eile: Hatte ich noch an das Gesagte geglaubt, dass das große nostrische Ritterturnier unter Yolande in den Efferd verschoben wurde, damit die Streiter beider Reiche daran teilnehmen konnten, belehrte mich der Junker von Kyldenburgh eines Besseren: Dieser Plan wurde war lange besprochen, doch niemals umgesetzt. Ich konnte also nicht einfach bis Mitte Efferd die Zeit vertrödeln und mich dann in den Horden von Schauenden und Streitern in Sicherheit wähnen, sondern musste mich beeilen, um mit etwas Glück noch die letzten Tage zu erhaschen. Nahe Havena, nur einen Katzensprung von der Grenze entfernt, holte doch auch diesen meiner Pläne die Realität ein: Menschen flohen in Gruppen und Scharen nach Albernia, einem Kriegsland. Ich fragte nach und nachdem ich darauf verzichtete, mein Siegel vorzuzeigen, erhielt ich auch Antwort: Es herrschte Krieg. Andergast marschierte und hatte in zwei Schlachten den großen Feind an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Konnte dies ein Werk König Efferdans sein? Sicher nicht. Auch kam Mineda frisch aus Andergast… hier konnte ich nur das Schlimmste befürchten und auf das Beste hoffen. Sollte ich deshalb auch nach Nostria reisen, damit ich nicht in Andergast eingreifen konnte, oder verbargen sich dahinter andere Gründe… und sollte ich es denn tun? Ja, entschied ich nach kurzem Überlegen, denn was auch hier geschah, sah ich mir besser mit eigenen Augen an. Es würde nur alles schwieriger werden. Ein um meine Hand gewickeltes Stück Tuch verbirgt mein Siegel, dann fühle ich mich gleich sicherer. Verdammt, warum habe ich diese Infiltrationskurse nur so oft geschwänzt? Okay, ja, da wusste ich schon, dass ich niemals als Agentin in einem „generischen potentiell feindlichen Staat mit einer… sagen wir… Lage im Südwesten“ eingesetzt werden wollte und außerdem gab es da schon Jannis in meinem Leben… ach, mehr können die mir sicher auch nicht gesagt haben. Wenn mich jemand fragt, dann bin ich Freya ni Arthuro aus Albernia und das Rot meiner Haare ist echt... und zum Glück trage ich ja auch nicht mehr diesen in Andergast gefertigten Gambeson, der könnte auch auffallen. Soll ich vielleicht noch bei Dela vorbeigehen und die Elfe bitten, meine Sachen zu verwahren, damit ich nicht noch als Zauberin Aufmerksamkeit auf mich ziehe? Nein, dazu ist es nun zu spät. Blöder Stab, der sich nicht als Wanderstab vermitteln lässt, blödes eindeutiges Gildensiegel… wären Handschuhe eigentlich besser als dieser Notfallverband? Nein, keinesfalls, die wirken dann sehr schnell gewollt, vor allem bei meinem Gewand. Blöder Jannis, blöder Kurs, echt, saudumme Freya; da bleibt mir nichts als es zu riskieren und das Beste zu hoffen. Ich bezahle einen Bauern, der mich in aller Stille über die Grenze bringt: Da die Nostrier gerade zu beschäftigt damit sind, die Eindringlinge im Nordosten aufzuhalten, geschieht das ohne Probleme und ich weiß, dass ich nur den leichtesten Teil hinter mich brachte. Tage der Wildnis warten auf mich, in denen mein Proviant nicht reicht und mir in einem Bach meine Seife davonschwimmt. Ich freue mich also nach drei Tagen über die Taverne „Zum Wildschwein“ in einem nostrischen Vorort. Ein Bad, eine warme Mahlzeit, ein paar Bier und ein warmes Bett warten und es könnte alles so schön sein, wäre da nicht der betrunkene nostrische Söldner, der herüber zu meinem Tisch wankt. „Na, du dreggige Sau? Was schaust’n so? Willst du Schläge… oder sollen wir Schweinkram machen?“ Verdammt, ich muss ängstlicher wirken, als ich dachte, der Beutegeruch muss penetrant sein. Ich wundere mich selbst über meine Antwort: „Küss Boron, du Scheißkerl.“ … Auaaaa, verkneife ich mir zu sagen, als ich die Formschönheit des Kneipenbodens bewundere und nur der Wirt, der den Söldner vor die Tür setzt, mich vor Schlimmeren bewahrt (endlich einmal ein netter Mann), das blaue Auge wollte doch gerade wieder verschwinden. Mit dem guten Gefühl, die Ermahnung zur Vorsicht gerade noch zur rechten Zeit erhalten zu haben, erreiche ich Nostria am nächsten Tag zur Mittagszeit und: Was für ein Anblick. Die Stadt selbst kannte ich ja noch nicht, doch was ich in Andergast über sie hörte, spornte meine Phantasie an: Die Hauptstadt des alten Erzfeindes, zur Wendolyn-Zeit herausgeputzt, durch die Blaue Keuche gegen Ende meiner Akademiezeit zur Geisterstadt geworden, nun von einer Unzahl an Bewaffneten in ein künstliches Leben versetzt. Ich bemerke die Schützen mit ihren mannhohen Langbögen auf den Mauern spähen, das Aufgebot der in Nostria so zahlreichen Freibauern, während das, was von der Landbevölkerung verfügbar war, sich mit der Ausbesserung der alten, doch in den letzten Jahren verwahrlosten Stadtmauer beschäftigt, während die Stadtgarde jeden kontrolliert, der die Stadt betreten möchte – eine lange Schlange, in die ich mich einreihe, ist die Folge. Was geschieht hier? Die Nostrier bereiten sich auf einen Ansturm, doch nicht auf eine Belagerung vor: Das Andergaster Heer muss bereits recht nah herangerückt sein, doch da jedes Zeichen von Rittern auffällig fehlt, muss die Königin zusammen mit der Marschallin von Sappenstiel die Stadt verlassen haben, um das vordringende Heer auf den Weiten der Wiesen, einem für Andergaster ungewohnten Gelände, in einer offenen Feldschlacht zu schlagen. Warum ich das so genau einschätzen kann? Nun, ich schwänzte nicht alle Kurse, selbst mit Jannis nicht, und die Nostriaken wären sicher unangenehm überrascht, wenn sie erfahren würden, wie genau die Andergaster Kampfmagierakademie ihr Heereswesen kennt; schließlich arbeiten wir eng mit unseren Streitern zusammen. Am Ende der Schlange danke ich meiner Mutter im Stillen, dass die den Staat Andergast in keinem Wort erwähnte, kann bei Verweis auf meinen Stand auch mein Schwert behalten (zum Glück fragen sie nicht nach, denn sicher würde meine Argumentation sie nicht so ohne Weiteres überzeugen) und betrete, Phex für seinen Beistand dankend, die Stadt. Ich halte inne, denn es ist wahr: Nostria ist wunderschön. Ich lasse den Blick streifen, bewundere die breiten, gepflasterten und geraden Straßen, die so deutlich mehr meinen Erinnerungen an Kuslik denn dem Schlamm Andergasts gleichen, die hohen, backsteinbraunen Häuser mit ihren prachtvollen Fassaden und dabei die stillen Narben; Nostria schreit nicht und erschlägt einen nicht, sondern lädt zum Entdecken ein, ein still ausgesprochenes Angebot, von gesuchtem Glanz und traurigem Verfall zu lauschen. Ich wandere strikt auf das Zentrum zu, lasse den Blick schweifen und gebe mir das Versprechen, nach dem Krieg der Stadt einmal genügend Zeit zu widmen. Ich werde an meinem Ziel nicht fündig, doch irre ich auch nicht, denn da ich aus dem Süden komme und nach Norden muss, ging ich keinen Schritt zuviel: Ein Passant verweist mich auf die „Räuberhöhle“ auf dem Kasmyrinsplatz direkt an der Tommel, den ich nach einigen Irrungen (die Straßen sind zwar gerade, doch für Nichteinheimische kaum zu durchschauen – ein weiteres Angebot), auch finden kann: Allein die Inschrift über der Pforte und die kleinen, mit ihrem Messingglanz golden wirkenden Königsfiguren im Stein der Mauer lassen mich wissen, dass ich beim Nostrischen Uffiz richtig bin. Ich trete ein. „Sie wünschen?“ – „Ich bin wegen einer Erbgeschichte hier.“ – „Da müssen Sie zu Herrn Berlind; Zimmernummer 714. Das ist im dritten Stock auf der rechten Seite. Sie können Ziffern lesen?“ – „Natürlich.“ – „Gut. Nehmen Sie besser die linke Wendeltreppe – und bei der den zweiten Ausgang, davon nicht verwirren lassen. Mit der rechten kann es schwierig werden.“ – „Hmm, ja. Danke.“ … „Die spinnen doch, die Nostrioten.“… „714, hmm…“ – „Herein?“ – „Herr Berlind?“ – „Nein, der sitzt in Zimmer 714, das ist Zimmer 71-4. Gehen Sie am Besten den Gang zurück, halten Sie sich halbrechts und betreten Sie das Treppenhaus… dort sollte sich zu dieser Stunde die Putzmagd Selinde aufhalten, die Sie zu zum richtigen Raum führen kann… außer natürlich, das Dach leckt mal wieder, doch ich sehe, Sie tragen festes Schuhwerk.“ – „Hmm, gut.“ … „Verdammte Nostrioten.“… „Ja, das ist schon Zimmer 714, doch Herr Berlind trinkt gerade Tee mit den Herren von der Gutverwaltungsaufsichtbehörde. Versuchen Sie es dafür im zweiten Kellergeschoss, erreichbar mit den Treppen 4, 44 und 44-4. Nun entschuldigen Sie bitte, ich muss zu meiner Arbeit zurück, dieses Dach gibt einfach keine Ruhe.“ … „Jaja, schon gut, ich mag die Nostrier. Die Stadt ist toll, die Leute sind toll und dieses Bauwerk ist auch toll. Darf ich nun endlich?“… „Die Gutsaufsicht? Nein, die hat seit der Praiosstunde geschlossen, das ist ein Privileg der Terrasten. Das weiß doch der Herr Berlind auch, komisch… der wird doch wohl nicht schon wieder der Empfangsdame nachstellen?“ – „Und wie komme ich zu der?“ – „Ich weiß nicht, ich bin noch neu hier. Fragen Sie am Besten einfach am Empfang nach.“ … „Was mache ich eigentlich hier?“… „Ja, Moment…“ – „Ach, da habe ich vorhin also wirklich meinen Namen gehört. Ich dachte schon.“ – „Herr Berlind?“ – „Eben der. Wollen wir uns nicht zu den Schmarotzern der Zollaufsicht gehen und da einen Tee trinken? Die haben den besten.“ – „Nein, ich bin froh, an einer Stelle zu sein, von der aus ich wieder herausfinde. Ihr Keller ist aber einer…“ – „Allerdings, auf diesen sind wir richtig stolz. Er wurde immer weiter ausgebaut und inzwischen ist er wohl der längste derische Fluchtstollen und führt außerdem trockenen Fußes unter der Tommel durch… oder nassen Fußes in sie hinein, aber die Treppen sind eigentlich gekennzeichnet.“ – „Sehr schön.“ – „Was führt Sie denn nun zu uns?“ – „Ich komme wegen dem Tod des Bruders meiner Mutter, Aedin Tsael ui Gwaihin. Ich soll für sie das Erbe abholen… Moment… hier.“ – „Mein Beileid. Er war ein guter Mensch, ich kannte ihn sogar.“ – „Ich nicht. Ich hatte mit der Familie meiner Mutter nie viel zu tun.“ – „Schade, wirklich. Zanya, kannst du aus meinem Büro die passende Kassette holen? Aedin von Gwaihin.“ – „Mache ich. Kümmerst du dich solange um neue Besucher?“ – „Klar. Ich erzähle ihnen vom Keller, bis du wieder da bist.“… „Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anbieten, doch der Eicheltee wird Ihren Erwartungen wirklich nicht entsprechen. Hatten Sie denn eine gute Reise?“ – „Weitestgehend, ja. Ich komme ganz frisch aus Brig-Lo. Da hat mich der Brief erreicht.“ – „Sie sind geeilt, um Nostria zu besuchen, solange es noch steht?“ – „Nicht wirklich, ich erfuhr erst kurz vor der Grenze davon… naja, vom Krieg. Steht es wirklich so schlimm?“ – „Wissen Sie, in meiner Position glaubt man den Augen mehr als den Ohren. Unsere Herren scheinen die Sache so zu sehen und hoffen jetzt auf ein Wunder vor der Hauptstadt wie die Garether einst beim Kampf gegen Fran. Ob es eintritt, wissen nur die Götter, doch eines weiß ich sicher: Wenn die Mauern brechen, dann wird es richtig hässlich werden. Den Andergastern kann man alle Scheußlichkeiten zutrauen.“ – „Meinen Sie?“ – „Natürlich. Nach über tausend Jahren.“ Wenig später kehrt die Empfangsdame zurück und ich drehe mich zu ihr um, als ich ihre Spieglung in Berlinds Monokel erblicke. In ihrer Hand führt sie eine mit rotem Samt überzogene Schatulle, die sie auf den Tresen legt und unter Berlinds Aufsicht öffnet. „Ich verlese“, sagt der Beamte, „Ein Buch ‚Die Kunst des Kampfes’. Ein Zierdolch. Ein Lederbeutel, gefüllt mit 42 Dukaten.“ – „Entschuldige, hierin finden sich nur 34 Dukaten.“ – „Dann müssen meine Aufzeichnungen falsch sein. Ich wiederhole: Ein Beutel, gefüllt mit 34 Dukaten. Eine aus Ebenholz geschnitzte Figur eines Elefanten. Ein Silberring mit einem Smaragd. Das wäre alles. Ihre Unterschrift und die Bevollmächtigung bitte.“ Ich verkneife mir den Ärger und zeichne ab. „Brauchen Sie eine Bestätigung für Ihre Frau Mutter?“ Ich nicke – ein fünf Silbertaler teures Nicken. „Einen schönen Tag noch.“ Als ich das Rathaus verlasse, brach der Nachmittag schon seit einigen Stunden herein und ich entscheide mich, den Tag in aller Ruhe ausklingen zu lassen, um morgen in aller Schnelle mit möglichst viel Sonnenlicht zu reisen. Dabei lockt der Nostrische Hof, das erste Hotel der Stadt, schön nah und sicher nicht mit Gardisten angefüllt… ein Gedanke, ein reizvoller Gedanke, ein Drängen und ein schließlich ein Zerren, bis ich nachgebe… und es hat ganz sicher nichts damit zu tun, dass ich gerade mehr Geld bei mir in der Tasche trage, denn das gehört ja eigentlich nicht mir und ich habe auch so genug. Es fühlt sich ungewohnt an, die wirklich edelsten Stufen zu beschreiten und dabei nicht mehr die mahnende Stimme zu hören, die an die Schulden aus der Akademiezeit erinnert, denn mit dem Verkauf meiner Heil- und Manatränke bin ich finanziell mehr als saniert. Für eine Nacht erwartet mich nun gutes Essen, weiches Zimmer und untertänigstes Personal, wie es den höchsten Gästen des Staates zusteht – und sogar ein Schneider, der sich der Schnitte in meinem Reisegewand annimmt, die die Orksäbel verursachten –, doch andere Stimmen verhindern die wahre Freude: Da ist die, die mich ermahnt, nicht mit dem Prassen anzufangen, und da ist die, die mir einen Artikel aus dem nostrischen Kurier vorliest: Flüchtlinge vogelfrei Die Kaiserin von Nostria und sein Berater entschuldigen sich bei der Bevölkerung. Der Beschluss den sie vor 3 Wochen verkündeten ist keine Tyrannei sondern ein Schutz der Bevölkerung. Hier noch einmal ihr Beschluss: .Und so bleibe ein jeder Unfreie, eine jede Unfreie auf dem Land, an das er oder sie gebunden ist. Nicht Wetter noch Naturgewalt, nicht Krieg noch Vernichtung können einen Menschen von seinem vor Praios dem Götterfürsten geschworenen Eid entbinden. Leibeigene, die das 12. Lebensjahr erreicht haben, mögen sich unverzüglich und direkt bei ihrem Lehnsherren oder ihrer Lehnsherrin melden. Dort werden sie in Landwehren eingeteilt, die dem Aufrechterhalten von Recht und Ordnung dienen. Wer sich seinem vor Praios geschworenen Eid widersetzt und widerrechtlich seine Heimatstadt in einem Umkreis von 30 Meilen verlässt, gilt als vogelfrei. Der Adel sei aus all diesen Gründen aufgefordert, seinen rechtmäßig auf Reisen befindlichen Eigenleuten gültige Papiere mitzugeben. Wer ohne gültige Dokumente aufgegriffen wird gilt fürderhin als vogelfrei. Kein Freier oder Unfreier darf ihm Obhut gewähren noch die Flucht erleichtern. Wer dies trotzdem tut, gilt ebenfalls als vogelfrei. Allein durch Gehorsam und Pflichterfüllung können wir Menschen in dieser harten Zeit überleben. Verfasst vom kaiserlichen Berater Die haben den Verstand verloren, fährt es mir durch den Kopf, die Nostrier müssen wirklich vor dem Kollaps stehen. Das ist Irrsinn, ebenso wie diese Rangerhöhung zur Kaiserin, und wenn das wahr ist… ja, dann wird meine Reise wieder schwieriger. Ich spreche mit den Dienern des Hotels und die nicken: Es ist kein Witz. Der Stadt ist auch im medizinischen Sinne irregeworden. … Was werden sie dann mit einer Andergaster Kampfmagierin machen, wenn sie sie finden, fährt es mir durch den Sinn. Das ist nicht gut. Ich muss hier weg. Ade, Nostria, du schöne Stadt… ich gehe lieber noch einkaufen, denn immerhin benötige ich noch Vorräte. Dann verlasse ich diesen Ort und halte mich wieder südlich. Ich habe eben den Ort mit dem netten Wirt hinter mir gelassen und wandere auf dunklen Pfaden durch den Wald, als ich eine penetrante Stimme vernehme: „Heda, Fräulein. Habt Ihr ein paar Münzen, die Ihr entbehren könnt?“ Ich kann mein Erschrecken soweit zügeln, dass ich nicht vom Baumstamm falle, den ich gerade überklettern muss, doch bei den auf mich zielenden gespannten Bögen hält sich meine Freude darüber in Grenzen: Drei Wegelagerer vor mir, vier – wie mir ein kurzer Blick verrät – hinter mir, da hilft mir auch kein Ignisphaero. „Ein paar schon, aber auch ein paar Zauber. An wie viele denkt Ihr denn?“ Der Sprecher, ein Wieselgesicht, grinst spitzbübisch: „Wie bei einer Brücke: Zwei Gold für jedes Bein… und für jeden Arm… und eines für jeden Finger. Das macht zusammen zwanzig – oh, verzeiht, wir dummen Bauern vermögen ja nicht zu rechnen.“ Zwanzig Dukaten für eine Passage bei einer Zauberin? Das ist… ach, zu bezahlen. Ich greife langsam in meine Tasche, ziehe den ererbten und durch den Hotelaufenthalt spürbar leichter gewordenen Beutel heraus und werfe ihn ihnen zu. Das Grinsen wird breiter: „Habt Dank für die milde Gabe, Fräulein, doch habt Ihr auch an den Tempelzehnt gedacht? Ich wüsste da eine Möglichkeit… Ihr gehört doch zur Rahjakirche, nicht wahr?“ – „Ja, zu den Säbeltänzern. Ignisph…“ In diesem Moment erstarre ich, weil alles in Bewegung gerät: Der Anführer wird von einem Pfeil getroffen und sein Kopf zerrissen, in einem Hagel sterben auch seine Getreuen vor mir, während mir ein Gurgeln verrät, dass es den Schurken in meinem Rücken nicht besser ergeht. Ich steige schnell vom Baum und greife nach meinem im Dreck liegenden Beutel. Was auch kommt, das ist meins. „Ja, wen haben wir denn da? Erhebt Euch doch.“ – „Corsaia?“, frage ich, doch als ich mich erhebe, merke ich, dass ich falsch lag: Ich erblicke sechs Männern in langen grünen Mänteln, die sich mit Kurzschwert und Bogen der Banditen entledigten und nun sichergehen, dass sie alle tot sind. „Habt keine Angst“, sagt einer von ihnen mit einer angenehmen Stimme, „Es wird alles gut werden.“ Ich verhindere nicht, dass er sich mir nähert und denke noch, dass er mein Haar bloß von Zweigen befreien möchte, bis er die Augenbinde zuzieht. Ich schreie auf, doch lasse zu, dass sie mich für eine knappe Stunde durch den Wald führen. Als ich das Augenlicht zurückbekomme, befinde ich mich mitten in einer Siedlung mit einem Dutzend in den Wipfeln verborgenen Baumhäuser, aus deren Höhen mit einige Männer und Frauen kurz zuwinken. „Willkommen in der Stadt der Freiheit“, spricht der Anführer zu mir, dessen langes blondes Haar, dessen ebenmäßige Züge, die tiefblauen Augen und der noch im Wachsen begriffene Schnurrbart mir ebenso imponieren, „Na, gefällt sie dir? Erlebe sie erst einmal von innen und komme mit ins Haupthaus.“ Es folgt eine kurze Kletterpartie über eine Strickleiter, die mich sehr bald in eine Hütte in den Höhen führt. Fasziniert betrachte ich das Schnitzwerk in den Wänden, diese einzige Verzierung mit Firun, Phex, Praios und Ingerimm über Jägerszenen, während der Anführer erzählt: „Verzeiht mir den rauen Weg, doch ich bin sicher, auch Sie verstehen die Gründe. Nach den letzten Jahren… und ganz besonders nach meiner eigenen Geschichte… möchten wir unsere Freiheit nicht wieder verlieren. Ingvalion Kasparbald Kasmyrin mein Name, Prinz und rechtmäßiger Herrscher zu Nostria, hätten nicht die drei Jahre in einem dunklen Verließ der Marschallin zu Sappenstiel die Geschichte von mir ferngehalten. Das Glück war mir hold, als Räuber auf meinem Weg zur Hinrichtung für Tumult sorgte, doch was ich vorher erfuhr, brachte mich dazu, nicht an das andere Ende der Welt zu fliehen. Am Abend vor den Ereignissen kam die Marschallin Rondriane von Sappenstiel selbst an mein Kerkerloch und lachte: Ich solle noch wissen, was um mich herum geschähe, spottete sie, denn nun sei sie meiner überdrüssig. In Andergast erheben sich Aufrührer, mit denen sie Kontakt aufnahm, und wenn sich die Bürger in Nostria scharen und den Heeren des Feindes nach Nordosten geschleift werden, würde damit auch die Königin verschwinden und allein sie könne herrschen. Dann weichten zwei Königreiche vor der Macht des Schwertes. Allein, zu ihrem Unglück überlebte ich und werde nun alles tun, damit dies nicht eintritt. Ich werde meine Verwandte retten, die Verräterin der Krone stürzen und mein Land von den Andergastern säubern und Ihr… Ihr seid eine Magierin, doch keine der Dualisten mit den strahlend weißen Roben. Ich habe Euch gerettet und bewunderte Euren Mut bei Eurer Unterlegenheit. Wollt Ihr Euch mir anschließen?“ Diese ehrlichen blauen Augen… nein. Nein, verdammt. Denke nach. Efferdan wurde gestürzt oder sitzt in der Patsche, Yolande erwartet etwas ähnliches und irgendeine Gruppe, zu der Mineda gehört, wird sich erheben… nein, das kann ich nicht zulassen. Für Efferdan, für Andergast, für einen neuen Frieden – selbst bei Verzicht auf einen Sieg. „Firlina di Arthuro-Galahan, Verwandte des Königs Efferdan, Kampfmagierin zu Andergast. Wenn es Euch nicht stört…“ – „Wie sollte es, das ist wundervoll. Lasst uns gemeinsam für den Frieden zwischen unseren Landen eintreten, die durch den Krieg so viel verloren.“ Ich nicke. Ja, er spricht mir aus der Seele. „Komm zu mir, Bürgerin der Stadt der Freiheit.“ Er beugt sich herüber, um mich zu küssen, geschickte Lippen, verdammt schweigsamer und sich niemals meldender Rufus und… „Nein“, sage ich. Schweren Herzens schlucke ich den kessen Spruch herunter, der eigentlich schon auf meinen Lippen lag, bringe ihn auf Abstand und bitte um ein Quartier. Im letzten Augenblick warnte mich eine innere Stimme, die nicht Rufus gehörte, sondern… ich weiß es nicht. Vielleicht erinnert er mich zu sehr an einen zehn Jahre jüngeren Corsaia. „Wie du willst“, sagt er mir einer unterdrückten Wut, die mich mein Stimmchen loben lässt, „Dann mache dir in der Nacht Gedanken darüber, wie wir mit dem Rest dieser Banditen fertig werden, denn für unseren Freiheitskampf brauchen wir den ganzen Wald für uns.“ Der Morgen dämmert viel zu früh und ich weiß, dass ich nun nicht mehr zurück kann. Kasparbalds Lächeln kehrte zurück und ohne jeden Makel in seiner Freundlichkeit frühstückt er mit mir. Ich merke sehr schnell, dass es im Lager außer mir keinen Zauberer gibt und wundere mich doch, wie schnell die Freiheitskämpfer mich bei dem Prinzen an der Spitze akzeptieren. Ich spreche aus, woran ich in der Nacht dachte und fühle mich zugleich mit jedem Wort schmutzig: „Ich würde erforschen, wo deren Lager liegt, und sie dann mit einem Feuerkreis ausräuchern. Bei dem ausbrechenden Chaos wären sie leichte Beute für Eure Pfeile.“ Kasparbald hört mir aufmerksam zu und nickt, doch mich beschleicht der Verdacht, dass ihm wohl jeder meiner Pläne gefallen hätte. Streiter bereiten sich vor, während wir unser Mahl beenden, und ich spreche es aus: „Mein Prinz, bei all meinen Erlebnissen blieb ich eine Abenteurerin und wurde nie zur Mörderin. Es gefällt mir nicht, nun gegen sie vorzugehen. Gibt es keinen Weg, sie zu überzeugen?“ – „Ich fürchte nicht. Glaubt mir, ich empfinde ähnlich, doch Ihr habt sie erlebt. Was hätten sie mit Euch angestellt, wären wir nicht eingeschritten? Es wäre zum Kampf gekommen und Menschen wären gestorben. Wenn Ihr jedoch mögt, dann bleibt hier im Lager und bewahrt Eure Kräfte. Ich bin sicher, die Männer werden es verstehen, wenn ich Euch zur Bewachung des Dorfes einteile.“ Er meint es ernst, das sehe ich, und mich verlässt der Mut. „Ja, bitte“, sage ich und fühle mich elend. Kurz vor Mittag rücken sie aus, weshalb ich in einer Geisterstadt zurückbleibe. Ich hänge den Gedanken nach, klammere mich manchmal an meine „Wache schieben“-Aufgabe, ehe ich einsehe, dass ich mich selbst belüge und mit der Strickleiter von Hütte auf Boden oder andersherum wechsele. Was mache ich eigentlich hier? Hat dieser ganze Kampf denn überhaupt etwas mit mir zu tun? Oder besser: Spielt Mineda da etwa mit rein? Sie steht, soviel ist sicher, auf der Seite der Aufständischen und damit auf der der Marschallin von Sappenstiel... oder? Das ist es, was das Stimmchen meinte und was mich stört: Der Marschallin entgleitet zufälligerweise ein wichtiger Gefangener und die wohl beste Meuchlerin in diesen Gefilden lässt es geschehen… das passt nicht. Mineda will, dass er lebt, und wahrscheinlich wollte sie mich auch mit ihm zusammenbringen. Da stellt sich die Frage: Wozu? Was nützen Kämpfer für die alte Ordnung einer Aufständischen… oder ist sie das gar nicht? An dieser Stelle musst du das Handtuch werfen und die Rauchsäulen am fernen Horizont betrachten: Du kannst dem Prinzen nicht pauschal vertrauen, ebenso wenig wie du es bei Mineda oder der Marschallin kannst. Solange du aber nicht weißt, wer auf welcher Seite steht, kannst du nur eines tun: Du kannst und musst verhindern, dass sich die Dinge schnell entwickeln, denn nur die Zeit verschafft dir Klarheit. Es geht alles so furchtbar schnell. Glückliche Menschen kehren zurück und reißen mich aus meinen Gedanken: Die Banditen wurden ausgelöscht, doch von uns starb kein Einziger und nachdem ich mich von meinen Schuldgefühlen anstecken ließ und mit meiner Kraft die Verwundeten versorgte, ließen sie mich doppelt hochleben: Als Taktikerin und als Heilerin. Ein großes Fest schließt sich an und ich bin Kasparbald dankbar, als er mich zu sich bittet – die Menge begann schon, mich als neue Königin zu feiern. (Von Andergast? Von Nostria? Beide Gedanken gefallen mir nicht.) „Freya, es ist vollbracht, doch lass uns die Form wahren: Gab es irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“ Ich schüttele den Kopf und setzte mich zu ihn, zwei verlorene Gestalten am Boden der Anführerhütte, während von draußen die Geräusche dringen. „Nein, mein Prinz, die Abwesenheit der Kämpfer wurde nicht genutzt.“ – „Dann lassen wir uns nun ihre Anwesenheit vergessen. Sie sind fröhlich, denn sie hätten alle tot sein können, und sie danken Boron für den neuen Tag. Verstehst du das?“ – „Natürlich. Auch ich war schon in ausweglosen und gefährlichen Situationen.“ – „Auge im Auge mit dem Tod und das für eine längere Zeit? Ich weiß nicht, ob ich dir das glauben kann.“ Ich gebe mich geschlagen. „Da habt Ihr auch Recht. Ich kenne die Gefahr sehr gut, doch bislang verflog sie immer nach einigen Tagen. In langfristigen Kämpfen…“ – „Wir können morgen alle sterben.“ – „Was?“ Vorsichtig greift Kasparbald nach meiner Hand. „Der große Schlag steht an, Freya, früher als irgendjemand hätte vermuten können. Wir werden uns in Fässern verbergen und uns als Weinhändler verkleidet in das Feldlager schleichen, ehe dann die Männer aus den Fässern springen und die Marschallin töten. Es kann mich töten, es kann dich töten, doch solange Yolande lebt, wird das Gute triumphieren. Bist du bereit, zusammen mit mir dein Leben zu riskieren?“ Er will ‚verlieren’ sagen, das weiß er und das weiß ich. Das ist furchtbar und doch hat er Recht. Ich sehe in seine Augen, diese Meere, und weiß, dass er dazu bereit ist. Bin ich es auch? Nein, verdammt noch mal, aber es bleibt uns nichts übrig, wenn wir das Böse nicht gewinnen lassen wollen. Ich darf jetzt nicht mehr denken, ich muss meinen Gefühlen vertrauen und auf das Beste hoffen. Nein, sagt mein Herz, halt. Ja, mein Prinz, ich weiß, wie du dir das jetzt und den Rest des Abends vorgestellt hast, doch das wird nichts werden. Ich bin nicht deine Gefolgsfrau, sondern eine reisende Magierin, die hier darauf aufpasst, dass am Ende nicht die Maraskanerin lachend aus dem Gebüsch hüpft. Ich werde nicht unter dir dienen und sicher auch nicht unter dir liegen. „Ich komme mit, doch ich möchte, dass du etwas weißt: Es gibt schon einen Mann in meinem Leben und ich bin treu.“ – „So?“ – „Ja, er heißt Rufus und lässt sich im Bornland zu einem Krieger ausbilden. In einem Jahr wird er fertig sein und dann wollen wir zusammen Abenteuer bestreiten.“ – „Ein glücklicher Mann. Weißt du, ich bin früher selbst oft auf Reisen gewesen, ließ das Prinzenleben in Nostria zurück und bereiste unerkannt das Land, Salza, Havena, sogar nach Andergast. Ich lernte viele wichtige Leute kennen, vergnügte mich mit Frauen… ja, zu meiner Schande, mit einigen… und hörte Kriegern und Zauberern zu, wenn sie ihre Geschichten erzählten. Ich begleitete Händler und wollte wirkliche Abenteuer erleben, doch so sehr ich auch suchte, wollte mir Aves diesen Wunsch nicht erfüllen. Ich zog mein Rapier nie im Kampf. So gesehen beneide ich nicht nur deinen Mann, sondern auch dich. Was hast du denn schon erlebt?“ Die Frage kannte ich und wenn sie mir von jemandem gestellt wurde, den ich mochte, erzählte ich gerne von Kurkum. Diesmal lag mir eine andere Erinnerung näher und ich wechselte die Geschichte. Prinz Kasparbald war nicht irgendwer. „Ich wurde mal auf einer Burg in einen Mordfall verwickelt, da kannte ich Rufus noch nicht lange. Wir retteten die Tochter, wurden von dem Baron eingeladen und erlebten dann eine Bluttat mit. Wir suchten lange, doch war das Ergebnis schockierend: Der Baron wurde schon vor einer langen Zeit von einem Gestaltwandler ersetzt, der nun dessen aufgab und Rufus’ annahm. Er konnte mich täuschen und um ein Haar wäre alles verloren gewesen; es war der echte Rufus, der mich rettete, und des Monsters Überheblichkeit.“ Der Prinz hört mir zu, ein angenehmer Genosse. „Ich weiß“, sagt er, als ich nichts mehr anfügen möchte, „wie es ist, wenn die Menschen, denen man vertraut, sich gegen einen wenden; so war es auch bei Rondriane. Ich kenne sie, seit ich ein Kind war, wir haben oft zusammen gespielt und später gefochten und wenn ich Liebeskummer hatte, dann konnte ich zu ihr kommen und fand Rat oder Trost. Hätte man mich gefragt, ob ich ihr zutrauen würde, dass sie mich bei günstigster Gelegenheit festsetzt, unter Tage einsperrt und am Ende zu töten bereit ist, dann hätte ich das klar verneint, selbst eine Woche noch nach meiner Verhaftung. Ich dachte so lange, sie sei so edel, weil sie Nostria jederzeit hätte erobern können, doch es nicht tat, und nun verstehe ich, dass sie nur darauf wartete, es ohne Bürgerkrieg zu tun. So geht das Idol meiner Kindheit. Rondriane…“ – „Romin…“, füge ich seufzend hinzu. Er legt seinen Arm um mich, was ich zulasse und genieße. So weit darf er gehen. Am nächsten Morgen sind wir schnell bereit: Ein Wagen, am Abend geleerte Fässer, ein Pferd und vier todesmutige Männer, Gerion, Ugdalf, Pagol und Fingorn. Alles wartet auf Kasparbald, der zu spät erscheint und dessen roten Ringe unter den Augen davon künden, dass er nach meinem Rückzug noch mit einer Flasche Wein und den Göttern an den Wänden auf seine Heldentaten anstieß. Unwillig nimmt er die Händlerkluft entgegen, die genauso wie mir gereicht wird, und nur ungern lasse ich Stab und teures Gewand im Lager zurück. Bald schon muss ich merken, dass der Prinz der Klügere von uns beiden war, denn während ich den Wagen lenke und nervös auf jede Kleinigkeit achte, schläft er. Nichts passiert, doch die Fahrt zieht sich. Werde ich so auch einmal Boron entgegenreisen? Die Marschallin besitzt ein Landgut nahe der Front, wohin uns der Weg führt. Wir sehen die Bauern auf den Äckern und lassen sie links liegen, zielen das Herrenhaus an und werden von den Wachen aufgehalten. „Was wollt ihr?“ Klingt meine kusliksche Zunge noch überzeugend? Das heißt es, zu probieren. „Wir sind Weinhändler und bieten das edelste Blut der Reben dem edelsten Blut des Landes. Ist euer Herr da?“ – „Lasst sie passieren, ich nehme mich ihrer an. Händlerin, Ihr müsst weit gereist sein, und wenn Ihr es wert seid, so will ich Ehre mit Ehre vergelten. Zeigt, was Ihr habt.“ Das ist sie, Rondriane von Sappenstiel. Schwarze, ergrauende Haare in einem Pagenschnitt, blassblaue Augen und ein Wappenrock… und exakt die gleichen Züge wie auf dem Bild in der Akademie. Ich zucke zusammen und danke es Kasparbald, der das Kommando übernimmt: „Jetzt.“ Das Getümmel entwickelt sich so schnell, dass man kaum nachkommt. Was sich mir an Wachen in den Weg stellt, das versteinere ich einfach, denn wenn diese erwachen, dann sind wir längst weg. Keuchend sitze ich schließlich in dem holpernden Wagen und weiß gar nicht mehr, was geschah, doch die heitere Stimmung meiner Gefährten lässt mich etwas ahnen: Wir waren erfolgreich. Das ist… erleichternd, weniger schlimm als befürchtet und irgendwie… seltsam, unwirklich. Eine weitere Feier lasse ich mit Kasparbald in luftiger Höhe sitzend an mir vorbeigehen, während wir uns unterhalten. „Ich ziehe weiter“, sage ich, um die Last von meinem Herzen zu nehmen, und der Prinz nickt: Er wusste es bereits. „Was wird nun geschehen?“ – „Die Andergaster stehen noch vor Nostria, das gilt es aufzuhalten, doch wenn unsere Streitmacht nicht von einer Verräterin befehligt wird, können wir diese Schlacht sogar gewinnen. Ich werde schon bald nach Nordwesten aufbrechen, doch dann nicht als Attentäter, sondern als Prinz, und die Andergarstigen werden laufen, wenn sich Nostria aus den Fluten erhebt.“ Ich schüttele den Kopf. „Nicht die Andergaster, sondern die Aufständischen. Ich werde nämlich ebenfalls laufen… und zwar nach Norden, um auch dort alles in Ordnung zu bringen.“ – „Das wirst du schaffen, denn die Götter werden dir beistehen. Danke, Freya.“ – „Mein Prinz.“ – „Doch ehe du uns verlässt, möchte ich dir etwas schenken. Dies hier, diese Flöte, schnitzte ich selbst während meiner Jahre im Kerker. Nimm sie und trage damit mein Lied auch in nördliches unterdrücktes Land.“ – „Habt Dank, ich habe auch etwas für Euch, nämlich… ähhm… diese Ebenholzfigur gehörte zu dem Erbe, das mich erst hierher führte, und ich denke, meine Mutter legt auch keinen so großen Wert auf sie. Stelle sie auf deinen Kamin, denn ich kann jetzt nichts von Elefanten erzählen.“ – „Das macht nichts. Das musst du nicht. Gehe zurück in dein Land und rette die Anständigen und bist du dann deines Kriegers überflüssig, kehre zu mir zurück. Du weißt, dass ich dich will.“ Das trifft. „Danke, ich… ähhm… fühle mich… ähhm… geehrt.“ – „Als Hofzauberin“, rettet er sich und mich, „als Hofzauberin natürlich.“ – „Alrik?“ – „Ja?“ – „Was?“ – „Ähhm, nein.“ – „Häh?“ – „Ich meine, möchtest du ein Glas Wein? Ich hab’ noch guten.“ – „Liebfeldischen?“ – „Nein, nur Almadischen. Ein echter Pichelstein.“ – „Das ist keine Auszeichnung.“ – „Hier schon.“ – „Nämlich, wo ich herkomme, serviert man einer Dame nur dann einen Pichelstein, wenn man sie loswerden will.“ – „Du möchtest doch gehen, nicht?“ Er lacht und ich lache und der blöde Rufus weiß gar nicht, wie viel ich für ihn erleide. Am nächsten Tag breche ich auf, zurück nach Süden. Ich will in Albernia rasten, um von dort meiner Mutter zu schreiben und vielleicht den Weg nach Grangor abzukürzen. Was auch immer Minedas Plan war und ob er aufging, kann ich nicht sagen, doch ich kenne mein nächstes Ziel: Ich werde ihre Warnung in den Wind schlagen und mich dieses Staates selbst annehmen. Die Elfe von Dela, dann Corsaia, Überwintern in Grangor und dann, wenn ich weiß, wie es steht, zurück zum Ursprung. Das ist doch ein Plan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)