Was Familie bedeutet von NatsuNoSora (Winterwichteln 2014) ================================================================================ Kapitel 3: Sohn --------------- Die Sonne hatte es noch nicht einmal geschafft, über die Gipfel der Gebirge zu schauen, als Gajeel die Augen aufschlug. Das erste was er verspürte war Kälte. Die gleiche Kälte, die er immer beim Aufwachen gefühlt hatte, bevor er mit ihr zusammenkam. Diese grauenvoll, einsame Kälte. Ohne ihren zarten Körper neben sich hatte er sehr schlecht geschlafen. Kaum zu glauben, dass er so abhänhig von dieser kleinen Frau war. In der kurzen Phase von Wachen und Schlafen, hatte er sich gewünscht, dass das alles nur ein Traum gewesen sein. Ein böser, schlimmer Albtraum, aber eben nur ein Traum. Träume sind Schäume, er wäre am nächsten Morgen aufgewacht und hätte sie friedlich schlafend neben sich gefunden. Doch seine Hoffung war vergebens; die Kälte sprach für sich. Stöhnend setzte sich Gajeel auf. Sein Rücken tat ihm vom Schlafen auf dem kalten Boden weh, in seinen Beinen schmerzte der Muskelkater. Seine Augen brauchten einige Sekunden, bevor sich seine übersinnlichen Fähigkeiten einsetzten und ihm seine Umgebung zeigten. Nach ein paar Minuten seufzte er nur. Er sollte sich wieder auf die Suche machen. Drauβen angekommen, holte er schnell ein paar Essensreste aus seinem Rucksack, die er schnelle runterschlang. Er konnte sich jetzt nicht von seinen Schmerzen aufhalten lassen, er musste weiter! Seine Wut vermischte sich mit einer kleinen Vorfreude darüber, seine alten Gildenkameraden so richtig verschlagen zu können. Sie sollten bereuen, was sie getan haben. Und zwar richtig! Gerade wollte er den ersten Schritt in Richtung Levys Geruch machen, als er es hörte. Es war nur ein leises Rascheln der Gebüsche, doch im Moment wehte keinerlei Wind. Und das war bestimmt kein Eichhörnchen gewesen. Ein erneutes Rascheln, durch das er schlieβlich auch den verantwortlichen Busch erkannte. Auf Zehenspitzen trat er auf diesen zu, bedacht, kein Geräusch von sich zu geben. Sein Geist war nun hellwach, bereit, jedes Hinderniss, die sich zwischen ihn und den Shrimp stellte, aus dem Weg zu räumen. Den letzten Schritt machend, beugte er sich über den Busch, fasste ihn mit beiden Händen. Kaum war sein Griff fest genug, zog er. Die kleinen Äste samt Wurzeln warf er hinter sich, brachte sich in Kampfstellung. Doch das war nicht nötig. Sein Gehirn brauchte eine kurze Zeit, bevor er bemerkte, was er da vor sich hatte. Oder eher gesagt wen. ‚Das kann jetzt doch nicht wahr sein...‘ Unter dem Busch lag kein anderer als sein eigener Sohn, setzte sich nun langsam auf und rieb sich verschlafen die Augen. „Was ist denn los? Die Sonne ist noch nicht einmal aufgegangen...“ Fassungslos starrte der Eisen-Dragonslayer den Jungen an. „Das sollte ich dich fragen, junger Mann! Was zur Hölle machst du hier? Du solltest doch beim Salamander bleiben!?“ Gajeel versuchte die Wut in sich zu unterdrücken, schafft es jedoch nicht. Da verlangte man eine kleine Sache vom eigen Fleisch und Blut, gab ihm genaue Anweisungen – und der Junge hatte nichts besseres zu tun, als ihm nachzulaufen. Realisierend in was für einer Situation er sich befand, weiteten sich seine Augen erschrocken, sein Blick wich hastig hin und her nach eine Ausrede. „Ich... Das... Onkel Natsu war nicht da!“ Gajeel blickte seinen Sohn ungläubig an. Dachte er ernsthaft, er würde ihm diese absolut lächerliche Ausrede abnehmen? Seine weit aufgerissenen Augen implizierten es zumindest. Er konnte spüren, wie beim Anblick dieser groβen Augen seine Wut langsam, aber sicher abebte. Stattdessen senkte er nur den Kopf – und fing an zu lachen. Gajeel fing einfach zu lachen. Tetsu beobachtete ihn nur ungläubig. War sein Vater jetzt vollkommen verrückt geworden? Gajeels Lachkrampf dauerte noch einige, gruselige Sekunden bevor er mit einem Schlag wieder ernst wurde. „Du kannst nicht mit mir mitkommen. Du wärst mir nur ein Klotz am Bein.“ Mit diesen Worten drehte er sich um, dachte die Sache sei damit gegessen. Tja, da kannte er seinen Sohn nicht. „Du... Du kannst mich jetzt doch nicht einfach so zurückschicken! Immerhin bin ich dir den ganzen Weg bis hierhin gefolgt!“ „Blödsinn, du hast mich doch nur durch pures Glück gefunden. Ich hätte es doch schon früher bemerkt, wenn du mir auf den Fersen gewesen wärst.“ Nun lächelte Tetsu nur wissend. „Du warst doch derjenige, der mir beigebracht hat, wie man sich ungehört anschleicht. Du bist nicht mehr der Einzige, der das kann.“ Skeptisch blickte Gajeel seinen Sohn an. Wenn es stimmte, was er sagte, dann war er gar nicht mal so ein Schwächling, wie er angenommen hatte. Auβerdem hätte er schon verdammt groβes Glück gebraucht um ihn einfach so zu finden. Vielleicht war doch etwas an der Sache dran... „Meinetwegen. Komm halt mit. Aber lass dir eins gesagt sein, Bürschen“, Gajeel kam dem Gesicht seines Sohnen ganz nah. Dieser versuchte so weit wie möglich nach hinten auszuweichen. „Solltest du nicht mit mir mithalten können, lass ich dich zurück.“ Tetsu nickte nur schluckend, atmete erleichtert auf, als sich sein Vater wieder von ihm entfernte, sich in die andere Richtung wegdrehte. Kopfschüttelnd machte sich Gajeel auf den Weg. Jetzt hatte er ein Problem mehr. Es war schon wieder dunkelste Nacht, als Gajeel schlieβlich stehen blieb und sich umsah. Hier war ein guter Platz zum Rasten. Er konnte spüren, wie das Laufen und Suchen an seinen Kräften zerrte. „Ich denke, wir sollten hier unser Nacht-“, er hatte den Satz noch nicht einmal beendet, als er auch schon ein plumsendes Geräusch hinter sich vernahm. Verwundert drehte er sich um, nur um sein Häufchen Elend vor sich liegen zu sehen. Tetsu war einfach umgekippt; die Strapazen des Tages waren wahrscheinlich daran schuld. Er hatte sich ziemlich gut geschlagen, war niemals mehr als zehn Meter hinter ihm gewesen. Doch jetzt zahlte er den Preis dafür. Kopfschüttelnd beugte sich Gajeel zu ihm runter. „Oi, Junge. Du kannst doch nicht einfach so hier einpennen. Du wirst morgen jeden deiner Muskeln spüren, wenn du so schläfst.“ Er hatte gerade zu reden, wo er selbst doch die letzte Nacht in der gleichen Position verbracht hatte. Kräftig schüttelte er Tetsu an der Schulter. „Oi, hast du mich nicht gehört? Ich hab gesagt-“ Gajeel erstarrte. Tetsu hatte soeben seine Augen wieder geöffnet und blickte ihn aus diesen verschlafen an – doch es waren nicht irgendwelche braunen Augen. Es waren ihre braunen Augen. Die gleichen braunen Augen, in die er jeden Morgen als erstes blickte, wenn er aufwachte. Die gleichen braunen Augen, die in ihm das Gute gesehen hatten. Die gleichen braunen Augen, die er zu lieben gelernt hatte. Es waren ihre Augen – doch dann wiederum auch nicht. Die Gleichheit diesen Augenpaars war nicht zu leugnen, doch sie gaben ihm nicht das gleiche Gefühl. Nicht das Gefühl, das nur sie ihm geben konnte. ‚Levy...‘ In Gedanken versunken, hatte er gar nicht bemerkt, wie sich Tetsu langsam aufgesetzt hatte, ihm nun eine Hand an die Wange legte. Erst bei seiner Berührung wurde er in die Realität zurückgeholt, zuckte zusammen. Die Schlaftrunkenheit war aus den Augen seines Sohnes verschwunden, hatte einem besorgten Ausdruck Platz gemacht. Dieser bemerkend kriegte sich Gajeel schnell wieder in den Griff, drückte das Gesicht seines überraschten Gegenübers an seine Brust, bevor er sich langsam nach hinten fallen lieβ. „Schlaf jetzt. Wir müssen morgen deine Mutter retten gehen.“ Er konnte ein leichtes Nicken an seiner Brust fühlen, kurz darauf ein regelmäβiges Atmen. Tetsu war eingeschlafen. In dieser Nacht lag Gajeel noch lange wach. Einerseits lieβ ihn die Sorge um Levy nicht los, doch andererseit beherrschte noch eine andere Person seine Gedankenwelt; die gleiche Person, die angeschmiegt an seine Brust friedlich vor sich hinschlummerte. Tetsu. Sein Sohn. Das Kind von Levy und ihm. Sein eigen Fleisch und Blut. Sein Erbe. ‚Was mache ich nur mit dem Kerl?‘ Seit er vor ein paar Stunden in diese braunen Augen geblickt hatte, ging ihm ein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf. Hatte er seinen Sohn vielleicht ungerecht behandelt? Sollte er ihn nicht mehr so in die Mangel nehmen? Plötzlich waren all seine Vorstellungen, wie er sein zu sollen hatte verschwunden. Gajeel war immer der Meinung gewesen, dass sein Sohn genauso wie er sein sollte. Stark, mutig, furchteinflöβend. Aber... was wenn er selbst das gar nicht wollte? Der Blick in seine Augen hatte ihn daran erinnert, wieviel er eigentlich auch von Levy hatte. Klar, er hatte seine Magie geerbt, aber Levys Verstand. ‚Zum Glück...‘ Was wusste er eigentlich von seinem Sohn? Er war vier Jahre alt, verstand sich gut mit den Kindern von Eisklotz und dem Salamander, hatte braune Augen und mochte Bücher - wie seine Mutter. Auf der anderen Seite war er ziemlich stur, ehrgeizig, liebte Herausforderungen und wollte stärker werden – wie er selbst. Vielleicht lag es gar nicht an Tetsu, dass sich seine Dragonslayerfähigkeiten nicht besserten? Vielleicht verlangte er wirklich zu viel von ihm? Konnte es sein, dass der Fehler beim ihm selbst lag? Seufzend strich Gajeel sanft über die schwarzen Haare seines Sprösslings. Auch die hatte er von ihm. Nur im Gegensatz zu seinen eigenen, waren seine kurz und weich – nicht lang und stachelig. Und unkontrollierbar. Er konnte sich noch genau daran erinnern, wie Levy nach ihrer Hochzeit einmal darauf bestanden hatte, seine Haare durchkämmen zu dürfen. Zwei Stunden und drei zerbrochene Bürsten später hatte sie sich geschworen, dass niemals wieder zu machen. An sein triumphierendes Lachen danach konnte er sich auch ganz genau erinnern. Auch wenn er zugeben musste, dass es ihm gefallen hatte. Wie sie so auf seinem Rücken gesessen hatte, angestrengt versucht hatte, sein Chaos von Haaren zu bändigen. Und grandios daran gescheitert war. Als er merkte, wohin seine Gedanken trieben, schüttelte er den Kopf. Jetzt war nicht die Zeit, über alte Geschichten nachzusinnen. Er hatte gerade den Beschluss gefasst, seine Beziehung zu seinem Sohn zu verbessern. Alte Erinnerungen als längst vergangenen Zeiten gehörten nicht dazu. Die Augen ein letztes Mal auf den sternklaren Himmel fixiert, schloss er diese schlieβlich sanft, lieβ sich in einen erstmals traumlosen Schlaf ziehen. Das dieser wahrscheinlich dem Kleinen in seinem Armen zu verdanken war, wollte er jetzt noch nicht zugeben. ------------------- Tjaa, vll ist Gajeel ja doch kein so schlechter Vater :D GlG Eure Sora Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)