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Einnehmende Freiheit

von

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Gabumon

Meine Finger spielten mit dem blauen Digivice in meinen Händen. Wie lange hatte ich meinen Partner nun schon nicht mehr gesehen? Es wirkte auf mich, wie eine schiere Ewigkeit, derweil waren vielleicht gerade einmal zwei Jahre vergangen. Damals war ich noch ein Kind gewesen, doch heute befand ich mich schon auf der Schwelle zum Teenager.

Ich seufzte und sah aus dem Fenster. Es war Sommer. So wie damals, als unsere Reise begonnen hatte. Ich hatte in dieser Zeit so viel gelernt und hatte neue Freunde gefunden. Aber vor allem bekam ich auch ein neues Selbstgefühl. Ich wusste, dass ich nicht alleine sein musste. Es gab Menschen, die mich durchaus schätzten.

Dennoch saß ich hier einsam in meinem Zimmer. Mein Vater war wie immer bei der Arbeit und ich selbst hatte nur bedingt Lust etwas zu unternehmen. Du würdest eh nur im Moment Fußball spielen und meine Band hatte erst heute Abend eine Probe.

Erneut seufzte ich und sah auf das Display des kleinen Gerätes. Hin und wieder schickte mir Gabumon eine Nachricht. Doch heute blieb es stumm. Wie gerne würde ich mit ihm kommunizieren, doch das ging nicht. Wir würden uns wahrscheinlich nie wieder sehen.

Mit einem Seufzer drehte ich mich auf den Rücken und sah noch einmal auf die Uhr: 13:30 Ich könnte eigentlich auch meinen kleinen Bruder anrufen. Vielleicht hatte er Lust irgendetwas zu unternehmen.

Noch einmal sah ich auf das Display des Digivice und hoffte, dass mir Gabumon noch eine Nachricht schicken würde, doch es kam nichts. Anscheinend hatte er heute auch etwas anderes vor, wodurch ich kurz seufzte und mir noch einmal durch die Haare fuhr, bevor ich mich dann endlich aufsetzte und nach dem Telefon auf meinem Nachtkästchen griff.

Ich ging in das Telefonbuch und blätterte mich zu dem Buchstaben „T“ durch, wobei ich schon deinen Namen las: „Tai Home.“ Ich seufzte kurz und schüttelte dann den Kopf, bevor ich weiter zu der Nummer meines Bruders ging und den Hörer abnahm.

Ruhig lauschte ich dem Freizeichen und hoffte, dass er einfach einmal abnehmen würde. Ich wollte nicht mehr alleine sein. Nicht mehr daran denken, dass Gabumon nicht bei mir war und meine Gedanken ungehindert wandern konnten. Ich wollte nicht an die Zeit denken, als ich mich verlassen fühlte und die Dunkelheit mein Herz überfiel.

Nicht daran, wie ich dabei war meine Freunde anzugreifen und mich gegen sie zu stellen. Damals hatte ich so viele Fehler gemacht, weil ich blind war. Und ich bin ihnen dankbar, dass sie mir all diese verziehen hatten. Dennoch war ich ein Außenseiter. Egal, wie sehr wir uns einredeten, dass ich zu ihnen gehörte. So wirklich passte ich einfach nicht rein. Sie verstanden mein Denken nur selten und ich hatte aufgehört mit ihnen darüber zu sprechen.

Plötzlich blinkte mein Digivice und als ich es hochhob, erkannte ich eine kleine Schrift auf dem Display: „Halt die Ohren steif. Ich denk an dich.“

Sie ließ mich lächeln und erneut dankte ich Buddha für die Existenz von Gabumon. Er war immer da und wusste die richtigen Worte für mich und schließlich hörte das Tuten an meinem Ohr auf, als schon der Anrufbeantworter ranging und meldete, dass im Moment niemand Zuhause war.

Ich legte auf ohne etwas auf das Band zu sprechen, bevor ich mich dann schließlich erhob und entschloss nach draußen zu gehen. Die Decke würde mir hier drinnen eh nur auf den Kopf fallen. Schließlich dachte ich nur über Dinge nach, die ich eigentlich vergessen wollte.

Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen, als ich die Tür hinter mir ins Schloss zog und dann einfach den Wohnblock verließ ohne wirklich zu wissen, wohin ich eigentlich wollte. Nur weg. Unter Leute. Und an nichts denken. Lachen und glücklich sein. Vielleicht sollte ich doch bei dir vorbeischauen. Und ohne es bewusst zu wollen, schlug ich den Weg zum Fußballplatz ein…

 

Meine Finger spielten unsicher mit dem Digivice, als ich am Rand des Platzes stand. Ich sah dich laufen und lachen. Du wirktest so wunderschön glücklich. Nur ich erkannte den leicht traurigen Glanz in deinen Augen, der mir zeigte, dass du deinen Partner genauso vermisstest, wie ich meinen.

Schließlich steckte ich das kleine Gerät an meinen Gürtel und trat an den Zaun. Sah dir dabei zu, wie du über die Wiese ranntest. Ich erkannte Davis, wie er versuchte dir hinterher zu kommen, doch du warst schon immer schneller gewesen als er. Um so vieles schneller.

Der Wind strich durch deine Mähne und ich musste lächeln. Wie oft habe ich mich mit dir in die Haare gekriegt? Wie viele Male waren wir unterschiedlicher Meinung? Ob alles anders geworden wäre, wenn auch Kari von Anfang an dabei gewesen wäre? Hättest du dann meine Fürsorge für Takeru verstanden? Wäre die Freundschaft zwischen uns anders verlaufen?

Schließlich erhaschte mich dein Blick und du winktest mir ruhig zu, was ich nur zu gerne erwiderte. Kaum wusste ich, dass du mich wahrgenommen hattest, fühlte ich mich nicht mehr alleine. Es war eine gute Idee gewesen hierher zu kommen.

Ein Tor nach dem anderen fiel. Das Team von Davis hatte gegen deines keine Chance. Wie auch? Ihr ward doch einpaar Jahre älter als sie. Doch es war egal. Sie würden daran wachsen und euch machte es dennoch Spaß, weil ihr erkanntet, wie sie sich langsam verbesserten. Irgendwann musste Davis schließlich deinen Platz einnehmen.

Ich lehnte mich lässig auf den Zaun und sah dir dabei zu. Musste immer wieder lächeln, wenn ich an die Zeit zurückdachte. Wie ich mit dir durch den Schnee rollte, weil ich nicht das wollte, was du vorgeschlagen hattest. Damals hattest du aber Recht. Du warst ein guter Anführer gewesen und ich war nur der kleine Kritiker, der dich gerne verprügelte, wenn du mal wieder zu schnell handeln wolltest.

Doch jetzt waren wir Freunde geworden. Gute Freunde. Und ich bin froh, dass dies geschehen war. Du nahmst die Einsamkeit aus meinem Herzen und auch jetzt kamst du zu mir mit einem breiten Lächeln.

„Hi, Matt. Was treibt dich denn hierher?“, begrüßtest du mich und ich musste erneut leicht lächeln, wobei ich dann mit den Schultern zuckte: „Keine Ahnung. Mir war langweilig und dann bin ich raus gegangen. Und irgendwie bin ich hier gelandet. Ihr habt die anderen ja wieder gewaltig nass gemacht.“

Du lachtest auf und ein Funkeln trat in deine Augen: „Ja, schon. Aber sie machen es uns von Training zu Training schwerer. Irgendwann könnte der Sieg direkt mal schwer werden. Dennoch macht es Spaß.“

Man warf dir ein Handtuch zu und die Mannschaft verabschiedete sich langsam, wobei Davis auf uns zu gerannt kam: „Hey, Tai! Heute bist du mir wieder entkommen, aber warte nur. Irgendwann krieg ich dich. Bestimmt.“

Erneut lachtest du auf und ich musste ebenfalls lächeln, wobei du das Handtuch um deinen Nacken legtest, bevor du antwortetest: „Ja, irgendwann ist noch weit entfernt. Aber ich freue mich auf den Tag. Komm gut nach Hause, Kleiner.“

Du wuschelst dem Braunschopf durch die Mähne und er lachte auf, bevor er dir einen sanften Schlag auf den Oberarm verpasst und er dann schließlich verschwand. Er hatte mich kaum bemerkt. Doch es war mir egal. Davis hatte mir bis heute nicht wirklich zugesagt. Ich mochte den Kleinen nicht, wobei ich nicht einmal sagen konnte, warum. Dennoch war diese Abneigung einfach da.

„So und was machen wir jetzt?“, drehtest du dich zu mir um und ich musste ein wenig lächeln. Eigentlich hatte ich gehofft, dass du irgendeine Idee hattest, wodurch ich schließlich mit den Schultern zuckte: „Keine Ahnung. Was war dein ursprünglicher Plan?“

„Bevor du aufgetaucht bist?“, du sahst mich fragend an und ich nickte, wodurch du weiter sprachst: „Nun ja, nach Hause gehen und duschen. Und dann, mal schauen. Soweit habe ich noch nicht gedacht.“

„Das klingt doch nach einem Plan. Wir gehen zu dir nach Hause und während du dich sauber machst, stell ich deine Wohnung auf den Kopf“, mein Lächeln wurde breiter und auch du erwidertest diese Mimik ein wenig, wobei du dann nicktest und schließlich deine Sachen holtest. Du warfst die Tasche um deine Schultern und ich erkannte an ihrem Tragegurt dein Digivice.

Wir alle trugen es immer bei uns aus Angst es doch irgendwann einmal zu verlieren. Wie sehr wünschte ich mir die Nähe von Gabumon? Er sollte wieder bei mir sein und die Einsamkeit wegnehmen. Irgendwie war es immer noch so, dass er der Einzige war, der mich wirklich verstand.

„Kommst du?“, ich hatte gar nicht bemerkt, dass du schon dabei warst den Platz zu verlassen, wodurch ich immer noch am Zaun stand und dir jetzt überrascht hinterher sah: „Ja, ich bin schon da.“ Sofort rannte ich an deine Seite, wobei ich dein Lachen ignorierte.

Kaum war ich an deiner Seite angekommen, gingen wir auch schon in Richtung deines Zuhauses und ich war gespannt, was der Tag für uns noch so bereit hielt…

 

Das Rauschen der Dusche drang gedämpft zu mir durch, wobei ich ruhig ein wenig durch das Wohnzimmer schlenderte. Schaute mir das ein oder andere Bild an. Sah dort Kari, wie sie immer älter wurde und auch ein paar Bilder von dir. Ihr ward so glücklich und ich beneidete euch darum, dass ihr gemeinsam aufwachsen konntet. Takeru blieb für mich nur ein Freund, mit dem ich doch irgendwie Gene teilte. Mehr waren wir nicht. Klar, wir waren auf dem Papier Brüder, aber eigentlich waren wir schon lange nicht mehr als solche aufgewachsen.

Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen, als ich mich schließlich auf die Couch fallen ließ und noch einmal auf das Display von meinem Digivice sah. Es war ruhig. Gabumon hatte mir keine neue Nachricht geschickt und erneut wünschte ich mir, dass ich auch in die andere Richtung mit ihm kommunizieren konnte. Dass ich ihm eine Nachricht schicken konnte. Doch es ging nicht. Ich konnte nur von ihm Botschaften empfangen.

Ja, hin und wieder erschien sein kleiner Sprite sogar und er winkte mir zu. Es war eine nette Geste von ihm, doch eigentlich schürte das die Einsamkeit in meinem Herzen noch mehr. Ob ich ihn jemals wiedersehen werde? Wie sehr wünschte ich es mir.

Plötzlich fiel ein Wassertropfen auf das Display und ich schrak hoch, wobei ich leicht gegen den nackten Oberkörper von dir stieß und dich überrascht ansah: „Tai? Was wird das? Spinnst du?!“

„Sorry, aber ich habe dich schon öfters angesprochen und als du immer noch nicht reagiert hattest, wollte ich nachschauen, ob du überhaupt noch lebst“, ein Lachen lag in deiner Stimme und ich spürte, wie ich ein wenig rot wurde. Ich hasste es, wenn man mich dabei erwischte, dass ich mit meinen Gedanken ganz weit weg war.

„Hast du an Gabumon gedacht?“, du wurdest leiser und ich hörte, dass dieses Thema auch für dich schmerzhaft war, wodurch ich nur kurz nickte und das Digivice dann zurück an meinen Gürtel steckte, bevor ich dich ein wenig beklommen anlächelte: „Aber egal, was wollen wir treiben, nachdem du dir was angezogen hast?“

„Ich würde gerne jetzt erst einmal ein wenig zur Ruhe kommen. Wir können einpaar Spiele zocken und dann mal weiterschauen. Abends würde sich eine Tour durch die Kneipen anbieten“, schlugst du vor, wobei ich kurz den Kopf schüttelte, bevor ich dann kurz schnaubte: „Und dann wollen wir dort Saft und Cola trinken, oder was? Das ist ja lächerlich.“

„Dann schlag was besseres vor“, maultest du mich an, wobei du dann einfach neben mir auf die Couch fielst und ein wenig beleidigt die Arme vor deiner Brust verschränktest.

„Wenn du dich besaufen willst, dann sollten wir einfach zu mir gehen. Mein Vater ist momentan wieder auf einer Geschäftsreise und na ja, wir haben genug Alkohol Zuhause“, ich grinste breit und du hobst ein wenig skeptisch die Augenbraue: „Sind wir nicht ein wenig zu jung für Alkohol?“

Wie gerne würde ich diese Frage bejahen, doch ich hatte schon öfters einfach etwas getrunken. So oft habe ich das bei meinem Vater gesehen und es half mir in den Nächten, wenn ich alleine in der Wohnung saß und daran dachte, dass all die Wesen, die mir etwas bedeuteten im Moment für mich unerreichbar waren.

„Hast du Angst?“, neckte ich dich, wobei ich schon sah wie du trotzig dein Kinn nach vorne schobst: „Nein, natürlich nicht! Aber dennoch, wie kommst du darauf, dass wir uns betrinken sollten?“

„Du hast mit den Kneipen angefangen. Nicht ich. Aber nachdem wir dort nur alkoholfreie Getränke bekommen würden, können wir auch gleich Zuhause bleiben oder eben uns bei mir Zuhause mal mit dem Alkohol beschäftigen. Der ist gar nicht so schlecht“, was tat ich hier eigentlich? Warum versuchte ich dich gerade zum Saufen zu überreden?

„Was? Du hast schon?!“, die Überraschung in deiner Stimme war echt und ich musste breiter lächeln. Wie gerne reizte ich dich und hielt dir vor, wo ich dich einfach schon überholt hatte, wodurch ich nun stolz meine Brust ein wenig rausstreckte: „Klar, Zuhause haben wir ja genug und Dad bekommt es nicht einmal mit.“

Ich sah deinen Zwiespalt, wobei es nicht lange dauerte und du warfst dir das Handtuch über den Kopf, bevor du deine Haare ein wenig trocken rubbeltest, um dann zu antworten: „Okay, ich bin dabei. Aber wehe dir das Zeug schmeckt nicht.“

„Keine Sorge, ich kenne da ein paar Tricks“, ich grinste breit und im nächsten Moment standest du auf um dich anzuziehen, damit wir dann noch ein wenig zocken konnten, bevor wir den Abend bei mir verbringen würden.

Ich konnte nicht verhindern, dass ich bei dem Gedanken daran sogar ein wenig nervös wurde. Bis jetzt hatte ich immer alleine getrunken. Wie würde es wohl sein, wenn man zu zweit war? Und war es wirklich in Ordnung, dass ich dich dort mit hinein zog? Doch jetzt gab es kein Zurück mehr. Es war ausgemacht und wir mussten es durchziehen, sonst würde einer von uns nur sein Gesicht verlieren und das wollte keiner…

Ich konnte nicht leugnen, dass ich mit jedem Schritt, den wir näher an meine Wohnung kamen, nervöser wurde. Was hatte ich mir dabei nur gedacht, dass ich dir diesen Vorschlag unterbreitet hatte? Wie kam ich nur auf die Idee mit dir etwas zu trinken? Wir waren doch eigentlich viel zu jung dafür.

Mit einem Grinsen drehte ich mich noch einmal zu dir um, als wir an der Haustür standen: „So, letzte Chance die Sache abzublasen. Bist du dir sicher, dass du das tun willst?“

Oh Gott, wie sehr ich mir wünschte, dass du einfach nein sagen würdest und wir uns vielleicht nur einen schönen Filmeabend machten. Doch ich wusste, dass dies nicht mehr ging. Es gab kein Zurück mehr, wodurch sich nur ein schelmisches Lächeln auf deine Lippen schlich und du stolz die Arme in die Hüfte stemmtest: „Das hättest du wohl gerne, dass ich klein beigebe. Aber nein, wir ziehen das jetzt durch.“

Warum waren wir beide nur so stolz? Es war doch totaler Blödsinn, was wir jetzt vorhatten. Oh Gott, steh uns bei. Ich wollte nicht, dass jetzt etwas passierte, was wir vielleicht beide bereuen könnten.

Dennoch stiegen wir gemeinsam die Treppe zu meiner Wohnung hoch. Auch dort sperrte ich die Tür auf und ließ dich zuerst eintreten. Zielstrebig gingst du ins Wohnzimmer, wobei ich spürte, wie ich mit jedem Moment nervöser wurde. Und das Gefühl wurde nicht besser, als ich dich auf der Couch sitzen sah. Warum schautest du mich so erwartungsvoll an? Was sollte ich jetzt tun?

„Also, wo ist der Alkohol?“, durchbrachst du schließlich die Stille und erst jetzt konnte ich mich aus meiner Starre, die mich im Türrahmen festgehalten hatte, lösen, um dann nur kurz zu lächeln: „Moment, ich bereite alles vor.“

„Gut, ich verdurste hier nämlich schon“, ein Lachen erklang von deiner Seite und ich wünschte mir, dass wir es nicht taten. Die ganze Sache könnte außer Kontrolle geraten und ich wollte nicht, dass unsere Freundschaft dadurch kaputt gehen könnte.

Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen, als ich schließlich zwei Gläser holte und ein paar Limonaden: Zitrone, Cola und Orange. Damit wollte ich den Alkohol zusammen mischen, sodass er nicht mehr ganz so bitter war.

Voll gepackt kam ich zurück ins Wohnzimmer und stellte die Sachen erst einmal auf dem kleinen Couchtisch ab, wobei ich dich kurz unsicher anlächelte, als ich schon deinen ersten Kommentar hörte: „Also, das hätten wir auch in einer Kneipe bekommen. Ich hoffe, dass da noch etwas mehr kommt.“

Warum konnten wir nicht einfach abbrechen? Jetzt und sofort? Oh Gott, ich bereute es jetzt schon und derweil war noch kein einziger Tropfen Alkohol geflossen. Wieso mussten wir beide nur so verdammt stolz sein?

„Keine Sorge. Der kommt noch. Mir sind nur die Hände ausgegangen“, ich ließ mir meine Nervosität nicht anmerken und grinste breit, als ich zu dem Schrank mit den Spirituosen ging. Der Schlüssel dafür war schnell gefunden und schon öffnete ich das kleine Paradies. Ich wusste, was gut mit den Limonaden zusammen schmeckte, wodurch ich vorzugsweise diese Getränke heraus holte und sie dann ebenfalls auf den Tisch stellte.

„Na? Immer noch so begeistert? Deine letzte Chance“, versuchte ich dich noch einmal zu einem Rückzug zu überreden, doch dein Lächeln wurde nur breiter und ich wusste die Antwort schon, bevor du sie ausgesprochen hattest: „Ja, lass uns anfangen.“

Du klatschtest aufgeregt in die Hände und schon begann ich die ersten Getränke zu mischen, als du dich für das Cola als Grundlage entschieden hattest. Ich selbst blieb lieber bei Orange und so nahm ich neben dir Platz, reichte dir dein Glas und stieß dann mit dir an: „Lass es dir schmecken.“

Ich trank vorsichtig, doch du nahmst gleich ein paar kräftige Schlücke, anscheinend hatte da jemand wirklich Durst und ich wünschte mir, dass du dir mehr Zeit lassen würdest, doch mit einem erleichterten Seufzer nahmst du das Glas von deinen Lippen und stelltest es wieder auf den Tisch: „Das tat gut. Gibt es noch mehr?“

„Na, klar. Du hast ja gesehen, was ich gemacht hatte“, bot ich dir an selbst zu mischen, wobei du dir das nicht zwei Mal sagen ließest und erneut stießen wir an. Ich trank langsamer und ruhiger, während du irgendwie kein Halten kanntest. Wem wolltest du gerade etwas beweisen?

„Hey, Matt, warum bist du so langsam. Ich hatte schon mein viertes Glas und du bist noch beim Ersten. Beeil dich mal, sonst häng ich dich total ab“, deine Worte waren schon träge und ein wenig länger gezogen, wobei ich wusste, dass ich eigentlich nicht auf diesen Wettstreit einsteigen sollte, doch mein Ego verbat es mir, wodurch ich mein Glas ebenfalls auf einen Zug leerte und schon nachschenkte: „Träum weiter. Du wirst mich niemals abhängen.“

Ich wusste nicht, wann wir stoppten und wie viele Gläser wir intus hatten, doch ich fühlte mich leicht im Kopf und in meinem Körper. Ohne nachzudenken kam ich dir nahe und strich dir über die Wange und den Brustkorb. Ich war mir nicht bewusst, was ich hier gerade tat, doch ich wollte auch nicht aufhören. Nicht jetzt, wo sich die Welt so wunderbar anfühlte.

Ich hörte ein wohliges Geräusch von dir, was mich dazu animierte nicht aufzuhören, sondern weiterzumachen. Mehr. Ich wollte mehr davon hören und irgendwie…

Im nächsten Moment küsste ich dich einfach. Deine rosigen Lippen, die feucht vom Alkohol glänzten und die leicht geöffnet nur so zum Spielen einluden. Immer wieder presste ich meine gegen deine und du kamst mir entgegen. Nie zuvor hatte ich so etwas getan, dennoch wusste ich, was man von mir verlangte.

Es war mein erster Kuss und er war holprig und unsicher. Du dagegen nahmst die Führung und ich spürte deine Hand in meinem Haar, als du mich näher zu dir zogst. Was taten wir hier?

Nur kurz kamen Zweifel in meinen Verstand, doch sie ertranken im Alkohol, der durch meine Adern rauschte und mir den Mut verlieh mit meiner Hand unter dein Shirt zu wandern. Deine Haut erzitterte sanft unter meinen Berührungen und erneut war dort dieser wunderschöne Laut.

Unsere Küsse wurden intensiver und wilder. Immer wieder strichen meine Hände über deinen Körper und ohne nachzudenken fand ein Kleidungsstück nach dem anderen den Weg auf den Boden neben der Couch. Ich wollte nicht stoppen. Es fühlte sich so wunderbar an, auch wenn ich nicht wusste, was es war, das mich überrannte, als ich deine Lippen auf meiner nackten Brust spürte.

Es war ein angenehmes Kribbeln, das sich in meinem gesamten Körper ausbreitete und immer mehr von meinem Verstand einnahm. Ich ließ mich fallen und ließ mich führen. Bis dort auf einmal der Schmerz kam. Gleißend und schneiden durchzuckte er meinen Körper und ich schrie auf. Sofort war dort dein Atem an meinem Ohr, der mir beruhigend zuflüsterte: „Ruhig, entspann dich. Es wird besser.“

Ich spürte die Tränen in meinen Augen und zwang mich zur Ruhe. Versuchte den Schmerz zu ignorieren, der selbst den Alkohol ausgeschaltet hatte, doch nach und nach lockerte sich mein Körper auf und ich fuhr mit zittrigen Händen über deinen Rücken.

Halt mich. Bitte halt mich ganz fest. Ich habe das Gefühl zu fallen. Lass mich nie wieder los und verschwinde jetzt nicht. Bitte, lass mich nie wieder alleine.

Langsam begannst du damit dich zu bewegen und der Schmerz kam kurz zurück, doch später wurde er von der Lust einfach weggedrückt und ich bewegte mich gierig gegen dich. Was geschah hier gerade? Ich wusste es nicht so ganz, doch es war gut. Es fühlte sich so wunderbar an und ich wünschte mir, dass es niemals wieder endete.

Lass uns ewig so fliegen…

 

„Oh Fuck“, kam es über meine Lippen, als ich mich unter meiner Decke versteckte, kaum dass das Sonnenlicht mir einen gleißenden Kopfschmerz bescherte. Ich fühlte mich schlapp und ausgelaugt. Wollte nicht aufstehen und ewig hier liegen bleiben, aber kaum nahm ich die andere Wärmequelle neben mir war, schoss ich senkrecht in die Höhe.

„Falsche Reaktion“, nuschelte ich, als darauf erneut eine Welle des Schmerzes durch meinen Kopf raste, wobei es auch komischerweise in meiner Hüfte ein wenig zog, was mich verwirrte. Was hatten wir gestern nur getan?

Mein Blick fiel auf dich und erst jetzt bemerkte ich, dass du dort seelenruhig schliefst und anscheinend nackt warst. Ohne großartig nachzudenken hob ich die Decke an und musste dabei feststellen, dass ich selbst ebenfalls keine Kleidung mehr trug. Was? Was hatte das zu bedeuten?

Dein leises Schnarchen drang an mein Ohr, als ich mich in meinem Zimmer umsah, doch von unserer Kleidung sämtliche Spur fehlte. Wo hatten wir die denn gestern Nacht verloren? Hoffentlich waren wir nicht nackt durch die Straßen gelaufen.

Mich traf der Schlag als ich auf die Uhr sah. Nur noch eine halbe Stunde und mein Vater würde nach Hause kommen. Ich musste die Sachen noch wegräumen, weil wir das gestern bestimmt nicht mehr gemacht hatten. Alles andere nur das nicht. Niemals durfte mein Vater dahinter kommen, dass ich heimlich seinen Alkohol trank, wodurch ich in die Höhe schnellte und kurzerhand über dich drüber kletterte. Dabei ignorierte ich das komische Gefühl in meiner Hüfte. Damit konnte ich mich auch später noch beschäftigen.

Noch einmal sah ich zu dir zurück und hörte ein leises Schnarchen, als du dich dann einfach umdrehtest und nicht einmal im Traum daran dachtest irgendwann in naher Zukunft zu erwachen. Wir hatten es gestern eindeutig zu sehr übertrieben, obwohl in mir ein Gefühl der unendlichen Befriedigung hauste.

Als ich ins Wohnzimmer sah, standen dort noch alle Flaschen und die zwei Gläser. Direkt ordentlich und auch der Alkohol war nicht gänzlich leer. Dennoch hoffte ich, dass es meinem Vater nicht auffallen würde, wodurch ich erst einmal die verräterische Flasche wieder wegsperrte, bevor ich auch den Rest aufräumte. Dabei fand ich auch unsere Kleidung, die wild verteilt neben der Couch lag. Gut, hier hatten wir sie also verloren, aber dann? Was war dann geschehen?

Kurz sah ich mich im Raum um, jedoch konnte ich keine verräterischen Spuren entdecken, was mich dazu veranlasste die Kleidung zu nehmen und mit ihr auf dem Arm zurück in mein Zimmer zu gehen. Die Sachen von dir legte ich auf einen Stuhl, bevor ich mich selbst anzog. Sah noch einmal auf dich, wie du seelenruhig in meinem Bett schliefst, bevor mich meine Kopfschmerzen daran erinnerten, dass ich eindeutig noch eine Schmerztablette nehmen sollte.

Wir hatten schon öfters im selben Bett gelegen, wenn wir bei dem jeweils anderen übernachtet hatten. Aber irgendwie noch nie nackt. Was hatte uns da nur angetrieben? War das vielleicht wieder eine blöde Wette, wer schneller aus seiner Kleidung im betrunkenen Zustand kommt oder was? Hm, wer dann wohl gewonnen hat? Das hätte ich  nur erfahren, wenn ich darauf geachtet hätte, welche Kleidung unten lag. Dazu war es nun aber zu spät.

Ich kam in unserer Küche an und nahm mir ein Glas, um es dann mit Wasser zu füllen und mir eine Schmerztablette aus dem Medizinschrank zu holen. Kurzerhand warf ich sie mir in den Rachen und spülte sie mit dem Glas Wasser hinunter. Füllte noch einmal nach und trank auch diese Ladung leer, als ich merkte, dass ich langsam einen Brand bekam.

Nach dem vierten Glas lehnte ich mich an die Anrichte und wartete darauf, dass das Mittel wirkte, während ich versuchte mich an den gestrigen Abend zu erinnern. Doch das letzte Bild, was in meinem Kopf auftauchte, war der Moment, als wir anstießen und du zu einem Wetttrinken aufriefst. Dann ging alles schnell und tauchte in eine unendliche Schwärze in meinem Erinnerungsfeld. Was hatten wir gestern nur getan? Ich konnte nur hoffen, dass du vielleicht noch ein wenig mehr wusstest.

„Verdammt! Macht das verfickte Licht aus!“, hörte ich deine wütende Stimme und musste leicht lächeln, wodurch ich eine zweite Tablette rausdrückte und das Glas noch einmal füllte, bevor ich dann zu dir in mein Zimmer ging.

Du hattest deinen Kopf unter dem Kissen versteckt und murmeltest irgendwelche leisen Fluche, was mich noch breiter lächeln ließ. Ja, so ein Kater konnte sehr gemein sein. Aber das geschah dir nur Recht. Wer wollte daraus auch unbedingt ein Wettrennen veranstalten?

„Hier, nimm die und trink das. Dann wird es dir besser gehen. Hast du Durst?“, sprach ich dich an und nur widerwillig kamst du unter dem Kissen hervor, bevor du mir die zwei Sachen aus der Hand nahmst und brav die Tablette schlucktest. Dein bodenloses Vertrauen in mir war schon manchmal richtig süß.

„Du hast nichts davon gesagt, dass es einem am nächsten Tag so dreckig geht“, hörte ich dein Grummeln und erneut musste ich leicht auflachen: „Ich bin ehrlich. So schlimm hatte es mich bis jetzt auch nicht erwischt. Aber du bist selber schuld. Warum wolltest du auch unbedingt ein Wetttrinken veranstalten?“

„Weil das mehr Spaß macht. Wer hat eigentlich gewonnen“, ich hörte deine schleppende Stimme und musste mit den Schultern zucken: „Keine Ahnung. Ich kann mich an den gestrigen Abend kaum noch erinnern.“

„Geht mir genauso. Darum schätze ich, dass du auch keine Ahnung hast, warum ich hier nackt liege?“, diese Frage zerschlug gerade meine Hoffnung, dass du mir sagen konntest, warum das so war, wodurch ich nur kurz mit dem Kopf schüttelte und dann antwortete: „Tut mir Leid. Ich hab auch keine Ahnung. Unsere Kleidung lag aber im Wohnzimmer.“

„Hm… na ja, wenn wir draußen herum gelaufen sind, werden wir schon ein Video sehen oder irgendwer wird uns darauf ansprechen. Und was soll sonst schon passieren? Wahrscheinlich war es nur wieder eine Wette“, winktest du ab und zogst dich dann schließlich an, bevor du mich um mehr zu trinken batest und wir gemeinsam in die Küche gingen.

Dort fülltest auch du dein Glas noch mehrmals nach, bevor es uns dann beiden langsam besser ging und sich unsere Blicke erneut trafen. Ich wusste nicht, was wir sagen sollten. Schließlich war der gestrige Abend eine verschollene Erinnerung und ich konnte nicht leugnen, dass ich heilfroh war, als du das Schweigen brachst: „Ich bin ehrlich. So gut ich mich auch vielleicht gestern gefühlt habe oder auch diese leichte Befriedigung in meinem Inneren. Ich würde so schnell den gestrigen Abend nicht mehr wiederholen. Es war eine Erfahrung wert, aber irgendwie kann ich auf die Nebenwirkungen gerne verzichten. Das nächste Mal wäre ich wieder für einen Filmeabend.“

Ich musste leicht lächeln, obwohl ich nicht verhindern konnte, dass sich ein schaler Geschmack auf meiner Zunge ausbreitete. Zwar wusste ich nicht warum, doch ich fühlte mich ein wenig verletzt. Klar, musste ich auch keine Wiederholung haben, dennoch taten die Worte irgendwie weh.

„Ja, das kann ich verstehen. Vielleicht in zwei oder drei Jahren wieder“, ich lachte auf und du stimmtest ein. Somit war uns beiden klar. Dieser Abend hatte niemals wirklich existiert…

Unser Saufabend war nun schon fast ein halbes Jahr her. Wir hatten nie wieder darüber gesprochen und dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ich immer mal wieder daran zurückdachte. Ich wünschte mir, dass ich erfuhr, was dort wirklich geschehen war. Dieses Gefühl, dass ich am Morgen verspürte. Diese bodenlose Zufriedenheit hatte ich niemals wahrgenommen, wenn ich alleine war und mich betrunken hatte. Warum jetzt nach dieser Nacht?
 

Ich seufzte und strich mir durch die Haare. Erneut saß ich alleine auf der Couch in der stillen Wohnung, weil mein Vater wieder irgendwo auf Geschäftsreise war. Ich hasste es alleine zu sein, wodurch ich schon eine geraume Weile das Telefon in meinen Händen hielt.
 

Ja, ich wusste, dass ich dich nur anrufen musste und du würdest so schnell es möglich war zu mir kommen oder wir würden uns irgendwo treffen. Doch mein Stolz verbat es mir. Ich wollte dich nicht dauernd belagern. Irgendwie musste ich mich doch von dir loseisen können.
 

Kurzerhand wählte ich eine Nummer und drückte auf den grünen Hörer, wobei ich dann den Freizeichen lauschte, bis jemand ranging: „Kido?“ „Ja, hallo, hier ist Matt Ishida. Ist Joe vielleicht Zuhause?“, ich fühlte mich unsicher. Noch nie hatte ich den Älteren angerufen seit wir aus der Digiwelt zurückgekehrt waren. Doch irgendwie wusste ich nicht, mit wem ich sonst reden sollte. Er war älter und vielleicht wusste er einen Rat für mich.
 

„Ja, einen Moment. Ich gebe dich weiter“, erklang die dunkle Stimme des älteren Bruders, wobei es nur wenige Atemzüge dauerte und ich hörte die beruhigende Stimme von Joe: „Ja, was ist los?“
 

Er klang wirklich besorgt und vor allem überrascht. Was wohl daran lag, dass ich ihn heute zum ersten Mal anrief und na ja, ich wusste selbst nicht einmal wirklich warum ich das jetzt gerade getan hatte. Ich fühlte mich einfach nur gerade überfordert mit meinem aktuellen Leben. Und Joe wusste immer was zu tun ist. Er war der Älteste schon auf unserer Reise und auch wenn wir eigentlich nie wirklich auf ihn hörten, so hatte er doch auf uns aufgepasst und immer gewusst, was nun das Beste für uns war. Anders als du.
 

„Ich… ich wollte nur ein wenig mit dir reden“, dieser Satz klang selbst in meinen Ohren total erbärmlich, wobei ich schon mit allem rechnete nur nicht mit der sanften Antwort des Musterschülers: „Okay, warte, ich gehe kurz in mein Zimmer, dann können wir ungestört sprechen.“
 

Er konnte sich einfach nicht aus seiner alten Rolle lösen. Es war als würde er sich immer noch für alles verantwortlich fühlen und es als seine Pflicht sehen, dass er uns Jüngeren einfach half. Aber auch wenn das gerade einen komischen Nachgeschmack hinterließ so war ich froh, dass er sich für mich Zeit nahm.
 

„Ich… ich weiß nicht was ich tun soll“, eigentlich wusste ich nicht einmal, worüber ich reden wollte. Über den Abend mit dir? Über das komische Gefühl, das seitdem in meinem Körper herumflitzte? Oder vielleicht über etwas ganz anderes?
 

„Was ist denn passiert?“, diese endlose Ruhe in seiner Stimme und vor allem diese Aufopferung. Irgendwie tat es mir gerade Leid, dass ich ihn damals in der Digiwelt so schlecht behandelt hatte und vor allem der Meinung war, dass er ein schlechter Freund wäre. Das war nicht so. Wir waren alle jung und naiv. Aber wir haben damals viel gelernt. Vieles, was uns das Leben sonst erst viel später beigebracht hätte.
 

„Ich… ich weiß es nicht. Tai und ich“, ich stoppte und seufzte schwer. Konnte ich wirklich mit Joe darüber reden, wobei ich der Stille lauschte. Er war da. Das spürte ich überdeutlich und er wartete geduldig darauf, dass ich mich soweit gesammelt hatte, dass ich wusste, was ich wollte. Er war so geduldig.
 

„Tai und ich“, warum konnte ich nicht weiter sprechen? Wovor hatte ich Angst? Ich wusste doch gar nicht, was passiert war. Dennoch schnürte sich meine Kehle alleine bei dem Gedanken darüber zu reden zu.
 

„Ganz ruhig, Matt. Was ist euch passiert?“, fragte schließlich Joe sanft nach. Er ließ mir Zeit. So viel Zeit, was mich leicht lächeln ließ. Wie konnte solch ein Mensch neben all uns Hitzköpfen nur bestehen? Es verwunderte mich immer wieder, dass er den Kontakt zu uns aufrecht hielt, obwohl er doch um so vieles anders war als wir.
 

„Nichts. Mir fehlt Gabumon“, huschte es leise über meine Lippen, als mein Blick wieder auf das Digivice auf dem Tisch fiel. Ich wartete auf meine tägliche Nachricht von meinem Partner und jedes Mal fühlte ich mich solange alleine bis der Bildschirm aufleuchtete und ich eine Nachricht von ihm las. Er vergaß mich nicht. Niemals.
 

Ich hörte die Trauer in Joes Stimme und begann mich schlecht zu fühlen: „Ich vermisse Gomamon auch. Aber wir werden sie irgendwann wiedersehen. Da bin ich mir sicher. Izzy ist fleißig dabei. Und denk doch nur daran, wie wir in den letzten Ferien das Internet verteidigt haben. Wir haben sie wieder gesehen und sie haben für uns gekämpft. Niemals werden wir gänzlich von ihnen getrennt sein.“
 

Ich musste lächeln, als ich daran zurückdachte. Diesen Moment, als Agumon und Gabumon zusammen digitierten und den Feind gemeinsam besiegten. Das war so wunderschön gewesen. Und ich fühlte mich dir damals so nahe, worauf ich leicht lächeln musste.
 

„Danke, Joe. Du hast Recht“, auch wenn ich über mein eigentliches Problem nicht gesprochen hatte, so fühlte ich mich besser. Zuversichtlicher und vor allem verstanden. Er hatte erneut geholfen. Ohne große Worte oder gar irgendeiner aufwendigen Tat. Sondern einfach weil er das Richtige gesagt hatte. Und damit die Erinnerungen an das, was ich gerade in diesem Moment brauchte, zurückgeholt hatte.
 

„Keine Ursache. Und was dich und Tai betrifft. Ihr seid zwei Sturschädel und ihr werdet bis ans Ende immer gegeneinander rennen. Aber niemals werdet ihr wirklich auseinander driften. Dafür braucht ihr den anderen zu sehr als Konkurrent und Antrieb. Also, egal, was zwischen euch vorgefallen ist. Es wird sich schon wieder einrenken“, ich konnte das sanfte Lächeln direkt hören, was mich selbst leicht schmunzeln ließ. Irgendwie fühlte ich mich doch ein wenig besser.
 

„Danke, Joe“, diese Worte kamen aus den Tiefen meines Herzens und sie ließen mich leicht lächeln, wobei ich einfach nur froh war, dass ich seine Nummer gewählt hatte und wir uns schließlich voneinander verabschiedeten, um dann aufzulegen.
 

Ich fühlte mich besser und im nächsten Moment leuchtete mein Digivice auf. Eine Nachricht von Gabumon war darauf zu sehen: Bist du okay?
 

Wie gerne würde ich ihn antworten, wobei ich das kleine Gerät nur in meine Finger nahm und es fest an meine Brust drückte. Ich wünschte mir, dass ich meine Gefühle so Gabumon übermitteln konnte und ihm so zeigen konnte, dass es mir gut ging. Denn auch wenn es sich hin und wieder so anfühlte: Ich war nicht alleine…
 

~*~
 

Plötzlich klingelte es an der Tür, wodurch ich zusammenfuhr und irritiert in deren Richtung sah. Ich hielt immer noch das Digivice fest an meine Brust und die Worte von Joe hallten noch ein wenig in meinem Kopf nach. Darum verstand ich gerade nicht, wer jetzt vor der Tür stand.

Zögerlich stand ich auf und trat dann an die Gegensprechanlage heran: „Ja?“ Es erklang erst ein Rauschen, bevor ich dann deine freundliche Stimme hörte: „Hey, Matt. Ich bin’s. Lust einfach abzuhängen?“
 

Ich musste sanft lächeln und spürte erneut eine angenehme Wärme in meinem Inneren, bevor ich zu einer Antwort ansetzte: „Klar, ich komme runter.“ Sofort schlüpfte ich in meine Schuhe und befestigte das Digivice an meinem Gürtel, bevor ich dann einfach aus der Tür schlüpfte und nach unten eilte.
 

Dort wartetest du schon mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, das ich nur allzu gerne erwiderte, als ich neben dich trat: „Was hattest du dir denn so vorgestellt?“ „Nun ja, so wirklich darüber nachgedacht hatte ich eigentlich nicht. Aber ich dachte mir, dass wir schon lange nichts mehr gemeinsam unternommen hatten. Vielleicht einfach nur ein wenig durch die Stadt schlendern und was Leckeres essen?“, machtest du deinen Vorschlag, der mich schmunzeln ließ.
 

„Essen klingt nach dir. Aber der Rest? Nicht wirklich“, zog ich dich ein wenig auf, worauf du mich anfunkeltest: „Nun gut, ich brauch neue Fußballschuhe. Und ich wollte nicht alleine gehen.“
 

„Warum hast du dann nicht Kari oder Sora mitgenommen?“, fragte ich ruhig nach, was von dir ein leichtes Schnauben forderte: „Um dann in jedes Kleidungsgeschäft geschleift zu werden? Nein, danke. Da nehme ich lieber dich mit. Du willst höchstens in einen Musikladen und das kann ich dann doch noch verkraften.“
 

„Wie gnädig“, lachte ich auf und fühlte mich wirklich wohl. Unsere Freundschaft existierte weiter und dennoch konnte ich nicht leugnen, dass irgendetwas unsichtbar zwischen uns schwebte. Ich wusste, was es war. Der damalige Abend, von dem wir immer noch nicht wussten, was wirklich geschehen war.
 

„Tja, außerdem haben sie auch meist keine Ahnung von Fußballschuhen. Deswegen kann ich nicht wirklich mit guten Kommentaren rechnen“, sprachst du weiter, was mich doch ein wenig stutzig machte: „Das habe ich aber auch nicht.“
 

„Ja, aber du tust nicht so, als wüsstest du wovon du sprichst. Du hältst dann einfach die Klappe“, manchmal verwunderte es mich schon ein wenig, wie du eigentlich von den beiden Mädchen dachtest, die dir doch eigentlich viel wert waren. Ich selbst sah dich darauf ein wenig schräg von der Seite an, bevor ich ein neues Thema anschnitt: „Zwischen dir und Sora läuft es wohl nicht so gut, hm?“
 

„Schon eine geraume Weile und langsam habe ich einfach keine Lust mehr. Es wirkt irgendwie so, als will sie gar nicht mehr mit mir zusammen sein. Ich glaube, dass ich sie einfach laufen lassen sollte. Es soll halt nicht sein“, es musste schon viel passiert sein, damit du aufgabst. Aber vielleicht hattest du Recht. Ihr passtet einfach nicht zusammen. Manchmal sollte es halt einfach nicht sein.
 

„Ihr könnt ja immer noch Freunde sein“, meinte ich ruhig und wir stiegen schließlich in die Bahn ein, um in das Stadtzentrum zu fahren. Ruhig standen wir uns gegenüber, wobei ich erkannte, wie sehr es dich eigentlich belastete. Was war nur zwischen euch vorgefallen, dass es dich so mitnahm?
 

„Freunde?“, du lachtest ein wenig komisch auf, „ja, das wird wohl das Einzige sein, was uns noch übrig bleibt. Ist schon komisch. Es hat erst gekriselt, als wir diesen gemeinsamen Saufabend hatten. Davor war alles irgendwie noch in Ordnung. Irgendwie sehr verwirrend. Es ist doch gar nichts vorgefallen, oder?“
 

„Ich kann mich an diesen Abend eigentlich gar nicht mehr richtig erinnern“, da war es schon wieder. Das sanfte Kribbeln in meinen Bauch, als ich an dieses Gefühl zurückdachte, als ich aufgewacht war. Irgendwie war ich an diesen Morgen trotz der Kopfschmerzen sehr zufrieden gewesen. Es ging mir seit langem mal wieder richtig gut.
 

„Ich irgendwie auch nicht. Dennoch fühl ich mich gut, wenn ich daran denke“, erneut kam ein Seufzer von dir und ich sah dich kurz an, bevor ich dann einen Vorschlag machte: „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend einen Filmeabend machen? Natürlich ohne Alkohol.“
 

Den letzten Satz hing ich an, als ich sah, dass du mich skeptisch von der Seite mustertest. Irgendwie wollte ich mal wieder Zeit mit dir verbringen. So einen gemeinsamen Abend hatten wir seitdem nicht mehr unternommen. Ich wollte einfach, dass Alles wieder so wie früher wurde. Was war in dieser Nacht nur geschehen?
 

„Gut, wenn der Alkohol wegbleibt, dann spricht wohl nichts dagegen. Ich komm dann heute Abend zu dir. Da sind wir wenigstens ungestört und müssen nicht Kari oder so mitnehmen, die dann irgendwelche Liebesfilme sehen will.“
 

Ich sah wie du leicht erschauderst. Ja, Kari war zwar deine Schwester und du mochtest sie sehr gerne. Aber ab und an musste man einfach etwas alleine unternehmen. Einfach nur einen richtig guten Aktionfilm sehen. Und das war halt etwas, was man mit weiblichen Teilnehmern nur sehr selten tun konnte.
 

„Klingt gut“, ich lächelte. Irgendwie schien dieser Tag doch noch ganz schön zu werden, wodurch wir schließlich langsam aus dem Zug ausstiegen und in Richtung Stadtzentrum gingen. Vielleicht würde ich auch kurz in einem Musikgeschäft nachschauen. Ich brauchte ein paar neue Noten für meine Gitarre. Schließlich wollte ich meine Fähigkeiten in diesem Bereich ein wenig ausbauen. Doch erst einmal waren deine Schuhe dran.
 

„Das Geschäft ist gut“, meintest du und gingst auch schon in den Laden, wodurch ich dir schließlich folgte und schon sah, wie du dich in die Tiefen der Schuhauswahl verkrochst. Irgendwie war hier nichts, was ich brauchte. Meine Turnschuhe waren noch sehr gut und Sportschuhe selbst brauchte ich eigentlich nicht, wodurch ich schließlich Platz nahm und dir dabei zusah, was du für dich aussuchen wolltest.
 

Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern. Immer wieder sahst du dir ein Modell an. Probiertest es an. Liefst ein paar Schritte, nur um dann zu entscheiden, dass sie doch nicht gut waren. Hin und wieder sprachst du mit einem Verkäufer, doch ihre Beratung gefiel dir nicht. Es war nicht das, was du wolltest.
 

Das war einfach nur ätzend. Warum konntest du nicht den nächst besten Schuh nehmen, der dir gefiel und wir den Laden verlassen? So musste man sich fühlen, wenn man mit Frauen Kleidung einkaufen ging.
 

Ich war sehr darum bemüht meine Coolness zu wahren und nicht wie ein nasser Sack über meine Sitzgelegenheit zu hängen, weil ich mittlerweile seit drei Stunden hier festsaß und du erneut mit zwei Schuhen auf mich zukamst: „Welcher gefällt dir besser, Matt?“
 

„Oh Gott, Tai! Nimm doch einfach den da. Probier ihn an und wenn er sitzt, dann kauf ihn. Das kann doch nicht so schwer sein!“, verlor ich dann doch meine Fassung, weil du mir diese Frage schon gefühlte tausend Mal gestellt hattest. Ich wollte nichts mehr hören und ganz bestimmt keine Schuhe mehr sehen.
 

„Kein Grund gleich giftig zu werden“, du verzogst schmollend die Lippen und ich schnaubte nur, wodurch du dich wieder der Auswahl widmetest. Du musstest doch mittlerweile schon jeden Schuh an deinen Fuß gehabt haben? Das war doch nicht normal.
 

Erneut sah ich dich durch den Laden laufen, wobei du dabei einen imaginären Ball vor dich her trippeltest. Warum musstest du dabei nur so faszinierend aussehen? Wie all deine Konzentration auf deine Beinarbeit lag und die Welt um dich herum einfach verschwand. Ob ich auch so aussah, wenn ich Musik machte? Nein, ich mochte es zwar sehr gerne und es machte mir Spaß. Doch ich hatte noch lange nicht so viel Leidenschaft darin wie du.
 

„Die sind gut“, das waren die erlösenden Worte, die ich schon immer hören wollte, wodurch ich ein stummes „Halleluja“ gen Himmel schickte und wir endlich den Laden verlassen konnten. Eines war mir in diesen drei Stunden mehr als bewusst geworden: Ich würde nie wieder mit dir zusammen Schuhe einkaufen gehen…

Ich saß auf meinem Bett und stimmte ein wenig die Gitarre in meinen Händen, bevor ich dann auf die neuen Noten auf meinem Schoß sah. Es war ein schönes Lied, das sanft und melodisch klang. Es lud zum Träumen und Entspannen ein. Ließ einen über weiche Wolken fliegen und sämtliche Schwere des Alttags vergessen.
 

Leise erhob ich meine Stimme und sang den Text mit. Versuchte mich von dem Gefühl gefangen nehmen zu lassen und übergab der Musik die Leitung. Es war ein wunderschönes Gefühl sich vollkommen fallen zu lassen. Sich einfach führen zu lassen und an nichts zu denken.
 

Ein leichtes Kribbeln kehrte in meinen Bauch zurück und es begann ein wenig in meinem Unterleib zu ziehen, wodurch ich irritiert stoppte und versuchte zu verstehen, was gerade geschah. Die letzte Note hallte noch ein wenig in der Stille nach und die Gefühle verschwanden wieder. Es schien alles wie vorher zu sein.
 

Ich begriff nicht, was da gerade passierte, doch ich konnte mich auch nicht länger damit befassen, denn im nächsten Moment hörte ich die Klingel der Tür und ich stellte die Gitarre nun gänzlich an ihren Platz, um mich dann zu erheben und dir Einlass zu gewähren.
 

„Na, altes Haus? Wie geht’s?“, dein Lächeln war offen und strahlte so viel Wärme aus, dass ich es nur erwidern konnte. Auch meine Hand landete auf deiner Schulter und wir sahen uns in die Augen. Einige Atemzüge lang blieben wir einfach so stehen. Es trat Stille zwischen uns, die uns aber nicht erreicht. Ja, es war fast so als würde die Zeit stehen bleiben, während wir uns einander immer mehr in den Augen des anderen verloren.
 

„Matt?“, deine Stimme war nur ein Kratzen in deinem Hals und du räuspertest dich, wodurch der Bann brach und ich ein wenig beschämt den Blick senkte, bevor ich mir nervös über den Nacken strich. „Äh ja, mir geht es gut. Ich hab gerade ein wenig geübt. Die neuen Noten sind wirklich schön“, lenkte ich auf ein anderes Thema, das du mit einem Lächeln annahmst und schließlich gänzlich in die Wohnung tratst: „Das freut mich. Ich hab heute auch noch ein wenig gespielt. Die neuen Schuhe sind wirklich gut.“
 

Du zogst deine Turnschuhe aus und hingst deine Jacke an den Haken, bevor du dann mit mir in Richtung Wohnzimmer gingst und wir uns gemeinsam auf die Couch niederließen. Erneut waren dort dieses sanfte Kribbeln in meinem Bauch und das Gefühl, dass ich mich in dieser Konstellation mal richtig wohl gefühlt hatte.
 

„Ich hab auch ein paar Filme mitgebracht“, du griffst nach der Tasche, die du dabei hattest, und holtest ein paar DVD-Hüllen heraus, die du dann zu der Sammlung auf den Tisch legtest. Nun hatten wir die Filme und die Auswahl war wirklich nicht schlecht. Wir mussten uns jetzt nur noch entscheiden, welche wir sehen wollten.
 

Wir schwiegen und betrachteten das Angebot, bevor dann jeder von uns drei Filme nahm. So taten wir es immer. Wir sahen normalerweise an die vier bis sechs Filme, wobei sich jeder die Hälfte aussuchen durfte. Jetzt ging es nur noch um die Reihenfolge. Abwechselnd legten wir einen Film hin, der uns wichtig war, dass wir ihn sahen, bevor wir dann mit einem gemeinsamen Nicken entschieden, dass es Zeit war zu starten.
 

Es war mein Zuhause also musste ich auch die DVDs einlegen. Dies war eine Regel, die wir schon immer hatten. Wenn wir bei dir den Abend veranstalteten, dann warst du der Idiot, der dauernd aufstehen musste. Heute war ich es.

Du selbst machtest es dir auf dem Sofa breit und nahmst die Schüssel mit den Chips in Beschlag. Ich lauschte dem Knabbern von dir und musste innerlich amüsiert den Kopf schütteln. Es war ein angenehmer Moment und ich spürte, dass dort etwas zwischen uns war. Etwas, was ich im Moment noch nicht deuten konnte, doch das ich mit keinem anderen meiner Freunde teilte.
 

Ich startete den Fernseher und den DVD-Player, bevor ich mich dann einfach neben dir niederließ. Ohne auf dein Maulen zu reagieren, griff ich einfach in die Schüssel in deinen Armen und nahm mir ebenfalls etwas von den Chips. Ließ sie mir sichtlich schmecken und verfolgte mit dir dann gemeinsam das Geschehen auf dem Bildschirm.
 

Wir schwiegen und genossen einfach nur die Anwesenheit des anderen. Es fühlte sich gut an und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass in diesem Moment Worte einfach fehl am Platz waren.
 

Ruhig sah ich zu dir hinüber. Betrachtete dein Profil, wie es gebannt auf den Fernseher sah. Ich kannte den Film so gut, dass ich ihn schon fast auswendig mitsprechen konnte. Ja, ich sah ihn mir immer an, wenn ich alleine war und mich die Gedanken zu überrennen drohten. Doch in diesem Moment wollte ich einfach sehen, wie ein anderer Mensch reagiert, wenn er ihn sieht.
 

Es war ein unbeschreibliches Gefühl, als ich sah, wie die Reaktionen über dein Gesicht huschten. Noch nie hatte ich gesehen, wie ich mich in diesen Moment gefühlt hatte. Wir empfanden gleich, wenn es um diesen Film ging und ich spürte, wie das Band zwischen uns noch dicker wurde. Nie wieder würde es zerreißen. Nie wieder.
 

„Matt“, deine Stimme drang zu mir durch und erst jetzt bemerkte ich, wie nah du mir warst, wobei deine Augen mich besorgt ansahen. Unsere Nasen konnten sich fast berühren und ich spürte deinen Atem auf meinen Wangen. Alleine durch diese Erkenntnis kehrte das Kribbeln zurück und ich verlor mich in deinen wunderschönen braunen Augen.
 

„Was ist los mit dir, Matt?“, hörte ich erneut deine Frage, doch ich konnte nicht antworten, sondern sah dich weiter an. Meine Kehle war wie zugeschnürt und ich wünschte mir, dass dieses wunderschöne Gefühl in meinen Inneren nie wieder verschwand. Ohne zu überlegen, legte ich meine Hand auf deine Wange und strich zärtlich über deine Haut.
 

Verwirrung tauchte in den braunen Tiefen der Augen auf. Ich wünschte mir, dass es nicht dort wäre. Du solltest es nicht als seltsam empfinden. Spürtest du nicht auch dieses Glück in deinem Inneren? Dieses angenehme Kribbeln und das leichte Ziehen? Warum fühlte nur ich mich so?
 

Meine Hand wanderte tiefer. Strich über deinen Hals und legte sich sanft auf deine Brust. Ich konnte deinen Herzschlag spüren, was mich leicht lächeln ließ. Doch du bewegtest dich nicht, sondern wartetest nur ab, was noch passieren würde. Ich ignorierte die Abspannmusik, die mich daran erinnern sollte, dass ich den Film wechseln musste. Es war nicht wichtig. Nur du warst in diesem Moment von Bedeutung.
 

„Matt?“, deine Stimme zitterte leicht und ich legte sanft einen Finger auf deinen Lippen, bevor ich dich sanft anlächelte. Alles kribbelte in mir und ich fühlte mich glücklich. Es fühlte sich so an, wie der Morgen nach dem Abend als wir uns betrunken hatten. Und ich wollte es noch einmal spüren. Nur noch einmal um zu begreifen, was in dieser Nacht passiert war.
 

„Bitte sag nichts“, ich schluckte trocken und spürte, wie ich ein wenig nervös wurde, als ich mich von meinem Gefühl leiten ließ, das einen Hauch von Nostalgie hatte. Das war schon einmal passiert. Wir könnten erfahren, was damals geschehen war. Bitte, lass es uns erfahren.
 

Ich strich mit meinen Fingern sanft über dein Schlüsselbein und ein wohliger Laut kroch über deinen Lippen, der wie ein leichter elektrischer Stoß über meinen Rücken glitt.
 

Oh Gott, war dieser klang herrlich. Bitte lass ihn mich noch einmal hören. Nur noch ein einziges Mal. Für den Rest dieses Abends. Lass uns erneut fliegen. Ich will mehr spüren. So viel mehr.
 

Langsam kam ich dir näher. Ich hatte Angst, dass ich dich verschrecken könnte und somit dieser Abend endete, bevor er wirklich begonnen hatte. Doch du bliebst. Irgendwas schien dich ebenfalls in dieser Situation gefangen zu halten, so wie mich. Und so senkten sich meine Lippen auf deine wunderschöne zarte Haut. Ich schmeckte deinen leicht salzigen Schweiß und roch deinen herben Duft. Es war perfekt in diesem Moment.
 

Erneut war dort dieser Laut von deiner Seite und endlich waren sie auch da. Deine Hände, die über meine Haut glitten. Die mich durch den Stoff streichelten und dein Körper, der sich näher an mich drückte. Ich ignorierte die Stimme in meinen Inneren, die aufschrie, dass dies falsch war. Es fühlte sich so gut an. Das konnte nicht verkehrt sein und du schienst es auch zu wollen.
 

Unser Atem wurde schwerer, als ein Kleidungsstück nach dem anderen fiel und sich unsere Lippen immer wieder trafen. Ich wusste, was wir hier taten und in einer kurzen Sekunde stoppten wir beide. Sahen uns an und schienen nach Bestätigung zu suchen. Danach, dass alles, was gerade passierte und noch passieren würde, in Ordnung war. Wir fanden die Antwort und unsere Lippen trafen sich erneut.
 

Ich spürte, wie mir Flügel wuchsen während das Kribbeln meinem Leib stärker und die Berührungen inniger wurden. So war es richtig. In diesem Moment war es alles so richtig. Ich wand mich unter deinen Berührungen und es war mir egal, was nun geschah. Es sollte nur nie wieder enden. Diese süße Qual und das Gefühl dem größten Glück entgegen zu rasen machten mich ganz trunken. Nie wieder sollte es aufhören. Du solltest nie wieder verschwinden.
 

Ich ignorierte auch den kurzen Schmerz, als sich dein Leib inniger an meinen schmiegte und ich spürte, wie du in mich eindrangst. Es war nicht wichtig, denn die Lust überrollte mich im nächsten Moment wieder. Ich bewegte mich gegen dich und wollte noch mehr spüren.
 

Ja, ich wusste, was wir hier taten. Doch es fühlte sich so gut an, dass es einfach nicht falsch sein konnte. Es war perfekt. Es war wunderschön und es sollte nie wieder aufhören. Doch das tat es. Irgendwann war der Flug vorbei und das Glück schlug Wellen in meinem Körper, als du dich erschöpft auf mich niedersinken ließest.
 

Ich hauchte dir einen Kuss auf das Haar und hielt dich einfach fest, während wir unserem Atem lauschten. Es fühlte sich gut an und jetzt wusste ich, was in dieser einen Nacht passiert war: Wir hatten das erste Mal miteinander geschlafen…
 

~*~
 

Der restliche Abend verlief ruhig. Wir zogen uns nach einer geraumen Weile wieder an und sahen die Filme zu ende. Es wurde kein Wort gesprochen über das, was gerade passiert war. Denn Worte würden in diesem Moment nur zerstören und das wollten wir beide nicht.
 

Der letzte Abspann lief über den Bildschirm und ich sah im Augenwinkel, wie du dich zu strecken begannst. Es ließ mich lächeln, als ich das kurze Gähnen hörte und du dir schon die Augen riebst.
 

„Oh Gott, bin ich müde“, erneut kam ein Gähnen nach deinen Worten und ich selbst musste diese Geste der Erschöpfung unterdrücken, was mir nur halb so gut gelang, wie ich es gerne hätte.
 

„Dann sollten wir ins Bett gehen, oder?“, ich sah dich ruhig an und musste ein wenig lächeln, als ich deine verschlafenen Augen erblickte. Irgendwie wirktest du in diesem Moment richtig süß.
 

Halt! Stopp! Was denke ich da gerade? Du sollst süß sein! Das ist doch nicht zu glauben. Wenn du das erfährst, dann bringst du mich wahrscheinlich eigenhändig um. Darum ja nicht aussprechen. Nein, diese Gedanken bleiben in meinem Kopf. Da sind sie super gut aufgehoben.
 

„Ja, das klingt nach einem guten Plan“, du standest auf und trottetest in das Badezimmer, wo ich dann schon hörte, wie du anfingst deine Zähne zu putzen. Ich selbst blieb noch sitzen. Lauschte der Menümusik der DVD und versuchte zu verstehen, was das Alles nun für uns zu bedeuten hatte. Wie sollten wir in Zukunft miteinander umgehen? Schließlich schliefen doch nur Verliebte miteinander. Aber wir waren doch gar nicht verliebt, oder?
 

Ich seufzte und strich mir träge durchs Haar. So sehr wünschte ich mir eine Antwort, doch mein Kopf wollte mir zu dieser Stunde keine geben und ich seufzte schwer. Sah nach vorne in den Fernseher und wünschte mir, dass dort die Lösung erschien.

Doch das tat es nicht. Stattdessen tratst du in den Raum und sahst mich verwirrt an: „Matt? Was ist los? Willst du auf der Couch übernachten? Oder bist du gar schon eingeschlafen?“
 

Es war Schalk, den ich in deiner Stimme hörte und der mich lächeln ließ. Kurz lachte ich sogar auf, als ich meinen Kopf schüttelte: „Das hättest du wohl gerne. Damit du dann das ganze Bett für dich alleine hast. Träum weiter.“
 

„Ach, lass mich doch einmal träumen. Du musst mich doch nicht immer so hart zurück auf den Boden der Tatsachen bringen“, du bückst dich nach der Tasche, die noch im Flur stand und gingst, dann schon einmal in mein Zimmer vor.

„Wenn nicht ich, wer denn dann? Die Anderen trauen sich das ja nicht“, ich lachte erneut auf und ging kurz ins Bad, wo ich mir meine Zähne putzte und noch einmal die Stille genoss. Meine Gedanken liefen wie von selbst in diesen seltsamen Bahnen und ich wünschte mir, dass sie mal kurz stehen blieben. Nur für einen kleinen Moment.
 

Ich versuchte sie zu erhaschen und wünschte mir, dass sie sich mir erklärten. Doch sie taten es nicht. Was hatte diese zweite Nacht zu bedeuten? Wie würde es nun mit uns weitergehen? Waren wir jetzt ein Paar?
 

Aber ich liebte dich nicht. Es war zwar ein wunderschönes Gefühl, aber nicht so schön, dass ich nun das Bedürfnis hatte diese magischen drei Worte dir gegenüber auszusprechen. Nein, es war etwas anderes. Etwas ganz anderes. Nur was?

Ich spülte aus und wusch mir noch kurz das Gesicht, bevor ich dann zu dir in mein Zimmer kam und sah, wie du dich schon auf dem Bett breit machtest. Am Anfang schliefst du noch in einem Futon auf dem Boden. Doch irgendwie hat dir das nie gefallen, wodurch wir irgendwann dazu übergegangen waren, dass du dich zu mir ins Bett legst.
 

„Mach mal Platz“, ich stieß dich leicht an, sodass ich auch noch Platz hatte. Ich nahm mir eine der zwei Decken und legte mich dann zu dir gewandt hin. Unsere Augen trafen sich und ich spürte erneut diese Vertrautheit, dass es kein Wort gab, das mehr sagen konnte als dieser kurze Moment in dem wir tief ineinander versanken.
 

„Matt?“, warum zerstörtest du jeden so schönen Moment? Hattest du denn wirklich so wenig Taktgefühl? Das war doch nicht wahr. Einfach nur lächerlich. Wieso warst du nur hin und wieder so ein Trampel? Eindeutig: Eine Beziehung wollte ich mit dir bestimmt nicht. Das würde sowieso nur schief gehen.
 

„Ja?“, ich versuchte nicht allzu genervt zu klingen und dann sah ich schon wie du dich auf den Rücken drehtest und deine Silhouette immer weiter in der Dunkelheit verschwand. Was wolltest du? Darüber sprechen was vor ein paar Stunden passiert war und wie wir weitermachen wollten? Eigentlich hatte ich auf dieses Thema nicht wirklich Lust. Ich wollte diesen Abend noch genießen.
 

„Der Abend war schön. Ich würde so etwas gerne wiederholen“, drang deine Stimme durch die Dunkelheit und ich musste leicht lächeln, wobei ich mich ebenfalls auf den Rücken drehte: „Kein Problem. Wir können gerne wieder einen Filmeabend machen.“
 

Ein Seitenhieb von dir traf mich in die Rippen und ich konnte mir einen Schmerzenslaut nicht verkneifen, Ich spürte deinen zornigen Blick mehr als ich ihn sah, was mich breit lächeln ließ. Ja, das war einfach schön, wenn ich dich ein wenig ärgern konnte. Es tat gut mit dir zu scherzen und einander zu necken. So eine wunderschöne Freundschaft.
 

„Den meinte ich nicht. Ich meinte den Sex. Das könnte man doch wiederholen, oder?“, hörte ich deine Stimme so nah an meinem Ohr, dass mir ein angenehmer Schauer über den Rücken glitt. Alleine bei der Erinnerung an den letzten Sex begann sich ein angenehmes Kribbeln in meinem Körper auszubreiten und ich musste trocken schlucken.
 

„Willst du mir damit sagen, dass du eine Beziehung willst?“, ich hob skeptisch eine Augenbraue. Konnte es wirklich sein, dass du dich in mich verliebt hattest? Das war doch lächerlich. Wir waren beste Freunde. Niemals könnten wir einander lieben.
 

„Quatsch“, riefst du empört aus und ließest dich erneut zurücksinken, wobei ich hörte, wie du leicht seufztest und das Rascheln der Decke drang an mein Ohr, kaum dass du dich wieder zu mir drehtest. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und spürte, wie sich unsere Blicke trafen. Es war ein unbeschreiblicher Moment. Aber lieben? Nein, das taten wir uns nicht. Du mochtest Sora und ich? Ach, ich hatte noch kein interessantes Mädchen gefunden.
 

„Was willst du dann?“, meine Stimme blieb ruhig und ich lauschte deinem Atem, der die Stille durchbrach. Du dachtest nach. Warst dir so unsicher wie ich mich selbst fühlte. Wie sollte es weitergehen? Konnte man einfach so Sex haben ohne etwas füreinander zu empfinden? War das wirklich möglich? Oder entstanden dann zwangsläufig irgendwann Gefühle?
 

„Ich will dieses wahnsinnige Gefühl noch einmal spüren. Immer und immer wieder. Es hat sich gut angefühlt und solange wir Singel sind, ist es doch in Ordnung oder nicht? Kein Liebesgeflüster und keine Eifersucht. Einfach nur eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen. Spricht doch nichts dagegen oder?“, deine Stimme lag verheißungsvoll im Raum und ich spürte, wie sich ein komisches Gefühl in meinem Inneren ausbreitete. Sollte ich zustimmen? Schließlich sehnte ich mich auch nach diesem Empfinden. Nach dem Glück, das mich überrannte, als wir miteinander schliefen.
 

„Was ist mit Sora?“, mein Hals fühlte sich so trocken an, sodass ich mich dazu zwang zu schlucken. Ich wünschte mir, dass dies alles nur ein Traum wäre. Was würde das nun bedeuten? Waren wir wirklich dazu in der Lage nur Freunde zu sein, die miteinander schliefen?
 

„Wir haben uns getrennt“, du zucktest mit den Schultern und wandtest dich wieder von mir ab, wobei ich schwieg. Nur ein kurzes „Tut mir Leid“ kam über meine Lippen. Es hang in der Luft und ich hatte das Gefühl, dass ich einfach nur meine Hand danach ausstrecken müsste und dann könnte ich es zurücknehmen.
 

„Was sagst du nun dazu?“, deine Stimme durchbrach die Dunkelheit, doch ich schwieg noch eine Weile. Überlegte und hörte in mich hinein. Was würde ich sein? Würde das Alles wirklich funktionieren oder würde ich nur zu einem Ersatz für Sora werden? Was sahst du in den Momenten, wenn wir dann miteinander schliefen, in mir? War ich dann noch dein bester Freund oder einfach nur etwas, das dir Glück bescherte?
 

Plötzlich warst du über mir. Ich spürte deine Hand auf meiner nackten Brust und erschauderte, als dein Atem meine Wange streifte. Unsere Nasen stießen fast gegeneinander, als deine Hand tiefer wanderte und ich deine kehlige Stimme hörte: „Keine Verpflichtungen. Nur Spaß. Nicht mehr und auch nicht weniger.“
 

Ich schluckte trocken, als deine Finger am Bund meiner Hose angekommen waren und alles in mir danach schrie, dass du weitergingst, wobei ich dann nur nickte und krächzend antwortete: „Okay, nur Spaß. Keine Verpflichtungen. Freunde mit Sonderleistungen.“
 

Ich schlang meine Arme um deinen Hals und zog dich runter, um dieses Bündnis mit einem Kuss zu besiegeln. Im nächsten Moment setzte deine Hand ihre Wanderung fort und sämtliche Zweifel verschwanden in der Tiefe des unendlichen Glücks…

„Matt, du musst heute dringend an den Kanal kommen“, Takerus Stimme war ganz aufgeregt, was ich nicht so ganz verstand. Ja, es stand Weihnachten vor der Tür, aber Geschenk würde es heute definitiv noch nicht geben.
 

Kurz sah ich nach draußen. Zumindest das Wetter war schön, also sprach nichts dagegen auf die Bitte meines kleinen Bruders einzugehen: „Ist in Ordnung. Wann denn? Muss ich irgendetwas mitbringen?“
 

„Ja, am Besten eine Jacke mit Kapuze“, das klang in meinen Ohren irgendwie seltsam und ich wollte gerade nachfragen, als mein Bruder schon weiterredet: „Wir treffen uns mit den anderen so gegen Drei dort. Komm also pünktlich.“
 

Schon hatte er aufgelegt und ich lauschte dem Tuten des Telefons. So richtig konnte ich seine Aufregung nicht verstehen und eigentlich hatte ich noch einige Fragen parat, doch bevor ich die Nummer meines Bruders wählen konnte, erklang schon ein Handyklingelton hinter mir und im nächsten Moment deine Stimme: „Ja? Tai hier.“
 

Ich drehte mich zu dir um. Du saßest mit nacktem Oberkörper auf der Couch. Lässig einen Arm über die Rückenlehne hängend und lauschtest den Worten des Anrufers. Darum schwieg ich und beobachtete dich ruhig. Lauschte deinen Worten, dass du anscheinend auch zu einem Treffen geordert wurdest und musste leicht lächeln. Ob es wohl das gleiche Treffen war?
 

„Ist in Ordnung, Kari. Bis später dann“, mit diesen Worten legtest du auf und sahst mich an. Sofort trat ein Lächeln auf deine Lippen: „Rate mal, wer das war?“
 

„Kari? Was wollte sie denn?“, langsam kam ich näher und nahm neben dir Platz. Unsere Beziehung hatte sich in der letzten Zeit super entwickelt. Wir trafen uns öfters als früher und hatten Spaß. Niemand wurde sauer, wenn sich der andere nicht meldete oder eben keine Zeit hatte. Es war frei und voller Glück.
 

„Bingo. Sie will sich um drei mit mir am Kanal treffen“, meintest du ruhig und ich lachte kurz auf: „Das Gleiche will TK von mir. Anscheinend können wir gemeinsam dorthin gehen. Oder siehst du das anders?“
 

„Was sie wohl geplant haben?“, du legtest deinen Kopf ein wenig schief und schienst nachzudenken. Nicht gerade deine Stärke aber zumindest versuchtest du es. Aber anscheinend blieb der Erfolg aus, denn Missmut machte sich in deinen Gesichtszügen breit und schon stampftest du wie ein wütendes Kind mit dem Fuß auf: „Argh! Ich komm nicht drauf.“
 

„Dann müssen wir uns halt überraschen lassen“, ich lachte auf und sah dich ruhig an. Es war ein gutes Gefühl die Zeit mit dir zu verbringen und vor allem fühlte ich mich wirklich glücklich an deiner Seite. Nein, ich sprach hier nicht von Liebe oder ähnlichen Dingen. Es war einfach toll mit dir. Mehr nicht.
 

„Du hast ja gar nicht erst nachgedacht“, begehrtest du auf und erneut musste ich lachen. Im nächsten Moment wich ich schon deinem Schlag aus und sprang von der Couch auf, um mich in Sicherheit zu bringen.
 

„Nun aber mal langsam mit dem jungen Pferden. Die drei Stunden werden wir uns doch wohl in Ungewissheit halten können, oder? Unsere Geschwister wollten anscheinend nicht, dass wir es erfahren und gut ist es. Sie werden schon ihren Grund haben“, versuchte ich dich zu beruhigen, was nicht wirklich gut gelang, denn deine Augen funkelten mich weiter zornig an.
 

Ich seufzte schwer und strich mir durch meine Haare: „Wir sollten duschen gehen und dann können wir uns eh schon auf den Weg machen. Was hältst du davon?“
 

„Ja, vielleicht hast du Recht. Zusammen oder getrennt?“, ein dreckiges Grinsen trat auf deine Lippen und ich musste erneut auflachen: „Wenn du so grinst, dann lieber getrennt. Wir haben nicht mehr so viel Zeit. Der Kanal ist seine Zeit entfernt und momentan sind sowieso viel zu viele Leute unterwegs.“
 

Du fügtest dich mit einem leichten Schmollmund in dein Schicksal und so gingen wir nacheinander duschen, bevor wir uns dann gemeinsam auf den Weg zu der Stelle, die uns unsere jüngeren Geschwister genannt hatten, machten…
 

~*~
 

Die Bahnen waren wie erwartet gefüllt bis ans Limit und immer wieder wurde ich an dich gepresst, doch es war mir eigentlich egal. Schließlich kamen wir uns immer wieder um einiges näher. Da war es schon viel schlimmer, wenn sich irgendeine fremde Hand auf meinen Hintern verirrte, die aber meist von dir verscheucht wurde.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen wir endlich an unserem Ziel an und stiegen aus. Ruhig folgten wir der Straße runter zum Kanal und erkannten schon unsere Geschwister mit den anderen: Ken, Davis, Cody und Yolei. Ich verstand nicht wirklich, was sie gerade hier wollten, doch wir waren nicht die Einzigen, die gerufen wurden. Denn auch Joe, Sora und Izzy waren hier.
 

„Was gibt es denn, Leute?“, hörte ich deine Stimme und Kari lächelte dich kurz an: „Wir haben eine kleine Überraschung für euch.“
 

Kurz sah ich auf die Säcke und kaum waren wir gänzlich bei ihnen angekommen, sprachen die Jüngeren schon im Chor: „Frohe Weihnachten.“
 

Sofort öffneten sich die Säcke und unsere Digimon sprangen uns entgegen. Ich konnte es kaum glauben, als ich das sanfte Fell von Gabumon unter meinen Fingern spürte und seine liebliche Stimme hörte: „Überraschung! Hallo Matt!“
 

Es war ein unbeschreibliches Gefühl und ich spürte, wie das Glück mich gänzlich überrannte. Nur im Augenwinkel sah ich wie Agumon freudig ebenfalls in deine Arme sprang und auch die anderen Digimon freudig empfangen wurden.
 

„Die Überraschung ist euch wirklich gelungen“, lächelte ich und sah auf meinen Partner herunter. So lange hatte ich mir gewünscht seine Stimme zu hören. Klar, wir hatten uns zwischenzeitlich schon einmal wieder gesehen, aber jetzt wo er hier war, fühlte es sich einfach um einiges besser an. Es war ein unbeschreibliches Gefühl.
 

„Das freut uns“, kam Takeru auf mich zu und ich spürte seinen leichten Schlag auf meinen Oberarm, wobei Patamon auf seinem Kopf saß und uns angrinste: „Wir haben es uns fast gedacht, dass ihr euch darüber freuen würde. Palmon müsste auch mittlerweile in Amerika bei Mimi sein.“
 

„Danke, Leute“, hörte ich deine Stimme und drehte mich zu dir um. Agumon freute sich am meisten von den Digimon endlich wieder bei dir zu sein. Das lag einfach daran, dass er genauso impulsiv war, wie du selbst. Und auch jetzt blieb Gabumon eher ruhig, genauso wie die anderen Digimon.
 

Ruhig ließ ich mich zu ihm runter sinken und sah ihm in die Augen: „Du hast mir gefehlt, Partner.“ „Du mir auch, Matt“, seine Stimme war so leise, wie meine eigene. Diese Worte waren nur für den jeweils anderen bestimmt und als ich aufsah, erkannte ich wieder das Lächeln von Takeru. Ich war ihm so unendlich dankbar, dass er mir Gabumon in die Menschenwelt geholt hatte. Endlich war ich nicht mehr alleine.
 

„Wir haben Mäntel mitgebracht unter denen ihr sie verstecken könnt“, Ken und Davis verteilten kurz die Jacken und ich legte Gabumon einen um den Körper. Auch der Rest versteckten ihre Digimon darunter, wobei sich Gomamon als Stofftier tarnte und darum keinen Schutz brauchte.
 

Es war ein wunderschönes Gefühl in seine großen Augen zu sehen und endlich wieder seine Stimme zu hören. Die kleinen Nachrichten waren auch schön gewesen, aber ihn so vor sich zu haben und ihn berühren zu können, war doch noch einmal etwas ganz anderes.
 

Ruhig wandte ich mich zu dir um und sah dich fragend an: „Ich würde mit Gabumon jetzt nach Hause gehen. Was macht ihr Zwei?“
 

„Wohl das gleiche. Wir haben uns viel zu erzählen und Agumon hat Hunger“, dein Lächeln machte mich glücklich und wir nickten uns nur kurz zu, bevor sich die Gruppe dann langsam auflöste und ich in Richtung Heimat ging. Zumindest hatte ich das vor, doch Takeru eilte mir nach: „Matt, warte kurz!“
 

Irritiert wandte ich mich um und sah ihn an: „Was ist los, TK?“ „Ich soll dich von Mutter fragen, ob du Lust hast an Weihnachten bei uns vorbei zuschauen. Vater ist doch bestimmt wieder auf Geschäftsreise und na ja, bevor du alleine feierst, kannst du gerne zu uns kommen. Wir würden uns freuen“, er lächelte mich kurz an und mein Blick wanderte zu Gabumon, der mir nur zunickte.
 

„Ja, das klingt gut. Wir kommen vorbei. Danke für die Einladung“, damit verabschiedete ich mich von meinem Bruder und ging weiter nach Hause. Ich spürte die warme Hand von Gabumon in meiner und war einfach nur froh, dass er endlich wieder hier war. An meiner Seite und greifbar. Endlich war ich nicht mehr allein…
 

~*~
 

„Wie geht es dir, Matt?“, drang die Stimmung von Gabumon durch, als er auf der Couch saß und mich mit großen Augen ansah. Ich war gerade dabei ihm etwas zum Essen zu machen und brauchte erst eine Weile bis ich seine Frage beantworten konnte, doch dann legte sich ein Lächeln auf meine Lippen: „Mir geht es gut. Und dir?“
 

„Jetzt auch. Es ist schön deine Stimme zu hören. Ich schicke dir gerne Nachrichten, aber wenn man halt keine Reaktion bekommt, dann fragt man sich manchmal, ob sie dich auch wirklich erreichen können?“, ich konnte Gabumon verstehen. Ja, ich wünschte mir auch, dass die Kommunikation in beide Richtungen funktionieren würde. Doch dies war nicht möglich.

Aber jetzt konnten wir reden. Einfach so und niemand würde uns dabei stören. Ich würde Gabumon auch nie wieder hergeben. Nicht in diesem Leben.
 

Ruhig nahm ich den Teller mit den Sandwichs in die Hand und ging zurück zu Gabumon. Stellte ihn vor ihn auf den Tisch und nahm neben ihm Platz: „Lass es dir schmecken, Kumpel.“
 

Die Wohnung wurde alleine durch Gabumons Anwesenheit wärmer und wohnlicher. Es war ein unendlich schönes Gefühl nicht mehr alleine zu sein. Ja, ich war mittlerweile ein Jugendlicher und sollte langsam anfangen auf meinen eigenen Füßen zu stehen, aber einsam war ich deswegen trotzdem nicht gerne.
 

Eigentlich wollte ich diese Frage nicht stellen, aber ich hatte das Gefühl, dass ich musste: „Wie lange bleibst du hier?“ „Im Moment haben wir keinen Rückkehrtermin ausgemacht. Wir werden wohl eine geraume Weile hier bleiben. Wieso fragst du?“, Gabumon sah mich fragend an, während er weiteraß und ruhig kaute.
 

„Nur so. Es freut mich, dass du vielleicht für immer da bleibst. Das wäre wunderbar“, ich lächelte und freute mich einfach. Auch wenn ich wusste, dass es bestimmt nicht für immer war. Irgendwann musste Gabumon zurückkehren. Er gehörte hier einfach nicht her. Oder etwa doch?
 

„Was hast du die ganze Zeit so getrieben?“, fragte er mich und ich überlegte kurz: „Nun ja, ich spiele mittlerweile Gitarre in einer Band und singe auch. Das macht mir sehr viel Spaß. Außerdem treffe ich mich sehr oft mit Tai. Ach ja, in ein paar Tagen habe ich ein Konzert. Ich hoffe doch, dass du mitkommst.“
 

Gabumon begann zu strahlen: „Oh ja, das wäre fantastisch. Ich komme gerne mit. Spielst du noch Mundharmonika?“ „Sehr selten. Aber ich kann dir nachher gerne noch etwas vorspielen“, lächelte ich und wuschelte Gabumon über seinen Kopf. Es war ein schönes Gefühl ihn zu sehen und ich konnte mein Glück immer noch nicht fassen.
 

„Es freut mich, dass du dich mit Tai verträgst“, seine Stimme drang in meine Gedanken ein und ließ mich kurz stutzen, „dass ihr gemeinsam gekommen seid, hat mich irgendwie gefreut. Diese Freundschaft ist sehr wichtig. Hast du auch noch Kontakt zu Joe?“
 

„So wie man mit ihm Kontakt haben kann. Er ist sehr beschäftigt mit seiner Schule. Aber hin und wieder rede ich mit ihm. Wieso fragst du?“, beantwortete ich seine Frage ruhig und Gabumon lächelte nur kurz: „Nur so. Es interessiert mich. Freundschaft ist ein wichtiges Gut.“
 

„Ich weiß, aber ich bin nicht mehr der Träger des Wappens der Freundschaft. Das ist jetzt Davis’ Aufgabe. Unsere Zeit ist vorbei, Gabumon“, meinte ich ruhig und mein Partner sah mich kurz an: „Nein, ist sie nicht. Wir sind immer noch Krieger und unser Zeichen ist immer noch die Freundschaft. Auch wenn du es nicht glauben willst. Und nur weil das Armorei nicht auf dich reagiert hat, muss es nicht bedeuten, dass dein Wappen dir nicht mehr gehört. Das würde bedeuten, dass jeder seine innere Kraft verloren hat, weil niemand die Armoreier aufheben konnte. Aber das ist nicht wahr. Es ist einfach nur so, dass diese Eier für jemand anderen bestimmt waren. Aber die Wappen selbst. Die gehören auf ewig euch, Matt. Mach dich nicht schlechter als du bist.“
 

Ich musste lächeln, als ich die Worte von Gabumon hörte und schüttelte kurz den Kopf: „Ich habe mein Wappen noch nie wirklich verdient. Wie oft bin ich auf der Freundschaft herumgetrampelt? So oft habe ich meine Leute verraten. Eigentlich bin ich dessen gar nicht würdig.“
 

„So ein Quatsch“, Gabumon schnaubte und sah mich finster an, „du bist es sehr wohl würdig. Hör auf so negativ darüber zu denken. Niemand versteht die Freundschaft so gut, wie du es tust. Du begreifst, was sie bedeutet und wie wichtig sie ist. Vielleicht warst du mal anderer Meinung, als unsere Kameraden, aber du hast niemals dein Vertrauen in mich verloren. Unsere Freundschaft wird niemals zerbrechen. Verstehst du?“
 

Ich spürte, wie er meine Hände in seine nahm und sah ihn an. All diese Worte waren so wahr und doch irgendwie so fern. Gabumon hatte Recht. Das wusste ich tief in meinem Inneren und ich wusste auch, dass die anderen ihre Wappen nicht verloren hatten. Sie trugen diese Eigenschaften noch in sich. Unsere Zeit war einfach vorbei gewesen, was die Rettung angeht. Vielleicht waren wir auch zu alt geworden.
 

„Ich glaube, dass du Recht hast“, ich musste lächeln und sah Gabumon ruhig an, „was würde ich nur ohne dich tun? Schon wieder befreist du mich. Du bist ein echt guter Freund, Gabumon.“
 

Ich sah wie mein Partner rot wurde und das ließ mich noch breiter grinsen. Ja, jetzt konnte Weihnachten kommen. Denn mein sehnlichster Wunsch hatte sich erfüllt. Gabumon war endlich hier und sprach wieder mit mir. Es ging ihm gut und er war immer noch der Alter. Ein unendlich guter Freund, der einen immer den Rücken stärkte…

Es war ein komisches Gefühl nicht mehr direkt im Geschehen zu sein. Zwar halfen wir Älteren den Jüngeren wo wir konnten, doch eigentlich waren wir machtlos. Unsere Digimon konnten nicht mehr so digitieren, wie wir es von ihnen gewohnt waren und dir gefiel das ja gar nicht.
 

Der Gedanke, dass du deine Schwester alleine dem Feind gegenüber treten lassen musstest und der Fakt, dass du nicht in der Lage warst sie zu beschützen. Du musstest Davis und den anderen vertrauen. Ich selbst hatte auch ein mulmiges Gefühl, wenn ich daran dachte, dass Taikeru alleine da draußen unterwegs war.
 

Und der Fakt, dass ich nun bei dir Zuhause saß, machte es nicht wirklich besser. Du hingst zur Hälfte von der Couch herunter, während ich einfach nur in mich zusammen gesackt da saß. Agumon und Gabumon sahen uns an. Es war uns egal. Was sollten wir schon tun? Mehr als eine einfache Digitation war einfach nicht mehr drinnen. Die Kraft, die uns Azulongmon geschenkt hatte, war schon längst aufgebraucht und überall kamen Kinder her, die ebenfalls Digimon besaßen. Wir waren irgendwie nichts Besonderes mehr.
 

Ich hörte ein Seufzen von deiner Seite und sah dich an. Der Unmut, der sich durch deinen Geist fraß, war schon fast zum Greifen nahe. Immer wieder zuckte deine Unterlippe und ich spürte, wie sich dein Körper anspannte. Du konntest nicht mehr hier sitzen bleiben, aber du hattest auch keine andere Wahl. Was sollten wir schon tun? Davis und die anderen sammelten alle Kinder ein und trieben die Digimon zurück in ihre Welt.
 

Ohne mein Zutun hob sich erneut mein Blick und ich begegnete Gabumon, der mich ruhig musterte. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen, was ich erwidern musste. Er war hier bei mir und doch beschlich mich das Gefühl, dass diese Zeit sich langsam dem Ende entgegen neigte.
 

„Werdet ihr auch gehen müssen?“, fragte ich ruhig und sah ihn an, wobei er kurz meinem Blick auswich. Du bewegtest dich neben mir und sahst ebenfalls interessiert auf deinen Partner: „Agumon? Wirst du gehen müssen?“
 

Unsere Partner sahen sich an. Sie waren die Einzigen, die wussten, was zwischen uns wirklich lief und irgendwie haben sie sich damals richtig für uns gefreut. Auch wenn wir beide nicht verstanden warum sie das taten.
 

„Wir wissen es nicht, Tai“, gab Agumon dann kleinlaut von sich und Gabumon nickte nur: „Wenn wir die Welten dadurch durcheinander bringen, wäre es sinnvoller wieder zu gehen. Aber wir müssen erst einmal abwarten, was geschieht, wenn die anderen fertig sind. Wer weiß, vielleicht sieht die Welt dann schon ganz anders aus.“
 

Erneut tauschte ich einen Blick mit dir aus. Ich konnte den Schmerz in deinen braunen Augen tanzen sehen. Nein, du wolltest genauso wenig Abschied nehmen, wie ich. Doch wir wussten beide, dass es durchaus dazu kommen könnte. Erneut auf Wiedersehen sagen, tat mir jetzt schon in der Seele weh und ohne es zu wollen, stand ich einfach auf. Ging hinüber zu Gabumon und ließ mich vor ihm nieder.
 

Seinen verwirrten Gesichtsausdruck ignorierte ich, als ich ihn einfach umarmte. So fest an mich zog, wie es mir in diesem Moment möglich war. Ich wollte sein weiches Fell unter meinen Fingern spüren und das Schlagen seines Herzens.
 

„Matt, jetzt reiß dich zusammen“, hörte ich deine Stimme, doch ich ließ Gabumon nicht los und mein Partner legte ebenfalls seine Arme um mich herum. Es tat so gut ihn einfach festzuhalten und nie wieder mit dem Gedanken spielen zu müssen, dass sich unsere Wege trennen würden.
 

„Tai“, ich hörte die Stimme von Agumon und wie seine schweren Schritte sich auf dich zu bewegten. Langsam trennte sich dadurch Gabumon von mir und ich sah in seine warmen Augen. Wenn ich an die Zeit zurückdachte, als wir uns das erste Mal begegnet waren. So eine kleine braune Kugel mit einem Messer auf dem Kopf.
 

Ich dachte an den ersten Kampf gegen Kuwagamon. Daran, wie stark sie waren und mit welchem Mut Gabumon mich damals verteidigt hatte. Ich wusste nicht, was er damals war, doch ich konnte nicht abstreiten, dass ich ihn irgendwie mochte. Er war mir wichtig geworden. Schon im ersten Moment, als wir uns in die Augen gesehen hatten.
 

Langsam richtete ich mich auf und drehte mich zu dir und Agumon um. Du hattest deine Hand auf seinem Kopf und streicheltest ihn leicht. Es war ein anderer Anblick, aber dennoch waren dort die gleichen Gefühle und auch dieselbe Angst, dass man sich schon bald nicht mehr sehen würde.
 

Ruhig trat ich auf dich zu und blieb vor dir stehen. Meine Hände in meinen Hosentaschen und sah auf dich herab. Es war ein komisches Gefühl auf deinen Wuschelkopf zu sehen und irgendwie wünschte ich mir, dass du wieder lächeln würdest. Nur einen kurzen Moment. Nur eine winzige Sekunde. Nur für mich.
 

Plötzlich griffst du nach meinem Hosenbund und zogst mich einfach wieder neben dich auf die Couch, bevor du mich an deine Brust drücktest. Es war ein komisches Gefühl, doch ich ließ es geschehen. Ich ließ mich von dir halten und spürte das sanfte Streicheln auf meinem Arm.
 

Gabumon selbst kam ebenfalls zu uns und ließ sich neben mich nieder. Ich spürte seine Berührung an meinem Rücken, was mich leicht lächeln ließ. Sie waren alle hier. Die Wesen, die mir in diesem Moment so viel bedeuteten und bei denen ich mir wünschte, dass sie nie wieder verschwinden würden. Nie wieder…
 

~*~
 

Es war ein komisches Gefühl, als der Kampf zu Ende war. Noch einmal waren wir in der Digiwelt und haben unseren Freunden beigestanden. Doch jetzt war es ruhig. So unsagbar ruhig.
 

Schon bald drehte sich unsere Welt nur noch um die Schule und den Abschluss. Ich selbst war froh, dass nun Gabumon auf mich Zuhause wartete. Es war ein gutes Gefühl nicht mehr alleine zu sein. Außerdem half er mir mehr beim Lernen, als ich wirklich geahnt hatte. Er verstand sehr schnell und konnte es sogar dann gut erklären. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass es besser für mich wäre, wenn er einfach für mich in die Schule ging. Er würde bestimmt bessere Noten nach Hause bringen.
 

„Treffen wir uns heute wieder mit Tai und Agumon?“, durchdrang seine Frage die Stille, die sonst nur vom Kratzen des Stiftes auf dem Papier zerstört wurde. Ich selbst überlegte, ob ich dich heute treffen wollte. Eigentlich war es nicht geplant, aber du warst eh ein sehr spontaner Mensch, darum würde es bestimmt kein Problem sein.
 

„Wieso? Vermisst du ihn denn schon?“, neckte ich meinen Partner ein wenig. Ich sah, wie er leicht rot wurde, was mich kurz verwirrte, doch dann nuschelte er irgendetwas in seinen nicht vorhanden Bart und schüttelte schließlich den Kopf: „Ich finde es schön, wie glücklich du bist, wenn Tai bei dir ist. Deswegen frag ich.“
 

Jetzt fühlte ich mich ertappt und spürte, wie mir leicht warm wurde. Ich vernahm die Wärme in meinen Wangen und wandte meinen Blick ab, um die Röte vor Gabumon zu verstecken: „Ach, wir verstehen uns einfach gut. Das ist alles. So wie bei dir und Agumon.“
 

„Genau so“, er grinste breit und deutete dann wieder auf das Blatt vor uns, „komm, lass uns die Übungen zu Ende machen und uns dann mit Tai und Agumon treffen.“
 

Irgendwie gefiel mir der Vorschlag, aber so wirklich wusste ich nicht, ob es in Ordnung war: „Ich weiß nicht, ob Tai überhaupt Zeit hat. Im Moment nimmt ihn sein Fußballtraining sehr stark ein. Und lernen muss er ja auch irgendwann einmal.“
 

Ich bekam darauf einen strengen Blick von Gabumon, was mich seufzen ließ und ich schließlich nach dem Handy griff: „Okay, ich schreib ihm eine Nachricht, ob er in ein oder zwei Stunden Zeit hat. Zufrieden?“
 

„Ja, sehr“, Gabumon grinste breit und ich hasste ihn dafür, doch ich schwieg und tippte dann einfach die Nachricht, bevor ich das Telefon zur Seite legte und schließlich weiter auf die Übung sah. So wirklich konnte ich mich nicht darauf konzentrieren. Ich spürte das angenehme Kribbeln in meinem Bauch, als die Spannung stieg, was du wohl antworten würdest. Irgendwie wünschte ich mir, dass wir einfach Zeit füreinander hätten. Ich wollte dich sehen und mit dir spaßen. Nur einmal wieder fliegen.
 

„Matt? Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, Gabumons Stimme riss mich aus meine Träumerei und ich räusperte mich nur verlegen: „Ähm, nirgends. Bei den Übungen.“ „Ich wusste gar nicht, dass die Funktion davon ‚Tai’ heißt“, zog er mich auf und ich hasste ihn dafür.
 

„Verdammt“, sofort begann ich deinen Namen wegzuradieren, bevor ich mich dann wieder auf die Aufgabe konzentrierte und begann sie zu lösen. Natürlich mit der Hilfe von Gabumon. Irgendwie war er ein mathematisches Genie. Dafür konnte er mit Sprache nichts anfangen. Das war bei mir schon anders.
 

Wir ergänzten uns perfekt. Ob es wohl bei dir und Agumon auch so war? Irgendwie konnte ich mir deinen Partner gar nicht vorstellen, dass er mit dir irgendwelche Übungen durchging. Im Gegenteil er wird wahrscheinlich nur jammern, dass er endlich etwas anderes machen will. Darum wunderte es mich schon ein wenig, dass deine Noten seit Agumons Auftauchen noch nicht eingebrochen waren.
 

„Matt? Wo bist du nur wieder mit deinen Gedanken? Jetzt malst du schon Agumon auf einer Couch auf das Blatt. Wenn du dich nicht konzentrieren kannst, dann sollten wir es einfach lassen“, drang Gabumons Stimme erneut zu mir durch und als ich auf das Ende meines Stiftes sah, musste ich ihm Recht geben. Jetzt hatte ich schon das Zeichnen angefangen. Erneut fluchte ich leise, bevor ich es dann wegmachte.
 

„Du vermisst sie beide, kann das sein?“, seine Scharfsinnigkeit überraschte mich, doch ich schluckte nur schwer und nickte dann: „Ja, vielleicht. Aber wir müssen jetzt wirklich damit fertig werden. Schließlich ist sie wichtig für meine Note.“
 

„Gut, dann konzentrieren wir uns jetzt“, Gabumon sah wieder auf das Blatt und ich versuchte es ebenfalls, doch dann vibrierte schon mein Handy neben mir und ich schnappte sofort danach. Es war bestimmt du, der mir geschrieben hatte. Und meine Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Die Nachricht war von dir und du sagtest mir für heute Abend zu. Früher hattest du auf Grund deines Trainings keine Zeit. Aber wir konnten uns später treffen.
 

„Heute Abend unternehmen wir etwas mit ihnen. Sie werden zu uns kommen, weil Vater wieder unterwegs ist“, gab ich die Erkenntnis an Gabumon weiter und ich sah, wie er lächelte und kaum hatte ich zu Ende getippt, dass es in Ordnung ging, tippte er wieder auf das Blatt: „Gut, dann haben wir ja noch ein wenig Zeit dafür.“
 

Ich hasste und liebte ihn gleichermaßen für dieses Verhalten, doch ich beugte mich seinem Willen und versuchte mich weiter auf die Funktionen zu konzentrieren. Es ging einigermaßen, auch wenn ich mich immer wieder dabei erwischte, dass ich viel lieber an dich und den kommenden Abend dachte…
 

~*~
 

Ich richtete gerade ein paar Knabbersachen in Schalen her und verteilte sie auf den Wohnzimmertisch. Genauso wie ich verschiedene Softgetränke auf dem Boden stellte und vier Gläser auf den Tisch stellte. Es würde nicht mehr lange dauern und du würdest mit Agumon hier sein. Auch Gabumon eilte aufgeregt hin und her. Irgendwie waren wir beide ein wenig nervös.
 

Kurz seufzte ich und strich mir durch die Haare, worauf auch Gabumon kurz stoppte und mich verwirrt ansah: „Was ist los, Matt?“ „Ich weiß nicht. Was soll unser Benehmen? Wir treffen nur Freunde. Das ist doch nicht gut“, ich spürte, wie die Verzweiflung in meinem Herz langsam zunahm. Mein Verhalten war einfach nicht normal für dieses Treffen.
 

„Wieso denn nicht? Wir mögen sie halt und wollen einen schönen Abend mit ihnen verbringen. Daran ist doch nichts falsch“, versuchte mir Gabumon meine Zweifel zu nehmen, doch irgendwie wusste ich, dass er Blödsinn redete. Es war nicht normal. Ich wusste, dass ich mich nicht auf ein Zusammensein von Freunden freute, sondern auf das intime Zusammensein mit dir.
 

Ich freute mich darauf dich zu streicheln und zu küssen. Einfach wieder mit dir zu schlafen und die Zeit um uns herum zu vergessen. Klar, ich hatte niemals gesagt, dass ich dich liebte und du hast diese Worte auch nicht in den Mund genommen. Wir brauchten sie nicht. Auch wenn ich mittlerweile nicht mehr wusste, was für eine Beziehung wir überhaupt führten. Waren wir Freunde mit Sonderleistungen oder sogar mehr?
 

„Hör auf zu grübeln, Matt“, durchdrang die Stimme von Gabumon meine Gedanken und ich sah irritiert auf ihn: „Ich grüble gar nicht.“ „Doch das tust du. Ich sehe es dir an“, damit verschwand es wieder und holte noch ein paar Kissen, die es auf den Boden verteilte, sodass wir angenehme Sitzgelegenheiten hatten, wenn wir spielen würden.
 

So schön es auch war, dass mich Gabumon so gut kannte, umso schlimmer war es, wenn es solche Phasen hatte, wo es immer meinte alles besser wissen zu müssen. Gabumon war ein guter Freund. Das stand außer Frage, aber manchmal meinte er es einfach zu gut.
 

„So, sie können kommen“, stolz stemmte es die Arme in die Seite und grinste unser Werk an. Ja, jetzt fehlten wirklich nur noch du und Agumon, dann konnte der Abend nur schön werden. Und als hättet ihr meine Gedanken gelesen, klingelte es schon an der Tür. Gabumon rannte mit den Worten „Ich mach auf“ sofort zu ihr und öffnete sie.
 

„Hallo, Gabumon. Na, wo hast du Matt versteckt?“, hörte ich deine Stimme und ich spürte, wie ein angenehmes Kribbeln in meinen Bauch trat. Ich fühlte mich einfach glücklich, als ich mich schließlich erhob und in deine braunen Augen sah. Du wurdest mit jedem Jahr, das verging, erwachsener und vor allem männlicher. Ich mochte die Ausstrahlung von Sicherheit, die dich umgab.
 

„Na, habt ihr schon lange gewartet?“, begrüßest du mich und ich winkte nur ab: „Nein, wir sind gerade fertig geworden. Perfektes Timing also. Wie war dein Training? Hast ein paar neue Tricks gelernt?“
 

„Nun ja, nicht wirklich. Davis holt immer mehr zu mir auf. Bald muss ich Angst haben, dass er besser wird als ich. Vielleicht ist es langsam an der Zeit, dass ich den Fußball aufgebe. Wie läuft es mit deiner Band?“, du nahmst auf einem Kissen Platz und schnapptest dir die Schüssel mit Chips, was mich leicht lächeln ließ.
 

„Nun ja, wir haben momentan zu viel um die Ohren. Ich glaube, dass wir uns bald verlieren werden. Die meiste Zeit spiele ich für mich alleine. Beziehungsweise für Gabumon. Es macht mir schon noch Spaß. Aber ich glaube, dass es nur ein Hobby bleiben wird“, winkte ich ab und ich sah dich nicken: „Ja, so denke ich über den Fußball mittlerweile auch. Irgendwann werde ich aus der Mannschaft austreten und dann nur noch mit Freunden ein wenig kicken. Einfach so zum Spaß und um die Zeit zu genießen. Manchmal soll es halt einfach nicht sein, dass das Hobby zum Beruf wird.“
 

„Ja, leider. Wie geht es Kari so?“, hielt ich das Gespräch am Laufen und du lächeltest kurz: „Sie schlägt sich tapfer. Gott sei dank wird sie nicht mehr so oft krank. Sie hängt sich in der Schule rein. Anscheinend verfolgt sie ihren Berufstraum noch. Immer mal wieder trifft sie sich mit deinem Bruder. Hat er dir das nicht erzählt?“
 

„Doch, doch. Er schreibt ja an einem Buch. So neben der Schule“, ich strich mir durch die Haare und musste lächeln, als er mir ein paar Zeilen davon vorlas. Es war nicht schlecht, aber er musste definitiv noch ein wenig üben und einiges daran verbessern.
 

„Worüber handelt es denn? Davon hat mir Kari nämlich noch nichts erzählt“, deine Neugier stieg und ich musste noch breiter grinsen. Das war so typisch für dich. Man konnte dir deine Gefühle an der Nasenspitze ansehen: „Von seinem Abenteuern in der Digiwelt.“
 

„Oh, da hat er aber ein gewaltiges Stück Arbeit vor sich“, du zogst anerkennend die Luft ein und dann wurde dein Grinsen noch breiter: „Und wie läuft es mit Sora und dir?“
 

„Ähm… darüber will ich nicht reden“, nein, das war definitiv fehl am Platz. Ich wollte mit dir nicht über die Dates reden, zu denen mich Sora in regelmäßigen Abständen überredete. Am Wochenende war es eh schon wieder so weit. Ich wusste nicht, was sie damit bezweckte.
 

„Sie ist ein süßes Mädchen und hat Feuer“, du lachtest auf und ich musste ebenfalls grinsen. Stimmt, du warst ja mal mit ihr zusammen gewesen. Lange ist es her und irgendwie hat es auch nur bedingt lange gehalten. Zu kurz, als dass es unsere besondere Beziehung gestört hätte.
 

„Ja, sie ist schon etwas Besonderes. Es macht ja auch Spaß mit ihr und alles“, ich seufzte und strich mir durch die Haare. „Aber? Was hast du auszusetzen?“, du sahst mich schräg an, „ihr wärt ein wunderbares Paar. Gib ihr doch einfach mal eine Chance.“
 

Irgendwie tat es weh solche Worte von dir zu hören, doch ich lächelte über den Schmerz hinweg und versuchte mich selbst zu beruhigen. Klar, es sprach nichts dagegen. Wir waren beide Singel und eigentlich war sie schon irgendwie süß. Vielleicht konnte ich sie ja wirklich lieben.
 

„Okay“, stimmte ich knapp zu und im nächsten Moment stelltest du das Go-Brett zwischen uns: „Ich habe Lust auf eine Runde Go. Der Gewinner darf oben liegen.“ Ich musste leicht den Kopf schütteln. Schön, dass unsere Beziehung trotzdem so weiterlief, obwohl du mich eigentlich verkuppelt hattest.
 

Doch solange wir in keiner Partnerschaft wären, würde diese Beziehung weiterlaufen und ich würde dein grinsendes Gesicht sehen. Die Lust in deinen Augen tanzen und dir Laute entlocken, die nicht jeder hören durfte. Im Moment war ich noch etwas Besonderes und das wollte ich auch nicht so schnell aufgeben.
 

Darum baute ich das Spielfeld auf und wir begannen um die Verteilung der Rollen zu spielen. Es war ein knappes Spiel, doch ich hatte gewonnen. Eine Seltenheit, doch ich genoss es. Alles in mir schrie auf, als ich deine Lippen mit meinen versiegeln konnte und ich deine Haut wieder unter meinen Fingern spürte…
 

~*~
 

„Hallo, Matt“, die Stimme von Sora machte auf sich aufmerksam, als ich in das kleine Café trat. Ich hatte sie eigentlich schon von außen gesehen, doch anscheinend wollte sie noch einmal auf Nummer sicher gehen und stand auf, um mir zu zuwinken.
 

Zögerlich erwiderte ich die Geste des Grußes, bevor ich mich dann in ihre Richtung bewegte und ihr gegenüber Platz nahm: „Hallo, Sora. Ich hoffe, dass du nicht schon lange wartest. Die Züge wollten nicht so wie ich das gerne hätte.“
 

„Macht nichts. Ich bin auch ein wenig später angekommen. Dasselbe Problem irgendwie, deswegen war ich ganz froh, als du noch nicht da warst. Also, mach dir keinen Kopf“, sie lächelte leicht und begann dann die Karte zu studieren.
 

Zwei Atemzüge beobachtete ich sie dabei und fragte mich, ob es wirklich richtig war hier zu sein. Klar, sie war durchaus ein schönes Mädchen und ihre Energie gefiel mir. Sie erinnerte mich damit irgendwie ein wenig an dich. Du warst genauso impulsiv und setztest dich für deine Ziele ein.
 

Ein leichtes Lächeln legte sich auf meine Lippen, als ich merkte, dass sie mir durchaus gefiel. Die Tatsache wie sich ihre Stirn kräuselte, wenn sie sich nicht entscheiden konnte oder sogar wie sich ihre Unterlippe leicht nach vorne schob, wenn sie der Meinung war, dass ihr Leben gerade nicht fair verlief.
 

Ich wandte mich von ihrem Anblick ab und begann selbst die Karte zu studieren. Nach einer kurzen Überlegung entschied ich mich für einen Obstkuchen und einen Milchkaffee. Es war ein angenehmes Gefühl hier mit Sora zu sitzen. Auch wenn ich nicht wusste, woher dies kam. Schließlich war mir vor zwei Tagen das Treffen schon fast zuwider gewesen. Doch jetzt, als ich so ihr gegenüber saß und ich hier dabei zuhörte, wie sie von ihrem letzten Tennisspiel berichtete, spürte ich, dass es eine gute Entscheidung war hierher zu kommen.
 

„Hast du eigentlich noch Kontakt zu Tai?“, fragte ich sie nach einer Weile und sie sah mich verdutzt an: „Ähm, wie kommst du denn darauf?“
 

„Nun ja, ihr ward ja schließlich mal zusammen gewesen und schließlich verbindet uns alle auch das gemeinsame Abenteuer. Darum frage ich einfach mal“, ich zuckte mit den Schultern und sie begann kurz zu überlegen, bevor sie dann lächelte und den Kopf schüttelte.
 

„Nicht wirklich. Wir treffen uns ab und an in der Schule. Aber das war es auch. Außer Mimi und jetzt dich sehe ich kaum noch jemanden von damals regelmäßig. Wie sieht es bei dir aus? Hast du noch Kontakt zu den anderen?“, gab sie die Frage nach der Beantwortung zurück und ich stockte kurz.
 

Es war schon ein komisches Gefühl darüber nachzudenken. Aber eigentlich traf ich mich nur noch mit Joe und dir. Natürlich sah ich über Taikeru auch Kari hin und wieder, aber den Rest? Eigentlich kaum noch. Ich kam mit ihnen auch nie wirklich gut klar. Als mich Sora um dieses Date bat, war ich auch mehr als überrascht, weil ich niemals gedacht hätte, dass sie etwas von mir wollen würde.
 

„Nun ja, eigentlich nur noch zu Tai, Joe und ein bisschen Kari über meinen Bruder. Aber das war es auch schon. Und natürlich dich jetzt, wenn wir uns öfters sehen sollten“, ich lächelte kurz und merkte, wie Sora ein wenig rot wurde, bevor sie die nächste Frage ganz leise stellte: „Würdest du dich denn gerne öfters mit mir treffen?“
 

Irgendwie war sie schon süß, aber genau dieses Verhalten ließ sie sich von dir unterscheiden. Du wärst niemals rot geworden, sondern hättest geradeaus gefragt. Sie war vielleicht so impulsiv wie du, aber bei weitem nicht so selbstsicher. Ich verstand ja nicht einmal, warum sie überhaupt gerade bei mir war. Sie hätte sich doch auch Joe oder Izzy nehmen können. Warum ich?
 

„Bis jetzt spricht nichts dagegen. Es macht Spaß mit dir“, ich lächelte ein wenig und erst jetzt fiel mir etwas auf, was schon fast ein wenig irritierend war. Wir waren die Träger der Wappen Liebe und Freundschaft. Den beiden Dingen, die für die Bindung zwischen zwei Wesen verantwortlich waren. Wenn uns nicht die Verwandtschaft aneinander band. War es dann Zufall, dass wir nun hier saßen und begannen eine Beziehung aufzubauen?
 

Wollte ich diese Beziehung überhaupt? Klar, es gefiel mir und ich fühlte mich in ihrer Gegenwart durchaus wohl. Dennoch blieb das Gefühl, dass irgendetwas zwischen uns stand. Ich hatte einfach nicht das Gefühl, dass ich ihr nicht alles sagen könnte. Zum Beispiel wusste ich jetzt schon, dass sie niemals von uns erfahren würde. Nicht solange ich es verhindern könnte.
 

„Das freut mich. Ich habe mir gedacht, dass wir danach vielleicht noch ein wenig einkaufen gehen könnten oder in den Park. Was meinst du?“, machte sie ein paar Vorschläge für den Rest des Nachmittags, kaum dass unsere Bestellungen zu uns gebracht wurden.
 

Sora selbst hatte sich für einen Schokoladenkuchen entschieden und trank dazu eine Tasse Kaffee. Auch darin glich sie dir ein wenig. Ich fand immer mehr Parallelen zwischen euch und irgendwie gefiel es mir. Ja, vielleicht könnte ich mich in Sora wirklich verlieben.
 

„Ich bin eher für den Park. Die Einkaufsstraßen sind mir jetzt zu voll“, gab ich meine Meinung dazu preis. Jetzt um diese Zeit waren da viel zu viele Menschen. Im Park selbst verteilten sie sich meistens ganz gut. Deswegen fiel es mir da meist nicht sonderbar auf. Ich mochte es nicht unter so vielen Menschen zu sein, die ich nicht kannte. Außerdem hatte ich keine Lust mit einer Frau einkaufen zu gehen. Zumindest nicht beim ersten Date.
 

Irgendwie musste ich unweigerlich an den Schuheinkauf mit dir denken. Du hattest dich benommen wie eine Frau, obwohl du nur neue Fußballschuhe gebraucht hattest. Ich dachte wirklich, dass ich dich bald an die nächste Wand klatschen würde. Wie ich wohl mit Sora reagieren würde? Schließlich war sie eine Frau und da erwartete man solch ein Verhalten. Wahrscheinlich würde ich es einfach über mich ergehen lassen.
 

Wir unterhielten uns einfach nur eine Weile. Genossen die gemeinsame Zeit und ich wünschte mir, dass es irgendwie anders verlaufen würde. Immer wieder sah ich dich in ihr und das ließ mich lächeln. Vielleicht würde sie wirklich mein Deckel werden. Sie war dir so ähnlich, dass ich es mir durchaus vorstellen konnte. Ich musste nun nur noch die kleinen Abweichungen zu lieben lernen.
 

Niemals würde mir in diesem Moment in den Sinn kommen, dass es falsch war, was ich tat, als wir unsere Bestellungen bezahlten und uns auf den Weg in den Park machten…

Es vergingen Jahre und ich wusste nicht einmal, wie es dazu kam, dass ich am Ende wirklich eine Beziehung mit Sora anfing. Diese Sache mit ihr war umso vieles anders, als das, was wir hatten. Unsere Freunde wussten darüber Bescheid und immer wenn wir uns gestritten hatten, meinten sie alle, dass sie uns irgendwelche komischen Ratschläge geben mussten.
 

Es war mal wieder soweit. Wir hatten uns darüber gestritten, dass ich ab nächstes Jahr eine Ausbildung zum Astronauten machen wollte. Dafür musste ich eine Weile weg sein und sie wollte keine Fernbeziehung haben. Etwas, was ich nicht verstand. Es war mein Traum in den Weltraum zu fliegen und sie stand mir im Weg. Das sollte in einer richtigen Beziehung doch anders sein, oder nicht?
 

„Du musst mit ihr darüber reden, das ist dir klar, oder?“, deine Stimme drang in meine Gedanken ein. Wir waren bei mir und ich nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche, die ich in der Hand hielt. Du saßest neben mir auf der Couch und hattest auch eine Flasche in der Hand. Agumon und Gabumon waren irgendwo draußen unterwegs. Wir hatten sie weggeschickt.
 

„Ja, ich weiß es. Aber ich weiß nicht, wie ich das Thema ansprechen soll“, ich seufzte schwer und strich mir durch die Haare. Wie sollte ich mit ihr darüber sprechen? Warum verstand sie nicht, dass es mein Traum war? Sollte sie mich nicht eigentlich unterstützen, wenn sie mich wirklich liebte?
 

„Einfach gerade heraus. Das wird wohl das Beste sein. Was ist eigentlich ihr Problem daran?“, deine Frage ließ mich kurz mit den Schultern zucken, bevor ich noch einmal einen Schluck nahm: „Sie hat Angst um mich. Ihr wäre es lieber, wenn ich irgendeinen weniger gefährlichen Beruf ausüben würde. So wie du. Diesen harmlosen Diplomantenjob.“
 

„Harmlos? Na, wenn du dich da nicht täuschst. Aber ich freu mich schon darauf, wenn ich zwischen den beiden Welten vermitteln darf. Agumon auch. Aber jetzt muss ich erst einmal die Anforderungen erfüllen und dann sieht man weiter“, du stießt mit mir an und ich erwiderte dein sanftes Lächeln. Wie einfach es mit dir war und auch wenn dir Sora in einigen Punkten ähnlich war, so kam sie doch nicht an dich heran.
 

„Das schaffst du schon. Was du dir einmal in deinen Kopf gesetzt hast, kommt da auch nicht mehr raus bis du es erreicht hast. Ich vertrau dir da vollkommen. Und bestimmt wirst du ein guter Diplomat“, ich nahm noch einmal einen Schluck und starrte geradeaus.
 

Wir hatten nur noch dieses Schuljahr vor uns. Dann würde jeder seinen eigenen Weg gehen. Ich traf mich mit dir immer mal wieder zum Lernen. Auch wenn es nicht so oft von Erfolg gekrönt war, wie ich gerne hätte. Auch wenn ich es gerne anders sehen würde, aber der Sex mit dir war um einiges besser, als der mit Sora.
 

Eigentlich sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mit dir schlief, obwohl ich in einer Beziehung war, doch irgendwie wollte es sich nicht einstellen. Ich ließ mich von dir gerne dazu überreden und solange es Spaß machte, war ja nichts falsch daran, oder?
 

Mein Blick lag auf dir, als du dich lässig nach hinten sinken ließest und mich schelmisch angrinstest. Es war ein angenehmes Gefühl hier mit dir zu sein. In deiner Nähe fühlte ich mich entspannt und wusste, dass ich mich nicht verstellen brauchte. Du nahmst mich einfach wie ich war.
 

„Danke, Matt. Du wirst auch ein guter Astronaut“, du lächeltest mich an und ich musste es einfach erwidern. Es tat gut dich bei mir zu haben und irgendwie fühlten sich meine Sorgen dann gar nicht mehr so groß an.
 

„Könntest du das auch Sora sagen? Vielleicht hört sie ja auf dich“, ich wünschte mir, dass ich es alleine lösen könnte, aber ich wusste, dass wir nur wieder streiten würden, wenn wir miteinander darüber sprachen.
 

„Tut mir Leid, aber ich zweifle daran, dass sie mir zuhören wird. Irgendwie verstehen wir uns nicht mehr so gut. Ich weiß auch nicht warum“, du zucktest mit den Schultern und nahmst noch einmal einen Schluck aus der Flasche.
 

Klar, wir waren eigentlich noch zu jung, aber mein Vater hatte in diesem Bereich zumindest nichts dagegen. Solange es nur Bier war und nichts Stärkeres. Darum genossen wir gerne einmal ein oder zwei Flaschen, wenn wir zusammen waren.

„Wir haben uns dieses Jahr vorgenommen, dass wir uns auf die Aufnahmeprüfungen für die Hochschulen vorbereiten damit wir dann das werden können, was wir uns gewünscht haben. Sora wird es akzeptieren müssen. Ansonsten ist sie eh nicht die Richtige für dich“, der letzte Satz von dir tat schon fast ein wenig weh.
 

Sora schien perfekt für mich zu sein. Ich lachte viel in ihrer Nähe und hatte meinen Spaß. Klar, nicht so viel wie mit dir, aber wir waren ja nur Freunde und außerdem warst du kein Mädchen. Wir hatten einfach unseren eigenen Spaß. Aber mit Sora fühlte ich mich gut genug, um zu sagen, dass ich sie liebte. Es wäre schade, wenn ich sie wegen meines Berufes verlieren würde.
 

„Das sagst du so einfach. Sie ist mir schon wichtig. Warum kann sie es nicht einfach akzeptieren? Das würde alles umso vieles einfacher machen“, ich seufzte schwer und sah auf die Flasche in meinen Händen. Es war kaum noch etwas von der Flüssigkeit in ihr. Wir waren in manchen Ländern schon volljährig, doch für Japan fehlten uns noch drei Jahre. Es war schon ein komisches Gefühl. Eigentlich entschloss man sich in diesem Alter schon, was man später werden will, aber vor dem Staat ist man immer noch ein Kind.
 

„Das musst du sie fragen. Klar, werden wir jetzt alle getrennte Wege gehen. Auch unsere Schulen sind nicht nah genug beieinander, dass man sich unter der Schulzeit mal sehen könnte. Uns bleiben allen nur noch die Ferien, in denen wir nach Hause kommen. Aber da müssen wir jetzt durch. Eine wahre Freundschaft hält das auch und so auch eine wahre Liebe“, ich spürte deine Hand auf meiner Schulter und lächelte dich kurz an, bevor ich die Flasche gänzlich leerte.
 

„Ja, du hast Recht. Wenn wir uns wirklich lieben, dann werden wir diese Zeit überstehen. Schließlich wünsche ich mir auch, dass sie als Modedesignerin erfolgreich wird. Und eigentlich war es von Anfang an klar, dass wir in dieser Zeit nicht wirklich nah beieinander sein werden. Ich weiß nicht in was für einer Traumwelt Sora gelebt hat, wenn sie wirklich glaubte, dass ich auf eine Schule in ihrer Nähe gehen würde“, ich zuckte mit den Schultern und nahm dir deine ebenfalls leere Flasche ab.
 

„Willst du noch eine?“, fragte ich, als ich aufstand, um sie wegzubringen und mir selbst noch eine Neue zu holen. Doch dein breites Grinsen zeigte mir, dass du im Moment andere Vorstellungen hattest, als mit mir gemeinsam noch eine Flasche zu leeren.
 

„Nein, im Moment nicht. Aber trink nur, das erhöht meine Chancen bei der Entscheidung zu gewinnen“, ich spürte, wie mir bei den Worten ein angenehmer Schauer über den Rücken glitt. Alleine bei der Vorfreude darauf breitete sich eine angenehme Wärme in meinem Inneren aus, als ich dein Lächeln erwiderte: „Sei dir da mal nicht so sicher. Du weißt ja, dass ich schon immer mehr aushalte als du.“
 

Ich hörte dein Lachen, als ich kurz in die Küche ging und die Flaschen zum Pfandglas stellte, bevor ich mir selbst noch einmal eine holte. Irgendwie war es ein gutes Gefühl, dass ich meinen Alkoholkonsum vor meinem Vater nicht mehr verstecken musste. Diese Tatsache erfüllte mich mit dem Gedanken, dass er mich als volljährig ansah und ich somit ihm gegenüber gleichwertig war.
 

Ich öffnete die Flasche, als ich mich schließlich wieder auf der Couch niederließ und lächelte dich sanft an: „Wollten wir nicht eigentlich lernen? Aber irgendwer hat da wieder etwas dagegen gehabt?“
 

„Ach, komm schon. Wir haben gestern schon so lange gepaukt. Da haben wir uns heute doch eine Pause verdient. Außerdem haben wir das schon lange nicht mehr gemacht. Einfach mal zusammen gesessen und etwas getrunken“, deine Stimme klang schon fast weinerlich, was mich nur breiter lächeln ließ.
 

„Ja, da hast du Recht. Obwohl du eine interessante Definition von ‚schon lange’ hast. Schließlich haben wir das erst vor einer Woche getan. Erinnerst du dich? Als ich den Streit mit Sora hatte“, erwiderte ich ruhig auf deine Worte und nahm einen Zug aus der Flasche.
 

„Ja, viel zu lange her. Außerdem warst du da so aufgebracht, es hat ewig gedauert bis ich dich einigermaßen beruhigt hatte“, ein Seufzer stahl sich über deine Lippen und erneut sah ich dieses Funkeln in deinen Augen. Es gefiel mir und ließ das Kribbeln in meinem Körper stärker werden.
 

„Ich hatte halt nicht damit gerechnet, dass sie so dagegen ist“, ich zuckte mit den Schultern und trank noch einmal ein bisschen, während ich auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers sah. In der Spiegelung erkannte ich uns, wobei du mir mit deinem Körper zugewandt warst, als würdest du nur auf irgendetwas warten. Und ich wusste worauf, wodurch ich erneut leicht erschauderte.
 

„Tja, sie hat dich eines besseren belehrt“, ich spürte deine Hand auf meiner Schulter und schluckte kurz, bevor ich leicht lächelte und dir ruhig begegnete: „Ohne einen kleinen Wettstreit? Hast du es so nötig, Tai?“
 

„Vielleicht“, deine Hand wanderte höher und ich erzitterte leicht, als ich deine Fingerkuppen auf meinem Bauch spürte. Eigentlich wollte ich noch reden und das Chaos in meinem Kopf aufräumen, doch das Funkeln in deinen Augen zeigte mir, dass ich erst danach wieder eine vernünftige Antwort bekommen würde, wodurch ich die Flasche auf den Couchtisch stellte und mich zu dir umwandte.
 

Deine Hand wanderte höher, als du begannst über mich zu kommen und im nächsten Moment spürte ich schon deine Lippen auf meinen…
 

~*~
 

Ich ließ meine Hand über deine Brust wandern, als ich einfach an dich gelehnt dalag und deinem sanften Atem lauschte. Eigentlich wusste ich nicht, wann wir damit begonnen hatten nach dem Sex einfach liegen zu bleiben. Am Anfang hatten wir uns meist schnell wieder angezogen oder sind unter die Dusche gegangen. Doch schon seit einiger Zeit blieben wir so liegen.
 

Ich spürte deine Hand durch meine Haare wandern. Es fühlte sich gut an. Eigentlich wusste ich nicht, warum wir immer noch dies taten. Ich war in einer Beziehung und auch du trafst dich mit anderen Mädchen. Dennoch schliefen wir bei fast jedem Treffen, bei dem wir ein wenig Privatsphäre hatten.
 

Warum taten wir das? Wieso fühlte es sich nicht falsch an? Warum bekam ich kein schlechtes Gewissen Sora gegenüber? Ich wusste nicht, was es war, was mich so an dieser Aktivität mit dir fesselte, doch ich spürte, dass der Wunsch, dass es niemals enden würde, immer stärker in mir wurde.
 

Im nächsten Moment spürte ich einen sanften Kuss auf meinem Haar und hob irritiert den Kopf. Unsere Augen trafen sich und ich sah das Leuchten in deinen. Was verband uns nur und trieb uns immer dazu dies zu tun? Wirklich nur das Glücksgefühl? Oder war da mehr?
 

Bevor ich meine Gedankengänge zu ende bringen konnte, schobst du mich von dir herunter und griffst nach deiner Kleidung: „Komm, wir wollten doch noch ein wenig lernen und Sexualkunde ist nicht wirklich ein Prüfungsfach:"
 

Ich musste schmunzeln, als ich dein Lachen hörte und begann mich ebenfalls anzuziehen: „Da könntest du Recht haben, obwohl wir darin bestimmt gute Noten erzielen würden. Willst du irgendetwas Bestimmtes durchgehen? Du hattest am Telefon gemeint, dass dir etwas Kopfzerbrechen bereitet.“
 

„Hm, ja… ich verstehe eine bestimmte Grammatik von Französisch nicht. Vielleicht kannst du mir da helfen. Du warst ja recht gut darin. Beziehungsweise hast du ein Händchen dafür. Ich versteh sowieso nicht, warum du Astronaut werden willst und nicht irgendwas mit Sprachen machen würdest oder gar an deiner Musikkarriere arbeitetest. Das würde dir bestimmt auch stehen. Du hattest eigentlich immer sehr viel Spaß am Musizieren und du warst auch gut“, du zogst deine Hose unterm Gehen an, als du deine Tasche holtest und schon damit begannst ein paar Bücher auszupacken.
 

Ich selbst hatte im Moment keine Probleme beim Lernen. Deswegen wollten wir uns heute ganz auf dich konzentrieren. Schließlich war es wichtig, dass du das verstandest, denn sonst könntest du die Sprache nicht vernünftig anwenden und jedes weitere Lernen war dann schon fast für die Katz.
 

„Ich weiß nicht. Es hat zwar Spaß gemacht auf der Bühne zu stehen. Aber irgendwie reizt mich der Weltraum mehr. Zu fernen Sternen reisen und die Welt von oben sehen. All das muss fantastisch sein. Außerdem hat mich die Technik auch schon immer fasziniert. Wie war es möglich, dass man ein Flugzeug da hinauf bringt und dann auch noch in der unendlichen Weite den Mond findet? Ich will es wissen und ich hoffe, dass ich es auch schaffe. Dich könnte ich auch fragen, warum du kein Profispieler werden willst. Dir macht Fußball auch Spaß und dennoch willst du in die Diplomatie gehen“, grinste ich dich an und ließ mir dann kurz die kritische Stelle zeigen.
 

Oh ja, daran konnte ich mich selbst ganz gut erinnern. Ich hatte auch meine Schwierigkeiten hinter das System zu kommen, aber wenn man das erst einmal geschafft hatte, dann hatte man den schwersten Weg schon einmal hinter sich.
 

„Das kann ich ja nicht lange machen. Ab Dreißig ist da Schluss und dann nur noch Trainer oder so was sein, darauf habe ich keine Lust. Ich würde es immer vermissen hinter dem Ball her zu rennen und um den nächsten Punkt zu kämpfen. Wahrscheinlich werde ich es in der Freizeit solange spielen, wie es möglich war. Aber mein Geld wollte ich damit nicht verdienen. Schließlich ist es nichts für die Ewigkeit“, du kamst näher zu mir, als ich dann schließlich begann dir diese Grammatik zu erklären.
 

Immer wieder brachtest du Beispiele, wie du glaubtest, dass es funktionieren sollte. Es dauerte lange, bis sie endlich richtig waren, doch dann war der Groschen gefallen und es klappte ohne Probleme. Irgendwie spürte ich dadurch einen gewissen Stolz in mir aufsteigen, als ich sah, wie du einfach da saßest und mit französischen Sätzen um dich warfst. Das Leuchten in deinen Augen, weil du diesen Stein geknackt hattest, war der Hauptgrund, warum ich mit dir lernte. Es gefiel mir, wenn dein Gesicht vor Freude strahlte und ich diesen Erfolg mit dir teilen konnte.
 

Wir gingen mit dir zusammen noch ein paar Vokabeln durch und die Konjugation der Verben, die zur dieser Grammatik gehörten. Ich merkte, dass du wirklich fleißig gelernt hattest. Du wusstest nur sehr wenige Wörter nicht und der Stolz in meinem Herzen wuchs. Mit jedem Wort, das du mir richtig sagtest, spürte ich mehr, dass du diese Ausbildung schaffen würdest. Du würdest deinen Traum erfüllen und Diplomat für die Digiwelt werden und in deinem Leben gab es keine Frau, die dich davon abhalten wollte.
 

„Tai?“, ich wusste nicht, warum ich dich jetzt ansprach, doch ich klappte das Buch zu und senkte den Blick, als ich die Zweifel in meinem Herzen wieder spürte. War es wirklich richtig, was ich tun wollte? Würde ich mir diesen Traum erfüllen können oder hatte Sora Recht, dass es nicht zu mir passte und ich lieber auf die Musikuniversität in der Nähe von ihrer gehen sollte?
 

„Ja?“, deine Mimik war offen und ich spürte erneut die Gewissheit in mir, dass ich dir alles sagen konnte. Du würdest mir zuhören und dich niemals über mich lustig machen. Früher hatten wir uns geärgert, doch wir waren älter geworden und ich wusste, dass uns eine Freundschaft verband, die niemals zerbrechen würde.
 

„Ich glaub, ich schaff das nicht“, meine Kehle schnürte sich bei diesen Worten zu und ich begann mich in mich selbst zu verkriechen. Sofort warst du bei mir und ich spürte deine Hand auf meinem Knie und die andere, wie sie durch mein Haar strich.
 

„So ein Unsinn. Du kannst alles und du weißt alles. Es ist dein Traum und er wird in Erfüllung gehen. Dabei werde ich dir so gut es geht helfen. Lass den Kopf nicht hängen und lächle ruhig einmal. Du wirst es schaffen. Immer wenn ich dich ausfrage, dann weißt du die Antwort. Du musst jetzt nur auch selbst daran denken. Es ist dein Traum, Matt und ich weiß, dass du es schaffst. Wir schaffen es beide unsere Träume zu verwirklichen. Deswegen sitzen wir doch hier, nicht wahr?“, dein breites Grinsen gab mir Mut und ich spürte, wie sich der Zweifel in meinem Herzen langsam zerstreute.
 

„Ja, du hast Recht. Wir schaffen das. Schließlich haben wir uns das damals geschworen. Beide oder keiner. Danke, Tai“, ich spürte den Drang in mir dich zu küssen, doch ich bewegte mich nicht, sondern ließ deine Hand über meine Wange streicheln, bevor du wieder Abstand zu mir nahmst und dann nach meiner Tasche, die wie fast immer neben der Couch stand, griffst, um ebenfalls ein Buch herauszuholen. Es ging um Physik und dein Grinsen wurde breiter, als du begannst mich auszufragen.
 

Ich wusste, warum du das tatest, denn mit jeder richtigen Antwort, die ich dir gab, wuchs die Zuversicht, dass wir es wirklich schaffen könnten. Ja, wir würden uns unsere Träume erfüllen. Gemeinsam werden wir es schaffen. Da war ich mir jetzt mehr als sicher. Danke, Tai…
 

~*~
 

„Du willst es also wirklich tun?“ Sora saß mir gegenüber an dem Tisch in dem kleinen Café, das wir gerne besuchten, wenn wir uns trafen. Dort gab es leckeren Kuchen und guten Kaffee. Ich selbst hätte jetzt lieber noch ein wenig mit dir gelernt, doch du hattest Recht. Diese Sache musste endlich zwischen mir und ihr geklärt werden, sonst würde es mich die ganze Zeit belasten und vielleicht auch meine Zukunft gefährden.
 

„Ja, das ist mein Traum, Sora. Gabumon freut sich auch schon. Er träumt genauso wie ich von den Sternen und dass er mal auf dem Mond steht. Darum will ich uns beiden diesen Traum erfüllen. Ich kann es schaffen und ich bitte dich, dass du mir die Möglichkeit dazu gibst und dich mir nicht in den Weg stellst.“ Ich wirkte stärker, als ich mich innerlich fühlte. Schließlich wusste ich nicht, was ich tun sollte, wenn sie meinen Wunsch nicht akzeptierte.
 

„Ist dir nicht klar, wie gefährlich das ganze Unterfangen ist? Es ist nicht einmal gewiss, ob du sicher dort oben ankommst, geschweige denn wieder hier landest. Soll ich die ganze Zeit dann in Angst leben, dass ich dich nie wieder sehe?“ Ihre Augen blieben hart und die krampfhaft verschränkten Arme vor ihre Brust schrieen förmlich, dass sie sich nicht umstimmen lassen wollte.
 

„Doch ist es, aber es ist der Traum von Gabumon und mir. Ich möchte ihn uns einfach erfüllen. Ist das so schwer zu verstehen?“, drängte ich sie weiter um Einsicht, doch sie lächelte nur traurig und wich meinem Blick aus. Ich hatte das Gefühl, dass sie gegen die Tränen kämpfte, bevor sie dann hysterisch auflachte: „Ist klar, es geht immer nur um dich. Du warst schon immer so ein Egoist, Matt! Schon immer!“
 

Ich begriff nicht, was jetzt plötzlich passierte, als ihre Hände mit einem lauten Knall auf die Tischplatte aufschlugen und sie mich zornig anfunkelte: „Warum kannst du nicht einmal an die Menschen denken, die dir etwas bedeuten oder denen du etwas bedeutest? Wieso kannst du dich nicht einmal in mich hinein versetzen? Du verlangst immer nur, dass ich dich verstehe, aber versuchst nicht ein einziges Mal, dass du begreifst, wie ich mich dabei fühle!“
 

„Tai steht hinter mir. Er unterstützt mich dabei meinen Traum zu erfüllen“, versuchte ich gegen ihre Anschuldigungen zu sprechen. Ich wollte nicht glauben, dass ich solch ein Egoist war. Sora sah das Alles nur zu eng. Sie machte sich nur unnötige Sorgen. Es war nicht so gefährlich, wie sie es sich immer versucht einzureden.
 

„Tai liebt dich aber nicht!“, war ihre einzige Erwiderung, als sie sich wieder nach hinten fallen ließe und die Arme wieder vor der Brust verschränkte. Sie starrte seitlich in den Raum des Cafés und schien alles zu tun nur um mich nicht ansehen zu müssen.
 

Bei ihrer Aussage spürte ich einen leichten Stich in meiner Brust, der mich trocken schlucken ließ und ich verdrängte ihn nach ganz weit hinten. Mit ihm konnte ich mich noch später beschäftigen, aber jetzt war wichtig, dass ich diese Beziehung irgendwie rettete.
 

„Das tut er vielleicht nicht. Aber er ist mein bester Freund und er macht sich bestimmt auch Sorgen um mich, doch er versteht, dass dies mein Wunsch ist und versucht mich mit allen Mitteln zu unterstützen, damit ich ihn mir erfüllen kann. Ich tue das auch für ihn“, versuchte ich sie ein wenig zu beruhigen, doch sie schnaubte nur.
 

„Sora, ich weiß, dass dein Traum die Modewelt ist. Klar, dieser Beruf ist nicht so gefährlich wie meiner, aber du wirst viel öfters weg sein als ich. Immer unterwegs und immer im Stress. Niemals hast du mich gefragt, ob ich das Alles überhaupt möchte, sondern nimmst es einfach als gegeben hin, dass ich es akzeptieren werde und dich unterstütze. Du willst das aber nicht für mich tun. Darum frage ich mich, warum ich es dann für dich tun sollte.“ Meine Stimme war ruhig und ich griff sanft nach ihrem Arm, doch sie entriss ihn mir.
 

Ein Seufzer stahl sich über meine Lippen und ich ließ mich zurücksinken, um sie einfach zu betrachten. Dieses Mädchen war mir wichtig, aber sie machte es mir im Moment nicht leicht sie zu lieben. Warum musste sie sich so vehement in meinen Weg stellen? Wieso konnte sie meinen Traum nicht einfach akzeptieren so wie du es getan hast? Hat sie vielleicht Recht, dass es daran lag, dass sie mich mehr mochte als du?
 

„Ich habe einfach Angst, Matt“, flüsterte sie und ich dachte im ersten Moment, dass ich mir ihre Stimme eingebildet hatte, doch sie wandte ihren Blick zu mir und lächelte mich dann unsicher an, „ich habe einfach Angst, dass du nicht mehr zurückkommen könntest oder du bei der Ausbildung ein anderes Mädchen kennen lernst und mich vergisst. Wir sind dann so weit auseinander und so lange von einander getrennt. Glaubst du daran, dass wir es schaffen können? Wird unsere Beziehung diesen Test überstehen? Ich will dich nicht verlieren, Matt.“
 

Ich sah die einzelnen Tränen, wie sie über ihre Wangen rollten und musste sanft lächeln, bevor ich mich zu ihr beugte und die salzigen Perlen wegwischte: „Ich liebe dich, Sora. Egal, wie weit wir von einander entfernt sind. Kein Mädchen könnte dich jemals ersetzen.“
 

„Ich liebe dich auch, Matt.“ Langsam verschwanden die Tränen aus ihren Augen und das Lächeln wurde wärmer, als sie sich sanft in meine Berührung schmiegte und ihre Lider schloss. Es fühlte sich gut an und ich beugte mich zu ihr, um ihr einen sanften Kuss zu geben. Die Zeit ohne sie würde bestimmt nicht leicht werden, aber auch du würdest mir fehlen. Dennoch muss ich diesen Weg, um meinen Traum zu erfüllen und das will ich tun. Mit aller Kraft, die ich habe.
 

„Wir werden es schaffen. Ja, wir werden alle unsere Träume erfüllen und dann werden wir uns wiedersehen. Hier in Tokio und wir werden dann immer zusammen sein. Auch mit unseren Freunden. Aber manchmal muss man einfach getrennte Wege gehen. Deswegen muss man sich ja noch lange nicht für immer verlieren“, versuchte ich ihr Mut zuzusprechen und lächelte sanft.
 

Zärtlich umschloss ich ihre Hand und begann mit meinen Daumen über ihren Handrücken zu streicheln. Ich wollte sie beruhigen und ihr zeigen, dass sie mir wichtig war. Langsam entspannte sie sich und nickte dann: „Ja, du hast Recht. Wir werden uns wiedersehen. Ich lasse dich gehen. Verwirkliche deinen Traum, Matt.“
 

„Danke.“
 

~*~
 

„Geschafft!“ Ich konnte es gar nicht glauben, als ich mein Abschlusszeugnis in der Hand hielt. Die Noten waren so wie ich sie brauchte, um meinen Traum des Astronautenlebens zu erfüllen. Auch du jubeltest neben mir und ich konnte sehen, dass dir deine Punkte reichten. Im nächsten Moment spürte ich eine sanfte Berührung auf meiner Schulter und als ich mich umdrehte, blickte ich in das Gesicht von Sora, die mich anlächelte.
 

„Und? Wie lief es bei dir?“, fragte ich sie ruhig und im nächsten Moment sprang sie mir um den Hals: „Bestanden! Ich kann auf meine Modeschule gehen! Und du?“
 

Voller Stolz zeigte ich auf mein Ergebnis: „Auch. Wir können uns alle unseren Traum erfüllen. Ist das nicht toll?“ Sora nickte und löste sich dann langsam von mir, als du zu uns tratest: „Na, ihr Turteltauben? Lust unseren Erfolg zu feiern? Matt kann bestimmt seine Wohnung zur Verfügung stellen.“
 

Ich musste auflachen, als du so selbstverständlich wieder auf die Alkoholvorräte meines Vaters zugreifen wolltest und musste den Kopf schütteln: „So typisch. Aber spricht nichts dagegen. Mein Vater ist im Moment nicht da. Irgendeine Geschäftsreise oder so. Wir haben also die ganze Wohnung für uns.“
 

„Ne, lasst mal, Jungs. Ich hab mich mit Mimi verabredet. Aber ihr könnt gerne feiern. Man sieht sich, Matt.“ Sie hauchte mir einen Kuss auf die Wange und war dann auch schon verschwunden. Irgendwie war ich froh, dass ich mit dir alleine feiern konnte. Sora hatte mich noch nie betrunken erlebt. Außerdem wusste ich dann nicht, ob unsere Tarnung auffliegen würde. Schließlich waren wir bis jetzt immer alleine gewesen, wenn wir getrunken hatten.
 

„Nun gut, dann halt nur wir Zwei, oder?“ Du sahst mich fragend an und ich nickte schließlich. Es war ein komisches Gefühl Sora dabei zuzusehen, wie sie in der Masse verschwand, um sich mit Mimi zu treffen, aber ich verbrachte die Zeit eh lieber immer nur mit einem von euch.
 

„Scheint so. Willst du gleich los, oder erst noch woanders hin? Es ist ein wenig früh, um zu trinken, findest du nicht?“ Ich lächelte ruhig und dein Arm legte sich schon um meine Schultern, bevor du mich langsam mitnahmst: „Vielleicht, aber wir können ja trotzdem schon zu dir gehen. Schließlich kann man das Ganze auch anders feiern.“
 

Nur kurz strichen deine Lippen über mein Ohr und schickten einen Schauer über meinen Rücken. Eigentlich wusste ich, dass dies Betrug an Sora war, doch ich konnte nicht aufhören. Wir wollten einfach nicht aufhören. Darum legte sich ein breites Lächeln auf meine Lippen.
 

„Kann man vielleicht.“ Ich sah die Überraschung in deinen Augen, als du dich deines Spaßes beraubt fühltest, doch dann kehrte dort wieder das gewohnte Feuer zurück, was mir einen angenehmen Schauer bescherte: „Kann man vielleicht? Ganz sicher kann man das. Du willst es doch auch.“
 

„Pssst. Nicht so laut. Wir sind nicht alleine“, ermahnte ich dich und du trenntest dich mit einem unwilligen Knurren von mir, um dann brav neben mir aus der Schule zu gehen. Es war ein komisches Gefühl, das sich als angenehmes Kribbeln in meinen Bauch ausbreitete. Alles in mir schrie danach, dass ich dich jetzt küsste und dir zeigte, dass du alles mit mir machen konntest, was du wolltest, aber es ging nicht. Wir waren kein Paar und wir wollten auch nie eines sein.
 

Ruhig schritten wir durch die Straßen und ich konnte deine Ungeduld förmlich greifen, dennoch schwieg ich und sah dich lieber von der Seite an. Deine wuschelige Mähne war schon lange verschwunden. Du hattest sie kürzer und das machte dich männlicher. Es wirkte nicht mehr so, als hättest du deine Haare nicht unter Kontrolle.
 

„Willst du wirklich?“, durchbrach ich leise die Stille und du sahst mich irritiert an: „Wieso sollte ich nicht? Es ist schön und fühlt sich gut an. Wäre ja Blödsinn, wenn wir es nicht tun würden, oder? Es gefällt uns ja beide.“
 

„Ja, schon, aber sollten wir nicht lieber darüber reden, wie es mit uns weitergeht?“ Ich schluckte trocken und spürte, dass der Abschied von dir mir um einiges mehr schmerzte, als der von Sora. Warum tat es das? Ich liebte dich nicht, sondern sie, dennoch war dort die Angst, dass ich dich vielleicht nicht mehr sehen würde. Dass sich unsere Wege für immer trennen könnten.
 

„Wie soll es schon weitergehen? Wir machen beide unsere Ausbildung und treffen uns dann später wieder hier in Tokio oder willst du woanders wohnen?“ Dein Blick glitt über mich und ich spürte erneut diesen Schauer. Ich wollte mich nicht von dir verabschieden. Wir hatten so viel erlebt miteinander und du warst einfach immer da gewesen.
 

„Du hast Recht.“ Ich schluckte alle anderen Sätze herunter. Nein, ich konnte und wollte mit dir nicht über meine Empfindungen sprechen. Bestimmt würdest du mich dann nur als Weichei ansehen und das wollte ich einfach nicht. Langsam erhob sich der Wohnblock vor uns und ich öffnete die Tür, um uns den Einlass zu ermöglichen. Im nächsten Moment stiegen wir schon die Treppe nach oben und schwiegen.
 

Es war ungewöhnlich, dass du nicht sagtest, doch ich spürte, dass jedes Wort nun falsch wäre. Im Moment gab es nichts zu besprechen und kaum hatte ich die Wohnungstür hinter uns geschlossen, waren dort deine starken Arme, die mich umschlangen, und deine gierigen Lippen heiß auf meinen Nacken.
 

Du zogst mich mit dir in Richtung Wohnzimmer. Nur kurz dachte ich daran, dass Gabumon irgendwo hier sein musste, doch deine geschickten Finger unter meinem T-Shirt ließen mich meinen Partner sofort vergessen. Ich verstand nicht, warum du plötzlich so gierig warst, doch ich ließ mich von deiner Lust einfach mitreißen und versank im Hier und Jetzt.

Jede deiner Berührungen sagte mir nur eines: Unsere Leben werden sich nicht gänzlich trennen. Niemals.

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Überall waren Menschen. Wörter von fremden Sprachen drangen an mein Ohr und ich sah nur auf meine Familie, die mit einem zweischneidigen Lächeln vor mir stand. Ich wusste, dass ihnen der Abschied genauso wehtat wie mir selbst, dennoch musste es jetzt sein. Dieser Flieger wartete nicht auf mich und nur wenn ich nach Amerika ging, könnte ich meinen Traum verwirklichen.
 

Immer wieder erblickte ich Digimon, sowohl als Helfer, als auch Begleiter. Mittlerweile hatte fast jeder ein Digimon. Sie waren nichts Besonderes mehr und so war es auch kein Problem Gabumon mit ins Ausland zu nehmen. Der Einzige, der mich dorthin begleiten würde und mich kannte.
 

„Du musst langsam los, Matt“, drang die Stimme meiner Mutter zu mir durch und ich nickte nur. Erneut umklammerte ich den Riemen meiner Tasche und wünschte mir, dass ich noch ein bisschen mehr Zeit hätte. Ich wollte noch über so viele Sachen mit dir reden, doch es ging nicht mehr.
 

„Du musst dein Gepäck an dem Schalter aufgeben und dann begleiten wir dich noch zur Handgepäckkontrolle. Danach geht es nur noch für dich alleine weiter. Du schaffst das schon, mein Junge.“ Mein Dad versuchte mich aufzumuntern und auch wenn ich wusste, dass ich ihm dafür dankbar sein sollte, brachte ich nur ein müdes Lächeln zu Stande. Es war nicht die Nervosität vor dem Neuen. Damit hatte ich noch nie Probleme, sondern eher die Trauer des Zurücklassens. Ich wünschte mir, dass ich diesen Weg mit meinen Freunden gehen könnte.
 

„Matt, lass uns gehen.“ Gabumon zupfte an meinem Ärmel und ich nickte, um mich dann umzuwenden. Nur wenige Schritte trennten mich von dem Check-In und ich gab mein Gepäck ab um mein Flugticket zu erhalten. Nur noch dreißig Minuten und dann saß ich im Flieger nach Amerika. Ich musste trocken schlucken, als mir bewusst wurde, dass ich ganz alleine dort sein würde. Mimi war zu weit entfernt, aber wir hatten uns versprochen, dass wir uns dennoch ab und an sehen würden.
 

Langsam bewegte ich mich auf die Kontrolle zu und spürte, wie mir jeder weitere Schritt schwerer fiel. Am Liebsten hätte ich alles abgeblasen, doch als ich in das lächelnde Gesicht von Gabumon sah, wusste ich, dass dies falsch war. Manchmal musste man in den sauren Apfel beißen, um seine Träume zu verwirklichen. Wir wollten beide den Mond betreten und die Erde aus dem Weltall sehen. Dafür mussten wir diese Ausbildung machen. Das war unser Traum und ich möchte, dass er in Erfüllung ging.
 

Ich legte meinen Rucksack auf das Fließband und drehte mich zu meiner Familie um. Das Lächeln auf ihren Lippen wurde trauriger und ich spürte, wie sich meine Kehle ein wenig zusammen schnürte. Nur noch einmal diesen Schmerz auf mich nehmen und dann glücklich werden.
 

Zu erst umarmte ich Takeru und drückte seinen Körper an mich. „Mach es gut, Brüderchen. Pass gut auf unsere Eltern auf, ja? Ich werde versuchen euch so oft es geht zu schreiben. Vielleicht kann man auch mal telefonieren.“
 

„Ja, das will ich doch hoffen, dass du dich meldest. Ich werde derweil hier die Stellung halten“, versprach er mir und lächelte mich an, wobei ich nur kurz nickte, bevor ich dann auch zu meinen Eltern ging. Erst meine Mutter und dann meinen Vater. Sie sprachen mir Mut zu und versuchten den Schmerz zu verstecken. Abschied war eine ekelhafte Sache und das wurde mir gerade deutlicher bewusst, als mir lieb war.
 

Gabumon verabschiedete sich auch von ihnen. Genauso von Patamon und schritt davon vor mir durch die Kontrollschranke. Ich atmete noch einmal tief ein und aus. Sah auf meine Eltern zurück und kurz dachte ich, dass ich dich in den Massen erkannte, doch ich wusste, dass dies töricht war. Niemals könntest du so schnell hier sein und warum solltest du das tun? Wahrscheinlich warst du mir unendlich böse und wir würden einander nie wieder sehen.
 

„Matt!“ Deine Stimme drang zu mir durch. Zumindest dachte ich das, doch ich sah nur Takeru, der mich anlächelte und mir dann noch etwas überreichte. Es war ein kleiner Stoffbär mit einem Fußball und einer Fliegerbrille.
 

„Das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Tai wollte, dass ich dir das noch gebe. Er wollte es dir selbst überreichen, aber du hattest keine Zeit dafür. Ich weiß zwar auch nicht, was das soll, aber ich glaube, dass er es mir sehr übel nehmen würde, wenn ich es vergesse.“ Sein Lächeln blieb und ich starrte auf das Stofftier. Sein weiches Fell schmiegte sich sanft an meine Hand und ich konnte es nicht glauben. Alles in mir schrie danach es wegzuwerfen, doch das Einzige, was passierte, war, dass sich Tränen in meine Augen bildeten, die ich schnell wegblinzelte.
 

„Danke, Bruderherz.“ Ich wuschelte ihm durch die Haare und drückte den Bären unbewusst an meine Brust. Es musste lächerlich aussehen, doch es war mir egal. Ruhig legte ich das Stofftier auf das Förderband und trat dann ebenfalls durch die Schranke, um meine Sachen auf der anderen Seite wieder in Empfang zu nehmen.
 

Noch ein letztes Mal drehte ich mich zu meiner Familie um und winkte ihnen, bevor ich mich zusammen mit Gabumon auf den Weg zu unserem Gate machte. Das Stofftier blieb in meinem Arm und ich hatte das Gefühl, dass er leicht nach dir roch. Ich musste den Impuls unterdrücken an ihm zu riechen, weil ich den Blick von Gabumon auf mir spürte.
 

„Matt, bist du sicher, dass du nichts bereuen wirst, wenn wir in diesen Flieger steigen werden. Vielleicht hättest du dich doch von Tai besser verabschieden sollen. Du scheinst ihm viel zu bedeuten, nachdem er dir sogar ein Abschiedsgeschenk überreichen ließ. Versteh mich nicht falsch, Matt. Ich will nur nicht, dass du unglücklich wirst.“ Gabumons Sorge war schon fast niedlich, doch ich schüttelte den Kopf.
 

„Nein, ich bereue nichts und auch wenn wir reden hätten sollen, war es die richtige Wahl, denn ich kann gehen und weiß, dass es hier in Japan neben meiner Familie immer Menschen geben wird, die mich mit offenen Armen empfangen und an mich denken. Das ist alles was zählt und wenn wir unseren Traum verwirklicht haben, kommen wir zurück. Dann haben wir genug Zeit zum Reden“, widersprach ich ihm und bestieg mit ihm zusammen schließlich den Flieger. Ich ignorierte die Blicke der Menschen, was den Bären in meinen Armen anging. Sie wusste nichts und ahnten noch weniger, doch meinem Herzen tat es gut das weiche Fell zu spüren. Jetzt konnte Amerika kommen und ich war mir sicher, dass ich als erfolgreicher Astronaut zurück nach Japan kehren würde. Zu meiner Familie, zu Sora und zu dir…
 

~*~
 

Der Flug war lang und anstrengend. Meine Beine schmerzten und auch mein Rücken machte mir ein wenig Probleme. Die Sitze waren viel zu eng und die Reise viel zu lang gewesen. Bei meinen ersten Schritten hatte ich sogar sämtliches Gefühl in meinen Beinen verloren. Ich wäre beinahe gestürzt, doch Gabumon hatte mich aufgefangen.
 

Es war ein seltsames Gefühl, als ich in die Sonne sah und die Wüste roch. Die Wärme hier war erdrückend. So trocken und erschlagend, dass ich mich ebenfalls kurz an dem Gelände der Treppe festhalten musste, bevor ich den Flieger endgültig verlassen konnte.
 

Ein Jahr würde ich nun hier sein. Der erste Teil würde eher theoretisch sein. Erst im zweiten Jahr kam ein wenig Praxis dazu, aber dann würde mein Aufenthaltsort wahrscheinlich erneut wechseln. Ich wusste noch nicht, ob ich dann zurück nach Japan kam oder gar nach Europa musste.
 

Ich seufzte schwer und schritt dann weiter, um mein Gepäck zu holen. Auch hier waren Digimon kein seltener Anblick. Sie waren entweder ebenfalls Fluggäste oder Helfer bei den alltäglichen Arbeiten. Es war schon faszinierend, dass sie als gänzlich normal betrachtet wurden. Ich konnte mich noch daran erinnern, als ich Tsunomon das erste Mal sah.
 

Ich wusste gar nicht, was ich mit dieser Plüschkugel mit der Sichel auf dem Kopf anfangen sollte und nach dem ersten Schreck nahm ich es als gegeben hin. Außerdem steckte mich die Freude von T.K. gänzlich an. Er schloss Tokomon so schnell in sein Herz, dass ich keine andere Wahl hatte, als es mit Tsunomon ebenfalls so zu handhaben.
 

Ich wusste, dass kein Digimon hier für das Wohl der Welten gekämpft hatte. Sie haben ihr Leben nicht riskiert und deshalb waren wir etwas Besonderes. Wir haben sie damals in dieser Nacht gesehen. Das Greymon und das Parrotmon. Wie sie kämpften und es niemand mitbekam. Damals wurden wir auserwählt und unsere Digimon für uns erschaffen.

Ich sah auf Gabumon, der mit großen Augen seine Umgebung beobachtete. Das Gefühl, dass sich unsere Wege niemals trennen würden, gefiel mir. Wir waren Freunde für alle Zeit und niemals würden wir einander verlieren. Niemals.
 

„Unsere Reisetasche, Matt!“, rief mein Digimon plötzlich und stürmte zum Förderband, um das Gepäckstück zu holen. Ich folgte ihm und nahm es ihm ab, um es mir dann wieder über die Schultern zu hängen. Noch einmal sah ich zu dem Ausgang. Dort würde mein Brieffreund warten. Wobei Freund hier zu viel war. Ich hatte nach einer Bleibe gesucht und die Schule hatte mich mit ihm zusammen gebracht. Schließlich wollte ich nicht gänzlich alleine wohnen und ein Hotel für ein Jahr war auch ein wenig zu viel des Guten.
 

Ich kramte kurz in meiner Jackentasche und holte ein Foto raus. So sah er also aus. Ein keckes Lächeln, blaue Augen und braunes Haar. Er erinnerte mich fast ein wenig an dich, doch die Augen waren anders. Sie waren nicht so energiegeladen, sondern tiefgründig. Als würde man ins Meer blicken. Nicht wissend, was auf dem Grund auf einen wartete. Er schien nett zu sein. Zumindest ließen seine Briefe darauf schließen.
 

„Komm schon, Robert wartet bestimmt schon.“ Gabumon trieb mich zur Eile an und ich nickte kurz, bevor ich ihm dann folgte. Immer wieder flogen mir Fetzen von verschiedenen Gesprächen zu. Die meisten verstand ich gar nicht, weil sie auf einer Sprache waren, die ich nicht kannte. Ich sah Urlauber, Heimkehrer und Geschäftsleute. Sie alle hatten ein Leben und auch wenn sich unsere in diesem Moment leicht berührten, würden sie sich sofort wieder trennen.
 

Ich verließ den Ankunftsbereich und trat in die große Lobby, wobei mein Blick über die Massen schweifte, bis ich einen braunhaarigen Jungen mit einem Schild, auf dem mein Name stand, erblickte. Die Anspannung löste sich von mir, als ein Lächeln auf seine Lippen trat und er mir zuwinkte. Anscheinend hatte er Gabumon erkannt, der sofort auf ihn zu rannte und in ein reges Gespräch verwickelte. Ich selbst blieb noch stehen und sah ihn an.
 

Dieser Junge würde mich für das nächste Jahr begleiten. Er würde mir das Land zeigen und mich mit der hiesigen Kultur bekannt machen. Ich wusste nicht, ob das wirklich gut war und ob ich stolz darauf sein sollte. Klar, wir hatten Briefe geschrieben, um uns schon im Voraus kennen zu lernen. Sein Digimon war ein Blackagumon, das sogar neben ihm stand und ebenfalls mit Gabumon zu sprechen begann.
 

Schließlich gab ich mir einen Ruck und trat zu der kleinen Gruppe. Der Bär von dir lag immer noch in meinem Arm. Ich brachte es noch nicht übers Herz ihn in den Rucksack zu stecken und als ich schließlich bei ihnen ankam, deutete Robert sofort auf das Stofftier: „Abschiedsgeschenk von deiner Freundin? Hallo, Matt. Gut, dass wir uns gleich gefunden haben. Ich hatte schon Angst, dass wir uns verpassen.“
 

„Ähm, ja, so in der Art. Das Schild von dir konnte ich kaum übersehen. Außerdem sticht dein Blackagumon sehr aus der Masse heraus.“ Es tat weh diesen Partner zu sehen. Er erinnerte mich ebenfalls immer wieder an dich. Wie gerne hätte ich einen neuen Aufenthaltspartner verlangt, als ich wusste, was er für einen Digimonpartner hatte, aber es war lächerlich. Wir waren nur Freunde und darum sollte mich auch ein Blackagumon nicht stören.
 

„Ich weiß. Du glaubst gar nicht, wie oft man mich darauf schon ansprach. Agumon gibt es hier wie Sand am Meer, aber Blackagumon ist selten. Ich habe bisher erst drei Menschen getroffen, die es ebenfalls als Partner haben. Gabumon sieht man hier aber auch nicht so oft. Du wirst damit ebenfalls auffallen.“ Robert strich Gabumon über den Kopf und es gefiel mir nicht. Es verkrampfte sich etwas in meinem Inneren bei dem Anblick, dass er versuchte vertraut mit meinem Partner umzugehen. Ich wusste nicht einmal woher dieses Gefühl kam, doch es war da und trieb die Galle in mir hinauf.
 

„Kann durchaus sein. Aber selbst wenn es viele Gabumon geben sollte, so ist mein Partner dennoch einzigartig.“ Meine Stimme war feindseliger als ich wollte und Robert stoppte in seinem Streicheln, bevor er die Hand langsam zurückzog und dann den Mund zu einem aufgesetzten Lächeln verzog.
 

„Das sowieso. Na ja, meine Eltern warten draußen. Wir sollten gehen.“ Er wandte sich ab und schritt voraus. Ich selbst schulterte meine Tasche noch einmal, damit sie besser lag, bevor ich ihm folgte. Gabumon trottete neben mir her und sah mich besorgt an. „Das hätte nicht sein müssen. Robert scheint in Ordnung zu sein. Du solltest versuchen dich mit ihm anzufreunden.“
 

Ich drückte den Bären in meinem Arm fester an meine Brust und schnaubte dann, bevor ich als Antwort nur zischte: „Das liegt nicht in meiner Hand.“ „Doch tut es. Es liegt in eueren beiden Händen. Wir sollten versuchen hier Freundschaften zu knüpfen. Vielleicht helfen sie uns später einmal.“
 

„Mal sehen. Das Jahr ist lang. Es kann viel passieren.“ Mehr sagte ich nicht mehr, sondern versuchte Robert in dem Getümmel nicht zu verlieren, um dann kaum dass wir das Gebäude verlassen hatten ins Auto zu steigen. Nun war ich hier und mein neues Leben konnte beginnen. Wie es dir wohl ging? Was du gerade tatest? Dachtest du auch an mich?

Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Es war Zeit nach vorne zu sehen und irgendwann würde ich dort auch dich wiedersehen. Irgendwann…
 

~*~
 

Mein zukünftiges Zuhause befand sich in einem Wohnblock. Um genau zu sein im vierten Stock. Das war nichts Besonderes für mich. Schließlich wohnte ich schon in Japan so hoch, darum machte es mir auch nichts aus die Treppen empor zu steigen. Es gab auch einen Aufzug, doch ich sah es als Möglichkeit sich ein wenig mehr zu bewegen und somit fit zu bleiben.
 

Robert lief vor mir her und sprach kein Wort. Es war ein seltsames Gefühl und ich spürte auch den besorgten Blick von Gabumon auf mir, doch ich drückte nur den Teddy stärker an meine Brust. Wie gerne würde ich dir jetzt sagen, dass ich gut angekommen war, doch es ging nicht.
 

Ich musste mich erst einmal zu Recht finden. Mehr als eine normale E-Mail würde nicht drin sein. Deine Stimme und die meiner Familie würde ich eine geraume Weile erst einmal nicht hören. Roberts Eltern waren mit dem Aufzug gefahren und ich spürte deutlich, dass es ihm auch lieber gewesen wäre.
 

Noch einmal schulterte ich meine Tasche, weil sie dabei war runter zu rutschen, bevor ich einfach weiter schweigend hinter ihm herlief. Auch wenn man euch von hinten durchaus verwechseln konnte, so war es für mich unmöglich. Seine Art sich zu bewegen war schon ganz anders als deine. Dein Auftreten war sicherer und selbstbewusster. Er dagegen wirkte, wie ein Hase, der durch eine viel zu große Welt rennen musste und sich nur nach dem nächsten Loch sehnte.
 

„Warum hast du dich bereit dazu erklärt einen Fremden bei dir aufzunehmen?“ Ich versuchte ein Gespräch zu beginnen und vielleicht die Wogen wieder zu glätten. Schließlich wollte ich mich nicht das ganze Jahr anschweigen. Schon bei der Begrüßung am Flughafen habe ich auf Englisch gewechselt, weil ich wusste, dass Roberts Japanisch noch in den Kinderschuhen steckte.
 

„Nun ja, ich wollte Leute aus anderen Ländern kennen lernen und außerdem habe ich das schon viel früher gemacht. Es war eine schöne Erfahrung an so Austauschprojekten teilzunehmen. Mittlerweile bin ich auf dem College und na ja, vielleicht werde ich auch irgendwann ein Jahr in Japan sein. Ich wünsche mir, dass man mich dort herzlich empfängt und ich bei einer Gastfamilie unterkommen kann. Darum mache ich an solchen Projekten mit. Damit sie nicht aussterben, weil so etwas ist wirklich eine tolle Sache. Findest du nicht auch?“
 

Ich musste kurz überlegen. Klar, war ich froh, dass ich so zu einer relativ günstigen Unterkunft kam, aber mir kam bis heute nicht in den Sinn, dass ich auch Robert irgendwann bei mir aufnehmen würde. Das Lächeln in seinem Gesicht zeigte mir aber deutlich, dass dies wohl sehr wohl einmal passieren würde.
 

„Ich weiß noch nicht, wo ich meine Zukunft verbringen werde. Erst einmal den Abschluss schaffen und dann weitersehen. Sollte ich in Japan sein, bist du bei mir natürlich herzlich willkommen“, meinte ich dann ruhig und schon blieb er vor einer Tür stehen, die er im nächsten Moment aufsperrte.
 

„So, willkommen in deinem neuen Zuhause. Schuhe bitte hier ausziehen. Das Bad findest du dahinten. Esszimmer und Küche sind dort. Wir versuchen so oft es geht gemeinsam zu essen. Wohnzimmer findest du gleich hier und da hinten ist das Schlafzimmer meiner Eltern. Unser Zimmer ist die letzte Tür, die übrig bleibt. Ich habe ein Stockbett, somit bleibt dir das Schlafen auf dem Boden erspart.“
 

Er lächelte mich an, als er mir Stück für Stück die Wohnung zeigte. Sie war anders eingerichtet als bei uns. Das war mir von Anfang an klar, aber irgendwie fühlte ich mich, wie in einem anderen Film. Es war so viel Platz. Als wir in dem letzten Zimmer ankamen, stellte ich meine Tasche ab und sah mich kurz um. Ein Computer stand auf einem Schreibtisch, genauso wie eine kleine Couch und ein Fernseher mit Konsolen zu finden war. Dann noch das Stockbett, ein paar Regale an der Wand und ein Kleiderschrank.
 

„Wir sollten hier Platz haben.“ Ich wollte nicht offen zugeben, dass ich von den Räumlichkeiten überwältigt war. In Japan waren alle Wohnungen kleiner. Mein eigenes Zimmer war gerade einmal halb so groß, wie seines jetzt. Bestimmt würden wir es hier aushalten können. Da war ich mir sicher. Ich bemerkte auch, dass Gabumon an meiner Seite nicht mehr aus dem Staunen herauskam, was das Blackagumon durchaus belustigte.
 

„Das freut mich. Ich hatte schon Besucher, die hier Platzangst bekamen. Das war nicht sehr angenehm, wenn ich ehrlich bin.“ Er seufzte und öffnete dann eine Seite des Kleiderschrankes, die leer war. „Hier kannst du deine Kleidung verstauen, wenn du möchtest. Schließlich wirst du doch für ein Jahr bleiben und da solltest du nicht dauernd aus deiner Tasche leben. Fühl dich wie Zuhause, ja Matt?“
 

Ich musste lächeln. Es war faszinierend, dass er mir meine rüde Antwort am Flughafen nicht allzu übel nahm und immer noch freundlich mit mir umging, doch als er plötzlich auf den Bären in meiner Hand deutete, verschloss sich wieder meine Miene. „Den solltest du aber auch irgendwo abstellen. Das kommt ein wenig blöd, wenn du mit dem weiter durch die Gegend rennst. Wir sind keine kleinen Kinder mehr. Leg ihn doch einfach in dein Bett oder so, okay? Von mir aus kannst du deiner Familie und Freundin auch eine Mail schreiben. Mein Computer steht dir gerne zur Verfügung, aber mit dem Ding auf dem Arm werde ich dir bestimmt nicht die Stadt zeigen. Sorry, Alter.“
 

Instinktiv drückte ich ihn näher an mich und er trat dann an mir vorbei aus dem Zimmer, jedoch nicht ohne mir noch einmal auf die Schulter zu klopfen. „Glaub mir. Du wirst nen beschissenen Start haben, wenn du das Vieh weiter mit dir rumschleppst.“
 

Blackagumon folgte ihm und nur Gabumon blieb bei mir, während ich selbst spürte, wie meine Hand mit dem Bären zu zittern begann. Das konnte doch nicht wahr sein. Was fiel ihm ein mir so etwas mitten ins Gesicht zu sagen?! Hatte der nicht mehr alle Tassen im Schrank?!
 

„Matt?“ Gabumon berührte leicht meine freie Hand, bevor er dann die Tür schloss und vor mich trat. „Alles in Ordnung? Du… du solltest diese Worte wahrscheinlich nicht allzu stark auf die Goldwaage legen. Er weiß doch nichts über die Sache, die diesen Bären so besonders macht, aber wahrscheinlich hat er Recht. Matt, bitte, verschließ dich nicht vor dieser Freundschaft.“
 

Ich lachte hart auf und hob den Bären vor mein Gesicht. Es war lächerlich, dass mich dieser Bär so stark berührte. Er war nur von dir. Nur von dir. Nicht von Sora, die ich liebe, sondern von dir, meinen besten Freund mit dem ich viele schöne Stunden verbracht hatte. Ich hätte mich von dir besser verabschieden müssen. Viel besser.
 

Im nächsten Moment ließ ich ihn wieder sinken und drückte ihn Gabumon in die Hand. „Was mache ich hier eigentlich? Wieso lass ich mich wegen dem Bären so reizen? Das ist doch nicht normal. Es ist nur ein Bär. Mehr nicht.“
 

Gabumon hielt das Stofftier unschlüssig in den Händen und sah mich dann noch einmal besorgt an, bevor er es langsam an seine Brust drückte und mich musterte: „Wieso sagst du das? Er ist von Tai. Von deinem besten Freund, Matt.“
 

„Eben! Er ist nur mein bester Freund! Das Geschenk kam nicht von Sora, der Frau, die ich liebe, sondern von Tai. Ich hätte ihn schon viel früher in die Tasche packen sollen.“ Ich schnaubte und trat an den PC um ihn zu starten. Schließlich musste ich meiner Familie, Sora und vielleicht auch dir ein Lebenszeichen hinterlassen. Das war ich euch schuldig.
 

„Matt?“ Gabumon trat besorgt neben mich, doch ich ignorierte ihn. Auch als er das Stofftier neben mich auf den Schreibtisch stellte und mir bei dem Schreiben der Mails zusah, schwieg ich. Was sollte ich sagen? Wir waren doch nur Freunde. Beste Freunde zwar, aber immer noch nur Freunde. Mehr nicht…
 

~*~
 

Die Mails an meine Familie und Sora fielen mir nicht besonders schwer. Sie waren in wenigen Minuten geschrieben und ich hatte sie abgeschickt. An deiner Mail saß ich nun schon eine halbe Stunde und es stand nicht mehr vor mir auf dem Bildschirm als „Hallo Tai, ich bin gut angekommen.“ Das sollte auch reichen, doch etwas sperrte sich in mir.
 

Ich wusste nicht, ob ich jetzt das Thema ansprechen sollte, das schon vor meiner Abreise hätte geklärt werden müssen. Schriftlich waren die meisten Dinge um so vieles leichter. Man musste in kein enttäuschtes Gesicht sehen und konnte die Worte gut überdenken. Auch auf die Reaktion musste man nicht sofort etwas erwidern. Man hatte einfach Zeit sich alles gründlich zu überlegen.
 

„Matt?“ Gabumon saß mittlerweile schon auf dem Boden. Er hatte den Stoffbären wieder an sich genommen und schien ein wenig mit ihm zu spielen. Es war mir nur ganz recht, dass er nicht mehr in meinem Sichtfeld war. Seine Anwesenheit machte mich noch ganz verrückt. Ich sehnte mich danach endlich wieder frei zu sein. Frei von den Gedanken an dich und dieser Unsicherheit, die ich in mir spürte, wenn ich mit dir agierte.
 

„Was ist los, Matt?“ Mein Partner trat neben mich und sah mich besorgt an. Alles in mir schrie danach die Mail einfach zu schließen und später an dich zu schreiben, doch ich wusste, dass es dich verletzten würde. Bestimmt würde dir mein Bruder erzählen, dass er schon eine Mail bekommen hatte und du würdest dich fragen, warum ich dir nicht geschrieben habe. Es war schon schlimm genug, dass wir jetzt so weit voneinander entfernt waren, da musste ich unsere Freundschaft nicht zusätzlich belasten.
 

Ich seufzte schwer und lächelte Gabumon dann an: „Ich weiß es nicht. Was soll ich Tai schreiben? Reicht das oder erwartet er mehr? Bin ich ihm irgendeine Erklärung schuldig oder hat er mein Handeln schon verstanden? Sollte ich mich für den Bären bedanken oder so tun, als hätte ich ihn gar nicht bekommen?“
 

Mein Partner sah mich schief an und schüttelte dann amüsiert den Kopf, bevor er sanft meine Hand berührte: „Ach, Matt. Es ist Tai. Dein bester Freund. Egal, was du schreibst, er wird sich darüber freuen. Eure Freundschaft hat sogar den Hass überlebt, den Cherrymon damals in dir gesät hatte. Den Verrat, als du weggelaufen bist. Sie wird auch diese Zeit und vor allem diese Mail überstehen. Vertraue auf dein Herz, Matt. Es kennt den Weg.“
 

„Hast du zu viele Filme geschaut? Du hörst dich an, als würdest du aus irgendwelchen Hollywoodstreifen Texte zitieren. Das passt nicht zu dir, Gabumon.“ Ich sah ihn schräg an und musste dann lächeln, als er leicht rot wurde, bevor ich mich Kopf schüttelnd zurück an die Mail setzte und auch wenn die Ratschläge meines Partners nur aus billigen Filmen waren so spürte ich, dass sie mir halfen.
 

Ich wusste, was ich schreiben wollte und meine Finger fanden wie von selbst die Tasten. Eine Nachricht, die unsere Freundschaft symbolisierte und die dir bestimmt gefallen würde:
 

Hallo Tai,
 

ich bin gut in Amerika angekommen. Der Flug war lange, aber mit Gabumon an der Seite wurde es zumindest nicht langweilig. T.K. hat mir deinen Bären gegeben. Er ist wirklich süß und erinnert mich an dich. Danke dafür.
 

Es tut mir Leid, dass wir keine Gelegenheit mehr hatten über unsere Zukunft zu sprechen. Der Gedanke, dass sie irgendwann ohne dich sein könnte und ich dich nie wiedersehen würde, war nicht sehr leicht für mich. Darum wollte ich es auch nicht hören. Ich hatte gehofft, dass es so nicht dazu kam, wenn man einfach nicht darüber sprach.
 

Ja, ich weiß, das ist alles mehr als kindisch, aber nun ja, du kennst mich ja. Konflikte waren noch nie meine Stärke. Ich bin schon immer gerne davor davon gelaufen. Auch wenn ich mich so daneben benahm und nicht einmal „Auf Wiedersehen“ gesagt habe, hoffe ich, dass wir weiterhin in Kontakt bleiben. Zumindest via E-Mail. Mein Zimmergenosse Robert stellt mir seinen Computer dafür zur Verfügung.
 

Ich hoffe, dass du mir mein schräges Verhalten noch einmal verzeihen kannst und du deine Ausbildung auch schaffst. Wenn ich wieder einmal nach Japan komme, möchte ich einen stolzen Diplomaten sehen. Wir schaffen das. Unsere Träume werden Wirklichkeit und wir werden uns wiedersehen. Das verspreche ich dir.
 

Lass dich nicht unterkriegen,
 

Matt
 

Ich las den Text noch einmal durch, um mögliche Fehler zu finden, bevor ich dann zufrieden nickte und die Mail abschickte. Vielleicht war es nicht die Erklärung, die dir schmeckte, aber sie kam der Wahrheit ziemlich nahe. Wir waren Freunde. Beste Freunde. Ja, ich weiß, ich wiederhole mich, aber ich musste es mir immer wieder selber vorsagen. Damit dies auch Realität blieb.
 

Ruhig wandte ich mich zu Gabumon um, der den Stoffbären gerade in das obere Stockbett setzte und mich dann mit großen Augen ansah. „Bist du fertig, Matt? Robert wollte uns doch die Stadt zeigen. Ich würde wirklich gerne sehen, wo wir für das kommende Jahr wohnen werden.“
 

„Ich ja auch, Gabumon. Aber nicht mehr heute. Der Flug war anstrengend. Ich würde jetzt lieber meine Gastgeber kennen lernen. Schließlich muss ich mit ihnen für ein Jahr auskommen. Die Stadt können wir uns auch noch morgen anschauen.“ Ich lächelte kurz und verließ dann das Zimmer um in mein neues Leben zu treten…
 

~*~
 

Es war ein seltsames Gefühl mit ihnen im Wohnzimmer zu sitzen. Durch meine blonde Haarfarbe fiel ich weniger auf als in Japan damals, dennoch sahen mich Robert und seine Eltern an als wäre ich ein Außerirdischer.
 

Ich saß im Sessel, während sie auf der Couch ihren Platz gefunden hatten und ihre Augen ruhten auf mir. Seit dem Begrüßungswort war Stille zwischen uns eingetreten. Es war ein seltsames Gefühl, wie sie mich und Gabumon musterten. Die Eltern von Robert waren schon ein wenig älter. Sein Vater bekam schon eine Glatze und die restlichen Haare schimmerten gräulich. Seine stechend, grünen Augen fixierten mich und schienen jede noch so kleine Bewegung von mir aufzusaugen. Man sah ihm auch an, dass er gerne den Aufzug benutzte und die Tüte Chips auf seinem Bauch – oder sollte ich lieber tragbarer Tisch sagen – erklärte auch den letzten Rest.
 

So unsportlich sein Vater wirkte, desto eleganter sah seine Mutter aus. Man merkte ihr zwar durch die vereinzelten grauen Strähnen und die leichten Falten um die Augen an, dass sie nicht mehr zu den Jüngsten gehörte, doch ihre Saphire strahlten eine unbeugsame Lebensfreude aus. Immer mal wieder strich sie sich eine ihrer schulterlangen, schwarzen Haare hinters Ohr, dabei schlich sich jedes Mal ein schüchternes Lächeln auf ihre Lippen. Ich wusste nicht, was ich von ihr halten sollte, wenn ihre Hände wieder ruhig auf ihrem Schoß zum Liegen kamen. Sie trug ein enges, rotes Oberteil, das ihre zierliche Figur zeigte und auch die weiße Hose wirkte edel. Ganz im Gegensatz zu dem Mann an ihrer Seite, der im Jogginganzug vor mir saß. Dieses Bild war grotesk und ich verstand auch nicht, was die Zwei einst mal zusammen geführt hatte. Ob es Sora und mir auch mal so ging?
 

Ich schüttelte den Kopf. Daran wollte ich wirklich nicht denken. Außerdem dachte ich nicht im Traum daran mich jemals so gehen zu lassen, wie dieser Fettsack auf der Couch. Ich spürte, wie sich Ekel in meinem Körper ausbreitete und konnte nur mit größter Mühe ein Schütteln vermeiden. Entschlossen nahm ich lieber wieder Robert ins Visier, bevor ich mich dann räusperte und versuchte die Stille zu durchbrechen: „Wie sieht es eigentlich mit Regeln aus? Irgendetwas, was ich beachten muss? Zeiten, zu denen etwas Bestimmtes erwartet wird?“
 

„Nun ja, wir essen normalerweise zumindest zu Abend gemeinsam. Das findet meist gegen sieben Uhr statt.“ Die Stimme von Roberts Mutter war sanft und angenehm zu hören. Ihr Name war Barbara, wenn ich mich richtig erinnerte, während sein Vater Klaus hieß. Lächerlicher ging es nicht mehr, aber die Eltern von Klaus schienen sehr an Deutschland zu hängen, weswegen sie ihm so einen Namen gegeben hatten.
 

„Solange du alle Sachen dort lässt, wo sie hingehören, werden wir auch kein Problem miteinander bekommen.“ Klaus’ Stimme war hart und jedes Wort von ihm wirkte, wie ein direkter Schlag ins Gesicht, während ich spürte, wie ich ein wenig in mich zusammen sank. Es war mir in diesem Moment egal, dass er mir unterstellte, dass ich klauen würde. Ich war mehr damit beschäftigt nicht unter seinen Blicken zu sterben.
 

„Das wird er bestimmt. Matt ist ein sehr ruhiger Typ und ich hatte das Gefühl von den Briefen her, dass er nicht sehr anstrengend sein wird. Er ist selbstständig und weiß, was er will. Also, braucht ihr euch keine Sorgen machen.“ Roberts Verteidigungsversuch gab mir wieder ein bisschen das Gefühl, dass ich hier ansatzweise willkommen war. Auch sein Lächeln ließ mich ein wenig aus meiner Reserve kommen, wodurch ich es kurz erwiderte.
 

„Nun ja, von meiner Seite gibt es nur eine Regel neben der Essenszeit: Wer Dreck macht, macht ihn auch selber wieder weg. So bleibt das Haus schön sauber und niemand hat zu viel Arbeit. Ist das für dich in Ordnung?“ Wie konnten so unterschiedliche Menschen nur verheiratet sein? Das war doch gar nicht mö… – Meine Gedanken stoppten, als mir bewusst wurde, dass ich gerade unsere Freundschaft in den Dreck zog. Wir waren wie Tag und Nacht, wenn man uns von außen betrachtete, aber jeder, der genauer hinsah, konnte erkennen, dass unsere Grundstruktur gleich war. Vielleicht war dies auch bei den Beiden der Fall? Das war zumindest eine Möglichkeit.
 

„Gibt es irgendetwas, was du nicht magst oder gar verträgst?“, fragte Barbara ruhig weiter und schien sich von meinem inneren Konflikt nicht beirren zu lassen. Ich musste kurz überlegen, doch dann schüttelte ich den Kopf. Im Moment fiel mir zumindest nichts ein. Bestimmt würde ich es dann schon feststellen, wenn man es mir das erste Mal vor die Nase setzte, aber in Japan gab es nichts, was mir nicht schmeckte. Zumindest hatte ich nichts gefunden.
 

„Das finde ich schön. Damit wird das Kochen zumindest einfacher. Robert, du hast dieses Mal anscheinend wirklich ein pflegeleichtes Exemplar ans Land gezogen“, lobte sie ihren Sohn, der ihr zulächelte und im nächsten Moment stand sie auf, um sich dann zu entschuldigen, weil sie zum Kochen anfangen wollte. Ich verstand es nicht, doch als ich auf die Uhr sah, erkannte ich, dass es nur noch zwei Stunden bis zum gemeinsamen Abendessen waren.
 

Die stechenden Augen von Klaus verschwanden nicht, während er sich weiter Chips in den Mund schob. Es grauste mich bei seinem Anblick noch einmal, worauf ich mich lieber auf Robert konzentrierte, der jedoch auch angespannter zu sein schien, kaum dass seine Mutter weg war.
 

„Habt ihr Jungs heute noch irgendwas vor?“ Die Stimme von Klaus durchbrach die Stille und ich schluckte kurz, bevor ich zu Robert sah, der dann mit den Schultern zuckte. „Eigentlich nicht oder willst du irgendwas unternehmen, Matt?“
 

Ich schüttelte den Kopf und zwang mich zu einem Räuspern, das mir meine Stimme zurückgeben sollte: „Nein, der Flug war sehr anstrengend. Ich würde mich heute gerne einfach nur erholen, wenn das in Ordnung ist.“
 

Robert musste auflachen und Klaus zog eine Augenbraue nach oben, während ich nicht verstand, was ich gerade falsches gesagt hatte. „Ach, Matt, klar ist das in Ordnung. Du entscheidest, wie dein Leben aussieht. Ich werde versuchen dir so oft es geht zu helfen, aber manchmal kann es sein, dass ich auch keine Zeit habe. Zwar bist du Gast hier, aber ich werde bestimmt nicht dauernd deinen Entertainer spielen. Die Tage werde ich dir die Stadt zeigen und dich mit ein paar Leuten bekannt machen, aber dann wird jeder auch mal seinen Weg alleine gehen. Also Nanny werde ich nicht für dich spielen, okay?“
 

Das klang für mich vernünftig, worauf ich ihm zunickte. Ich wollte ja auch nicht die ganze Zeit an ihm kleben. Bestimmt würde ich neue Freunde auf der Akademie finden und mit ihnen dann die Städte unsicher machen. Robert war ein netter Kerl und vielleicht würden wir auch Freunde werden, aber ich hatte schon vor meiner Anreise hierher beschlossen, dass ich mich nicht wie ein verängstigtes Küken an ihn hängen werde.
 

Gabumon saß neben mir auf dem Boden und sah immer mal wieder zu Blackagumon rüber. Ich wusste nicht, was diese Blicke bedeuteten, aber ich konnte mir durchaus vorstellen, dass ihn sein Freund Agumon durchaus auch abging und wahrscheinlich hatte auch er mit der Ähnlichkeit zu kämpfen. Warum mussten wir auch hier landen? Ich seufzte und wandte mich dann ab. Mein Blick glitt zu dem Fernseher, der zwar angestellt war, doch stumm geschaltet war. Ich kannte die Serie, die darauf lief, nicht. Sie wirkte auch auf mich, als würde ich sie nicht mögen. Ich konnte ja nicht einmal sagen, um was es darin ging, daher wandte ich mich wieder ab und sah noch einmal auf Robert.
 

Er unterhielt sich gedämpft mit seinem Vater und wenn ich mich anstrengen würde, könnte ich es wohl auch verstehen, aber das Gefühl, das dadurch in mir entstand, gefiel mir nicht. Ich fühlte mich ausgegrenzt und als würden sie über mich reden, daher stand ich auf und entschied mich in die Küche zu gehen. Vielleicht konnte ich ja Barbara helfen, doch weiter als zur Tür kam ich nicht, als ich von einem abrupten „Stopp“ aufgehalten wurde.
 

„Brauchst du irgendetwas, Matt? Hast du Durst? Essen ist gleich fertig.“ Sie wirkte gestresst und ich selbst sah sie nur irritiert an. „Ähm, nein, ich wollte sehen, ob ich dir helfen kann.“
 

„Ach, das musst du nicht. Ich komme alleine klar. Ruh dich nur ein wenig aus und unterhalte dich mit Klaus und Robert. Ich schaff das auch alleine, okay?“ Sie lächelte mich an und ich spürte erneut einen Kloß in meiner Kehle, wobei ich zittrig Luft holte und sie unsicher ansah. Ich wollte nicht zurück zu diesen Männern, vor allem nicht zu Klaus. Seine Nähe bereitete mir Unbehagen und ich wünschte mir, dass ich ihn so wenig wie nur möglich zu Gesicht bekam.
 

Wie gerne hätte ich sie darum gebeten, dass ich einfach bleiben durfte, doch ich nickte dann nur, um mich wieder abzuwenden. Diese Hilflosigkeit kam mir dann doch kindisch vor. Ich wollte nicht schon am ersten Tag als Schwächling dastehen. Schließlich hatte ich T.K. in der Digiwelt beschützt und auch sonst immer stand ich an vorderster Front. Warum überforderte mich das Leben jetzt auf einmal? Vielleicht weil ich niemanden hatte der hinter mir stand…
 

~*~
 

Das Abendessen verlief zum größten Teil schweigend. Ich kannte das Gericht nicht, aber es schmeckte sehr interessant. Das Fleisch war zart und dennoch voller Geschmack. Es war kein Hühnchen und auch kein Schwein. Also musste es wohl Rind sein. Entschloss ich für mich selbst, weil ich die Stille nicht durchbrechen wollte. Ich genoss es einfach mit Klaus an einem Ort zu sein ohne dass er mich anstarrte, als wäre ich aus einer fernen Welt entflohen.
 

Sein Essstil gefiel mir nicht. Er stopfte alles in sich hinein und wirkte schon fast wie ein Schwein, während sowohl Barbara als auch Robert gesittet aßen. Er wirkte auf mich immer mehr wie ein Schandfleck in dieser Familie. Gehörte er wirklich dazu? Ich zweifelte mit jeder Sekunde mehr daran.
 

„Schmeckt es dir, Matt?“, fragte mich plötzlich Barbara und ich sah sie überrascht an, bevor ich dann nickte und sogar kurz lächelte. „Ja, das ist sehr lecker. Danke dafür.“ Es überraschte sie, dass ich mich für das Mahl bedankte und ich konnte sehen, wie sie sogar ein wenig rot wurde. Ich verstand ihre Reaktion nicht, doch ich dachte auch nicht weiter darüber nach, sondern aß ruhig weiter.
 

Schließlich waren wir alle fertig und ich stand auf, um beim Abräumen zu helfen. Auch dies überraschte Barbara. Derweil war doch eine Regel, dass jeder seinen Mist selbst wegräumte. Was anderes tat ich in diesem Moment doch nicht, oder? Klaus schmiss sich sofort wieder auf die Couch und kurze Zeit später hörte ich den Fernseher. Desto länger ich mich mit diesem Menschen beschäftigte, umso deutlicher wurde mir, dass ich nichts mit ihm zu tun haben möchte.
 

Robert und ich gingen schließlich zurück in sein Zimmer, wo ich langsam damit begann meine Sachen auszupacken und in dem mir dargebotenen Schrank verstaute. Ich hatte fast nur Kleidung dabei. Alles andere würde ich mir irgendwann hier besorgen. Nur meine Gitarre hatte ich noch zur Beschäftigung mitgenommen. Ich wollte hin und wieder ein wenig üben, obwohl ich wusste, dass die Band ohne mich weitermachen würde und bei meiner Rückkehr wahrscheinlich kein Platz mehr für mich da sein würde. So wollte ich die Musik, die so vielen meiner Freunde gefiel nicht einfach aufgeben. Sie gab mir Ruhe und Kraft. Zwei Dinge, die ich hier nicht missen wollte.
 

„Spielst du das Teil wirklich?“, fragte mich Robert überrascht, als er anscheinend das erste Mal meine Gitarrentasche erkannte. Ich sah ihn irritiert an, weil ich nicht verstand, was die Frage sollte. Warum sollte ich es dann mitnehmen, wenn ich es nicht spielen konnte? Zum Angeben? Ja, genau. Ich hab ja sonst keine Schmerzen.
 

„Ja, ich kann auch Mundharmonika spielen. Vor ein paar Jahren war ich sogar Mitglied einer Band. Aber na ja, nach der Schule geht man dann doch meist getrennte Wege und nun ja. Es sollte halt nicht sein.“ Ich zuckte mit den Schultern und verstaute das Instrument in einer ruhigen Ecke.
 

Robert saß auf seinem Bett und sah mich ruhig an, während Blackagumon neben ihm stand. Gabumon war bei mir und es fühlte sich in diesem Moment an, als würde sich eine gewaltige Schlucht zwischen uns bilden. Ich wusste nicht, woran es lag, doch ich hatte auch nicht den Wunsch es zu verhindern.
 

„Willst du mir mal etwas vorspielen?“, fragte er dann ruhig und lächelte mich sanft an, worauf ich nur kurz nickte und das Instrument an mich nahm. Ich setzte mich auf die Couch und legte die Gitarre ruhig auf einem Bein ab, bevor ich zittrig Luft holte und zu spielen begann. Meine Finger glitten sanft über die Seiten und ich ließ mich von der Melodie leiten, so dass ich nach wenigen Atemzügen leise zu singen begann.
 

Nach wenigen Minuten ließ ich den letzten Ton leise ausklingen und den Effekt des Liedes noch nachwirken, bevor ich dann zu Robert sah und kurz lächelte: „Mit der Band klingt es natürlich besser, aber na ja, das war einer meiner Lieblingssongs damals.“
 

Ich erkannte, dass er fasziniert war und kurze Zeit später begann er wie wild zu applaudieren. In diesem Moment schien er ein anderes Bild von mir zu bekommen. Seine Haltung mir gegenüber veränderte sich und wurde offener. Genauso wie das Gefühl der Schlucht verschwand. Ich wusste zwar schon immer, dass Musik Leute verbinden konnte, aber es war das erste Mal, dass ich es mit eigenen Augen sah.
 

„Das war der Hammer, Matt! Damit kannst du jedes Mädchen hier haben und bestimmt nimmt dich auch jede Band auf!“ Seine Euphorie brachte mich in Verlegenheit und ich zuckte mit den Schultern: „Eigentlich habe ich gar nicht vor, dass ich irgendein Mädchen kennen lerne. Schließlich habe ich eine Freundin in Japan.“
 

„In Japan?“ Robert machte einen abfälligen Laut und winkte ab. „Das ist ja fast am anderen Ende der Welt. Willst du wirklich auf die Freuden der Liebe hier verzichten? Bestimmt bleibt sie dir auch nicht treu.“
 

Robert hatte schon Recht. Wir hatten sogar eine Abmachung getroffen, dass es nicht schlimm wäre, wenn wir uns neue Partner fanden, aber ich wollte hier nichts finden. Kein Leben aufbauen und Japan komplett den Rücken kehren. Dir für immer Lebewohl sagen. Irgendwann wollte ich zurückkehren und all meine Freunde wiedersehen. Sie in den Arm nehmen und das Leben wieder gemeinsam mit ihnen verbringen. Mit dir und Sora.
 

„Das wäre nicht schlimm. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir nicht aufeinander warten. Wenn wir einen besseren Partner finden, dann wäre das okay. Dennoch.“ Ich wollte mehr sagen, doch Robert unterbrach mich euphorisch: „Also! Siehste! Steht der Mädelsjagd nichts im Weg. Du kannst an jedem Finger fünf haben, wenn du willst. Ich werde dir dabei auch gerne helfen.“
 

Oh Gott! Das wollte ich ganz bestimmt nicht. Robert hatte zwar Recht, dass es nicht verkehrt wäre, wenn man zumindest jemanden fand mit dem man intim werden konnte, um sich einfach geliebt zu fühlen, aber ich wollte hier bestimmt keinen Harem aufbauen.
 

„Eine würde mir vielleicht reichen, aber ich will hier nichts Festes aufbauen. Schließlich weiß ich nicht, wo mich mein Leben noch hinbringt. Ich will nicht wieder einen Partner zurücklassen“, versuchte ich mich zu erklären und Robert schien es sogar zu verstehen, denn er lächelte mich sanft an.
 

„Okay, das finden wir bestimmt auch. Eine Partnerschaft auf Zeit. Hier gibt es so viele Mädchen, die auf Kerle wie dich stehen, Matt. Du wirst bestimmt nicht lange alleine bleiben.“ Seine Worte waren mir selbst bewusst und ich wusste nicht, ob ich mich wirklich darüber freuen konnte. Ich wollte doch nur meine Ausbildung machen und kein Herzensbrecher werden.
 

„Lassen wir uns überraschen. Es wäre auch nicht schlimm, wenn es nicht klappt.“ Ich zuckte mit den Schultern, doch Robert winkte sofort ab: „Oh nein. Damit du dann besonders lang unter der Dusche brauchst? Nein, danke. Meine Eltern sehen es nicht gerne, wenn man das Bad stundenlang blockiert. Das müssen wir verhindern. Schließlich willst du ja nicht negativ auffallen, oder?“
 

„Nicht unbedingt, aber das wird schon nicht passieren. Ich bin ja kein Teenager mehr.“ Nicht einmal da hatte ich das Problem. Gut, ich hatte dich und konnte so meine Triebe ungehemmt ausleben. Da brauchte ich keine Selbstbefriedigung mehr, aber ich war mir sicher, dass ich das Jahr hier auch ohne sexuelle Aktivität überleben würde. Schließlich war ich doch schon Erwachsen, da muss so was auch mal auf der Strecke bleiben können.
 

„Ach, komm schon. Warum bist du jetzt auf einmal so prüde? Gut, ich werde dich nicht verkuppeln, aber du wirst auch nicht auf keusch tun, okay?“ Robert versuchte eine Vereinbarung raus zuhandeln und ich glaubte, dass dies auch ganz gut zum Akzeptieren war. Schließlich hatte ich nicht vor, dass ich mir einen Keuschheitsgürtel umband, aber ich wollte jetzt auch nicht verkuppelt werden. Wenn sich etwas ergab, dann war es genauso gut, wie wenn ich das Jahr alleine blieb.
 

Daher schlug ich in seine ausgestreckte Hand ein und es war das erste Mal, dass ich mich hier wirklich willkommen fühlte. Robert konnte das wirklich gut und das Jahr könnte vielleicht trotz Klaus richtig schön werden. Ja, das konnte es wirklich…
 

~*~
 

Die Stille der Dunkelheit umschloss mich. Ich hörte die ruhige Atmung von Robert unter mir genauso wie die von Gabumon und Blackagumon. Es war ein komisches Gefühl hier zu liegen und die weiße Decke anzustarren.
 

Der Lärm vor dem Fenster war nicht sonderlich anders, als bei mir Zuhause, dennoch fühlte es sich anders an. Ich hörte den Fernseher, der leise durch die Tür drang und ich fragte mich, wann Klaus wohl endlich schlafen ging. Barbara hatte sich schon sehr früh von uns verabschiedet, aber der Kerl schien noch immer wach zu sein.
 

Plötzlich drang ein Schnarchen zu mir durch. Es kam aus dem Wohnzimmer und ich verstand: Klaus war vor dem Fernseher eingeschlafen. Er würde wohl niemals in sein Bett gehen. Diese Anwesenheit von so vielen Menschen fühlte sich seltsam an.
 

Ich erwischte mich dabei, wie ich darauf wartete, dass sich die Wohnungstür öffnete, um mir zu zeigen, dass mein Vater endlich von der Arbeit heimkam. Genauso wie ich mir deinen Duft neben mir wünschte oder die sanfte Atmung von Sora.

Ich seufzte schwer und drehte mich kurz auf die Seite, um dort die weiße Wand anzustarren. Nicht unbedingt besser, doch so konnte ich mir zumindest einbilden, dass ich nicht alleine hier lag. Auch Robert bewegte sich und nuschelte irgendwas, bevor er ruhig weiterschlief.
 

Ich fühlte mich müde und dennoch holte mich nicht der Schlaf, denn sobald ich meine Augen schloss, sah ich meine Familie, Sora und dich. Es war ein seltsames Gefühl so weit von ihnen entfernt zu sein und ich wusste auch, dass ich mich vor diesem Tag immer gefürchtet hatte, doch deine Gegenwart machte daraus eine Flucht. Eine Flucht, die ich nun bereute.
 

Ich seufzte schwer und drehte mich wieder auf den Rücken, um weiter an die Decke zu starren. Ruhig legte ich meine Hände unter meinen Kopf und versuchte mich zu entspannen. Schlafen, einfach nur schlafen. Mein Körper fühlte sich müde an, dennoch wollte ich nicht loslassen. Ich konnte nicht in die unendliche Dunkelheit eintauchen. Hatte ich zu starke Angst vor dem, was mich in meiner Traumwelt erwarten könnte? Hoffte ich, dass so der nächste Tag nicht kam? Wünschte ich mir, dass ich vielleicht doch noch aufwachte und dieser ganze Tag nur ein Traum war und ich die erneute Chance bekam mit dir zu besprechen, anstatt dich so verletzt zurück zu lassen?
 

Plötzlich kletterte jemand die Leiter hoch und ich konnte die Umrisse von Gabumons Kopf erkennen. Er sah in meine Richtung und ich musste lächeln, bevor ich dann ein Stück zur Seite rutschte und er zu mir gekrabbelt kam.
 

„Matt? Kannst du nicht schlafen?“ Seine Stimme war leise und sie ließ mich wärmer lächeln. Ich schüttelte den Kopf und drehte mich zu ihm um. Wie oft lagen wir bei uns Zuhause im Bett zusammen und ich konnte die Wärme von ihm spüren? Er vertrieb auch jetzt wieder die Einsamkeit, die sich um mich herum aufzubauen versuchte.
 

„Nicht wirklich. Du aber anscheinend auch nicht“, neckte ich ihn ein wenig und ich sah das Lächeln auf seinen Lippen, als seine weißen Zähne kurz aufblitzten. Ich wusste, dass dieses Gebiss durchaus schmerzhaft sein konnte, dennoch hatte ich keine Angst davor. Er würde mich nur beißen, wenn er mich so retten konnte. Wie an diesen einen Tag, als mich das schwarze Meer verschlingen wollte.
 

„Nein. Sie fehlen mir. Meinst du, dass wir uns morgen mit Mimi treffen können?“ Er spielte nervös mit seinen Fingern und ich musste kurz auflachen, bevor ich ihm über den Kopf streichelte. „Das weiß ich nicht, ob das so kurzfristig klappt. Sie wohnt doch ein wenig entfernt, aber wir können morgen gerne mit ihr Kontakt aufnehmen und uns für das Wochenende verabreden. Was hältst du davon?“
 

„Klingt gut.“ Wir schwiegen und ich spürte, dass etwas zwischen uns hang und nach einigen Atemzüge durchbrach Gabumon wieder die Stille: „Sie sind ihnen so ähnlich, aber dennoch nicht gleich.“
 

„Ja“, seufzte ich und drehte mich wieder auf den Rücken, um zur Decke zu sehen, während Gabumon mich weiter ansah. Ich spürte seinen Blick auf mir und er schien auf etwas zu warten.
 

„Sie tragen kein Licht in sich. Nicht so wie Tai und Agumon. Es wirkt, als wären sie wie ihre Schatten.“ Diese Erklärung klang interessant, vor allem nachdem es ein Blackagumon war, dennoch empfand ich es übertrieben.
 

„Nein, so ist das nicht. Glaub ich. Sie haben einige gleiche Charakterzüge, aber jeder ist einzigartig und klar fehlt ihnen was. Auch wenn schon fast jeder sein Digimon hat, so sind sie anders als wir. Das merkt man einfach.“ Ich zuckte mit den Schultern und deckte dann schließlich Gabumon mit zu, bevor ich mich wieder zu ihm wandte.
 

„Wir sollten aber jetzt schlafen. Wer weiß, wohin uns die Beiden überall entführen werden. Schlaf gut, Gabumon.“ Ich legte einen Arm um ihn und hörte dann seine leise Erwiderung, die jedoch schon in der Dunkelheit des Schlafes verschwand, als ich endlich bereit war loszulassen und dem Bestreben meines Körpers nachzugeben. Bei Gabumon war ich sicher…
 

~*~
 

Die Zeit verging. Robert zeigte mir einige interessante Orte und stellte mich auch seinen Freunden vor, doch ich fand nie wirklich Anschluss zu ihnen. Es war ein seltsames Gefühl bei ihnen zu sein und irgendwie konnte ich es nicht verhindern, dass ich mir überflüssig vorkam.
 

Ab und an trafen wir uns mit Mimi. Sie wohnte leider ein wenig zu weit weg, um sich öfters zu sehen, doch wenn wir es dann einmal schafften, war es meist ein sehr gelungener Tag. Wir lachten und ich fühlte mich endlich wieder wie Zuhause. Auch Gabumon war in der Nähe von Palmon um einiges ausgelassener, als wenn er unter der Beobachtung von Blackagumon stand.
 

Mit dir, Sora und meiner Familie habe ich regelmäßig telefoniert oder geschrieben. Ich ließ euch immer wissen, was gerade bei mir passierte und wie die Ausbildung lief. In solchen Momenten war ich mir sicher, dass du mir meinen Abschied von dir nicht übel nahmst. Die Zeit konnte doch Wunden heilen lassen.
 

Immer wieder nahmen wir uns vor uns zu treffen und nach ein paar Jahren, die ich auch woanders verbracht hatte als Amerika. Konnte ich endlich wieder nach Japan zurückkehren. Meine Familie holte mich wie vereinbart vom Flughafen ab und als ich nach Hause kam, wartete dort schon Sora auf mich.
 

Es war ein seltsames Gefühl sie nach all den Jahren wieder zusehen, doch mein Herz machte einen freudigen Sprung, als wir uns umarmten und sich unsere Lippen wie von selbst fanden. Klar, hatte ich die eine oder andere Affäre gehabt, doch keiner konnte mein Herz erobern. Immer wieder musste ich an Sora denken und wenn ich nun in ihre Augen sah, war ich mir sicher, dass unsere gemeinsame Zukunft nun endlich beginnen konnte.
 

Kurz sah ich mich um und musste feststellen, dass sonst niemand hier war. Ich sah dich nicht und eine unbekannte Schwere ergriff von meinem Herzen, als ich mich zu meinem Bruder umdrehte: „Wo ist Tai? Wollte er nicht auch hier sein und mich begrüßen?“
 

„Ihm ist etwas dazwischen gekommen. Er musste für unbestimmte Zeit weg, meinte er. Ich hab jetzt nicht großartig nachgefragt.“ Er zuckte mit den Schultern und mir lief ein eiskalter Schauer über den Rücken.
 

„Aber… ich muss doch in einem Monat wieder weg. Dann geht es ins Weltall!“ Ich stoppte, als ich merkte, dass ich ungehalten wurde. Das war keine passende Reaktion und das wusste ich. Sollten wir uns wirklich nicht sehen? Was war wichtiger für dich als ich?
 

„Das weiß er. Er wollte dir auch seine neue Freundin vorstellen und er meinte, dass er es wirklich schade findet, dass ihm was dazwischen gekommen ist. Aber er ist sich sicher, dass ihr euch bestimmt noch sehen werdet. Er versucht alles, um die Sache so schnell wie möglich zu klären.“ Takerus Worte munterten mich nicht wirklich auf. Ich wusste, dass er mir Mut machen wollte und konnte mir durchaus vorstellen, dass es von dir ernst gemeint war.
 

Der Fakt, dass du nun auch eine Freundin hattest, kroch nur ganz langsam in mein Verständnis und erneut schien man mir den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Ich spürte, wie eine Zeit zu ende ging, die ich niemals verlieren wollte. One zu wissen wie ließ ich mich auf das Sofa fallen, als ich weiter vor mich hinstarrte.
 

Meine Hände begannen zu zittern und ich ballte sie zu einer Faust zusammen. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Wir wussten beide, dass es irgendwann zu Ende sein würde. Dein Lächeln erschien vor meinem geistigen Auge und erneut bildete sich ein Kloß in meinem Hals. Es war vorbei. Endgültig vorbei. Wir waren nun wieder nur Freunde und würden uns als solche aus den Augen verlieren.
 

Mein Blick glitt zu Sora, die mich besorgt ansah. Ja, ich wusste, dass es nicht möglich war, alle Freundschaften mitzunehmen, doch ich hatte gehofft, dass es wenigstens Zwei schaffen würden. Sag es mir, Tai! Sind wir noch Freunde?
 

„Ihr werdet euch bestimmt wiedersehen. Du bist ja auch nicht für immer im Weltall und irgendwann habt ihr bestimmt auch wieder gemeinsam Zeit. Eure Freundschaft lässt sich davon bestimmt nicht kaputt machen, Matt. Irgendwann werdet ihr euch wiedersehen. Das verspreche ich dir.“ Ihr Lächeln war sanft und ich konnte es nur traurig erwidern. Ja, irgendwann. Irgendwann war ein anderes Wort für nie.
 

Ich hoffte, dass wir uns wieder sahen. Vielleicht nicht morgen oder gar in drei Wochen. Aber irgendwann bestimmt. Ich wollte diese Freundschaft nicht aufgeben. Diese Freiheit, die wir einander gaben und doch ist es vorbei. Wir würden uns sehen. Einander anlächeln. Vielleicht auch umarmen, aber es wird keinen Kuss mehr geben. Keine Berührungen unter der Kleidung. Nie wieder werden wir wieder miteinander schlafen.
 

Wenn ich ehrlich zu mir war, dann wusste ich das schon, als wir unser letztes Mal hatten. Es fühlte sich an, als würde es zu etwas werden, dass ab da nie wieder passieren würde. Als wäre es etwas Besonderes, das in diesem Moment ausstarb. Wir waren wieder Freunde und hatten die Liebe in einer anderen Person gefunden.
 

Meine Hand umschloss sanft die von Sora und ich lächelte sie an. Ja, sie war mein Leben und sie war hier. Das war das Einzige, was zählte. Wir würden uns sehen. Irgendwann oder eben nie, aber ich werde niemals die Zeit vergessen, als wir einander endlose Freiheit schenkten…
 

Ende



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