I'll Be Your Moon When The Last Sun Is Setting von fRnksMnstR ================================================================================ Kapitel 1: Don't You Know Who I Think I Am?! -------------------------------------------- „Gott!! Das kann doch nicht angehen, man, FAHR ZU!!“ Energisch drücke ich auf die Hupe, einmal kurz, dann nochmal etwas länger. Sieht der Kerl denn nicht, dass die Ampel grün ist?? Und das schon seit mittlerweile mindestens sieben Sekunden... Grade will ich zu einem erneuten Hup-Manöver ansetzen, da scheint der Fahrer des hässlichen, alten Golfs vor mir endlich das Gaspedal gefunden zu haben und fährt an, aber nicht ohne mir über den Rückspiegel seinen verdammten Mittelfinger zu präsentieren. Pff... der ist doch nur neidisch, dass er nicht so ein schönes Auto hat wie ich. Leicht angesäuert setze auch ich meinen Weg zur Schule fort, wobei ich immer wieder zwischendurch versuche, meine Haare zu ordnen, da das vorhin etwas zu kurz kam. Ich hatte nämlich total verpennt und musste dann innerhalb einer halben Stunde Duschen und mit dem Hund gehen. Frühstücken tat ich eigentlich nie, keine Ahnung warum. Ist halt so'ne Angewohnheit. Als dann jetzt noch die ersten Töne irgendeines Lady Gaga Songs aus dem Radio dröhnen, glaube ich wirklich, dass mich mein Leben so richtig verarschen will. Mit einer unkontrollierten Geste drücke ich auf den Knöpfen der Musikanlage herum und versuche verzweifelt, die CD einzuschalten, was mir schließlich auch gelingt und die lieblichen Klänge von Black Flag mir wenigstens wieder ein klein bisschen Entspannung verschaffen. Mhmm viel besser. Keine zehn Minuten später fahre ich auch schon auf den Schülerparkplatz der wunderschönen Belleville High School – oder wie ich es nenne: Ort, an dem ich die besten und wertvollsten Jahre meines jungen Lebens an alte, überforderte Säcke verschwende, die sich kompetente Lehrkräfte schimpfen. Ich stelle den Motor ab, steige aus und blicke mich erst einmal suchend um, während ich in den Tiefen meiner Lederjacke nach einer Packung Zigaretten krame und tatsächlich eine halbvolle Schachtel hervorzaubern kann. Wie auf Kommando tauchen auf einmal die drei erwarteten Gesichter neben mir auf. Naja, also zumindest eines davon ist erwartet, die anderen kommen mir nicht wirklich bekannt vor, aber das spielt auch keine große Rolle. „Hey, Frankie“, wird es mir direkt synchron entgegen gezwitschert. „Ihr seid ziemlich spät dran! Und für dich, Mark, immernoch 'Frank', ohne '-ie', verstanden?“ „J-ja, klar, sorry, ich dachte nur, dass...“ „Ja, da haben wir das Problem. Du 'dachtest'. Lass es einfach gut sein, ja?“ Warum sind die alle so schwer von Begriff?? Ich hab es ihnen doch schon zigmal erklärt, wie das alles abläuft. Mir hinterher laufen – ja. Mir Komplimente machen – ja. Alles machen, was ich will – ja. Mir widersprechen oder sonst irgendwie auf die Nerven gehen – nein! Das ist doch wirklich nicht schwer zu verstehen oder? Anscheinend schon... Aber ich kann nichts machen, diese Woche muss ich noch schaffen, dann bin ich die auch wieder los, zumindest Mark... wenn das überhaupt sein richtiger Name ist. Jener nickt jetzt einfach nur bestätigend, anscheinend hat er die Zigarette in meiner Hand nicht gesehen oder den offensichtlichen Wink mit dem Zaunpfahl nicht verstanden. Denkt er etwa, die zündet sich von alleine an oder wie? Dann eben auf die nette Art.. „Tut mir Leid, Schatz. Ich hab heute verpennt und bin total fertig, aber ich wollte meine Laune nicht an dir auslassen, okay? Du verzeihst mir doch, oder? Babe?“ Sofort hellt sich seine Miene auf und er nickt hastig. Es ist ehrlich immer dasselbe... Ein wenig Honig-um's-Mäulchen-schmieren hier, ein paar geheuchelte Komplimente dort und schon liegen sie mir wieder zu Füßen. „Ach was, das ist doch gar kein Problem.“ Dieser schmachtende Blick... oh man. „Will ich auch hoffen. Wärst du denn jetzt so freundlich?“, frage ich mit der selben, übertrieben freundlichen Stimme und recke ihm meine Kippe ein Stückchen entgegen, worauf er sofort große Augen bekommt und beschämt anfängt, nach seinem Feuerzeug zu suchen. Natürlich hätte ich sie mir auch selber anzünden können, doch wozu, wenn man auch jemanden hat, der das für eine macht? Ein leises Husten neben mir lenkt meine Aufmerksamkeit auf die anderen beiden. Kenn ich die? Nicht, dass ich wüsste.. „Ey, ihr zwei, was wollt ihr, huh?“ Hach ja, ich bin so nett heute~ „Ähm.. ich.. wir.. Also eigentlich wollten wir fragen ob wir nicht mal zusammen.. rumhängen wollen?“ Skeptisch lasse ich eine meiner von Natur aus perfekt geformten Augenbrauen in die Höhe wandern, ziehe an meiner mittlerweile angefachten Zigarette und mustere die beiden einmal von eben bis unten. Hmm. Also gut aussehen tun sie jedenfalls schon mal nicht. „So..? Und warum sollte ich eurer Meinung nach darauf eingehen?“ - Eine Antwort warte ich gar nicht erst ab; es gibt sowieso keine, die ich als richtig angesehen hätte - „Ganz ehrlich, verpisst euch und versucht's in ein paar Monaten nochmal, denn wie ihr seht, bin ich momentan bestens versorgt“, zische ich und ziehe Mark an mich, welcher total aus dem Häuschen ist, weil ich meinen Arm um ihn gelegt habe. Als ob ich nicht wüsste, dass das alles genauso gespielt und erlogen ist, wie mein eigenes Interesse an ihm... Aber er kann sich glücklich schätzen, immerhin kann er sich für die nächsten ein, zwei Wochen meinen Freund nennen und mir in der Schule hinter rennen, ohne dass ich ihn dafür fertig mache. Verbal, versteht sich. Ich halte nichts von körperlicher Gewalt und außerdem weiß ich, dass Worte, wenn sie richtig gewählt sind, noch so viel schmerzvoller als Schläge und Tritte sein können. Glücklicherweise geben sich die zwei Kerle jedenfalls mit der Ansage zufrieden und ziehen ab. Sie sind kaum ein paar Schritte entfernt, da lehne ich mich ein Stückchen zu meinem dieswöchigen Freund herüber, sodass meine Lippen leicht sein Ohr streifen. „Babe, hast du an meine Hausaufgabe gedacht?“ Ich spüre, wie er erschaudert und dann ganz schnell nickt. „Sehr gut. Gib sie mir in der Klasse, ja?“, flüstere ich noch, dann entferne ich mich wieder, lasse ihn los und deute ihm, mir zu folgen. Tja, es hat schon Vorteile, so extrem beliebt zu sein. Ich hab quasi freie Wahl, was es meine Freunde betrifft und das Angebot ist so riesig, dass ich mir ein, zugegebenermaßen sehr simples, System zur Bestimmung der Glücklichen überlegt habe. Je nachdem, was ich grade brauche, suche ich mir einfach die passenden Leute. Wenn eine Party steigt kommt es vor allem auf das Aussehen an. Wenn, wie Ende der Woche, eine Klausur geschrieben wird, suche ich mir jemanden, der idealer Weise in meinem Kurs und dann noch relativ gut darin ist. Die ganzen Nerds können mich natürlich nicht leiden, weshalb ich es auch nie auf eine Eins schaffe, aber das juckt mich nicht. Also, das Verfahren leuchtet ein, oder? Natürlich tut es das, ist ja auch von mir. Jedenfalls hab ich mich jetzt also erst einmal auf Mark eingelassen, da er relativ gut in Mathe ist und sich dazu bereit erklärt hat, meine Arbeit ebenfalls zu schreiben. Sobald das erledigt ist, hört er für mich auf zu existieren. Kommt vielleicht eeeetwas fies rüber, aber ich mach da keinen Hehl draus. Es läuft immer so ab und wenn sie mir trotzdem an den Fersen hängen, kann ich ja auch nichts dafür. Das Lustige ist dabei, dass nicht mal die Hälfte der Kerle, mit denen ich was hatte, überhaupt schwul ist, beziehungsweise war, und die mir trotzdem jeden Wunsch von den Augen abgelesen haben. Nicht, dass ich mit denen in die Kiste springen würde, wer bin ich denn?! Gegen ein bisschen Rumgemache und so hatten die jedoch bis jetzt alle nichts. In Gedanken versunken schlendere ich die Gänge des Hauptgebäudes entlang. Hier riecht es immer irgendwie nach... meinem genialen Verstand misslingt es leider kläglich, den Geruch zu identifizieren, weshalb ich es einfach mal unter Schule abstempele. Ja, es riecht nach Schule. Kennt man doch, jeder weiß was gemeint ist. Auf dem Weg zu meinem Spind ignoriere ich gekonnt all die 'Hey, Frankie' s und die teils schüchternen, teils extrem anzüglichen Blicke, die mir zugeworfen werden. Haben die nichts anderes zum angucken?! Ich kann ja verstehen, dass meine nahezu makellose Erscheinung unwahrscheinlich faszinierend ist, aber es kommt doch wohl mal irgendwann der Punkt, an dem es reicht.. oder eben auch nicht, wie sie mir grade zeigen. Jetzt gibt es allerdings nur eine Person, die mich interessiert: Der Typ da vorne mit der roten Basecap, dessen Namen ich zwar nicht kenne, dafür aber weiß ich, dass seine Mommy ihm immer ziemlich feine Sachen zu essen mitgibt. Noch ein paar Schritte und dann bin ich auch schon da und tippe ihm auf die Schulter, worauf er sich umdreht. „Oh öhm.. hi..?“ „Guten Morgen. Dürfte ich fragen, was hier so gut riecht?“, frage ich und schnuppere demonstrativ ein wenig herum, doch außer dem Schulgeruch ist eigentlich nichts zu vernehmen. Dies scheint er jedoch nicht spitz zu kriegen, da er wie erhofft seinen Rucksack abnimmt und darin nach seinem Mittagessen wühlt, welches er mir sogleich triumphierend entgegen hält. „Ohh was ist das denn schönes?“ Ich bin so ein guter Schauspieler, dass es wirklich komisch ist, dass sich Hollywood noch nicht bei mir gemeldet hat. „Mein Essen... 'N Sandwich..“ „Mhm lecker! Du gibt’s es mir doch sicherlich, oder? Ich hatte heute keine Zeit, mir selbst was zu machen.“ Im Prinzip muss ich mich nicht rechtfertigen, aber es ist immer sehr hilfreich, einfach etwas vor sich hin zu labern, um jeglichen Einwand im Keim zu ersticken. Mit einem breiten Grinsen nehme ich dem etwas perplex Dreinschauenden das Brot aus der Hand und überreiche es Mark, damit er es einsteckt. Ich will ja nicht, dass da womöglich die Remoulade ausläuft und meine schön gepflegten Schulbücher ertränkt, die auch nur deshalb so gepflegt sind, weil sie den Großteil der Zeit in meinem Spind vor sich hin vegetieren. Nur ganz selten nehme ich mal das Eine oder Andere mit, damit es so aussieht, als hätte ich mich wenigstens in irgendeiner Weise auch nur minimalistisch auf den Unterricht vorbereitet. So habe ich es auch für heute geplant und gehe ohne ein weiteres Wort weiter zu meinem Schließfach. Dort findet sich alle mögliche, von dem der geringste Teil tatsächlich Schulsachen sind. Der meiste Inhalt besteht aus Liebesbriefen, die ich mittlerweile nicht mal mehr lese, Deo, Sonnenbrillen, leeren Getränkedosen und oh – hier ist der Kajal!! Den hab ich schon überall gesucht! Nicht, dass ich zuhause nicht noch drei andere hätte, aber den hier mag ich am liebsten, wegen seiner angenehmen Konsistenz und der intensiven Farbe. Glücklich über diesen Fund stecke ich jenes Schminkutensil gleich mal in meinen Rucksack und das Biologiebuch in den von Mark, welcher natürlich nichts dagegen sagt, dass er meine Bücher schleppen darf, weil wir praktischer weise neben Mathe eben auch Bio zusammen haben. Schwungvoll knalle ich die Tür des Spindes zu und mache mich, mit meinem 'Freund' im Schlepptau, auf den Weg zu den Fachräumen. Ich hab ja sowas von gar keinen Bock mir jetzt etwas über Enzyme und Substrate und sonst was anzuhören, aber schwänzen will ich auch nicht. Selbstverständlich entgeht mir die komplett in Schwarz gekleidete Person nicht, die mir entgegenkommt, aber ich muss mir darum eigentlich keinen Kopf machen. Das ist auch so ein ungeschriebenes Gesetz, was sich hier eingebürgert hat: Man weicht mir aus. Und sollte es mal aus Versehen zu einer Kollision kommen, hat stets der andere die Schuld und nicht ich, auch wenn ich ganz offensichtlich dafür verantwortlich bin. So langsam könnte der da aber mal 'nen Schritt zur Seite gehen, nicht mehr lange und – aua!?! „Hey, man, was zum -“, setze ich an, doch der andere lässt mich nicht zu Ende schimpfen. „Kannst du nicht aufpassen, wo du hinläufst?! Echt mal.. “ Hoppla, da hat aber jemand ne große Klappe. Skeptisch, verwirrt und etwas geschockt beobachte ich ihn dabei, wie er seine Sachen vom Boden aufhebt, die ihm bei unserem Zusammenprall runter gefallen sind. Ich glaube, ich hab den hier noch nie gesehen... nein. Jemand wie er wäre mir vorher schon mal aufgefallen: Schwarze Kleidung, schwarze Haare, die etwas zerzaust aussehen, eine spitze Nase... „Wer ist der Kerl?“, wende ich mich nun wieder an Mark, der die Szene nur mit großen Augen verfolgt hat, anstatt sich für mich einzusetzen. Toller Freund... „Keine Ahnung...Hab den noch nie gesehen. Wahrscheinlich ist der neu hier.“ Er zuckt mit den Schultern. Ein Neuer, huh? Na dann kann er es ja nicht wissen. Nett wie ich bin hocke ich mich dem Unbekannten nun gegenüber, allerdings ohne ihm bei Zusammenklauben seiner vielen Zettel zu helfen. „Wie heißt du?“ „Gerard“, brummt, beziehungsweise knurrt er. „Okay, Gerard, ich bin Frank. Du bist neu hier, oder?“ Jetzt blickt er auf, seine Augen bohren sich in meine während er mir meine Frage mit einem skeptischen Nicken bejaht. Daraufhin setze ich ein ziemlich breites Grinsen auf, so eins, dass man macht, wenn man grade einen richtig fiesen Witz gemacht hat. „Gut. Dann sag ich dir jetzt mal was, Gerard: Geh mir das nächste Mal gefälligst aus dem Weg, ja? So läuft das hier und nicht anders. Du konntest es nicht wissen, daher ist es für dieses Mal entschuldigt, auch wenn es natürlich generell nicht nett ist, einfach so -“ Ohne eine Vorwarnung steht er auf und geht ein paar Schritte zurück, sieht seltsam auf mich herab. Schnell versuche ich mich auch aufzurichten. Hallo? Ich war noch garnicht fertig, Mister... Genau als ich mich beschweren will ergreift er das Wort und redet so ruhig, dass man denkt, wir betreiben hier nur ein bisschen Smalltalk. „Jetzt pass du mal auf – Frank, richtig? - Erstens bist DU in MICH reingerannt und zweitens muss ich mich hier von niemanden so anmachen lassen, von solch größenwahnsinnigen Zwergen wie dir schon erst recht nicht. Wenn du mich jetzt also entschuldigst, ich bin deinetwegen spät dran.“ Und dann geht er. Einfach so. Als ob jetzt alles in bester Ordnung wäre. Ich glaub, ich bin im falschen Film. Was fällt dem ein? Niemand redet so mit mir! Also echt mal! Und Leute wegen ihrer Körpergröße zu diskriminieren ist ja wohl mal sowieso unter aller sau! „Du legst dich mit dem Falschen an, Freundchen!!“, rufe ich ihm ziemlich gereizt hinterher. Natürlich hört er es auch, dreht sich nochmal kurz um – und wirft mir eine verdammte Kusshand zu?! So langsam reicht es mir, kennt der Junge denn überhaupt keinen Respekt?! Ich merke erst Sekunden später, dass ich geschockt und mit offenem Mund auf die Ecke starre, hinter der er soeben verschwunden ist. Wow. Das muss ich erstmal verdauen. Als mich jemand am Arm packt löse ich mich aus meiner Starre und registriere die ganzen ebenfalls irritierten Blicke, die auf mich gerichtet sind. Ok, jetzt bloß nichts anmerken lassen. Pokerface aufsetzen. „Frank, komm, wir sind spät dran.“ Es ist Mark, der mit mir spricht und mich jetzt mit sich in Richtung Biologie-Raum zieht. Ich erwidere nichts und folge ihm einfach nur. Na das kann ja noch lustig werden... Ich hoffe nur inständig, dass ich diesen Gerard so schnell nicht wiedersehen muss. Seine Art passt mir nämlich ganz und gar nicht! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)