two times she smokes, one time she doesn’t von Votani (Justified) ================================================================================ Kapitel 1: two times she smokes, one time she doesn't ----------------------------------------------------- I „Baby, was machst du mit meiner Schrotflinte?“, nuschelt Bowman vom Esstisch aus. Die Gabel ist auf halbem Weg zu seinen Lippen eingefroren, obwohl der Mund bereits voll ist. Ein freudloses Lächeln huscht über Avas von blonden Haaren umrahmtes Gesicht. „Ich werd’ dich erschießen, Blödi.“ Der Schuss ringt noch immer in Avas Ohren. Er ist ein ewiges Echo, welches nur von dem beinahe schmerzhaften Hämmern ihres Herzens verschluckt wird. Doch ihre Hände sind vollkommen ruhig, denn sie haben in den letzten Jahren so viel gezittert, dass sie es inzwischen aufgegeben haben. Gerettet hat es sie schließlich nie. Nicht vor Bowman und auch nicht vor seinem Alkohol und seinen Launen und seinen Schlägen. Vor seinem zerplatzten Traum. Dieser Gedanke verursacht einen Stich in Avas Brust. Sie kann sich noch gut an ihre Schulzeit erinnern, an den Football-Spieler, in den sie sich damals verliebt hat. Charmant und so furchtbar ehrgeizig, dass er seine Leidenschaft zum Beruf machen wollte. Er wollte Harlan verlassen, die Liga erobern und ihnen drei Ferienhäuser an der Küste kaufen. Doch das Leben ist selten fair und Menschen verändern sich. Das hat Ava am eigenen Leib zu spüren bekommen. Oft, viel zu oft. Womit Bowman jedoch nie gerechnet hat, ist dass auch Ava sich verändert. In dem Moment, in dem er mit dem Gürtel hinter ihr hergewesen ist und sie sich den Kopf am Herd aufgeschlagen hat, hat sie sich verändert. In dem Augenblick hat sie gewusst, was sie zu tun hat. Beschlossen, dass er nie wieder Hand gegen sie anlegen wird. Ava lässt die Schrotflinte sinken, die sie die gesamte Zeit im Anschlag gehalten hat. Beinahe behutsam legt sie diese auf dem gedeckten Tisch ab. Der Geruch des Essens liegt noch immer in der Luft. Roastbeef, Bowmans Lieblingsgericht, auch wenn er davon nicht mehr viel haben wird. Er liegt auf dem Boden, während der Teppich sich mit derselben Farbe vollsaugt, die auch die Spritzer an der Wand dahinter haben. „Ich werd’ dich erschießen, Blödi...“, wispert Ava abermals, mehr zu sich selbst, als zu ihrem leblosen Ehemann, der ihr lieber mit dem Tod gedroht hat anstatt sie gehen zu lassen. Anschließend lässt sie sich auf der anderen Tischseite nieder und zieht die Zigarettenpackung aus ihrer Rocktasche. Ihre blonden Haare sind aus ihrer Haarklammer gerutscht, doch die können warten. Ebenso wie Bowman und sein Blut und das Geschirr warten können. Stattdessen zündet sich Ava eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Eine Sucht, der sie sich in einer schweren Minute freiwillig hingegeben hat, um Bowman zu entkommen. Mit jedem Zug dem Tod einen Schritt näher. Rauch füllt ihre Lunge, füllt jeden Winkel ihres Mundes – und Bowman kann rein gar nichts dagegen tun. Kann sich nicht einmal mehr über den Geschmack beklagen, wenn er sie küsst, denn er wird sie nie wieder berühren. II Dunkelheit hat sich in dem kleinen Motelzimmer verschanzt, welches Raylan seit seiner Rückkehr nach Kentucky bezogen hat. Es ist nicht heimisch, doch gemütlicher als das große Haus in Harlan. Jeden Tag und jede Stunde wartet es auf Avas Rückkehr, um sie mit Leere zu begrüßen. Mit Bowman ist es nie so ruhig gewesen. Es ist eine nette Abwechselung, nur in manchen Nächten etwas einsam. Doch Ava ist auch noch nie ein Mensch gewesen, dem das Alleinsein gut steht. Avas Fingerspitzen fahren Kreise auf Raylans nacktem Oberkörper, der sich unter ihrer Hand hebt und senkt. Seine Atmung ist noch immer zu schnell, was ihr bestätigt, dass er noch nicht eingeschlafen ist. Sie dreht den Kopf, um einen Kuss auf seinem Schulterblatt zu platzieren, worauf ein wohliger Laut aus Raylans Kehle dringt. Lächelnd richtet sich Ava auf, um sich über Raylan zu beugen und die Zigarettenschachtel auf dem Nachttisch erreichen zu können. Raylan bleibt liegen, nur ein Arm folgt Ava und streichelt über ihren Rücken. „Ich glaub, irgendwo war ein Schild, dass rauchen in den Zimmern verboten ist“, wirft er mit rauer Stimme ein. In der Finsternis ist er nichts weiter als ein Schemen, eine vage Form mit einem vagen Grinsen, das sie mehr hört als sieht. „Dass ich hier in deinem Bett bin beweist, dass ich nicht viel für Regeln übrig habe“, ist alles, was Ava zurückgibt. Immerhin ist es Raylan gewesen, der ihr glorreich erklärt hat, dass Ava die einzige Zeugin in der Schießerei mit Boyd gewesen ist und ein Verhältnis mit einem Zeugen aus einer langen Liste aus Gründen für ihn verboten ist. Raylan schnaubt belustigt. „Dagegen kann ich wohl nichts mehr sagen.“ Als wäre dies das Stichwort gewesen, hebt Raylan die freie Hand und lässt das Feuerzeug aufflammen. In seinem Schein erkennt Ava Raylans Hose, die er sich in der Zwischenzeit geangelt haben muss. „Trägst du als Nichtraucher immer ein Feuerzeug mit dir herum?“ Heiterkeit schwimmt in ihren Worten mit, die sich in Raylans widerspiegelt. „Als Deputy Marshal muss man eben auf jede Kleinigkeit vorbereitet sein. Alles zum Wohle der Zivilisten.“ Raylan zuckt mit den Schultern und zündet Ava die Zigarette an, die sie längst zwischen ihre Lippen geschoben hat. Ihre Mundwinkel zucken in die Höhe, als sie daran denkt, dass sich noch nie jemand diese Mühe gemacht hat. Besonders nicht ein Mann, für den Ava schon in der Schulzeit eine Schwäche gehabt hat. III Finger tasten über das kühle Laken, finden jedoch keine Wärmequelle mehr. Es ist dieser Gedanke, der Ava langsam in das Land der Lebenden zurückbringt und sie schließlich die Augen aufschlagen lässt. Blinzelnd sieht sie sich in ihrem von Sonnenlicht gefluteten Schlafzimmer um, doch von Boyd ist keine Spur mehr zu sehen. Nur aus der Küche dringt ein Geschirrklappern, welches Ava die Augenbrauen heben lässt. Sie zieht sich bloß den Bademantel über und ergreift die Zigarettenschachtel, die aus ihrer Tasche gerutscht ist, als sie ihre Hose auf halbem Weg zum Bett verloren hat. Als Boyd sie ihr gestohlen hat. Schmunzelnd steigt Ava die Treppe hinunter, während die Geräusche anschwellen und sich das Knistern von Öl in einer Pfanne dazu gesellt. Eine Vorahnung, die ihr Herz einen Takt aussetzen lässt, steigt in ihr auf, als sie im Türrahmen zum Stehen kommt. Boyd, seine braunen Haare zerzauster als sonst, aber bereits komplett angezogen, steht vor ihrem Herd und kämpft mit einem Spiegelei. Angebrannt wie es ist, transferiert er es umständlich auf einen Teller. „Hab’ ich etwas nicht mitbekommen oder steigst du nun in das Kochbusiness ein?“, fragt sie, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Einen Blick über die Schulter werfend antwortet Boyd zunächst mit einem verwunderten Lächeln und anschließend mit einem leisen Auflachen, welches Ava einen Schauer über den Rücken jagt. „Und ich dachte, ich könnte dir dieses Meisterwerk – zumindest hatte ich es mir anfangs so vorgestellt gehabt – oben im Bett präsentieren“, erwidert Boyd. Er stellt den Teller auf dem Tisch ab, an dem Ava seinen Bruder erschossen hat, und zieht den Stuhl vor. „Darf ich bitten?“ Er macht eine einladende Geste und Avas Füße setzen sich in Bewegung, bevor sie ihnen den Befehl gegeben hat. In dem Moment, in dem sie sich hinsetzt, entzieht ihr Boyd die Zigarettenschachtel, die sie noch immer bei sich trägt. Wortlos und so schnell, dass Ava nicht einmal Zeit zum Protestieren hat. Allerdings hat sie das Gefühl, dass sie es ohnehin nicht getan hätte. Stattdessen nimmt sie die Gabel zur Hand und widmet sich dem angebrannten Frühstück. „Vielleicht solltest du das noch ein paar Mal wiederholen, bis du es richtig hinbekommst“, sagt sie mit einem neckenden Lächeln, als Boyd zum Herd zurückkehrt. Die Zigarettenschachtel landet in der Tasche seiner Jacke, als er ein weiteres Ei in der Pfanne aufschlägt. „Es sieht ganz danach aus, immerhin macht bekanntlich nur die Übung einen zum Meister.“ Doch das Essen schmeckt besser als es aussieht, denn es ist ausnahmsweise nicht selbstgemacht, sondern zum ersten Mal für sie gemacht worden. Bis vor einigen Monaten hat sie Boyd für einen Widerling gehalten. Einen kriminellen Widerling dazu. Er ist stets der Bruder gewesen, der weggeschaut hat, als Bowmans Temperament die Kontrolle an sich gerissen und er es an ihr ausgelassen hat. Doch nach all dem, was geschehen ist, sind sie nun hier in ihrer Küche und es fühlt sich wie ein Anfang und nicht wie ein Ende an. Fühlt sich nicht wie ein Grund an, um nach einer Zigarette zu greifen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)