Ein Jahr... von abgemeldet (...ist alles, was uns bleibt.) ================================================================================ Kapitel 1: Frühling ------------------- Eine sanfte Brise. Kühl, und doch sehr belebend. Zusammen mit den Sonnenstrahlen, die ab und zu schüchtern durch die Wolken blitzten, ergab sich eine nahezu perfekte Mischung, die Utakata dazu verleitete, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen und die Welt um sich herum zu vergessen. Mehrere Male atmete er tief und langsam ein und aus. Er hatte den Frühling schon immer gemocht. Die Zeit des Erwachens. Die Zeit, in der das Neue das Alte verdrängte. Die ersten Frühlingsblumen kämpften sich ihren Weg an die Oberfläche, die Tiere erwachten und machten sich emsig auf Nahrungssuche nach ihrem langen Winterschlaf und in den Menschen wuchs der Drang, ihre Felder nach dem harten Winter neu zu bestellen, sich auf den Marktplätzen zu tummeln oder einfach nur unter einem schattigen Baum das schöne Wetter zu genießen. So wie er es gerade tat. Ohne, dass er es wollte oder gar beeinflussen konnte, drifteten seine Gedanken nach und nach ab, wie eine einzelne schillernde Seifenblase, getragen vom seichten Frühlingswind und dem aufkommenden Duft von Blumen, Gräsern und Wäldern. „Utakata“ Jäh zerplatze die schöne, vollkommene Seifenblase und Utakata schlug abrupt die Augen auf. Erschrocken zuckte er zurück, als das Gesicht erblickte, welches unmittelbar über ihm schwebte. Großen, blauen Augen sahen ungeduldig auf ihn herunter. „Utakata, es ist gleich schon später Nachmittag! Du hast mir versprochen, dass du mir heute ein schwieriges Jutsu zeigst, mit dem ich endlich auch mal etwas anderes anstellen kann, als mich nur zu verteidigen!“, sprach die junge Frau, zu der das hübsche Paar Augen gehörte, anklagend. „Hotaru, verdammt noch mal!“ Unwirsch rieb sich Utakata über das Gesicht. Diese Frau trieb ihn noch in den Wahnsinn. Es gab Tage, da zweifelte er daran, dass es wirklich eine so gute Idee gewesen war, ihr zuzusichern, dass er sie unter seine Fittiche nehmen und die Geheimnisse und Techniken seiner Jutsus lehren würde. Obwohl ihr Ehrgeiz und ihr unbrechbarer Wille ihn beeindruckten, konnten diese beiden Eigenschaften manchmal auch unglaublich nervig sein. So wie jetzt gerade. „Los!“ Ungeduldig stupste sie ihn leicht mit ihrem nackten Fuß an. In ihren hellbraunen Haaren glitzerten feine Wassertropfen und ihre kurze Hose wies an einigen Stellen dunkle Flecken auf. Anscheinend hatte sie gerade trainiert. Sehr vorbildlich. Trotzdem schob Utakata ihren nackten Fuß, der ihn noch immer unablässig piesackte, entschieden zur Seite. Hotaru trug nie Schuhe, wenn sie trainierte. Sie war der Meinung, dadurch fühle sie sich mit ihrer Umgebung verbunden und könne so ihr Chakra besser kontrollieren. Unglaublicherweise gelang es ihr dadurch tatsächlich etwas besser. Allerdings glaubte er, dies sei eher auf einen psychischen als auf einen physischen Grund zurück zu führen. Trotzdem verteidigte Hotaru eisern ihre Methodik. Utakata hielt nichts davon – „Was willst du machen, wenn du überraschend angegriffen wirst? Um eine kurze Pause bitten, damit du deine Schuhe ausziehen kannst?“-, doch die junge Frau beharrte darauf, und da er stets verlor, wenn er mit ihr stritt, hatte er sich geschlagen gegeben. Sofern es ihr half, sollte es ihm Recht sein. Doch heute sollte es einmal nach seinen Regeln gehen. „Ich habe es mir anders überlegt.“ Mit einem wohligen Seufzen lehnte er sich wieder an den Baumstamm. „Heute werden wir an deiner Chakrakontrolle arbeiten.“ „Was?!“ Entrüstung machte sich auf Hotarus Gesicht breit. „Das kann nicht dein Ernst sein!“ Es bedeutete, dass sie den ganzen Tag mit meditieren und Konzentrationsübungen verbringen würden. Nicht unbedingt nach Hotarus Geschmack. „Oh doch.“, sprach der Ältere mit einem zufriedenen Grinsen. „Das sagst du doch jetzt nur, damit du dich weiter nicht bewegen musst, so wie du es den ganzen Tag schon nicht getan hast! Während ICH schon seit den frühen Morgenstunden trainiere.“ Zugegeben, das war ein netter Nebeneffekt, doch mit Sicherheit nicht der Hauptgrund. Etwas mehr Chakratraining würde Hotaru gut tun. Auch, wenn sie sich stark verbessert hatte, so wiesen ihre Jutsus dort doch immer noch die eine oder andere Lücke auf. „Na, wer ist denn auch der Schüler? Du oder ich?“ Ein Grummeln war die Antwort. Utakata nickte zufrieden. „Und genau deswegen meditieren wir. Du bist viel zu unausgeglichen. Gereizt. Unzufrieden. Das müssen wir ändern.“ Hotaru sah ein, dass sie einen verlorenen Kampf führte. Mit hängendem Kopf kapitulierte sie. Es war für sie immer noch nicht selbstverständlich, dass Utakata sie unter seine Fittiche genommen hatte und auch, wenn sie seine Art und Weise, zu unterrichten, ab und an in Frage stellte, würde sie sich ihm nie direkt verweigern. Er war ein mächtiger Shinobi, und sie war erpicht auf das, was er ihr bei bringen konnte. Auch, wenn sie dafür meditieren musste. „Jawohl, Sen…Utakata.“ Sie konnte sich gerade noch rechtzeitig auf die Zunge beißen, bevor ihr das unliebsame Wort ihres Meisters entschlüpfen konnte. Kurz verdunkelten sich Utakata’s Gesichtszüge, doch gleich darauf zeigte er wieder die gleiche unbewegte Miene. „Setz dich zu mir.“ „Fühlst du ihn?“ „Wen soll ich fühlen?“, erklang es genervt neben ihm, und Utakata unterdrückte ein Schmunzeln. „Den Beginn des Frühlings.“ Seine Antwort schien Hotaru verblüfft zu haben, denn sie erwiderte nichts – und das war für sie äußerst ungewöhnlich. Nach einer Weile ergriff sie schließlich doch das Wort: „Fühlst du ihn denn?“ Dabei klang sie so neugierig und wissbegierig wie ein kleines Kind. Ihm gefiel es, dass sie nicht daran zweifelte oder es als Blödsinn abtat, sondern sofort akzeptierte, dass er es konnte, egal, wie seltsam sich das auch anhören mochte.“ „Natürlich.“ „Wie?“, wollte seine Schülerin sofort wissen. „Indem du dich konzentrierst und eins mit deiner Umgebung wirst.“ „Und wie stelle ich das an?“ „Es gibt keine genaue Anleitung dafür. Wichtig ist, dass du in der Lage bist, dich frei zu machen.“ „Frei von was?“ Er hob wage die Schultern. „Frei von allem, was dich beschwert. Gedanken, Gefühle, Ängste…“ Ängste. Das würde nicht einfach werden. Doch trotzdem presste die junge Tsuchigumo entschlossen die Lippen zusammen und versuchte, die Ratschläge ihres Meisters zu befolgen. „Es ist hoffnungslos!“, stöhnte Hotaru frustriert nach ein paar wenigen stillen Minuten, worauf Utakata leise aufseufzte, „Ich höre rein gar nichts.“ „Wie auch, wenn du redest?“ Wie sollte man in Ruhe seinen spirituellen Horizont erweitern, wenn Hotaru andauernd die harmonische Stille störte? „Du konzentrierst dich nicht genug. Dreh dich zu mir.“ Hotaru tat, wie ihr geheißen. Kaum saßen sie sich gegenüber, streckte Utakata die Hände aus und griff nach den Ihren. „Wir probieren es zusammen. In Ordnung?“ Ein wenig scheu sah sie zu ihm hoch, dann nickte sie zaghaft. „Gut. Schließ die Augen.“ „Und dann?“, fragte Hotaru unruhig. „Na komm. Tu es einfach!“ Widerstrebend schloss Hotaru die Augen. Sie spürte den sanften Druck von Utakatas Händen. „Atme tief ein und höre auf das Zwitschern der Vögel. Konzentriere dich nur darauf. Vergiss alles andere, du wirst sehen, der Rest kommt von allein.“ Sie glaubte immer noch nicht daran, aber sie wollte nicht aufgeben, ohne es wenigstens richtig versucht zu haben. Also tat sie, was Utakata von ihr verlangte. Am Anfang blieb ihr Bemühen ohne Erfolg. Sie konzentrierte sich zwar auf die Vögel, doch sie schaffte es nicht, alles andere auszublenden. Außerdem juckte ihre Nase ganz schrecklich. „Du denkst zu viel.“, murmelte Utakata irgendwann leise. Sie wollte gerade etwas erwidern, als sie ein leichtes Kribbeln in ihren Fingerspitzen fühlte. Es war nur eine kleine Chakrawelle, doch trotzdem reichte sie aus, um in Hotarus Kopf eine stumpfte, und denn noch angenehme Leere entstehen zu lassen. Sie dachte einfach an nichts mehr und plötzlich, ohne, dass sie es genauer kontrollieren konnte, wusste sie, was Utakata mit ‚den Frühling spüren’ gemeint hatte. Sie spürte einfach alles. Es war, als sei sie mit ihrer gesamten Umgebung vernetzt, als habe sie ihren Körper verlassen und sei mit der Natur um sie herum verschmolzen. Sie fühlte die Bewegungen der Wildblumen auf den Wiesen um sie herum, die im sanften Wind hin und her schwankten und ihre Köpfe der strahlenden Sonne entgegen reckten. Sie bemerkte die Murmeltier-Familie, die tief in der Erde unter ihr erst vor kurzem aus ihrem Winterschlaf erwacht war und sich nun auf das Kommende vorbereitete. Sie konnte das plätschernde Wasser des Baches, welcher sich ungefähr eine halbe Meile von ihnen entfernt durch die Wiesen zog, förmlich auf den Lippen schmecken. Es gab nichts, was ihr entging. Doch noch bevor sie ihre Sinne noch weiter ausdehnen konnte, war sie wieder zurück in ihrem Körper. Keuchend schlug sie die Augen auf. Ihr Herz klopfte schnell in ihrer Brust, so als sei sie mehrere Kilometer gelaufen und auf ihrer Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet. Trotzdem fühlte sich die junge Frau nicht im Geringsten ausgelaugt oder ausgebrannt – ganz im Gegenteil. Selten hatte sie sich so gut gefühlt. Utakata, der ihr immer noch gegenüber saß, blickte sie abwartend an. „Das…das war unglaublich!“, brach es schließlich aus ihr hervor, nachdem sie mehrere Male keuchend Luft geholt hatte und strahlte über das ganze Gesicht. „Wie hast du das gemacht?“ Utakata schüttelte leicht den Kopf. „Das war ich nicht. Du warst es. Ich habe dir nur einen kleinen Schubs in die richtige Richtung gegeben.“ „Wirklich?“ Mit großen Augen sah sie ihn an. Das sollte wirklich sie alleine bewerkstelligt haben? „Aber ja!“ Utakata schenkte seiner Schülerin ein leichtes Lächeln. „Unterschätze dich nicht immer, Hotaru. Auch, wenn du noch viel zu lernen hast, so besitzt du doch ein gehöriges Maß an Energie und Kraft. Du musst nur lernen, diese richtig einzusetzen.“ Während er sprach, fiel Hotaru auf, dass sie sich immer noch an den Händen hielten. Ihr war es völlig entfallen, so natürlich fühlten sich seine Hände in den Ihren an. Seine Haut strahlte eine angenehme Kühle aus und obwohl sie sonst vor körperlicher Nähe stets zurück schreckte, stieg in ihr in diesem Fall ein angenehmes Kribbeln empor. Utakata, der inzwischen geendet hatte, folgte nun ihrem Blick und kaum, dass er die Situation begriffen hatte, ließ er ihre Hände abrupt los. Täuschte sie sich, oder liefen seine ansonsten blassen Wangen sogar etwas rot an? Dieser Gedanke sorgte dafür, dass sie nun ihrerseits leicht rosa anlief. Was für ein Blödsinn. Warum sollte er deswegen peinlich berührt sein? Sie war seine Schülerin, für ihn war es bestimmt nichts Außergewöhnliches, sie zu berühren. Schließlich gehörte das dazu. Und auch, wenn es dämlich war, konnte sie es dennoch nicht verhindern, dass sie diese Erkenntnis etwas traurig stimmte. Warum, war ihr selbst nicht klar. Utakata schien es für einen Moment die Sprache verschlagen zu haben. Er musterte Hotaru aufmerksam aus seinen ungewöhnlich orange-gelben Augen. Bisher war Hotaru nie aufgefallen, wie warm diese Augen wirkten. Warm wie die Frühlingssonne hoch über ihnen. Nach einigen wenigen Augenblicken machte Utakata Anstalten, etwas zu sagen, doch er unterbrach sich, noch bevor er begonnen hatte. Er schüttelte einmal leicht den Kopf, bevor er ein Stück von ihr weg rutschte. Er räusperte sich und erhob sich. „Das war wirklich sehr gut, Hotaru. In Zukunft solltest du diese Art der Chakrakontrolle selbstständig weiter üben…“ Ihre Blicke trafen sich und wieder war es Utakata, der den Kontakt zuerst unterbrach. „Wir sollten weiter ziehen. Es sieht nach Regen aus. Vielleicht erreichen wir vorher noch das nächste Dorf, sodass wir mal wieder in den Genuss eines richtigen Bettes kommen.“ Mit diesen Worten setzte er sich in Bewegung, ohne sich noch einmal zu ihr umzudrehen. Hotaru, die immer noch unter dem Baum im Gras saß, sah ihm verwirrt nach. Ihr Herz klopfte immer noch ungewöhnlich schnell, doch ob dies nun von ihrer Erfahrung mit der Natur oder dem eben Geschehenen herrührte, vermochte sie nicht zu sagen. Kurz warf sie einen Blick nach oben in den strahlend blauen Himmel. Nicht eine Wolke war am Himmel zu sehen. Trotzdem stand sie auf, schulterte ihren Rucksack und lief ihrem Meister nach, während sie in Gedanken immer noch darüber nachdachte, wie gut seine Hände in die Ihren passten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)