Picknick mit Hindernissen von irish_shamrock (für Nessi-chan) ================================================================================ Kapitel 1: Picknick mit Hindernissen ------------------------------------ Pɪᴄᴋɴɪᴄᴋ ᴍɪᴛ Hɪɴᴅᴇʀɴɪssᴇɴ Mit einem bejahenden Kopfnicken und die Hände in die Hüften stemmend, beschloss Setsuna, dass die Küche nun genug blitzte und blinkte. Der Frühjahrsputz war längst überfällig und heute Morgen hatte sie den Entschluss gefasst, das aufgeschobene Vorhaben in Angriff zu nehmen. Michiru und Haruka hatten sich klammheimlich davon geschlichen und brausten wahrscheinlich mit dem leuchtend gelben Flitzer der blonden, jungen Frau, durch die Gegend, während die kleine Hotaru im Wohnzimmer saß und ein Buch nach dem anderen verschlang. Der Wissensdurst des kleinen Mädchens schien von Tag zu Tag anzusteigen und die Themen, mit denen sie sich auseinandersetzte, verstanden selbst nur wenige Erwachsene. Ihre Intelligenz schoss so rapide in die Höhe, wie das Mädchen wuchs. Auch wenn das Kind in den Augen anderer erst als Sechsjährige durchgehen würde, so wussten die Frauen es doch um so vieles besser. Betrübt verzog die hochgewachsene Dame den Mund zu einem traurigen Lächeln. So gern wünschte sie der Kleinen, dass Hotaru ohne Chaos und Gewalt und vor allem ohne kämpfen zu müssen aufwuchs, doch dieser Wunsch würde ihr nicht erfüllt. Ein Leben, fernab von Dunkelheit und Angst. Ein Dasein in Ruhe und wohlverdientem Frieden. Eine unbeschwerte Kindheit, mit Lachen, Eiscreme und naiver, unbekümmerter Freude. Setsunas Blick glitt hoch zur Küchenuhr über dem Herd. Es war bereits kurz nach zwölf Uhr. Sie beschloss, für sich und Hotaru eine Kleinigkeit zu zaubern, ehe sie ihr den Vorschlag unterbreiten würden, welcher ihr während des Wischens des Bodens in den Kopf gekommen war. Genüsslich löffelte Hotaru den Pudding aus dem Glasschälchen und schleckte jene Reste in ihrem Mundwinkel mit der Zunge fort. „Danke“, sagte sie mit kindlicher Genügsamkeit. „Hotaru?“, hob Setsuna ihre Stimme und das Mädchen starrte ihr mit großen Augen entgegen. „Was hältst du davon, wenn wir beide in den Park gehen und ein Picknick machen?“ Kurz schien Hotaru zu überlegen, ihr Blick war vorsichtig, so, als müsse sie abwägen, ob sie ihre Bücher einfach so zu Haus lassen dürfe, ehe sie mit Begeisterung zustimmte. „Ich kann ja Morgen auch noch lesen“, entkam es ihr, ehe sie von ihrem Stuhl rutschte und zu ihrer Ziehmutter hastete, um diese in eine Umarmung zu ziehen. „Kommen Papa Haruka und Mama Michiru auch?“ „Nun“, sagte Setuna und strich dem Kind behutsam über den Kopf. „Ich weiß es nicht. Aber wir können ihnen ja eine Nachricht hinterlassen und vielleicht kommen sie dann nach?“ „Au ja!“ Noch immer im Freudentaumel klatschte Hotaru in die Hände und verließ auf flinken Füßen und mit hastigem Getrappel die Küche. „Darf ich einen Ball mitnehmen?“ Hotaru steckte in Kopf in die Tür, während Setsuna im Kühlschrank nach etwas Essbarem suchte, das ihnen als kleiner Snack dienen sollte. „Aber ja, natürlich“, antwortete sie lachend und wandte sich zu der Kaffeemaschine um, die blubbernd und brodelnd das Getränk durch den Filter schickte. „Bärks, Kaffee!“ Hotaru verzog das Gesicht zu einer angewiderten Schnute, doch die Mundwinkel der Frau zuckten nur vor Belustigung. „Bekomme ich Kakao? Bitte, Mama Setsuna.“ Diesen Wunsch konnte und wollte sie dem Mädchen nicht verweigern. Also nickte sie und die Augen Hotarus begannen erneut zu strahlen. „Geh und pack ein, was du noch mitnehmen möchtest!“, wies sie an und wieder war die kleine Dame so schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Eine Thermosflasche, belegte Brote und Hotarus heißgeliebter Kakao verweilten bereits in dem kleinen Körbchen, als das Mädchen mit einem Rucksack, der viel zu groß und zu sperrig für ihren jungen Körper schien, die letzten Stufen der Treppe herunterkam. Ächzend schleifte sie ihr Gepäck durch die Diele, bis vor Setsunas Füße. „Aber Hotaru, so viel? Wir wollten doch ein Picknick machen. Glaubst du denn, dass du das alles brauchen wirst?“, hakte Setsuna nach und legte den Kopf schief. Unschlüssig zuckte das kleine Kind mit den Schultern, öffnete die Lasche des Beutels, starrte hinein und dann zu der Frau auf. „Ja“, sagte sie knapp und zuckte mit den Schultern, „oder ist das zu viel?“ „Wenn du das alles tragen möchtest?“ Hotaru dachte über die Frage nach. Immerhin war es schon schwer genug, die ganzen Spielsachen in dem Rucksack unterzubringen, aber diesen dann auch noch aus dem Zimmer zu schleppen, die Treppen herunter und vielleicht auch noch den ganzen Weg in den Park? Hotaru schüttelte den Kopf, sortierte Federball-Spiel, Luftmatratze, Plastikeimer mit Schippchen und Förmchen, das kleine Xylophon, Rollschuhe und den alten Stoffbären aus. Übrig blieb ein Gummiball, ein Springseil und ein Kartenspiel. „Das nehme ich mit“, sagte sie entschieden, klaubte rasch die restlichen Spielsachen, die es nicht in die engere Wahl, oder eher den Rucksack, geschafften hatten auf und brachte diese zurück in ihr Zimmer. Als sie endlich wieder im Flur stand, sah sie zu Setsuna auf und nickte. „Mama Setsuna?“, fragte sie dennoch und wartete, dass die Dame ihren Blick fand. „Hast du auch wirklich einen Zettel geschrieben, damit uns Mama Michiru und Papa Haruka finden?“ „Aber ja.“ Setsuna lachte auf, griff nach dem Knauf der Haustür und trat in das Licht der frühen Nachmittagssonne. „Gehen wir nicht in den Juban-Park?“, wollte Hotaru wissen, die einige Schritte vorausgegangen war und nun stehen blieb, um sich nach Setsuna umzudrehen, die in der einen Hand den Korb mit Proviant trug, während über ihrem anderen Arm eine Decke baumelte. „Nein, mein Schatz, das ist zu weit. Wären wir mit dem Auto gefahren, hätten wir in den Juban-Park gehen können. Aber in der Nähe ist auch eine kleine, schöne Parkanlage“, erwiderte Setsuna und lächelte, als Hotaru den Mund zu einer Schnute verzog. „Es wird dir gefallen.“ Noch traute das Mädchen den Worten nicht. Erst müsse sie sich selbst davon überzeugen und dann würde sie entscheiden, ob das Urteil ihrer zweiten Ziehmutter auch zutraf. Ihr Weg führte sie über eine kleinere Straße, die nur selten befahren wurde, trotzdem ließ Setsuna mahnende Worte verklingen, als sich Hotaru der Fahrbahn näherte. Brav blickte sich das kleine Mädchen zu allen Seiten um, ehe sie mit einem Blick auf zu Setsuna sicher war, den asphaltierten Streifen überqueren zu dürfen. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Grünfläche. „Mama Setsuna, komm schnell!“, rief das Mädchen und die Dame eilte, so schnell es ihre Absatzschuhe erlaubten, dem Rufen nach. „Habe ich dir zu viel versprochen?“, fragte sie und ging in Hocke, um erst den Korb im grünen Gras abzustellen, ehe sie die Arme um den fragilen Körper ihrer Ziehtochter schlang. „Nein“, sprach Hotaru atemlos und schüttelte das Haupt. Vor ihnen erstreckte sich ein Meer aus langsam erwachender Natur. Mit langsamen Schritten streiften sie durch Gänseblümchen, Krokuse und Tulpen. Auch Schneeglöckchen und Narzissen tummelten sich in einer Pracht aus Farben und Düften. „Such uns doch einen schönen Platz, ja?!“, forderte Setsuna, für das kleine Mädchen jene Worte, die es ihm erlaubten, sich frei bewegen zu können. Schnell hatte Hotaru ein schattiges Plätzchen gefunden. Unter einem Kirschbaum, dessen roséfarbenen Blüten den Boden wie einen Teppich bedeckten. Am Fuße des Baumes stellte Setsuna den Korb nieder und breitete die bunt-karierte Decke aus, während Hotaru den Rucksack von ihren kleinen Schultern wand und diesen ebenso im Rasen ablegte. „Möchtest du dir die Blumen anschauen?“, fragte Setsuna und Hotaru nickte, lachte und lief los. „Aber lauf nicht zu weit weg! Bleib in der Nähe!“ „Ja“, erklang es, ehe das kleine Mädchen mit ausgestreckten Armen über die Wiese jagte. Setsuna ließ sich auf der Decke nieder und reckte sich den wärmenden Strahlen der Sonne entgegen. Nicht ein Lüftchen brachte die Pracht an Blumen ins Wanken. Sonnig und windstill, selten hatte sie so einen friedlichen Frühlingstag erlebt. Und während das Kind munter und fröhlich durch die bunte, duftende Vielfalt der langsam erwachenden Natur fegte, kam sie zur Ruhe. Das Summen und Brummen der ersten Bienen und Hummeln vermischten sich zu einer schmeichelnden, wohlklingenden Melodie, und langsam breitete sich Zufriedenheit in dem sonst so stürmischen Inneren der Frau aus. Mit dem fröhlichen Lachen Hotarus im Ohr, schloss Setsuna die Augen. Wie viel Zeit verstrichen war, vermochte die junge Frau nicht zu sagen, als jenes etwas, das sie an der Nase gekitzelt hatte, davon flog und sie somit aus ihrem Schlaf aufschreckte. Hastig, wenngleich noch ein wenig benommen, suchten ihre Augen die Umgebung ab und versuchten das Kind zu erspähen, oder das Lachen aus den vielen Klängen zu filtern, die an ihre Ohren drangen. „Hotaru? Hotaru!“, rief Setsuna, erhob sich, versuchte die große Wiese zu überblicken, ehe sie über das Grün hastete. „Ho- Hotaru!“ Endlich hatte sie das Mädchen erspäht. „Schau mal, Mama Setsuna, ein Hund“, lachte das Mädchen und wandte sich zu ihr um. Während Hotaru kichernd den Hund streichelte und dieser ihr die Wange leckte, eilte Setsuna auf sie zu. „Hotaru!“ Die Stimme der Frau bebte bedrohlich, ehe sie das Kind von dem treuen Gefährten fort riss und ein klatschender Laut die Luft erfüllte. Tränen sammelten sich in den Augen Hotarus, doch auch in den Augen ihrer Ziehmutter glitzerten Perlen. „Aber ... aber ... ich wollte doch nur ... der Hund“, bibberte und zitterte das Mädchen, ehe Hotaru brüllend und aufgewühlt versuchte, sich aus dem Griff Setsunas zu befreien. „Ich habe dir verboten wegzulaufen!“, knurrte die Frau erzürnt und schien aufgebracht und wütend. Der alte Herr, dem der Hund offenbar gehörte, wirkte zerknirscht und blickte betreten auf seine Schuhe. „Aber, aber, meine Dame“, setzte er an und versuchte, die angespannte Situation ein wenig milde zu stimmen, „die Kleine wollte doch nur ...“ Doch die Stimme des Herrn versiegte, als Setsuna den Fokus von ihrem Schützling auf ihn richtete. Der Hund, ein kleiner Mischling, der munter an den Schuhen des Kindes schnüffelte und ab und an mit seiner feuchten Zunge Wade und Knie streifte, winselte freudig und schien ebenso unbesonnen, wie Hotaru. „Du bist eingeschlafen“, jaulte diese auf und deutete mit dem Finger auf sie. „Und ich wollte dich nicht wecken, weil du doch heute schon das Haus geputzt hast.“ „Aber ...“, nun war es Setsuna, der die Worte fehlten. Aus Rücksicht hatte sich das Mädchen davon gemacht und war auf den Herrn mit seinem Begleiter gestoßen. Dass Hotaru ihr mit dem plötzlichen Verschwinden einen riesigen Schrecken eingejagt hatte, konnte das Mündel noch nicht verstehen. „Du bist gemein! Ich will nach Hause! Ich will zu Papa Haruka und Mama Michiru. Die hätten mich nie geschimpft!“, brüllte das Kind von Neuem und erlag abermals dem Versuch, sich von der Frau loszureißen. Doch der Griff um ihre zarten Handgelenke wollte sich nicht lockern. Immer wieder schüttelte das kleine Mädchen den Kopf, schniefte, heulte und grunzte protestierend, während sich der ausweglose Kampf in die Länge zu ziehen drohte. Bedauern hatte sich auf die Züge der Frau gelegt, während sich Hotaru zu wehren versuchte. Irgendwann waren die Kräfte erschöpft und der starre Haltung des Kindes sank in sich zusammen. „Sturkopf“, tadelte Setsuna und zog sie zu sich in die Arme. „Du solltest doch nicht weglaufen, sondern in der Nähe bleiben!“ Hotaru schwieg eisern, und selbst als die Dame von ihr abließ und ihr genügend Freiraum gab, verharrte das Mädchen stur und starr. Noch immer war der Blick des kleinen Fräuleins aus Trotz auf die Grashalme gerichtet. Setsuna fuhr mit den Fingern über ihre tränennassen Wangen, doch Hotaru schürzte die Lippen und würdigte sie nicht eines Blickes. Seufzend erhob sich Setsuna aus der hockenden Position, in der sie ausgeharrt hatte und betrachtete das Böckchen vor sich. Der alte Mann hatte längst das Weite gesucht, sodass sich das Mädchen nicht einmal mehr an dem getreuen Begleiter erfreuen konnte. „Tut mir leid“, leise, gar flüsternd entkamen die Worte ihren Lippen, als Hotaru mit dem Ärmel ihres Pullovers über Augen und Nase rieb. „Dann komm“, sagte Setsuna und streckte die Hände nach ihr aus. Betrübt, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern, ließ sich das Kind zurück zum Kirschbaum bringen, wo bereits das Picknick auf sie wartete. Ähnlich ihrem Kummer nagte Hotaru an dem Brot, ehe sie mit kleinen Schlucken den Kakao ihre Kehle herunter rinnen ließ. Dem Zwitschern der Vögel lauschend, lehnte Setsuna mit dem Rücken gegen den Stamm und betrachtete das eigensinnige Kind vor sich. „Hotaru“, ließ sie verklingen und das Mädchen hob sofort den Kopf, „wollen wir fangen spielen?“ Kurz schien diese abzuwägen, ehe sie langsam und zustimmend nickte. Allmählich nahm das Spiel fahrt auf, während Hotaru davon flitzte und Setsuna sich, nachdem sie mehr als einmal ins Straucheln geriet, dazu entschloss, das unpraktische Schuhwerk von sich zu werfen. Kreischend, kichernd und jauchzend ließ sich Hotaru fangen und frei geben, bis sie ermattet, aber mit einem Lächeln im Gesicht, gähnend zum Ausdruck brachte, das der Tag, trotz allen Trubels, nicht schöner hätte verlaufen können. Mit dem Korb an der einen, und das Mädchen an der anderen Hand, kehrte Setsuna am späten Nachmittag der leuchtenden Wiese den Rücken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)