Target von Goetheraserei ================================================================================ Kapitel 1: Target - I --------------------- ___________________________________________________________________ Die schwierigste Aufgabe, die jeder Mensch zu bewältigen hat, ist die, nie aufzugeben. - Ernst Ferstl ___________________________________________________________________ "Lasst mich verdammt nochmal schlafen!", maulte eine Stimme ungehalten durch das Krankenhaus. Geschützt durch die von weißen Gardinen verdeckten Fenster hörte er wie durch drei Zentner Watte den lieblichen Gesang der Sperlinge. Das heimliche Buhlen der Jungvögel um die Aufmerksamkeit der Älteren zu erhaschen hatte auf den Uzumaki in weiterer Folge keinerlei Auswirkungen gehabt. Von ihnen fühlte er sich nicht gestört. Die Medikamente begannen zu wirken und Naruto bäumte sich in seinem Bett auf. Um ihn herum schrien Ärzte und Schwestern wild durcheinander. Die Stimmen drangen bis zu seinen Gedanken durch, übertönten seine inneren Schmerzensschreie. Eine Geräuschquelle hatte die Gardinen rasch beiseite geschoben, öffnete das Fenster und stellte es auf Kippe. Nicht nur die frische Luft, auch die Wärme des Lichtes breitete sich allmählich im Zimmer aus. Verärgert benutzte Naruto seine Hand als Schirm gegen die grellen Sonnenstrahlen, die ihm penetrant in die Augen scheinen wollten, während einige Anwesenden sein Erwachen bemerkt zu haben schienen. Deutlich hörte er die Stimme des leitenden Arztes. "Wie geht es dir, Naruto-kun?" "Mir würde es wesentlich besser gehen, wenn nicht alle um mich herum kreischen würden wie eine Horde wild gewordener Büffel. Was ist denn passiert?", erkundigte sich der Angesprochene schlecht gelaunt. Schemenhaft sah er eine Gestalt vor sich. Wortlos hatte er ihn angesehen, als sein Gegenüber irgendwann eine Pistole auf ihn gerichtet hatte, mit einer kalten, stoischen Miene. Gefasst hatte der Uzumaki in seine Hosentasche gegriffen und eine Zigarette heraus geholt. Es interessierte ihn nicht, dass der Qualm zur allgemeinen Umweltverschmutzung beitragen würde, dass seine Lungen Schäden davon tragen würden und er in geraumer Zeit nicht mehr sein könnte. Was war schon ein Leben wert, wenn er seine Versprechen nicht einhalten konnte? Die stille See spiegelte sich in seinen Iriden wider, als sie auf ein Augenpaar trafen. Sie waren ganz klar, ein durchdringendes Rot, wie das Blut eines frisch verwundeten Menschen. Wie Narutos Blut, nachdem die abgefeuerte Pistolenkugel direkt seine Brust getroffen hatte. Den ohrenbetäubenden Knall zuvor hatte er nur noch spärlich im Sinn, vielmehr war ihm die einzelne Träne seines Gegenübers im Gedächtnis geblieben. Tränen. Er hätte nie gedacht, dass er zu so etwas fähig wäre. Narutos Hand schirmte ihn nicht mehr gegen die Sonne ab, er ließ sie nun neben sich ruhen, während sein Blick auf die Person neben dem leitenden Arzt haften blieb. "Du bist passiert", meinte Itachi knapp. Uchiha Itachi hatte hart gearbeitet, um dorthin zu gelangen, wo er heute war. Er wurde zum Polizeikommisar ernannt, weil seine analytischen und physischen Fähigkeiten sehr beachtlich waren. Früh hatte Uchiha Fugaku das Talent seines Erstgeborenen erkannt und ihn auf Privatschulen geschickt, um ihn zu fördern. Ausdauer- und Krafttraining, Turnübungen, aber auch Mathe, Geschichte, Geografie und Philosophie waren seine Tagesration. Die Pille der Intelligenz bekam er schon als Kleinkind verabreicht, doch als Jugendlicher vermehrte sich die Dosis täglich. Schweigend erfüllte er die Erwartungen seiner Familie, weil seine Eltern Polizisten waren und Kinder von Polizisten auch Polizisten werden mussten. Nie hatte er sich über seine eingeschränkte Freizeit beschwert, er kannte die wahre Bedeutung von Freizeit nicht wirklich. Wichtig war ihm dies nicht. Er wollte die Kriminalitätsrate in Tokio senken. Für seinen jüngeren Bruder. Das reichte ihm. "Hä? Was meinst du, Ita-" "Naruto!" , schnitt ihm eine Stimme forsch das Wort ab. Fluchend hatte Sakura ihrem Teamkollegen eine Kopfnuss verpasst, wehleidig hatte er versucht weiteren Attacken auszuweichen und riss dabei die Decke zu Boden. Haruno Sakura musste mit ansehen, wie Naruto beinahe das Gleichgewicht verlor und fast der Decke gefolgt wäre. Augenblick stellte sie ihre Angriffsversuche ein und stellte sich neben Itachi hin. Sie hatte die Beherrschung verloren und es war nicht gut. Lange war es her, seit sie angefangen hatte, mehr in ihm zu sehen als einen verblendeten Taugenichts voll von unwillkommenem Tatendrang. In ihren ersten Jahren der gemeinsamen schulischen Ausbildung hatte er öfters versucht ihr näher zu kommen, viele Ausreden später hatte er sie davon überzeugen können einmal mit ihm auszugehen. Das Date war ein Desaster und Naruto weiterhin Single. Er hatte ihr die böse Abfuhr nie nachgetragen, ebenso wenig wie ihre eigene Verblendung, in der sie aus Prinzip fortwährend Partei für ihn ergriffen hatte. Uzumaki Naruto hatte sich den platonischen Platz in ihrem Herzen mühsam erkämpfen müssen, wie auch die Anerkennung der gesamten Schule. Egal wie sehr sie ihn beschimpften, verlachten und böse Zungen ihn verfolgten, er war sich treu geblieben; seinen Idealen, Maßstäben, Träumen und letzten Endes bewahrte er das, was alle heute an ihm bewunderten. Seine kindische Seite. Sakura war froh, seine beste Freundin zu sein. Zu seiner Familie zu gehören. Genau aus diesem Grund wollte sie anfangen sich in seiner Gegenwart zu beherrschen. Für ihn. "Du redest hier nicht mit deinem Kumpel. Du redest mit Uchiha-san!", erklärte sie den Grund ihres plötzlichen Wutausbruchs. Sie versuchte unauffällig ihren Kopf in Itachis Richtung zu schwenken, doch fühlte sie sich urplötzlich beobachtet. Er hatte sie noch nicht einmal angesehen und dennoch konnte Sakura erahnen, dass sie ertappt wurde. Auf frischer Tat. Angeber. Selbst als über Narutos Verschwinden berichtet und in sämtlichen Polizeistationen Chaos ausgebrochen war, hatte er in perfekter Haltung Anweisungen zur Beruhigung gegeben. Nur ein Kaffee in seiner Hand hätte gefehlt, um Sakura, die er ungefragt aus ihrem Schockzustand geholt hatte, in Schreikämpfe zu treiben. Die angespannte Miene Sakuras deutete Naruto als Reaktion auf seine nicht vorhandene Entschuldigung, die er kurz darauf knapp hervor presste. Itachi nahm dies mit einem leichten Nicken zur Kenntnis, es schien ihn nicht weiter gestört zu haben. Wieso sollte er sich dann entschuldigen? Naruto betrachtete Itachi. Mit einer knappen Handbewegung machte der Uchiha dem Oberarzt verständlich, er solle den Raum verlassen. Der leitende Doktor hatte von der Patientenliste abgelassen, im Vorbeigehen vermittelte er durch eine Geste die Botschaft an seine Kollegen weiter, sodass nach kürzester Zeit nur noch drei Anwesende im Krankenzimmer standen. Ruhe kehrte ein. Naruto seufzte erschlagen. "Er war das. Nicht wahr, Ita- ich meine ... Uchiha-san?", fragte der Uzumaki leise, sodass keine fremden Ohren sie hören konnten. Der titanweiße Aufenthaltsort war zwar leer, doch stand Geheimniswahrung an oberster Stelle. Niemand durfte erfahren, dass er der Hauptverdächtige in diesem Fall war, sonst würden Blitzgewitter und Fragengedonner alltäglich für die Polizei Tokios werden. Schweigend sah der Blonde auf den Boden. Uchiha Itachi bemerkte die angespannte Haltung seines Gegenübers, kommentierte seine innere Unruhe nicht. Es war nicht nötig gewesen. "Es war eine reine Auskundschaftsmission. Scheinbar wurdest du in den Hinterhalt gelockt", antwortete Itachi ruhig. Zu ruhig. Stumm beobachtete Itachi, wie Naruto den Rat des Arztes ignorierend sich mit schmerzvollem Aufkeuchen aufrecht hingesetzt und seine Beine vom Bett baumeln lassen hatte. Sein Körper fühlte sich an, als wäre er nach hundert Jahren wieder in Gang gesetzt worden. Wie über ein neugeborenes Kind streichelte er sich über die Bandagen unter dem halbgeöffneten Krankenhaushemd, versuchte zwischenzeitlich schmerzerfülltes Aufstöhnen zu unterdrücken. Seine verletzte Brust war das Zeugnis seiner Entscheidung. Er verlor kein Wort darüber, als er vor einigen Jahren sich einer Gruppe namens 'Akatsuki' angeschlossen hatte. Naruto hatte von seiner Chefin gehört, es sei eine Verbrecherorganisation, die eine neue Ära in Japan beginnen lassen wollte und sich aus diesem Grund 'Morgendämmerung' nannte. Akatsuki sollte die Welt verändern. Ihn hatte sie bereits verändert. Der blonde Juniorpolizist rief sich die regnerische Nacht in Erinnerung. Der schrille Schrei der pechschwarzen Krähen hallte im Hof nahe der menschenleeren Lagerhalle wider. Sakura zuckte auf, bekam eine Gänsehaut. Schleichend wollte das Geräusch ihre Glieder einverleiben, bis zu ihren Knochen hervordringen, um sie allmählich zu verzerren. Stück für Stück. Der Uzumaki hingegen beachtete den ohrenbetäubenden Lärm nicht. Der wolkenverhangene, mitternachtsblaue Himmel spiegelte sich in seinen Augen wider, als er gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfte. Er spürte Sakuras bebenden Atem und ihre Tränen, die zitternd in sein blutüberströmtes Hemd versickerten. Die Haruno wünschte sich, ihr Kollege wäre wieder peinlich, laut und chaotisch. Sie wollte sein breites und infantiles Grinsen, die Entschlossenheit in seinen Augen glänzen sehen. Für Sakura war er der Fackelträger der Hoffnung, der in ihren dunklen Stunden die Flammen des Mutes in ihren kalten Körper strömen ließ, um sie zu erwärmen. Naruto war der Balsam ihrer Seele, der Lichtblick im düsteren Tunnel. Und er war für sie wie ein Bruder. Sein sonniges Gemüt ließ ihr Band entstehen. Sein lautstarkes Gelächter ließ es wachsen. Doch nun war er ganz still, legte unsicher seine kälter werdende Hand auf ihren zierlichen Rücken und versuchte sie mit ungelenkem Streicheln zu beruhigen. Sie schrie und heulte, stieß ihren ganzen schwelenden Frust, ihre brennende Wut, die sie innerlich auffraß, wenn sie dieses schwache Flackern in den normalerweise azurblauen Iriden wahrnahm, etwas, welches ihr eiskalte Schauer über die Haut jagte, ihre vom Mond angestrahlte Haut. Er lächelte müde. In seinen Augen lag ein tiefes Schattenblau, etwas, das ihr Herz schmerzvoll hämmern ließ, sie brüllte ihren Kummer hinaus, wollte diese erdrückenden Gefühle mit einigen explosiven Schlägen hinauskatapultieren und sie wollte ihn schütteln, Leben in seinen Körper hauchen. Doch wusste sie, es war nicht möglich. Naruto wurde angeschossen und er war Schuld. Er hatte sich entschieden. Gegen sie beide. Sie wollte Naruto endlich direkt sagen, dass es sinnlos war, einem Phantom hinterherzujagen. Dass die Vergangenheit eine Erinnerung war und ihrer dreier Freundschaft nur noch in Träumen existieren konnte. Nur noch sie beide waren übrig. In den Händen lag das Band, dessen anderes Ende nur in die Leere führte. Er hatte es losgelassen, sich mit aller Gewalt davon losgerissen und er würde es nie wieder mit den ihrigen losen Enden verknüpfen. Es war zu spät. Die Bedeutung hatte wortlos zwischen den dreien gestanden. Und sie beide hatten verstanden. Nur gab sich einer nicht mit dem Ergebnis zufrieden. "Ich werde ihn wieder zurückholen", hauchte Naruto ihr schwach entgegen. Langsam sank seine Hand zum blutroten Asphalt. "Und wenn es das Letzte ist, was ich tue." Vom weiten hörte Sakura schwammig Polizeisirenen und eine tiefe Männerstimme, die sich ihr näherte. Kurz darauf wurde ihr vom Regen überströmter, zittriger Körper von ihrem Kollegen weggezogen. Lautes Gedonner übertönte das leise Schluchzen, welches im Hof widerhallte. Es war nur eine Erinnerung, doch verkrampften sich Sakuras Hände am Gitter vom Bett des Patienten. Früher hatte sie ihm tagelang beigestanden, hatte er sich bei gefährlichen Missionen in Lebensgefahr gebracht. Mundgerechte Apfelstücke und frische Blumen war der Freiwilligendienst, den sie ihm gegenüber verrichtet hatte. Ihr Bemühen hatte er oft mit einem verächtlichen Schnauben kommentiert, still hatte er aus dem Fenster gesehen und so getan, als würde er ihre Taten übersehen. Es tat weh. Verdammt weh. Aber das wollte sie sich nicht eingestehen, denn es hätte alles nur unerträglicher gemacht. Sie wusste, er würde in ihr nie das sehen, was sie in ihm sah. Aber diese Gedanken verdrängte sie. Sie wollte ihm nur nahe sein. Nur eine Hand auf seine Wange legen können, seine Stirn küssen dürfen, auch wenn er sich dann immer von ihr abwandte. Sie wollte nur seine Wärme spüren. Für einige Sekunden. Doch diese Zeiten waren vorbei. Sakura sah, wie Naruto versuchte sich mühsam vom Bett hochzukämpfen, sah die schmerzverzerrte Miene, die zugekniffenen Augen und die zusammengepressten Zähne und die Hartnäckigkeit, die ihr Teamkollege an den Tag legte, als sein Körper ihn wie an eisernen Ketten gebunden wieder ins Bett zurück plumpsen ließ. Sanft legte sie ihre Hände auf seine Schultern, schaute ihm wortlos in die Augen. Die Erinnerung an ihn nahm den beiden die Luft zum Atmen, ließ beide Brustkörbe zuschnüren, ihre Rippen schmerzvoll zusammenpressen. Jadegrüne Iriden blickten auf seine ozeanblaue Augen. Verzweiflung traf auf Hoffnungslosigkeit. Sie wussten, er würde nicht wieder kommen. Nicht für die Sicherheit Tokios, nicht für seine Teamkollegen bei der Polizei und nicht für sie beide. Und sie wussten, dass sie es nicht akzeptieren würden. Nicht akzeptieren konnten. "Sasuke... " Unheilvoll zogen sich die Augenbrauen über den Augen zusammen. Zähneknirschend ballte Naruto seine Hände zu Fäusten, wollte sie am liebsten gegen die Kiefer eines gewissen Herrn krachen lassen, nur um daraufhin weitere Schläge auf seinen Körper eindonnern zu lassen. Er wollte ihn packen, ihn rütteln und schütteln, ihm sagen, er solle endlich zur Besinnung kommen, dass sein Weg ihn nur in die Finsternis führen würde. Tief atmete er ein und aus, sein dunkelblauer Blick auf Itachi gerichtet. Für Außenstehende wäre nicht sichtbar gewesen, dass Itachis Miene das Ergebnis eines jahrelangen Kampfes gewesen war. Die Porzellanmaske verdeckte all seine inneren Gefühle, die in ihm tobten wie ein gewaltiger Sturm, sodass der Uchiha sie immer wieder beherrscht unter der Oberfläche versperrt halten musste. Uchiha Sasuke war der Einzige, der stumm in Itachis Herz geblickt, seine Hand nach seinem älteren Bruder ausgestreckt hatte. Er hatte ein Lächeln auf den Lippen und war ein Kind. Ein naives Kind und dennoch hatte er den damals 15-Jährigen Polizisten einfach durchschaut. Ohne Worte. Und Itachi hatte sich nicht dagegen gewehrt. Naruto wehrte sich vehement gegen die imaginären Ketten, die ihm auferlegt worden waren. Das schmerzvolle Ziehen seines Körpers, es fühlte sich an, als würde ein Bleikorsett seinen gesamten Korpus umfassen, versuchte er durch leises Keuchen hinunter zu spülen. "Lass mich los, Sakura-chan!", befahl er, während er Sakuras Hände von seinen Schultern entfernen wollte. "Ich bin schon wieder fit. Du wirst sehen, mir wird nichts passieren." "Du Vollidiot! Glaubst du, du kannst in dieser Verfassung etwas ausrichten? Sie werden dich umbringen, wenn du dich noch einmal in die Höhle des Löwen wagst. Kurzen Prozess, hörst du?!", kam es laut von Sakura. Auch sie hatte bereits vor knapp drei Jahren versucht ihren einstigen Teamkameraden aufzuhalten, ihm ins Gewissen zu reden, um Sasuke wieder bei der Polizei Tokios zu wissen. Mit einer Pistole und einer entschlossenen Miene hatte sie gedroht ihn zu erschießen, sollte er sich für den falschen Weg entscheiden, seinen Freunden den Rücken kehren und sich der neu entstandenen Verbrecherorganisation anschließen. Sein Weg sollte nicht mit Banküberfällen, Morddrohungen und gesichtslosen Leichen gepflastert sein. Sie wollte seine Hände rein halten, frei von Blut und Boshaftigkeit. Verdorbenes Blut spiegelte sich in seinen Augen wider, verursachten das rote Schimmern. Sie sah ihn immer wieder vor sich, seinen Blick, diese verdammt dunklen, desinteressierten Augen. Schmutzige Rubine, die sie so gleichgültig musterten, als wäre sie zu unwichtig, um sie länger als nötig im Fokus seiner Aufmerksamkeit zu behalten. In seiner Nähe fühlte sich Sakura fehl am Platz, als sei sie ein Fötus gewesen, der nicht hätte keimen sollen. Stetig schenkte er ihr eine Brise Nichtachtung. Berechnete Distanz. Kälte. Die Erinnerung an seine nüchternen Worte und sein daraufhin plötzliches Verschwinden ließen ihr Herz schmerzvoll verkrampfen, sie innerlich aufschreien und ihre Wut gegen die Oberfläche ihres Verstandes donnern. Immer wieder. Immer noch. Naruto sollte nicht dasselbe Schicksal erleiden wie sie. Nicht immer an diese schmutzigen Rubine denken müssen, an seine emotionslose Miene, als hätten sich beide nie gekannt, nie verstanden, nie gemocht, nie gewollt. Entschieden drückte sie Naruto wieder aufs Bett, die Hände auf seinen Schultern ruhend. "Sie würden auch kurzen Prozess mit mir machen, wäre ich bei bester Verfassung", erklärte Naruto, als hätten sie eben übers kommende Wetter gesprochen. Ruhig musterte die stille See in seinen Iriden die junge Frau vor sich. Ihre verkrampften Hände auf seinen Schultern kommentierte er lediglich mit einem Seufzen. "Nicht, wenn wir unser gesamtes Team ins Krisengebiet schicken. Bedenke, wir sind eine breitgefächerte Organisation. Sie können uns nicht alle zerschlagen." Sakura erinnerte sich an die monatelange Suche nach der berüchtigten Organisation, die die Polizisten in viele Sackgassen geführt hatte. Nachdem ihre Kollegen und sie einer heißen Spur nachgegangen waren, die sich als Treffer entpuppt hatte, fanden sie das Versteck der Akatsukis. Die Wände waren kastanienbraun und heruntergekommen, als hätte jahrelang der Putzdienst gefehlt; der Boden sah aus, als wäre regelmäßig eine Leiche überm Boden gezogen worden und die Raumtemperatur gleichte einem Kühlschrank für Frischfleisch. Die Haruno hatte eine neue Dimension des Geruchs von faulen Eiern und verdorbenem Fleisch kennen lernen und deswegen öfter ihre Nase rümpfen müssen. Es war ekelhaft! Um den richtigen Weg zum Anführer der Kontrahenten zu finden, mussten viele Verzweigungen und Hürden auf sich genommen werden. Es war ein Labyrinth ohne Wiederkehr, denn ging einer zurück, weil die düsteren Gänge einem nicht zusagten, bekam man einen explosiven Abschied. Angstschreie und Todeskämpfe verstummten alle nach einiger Zeit. Genauso wie der Ruf der Hoffnung in Sakuras Gedanken. Nun stand sie vor Naruto, der auch dort gewesen war, um Sasuke zu finden. In ihm sah sie allerdings noch ein Funken Entschlossenheit unter all der Hoffnungslosigkeit schwimmen. Warum? "Ich möchte nicht, dass unsere Kameraden mit hinein gezogen werden, nur weil wir ihn damals nicht aufhalten konnten", erläuterte Naruto seinen Standpunkt bestimmt. Sakura biss sich auf die Unterlippe. Es war schwierig, ihren blonden Kameraden von seinen Zielen abzubringen, er hatte auch nie aufgegeben, als sie ihm fortwährend mit Körben eindeckte. Immer war er da gewesen, wenn es regnete, um ihr einen Schirm zu spendieren. Sie sah ihn immer, wenn ihre Tränen den Weg zum Boden fanden und spürte seine Umarmungen, die ihr Kraft gaben. Hatte sie nicht reden wollen, redete er nicht und wenn sie es tat, ließ er sie reden. Einfach so. Und genau aus diesem Grund sollte er nicht in die Abgründe der Verzweiflung versinken. "Ich bin derselben Meinung wie du, doch im Alleingang alles zu überwältigen ist reiner Selbstmord!", erklärte Sakura, eine klare Aufforderung mitschwingend. "Du solltest dich noch etwas ausruhen." Mit mehr Bestimmung spannte er seinen Körper an, um ihr das ungesagte Gegenteil zu beweisen. Unbemerkt schielte er zu Itachi, um seine Reaktion zu testen. Er schien in Gedanken vertieft zu sein, ihn nicht zu beachten. Uchiha Itachi hatte sich seit einigen Minuten an der Wand des Krankenzimmers gelehnt, mit einer nachdenklichen Miene und seinen Händen in den Hosentaschen. Er hatte Lust sofort umzufallen und sein Nachtlager im Krankenhaus aufzuschlagen. Drei Stunden Schlaf waren nicht gerade viel, doch mehr durfte er sich nicht erlauben. Seit Jahren war die Polizei auf der Suche nach Uchiha Sasuke und er hatte das Gefühl, dass nach jedem Scheitern die Distanz zwischen seinem Bruder und ihm sich vergrößerte. Früher hatten sie oft den Sonnenuntergang beobachtet, während sich Sasuke an seine Schulter gelehnt hatte und irgendwann dort eingeschlafen war. Heute trennten sie Städte, manchmal auch Länder voneinander und das letzte Telefonat war zwei Jahre her. Sasuke hatte der Polizei nur ankündigen wollen, dass die Veränderung Japans in greifbarer Nähe wäre. Reizend. "Langes Warten und Däumchen drehen, während gut durchdachte Pläne geschmiedet werden, wäre Mord. Ein Mord an ihn", erklärte Naruto beherrscht. Beide Hände hatte er auf seinen Knien, die sich unter ihnen langsam zu regen schienen. Ein gutes Zeichen. "So...", erklärte Sakura, während sie ihn eindringlicher anschaute. "... wirst du ihn nicht erreichen können. Vergiss es, Naruto! Auch ich möchte ihn gern wieder in unserem Team wissen, doch sollten wir erst einen Plan haben. Tsunade und die anderen würden dir dasselbe sagen", fügte sie noch hinzu. "Es ist mir egal, was die anderen sagen." Naruto nahm sanft ihre Hände von den Schultern, um sich endlich den endgültigen Ruck zu geben, um aufzustehen. "Den Plan kann sich Shikamaru einfallen lassen. Ich vertraue ihm." Mit beiden Beinen stand er auf dem Boden, beide Hände ruhten auf Sakuras Schultern. "So wie du mir vertrauen solltest. Ich werde dir Sasuke zurück holen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)