Welcome to our Nightmare von Drachenprinz (We're just humanary stew...) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es musste ein Traum sein. Die Bäume ragten wie schwarze Silhouetten hoch hinauf. Hinauf in den endlosen Himmel. Der Himmel war leer. Wie ein gigantisches Nichts erstreckte er sich über der Erde und allem, was auf ihr wuchs. Es musste ein Traum sein. Niemand war hier. Nur er allein, inmitten von gähnender Leere und Dunkelheit. Niemand konnte sehen, was er sah - die Nacht in all ihrem grausamen Glanz, die Tannen, die sich einsam im Wind bewegten, und die Schatten, die gierig ihre Klauen nach ihm ausstreckten. Es musste ein Traum sein. Einer seiner gewöhnlichen Albträume. Es war nichts Besonderes. Jede Nacht suchten sie ihn heim und riefen seinen Namen. Erst war es nur ein Flüstern, dann ein Schreien. Und jedes Mal, wenn sie nach ihm riefen, konnte er nichts anderes tun als wegzulaufen. Also lief er. Er lief so schnell er konnte, wusste nicht einmal, wohin, doch er hörte nicht auf zu laufen. Schnell. Warum war er so außer Atem? In seinen Träumen war es anders. Er konnte rennen, solange er rennen wollte, er geriet niemals außer Atem. Irgendwann holten die Kreaturen ihn trotzdem ein, aber niemals verlor er gegen sie, weil er nicht mehr rennen konnte. Erschöpft sank er ins Gras, nicht fähig, sich noch einen Zentimeter zu bewegen. Der Wind war kalt, eiskalt, und fühlte sich auf seiner Haut an wie eine Peitsche. Wenn es ein Traum war, warum fühlte sich die Kälte dann so echt an? Wenn es jedoch kein Traum war... Wie war er dann hierher gekommen? Eine Spinne krabbelte über den Boden, direkt auf ihn zu. Er wich erschrocken zur Seite, als er bemerkte, wie groß sie war, und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis sie an ihm vorbei gekrabbelt war. Ein unheimlicher Ort war es, so hoffnungslos und verlassen - wie er selbst. Jegliche Wärme schien von diesem Ort genommen worden zu sein. Der Wind brachte die Blätter in der Umgebung zum Rascheln und er blickte auf. Dort war jemand. Jemand lief geradewegs in seine Richtung, ein Mensch. Eine Frau, wie er bei genauerem Betrachten feststellte. Sie war groß, hatte langes, braunes Haar und strahlte etwas aus, das ihm wenigstens ein Fünkchen Hoffnung gab. Vielleicht konnte sie ihn von hier fort bringen... „Entschuldigen Sie“, sagte er leise. „Können Sie mir... helfen?“ Sie schien ihn zu bemerken, obwohl er so leise gesprochen hatte, schaute erst mit fragendem, dann mit schockiertem Gesicht zu ihm herunter. Ihre Augen wurden starr, aus ihrer Kehle drang ein ersticktes Keuchen und er sah die blutige Klinge, die sich genau in diesem Moment durch ihren Leib bohrte. „...Nein... Nein!“, flüsterte er und starrte fassungslos die dunkelroten Tropfen an, die von der Messerspitze liefen, bevor er sich verängstigt die Augen zu hielt. Wieder hörte er ihre Stimmen, wie sie seinen Namen riefen. Er hasste seinen Namen. Er wollte ihn nicht mehr hören. Nicht jetzt, nicht hier! „Lasst mich... Geht weg!!“ „Ganz ruhig. Es ist alles in Ordnung...!“ Eine fremde Stimme drang zu ihm vor, sanft und ruhig, fast wie die seiner Mutter. Doch es war ein Mann, der mit ihm sprach. Trotzdem wagte er es nicht, die Augen zu öffnen. „Sagen Sie ihnen, sie sollen weggehen!“, flehte er. „Wem? Hier ist niemand“, antwortete der Fremde. „Nur du und ich. Sieh mich an!“ „Was ist... mit der Frau?“, wollte er zuerst wissen. Er hatte es sich doch nicht eingebildet? „Ach, du meinst... Die Frau? Ich denke, sie zählt jetzt nicht mehr, oder?“ Ein Lachen. Warum lachte er? War er es etwa gewesen, der sie umgebracht hatte? „Sie wollte mir helfen... Wieso haben Sie das getan...?“ „Sie wollte dir nicht helfen. Sie hat dich ausgelacht. Weil du wie ein kleiner Junge auf dem Boden sitzt und flennst“, sagte er kalt. „Aber ich bin doch ein kleiner Junge!“ „Nein, Steven. Das bist du nicht und das weißt du.“ Verwirrt riss er mit einem Mal die Augen auf; das Bild des Fremden, den er nun sah - eine große und düstere, wenn auch schmale Erscheinung, dicht vor ihm im Gras kniend -, brannte sich in sein Gedächtnis ein. „Woher... Woher wissen Sie, wie ich heiße? Nein, sagen Sie nichts! Sie... Sie sind nicht echt! Das ist nur ein... Traum.“ „Steh auf, Steven“, sagte der Andere. Er tat wie geheißen und kam wankend wieder auf die Beine. „Das ist kein Traum.“ „Sie haben mir immer noch nicht gesagt, woher Sie meinen Namen wissen“, erinnerte er ihn mit einem unguten Gefühl. Der fremde Mann, der sich inzwischen selbst erhoben hatte und nun mit ihm auf Augenhöhe war, lächelte freundlich, doch was er sagte, machte ihm Angst. „Ich kenne nicht nur deinen Namen - ich weiß alles über dich. Im Übrigen: Weißt du, dass wir beide uns sehr ähnlich sind?“ Steven schaute irritiert zur Seite und sah sich die schemenhaften Bäume zum wiederholten Male an. „Ich weiß nicht, was Sie meinen...“, murmelte er leise. „Schau mal, hier unten!“ Nervös wandte er sich dem Anderen wieder zu und senkte dann seinen Blick auf das, was es zu sehen gab. Am Boden lag der leblose Körper der Frau, blutverschmiert und grauenvoll. „Ist sie nicht schön?“, hörte er den Fremden mit verträumter Stimme fragen. „Sie ist... tot“, antwortete er unsicher. „Nicht die Frau. Die Spinne!“ Tatsächlich saß auf ihrem Gesicht eine Spinne, von gleicher Gestalt wie das Tier, das ihm vor Kurzem über den Weg gelaufen war. „Die Frau ist auch ganz hübsch... Aber ich bevorzuge blonde Haare“, bemerkte er beiläufig, während er die Spinne vorsichtig auf seine Hand nahm und ihm viel zu nahe kam. Steven wich reflexartig ein paar Schritte zurück. „Nicht...! Ich mag keine Spinnen...“ „Aber sie mag dich!“ Seine Einwände ignorierend ließ er sie auf seine Schulter krabbeln. Es war ein seltsames Gefühl. Wahrscheinlich hätte er es als angenehm empfunden, hätte er nicht gewusst, dass es eine Spinne war, die da auf ihm entlang lief. Stumm betrachtete er sie und versuchte vergebens, irgendetwas Schönes an ihr zu erkennen, aber alles, was ihr Anblick ihm einbrachte, war ein kalter Schauer. „Du fürchtest dich vor ihr, weil sie so anders ist. Sie ist anders. Sie ist unheimlich. Sie ist böse. So ist es doch, oder nicht?“ Erneut streckte er seine Hand aus, um ihm die Spinne wieder abzunehmen, was Steven erleichtert zur Kenntnis nahm. Der Fremde sah ihm mit einem seltsamen Blick in die Augen. „Fürchtest du dich auch vor mir?“ „Ich... Ich weiß nicht. Ich weiß doch nicht einmal, wer Sie sind.“ „Du glaubst, es nicht zu wissen. Aber in Wirklichkeit weißt du ganz genau, wer ich bin“, sagte er mit absoluter Überzeugung. „Sie nennen mich einen Mörder. Einen verdammten Psychopathen. Dabei tue ich nur, was in meiner Natur liegt.“ Steven traute sich nicht, sich zu bewegen oder auch nur einen Laut von sich zu geben, als der Andere ihn einmal langsam umkreiste, wie ein Raubtier, das seine Beute studierte. „Die Stimmen, die du hörst... Die Monster, die dich nachts verfolgen... Willst du wissen, wer sie sind?“ Er nickte zögerlich. „Ich bin die Antwort auf alles, wonach du immer gesucht hast. Nur ich allein. Deine Albträume, deine Dämonen... Du wirst sie auf ewig los sein, wenn du dich mir anschließt.“ Er stand ihm direkt gegenüber und zog ihn ein Stückchen näher zu sich. „Ich habe lange nach dir gesucht, Steven. Wie wirst du dich entscheiden? Willst du hier bleiben und verrotten und vergeblich darauf warten, dass dich jemand hier weg bringt? Oder wirst du einsehen, dass ich der Einzige bin, der dir helfen kann?“ Von einem Moment auf den anderen konnte Steven sehen, wie das Gras, die Schatten, die Erde um ihn herum sich regte. Spinnen. Überall waren Spinnen; große, schwarze Spinnen. Sie kamen aus der Dunkelheit hervor und es schien, als würden es immer mehr werden. Hunderte. Waren sie vorher schon dort gewesen? Er schaute schnell weg, als er bemerkte, wie sie sich an der Frau zu schaffen machten, die bald nicht mehr zu sehen war. Was sollte er tun? Was sollte er jetzt tun? Er sollte sich entscheiden, aber wofür? Er überlegte nicht lang bis er zu dem Schluss kam, dass es nur eine einzige richtige Möglichkeit gab. „Ja... Ja, ich schließe mich Ihnen an! Ich tue alles, wenn Sie mir nur helfen, hier wegzukommen...!“ Der Fremde lächelte. „Das werde ich. Ich halte, was ich verspreche“, sagte er, bevor er nach seinem Arm griff - nicht grob; wohl eher, um ihn aus seiner Starre zu befreien. „Komm mit. Nicht weit von hier steht mein Van.“ Endlich konnte er diesen schrecklichen Ort hinter sich lassen. Nein, nicht bloß diesen Ort - Alles, all die Dinge, die ihn jede Nacht quälten, würden für immer verschwinden und er könnte ein normales Leben führen... wie jeder Junge in seinem Alter. Bestimmt würde alles gut werden. Nie mehr würden die Stimmen nach ihm rufen, so laut, dass sie alles andere übertönten. Nie mehr müsste er Angst haben zu schlafen. Spider öffnete die Autotüre, hielt sie ihm auf und wartete bis er eingestiegen war, um danach selbst in den Wagen zu steigen. Er schloss alle Fenster, brachte den Motor zum Laufen und wandte sich ihm mit einem Blick zu, der beinahe unheimlicher war als der riesige Haufen von Spinnen, den er vor wenigen Minuten gesehen hatte. „Du bist mir ins Netz gegangen, Steven“, sagte er so leise, dass es gerade eben zu hören war. „...Was?“ Es war still. Warm, still und dunkel. Er spürte das Laken unter sich und das weiche Kissen, auf dem er lag. Es war also doch nur ein Traum gewesen! Gemächlich drehte er sich auf die andere Seite, beschloss dann aber, sich langsam aufzusetzen. Schwaches Licht drang durch das Fenster. Irgendetwas stimmte nicht. Das hier war nicht sein Bett. Etwas bedeckte seinen Körper. Weiße Seide... „Aufwachen, Steven!“ Eine seltsam vertraute Stimme riss ihn aus seinen Gedanken, als das grelle Licht einer Lampe angeschaltet wurde. Dort stand er, dieselbe große und düstere Erscheinung, dieselben schwarzen Handschuhe, derselbe lange Mantel und dasselbe amüsierte Grinsen, mit dem er ihn begrüßte, während er mit dem Rücken an seinem Esstisch lehnte. „Es ist Zeit fürs Frühstück!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)