Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 5: Leben und leben lassen --------------------------------- Kapitel 5: Leben und leben lassen „Und, wie ist es gelaufen?“ Matsuri hatte ihren Erzähl-mir-jedes-Detail-oder-ich-bring-dich-um!-Blick aufgesetzt, was ein recht überzeugendes Argument war. Nicht, dass sie in der direkten Konfrontation mit einer mittelmäßigen Chuunin den Kürzeren gezogen hätte, aber trotzdem. „Wir haben uns für morgen Nachmittag verabredet“, sagte Temari. „Bei der Gelegenheit möchte er auch gleich Kairi kennenlernen.“ „Oooh …“ Die Augen ihrer Freundin wurden tellergroß. „Dann muss es ihm ja wirklich ernst sein!“ „Weil?“, erwiderte sie. „Würdest du dir die Katze im Sack kaufen?“ „Was für eine Katze?“ Temari zog eine genervte Miene. Also eine Erklärung für ganz Doofe … „Was, wenn wir tatsächlich eine Beziehung anfangen und dann trifft er auf Kairi und sie kann ihn nicht leiden? Oder umgekehrt?“ „Sie ist doch noch ein Baby und diese sind bekanntermaßen sehr anpassungsfähig“, erwiderte Matsuri. „Also wenn scheitert es höchstens an dem Kerl.“ „Wenn du meinst …“ „Na ja, wenn sie tatsächlich nur rumheult, rate ihm, sein Deo zu wechseln. Vielleicht ist die Situation dann noch zu retten.“ „Ich werd dran denken“, sagte ihre Freundin sarkastisch und fragte: „Wie war eigentlich deine Mission?“ „Der langweiligste Botengang nach Iwagakure, den ich je gemacht habe. Friedenszeiten sind für eine energiegeladene Kunoichi wie mich eher kontraproduktiv.“ „Dann pass auf, dass du nicht irgendwann so fahrlässig wirst und dich abmurksen lässt.“ Matsuri zuckte die Schultern. „Dann war mein Ableben wenigstens aufregend. Ein stilvoller Abgang.“ Temari konnte sich auch nichts Schöneres vorstellen, schenkte sich aber jeglichen Kommentar. „Und jetzt gehen wir deine gekauften Klamotten umtauschen!“, wechselte die Jüngere abrupt das Thema. „In den Fetzen kannst du schließlich nicht zu ’nem Date gehen!“ „Das seh ich aber anders.“ „Prüde Mamas wie du haben auch keine Ahnung, wie man sich stylisch kleidet.“ „Wer ist hier bitte prüde?“ Okay, die Frage war überflüssig, denn niemand war so wenig prüde wie Matsuri, aber – Sie musste grinsen. „Wenn du so weiter machst, bekommst du gleich einen Abgang. Und zwar mit mehr Stil, als dir lieb ist.“ „Oh, ein Anflug der alten, berüchtigten Temari“, bemerkte ihre Freundin belustigt. „Es gibt sie also doch noch. Ich hab ja solche Angst.“ Temari wollte wütend auf sie sein, doch stattdessen trauerte sie ein wenig ihrem ehemaligen, starken Ich nach. Die Jahre in Shikamarus Gesellschaft und vor allem ihr Töchterchen hatten sie sanft gemacht. Aber so schlecht war das ja auch nicht. Matsuris Sticheleien konnte sie gepflegt ignorieren. Oder … nein, da wusste sie etwas Besseres. „Schade, dass man das von der alten, anständigen Matsuri nicht behaupten kann“, sagte sie. „Eine, die sich nicht jedes Wochenende von widerlichen Betrunkenen abschleppen lässt.“ Die Jüngere verzog den Mund. „Das war unter der Gürtellinie.“ Kleinlaut setzte sie nach: „Außerdem ist das höchstens fünfmal passiert, das letzte Mal vor drei Monaten oder so.“ „Schlimm, dass es überhaupt passiert ist. Aber du musst ja wissen, was am Besten für dich ist.“ Matsuri senkte den Blick und legte die Stirn in Falten. „Was ist nur aus uns geworden?“, fragte sie. „Warum müssen wir uns ständig dissen?“ Temari zuckte die Achseln. „Ich schätze mal, das passiert einfach, wenn sich zwei Menschen in so unterschiedliche Richtungen entwickeln wie wir.“ „Aber irgendwer muss doch damit angefangen haben.“ „Willst du das wirklich wissen?“ „Besser nicht.“ Matsuri grinste und ihre Freundin tat es ihr gleich. „Genau, sei lieber froh, dass wir trotzdem noch so gute Freunde sind! Ich wette, neun von zehn vergleichbaren Freundschaften wären schon längst im Eimer.“ „Und von Sachen, die im Eimer sind, verstehst du ja eine Menge.“ Reflexartig wich sie einem Schlag auf den Hinterkopf aus und lief los. Temari sah ihr nur nach und war trotzdem froh, dass diese doofe Nuss ihre Freundin war. --- „Das war aber mehr als ein Stündchen!“, sagte Kankurou zur Begrüßung. „Wie lange war ich denn weg?“, erwiderte seine Schwester, die sich keiner Schuld bewusst war. Die Aussicht auf das Treffen hatte sie auf dem ganzen Nachhauseweg beflügelt. „Zweieinhalb Stunden! Und in der Zeit hab ich dein Töchterchen gewickelt, gefüttert und mit dümmlichen Grimassen beschäftigt.“ Temari lächelte und meinte übertrieben dankbar: „Und das hast du großartig gemacht.“ Sie hob Kairi von ihrer Decke am Boden auf und drückte ihr einen sanften Kuss auf die Wange. Das Mädchen schien rundum zufrieden zu sein. „Gern geschehen“, brummte ihr Bruder und fiel zurück aufs Sofa. „Ist bei deiner Extrem-Shopping-Tour wenigstens was Sinnvolles bei herausgekommen?“ „Allerdings.“ Sie lächelte geheimnisvoll. „Und das wäre?“ „Kairi und ich haben morgen eine Verabredung.“ „Und mit wem? Beim Kinderarzt wart ihr doch erst.“ „Nein, mit Koutarou.“ Abermals schlich sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Kankurou fand den Anblick bemerkenswert gruselig – wann hatte Temari das letzte Mal so diabolisch gelächelt? –, weshalb er sich einen blöden Spruch klemmte und stattdessen fragend die Augenbrauen hob. „Ich war vorhin bei ihm und hab ein Date ausgemacht!“ Sie strahlte. „Und Kairi möchte er bei der Gelegenheit gleich kennenlernen, um zu testen, ob die Chemie stimmt.“ „Ist es nicht wichtiger, dass die Chemie zwischen euch beiden stimmt?“ „Die passt ja schon. Aber zwischen obligatorischen Stiefpapa und -kind muss es ja auch klappen.“ Er starrte seine Schwester fassungslos an. Bevor sie einkaufen gegangen war, war sie noch so verhalten gewesen. Und jetzt das? Das klang überhaupt nicht nach ihr. „Hörst du schon die Hochzeitsglocken läuten oder was ist los? Der Kerl muss dir ja komplett das Hirn vernebelt haben.“ „Tschuldige, dass ich mich nach fünfzehn Monaten Singledasein mal wieder für einen Mann interessiere“, sagte sie grimmig. „Dabei ist es doch genau das, was du wolltest. Und jetzt maulst du nur herum.“ „So war das ja nicht gemeint!“, lenkte er ein. „Ich finde einfach nur, dass du ein bisschen vorsichtiger an die Sache herangehen solltest, um dir eine mögliche Enttäuschung zu ersparen. Unter der hab ich dann nämlich wieder nur zu leiden.“ „Und du nennst Shikamaru ein egoistisches Arschloch?“ „Stell mich mit diesem Idioten bloß nicht auf eine Stufe“, zischte Kankurou verärgert. „Nicht, nachdem ich seit neun Monaten den Ersatzvater für seine Tochter mime.“ Temari seufzte. „Ich bin dir auch echt dankbar dafür – mehr, als du denkst und ich dir zeige –, aber trotzdem wäre es nett, wenn du dich weniger einmischen und mich ein wenig selbst mein Leben gestalten und leben lassen würdest.“ Zur Verteidigung hob er die Arme und zeigte seine Handflächen. „Ich meine es nur gut mit dir.“ „Vielleicht etwas zu gut.“ Sie gab ihm einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. --- Buggy oder Tragetuch? Nach längerem Überlegen entschied sie sich für Ersteres. Zwar war das Tuch sehr viel praktischer, wenn man draußen unterwegs war – besonders in Wüstengegenden –, doch für einen ein- bis zweistündigen Aufenthalt in einem Café überwogen die Vorteile eines Buggys deutlich. Temari setzte ihre noch vom Mittagessen pappsatte Tochter hinein und machte sich auf den Weg. Beim Café angekommen, setzte sie sich an einen freien Tisch in den Schatten. Kairi atmete leise und selig vor sich hin und schlief, was ihre Mutter erst einmal beruhigte. So konnte der erste Eindruck ihrer Tochter auf keinen Fall daneben gehen. Die Minuten verstrichen und bis auf eine Kellnerin, die ihre Bestellung aufnahm, ließ sich niemand blicken. Nervös schaute sie auf ihre Uhr. Es war noch fast eine Viertelstunde vor der verabredeten Zeit. Kein Grund also, um Panik zu schieben. Sie lehnte sich zurück und genoss die Kühle – sofern man das so in der Wüste nennen konnte – des Schattens. Schatten … Allein bei diesem Wort überkam sie eine Gänsehaut. Es war nicht so, dass ihr kalt war, doch es erinnerte sie auf unangenehme Weise an Shikamaru. Etwas, das sie bei ihrem ersten Date mit einem anderen Mann absolut nicht gebrauchen konnte. Temari stand von ihrem Platz auf und setzte sich einen Stuhl weiter in die Sonne. Sie riskierte lieber einen Sonnenbrand, als an diesem Ort auch nur eine Sekunde aus fadenscheinigen Gründen an ihren Exfreund denken zu müssen. Wenn bloß Koutarou endlich auftauchte … Bingo! Er ging den versandeten Bürgersteig entlang und bog in den Eingangsbereich des Cafés ein. Sie winkte ihn zu sich heran und unterdrückte ein Kichern. In Zivil ohne Arbeitskleidung wirkte er gleich ganz anders. Dabei war er auch in der Bar schon ein normaler Mittzwanziger gewesen. „Mist, ich dachte, ich bin zuerst hier!“, sagte er und setzte sich neben seine Verabredung. „Tja, war wohl nichts!“ Sie lächelte breit. Bevor sie ihr Gespräch vertiefen konnten, tauchte die Kellnerin mit dem Eis auf und notierte Koutarous Bestellung. Temari nahm einen Löffel von dem Pfefferminz- und Schokoladeneis – die einzige kulinarische Marotte, die aus ihrer Schwangerschaft übrig geblieben war – und ging im Kopf ein paar mögliche Themen durch, über die sie reden konnten, bevor peinliches Schweigen ausbrach. Sollte sie etwas Politisches einwerfen – auf die Gefahr hin, ihn zu langweilen – oder einen Witz darüber machen, dass er denselben Vornamen wie ein Charakter aus der Lieblingsserie ihres Bruders hatte? Letzteres klang nicht so schlecht, aber auch damit konnte sie völlig danebenliegen. Dann lieber doch nur übers Wetter faseln? Mist … Zu ihrer Erleichterung ersparte er ihr eine weitere Themensuche, indem er einen neugierigen Blick in den Buggy warf. „Ein hübsches Kind“, sagte Koutarou mit einem Lächeln, „sieht dir sehr ähnlich.“ „Bis auf mein Bruder meint das irgendwie jeder“, erwiderte Temari. „Dann muss er eindeutig was mit den Augen haben.“ Sie lachte. „Vielleicht haben die Tonnen Schminke, die er schon sein halbes Leben aufträgt, ja tatsächlich seiner Optik geschadet.“ „Arbeitet er im Kabuki-Theater?“, fragte er scherzhaft. „Nicht direkt.“ Sie zog eine Grimasse. „Wenn er im Dienst ist, klatscht er sich lila Farbe ins Gesicht, um gefährlicher auszusehen.“ „Und funktioniert es?“ „Auf kleine Kinder wirkt er auf jeden Fall furchteinflößend!“, sagte sie belustigt. „Nur Kairi bringt er so regelmäßig zum Lachen.“ „Dann erfüllt es ja zumindest einen guten Zweck!“ Koutarou lachte los und Temari konnte nicht anders, als einzustimmen. Danach trat eine kurze Pause ein, doch nun fiel es ihr plötzlich gar nicht mehr schwer, ein Gesprächsthema zu finden. „Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, in der Gastronomie zu arbeiten?“, fragte sie ehrlich interessiert. „Meine Eltern hatten ein Restaurant, in dem ich früh schon viel mithelfen musste. Von daher kam ein anderer Beruf nie großartig infrage für mich. Oft ist es stressig, aber Spaß macht es trotzdem irgendwie. Und man lernt viele interessante Leute kennen.“ Er lächelte ihr kurz zu und sie erwiderte es. „Und wie war dein Leben als Kunoichi so? Aufregend und gefährlich, vermute ich mal?!“ „Ach, es ging. Manchmal ist es auch einfach nur langweilig, wenn man eine Woche durch die Gegend spaziert, um Schriftrollen oder anderes Zeugs auszuliefern.“ Temari grinste. „Aber als Prüferin beim Chuunin-Examen mitzuwirken war schon klasse.“ „Dann arbeitest du wohl gern mit Kindern?!“ „Kann man so sagen.“ Sie lehnte sich zurück und warf einen kurzen Blick auf ihre Tochter. „Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht mehr vorstellen, später wieder auf Missionen zu gehen, wenn Kairi älter ist. Vielleicht hab ich ja Glück und an der Akademie ist ein Platz als Lehrerin für mich frei. Zur Not lasse ich mich auch für Bürokram einteilen. Hauptsache, die Gefahr, abgemurkst zu werden, ist so gering wie möglich.“ Sie ärgerte sich über ihren letzten Satz und musterte Koutarou rasch. Ihr Date saß aber genauso entspannt wie vorher da. Natürlich wusste er, auch wenn er Zivilist war, dass die Wahrscheinlichkeit im Dienst zu sterben als Ninja nicht gerade gering war. Er war ja schließlich kein naives Kleinkind mehr. Diese – obwohl selbstverständliche – Auffassungsgabe erleichterte sie. „Ich hab zwar jetzt nicht so viel Ahnung von Shinobidasein, aber wenn ich sehe, wie viele Waisenkinder es gibt, hast du auf jeden Fall eine gute Einstellung“, erwiderte er. „Im schlimmsten Fall könnte Kairi zwar auch zu ihrem Vater nach Konoha – aber ja, ich hänge an meinem Leben.“ Koutarou schwieg einen Moment und fragte: „Magst du mir von ihm erzählen?“ Temari schaute ihn perplex an. Diese Frage stand irgendwie nicht auf ihrem Plan … „Du musst nicht, wenn du nicht willst“, lenkte er sofort ein. „Wenn dir meine Frage zu aufdringlich war, entschuldige ich mich.“ „Nein, passt schon!“ Sie winkte ab. „Es ist nicht so schlimm, dass ich nicht darüber reden möchte. Ich war schwanger, er wollte keine Kinder und deswegen hab ich ihn abserviert. Das ist alles.“ „Tatsächlich?“ „Im Grunde schon, wenn man davon absieht, dass er sich kein Stück um seine Tochter kümmert“, sagte sie und spürte, wie sehr sie sich über diese Tatsache ärgerte. „Seit sie auf der Welt ist, hat er sie nicht einmal besucht! Auf so einen Vater kann man doch verzichten, oder?“ Eine Zustimmung erwartend schaute sie Koutarou an, kam sich dann aber nur lächerlich vor. „Sorry, ich sollte mich wohl besser zusammenreißen. Ein schlechter Start für ein erstes Date …“ „Ach was, ich hab ja schließlich danach gefragt“, warf er ein. „Aber falls du meine Meinung trotzdem hören möchtest: Ich finde es eher traurig, dass er kein Interesse daran hat, eine Beziehung zu seinem Kind aufzubauen.“ Der Begriff traurig traf es wohl ziemlich gut. „Es ist höchstens schade für Kairi, aber vielleicht ist es unter den Umständen auch besser, wenn sie nichts weiter mit ihm zu tun hat.“ Sie zuckte die Achseln, etwas besser gelaunt, und lehnte sich entspannt zurück. „Ist heute nicht ein herrlicher Tag?“ Der Tag war wirklich großartig, um einen neuen Lebensabschnitt anzugehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)