Home Sweet Home von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 30: Trautes Heim, Glück allein -------------------------------------- Kapitel 30: Trautes Heim, Glück allein „Na, kommt ihr beide wieder vom Spielplatz?“, fragte Kankurou, als er seine Nichte den Türrahmen entlang tapsen sah. „Ja, sie hat wieder mit ihrer neuen Freundin gespielt.“ Temari setzte sich auf den Sessel. „Ich hab dir übrigens was mitgebracht.“ Sie warf ihrem Bruder einen Stoffbeutel zu und er fing ihn mit Leichtigkeit. „Womit hab ich denn das verdient?“, fragte er irritiert. „Guck doch erstmal hinein. Vielleicht findest du es ja doof.“ Er folgte ihrer Aufforderung, zog einen rechteckigen Gegenstand heraus und präsentierte seiner Schwestern ein breites Grinsen. „Der zweite Teil von Armor of gods!“, stieß er begeistert aus. „Mensch, dass du daran noch gedacht hast …“ „Natürlich hab ich daran gedacht!“, gab sie amüsiert zurück. „Wenn ich dir sage, dass ich dir den Film ausleihe, mach ich das auch. Behalt ihn aber nicht zu lange, wenn du nicht möchtest, dass dein Neffe später in Mädchenkleidern herumlaufen muss.“ „Ich werd ihn heute Abend noch ansehen und morgen zurückbringen“, versprach er. „Das kann ich dem Kleinen schließlich nicht antun.“ „Das wird er dir später bestimmt hoch anrechnen.“ Sie lachte. „Was riecht hier eigentlich so? Hast du dich heute Abend etwa freiwillig hinter den Herd gestellt?“ „Ich?“ Kankurou prustete los. „Nein. Matsuri würfelt gerade irgendwas Essbares zusammen. Quasi zur Feier, dass wir uns wieder vertragen haben.“ Temari sprang geistesgegenwärtig auf und hechtete in die Küche. In der Tür blieb sie stehen. Ihre Freundin wischte gerade die Arbeitsfläche neben dem Herd trocken, in dem eine selbstgemachte Pizza mit verschiedenen Belägen vor sich hin buk. Sie atmete erleichtert aus und Matsuri drehte sich zu ihr um. „Du hast wohl gedacht, dass ich dir wie beim letzten Mal ’nen Saustall hinterlasse, was?“, bemerkte sie. „Saustall?“, wiederholte sie. „Das war ein Schlachtfeld! Ich hab eineinhalb Stunden gebraucht, bis es hier wieder einigermaßen ordentlich war.“ „Kommt nicht wieder vor, versprochen.“ Ihre Freundin warf ihr ein entschuldigendes Lächeln zu. „Hast du dir schon überlegt, was du an deinem Geburtstag essen möchtest?“ „Der ist doch erst in zwei Wochen.“ „Mit der Planung kann man nicht früh genug anfangen. Du wirst schließlich exakt ein Vierteljahrhundert alt.“ „Erinnere mich bloß nicht daran“, erwiderte Temari und seufzte. „Ich komme mir auch so schon irgendwie alt vor. Ich hab dünne Haare, Augenringe und meine Haut sieht aus wie Papier – ich bin ein Zombie!“ Matsuri lachte laut los. „Erstens: Du siehst absolut nicht wie ein gammeliger Untoter aus“, begann sie aufzuzählen, „zweitens: Das alles liegt wenn nur an der Schwangerschaft; und drittens: Du siehst super aus! Glatte Haare stehen dir und wer interessiert sich schon für kleine Schatten unter den Augen? Ehrlich, mir wären sie gar nicht weiter aufgefallen, wenn du es nicht gerade gesagt hättest.“ „Danke“, murmelte sie. „Ich bin schwanger, aber ich kann die Wahrheit trotzdem vertragen.“ „Das ist die Wahrheit. Wenn ich ein Kerl wäre, würde ich mich sofort in dich vergucken.“ Temari musste über diese ungewollt komische Erwiderung schmunzeln. „Ich dachte, du stehst nicht auf mich.“ „Ich sagte ja auch: Wenn ich ein Kerl wäre.“ Ihre Freundin zuckte die Achseln. „Aber da ich das nicht bin …“ „Wie war das noch mit deinen bisexuellen Neigungen?“ Sie winkte ab. „Die sind doch Sand von vorgestern.“ „Umso besser“, sagte sie und scherzte: „Ich möchte dich nur ungern meinem Bruder ausspannen, auch wenn ich mit meinem tollen Aussehen angeblich jeden haben kann.“ „Das ist aber sehr rücksichtsvoll und nett von dir“, meinte Matsuri belustigt. „Ab und zu muss das mal sein“, antwortete sie. „Übrigens“ – sie zeigte auf den Ofen –„die Pizza brennt gleich an.“ Ihre beste Freundin verfiel in Panik, stürzte zum Backofen und riss die Klappe auf. „Jag mir doch nicht so einen Schrecken ein!“ Ihrer Stimme schwang etwas Erleichterung mit. „Sie ist doch perfekt.“ „Dann hör mir doch richtig zu“, erwiderte sie belustigt. „Ich sagte, gleich brennt sie an.“ Matsuri stieß ein paar unverständliche Flüche aus, die sie gleich wieder mit einem Grinsen entschärfte und holte ihr gebackenes Meisterwerk aus der Hitze. Temari nahm das Geschirr und das Besteck mit ins Wohnzimmer und deckte den Esstisch. Als sie damit fertig war, hörte sie, wie die Haustür aufging und sich wenige Sekunden darauf wieder schloss. Kairi bewegte sich in Richtung Flur und sie eilte ihr nach. Mit einem herzlichen Kreischen begrüßte das Mädchen ihren Onkel und Gaara quittierte es mit einem sanften Lächeln. „Du hast doch nicht etwa so früh Feierabend gemacht, um mit uns Pizza zu essen, oder?“, fragte sie überrascht. „Nein, ich muss morgen früh kurzfristig nach Amegakure aufbrechen“, antwortete er. „Das Essen lasse ich mir allerdings nicht entgehen, bevor ich schlafen gehe.“ „Natürlich, die Pflicht. Was auch sonst?!“, entgegnete seine Schwester und lächelte. „Aber es ist schön, dass wir wieder mal alle zusammen sind.“ --- Temari musterte Kairi. Das Mädchen starrte ihr schon seit fünf Minuten beharrlich auf die Finger und jeder Versuch sie abzulenken, war gescheitert. „Okay, okay, du hast gewonnen!“, gab sie nach. „Aber es gibt nur dieses eine Stückchen und nicht mehr.“ Sie reichte ihr den Rest ihres Pizzastücks, ihre Tochter betrachtete es einen Augenblick mit ausgeprägter Skepsis, dann biss sie von einer Ecke ab. Sie kaute, schluckte es herunter und ihre Augen leuchteten. „Da hast du dein Kind gerade wohl sehr glücklich gemacht, was?“, flachste Matsuri. Temari fasste sich an die Stirn. Dass sie ihr im zarten Alter von vierzehn Monaten so einen Mist zu essen gab, sprach nicht besonders für sie als Mutter. „Kopf hoch, Schwesterherz“, sagte Kankurou. „Solange du ihr so was nicht jeden Tag gibst, ist doch alles in Ordnung.“ „Wenn du das sagst …“ „Sag ich“, bestätigte er. „Außerdem fütterst du das andere nicht auch gerade indirekt damit?“ Ihre Hand fuhr automatisch zu ihrem Bauch. „Ja, kann schon sein“, gab sie zu, „aber ich konnte seinetwegen so lange nichts Richtiges essen und ich ernähre mich sonst – hey, was gibt es da zu grinsen?“ „Das war ein Scherz!“, sagte ihr Bruder. „Es ist noch kein Kind krank geboren worden, weil die Mutter in der Schwangerschaft gelegentlich ein Stück Pizza gegessen hat. Wenn du dir über irgendwas den Kopf zerbrechen möchtest, dann lieber über deine Horrorspiele.“ „Ich such mir demnächst ein anderes Genre. Da brauchst du dir gar keine Sorgen machen“, verteidigte Temari sich. Er zuckte die Schultern. „Ich meinte ja nur.“ Sie zog eine Grimasse, dann bemerkte sie, dass der Blick ihrer Tochter auf ihren Teller gerichtet war. „Das kannst du vergessen, junge Dame“, meinte sie rasch. „Du hattest dein Abendbrot. Gleich geht’s in die Wanne und dann ab ins Bett.“ Kairi verzog beleidigt das Gesicht, als hätte sie die Worte ihrer Mutter genau verstanden und starrte nun Gaara an, der amüsiert den brauenlosen Bereich über den Augen hob. Temari schüttelte ungläubig den Kopf und Kankurou und Matsuri brachen in lautes Gelächter aus. --- Nachdem ihre Tochter seelenruhig in ihrem Zimmer eingeschlafen war, kehrte sie zurück ins Wohnzimmer. Kankurou saß wieder auf der Couch und – „Hast du kein eigenes Hobby?“, schmetterte Temari ihm entgegen. „Wenn du mir meinen Spielstand verpfuscht, setzt es was.“ „Jetzt hab ich aber Angst“, flachste er. „Fast so viel Angst wie“ – ein kurzer Aufschrei folgte und er rief vor Schreck das Menü auf – „Was war das?“ „Nur ein anderer Gegnertyp“, erwiderte sie gelassen. „Die Viecher sind ziemlich schnell.“ Sie tätschelte seinen Rücken. „Aber Jumpscares sind ja so billig, nicht wahr, Bruderherz?“ Er machte eine beleidigte Miene. „Billiger geht’s nicht“, murrte er. „Ich hab ja gesagt, die Reihe ist Trash – in jeder Hinsicht!“ „Totaler Müll kann es nicht sein, wenn sich sogar ein hartgesottener Shinobi wie du dabei erschreckt!“, stichelte sie und nahm ihm das Pad aus der Hand. „Ich zeig dir jetzt mal, wie man das macht, wenn man kein Angsthase ist.“ Sie setzte sich zu ihm, beseitige das Problem mit Bravour und Kankurou stieß ein missbilligendes Knurren aus. „Wo sind Gaara und Matsuri eigentlich hin?“, fragte sie beiläufig. „Ihr führt doch eine monogame Beziehung, oder irre ich mich?“ „Finde nur ich deinen Gedankengang ein bisschen widerlich?“, fragte er trocken. „Aber ja, die führen wir. Sie ist nach Hause gegangen, um zu duschen und sich umzuziehen. Wir wollen nachher nämlich noch ausgehen. Und Gaara hat sich schon aufs Ohr gehauen.“ „Jetzt habe ich einen Witz gemacht“, stellte Temari klar. „Aber interessant, wie empfindlich du reagierst. Das ist irgendwie süß.“ „Was soll daran süß sein?“ „Na, dass du sie so verteidigst. Euch beiden merkt man sonst nämlich nicht unbedingt an, dass ihr so was wie ein Paar seid.“ Ihr Bruder verdrehte genervt die Augen. „Das sollte keine Kritik sein“, setzte sie nach. „Ich bin mehr als einverstanden damit, dass ihr nicht bei jeder Gelegenheit rumknutschen, Händchen halten und euch anschmachten müsst. Ich bin nicht scharf drauf, mir peinliches Liebesgetue anzutun und so meine Erbrechen-Phase zu reanimieren, die ich gerade erst losgeworden bin.“ „Da kannst du mal sehen, wie viel Rücksicht wir auf unsere Mitmenschen nehmen“, witzelte er mit einem Augenzwinkern. „Das fällt euch bestimmt unheimlich schwer“, kommentierte sie in ironischer Belustigung, „so romantisch veranlagt, wie ihr beide seid, oder?“ Sie lachten kurz, dann wurden sie von einem Türklingeln unterbrochen. „Dann mach deiner Angebetenen mal die Tür auf“, meinte Temari. „Oder sollte ich sie besser als Schwägerin in spe bezeichnen?“ „Jetzt übertreib mal nicht gleich“, gab Kankurou zurück und stand auf. „Davon sind wir noch weit entfernt.“ „Sicher“, scherzte sie und scheuchte ihn mit einem Handwink aus dem Raum. „Und jetzt lass sie nicht länger warten.“ Sie hörte, wie ihr Bruder über den Flur schlenderte und die Tür öffnete, dann startete sie das Spiel wieder. Sie steuerte die Figur, erkundete einen Gang, den sie bereits gesäubert hatte und – „Es ist für dich!“ Sie schaute über ihre Schulter und blickte Kankurou an, der ins Wohnzimmer lugte. Ein breites Grinsen funkelte ihr entgegen. „Wer oder was ist es denn?“, fragte sie monoton. „Wenn du jetzt Manabu hierher bestellt hast oder so ein dämliches Blinddate angezettelt hast, dann –“ Seine Miene verfinsterte sich und er sah sie mit tadelndem Blick an. „Meinst du, ich hab aus unserem Gespräch vorgestern nicht dazu gelernt?“, erwiderte er. „Traust du mir das wirklich zu, obwohl ich weiß, wie emotional vereinnahmt du bist?“ „Emotional vereinnahmt? Wovon redest du überhaupt?“ „Von dem, wie es mit deinem Gefühlsleben bestellt ist.“ „Ich weiß, was emotional … Ach, vergiss es.“ Temari erhob sich, kniff ihrem Bruder im Vorbeigehen sanft in den Nacken und beschleunigte einen Moment lang ihren Gang, um ihm nicht die Möglichkeit zu geben, sich dafür zu revanchieren. Kankurou ging allerdings nicht darauf ein und murmelte: „Ich bin dann in meinem Zimmer, falls du mich brauchen solltest.“ „Ich werd dran denken, falls mich gleich irgendein Kerl überfallen sollte oder mir sonst irgendwie zu nahe kommt“, entgegnete sie amüsiert. „Dann ruf ich dich und ich kann euch beiden gleichzeitig eins mit meinem Fächer drüber geben.“ „Da fürchte ich mich eher vor einer Niesattacke, so eingestaubt, wie das Teil ist“, stichelte er zurück. Sie wandte sich zu ihm um und sah, wie er ihr ein weiteres Grinsen zuwarf und in sein Zimmer flüchtete. Temari schmunzelte und setzte ihren Weg fort. Sie ging im Kopf noch ein paar Leute durch, die als Besuch in Frage kamen und blieb kurz bei Baki hängen. Da sie sich aber nicht vorstellen konnte, dass sich ihr ehemaliger Lehrmeister schon als Sensei für Kairi in elf Jahren verpflichten wollte und auch sonst keine Ahnung hatte, was er ausgerechnet von ihr wollen würde, verwarf sie ihn als potenziellen Gast. Wahrscheinlich war es doch nur Matsuri, die sich mit Kankurou zusammengeschlossen hatte, um sie zu veralbern. Sie griff zur Klinke und zog die Tür, die ihr Bruder bis auf einen dünnen Spalt angelehnt hatte, auf. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Sie blinzelte, biss sich auf die Unterlippe, dann drehte sie sich um und warf dabei die Haustür mit Schwung wieder zu. Sie hörte nicht, dass sie zufiel, als sie über den Flur zurück ins Wohnzimmer stürmte. Nein, sie vernahm nur das Rauschen ihres Blutes in ihren Ohren und das Klopfen ihres Herzens, das auf Hochtouren arbeitete. Wütend warf sie sich aufs Sofa, schnappte sich den Controller und spielte, um ihren Ärger, der so plötzlich über sie gekommen war, abzubauen. Sie verspürte den Drang, Kankurou für diesen makaberen Scherz wie eines dieser digitalen Ungeheuer zu behandeln. Ihr verdammter Bruder, der in diesem Moment wahrscheinlich auf seinem Bett hockte und sich scheckig vor Schadenfreude lachte … Temari ließ den Charakter, den sie steuerte, das nächstbeste Getier plätten und beobachtete, wie es sich in einen Aschehaufen verwandelte. Sie fluchte und warf das Pad beiseite. In ihrem Inneren brodelte es und sie merkte, dass ihre Stimmung auf ihr Baby übergegangen war. Das vermutete sie zumindest, denn es machte mit ein paar sanften Tritten oder Schlägen auf sich aufmerksam. Für diesen unlustigen Spaß bekam ihr Bruder noch die Quittung – und Matsuri ebenfalls, wenn sie herausfand, dass sie in diesen schlechten Witz involviert war –, aber nun war es besser, wenn sie sich ihrem ungeborenen Sohn zuliebe beruhigte. Sie lehnte sich zurück, massierte ihren Bauch, atmete tief durch und das half ihr, ihr Gemüt wieder ein wenig herunterzukühlen. Ihr Herzschlag verlangsamte sich allmählich und mit ihm die Regungen ihres Kindes, bis sie nur noch das gewohnte, unregelmäßige Zucken spürte. Abermals nahm sie das Pad in die Hand. Ihr linker Daumen wanderte zum Analogstick, die Figur im Fernseher tat einen Schritt … „Was ist denn mit dir los?“ Die Stimme, die sie so gut kannte und von der sie nicht geglaubt hatte, dass sie sie noch einmal hören würde, bahnte sich durch ihren Gehörgang und als sie ihr Ziel erreichte, realisierte sie auch, wem sie gehörte. Es war seine Stimme. Shikamarus Stimme. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)