Trägt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht? von Miss_Keks ================================================================================ Kapitel 1: Der Anfang des Theaters mit mir als einzigen Zuschauer ----------------------------------------------------------------- Sie hatte die Nächte schon immer dem Tag vorgezogen. Ihre Augen wurden nie müde und ihr Kopf erwachte erst nach Anbruch der Dunkelheit wirklich zum Leben. In den ruhigen, stillen Stunden des Abends, dann wenn ihre einzigen Begleiter die Musik und die Sterne waren, zeigte sich ihre wahre Persönlichkeit. All die Gedanken und Erinnerungen krochen hervor. Traumhafte Vorstellungen nahmen Gestalt an und die verrücktesten Wünsche klopften an ihrem Bewusstsein an. In diesen Momenten war sie für sich allein. In diesen Momenten musste sie nicht gegen die Welt ankämpfen. In diesen Momenten mussten ihre Fantasien, welche die Gesellschaft verboten und als naiv gekennzeichnet hatte, nicht zurückgehalten werden. In diesen Momenten war sie bei ihm. Sie kannte ihn nicht. Hatte ihn noch nie gesehen und hatte keinerlei Vorstellungen. Doch sie liebte ihn. Er war kein Prinz und auch kein Held in strahlender Rüstung. Ein einfacher, junger Mann, der mit ihr gegen jegliche Norm ankämpfte und alle nur erdenklichen Regeln für sie brach. Trotz seiner Stärke konnte er schwach sein und trotz seiner Männlichkeit war er sanft. Auf keinen Fall war er perfekt, denn sie glaubte nicht an Märchen, aber auf jeden Fall anders, denn sie glaubte nicht an diese Welt. Die Gesellschaft hatte Liebe als altmodisch erklärt, als unnütz. Man benutze sie lediglich zur eigenen Befriedigung. Es genügte die Illusion. Doch sie hielt nichts von Illusionen und Lügen. Deswegen träumte sie von ihm. Deswegen hielt sie ihre Vorstellungen nicht zurück. Deswegen zog sie die Nacht dem Tag vor. Ich sah von den geschwungenen Zeilen auf und verlor mich für einen kurzen Moment in meinen Gedanken. Die Welt löste sich auf und ich sah nur noch verschwommene Umrisse um mich herum. Die eben niedergeschriebenen Wörter tanzten einen undurchdringbaren Tanz in meinem Kopf und die verschiedensten Gedanken spielten die Hintergrundmusik dazu. Hatte ich über mich geschrieben? Wenn ja, wer war dann der junge Mann, von dem ich scheinbar träumte? Wieso wollte ich die Regeln brechen? „Hinata!“, riss mich plötzlich eine weibliche Stimme aus meiner Trance und ich blickte mich um. Tenten kam auf mich zugeeilt. „Da bist du ja!“, trällerte sie in ihrem ewig fröhlichen Ton, „Wie war dein Literaturkurs?“ „Ganz okay und bei dir?“, wollte ich wissen und folgte ihr durch die Gänge. „Ja, super! Es war nur total nervig, da eines dieser Aliens bei mir ist und du wirst mir nicht glauben, wie er sich aufgeführt hat! Er dachte wahrscheinlich, dass er der beste Tänzer der Welt sei!“, brummte sie gereizt und warf resigniert die Hände in die Luft. „Weil ich es bin, Kleines“, meinte plötzlich eine tiefe Stimme hinter uns. Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr gemeinsam mit Tenten herum. Die aufgemalten Zeichen des jungen Mannes verzehrten sich durch das Grinsen auf seinem Gesicht. Für einen kurzen Moment herrschte Stille zwischen uns und ich starrte lediglich auf seine schwarzen Springerstiefel mit den blauen Schnürsenkeln. Meine Freundin gab einen verachtenden Ton von sich, bevor sie sich umwandte und ohne ein Wort mit stolz erhobenem Kinn davon stampfte. Ich sah ihr nach, unschlüssig, was ich jetzt tun sollte. Es war unhöflich von ihr. Auch wenn seine Antwort nur so vor Eitelkeit getropft hatte, hatte er nichts schlimmes getan. Doch meine Schüchternheit stand mir im Weg. „Na, los! Hau schon ab“, zischte er plötzlich und ich blickte ihn für den Bruchteil einer Sekunde an, bevor ich ein wenig verängstigt die Augen niederschlug. „T-tu-tut mir le-leid“, stotterte ich schließlich beinahe unhörbar und eilte dann meiner Freundin hinterher. Der schwere Stein der Gewissheit meiner Feigheit lag unangenehm in meinem Magen und erinnerte mich bei jedem Schritt an meine Unfähigkeit. „Was bildet der sich eigentlich ein?! Der ist doch nicht viel besser! Und überhaupt gehört er hier nicht hin! Wenn ich es könnte, dann hätte ich sie bereits nach drei Minuten hier wieder rausgeschmissen! Was hat sich unsere Direktorin dabei nur gedacht?!“ Tenten zitterte vor Wut und Verachten, während ich versuchte, jegliche Schuld bei der neuen Gruppe zu finden. Sie waren nun seit zwei Wochen hier und es hatten sich bereits abertausende von Gerüchten entwickelt. Ob sie auch nur einen Funken Wahrheit enthielten, war niemandem bekannt, doch das schien nicht von Relevanz zu sein. Jedoch war in meiner Anwesenheit noch nichts verdächtiges passiert. Ja, sie waren unhöflich den Lehrern gegenüber und nahmen kein Blatt vor den Mund. Ja, sie bildeten eine Einheit, ohne jemand anderes zu sich zu lassen. Ja, sie hatten kaum Kontakt zu den restlichen Schülern. Ja, sie waren laut und sahen anders aus. Aber waren das tatsächlich Gründe, um sie zu verachten und solch grauenvolle Gerüchte über sie in die Welt zu setzten? Grübelnd saß ich mit einigen Freunden an unserem üblichen Mittagstisch. Meine Gedanken waren zu nichts mehr zu gebrauchen. Immer wieder kreisten sie um unwichtige Wichtigkeiten, um die ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nie gekümmert hatte. Ohne es wirklich zu wollen, stellte ich die Ordnungen der Schule immer mehr in Frage. Weshalb urteilten wir so radikal und wieso klang jede Anschuldigung so, als würden wir uns für etwas besseres halten? „Ich hab letztens erst gehört, dass...“ Schlagartig klärten sich der Nebel in meinem Kopf und ich wurde hellhörig. „Naruto das Auto des Konrektors mit roter Farbe beschmiert haben soll. Er hat „Mist gehört auf die Müllheide“ geschrieben! Kannst du dir das vorstellen? Von ihnen sollte man sich wirklich fern halten. Die haben doch nichts Gutes im Schilde!“ „Was tun sie überhaupt hier?“ Den weiteren Verlauf des Gespräches nahmen die beiden Mädchen, welche an uns vorbei liefen, mit zu ihrem Tisch und ich konnte sie nicht weiter belauschen. Ein wenig fassungslos musste ich blinzeln und ich spürte, wie meine Ohren glühten. Doch ich konnte nicht sagen, ob vor Wut oder Scham. „Hey, ist alles okay bei dir?“, wollte Lee plötzlich wissen. Er blickte mich besorgt an und seine buschigen Augenbrauen, die tatsächlich ein wenig zu groß für sein Gesicht waren, zogen sich fragend zusammen. Tonlos seufzend zwang ich mich zu einem Lächeln und nickte dann. „Ja.“ „Sicher?“ „Bin heute nur ein wenig in Gedanken“, murmelte ich leise. „Ich geh kurz an die frische Luft. Hier ist es unglaublich stickig“, verkündete ich und erhob mich. „Soll ich dich begleiten?“, fragte Lee, während ich meine Sachen zusammensammelte. Entschlossen schüttelte ich den Kopf. „Nein, danke.“ Bevor er ein weiteres Angebot machen konnte, eilte ich bereits aus dem Raum. Wenige Augenblicke später stieß ich eine der vielen, schweren Eingangstüren auf und betrat das große Außengelände der Schule. Da es ein beliebter Aufenthaltsort der Musiker war, schwangen überall in der Luft die verschiedensten Melodien. Mein Kopf fühlte sich taub an vom vielen Nachdenken, weswegen ich zum Haupteingang flüchtete und mich dort vor dem Tor an die Mauer lehnte, welche das Gebäude und die zugehörige Fläche umrahmte. Mit geschlossenen Augen stand ich einfach nur da und war dankbar, an nichts besonderes denken zu müssen. Endlich fand ich einige Minuten Ruhe, bevor ich wieder in einen weiteren Kurs musste. Unerwartet kam mir in den Sinn, dass diesen auch Naruto besuchte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Er war ein ausgesprochen amüsanter Chaot, der es sich nie verkneifen konnte, unseren Lehrer zu widersprechen und jedes seiner Worte zu hinterfragen. Er war unorganisiert, vorlaut und wirkte so, als würde er immer mit dem Kopf in den Wolken schweben. Jedoch hatte er das Talent, die Stunden ein wenig interessanter zu gestalten, wofür ich ihm wirklich dankbar war, da mir Musik nicht im Geringsten lag. „Ach, halt doch die Klappe, Kiba!“ „Oh, unsere Mafiabraut ist heute schlecht drauf!“ „Ich geb dir gleich eine Mafiabraut!“ Gelächter war zu vernehmen und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken. Weshalb mussten sie hier auftauchen? Nach einigen tiefen Atemzügen und stummen Stoßgebeten öffnete ich endlich die Augen und erblickte sie nicht weit von mir auf der Mauer sitzen. Kiba und Sakura zogen genüsslich an ihren Zigaretten, was eigentlich verboten war. Doch es kam kaum ein Lehrer hier vor, weswegen es nicht sonderlich viel ausmachte. Obwohl ich stark bezweifelte, dass es sie wirklich interessierte. Sasuke hielt wie schon so oft scheinbar teilnahmslos Sakuras Hand. Innerhalb weniger Tage hatte die gesamte Schule ihre Namen und ihre Beziehungen untereinander gewusst. Oder zumindest das, was sie öffentlich zeigten. „Leute, ihr seid solche Idioten!“, schrie Naruto in diesem Moment, der gerade erst zu ihnen stieß. Sakura und Kiba brachen in Gelächter aus, während der Schwarzhaarige lediglich amüsiert lächelte. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich sie anstarrte und ich wandte schnell den Blick ab. Hastig hob ich meine Tasche vom Boden auf und zwang mich, mehrere Schritte auf das Gebäude zuzugehen. Ich hatte hier nichts verloren und mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich mich mit jeder Sekunde, die ich hier blieb, in immer größere Schwierigkeiten begab. „Hey, Hinata!“, rief plötzlich eine, mir mittlerweile bekannte, Stimme nach mir. Ein wenig steif und ängstlich wandte ich mich langsam um. Hatten sie mich bemerkt? Sakura bedeutete mir mit der Hand, zu ihnen zu kommen. Ich spürte wie ich unter ihren Blicken rot anlief. Was sollte ich tun? Doch mein Körper reagierte schneller. Im nächsten Moment stand ich bereits in Kibas Nähe und starrte auf seine Springerstiefel. „Was machst du hier?“, fragte Sakura und ich suchte nach Wut oder Arroganz in ihrer Stimme, doch ich fand darin nichts außer Neugier. „W-w-wollte nach frischer Lu-luft schna-schnappen.“ „Na dann. Willst du auch?“, fragte sie weiter und ich sah kurz auf. Vor mir erschien ihre noch immer brennende Zigarette. Fassungslos starrte ich sie an. Da lachte sie los und sprang von der Mauer. Ihr Arm legte sich warm und vertraut um meine Schultern, während ich unter ihrer Berührung erstarrte. „Ist sie nicht süß? Ein kleines Mauerblümchen allein unter gefährlichen, fleischfressenden Pflanzen...“ „Wie tragisch“, schaltete sich Kiba in das Geschehen ein und mein Theaterherz begann schneller zu schlagen. „So allein und schutzlos. Was wohl passieren wird?“, setzte Sakura das Drama fort. „Wird sie sterben oder überleben?“, fragte der Braunhaarige mit einem gefährlichen Tonfall in der Stimme. „Shakespeare hätte das Konzept gefallen, obwohl er sich wohl eher für die erste Variante entschieden hätte“, platze es aus mir heraus und ich hielt mir schlagartig die Hand vor den Mund und senkte beschämt den Kopf. Für einen Moment herrschte Stille. Plötzlich ertönte amüsiertes Lachen und ich blickte kurz auf. Keiner von ihnen schien überrascht zu sein und auch in ihren Augen flammte keinerlei Verachtung und Missbilligung auf. „Nicht schlecht aus der Situation rausgeschlichen, Mauerblümchen“, meinte die Rosahaarige und klopfte mir anerkennend auf die Schulter, bevor sie ihren Arm von ihnen nahm. Ein schüchternes Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich senkte erneut die Augen. Plötzlich klingelte es zur nächsten Stunde und ich schulterte meine Tasche, während die anderen keinerlei Anstalten machten, aufzubrechen. „Man sieht sich noch!“, verabschiedete Sakura sich und ich nickte als Antwort. „Bye, Kleines“, meinte Kiba und schenkte mir ein Grinsen. Ich wandte mich mit laut klopfendem Herzen um und wusste weder was ich fühlen noch was ich denken sollte. In mir herrschte ein Durcheinander und ich war mir der Tatsache bewusst, dass wenn Tenten jemals davon erfahren sollte, ich in großen Schwierigkeiten sein würde. „Hey, warte mal! Wir sind doch in einem Kurs jetzt oder?“, rief plötzlich Naruto, der bis gerade eben noch kein Wort gesagt hatte, was mich doch ein wenig erstaunt hatte. Ein wenig überrascht wandte ich mich um und beobachtete ihn dabei, wie er schnell seine Sachen zusammenklaubte und mir entgegen rannte. Für einen kurzen Moment dachte ich, mein Kreislauf würde all diese Aufregung nicht aushalten. Sein Grinsen reichte von einem Ohr zum anderen, als er mich erreichte und ich konnte nicht anders, als es kurz zu erwidern und dann die Augen zu Boden zu richten. Mein bereits rotes Gesicht musste nun dem einer Krabbe ähneln und ich versuchte, nicht allzu sehr daran zu denken. „Dann komm ich heute ausnahmsweise mal pünktlich“, verkündete er beinahe schon stolz und ich schüttelte innerlich den Kopf. Wie anders sie doch alle waren. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Klassenzimmer, wobei mir bewusst wurde, dass wir einige Minuten zu spät kommen würden. Mir blieb beinahe das Herz stehen. Während meiner gesamten Schullaufbahn hatte ich mich nicht einmal verspätet! Aufgeregt musste ich nach Luft schnappen. Das konnte doch nicht wahr sein. „Und? Was ist deine Spezialgebiet?“, unterbrach Naruto plötzlich die Stille und riss mich aus meinen dramatischen Gedanken. „T-t-t-theater und Li-litera-atur“, presste ich mühevoll heraus. „Stotterst du immer so?“, fragte er und ich spürte seinen Blick auf mir ruhen. Noch nie hatte mich jemand so direkt auf meine Schwäche angesprochen. Einerseits empfand ich es als unangenehm, doch andererseits faszinierte mich seine Offenheit. „N-nein“, erwiderte ich nicht sehr überzeugend. „Also bin ich der Grund?“ „Ni-nicht di-direkt“, nuschelte ich und spürte deutlich die Röte in meinem Gesicht. Er lachte auf: „Du bist süß, echt jetzt!“ Verwirrt biss ich auf meine Lippe und stupste meine beiden Zeigefinger in einem gleichmäßigen Takt gegeneinander. Wieso hatte er das getan? Was hatte das zu bedeuten? Weshalb war ich eigentlich hier mit ihm? Mein Kopf schien zu explodieren von all den aufwühlenden Gedanken und mein Blut rauschte in dreifacher Geschwindigkeit durch meine Venen, welche von dem erhöhten Druck beinahe nachgaben. So empfand ich es zumindest. „Hey, Süße, hier lang“, riss mich Naruto plötzlich aus dem Strudel in meinem Kopf. Seine Hand legte sich sanft um meinen Arm und zog mich ins Klassenzimmer. Beschämt kniff ich die Augen zusammen und hätte beinahe laut aufgeschrien. Wieso war ich nur so unfähig?! Im Raum herrschte bedrückende Stille, als der junge Mann mich freigab. „Du hast den Kopf wirklich in den Wolken, echt jetzt!“, kicherte er und ich starrte auf seine schwarzen Schuhe mit den orangenen Schnürsenkeln. Ich wagte es nicht, zu ihm aufzusehen. Meine untere Lippe schien bereits blutig zu sein und doch fuhr ich fort, sie mit meinen Zähnen zu bearbeiten. „Wenn sie schon zu spät kommen, haben sie doch bitte wenigstens den Anstand, sich zu entschuldigen und dann schweigend auf den Platz zu gehen!“, meinte Frau Yuuhi mahnend und mir gefror das Blut in den Adern. Abgelenkt von Naruto hatte ich die Tatsache, dass wir zu spät dran waren, gänzlich verdrängt. „Seien sie doch nicht so streng. Es ist nicht gut für ihr Ungeborenes, echt jetzt!“, erwiderte er jedoch ganz Herr der Lage und ich konnte mir das spitzbübische Lächeln auf seinem Gesicht nur allzu gut vorstellen. Man hörte lediglich ein resigniertes Seufzen von der Frau und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sie sich über ihren runden Bauch strich. Obwohl sie bereits im achten Monat schwanger war, weigerte sie sich Mutterschaftsurlaub zu nehmen, worüber ich im Geheimen doch ganz froh war. An einen neuen Lehrer in Musik hätte ich mich nicht gewöhnen können. „Setzt euch einfach hin und seid bitte leise.“ Schnell folgte ich ihrer Aufforderung, während Naruto noch einige Sätze mit ihr austauschte. Für einen kurzen Moment streifte mein Blick Tenten, welche ebenfalls diesen Kurs besuchte und ich merkte bereits an ihren stur auf die Tafel gerichteten Augen, dass ich ihr einige Entschuldigungen und Erklärungen schuldig sein würde. Leise Seufzend ließ ich mich auf dem Stuhl nieder und im selben Moment rauschte der Blonde, tollpatschig wie er war, stolpernd an mir vorbei. Mit der Zeit hatte ich mich an seinen Anwesenheit hinter meinem Rücken gewöhnt. Was man von meiner Freundin nicht behaupten konnte. Sie versteifte sich nach wie vor, sobald Naruto sich auf seinen Platz begab und man merkte ihr das Unbehagen deutlich an. Erneut warf mir ihr Verhalten die Frage auf, was an dieser Gruppe Jugendlichen so abstoßend war, dass sich beinahe die gesamte Schule innerhalb weniger Tage gegen sie gewandt hatte. Doch auf darauf würde ich wohl noch keine Antwort bekommen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als dem Unterricht zu folgen und vergeblich meine Gedanken am Abschweifen zu hindern, was nicht von Erfolg gekrönt wurde. „Hey, Mauerblümchen“, riss mich plötzlich eine flüsternde Stimme aus den Gedanken. Erschrocken zuckte ich zusammen und konnte noch im letzten Moment einen Aufschrei zurückhalten. Vorsichtig wandte ich den Kopf ein wenig zur Seite, um Naruto zu signalisieren, dass ich ihm zuhörte. „Hast du zufällig einen Kuli für mich? Ich hab meinen vergessen, echt jetzt, und die Tante will, dass wir unbedingt etwas aufschreiben.“ Die Worte purzelten munter aus seinem Mund und ich musste ohne jeglichen Grund lächeln. Er war so vergesslich und unorganisiert. Schnell nickte ich, bevor ich in meinem Federmäppchen nach einem Stift kramte und ihm schließlich einen reichte. „Danke, echt jetzt!“ Als ich zu Tenten blickte, wich ich innerlich vor ihrem tödlichen Blick, welchen sie mir unübersehbar zuwarf, zurück und senkte beschämt die Augen. Was machte ich nur falsch? Wenige Minuten später wurde die Türe plötzlich aufgestoßen und Sakura stand frech grinsend auf der Schwelle. Auf ihrem Gesicht leuchtete ein zufriedener Ausdruck und hinter ihr hörte ich Kiba lachen. Wie berechtigt war meine Sorge? „Naruto, du Baka, beweg deinen Hintern hier her!“, meinte sie schließlich locker und legte den Kopf ein wenig schief, während sie den Blonden hinter mir anstarrte. „Hä? Wieso, was machen wir?“ „Ich hab doch gesagt, der würde es nicht checken!“, meldete sich der Braunhaarige zu Wort und steckte seinen Kopf durch den Türrahmen ins Klassenzimmer. „Komm einfach her und stell keinen doofen Fragen!“, zischte das Mädchen genervt und fuhr sich durchs Haar. „Entschuldigen Sie, was soll das werden!? Soll ich sie alle etwa zum Direktor schicken?“, polterte Frau Yuuhi. In ihrer Stimme schwang nicht der übliche vorsichtige Ton mit, den die Lehrer für gewöhnlich beim Umgang mit dieser Gruppe zu haben pflegten, sondern ein fester, dominanter, der beinahe schon überzeugend klang. Aber eben nur beinahe. „Nein, danke, da kommen wir grad her!“, erwiderte Kiba lachend und deutete anerkennend auf ihren Bauch. „Nicht schlecht. Überfordern Sie sich bloß nicht!“ Die Lehrerin senkte mit geröteten Wangen den Blick, bevor sie sich liebevoll über die Wölbung strich. Im selben Augenblick stolperte Naruto an mir vorbei und blieb versehentlich mit seiner Lederjacke an meinem Stuhl hängen. Er stieß einen Fluch aus, bevor er sich befreite und mir direkt ins Gesicht sah. Im selben Moment war ich von seinen blauen Augen gefangen, in welche ich noch kein Mal geblickt hatte. Sie besaßen das selbe Funkeln wie Sakuras, nur viel intensiver und verspielter. Fasziniert konnte ich mich nicht lösen. „Hey, Mauerblümchen, komm doch mit! Wird bestimmt lustig, echt jetzt!“, schlug er plötzlich euphorisch vor und mir klappte der Mund auf. Im gesamten Klassenzimmer herrschte eine Totenstille und ich spürte all die misstrauischen und fassungslosen Blicke auf mir ruhen. Beschämt schlug ich die Augen nieder und starrte wie so oft schon auf seine Füße. „D-d-danke, a-aber i-i-ich ka-kann nicht“, stotterte ich schließlich mühevoll und konnte beinahe hören, wie meine Mitschüler erleichtert den Atem ausstießen. „Naja, man sieht sich noch, Mauerblümchen!“ Munter stolperte er weiter den Gang entlang, bis er endlich zu seinen Freunden stieß. „Also dann, Frau Yuuhi, viel Spaß Ihnen noch! Hoffentlich werden Sie sich hier ohne mich nicht allzu langweilen!“, lachte Naruto. „Ich hoffe es auch. Aber merke dir, es ist das letzte Mal, dass ich beide Augen zudrücke!“, warnte sie ihn, doch ich hörte bereits an ihrer Stimme, dass sie log. „Sagen Sie jetzt!“, sprach Sakura meinen Gedanken aus und ich musste lächeln. Was für ein bunter Haufen sie doch nur waren. Shakespeare würden sie sicherlich gefallen. Wie er ihre Charakter wohl umgesetzt hätte? Was für eine Rolle hätten sie gehabt? Wären sie Haupt- oder Nebenfiguren gewesen? Es brannte mir unter den Fingernägeln, in Ruhe nach einer Antwort auf diese Fragen zu suchen. Diese konnte ich wenigstens finden. „Hey, Hinata!“, riss mich plötzlich eine Stimme aus den Gedanken. Überrascht blickte ich auf und sah zu Sakura, welche mir frech entgegen grinste. „Das ist das letzte Mal, dass du mit einem Nein davon kommst!“ Mit diesen Worten verschwand sie aus dem Klassenzimmer und zog die Türe hinter sich geräuschvoll zu. Überrascht und Ungläubig starrte ich auf den Ort, an welchem sie eben noch gestanden hatte. All die Gedanken und Gefühle brachen auf, drehten sich in einem allzu schnellen Takt bis sie schließlich in sich zusammenbrachen und eine seltsame Leere, welche immer wieder von den bunten Funken der Aufregung zerrissen wurde, hinterließen. Alles stand Kopf. Nichts lief mehr nach dem gewohnten Muster ab. In diesem Moment spürte ich es zum ersten Mal. Das prickelnde Ziehen der Abenteuerlust, welches sich sanft in meinem Magen bemerkbar machte. Kaum wahrnehmbar und doch unübersehbar. Denn die restlichen Emotionen hatten ihr die Bühne überlassen, damit sie ihren ersten Auftritt in vollen Zügen genießen und auskosten konnte. Für einen kurzen Moment war das Scheinwerferlicht nur auf diese neue Empfindung gerichtet und meine gesamte Aufmerksamkeit wurde gekonnt von ihr in den Bann gezogen. Doch dann tauchten die schwarzen Schatten der Angst urplötzlich auf und überschwemmten ihr noch so schwaches Licht, erloschen das letzte Glimmern, bis nur noch eine bittersüße Erinnerung zurückblieb. Mein Blick klärte sich und ich tauchte wieder auf aus meinem imaginären Schauspiel, dessen einziger Zuschauer ich selbst war. Während ich starr auf mein Heft sah, brannten sich die Zeilen des Theaters unauslöschlich in mein Gehirn ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)