Trägt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht? von Miss_Keks ================================================================================ Kapitel 5: Ein nächtlicher Besucher ----------------------------------- Der Trotz flammte bitter in meiner Brust, während der Durst nach Gerechtigkeit sich in einem sinnlosen Kampf mit meinen, mich zerstörenden Schuldgefühlen verstrickt hatte. Tenten und ich verabschiedeten uns von Lee, welcher mich fest an sich drückte. Unangenehm berührt versteifte ich mich und blickte zu Boden. Leise brodelte die Hilflosigkeit in mir. „Weißt du, wir sollten mal wieder etwas machen. Die letzten Wochen waren so unglaublich ausgefüllt gewesen! Hast du morgen Zeit?“, wollte das Mädchen wissen. Eine Welle von kochender Wut schwappte durch meine Venen. Meine Gedanken rasten, dennoch nickte ich mit einem seichten Lächeln. Sie war meine beste Freundin seit dem Kindergarten. Ein ohrenbetäubender und doch lautloser Schrei füllte meine Brust aus. Ein Schrei nach Ruhe. „Das ist toll! Sollen wir einen Kaffee trinken gehen und dann kannst du ja mitkommen und mit mir einen neuen Sportanzug aussuchen. Was hältst du davon?“ Unverzeihliche Worte bahnten sich ihren Weg zu meinen Lippen, lagen bereits auf meiner Zunge, darauf gefasst, jeden Moment ihr Ziel zu treffen und es zu vernichten. Wir betraten unser Klassenzimmer. Ich senkte den Blick, biss die Zähne mit aller Kraft aufeinander, verbot es mir. Das Zittern auslösend fuhr die Enttäuschung durch meine Hände. Die katastrophale Verwirrung in meinem Kopf mündete in einen herzlosen Kampf. Langsam nickte ich zustimmend und in meine Ohren drang der helle Klang eines mir bekannten Lachens. Meine Augen hoben sich und saugten sich an Sakura, Sasuke und Kiba fest. „Was machen die denn schon hier?“, brummte Tenten neben mir. Schmerz durchzuckte wie ein kurzer Blitz meinen Körper, hinterließ dabei brennende Spuren – Wunden, die noch lange an ihn erinnern sollten. Die Rosahaarige entdeckte mich, unsere Blicke begegneten sich und sie schenkte mir ein breites Lächeln, bevor sie mir kurz zuwinkte. Der bittere Geschmack von Übelkeit breitete sich in meinem Mund auf. Nun legte sich auch die Aufmerksamkeit der beiden, jungen Männer auf mich. Auf Kibas Gesicht lag das übliche, freche Grinsen und in Sasukes Augen glänzte die Akzeptanz. Meine Brust loderte in grellen Flammen auf und ich wäre beinahe zu Boden gesunken, so groß war der Schmerz, die Verwirrung und der Wunsch, mich in einen Ball zusammenzurollen und nichts mehr von all dem mitzubekommen „Du hast doch gesagt, dass wir Recht haben“, flüsterte Tenten neben mir mit ernster Stimme und alles begann sich zu drehen. „Hinata?“, durchbrach eine Stimme plötzlich den Wall aus Emotionen und Gedanken. Irritiert wandte ich mich um und blickte zu Herr Iruka Sensei, meinen Theater Lehrer. „Könnten wir eben kurz miteinander reden?“ In seinen Augen brannte die Verzweiflung wie ein loderndes Feuer. Verwundert nickte ich und trat auf ihn zu. Er führte mich aus dem Raum hinaus in den Flur. „Du musst deinem Lieblingslehrer den Hintern retten!“, platzten die Worte auch schon aus seinem Mund und ich verzog überrascht das Gesicht. Seine plötzliche Bitte und der Drang, mich mit etwas materiellem, leichtem und überwindbarem zu beschäftigen, spülte das eben noch tobende Chaos in den Hintergrund. „W-wie meinen S-sie das?“ „Die Direktorin hat alle unsere Ideen abgeschlagen, da Sie meint, dass sie alle schon zu ausgelutscht waren und keinen mehr interessieren würden! Aber der Anfänger-Kurs ist dieses Jahr so grausig, dass ich zu nichts anderem mehr kommen, als die Extrastunden zu leiten, das wundervolle, aber nicht geeignete Script umzuschreiben und dann sind auch noch die Prüfungen und...“ „Herr Iruka Sensei!“, schritt ich ein, bevor der Lehrer eine Panikattacke bekam. Scheinbar überrascht darüber, dass ihn jemand unterbrochen hatte, sah er mich an. Im selben Moment trat Frau Kaiwu stillschweigend an uns vorbei und zog leise die Türe des Klassenzimmers zu. Selbst sie respektierte meinen Gegenüber und wagte es kaum, seine Handlungen in Frage zu stellen. Möglicherweise lag es an ihrer Leidenschaft zum Theater oder an etwas ganz anderem. Im selben Moment verließen Kiba und Sasuke den Raum und schlichen mit einem kurzen Gruß an uns vorbei. „I-ich helfe ge-gern. Sie mü-müssen nur sagen wie“, sprach ich weiter und dem Braunhaarigem schien ein Gebirge von den Schultern zu fallen. „Hinata! Wenn es nicht falsch rüber kommen würde, würde ich sagen, dass ich dich liebe und du meine Lieblingsschülerin bist! Da ich das aber nicht darf, werden wir einfach so tun, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden, okay?“ Er zwinkerte mir kurz, freundschaftlich zu und ich spürte die Röte in meine Wangen aufsteigen. „Nun kommen wir aber zur Sache! Du bist eine geniale Schauspielerin und kennst dich mit den berühmten Werken der Weltgeschichte besser aus als ich! Könnest du dir bitte ein neues Stück einfallen lassen und den Script dazu schreiben? Bitte?! Ich weiß, dass es viel verlangt ist und du dich auf die Schule konzentrieren musst, aber bitte? Tu es für mich.“ Schnell nickte ich, bevor der Mann sich noch weiter in seinen Erklärungen verlor. „Sag ich doch! Du bist die Beste! Ups... Das hab ich nicht gesagt, okay?“ Ein sachtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen, während meine Finger bereits in dem Verlangen, nach Stift und Papier zu greifen, kribbelten. „Okay, hier sind die wenigen Richtlinien, die du hast“, sprach er weiter und ich hörte gespannt zu, „Es muss etwas Originelles sein, dass nicht bereits in völlig unterschiedlicher Weise benutzt wurde und etwas mit dem Weltgeschehen zu tun haben. Alles andere ist dir überlassen. Du kannst auch Ausschnitte aus anderen Werken benutzten, was ich dir aber nicht raten würde, wegen dem Vervielfällitgungrecht, weißt du ja. Falls du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du dich gerne an mich wenden und wenn sich etwas ändert, geb ich dir sofort Bescheid, okay? Alles verstanden?“ Schnell nickte ich. Erleichterung breitete sich auf seinem Gesicht aus und ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen. Ich war bereits dabei, mich wieder in das Klassenzimmer zu begeben, als er plötzlich erneut meinen Namen aussprach. „Hinata, ich hab gehört, du hast in letzter Zeit Kontakt zu Naruto, Sasuke, Kiba und Sakura.“ Überrascht zog ich die Augenbrauen zusammen. „Wo-woher?“ Er lachte leise kurz auf. „Also stimmt das tatsächlich. Interessant. Sie haben es mir bloß erzählt.“ Nun war ich tatsächlich verwirrt. Waren sie etwa mit ihm bekannt? Woher? Erst als Iruka Sensei wieder das Wort ergriff, merkte ich, dass ich meine Fragen laut ausgesprochen hatte. „Ja, Narutos Vater und ich kannten uns sehr gut. Der Chaot ist wie ein viel zu junger Bruder für mich, dem ich immer wieder aus der Patsche helfen muss. Aber das ist okay, solange er niemanden umbringt und nichts klaut, was er meines Wissens auch noch nicht vorhat. Die restlichen Probleme werden wir irgendwie hinbekommen. Oh nein, ich hab schon wieder zu viel gesagt. Shit, er wird mich umbringen, wenn er es jemals erfahren sollte!“ Peinlich berührt kratze der Mann sich am Hinterkopf und ich konnte mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, das er augenblicklich breit erwiderte. „Du wirst es ihm doch nicht erzählen, oder?“ Bestimmt schüttelte ich den Kopf. „Herr I-iruka Sensei“, begann ich schüchtern. „Wie oft denn noch, lass bitte dieses „Herr“ weg. Es nervt!“ Schnell nickte ich. „W-was meinten Sie, als S-sie sagten, da-dass Narutos Vater und S-sie gute Freu-freunde waren?“, rutschte mir eine intime Frage über die Lippen. Als ich geschaffen wurde, meinte man es nicht gut mit mir, weswegen ich mit einer nicht zu bändigen Neugier und allzu viel Schüchternheit bestückt wurde. Sein Gesicht verfinsterte sie für einen kurzen Moment und in seine Augen trat ein trauriger Ausdruck. Er blickte weg und leckte sich nachdenklich über die Lippen. „Hinata... Das ist ein wenig kompliziert und ich weiß nicht, ob ich es dir erzählen darf, aber Minato...“ „Hey, Iruka, du alter Sack!“, rief plötzlich jemand laut und wir fuhren herum. Naruto wirkte gehetzt und kam doch lachend auf uns zu. „Vergiss nicht, dass wir hier in der Schule sind!“, zischte dieser zurück, jedoch ließ der freudige Unterton in seiner Stimme den Satz wirkungslos erscheinen. „Ja, ja. Also ob es mich interessieren würde. Oh, hey, Mauerblümchen“, grüßte er mich, als er uns erreichte und seine Augen über mich wandern ließ. Peinlich berührt ließ ich den Blick senken. Das Strahlen in seinem Lächeln bereitete mir körperliche Schmerzen und der Gedanke, dass ich vor der Wahl zwischen ihm und Tenten stand, ließ meine Mundwinkel traurig nach unten sinken. Plötzlich pfiff er leise anerkennend durch die Zähen und seine Finger zogen sanft an dem offenen Hemd. „Ist des nicht Kibas?“ Doch ich stolperte erschrocken einige Schritte nach vorne, anstatt seinen Händen Widerstand zu leisen. Im nächsten Moment fand ich mich an Narutos Brust wieder. Fassungslos zog ich scharf die Luft ein und drückte mich augenblicklich von ihm weg. „T-t-t-t-tut mir l-l-l-lei-leid“, stotterte ich und spürte wie mein Gesicht aufflammte. Den Blick hielt ich stur gegen den Boden gesenkt und meine Hände waren aufeinander gepresst. Er lachte leise auf. „Mann, bist du komisch, Mauerblümchen!“ „Ihr scheint euch ja super zu verstehen“, meinte Iruka Sensei mit einem unergründlichen Unterton. „Natürlich, ich verstehe mich mit allen, echt jetzt“, erwiderte Naruto in dem Brustton der Überzeugung. „Natürlich und der Typ, wegen dem du letztes Wochenende im Gefängnis warst, denkt sicherlich auch so, nicht wahr?“ „Der hat es selbst so weit getrieben, echt jetzt! Der soll gefälligst die Finger von Saku lassen!“ „De ist Sasukes Freundin!“ „Na und? Kann ich doch nichts dafür, wenn der nicht auffindbar war und außerdem saß der ja dann doch neben mir, echt jetzt.“ Iruka Sensei seufzte resigniert. „Was würdest du nur machen, wenn ich nicht immer deinen Hintern retten würde?“ „Dann hätte ich doch Itachi, der mich und Teme wieder rausholt, echt jetzt“, erwiderte Naruto munter und ich musste leicht lächeln, obwohl ich vor Scham noch immer im Erdboden versinken wollte. „Was habt ihr hier eigentlich gemacht?“, fragte er dann und wippte auf seinen Fußballen. „Hinata rettet mein Leben!“, erklärte Iruka Sensei und mein Kopf wurde noch einen Tick röter, falls dies möglich war. „Ist ja cool, echt jetzt!“ Plötzlich klingelte es zur nächsten Stunde und mein Kopf fuhr überrascht in die Höhe. Die Zeit war unwahrscheinlich schnell vergangen. „Also, ich muss dann mal los!“, rief mein Lehrer und war im nächsten Moment bereits um die nächste Ecke verschwunden. „Saku ist doch da drin, oder?“, wollte Naruto wissen und ich nickte. Es herrschte eine gezwungene Stille zwischen uns und ich nahm an, dass Frau Kaiwu erneut den Unterricht überzog. „Kommst du heute eigentlich mit? Wir wollten ja heute Abend ins 'Tube' gehen“, ergriff er erneut das Wort. Meine Brust schmerzte. Sie bemühten sich so sehr um mich. Wieso? Was für einen Nutzen stellte ich für sie dar? Drehte es sich überhaupt darum? Weswegen waren sie scheinbar so erpicht darauf, mein Vertrauen und meine Freundschaft zu gewinnen? Ich war nichts besonderes, weshalb also sollten sie mich ausgesucht haben? „Nein“, flüsterte ich nachdenklich. „Schade, wäre sicher lustig gewesen, echt jetzt.“ Im selben Moment öffnete sich die Klassenzimmertüre und Sakura stürmte hinaus. Sie war wie sonst auch immer die Erste, die es verließ. „Baka! Gott sei Dank, ich dachte, ich müsste die nächste Stunde allein rumgammeln!“, rief sie erfreut. Merkwürdig, ihre Beziehung. Er schien ihre Beleidigungen nie ernst zu nehmen. „Tja, der Held ist immer ein wenig zu spät!“, erwiderte er lachend und umarmte sie kurz. „Wann bist du bitte vom Gehilfen zur Hauptperson aufgestiegen?“ „Hey, Mauerblümchen, du hast mich heute echt im Stich gelassen!“, wandte sie sich an mich, was die Option des unbemerkten Entkommens auslöschte. „Du hast mich heute ziemlich im Stich gelassen!“, fuhr sie fort und ich verzog schuldig das Gesicht. „Iruka hat sie bequatscht“, ergriff Naruto meine Verteidigung. „Ach so.“ Sie legte mir überraschend einen Arm um die Schulter und zog mich mit sich. „Wenn ich mich nicht irre, müssen wir ein Stück zusammen laufen, oder?“ Ich nickte ein wenig panisch. Falls Tenten davon etwas erfahren sollte, und so wie ich mein Glück kannte, würde sie das, würde es erneut zu dem heutigen Gespräch führen. Doch dieses Mal würde ich wohl wie eine Verräterin dargestellt werden. Ein resignierter Seufzer entwich meinen Lippen. „Was machen wir jetzt?“, wollte Sakura wissen, „Die anderen kommen ja erst in der dritten...“ „Ich muss jetzt erst mal eine rauchen, echt jetzt!“, erwiderte Naruto, „Dieser Stress mit meiner Mum, weil ich verpennt hab, tut mir nicht gut!“ „Aber wir können Hina ja wohl kaum zwingen, wegen uns Unterricht zu schwänzen! Das hat sie gestern schon gemacht“, warf das Mädchen ein. „I-ich hab frei“, murmelte ich leise, in der Hoffnung, sie hätten es gehört. „Na dann ist ja alles super!“ Nachdenklich biss ich mir auf die Lippe. Das wäre sicherlich keine gute Idee, mit ihnen mitzukommen. „T-tut mir leid, a-aber ich mu-muss lernen“, warf ich schüchtern ein. Wir hielten an und Sakura nahm ihren Arm von meinen Schultern. „Wenn du in die Bibliothek musst, dann sind wir da“, meinte sie und ich sah sie kurz an und lächelte. „Danke.“ In ihren Augen funkelte Freude, die ich nicht begründen konnte. „Kein Ding. Man sieht sich dann noch!“ Mit diesen Worten wandte sie sich wieder ab und machte sich auf den Weg. „Versteh gar nicht, wieso du lernst. Das ist doch voll ekelig, echt jetzt!“, setzte Naruto hinzu und kratze sich mit einem verständnislosen Ausdruck am Hinterkopr. Ich kicherte leise. „A-aber wi-wichtig.“ „Wenn du meinst. Bye, Hina!“ Damit trennten wir uns und ich betrat den von mir wohl am häufigsten besuchten Ort dieser Schule. Die restliche Woche war ich die gesamte Zeit mit dem Stück beschäftigt. Ich dachte kaum noch an den herrschenden Konflikt, hatte alle Treffen abgesagt und war mit den Gedanken ausschließlich bei dem noch immer nicht vorhandenen Szenario. Es waren zu viele Ideen, die jedoch alle nicht vollständig waren. Auch wenn ich ein wenig verzweifelt war, weigerte ich mich, Hilfe zu holen. Es sollte meine Arbeit. Mir war selbst nicht klar, weswegen ich so erpicht darauf war, denn ich wollte nicht die Anerkennung oder gar Lob. Es war mir wohl einfach wichtig, mir selbst zu beweisen, dass ich nicht von anderen abhängig war, obwohl auch in dieser Hinsicht mir nicht klar wurde, woher dieser Drang stammte und seit wann ich diesen Antrieb hegte. Es war bereits spät in der Nacht als ich nach wie vor über meinen Notizen saß und versuchte, sie in einen Ordnung zu bringen und möglicherweise auf die rettende Idee zu kommen. Jedoch wurde all mein Tun nicht vom Erfolg gekrönt. Ein kühle Brise stahl sich durch die offene Balkontüre und schlängelte sich über den Boden, bis sie mich schließlich sanft an den Füßen kitzelte. Fröstelnd schob ich sie unter die Decke. Obwohl es heute kalt war, weigerte ich mich in einem komplett geschlossenem Raum zu befinden, obwohl die Nacht so schön und klar war. Das gesamte Haus schlief und ich bildete mir ein, dass die Sterne heute heller funkelten, weswegen ich für einen kurzen Moment ruhig in den Himmel hinauf blickte, den ich aus meiner Position auf dem Bett nur zu gut sehen konnte. Mir fiel das Zitat einen deutschen Lyrikers ein. „Trägt nicht alles, was uns begeistert, die Farbe der Nacht?“, hatte Novalis gesagt. So ganz hatte ich das nie verstanden. Doch in diesem Moment waren diese Worte wie lebendige Gestalten in meinem Kopf, jeder mit seiner eigenen, abstrakten Schönheit. Lächelnd wandte ich mich wieder meinen Notizen zu. Erneut verlor ich mich darin und es war kein Ende in Sicht. „Hey, Hinata!“, riss mich plötzlich eine freudige Stimme brutal aus den Gedanken. Erschrocken zuckte ich zusammen und sah auf. Mein Schock war viel zu groß, um zu schreien. Naruto stand breit grinsend in meinem Zimmer und blickte mich mit schief gelegtem Kopf an. Er zog sich die Schuhe von den Füßen und ließ sich neben mir auf das Bett sinken. Wie erstarrt beobachtete ich jede seiner Bewegungen. Was hatte ihn mitten in der Nacht zu mir getrieben? Wie hatte er dieses Haus gefunden? War er etwa die Wand bis zu meinem Balkon hochgeklettert? Sollte ich Angst haben? „Wie geht’s dir so?“, fragte er munter, ganz so als sei es etwas alltägliches, dass er so plötzlich und ohne Einladung bei jemandem im Zimmer auftauchte und das auch noch so spät. „G-g-gut“, stotterte ich. Mein Mund war trocken mein Hals rau und meine Hände taub. Ich war wie gelähmt, erstarrt, erfroren. Es spielte keine Rolle, was für eine Beschreibung man benutzte, es lief alles darauf hinaus, dass mein Körper sich wie ein fremder anfühlte. Auch meine Zunge gehörte nicht mehr mir, als sie folgende Worte entfliehen ließ: „Außer vielleicht, dass ein mir fast unbekannter Junge mitten in der Nacht auf meinem Bett sitzt und versucht, mit mir ein normales Gespräch zu führen.“ Der Klang der Stimme wirkte so falsch – viel zu selbstbewusst, von Sarkasmus getränkt. Was war nur los? Seine Augen weiteten sich überrascht, bevor ein kleines, schiefes Lächeln auf seine Lippen trat. „Wow, das war mal eine Antwort, echt jetzt. Aber hör auf, mich so böse anzuschauen, sonst fühl ich mich noch schlecht, was ich noch nie getan habe.“ Erst in diesem Moment fiel mir die Wut in meinem eigenen Gesicht auf und ich ließ diese Maske schlagartig fallen und blickte schüchtern auf meine Hände, deren Zeigefinger sich gegenseitig anstupsten. „Sorry, wir haben uns nur Sorgen gemacht und die anderen werden morgen an deiner Haustüre stehen“, begann er zu erklären und meine Augen wurden mit jedem Wort größer, „Aber ich konnte nicht schlafen, deswegen bin ich hier, echt jetzt!“ War das wirklich die Wahrheit? Doch wieso sollte er lügen? Mein Bett gab einen kurzen, stöhnenden Ton von sich, als er seine Position änderte und sich ausstreckte. „Und da du ja wach bist, kann ich auch gleich bleiben, echt jetzt!“ Der Klang seiner Stimme verband es mir, ihm diesen Wunsch abzuschlagen. Es war, als würde er mich in einem leise, beinahe unhörbaren und vom stolz verdeckten Hilferuf darum bitten, es ihm zu erlauben. Über meine eigene Gutmütigkeit seufzend, warf ich mir die Decke über die schultern und bedeckte mich vollständig mit ihr. „Keine Angst, ich werde dir schon nichts weggucken“, meinte er neckisch und ich blickte für einen kurzen Moment fassungslos in seine himmelblauen Augen. Beschämt sah ich weg und spürte, wie meine Wangen in einem fröhlichen Rot glänzten. Das Blut rauschte viel zu schnell durch meine Venen. Ich gab mir viel Mühe, diese Tatsache und meinen beschleunigten Herzschlag zu ignorieren. Nie zuvor war ich um ein Uhr nachts alleine mit einem jungen Mann gewesen. Es war ungewohnt, vielleicht sogar ein wenig beängstigend. Nervös strich ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr. „Also, womit warst du die ganze Woche beschäftigt? Oder hast du uns ignoriert, wie Tenten sagt?“ Seine Stimme klang ein wenig gereizt in meinen Ohren und ich runzelte überrascht die Stirn, bevor ich auf seine Brust sah. Ich konnte mich nicht dazu überreden, ihm in die Augen zu blicken. „W-w-was hat sie ge-gesagt?“ Wieso hatten sie mit ihr geredet? Wegen mir? War ich tatsächlich so in meine Arbeit vertieft gewesen, dass mir selbst das entgangen war? „Dass du nichts mehr mit uns zu tun haben willst und uns deswegen ignorierst. Stimmt das? Denn wenn ja, dann hab ich dich ganz falsch eingeschätzt, echt jetzt!“ Naruto wirkte bedrückt bei diesen Worte. Fassungslos schüttelte ich leicht den Kopf. „N-nein.“ Meine Antwort wirkte nicht überzeugend. Sie war zu schüchtern, zu zurückhaltend. Doch ich war allzu bestürzt über Tentens Worte. War sie tatsächlich zu solch einer verletzenden Lüge fähig? Ihre Handlungen in den letzten Wochen und Tagen waren Bestätigung genug. „I-ich hab nie s-so etwas g-gesagt!“, verteidigte ich mich. Mir brannten weitere Sätze auf der Zunge, jedoch wagte ich es nicht, diese auszusprechen. „Wieso hat es dann deine beste Freundin behauptet?“ Ich senkte den Blick. Jedes weitere Wort würde gegen Tenten sprechen und sie bloß stellen. Das konnte ich nicht tun. „Wer von euch lügt jetzt?“ Verletzt schlang ich die Arme um meine Knie. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und lauschte dem leisen Kampf in meinem Inneren. Was war das Richtige? „S-sie mag euch nicht“, flüsterte ich schließlich leise und entschuldigte mich gedanklich bei meiner Freundin. Doch die Lüge war immer der Selbstmord eines Geistes, weswegen ich nur in Ausnahmefällen dazu griff. „Und m-möchte, d-dass ich m-mich von euch f-fern halte.“ Für eine Weile herrschte Stille, bis Naruto genervt ausatmete. „Wir sind doch gar nicht so schlimm, echt jetzt!“ Nachdenklich biss ich mir auf die Lippe und meine Augen wanderten erneut zu seiner Brust. Unter dem Band-t-shirt, welches er trug, zeichneten sich nur zu deutlich seine Muskeln ab und mir wurde erst in diesem Moment bewusst, dass ich nur selten junge Männer genauer musterte. Woran das wohl lag? An meiner Scheu oder möglicherweise an ihrem mangelndem Interesse an mir? „I-ihr p-passt nicht in i-ihr Weltb-bild“, erwiderte ich schließlich langsam und fragte mich, ob sie denn in meins gehörten? Er brummte etwas Unverständliches und meine Augen wanderten zu seinem Hals, an welchem eine schwarze Lederschnur baumelte. „Was hast du dann die gesamte Woche gemacht?“, wollte er wissen. „An Iruka Senseis Auftrag gearbeitet“, murmelte ich abwesend, während ich fasziniert seine Armmuskeln beobachtete, die sich bewegten, während er sich auf die Seite drehte und auf einen Ellenbogen stützte. Meine Augen hafteten sich auf das Tattoo auf rechten Schulter. Zwei kunstvolle Federn, die an einem indianischem Medaillon hingen, pragten auf seiner Haut. „Was für ein Auftrag? Der Alte muss aber auch immer jeden überfordern, echt jetzt“ „Ein Theaterstück zu schreiben“, flüsterte ich noch immer fasziniert von den schwarzen Farben, die in einem beinahe perfektem Bild miteinander harmonierten. Meine Fingerspitzen kribbelten in dem Verlangen, darüber zu fahren und zu erfahren, wie es sich unter meinen Berührungen anfühlte. In meinem Kopf herrschte ein dichter Nebel, der mich kaum noch etwas wahrnehmen ließ und gleichermaßen hatte ich mich die letzten Tage nie so konzentriert und klar in den Gedanken gefühlt. Es herrschte Stille, die ich jedoch erst nach einiger Zeit wahrnahm. Nämlich als er sich plötzlich aufrichtete und näher an mich heran rutschte. „Alles okay?“, wollte er wissen, doch seine Stimme war dabei viel zu tief, um besorgt oder gar aufrichtig zu klingen. Erschrocken zuckte ich zusammen und meine Augen fuhren automatisch auf. Unsere Blicke begegneten sich und im selben Moment schallte ich mich innerlich selbst eine Närrin. Das dunkle Himmelblau bohrte sich in mich hinein, fesselte mich und ich konnte mich nicht mehr abwenden. Mein Atem verlor seine Regelmäßigkeit und mein Blut rauschte mir in den Ohren. Verwirrt saß ich da und konnte mich kaum bewegen, so erstarrt und desorientiert fühlte ich mich in diesem Augenblick. Ein schiefes Lächeln trat auf seine Züge, doch er sagte nichts. Sah mich lediglich weiter an. Es wurde zu einer Qual und ich fühlte mich elend. Ich war wie eine in die Ecke gejagte Beute, die nun um ihr Leben zitterte. Weswegen ich solche Angst hatte, wusste ich nicht. „Du solltest wirklich aufpassen, wie du dich verhältst, Mauerblümchen. Wer weiß, ob du nicht vielleicht einen Mann mit deinen Blicken verrückt machen könntest und er die Kontrolle verliert“, flüsterte er plötzlich mit rauer Stimme. Mein Herz blieb stehen, zog sich zusammen und rutschte mir schließlich in die Magengrube, wo es als ein schwerer Klumpen verweilte. Naruto beugte sich ein wenig weiter vor und ich hielt den Atem an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)