Engel tragen nicht immer Flügel von kateling ================================================================================ Kapitel 7: Heiligabend ---------------------- Kapitel 7: Heiligabend Lily streckte sich um den Stern auf die Spitze des Tannenbaums zu setzten, allerdings fehlten immer noch ein paar Zentimeter. Fluchend ließ sie sich zurück auf die Fersen sinken. „Mama, das ist ein böses Wort!“ Lola stemmte die kleinen Hände in die Hüften. Adam lachte und fing sich einen tödlichen Blick des Mädchens ein. Beschwichtigend hob er die Hände. Lily stand noch immer mit dem goldenen Stern in der Hand da und sah ganz unschuldig drein. „Aber wenn der doofe Stern doch nicht will!“ Jetzt konnte Adam nicht mehr. Sie sah einfach nur so unschuldig drein. Er lachte aus vollem Hals. Lily und Lola sahen ihn nur verständnislos an. Atemlos und noch immer glucksend hielt er sich den schmerzenden Bauch. Lily zuckte mit den Schultern und versuchte erneut ihr Blick mit dem Stern. Allerdings kam sie ins Straucheln und nur Adams schnelle Reaktion hielt sie davon ab in den Tannenbaum zu fallen. Er hatte sie gerade noch so am T-Shirt saum erwischt. „Hey, nicht fallen!“ Er lächelte. Lily ließ resigniert die Schultern hängen. „Ich bin einfach zu klein!“ Adam zögerte kurz und nahm ihr dann den Stern aus der Hand. „Ich mach das!“ Vorsichtig stand er auf und konzentrierte sich darauf erst einmal sein Gleichgewicht zu finden. Ein schlanker Arm legte sich um seine Hüfte. Dankbar lehnte er sich ein wenig an Lily und befestigte den Stern. Dann blieb er stehen, auch wenn er dafür spätestens am Abend die Quittung bekäme. Aber er war Glücklich. Das erste Mal seit Majas Tod war er glücklich. Und das lag an Lily und ihren Kindern. An Lola und Mark, die ihn so hin nahmen wie er war, ihn trösteten und zum Lachen brachten. Und an ihrer Mutter, die ihm die Sicherhit gab, dass da jemand war, der ihn auffing. Aber so würde es nicht bleiben. Das war ihm bewusst. In ein oder zwei Wochen hätte Lily eine neue Wohnung gefunden und dann würden sie wieder ausziehen. Und er wäre wieder alleine. Alleine mit seiner Vergangenheit. „Hey, einen Pfennig für deine Gedanken!“ Lily sah zu Adam auf. Irgendwie wurde sein Blick immer trauriger. Lag das an ihr? Weil sie ihn einfach so stützte? Oder dachte er an seine Schwester? Ihre Worte schüttelten ihn aus seiner Trance. Er drehte sich ein wenig zu ihr und sie versank in seinen klaren grauen Augen. Alles um sie herum trat in den Hintergrund. Federleicht legten Adams Lippen sich auf ihre. Lily streckte sich ihm entgegen. Ihre Hand legte sich in seinen Nacken und zog ihn zu sich hinunter. Sanft erwiderte sie den Kuss. Sie wussten nicht wie lange sie so dastanden. In Adams Wohnzimmer, vor dem Weihnachtsbaum, eng umschlungen. Erst die Türklingel ließ sie ertappt auseinander fahren. Lilys Wangen röteten sich, als sie Adam in den Rollstuhl half und dann schon fast fluchtartig das Zimmer verließ um die Tür zu öffnen. Hätte sie es bloß nicht getan. Wie erstarrt blickte sie auf die drei Menschen vor der Tür. Ihre Eltern und …Brad! „Was wollt ihr?“ fragte Lily emotionslos. Sie hatte es schon lange aufgegeben, sich darüber aufzuregen, dass ihre Eltern unvorbereitet vor ihr standen und über Brad reden wollten. Immerhin hatten sie ihren Ex nicht mitgebracht. So wie diesmal. Sie wollte ihn nicht sehen, so viel war während ihrer Ehe schief gelaufen. Und auch wenn sie getrennt waren, so behandelte er sie immer noch, als wäre er ihr Ehemann. „Es ist Weihnachten, das Fest der Familie und der Liebe! Schatz!“ Lilianas Mutter trat näher und sah ihre Tochter bittend an. „Und warum habt ihr ihn dann mitgebracht?“ Sie deutete auf Brad, der hinter ihrem Vater stand und sie begierig anstarrte. „Aber Lily. Er gehört doch auch zur Familie!“ Sie schnaubte empört. „Nicht zu meiner Familie! Er kann mir gestohlen bleiben!“ Brad trat einen Schritt auf sie zu. „Mark und Lola sind meine Kinder! Und du bist meine Frau! Natürlich sind wir eine Familie!“ Verständnislos sah Lily ihren Exmann an. „Du kapierst es einfach nicht, oder? Wir waren eine Familie! Bevor du angefangen hast zu saufen, deine Wut an mir ausgelassen und die Kinder ignoriert hast! Wir sind geschieden! Und ich habe das alleinige Erziehungsrecht für die Kinder! Also lass mich endlich in Frieden!“ Eine große Warme Hand legte sich auf Lilys zur Faust geballten Finger. Sie sah zu Adam hinunter, der fragend zu ihr hinaufsah. Lily schüttelte nur resigniert den Kopf. „Ach deswegen willst du nichts mehr von mir wissen! Du hast dir einen anderen Kerl gesucht?“ Brad trat direkt vor Lily. Sein braunes Haar war fettig, seine Augen blutunterlaufen. Und er stank nach Alkohol. „Und noch dazu ein Krüppel!“ Er lachte dreckig, als Lily ihn böse anfunkelte und nun ihrer seits Adams Hand drückte. „Was willst du von dem da? Der Versager kann es dir ja nicht mal richtig besorgen! Und so jemanden lässt du in die Nähe meiner Kinder?“ Jetzt brannten bei Lily sämtliche Sicherungen durch. Sie ließ Adams Hand los und stürzte sich wütend auf Brad. Verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. „Das nimmst du zurück! Adam ist ein wesentlich besserer Mann als du jemals sein wirst!“ Brad packte sie an den Schultern und küsste sie roh auf die Lippen. Lily wehrte sich, er war um einiges stärker. Kurzerhand biss sie ihm in die Lippe. Er stieß sie von sich, sodass sie ins Stolpern kam und rückwärts in eine Schneewehe stürzte. Bedrohlich ging er ihr nach. Das war zu viel für Lilys Vater. Er hielt seinen ehemaligen Schwiegersohn an der Schulter fest. „Du lässt auf der Stelle meine Tochter zufrieden!“ Als Antwort bekam er lediglich einen Kinnhaken, der den älteren Mann zu Boden schickte. Brad wandte sich Lily zu, die sich gerade aufrappelte und ihn ängstlich ansah. „Nah, nicht mehr so mutig, was Süße?“ grinste er dreckig. Lily rutschte von ihm weg. „Du bist ein elendiger Säufer! Sonst nichts.“ Er packte sie und verpasste ihr eine Ohrfeige, dass ihr Kopf zur Seite geschleudert wurde. Adam sah dem Schauspiel entsetz zu. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht helfen. Er verfluchte seinen Rollstuhl. In Lilys Augen glänzten Tränen. „Du musst immer alles kaputt machen!“ flüsterte sie. Adam stemmte sich mühsam hoch. Er musste ihr helfen. Es waren nur fünf Meter. Fünf Meter. Für ihn war das ewig weit. Aber Lily… Ohne lange darüber nachzudenken stolperte er los. Ignorierte den Schmerz. Sah nur Lilys angstverzerrtes Gesicht. Dann hatte er sie erreicht. Er riss Brad von ihr weg, stürzte mit dem braunhaarigen zusammen in den Schnee. Brad wehrte sich, schlug nach ihm. Traf. Aber Adam gab nicht nach. Mühte sich ihn unter Kontrolle zu bekommen. Den Schmerz spürte er gar nicht. Dann hatte er Brad auf dem Bauch, die Arme auf dem Rücken verschränkt. Keuchend saß er auf dem Braunhaarigen. Sah zu Lily, die sich in die Arme ihrer Mutter geflüchtet hatte und weinte. Die Schmerzen kehrten in sein Bewusstsein zurück, er stöhnte, als Brad sich unter ihm wand. Drückte ihm sein Knie fester in den Rücken, bis der andere still lag. Irgendwo erklang eine Sirene. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen. Adam biss sich auf die Unterlippe. Er durfte jetzt nicht loslassen. Ein Polizeiwagen fuhr die Einfahr hoch, gefolgt von einem Krankenwagen. Zwei Polizisten stürmten aus ihrem Auto und auf ihn zu. „All..s ..n… Ord…ng?“ Er verstand nur die Hälfte von dem, was der junge Mann ihn fragte, also nickte er einfach und ließ es zu, dass sie Brad Handschellen anlegten. Lola kam aus dem Haus und auf ihn zu gestürmt. „Der da hat meiner Mama weh getan!“ Sie zeigte auf Brad und versteckte sich dabei halber hinter, Adam, der noch immer auf dem Boden kniete. Lily fiel neben ihm auf die Knie. „Ad..m? Kann… du... ch...ör…?“ Er sah ihr in die besorgten grünen Augen und sackte dann in ihren Armen zusammen. Lily sah entsetzt auf den schwarzhaarigen hinunter. Er lag schweratmend an ihrer Brust. Ohnmächtig. Er hatte sie gerettet. Er hatte mit Brad gekämpft. Für sie. Dann war plötzlich die Polizei da gewesen. Die Sanitäter kamen mit der Trage auf sie zu und gingen neben ihr in die Knie. Vorsichtig hoben sie Adam aus dem kalten Schnee. Adam stöhnte und blinzelte. „Lil…“ Sie griff nach seiner Hand und drückte sie fest. „Ich bin hier Adam!“ Sie musste ihn loslassen, als er in den Krankenwagen geschoben wurde. „Möchten sie mitfahren?“ fragte der ältere der beiden Sanitäter. Lily sah unsicher zu den Polizisten. Ihre Mutter kam auf sie zu. „Fahr mit Schatz. Ich kümmere mich um die Kinder. Ruf mich an sobald du etwas weißt!“ Dankbar fiel sie ihr in den Arm und stieg dann in den Krankenwagen. Dort wurde sie auf einen Sitz dirigiert und fasste wieder nach Adams Hand. In der anderen hatte man ihm bereits einen Zugang gelegt. Er sah sie mit trüben Augen an, als sie ihm durch das dunkle Haar strich. „Es tut mir so leid!“ flüsterte sie leise. Er lächelte schwach. „Du kannst doch nichts dazu!“ Die restliche Fahrt war es still zwischen ihnen. In der Notaufnahmen wurden sie getrennt. Lily setzte sich auf einen Stuhl und wartete darauf, dass irgendjemand sie über Adams zustand informierte. Sie hatte Angst. Was wenn Brad in ernsthaft verletzt hatte. Nach knapp einer halben Stunde kam eine Schwester auf sie zu. „Sind sie Frau Berger?“ Sie nickte und folgte dann der Schwester in einen Untersuchungsraum. Adam lag auf der Liege, auf dessen kannte ein Arzt saß, der sich bei ihrem Eintreten erhob. „Guten Tag. Ich bin Doktor Simons.“ Liliana schüttelte seine Hand und trat dann zu Adam. „Hei, wie geht’s dir?“ Der schwarzhaarige zuckte mit den Schultern, lächelte aber. „Mach dir keine Vorwürfe. Es ist alles in Ordnung. Sie wollen nur noch mein Knie röntgen. Zur Sicherheit! Wenn nichts auffällig ist, dann darf ich nach Hause!“ Erleichtert küsste sie Adam auf die Wange und errötete sofort. Doch bevor sie noch etwas sagen konnten. Holte ein Pfleger ihn zum Röntgen ab. Lily blieb mit dem Arzt zurück. „Er hat einige Prellungen und Abschürfungen. Dass er ohnmächtig wurde, lag an den Schmerzen, die seine alten Verletzungen hervorgerufen haben. Ich hätte ihn gerne eine Nacht hier behalten, aber er möchte nach Hause. Wenn die Bilder also ohne Befund sind, dann werde ich ihn gehen lassen. Das heißt aber, dass er sich die nächste Woche schonen muss!“ Lily nickte und blieb dann alleine zurück, als der Arzt ging um sich die Bilder anzusehen. Adam kam lächelnd und in einem Rollstuhl zurück in das Zimmer. „Ich darf nach Hause.“ Lily widersprach nicht. Auch wenn, der Arzt vielleicht recht hatte. Aber sie konnte sich denken, dass er sich nicht besonders wohl im Krankenhaus fühlte. Also nickte sie nur und stand auf. „Papa holt uns ab. Er dürfte gleich da sein, wollen wir schon einmal raus gehen?“ Adam nickte, also schob Lily ihn nach draußen und sah wie er erleichtert aufatmete. Seine ganze Körperhaltung wurde lockerer. Lilys Vater fuhr direkt vor dem Krankenhauseingang vor und stieg aus. Er half Adam auf den Beifahrersitz und brachte den Rollstuhl zurück, dann stieg er ein und startete den Wagen. „Wie geht es Ihnen?“ fragte er nach einigen Minuten der Stille Adam. „Ich bin froh, nach Hause zu dürfen.“ Murmelte er und sah aus dem Fenster. Lily legte ihm von hinten eine Hand auf die Schulter. „Wer hat eigentlich die Polizei gerufen?“ Ihr Vater sah in den Spiegel und lächelte. „Lola, das Schlitzohr. Sie hat angerufen und denen etwas davon erzählt, dass da ein böser Mann ist, der ihrer Mama weh tut. Naja, die dachten erst, dass sie einen Telefonstreich spielt. Aber die Kleine ist nicht blöd. Sie hat das Telefon an die Tür getragen, sodass die dort den Streit mitbekommen haben. Da haben sie eine Streife vorbeigeschickt.“ Er lenkte das Auto in die Einfahrt und schaltete den Motor ab. Als er die Beifahrertür öffnete, ging die Haustüre auf. „Ich trage Sie bis zur Tür!“ Adam sah zu dem Älteren und dann auf die verschneiten fünf Meter bis zur Haustür. Wie hatte er die vor einer knappen Stunde überhaupt geschafft. „Dich. Mein Name ist Adam!“ Er hielt Lilys Vater die Hand hin, die dieser ergriff und fest drückte. „Robert!“ Dann wies er Adam an, seine Arme um seinen Hals zu legen und packte den Jüngeren unter den Knien und um den Rücken. Die Fünf Meter zum Haus hatte er schnell geschafft und setzte Adam in seinem Rollstuhl ab. Kaum war Robert zurückgetreten hatte sich Lilys Mutter dem Schwarzhaarigen in den Arm geworfen. Ihr kurzes rotes Haar strich ihm über die Wange. „Danke, dass du unser Mädchen verteidigt hast. Ich bin Jula und…“ Lily zog ihre Mutter von Adam weg und verdrehte die Augen. „Mama, bitte. Lass ihm doch Luft zum atmen!“ Jetzt wurde sie selbst in eine feste Umarmung gezogen, sodass ihr die Luft weg blieb. „Es tut uns so leid Schatz. Wir haben Brad so falsch eingeschätzt. Du hattest Recht. Er ist nicht der Richtige für dich!“ Jula presste ihre Tochter fest an sich. „Mama. Bitte. Es ist doch nichts wirklich Schlimmes passiert! Und das mit Brad ist jetzt ein für alle mal Vergangenheit!“ Es dauerte etwas bis sie ihre Eltern beruhigt hatte. Sie machte den beiden keinen Vorwurf. Sie hatten Brad nie so erlebt, wie sie. Nach einer Tasse Tee und einer Schale Plätzchen verabschiedeten sich ihre Eltern sich schließlich, da sie einen Tisch reserviert hatten und sich noch fertig machen mussten. An der Tür gaben sie Lily noch die Geschenke. Sie sollte sie unter den Tannenbaum legen und später öffnen. Kaum war die Tür hinter ihnen zugefallen, lief Lily die Treppe hinauf und zu Adams Schlafzimmer. Er hatte sich kurz nachdem sie aus dem Krankenhaus gekommen waren zurückgezogen um zu duschen. Da das inzwischen aber schon eine Stunde her war machte sie sich langsam Sorgen. Auf sein leises herein öffnete sie die Tür. Adam saß vor seinem geöffneten Kleiderschrank und hatte bereits mehrere Hosen hervorgezerrt. „Was machst du denn da?“ Er sah zu ihr und seufzte leise. „Ich weiß nicht was ich anziehen soll. Wir sind ja noch zum Essen bei meinen Eltern eingeladen…“ Lily hob eine schwarze Jogginghose vom Boden auf und hielt sie ihm hin. „Hier, jeder wird es verstehen, wenn du die anziehst. Und vielleicht solltest du deinen Eltern absagen. Ich meine, dir geht es nicht so gut und…“ Adam nahm die Hose und drehte sie in der Hand. „Das wird meine Mutter nicht akzepieren!“ Lily strich ihm über den Rücken und gab ihm noch einen grauen Rollkragenpullover. „Ich werde deine Mutter anrufen!“ Er zögerte, gab ihr dann allerdings sein Handy. Leise seufzte er. „Es ist ja nicht so, dass ich sie nicht sehen wollte. Aber hier kann ich mich zurückziehen, wenn irgendetwas ist. Und da sind noch die Treppen…“ murmelte er, während er sich anzog. Lily setzte sich auf sein Bett und wartete darauf, dass der Anruf angenommen wurde. „Woods.“ Adams Dad war am Telefon. Lily atmete tief durch. „Hallo Nicolai. Hier ist Liliana. Kann ich ihre Frau sprechen?“ Sie musste nicht lange warten, dann hatte sie Elisabeth am Telefon. „Ich… Mein Exmann war vorhin hier… er hat sich mit Adam geprügelt. Also besser… Adam hat mich vor ihm beschützt. Es ist nichts Schlimmes passiert. Aber Adam ist ziemlich erschöpft und er möchte heute Abend zuhause bleiben.“ Kurz war es still am anderen Ende der Leitung. „Das ist nicht euer Ernst. Es ist Weihnachten…“ Lily seufzte leise. „Ich weiß, und es tut mir wirklich leid. Aber es wäre wirklich besser, wenn wir heute zu Hause bleiben. Ihr könnt höchstens her kommen!“ Sie wusste nicht wo der Gedanke herkam, aber irgendwie war es doch keine schlechte Idee. Adam hatte bei ihren Worten einen Moment lang skeptisch ausgesehen, dann allerdings zustimmend genickt. „Okay, das bringt zwar meine ganze Planung ziemlich durcheinander. Aber das wird schon. Wir sind so in etwa einer Stunde da! Und du passt gut auf meinen Jungen auf!“ Damit hatte sie aufgelegt. Lily sah zu Adam. „Sie kommen in einer Stunde.“ Adam nickte nur und rieb sich müde das Gesicht. Um sechs Uhr Abends saßen sie zusammen am Esstisch. Adams Mutter hatte die ganze Mannschaft auf Trab gehalten. Bis auf Adam, der hatte Schonfrist. War mit einer Tasse Tee und ein paar Plätzchen ins Wohnzimmer verbannt worden. Andy und Nicolai waren mit den Kindern draußen im Schnee gewesen und hatten einen Schneemann gebaut, während Lily Elisabeth bei den Vorbereitungen fürs Abendessen half. Es gab Bratwürste mit Kartoffelsalat und grünem Salat. Adam saß sichtlich müde am Tisch, aber er lächelte. Andy tat allen auf und unterhielt nebenbei mit kleinen Spielereien die Kinder. Lily hatte unter dem Tisch ihre Finger mit Adams verschränkt. Sie spürte bei welcher Bewegung er sich verspannte und strich ihm dann tröstend über die Finger. Elisabeth beobachtete ihren Ältesten genau. Es war gut, dass sie hergekommen waren, denn ihm war anzusehen, wie erschöpft er war. Aber sie sah auch, wie wohl er sich in Lilianas Nähe fühlte und hoffte, dass das zwischen den beiden wirklich funktionieren würde. Beim Nachtisch konnten Lola und Mark es kaum noch erwarten, endlich ihre Geschenke aufmachen zu dürfen. Und schließlich ließen sie die Kinder ins Wohnzimmer stürmen. Die Erwachsenen folgten langsamer und Andy hob seinen Bruder auf das Sofa. Adam lehnte sich erschöpft in die Polster und beobachtete wie Lola und Mark die Geschenke unter dem Baum sortierten. Zu seiner Überraschung suchten sie nicht nach ihren. Denn das erst, das sie hervorholten gaben sie Lily. „Mach auf Mama!“ Schon am Geschenkpapier war zu erkennen, dass es wohl von den Beiden sein musste. Und tatsächlich packte sie eine Kinderzeichnung aus. „Das sind du, Mark und ich.“ Lily nahm ihre Tochter fest in den Arm. Mark war schon mit einem ähnlichen Päckchen auf dem Weg zu Adam. Mit einem leisen Danke öffnete er das Papier. Das war er mit Mark auf dem Schoß und Lily und Lola im Hintergrund. Auf einer Wolke im oberen Teil des Bildes saß eine junge Frau und lächelte. Mark deutete auf das Strichmännchen. „Das ist Maja! Sie ist immer da und passt auf dich auf! So wie du auf Mama!“ Adams Augen füllten sich mit Tränen. Er beugte sich zu dem jungen hinab und nahm ihn fest in den Arm. „Danke!“ Mark erwiderte seine Umarmung. Danach packten die Kleinen ihre Geschenke aus und freuten sich riesig über die Spielsachen. Adam bekam von seiner Mutter ein Päckchen gereicht. Sie sah ihn unsicher an und Adams Hand begann zu zittern, als er die zierliche Schrift auf dem Umschlag sah. Majas Schrift. „Ich habe es gefunden, als ich ihr Zimmer ausräumte. Ich denke, du bist jetzt bereit dafür!“ Elisabeth lächelte ihn an. Traurig. Vorsichtig öffnete er den Umschlag. Eine Träne tropfte auf den Brief. Für meinen geliebten großen Bruder, weil du mich immer unterstützt und immer an mich glaubst. Frohe Weihnachten Maja Nur ein paar Zeilen, doch sie nahmen Adam jegliche Beherrschung. Er legte das Blatt zur Seite und vergrub das Gesicht in den Händen. Tränen rollten über seine Wangen. Lily streichelte ihm tröstend über den Rücken. Es dauerte etwas, bis er die Kraft fand, das Päckchen zu öffnen. Es war eine gerahmte Malerei. Er kannte das Motiv. Seine Mutter hatte das Foto gemacht. Das war ein halbes Jahr vor Majas Tod gewesen. Sie hatten gemeinsam im Garten auf der Bank gesessen. Maja hatte sich an ihn gekuschelt und den Kopf an seine Schulter gelehnt. Trotz der Tränen musste er lächeln. Die Malerei war wirklich gut. Maja hatte das sehr realistisch gemalt. Jetzt lehnte er sich an Lily, Trost suchend, aber auch irgendwie glücklich. „Danke Maja!“ flüsterte er leise und atmete zittrig durch. Lily schlang einen Arm um seine Schultern und ließ ihn den ganzen Abend nicht mehr los. Ihn störte das nicht. Lily kam aus dem Bad und setzte sich neben Adam auf die Bettkante. Er sah sie aus dunklen Augen an. „Kannst du hier schlafen?“ seine Stimme klang leise und sie verstand ihn kaum. Lange sah sie ihn an. Sein blasses Gesicht, die trüben Augen und seine unruhig über die Decke huschenden Finger. Er konnte seine Hände einfach nicht still halten. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er längst schlief, immerhin hatte Andy ihm vor knapp einer Stunde ins Bett geholfen. Lily selbst hatte nachdem sich Adams Familie verabschiedet hatte noch die Küche aufgeräumt. Sie war sich unsicher, ob sie wirklich hier bleiben sollte. Aber er hatte ihr gegen Brad geholfen. Wegen ihr hatte er ziemliche Schmerzen, also hatte er es sich definitiv verdient, dass sie ihm seine Wünsche erfüllte. Adam sah, dass sie zögerte und rollte sich auf die Seite, sodass er sie besser ansehen konnte. Seine Hände krallten sich in das blaue Laken. Ein leises Wimmern konnte er nicht unterdrücken. „Was ist? Hast du Schmerzen?“ fragte Lily überflüssigerweise. Ihm war deutlich anzusehen, wie schlecht es ihm ging. „Ich kann nicht schlafen.“ Flüsterte er leise, Tränen standen in seinen Augen. Er konnte nicht mehr. Schon seit er im Bett war quälten ihn die Schmerzen. Egal wie oft er sich hin und her wälzte, es wurde einfach nicht besser. Er rollte sich wieder auf den Rücken. So war es immer noch am erträglichsten. Trotzdem war er alles andere als entspannt. Lily strich ihm über das schwarze Haar. „Wie ist es besser? Auf dem Rücken, oder auf der Seite?“ Adam beobachtete wie sie die zweite Decke nahm und längs faltete. „Rücken!“ Ohne auf seine unsichere Stimme einzugehen legte sie eine Hand an seine linke Hüfte und zog ihn ein wenig zu sich. Adam stöhnte schmerzerfüllt auf, was Lily dazu veranlasste, die Decke schnell unter seine linke Seite zu schieben. Dann nahm sie noch das Kissen und schob es zwischen seine Knie. „Besser?“ Überrascht nickte er und entspannte sich langsam, als sie sich neben ihn legte und die zweite Decke über sie beide zog. „Woher kannst du das?“ fragte er. Er kannte das aus dem Krankenhaus, allerdings war das damals, damit er sich nicht wundlag. Lilys Hand streichelte leicht über seine Brust. „Hab nach dem Abi ein FSJ gemacht.“ Dann war es für lange Zeit still. Bis Lily sich ein wenig aufrichtete und sich über ihn beugte. „Entschuldige, wegen heute Mittag. Und was Brad gesagt hat war wirklich nicht nett.“ Adam drehte den Kopf weg, wich ihrem Blick aus. „Er hat doch recht! Was sollst du schon von einem Kerl wie mir wollen?“ murmelte er bitter. „Ich werde mein Leben lang auf den Rollstuhl angewiesen sein! Was kann ich dir also bieten?“ Entsetzt legte Lily ihre Finger an sein Kinn, zwang ihn sanft sie anzusehen. „Adam das ist doch alles nicht wahr. Du bist ein liebevoller, fürsorglicher Mann! Es ist egal ob du laufen kannst oder nicht! Du bist genau so richtig wie du bist! Ich mag dich genauso wie du bist!“ Sie legte ihre Stirn an seine. „Ich mache nur Arbeit! Es gibt so viele Dinge die ich nicht machen kann! So vieles, worauf meine Partnerin wird verzichten müssen. So vieles wobei sie mir wird helfen müssen! Es wäre unfair irgendjemanden an mich zu binden.“ Er wich ihrem Blick aus. Lily sah ihn entsetzt an. Hatte er wirklich so eine geringe Meinung von sich selbst? Dachte er wirklich, er wäre nichts als eine Bürde? „Das stimmt nicht! Du kannst alles machen was du willst!“ Jetzt sah Adam sie doch an verzweifelt und mit Tränen in den Augen. „Ich werde meine Frau nie über die Schwelle tragen können. Ich werde in unseren Flitterwochen nie mit ihr am Strand spazieren können. Ich werde sie zur Geburt unserer Kinder nicht alleine ins Krankenhaus bringen können. Ich werde mit meinen Kindern niemals im Garten Fußball spielen. Ich werde mit meiner Tochter niemals auf ihrem Abschlussball tanzen können…“ Seine Stimme versagte. Lilys Herz zog sich zusammen. Wie oft musste er schon darüber nach gedacht haben. Er hatte sich selbst verboten eine Beziehung einzugehen… Lily kam ihm noch näher, legte ihre Lippen auf seine, küsste ihn sanft. „Adam, sieh mich an! Brad war an unserer Hochzeit so betrunken, dass ich ihn über die Schwelle tragen musste. Die Flitterwochen bestanden aus einem einzigen Tag in einem Einkaufszentrum. Zur Geburt meiner Kinder haben mich meine Eltern ins Krankenhaus gefahren. Er kam erst als alles vorbei war. Mit Mark und Lola hat er nie gespielt und ich bezweifle stark, dass er auf Lolas Abschlussball überhaupt aufgetaucht wäre! Also hör auf dich selbst so in den Dreck zu ziehen!“ Wieder küsste sie ihn. „Ich mag dich so wie du bist. Und wenn das heißt, dass wir über die Schwelle rollen, dass wir nur über die Uferpromenade spazieren statt am Strand entlang. Dass du mich nicht alleine ins Krankenhaus bringst. Dass du mit den Kindern Lego, statt Fußball spielst und der Abschlusstanz deiner Tochter etwas lustig aussehen wird!“ Adam zog sie fest an seine Brust, vergrub das Gesicht in ihrem Haar. „Du würdest mich wirklich nehmen?“ Noch immer klang Unsicherheit mit. Lily schmiegte sich an ihn. „Auf der Stelle!“ Sie lag halb auf ihm, lauschte seinem ruhigen, gleichmäßigen Atem. „Ich mag dich auch Liliana. Sehr.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)