Weihnachtsraid von Erenya ================================================================================ Kapitel 1: Weihnachtsraid ------------------------- Bewaffnet mit allem, was man für einem richtigen Raid brauchte, standen Rundelhouse Code, Touya und Shouryuu vor einem weihnachtlich geschmückten Dungeon. Niemand wusste woher er gekommen war, aber Gerüchten zufolge sollten dort die schönsten weihnachtlichen Geschenke liegen, die sich der menschliche Verstand nur erdenken konnte. „Also, seid ihr bereit?“ Shouryuu sah die beiden Mitglieder von Log Horizon an. Er hatte versprochen sie zu begleiten, da die beiden noch auf einem zu niedrigen Level waren und sie nicht wussten, was sie in diesem Dungeon erwarten würde. Außerdem konnte er dann gleich für Marielle ein Geschenk besorgen und Hien beweisen, dass er der Bessere war. „Wir müssen noch warten. Serara wollte mitkommen.“ Ungeduldig sah Touya gen Akihabara. Sie hatten Serara auf dem Weg zum Dungeon getroffen, als diese sich neue Ausrüstung kaufen wollte. Dabei hatte sie flüchtig irgendetwas gefiept, dass dieser Dungeon sicher das ideale Geschenk für Nyanta-san haben würde. Wie konnte man nur so versessen auf den Chief sein? Diese Frage stellte sich Touya immer wieder. Immerhin kannte Serara Nyanta im realen Leben gar nicht. Überhaupt stellte sich die Frage, wie alt er war. Sicher lag er über dem normalen Alter eines High School Schülers. Da hatten er und Rudi doch noch realistischere Partner, die man beschenken wollte. Rudi hatte Isuzu und er Minori, auch wenn sie wohl mehr Augen für Shiroe hatte. Doch sie war seine Schwester und egal was kommen würde, er hielt zu ihr und zu Weihnachten bekam sie dann auch Geschenke. „Da bin ich!“ Die Jungs sahen auf, als Serara, ihren Druidenstab umklammernd, auf sie zugelaufen kam. Wie sie selbst, schien auch sie für den Raid gerüstet zu sein. Es gab also nichts mehr zu befürchten, solange die Monster nicht wesentlich über ihren Level lagen. Denn dann konnte nicht einmal Shouryuu etwas tun, ohne dass sie alle in der Kapelle wiedergeboren wurden. „Dann gehen wir. Je früher wir wieder nach Hause komme um so überraschender bleibt die Überraschung.“ Shoryuu wusste, dass es auffällig sein würde, wenn Marielle bemerkte, dass Serara und er verschwunden waren. Natürlich erst dann, wenn Henrietta sie von ihren unsäglich anstrengenden Arbeiten entbinden würde. Das konnte zwar ein ganzes Stück dauern, aber wie er Marielle einschätzte, würde sie sich vor diesen Arbeiten drücken und spätestens dann die Abwesenheit von ihnen bemerkten. Wie es bei Log Horizon aussah, wollte er gar nicht erst wissen. Gerade bei einer so kleinen Gilde fiel es auf, wenn jemand fehlte. „Ihr drei bildet ein Team. So bleiben euch beim finalen Schlag die Erfahrungspunkte sicher. Ich werde so gut wie möglich die Monster runterdrücken. Sorgt nur dafür, dass die Monster nicht spawn.“ Touya gefiel dieser Plan nicht. Sicher, Shouryuu war die einzige Hoffnung die sie hatten, wenn sie in einem Kampf verwickelt wurden, aber dass sie sich bis zum finalen Schlag hinter ihm verstecken sollten, entsprach so gar nicht Touyas Vorstellungen. Zumal sie nicht einmal wussten, was für Mobs in diesem Dungeon auf sie warteten. Wenn sie Glück hatten, waren sie auf dem entsprechenden Level von ihnen, so dass sie als Dreiteam dagegen ankommen konnten. Von wegen Glück. Die Monster waren wirklich auf einem Level, dass sie die Flucht antreten mussten, um Shouryuu nicht unnötig zu gefährden. Sie hatten es gerade so zum Eingang des Dungeons geschafft und waren froh, dass sie noch am Leben waren. Taktisch waren sie einfach unorganisiert gewesen, sodass es Touya ärgerte, dass sie nicht auch Minori in ihre Pläne eingeweiht hatten. Mit ihr hätten sie wenigstens einen eben so klugen Kopf wie Shiroe bei sich gehabt. Auch wenn Serara, Rudi und er schon Erfahrung darin hatten, in einem Team zu spielen und alte Teamtaktiken sich für ihre Flucht bewährt hatten, würden sie damit Shouryuu nicht unterstützen können. Touya hasste sich in diesem Moment für seine eigene Schwäche. Dabei musste er doch als Tank für seine Gruppe herhalten können, so wie Naotsugu es tat. „Wir sollten vielleicht zurück nach Akihabara und noch Leute suchen, die mit uns gemeinsam hier rein wollen.“ Auch wenn es weder Touya noch Rudi gefiel, Shouryuu hatte Recht. Sie mussten sich erst neu organisieren, bevor sie den Dungeon wieder in Angriff nahmen. Akihabara war wie immer belebt von Abenteurern und den Menschen des Landes, die ursprünglich die NPCs von Elders Tale gewesen waren. Nun aber unterschied sie außer ihrem Titel nichts von den Abenteurern. Verstanden hatten das viele erst, als sie wirklichen Kontakt mit den Menschen des Landes bekommen hatten. Touya war es besonders bewusst geworden, als er Rudi kennengelernt hatte und im späteren Verlauf heraus gekommen war, dass dieser ebenfalls ein Mensch des Landes gewesen war. Mit Träumen und Wünschen, die sich dank Shiroe erfüllt hatten. „Wo fangen wir an?“, fragend sah Touya zu Shouryuu, der scheinbar schon wusste, wohin sie ihr Weg verschlagen würde. „Wir müssen zu einer kleinen Bar. Ich habe von einer kleinen Gruppe gehört, die ebenfalls einen Raid durch den Weihnachtsdungeon machen möchte. Sie treffen sich dort in der Bar. Vielleicht können wir uns noch ihnen anschließen.“ In der Tat, sich einer weiteren Gruppe anzuschließen, die bereits gewillt war zu kämpfen, erschien wie eine der besseren Ideen. So konnten sie es sich sparen in der Stadt herum zu fragen und eine Enttäuschung nach der anderen zu erleben. „Weißt du irgendetwas über diese Gruppe?“ Touya war neugierig geworden, denn mit Sicherheit würde Shouryuu sie keiner Gruppe überlassen, die nicht in irgendeiner Weise koscher gewesen wäre. Allerdings verriet ihm der Blick des Level 90 Wolf Fang, dass es kaum Informationen über diese Personen gab. „Die Person die diese Information verbreitet hat, ist ein Fox Tail. Ihr Level soll wohl bei 50 liegen. Gerüchten zufolge soll sie aus dem Ausland stammen, weswegen ihre Klasse auf einem japanischen Server kaum zu sehen ist. Sie scheint sich aber auf einem japanischen eingeloggt zu haben, bevor die Apokalypse begann.“ Level 50, dass war nun nicht das Level womit Touya gerechnet hatte, allerdings, mit weiteren Mitgliedern in der Gruppe, die vielleicht auf Shouryuus Level waren, hatten sie eine gute Chance. Das war schließlich das wichtigste, dass sie durch den Dungeon kamen und die Geschenke für ihre Liebsten einsacken konnten. Die Bar war überschaubar. Eigentlich vollständig leer, bis auf eine kleine Gruppe von Spielern, die immer wieder zur Tür sah. Shouryuu wusste sofort, dass dies die Gruppe war, die er suchte und die sie zur Erfüllung ihrer Mission bringen konnte. „Hey!“ Zielstrebig ging er auf die Spieler zu, die seinen Gruß mit einem Kopfnicken erwiderten. Misstrauisch sahen sie an ihm vorbei, zu seinen Begleiter, die aus ihrer Sicht scheinbar alles andere als verlässlich wirkten. „Wir haben gehört, dass ihr noch Leute für einen gemeinsamen Raid im Weihnachtsdungeon sucht. Wir wären gerne mit dabei.“ Shouryuu bemerkte, dass die Truppe ihnen misstrauische Blicke zugeworfen hatte, dennoch änderte es nichts an ihrer Lage, dass sie Hilfe brauchten, auch wenn er lieber den Rückzug angetreten wäre. Die Gruppe schien alles andere als gewillt zu sein sie mitzunehmen. „Wie lautet das Codewort?“ Ein Zwerg hatte sich von seinem Platz erhoben. Sein rotes Haar hing ihm wild ins Gesicht, doch seine grünen Augen blitzten angriffslustig hervor. Shouryuu fühlte sich sofort an Hien erinnert, denn dieser sah ihn auch immer mit diesen herausfordernden Blick an. Er wollte sie eindeutig nicht in ihrer Gruppe haben, doch als ein Stuhl geräuschvoll nach hinten geschoben wurde, zuckte er zusammen. „Genug, Kojiro. Von wegen Codewort! Sie wollen den Dungeon mit uns durchgehen, also sind sie uns herzlich willkommen. Hast du schon vergessen, dass wir nicht darauf achten wollten, welches Level unsere Mitstreiter haben? Jeder soll die Möglichkeit bekommen zu tun was er kann!“ Die Person die sich von ihrem Stuhl erhoben hatte, entpuppte sich als ein zierlicher Charaktere. Sie trug Kleidung, die Shouryuu noch nie gesehen hatte und doch wusste er sofort, wer vor ihnen stand. Ihre schwarzen Gewänder lagen wie die eines Klerikers, allerdings waren sie von Totenschädeln geziert die ihn frech angrinsten. „Entschuldige Kojiro. Er hat einen etwas... eigenen Charakter. Wenn ihr euch uns anschließen wollt, könnt ihr das gerne tun. Mit den Kleinen hinter dir, könnten sie sogar noch die Gruppe meiner Kleinen Gildenmitglieder verstärken. Wenn ihr noch etwas Geduld habt, können wir bald los, allerdings fehlen unserer Runde noch ein paar Mitstreiter.“ Sie bot ihnen einen Platz in ihrer Runde an, doch Shouryuu lehnte mit einer freundlichen Geste ab. Er konnte noch etwas stehen, so alt war er immerhin noch nicht. Was ihm aber keine Ruhe ließ, war die Frage danach, wer noch kommen würde. Die Gruppe der Exorzistin aus Europa, deren Name Shiriko war, schien schon groß genug zu sein. Quer gemischt war alles dabei. Magier, Krieger, Samurai, Heiler usw. Damit hatten sie schon eine recht gute Chance, selbst auf geringerem Level nicht so schnell gegen diverse Monsterklassen zu scheitern. „Auf wen wartet ihr eigentlich?“ Touya war genauso neugierig wie Shouryuu selbst. Daher war er froh, dass der kleine Samurai die Frage stellte, die er sich selbst nicht getraut hatte. „Auf eine Freundin und ihre Begleiter und auf einen Berserker, der uns versprochen hat, uns so gut es geht zu helfen. Allerdings scheinen beide sich zu verspäten.“ Shiriko seufzte leise, setzte sich aber auf ihren Stuhl zurück und lehnte sich gegen die hölzerne Lehne. Egal was man Shiriko nachsagen wollte, sie schien diesen Raid wirklich von Anfang an geplant zu haben, anders als Rudi und seine Gruppe, die eher unorganisiert den Dungeon betreten hatten. Immerhin, vielleicht konnten sie ja nun diese Informationen nutzen, um mehr über ihre neuen Kameraden auf Zeit zu erfahren. „Sagt mal... du, Blondi, seid ihr nicht von Log Horizon? Warum hängt ihr nicht mit euren tollen Gildenleader ab?“ Es war erneut Kojiro, der in äußerst misstrauischer Art die Mitglieder Log Horizons ansprach. Touya gefiel nicht, wie dieser Spieler sie ansprach. Doch er war damit nicht alleine, denn Kojiro erntete schnell einen klangvollen Klaps auf seinen Hinterkopf. „Hör endlich auf! Was sollen andere Gilden nur von uns Rockets halten, wenn du ständig so ungehobelt bist? Nur weil dein Charakter ein Zwerg ist, musst du dich nicht wie einer benehmen.“ Murrend rieb sich Kojiro den Hinterkopf und bedachte Shiriko mit einem ernsten Blick. Aus seiner Sicht war sie einfach zu gutmütig, vor allem wenn es um die Gilden der Tafelrunde ging. „Ignoriert Kojiro einfach. Seit der Apokalypse ist er so grummelig drauf. Er ist aber ein guter Kerl und selbst wenn er nicht so aussieht, kann man sich auf ihn verlassen, in jeder Lebenslage.“ Sich auf jemanden verlassen zu können, dass war wohl das wichtigste in einer Gilde. Rudi hatte das, seit er selbst bei Log Horizon war, mitbekommen. Auch wenn er durch Isuzus Erzählungen von Hamelin erfahren hatten, so schienen solche Gilden doch eher eine Seltenheit zu sein. „Entschuldigt die Verspätung!“ Die Gruppe zuckte zusammen, als die Tür zu der kleinen Bar aufflog und drei Personen, angeführt von einer, die lauthals in die Runde brüllte, die Szenarie betraten. Ohne zu zögern, lief die Anführerin, der neu hinzugestoßenen Gruppe, auf Shiriko zu, die sich erhob und sofort versuchte auszuweichen. Doch sie hatte keine Chance gegen das ungestüme Verhalten des Mädchens. „Shicchi~. Tut mir ja soho~ leid, genau das tut es. Es hat etwas gedauert unseren NEET aus seinem Zimmer zu locken. Er ist ja immer soho~ schüchtern, ist er.“ Ohne Shiriko eine Chance auf Flucht zu lassen, hing sich das Mädchen unter dem Vorwand einer Umarmung an sie und drückte sich fest an sie. Was danach kam, ging zu schnell für das menschliche Auge, denn ohne das jemand anderes den Grund verstand, bekam das Mädchen von Shiriko eine Ohrfeige. „Ich hab dir schon einmal gesagt, du sollst mir nicht an den Po fassen!“ Mit einer Unschuldsmiene wie sie nur von einem verlogenen Engel kommen konnte, sah das Mädchen, den roten Handabdruck Shirikos auf ihrer Wange, zu dieser. Sie schien sich wirklich keiner Schuld bewusst zu sein, auch wenn Shirikos Worte offen kund taten, was ihr Verbrechen gewesen war. „Aber Shicchi~. Ich hab dir doch schon einmal gesagt, dass ich ein offener Perverser bin, genau das bin ich. Du hättest also wissen müssen, dass ich auch deine Rundungen mit einem Klaps begrüße.“ Dieses Bild... Diese Szene gerade, sie erinnerte Rudi und Touya irgendwie an Naotsugu, der ebenfalls davon sprach, dass er ein offener Perverser war. Wahrscheinlich gehörte das doch nicht zu den unsinnigen Sachen die Naotsugu gerne verbreitete und so etwas wie geheime Perverse und offene Perverse gab es wirklich. Vielleicht gab es aber auch nur die kleine Möglichkeit, dass dieses Mädchen Naotsugu einmal kennengelernt hatte und nun seine Sprüche einfach übernahm. Mit ihrem engelsgleichen Gesicht, hatte sie damit augenscheinlich mehr Erfolg, als es der Wächter von Log Horizon jemals hatte. „Beruhige dich endlich, Ravenclaw. Mit deinem ursprünglichen Rang solltest du dir eigentlich etwas Ehre bewahren.“ Ohne dass es das Mädchen bemerkt hatte, war ihre männliche Begleitung, gefolgt dem Kleriker, dessen Geschlecht nicht erkennbar war, da dieser es wohl bevorzugte gut eingehüllt zu sein, auf sie zugegangen und hatte sie, wie eine Katze am Nacken gepackt, um sie von Shiriko wegzuzerren. „Vergiss doch diesen blöden Rang. Der war einmal und ist nicht mehr.“ Schmollend sah sie ihren Begleiter an, der sie nun doch wieder losließ, sich aber zwischen sie und Shiriko schob, die ihn dankbar dafür anlächelte. Noch eine Attacke von dem Mädchen schien sie wohl auch nicht zu überleben, auch wenn ihre Leiste für die Lebenspunkte noch voll war. „Also gut, stellen wir uns erst einmal vor. Wir kennen uns ja alle schon, aber wir haben vier Neuzugänge, die über uns noch gar nichts wissen. Wenn niemand was dagegen hat, fange ich an. Ich bin Shiriko. Da ich aus Europa komme, habe ich die Klasse des Exorzisten. Ich bin die Gildenleiterin der Rockets und mein Level beträgt 56, aber das seht ihr ja denke ich alle. Meine Aufgabe wird es sein, euch zu heilen und euch vor Schäden zu bewahren. Verlasst euch also ganz auf mich.“ Erneut war wieder etwas Zeit verstrichen und das letzte Mitglied ihrer Runde war immer noch nicht aufgetaucht. Um die Zeit zu überbrücken, und vor allem um die Stimmung etwas zu heben, denn abgesehen von Ravenclaw, die immer wieder versuchte Shiriko zu umarmen, war keiner in wirklich guter Laune. „Kojiro, Assassine... Level 52.“ Nur zu deutlich machte Kojiro, dass es ihm nicht gefiel, dass er nun mit Mitgliedern von Gilden, die der Tafelrunde angehörten, kämpfen sollte. Er beugte sich allerdings Shirikos Anweisung, schließlich war sie seine Chefin. Dennoch hielt er seine Vorstellung eher kurz und schrie förmlich danach, dass Nicht-Rockets sich besser nicht auf ihn verließen. „Oh, ich ich ich ich!“ Da keiner außer Shiriko und Kojiro den Mut aufbrachte sich vorzustellen und Schweigen wieder die Runde machte, sah es Ravenclaw als ihre Aufgabe, dieses zu brechen. „Ich bin Ravenclaw. Das hier ist mein zweiter Charakter, ich habe noch einen der auf Level 90 ist, allerdings hat man mich zur Apokalypse in diesen untrainierten Level 20er eingeloggt. Meine Klasse ist der Barde, ich werde euch also mit Sang und Klang zur Seite stehen, genau das werde ich~ Allerdings nur, wenn ihr mir etwas Rückendeckung gebt. Oh und das hier ist Clay, ein Mönch, oder auch ein geheimer Hentai.“ Die letzten Worte Ravenclaws, als sie auf ihren Begleiter verwies, waren geflüstert. Dennoch waren sie laut genug ausgesprochen, sodass Clay ihr einen Klaps auf den Hinterkopf gab. „Ich bin Clay. Level 80 und ehemaliger Moderator in Elders Tale. Anders als Ravenclaw, die mal ein Administrator war, bin ich stolz auf diesen Rang. Jetzt bin ich nur noch ein Spieler, der versucht hier rauszukommen. Und dafür haben wir ihn hier.“ Clays Worte klangen schwermütig, obwohl es zwischen Spieler und Moderatoren kaum einen Unterschied gab, anders als Administratoren, die ein paar mehr Rechte hatten und auf das System zugreifen konnten. Er schien wirklich stolz auf diesen Rang zu sein, so unbedeutend er auch sein mochte, zumindest schien es so, als er sprach. „Das hier ist unser NEET. Er heißt seltsamerweise so und ist auch einer. Im Spiel ist er ein Level 10 Kleriker, aber im realen Leben ist er ein genialer Hacker. Zwar kann er mit seinen Fähigkeiten, ohne Computer, nicht viel erreichen, aber versucht noch hinter das Geheimnis der Apokalypse zu kommen. Deswegen nehmen wir ihn in jeden Dungeon mit, den wir unter die Fittiche bekommen. Der Weihnachtsdungeon war aber für uns drei zu krass. Also brauchen wir eure Hilfe. Die Schätze sind uns egal, ihr könnt unseren Anteil haben. Wir wollen nur in den letzten Raum. NEET vermutet, dass er dort etwas finden kann. Versucht übrigens nicht mit ihm zu reden... er gehört nicht zu der gesprächigsten Sorte.“ Es kam nur ein Nicken von NEET, der sich scheinbar mehr hinter seiner Kapuze vergrub. Die Blicke der Gruppe hingen an ihm, was NEET mehr als nur unangenehm war, denn je mehr Augenpaare auf ihm lagen, desto mehr zog er sich zurück. Menschliche Nähe schien ihm wirklich fremd zu sein, abgesehen vielleicht von seinem Computer, doch nun, da Elders Tale die neue Realität war, wurde es ihm unangenehm. Die Stunden waren bereits verstrichen und nachdem sich alle vorgestellt hatten, fiel es nur schwer, diese Zeit totzuschlagen. Der Berserker von dem Shiriko gesprochen hatte, schien nicht mehr zu erscheinen, weswegen sich die Anführerin der Rockets zurückgezogen hatte um mit ihm zu sprechen. Dass sie enttäuscht war, hatte jeder sehen können, denn mit einem Level 90 Berserker hätten sie noch bessere Chancen gehabt. „Tut mir leid, er schafft es nicht. Wir sollen aber schon einmal vorgehen. Wir sollten zuvor aber unsere Strategie überdenken und die Gruppen einteilen. In jeder Gruppe sind sechs Mitglieder. Das heißt wir können drei Gruppen bilden.“ Shirikos Blick glitt zu Musashi, die fleißig jeden Namen mit seiner Charakterklasse und dem Level mitgeschrieben hatte. Sie verließ sich voll und ganz auf ihre Schreiberin und den klugen Kopf ihrer Gilde. Sie hatten mit ihr schon viele Kämpfe erfolgreich bestritten, weswegen sie keine Sekunde daran zweifelte, dass sie mit den neuen Gesichtern ihrer Gruppe ebenfalls klar kommen würde. Wichtig war zum einen, dass in jeder Gruppe mindestens ein Tank war, damit Magier und Heiler geschützt waren. Außerdem sollte es auch in jeder Gruppe ebenfalls welche geben, die aktiv angriffen und natürlich jemand der heilen konnte. Konzentriert ging Musashi ihre Liste durch. Sie hatte alle Level notiert und schließlich waren auch die Gruppen zusammengesetzt. „Gruppe 1 besteht aus unseren stärksten Kämpfern. Shouryuu, Clay, Nyx, Klir, Nyaru und ich. Gruppe zwei wird unsere Nachhut. Roki, Llyod, Shiriko, Kojiro, Ikkyu und Tatsu. Und dann wäre Gruppe drei. Eure Aufgabe ist es geschlossen all jene Monster zu besiegen, die vor uns weglaufen, weil wir zu stark sind, aber geschlossen dennoch gefährlich werden können. Touya, Rundelhouse Code, Ravenclaw, NEET, Serara und Lyra. Wir verlassen uns auf euch.“ Mit Hilfe von Shouryuus Informationen hatte Musashi die Lage so genau wie möglich analysiert. Immerhin konnten sie für jedes Monster, dass in ihrem Levelbereich lag noch Erfahrungspunkte bekommen. „Und wenn es einen Dungeonboss gibt? Wir könnten dann nur Gruppe eins und zwei schicken.“ Besorgt sah Shouryuu zu den Mitgliedern der der dritten Gruppe. Niemand wusste was am Ende des Dungeons die Geschenke bewachte, aber wenn dieser Dungeon den anderen Regeln folgte, würde dort ein Monster auf sie warten, dass im Schnitt mindestens Level 60 -75 war. Die Gruppe um Touya wäre dann gezwungen im Hintergrund zu bleiben, bis alles erledigt war. „Gerüchten zufolge gibt es keinen.“ Verwundert hob Shouryuu eine Augenbraue, als Clay ihnen das mitteilte. Wenn es ein Gerücht war, hätte er es hören müssen, allerdings war dem nicht so. Er hatte noch gar nichts davon gehört, dass es keinen geben sollte. „Mh. Mal sehen ob an den Gerüchten etwas dran ist. Wir sollten trotz allem vorsichtig sein.“ Shouryuu war froh, dass er nicht alleine mit dem Misstrauen bezüglich dieser Information war. Mit Shiriko hatten sie eine äußerst fähige Party-Leaderin. Vielleicht nicht ganz so fähig wie Shiroe, aber dennoch passabel genug für diese Mission. „Serara! Wir brauchen etwas Heilung!“ Touyas Ruf halte zur der Druidin, die mit dem heilen kaum hinterherkam, weil NEET mit seinem geringen Level einfach nicht genug Schaden wegmachen konnte. „Warte ich helfe dir, Serara!“ Ohne zu zögern setzte Lyra zu ihrer zwölften Beschwörung an. Sie hatte schon alles an Monstern beschworen, was nicht nur defensiv und offensiv gut war in dieser Schlacht. Auch wenn ihr Mana an ihre Grenzen kam, sie tat wirklich alles, um ihre Gruppenmitglieder vor schlimmeren Schaden zu bewahren. Erneut gekräftigt, zog Touya wieder die Aufmerksamkeit der Monster auf sich, sich vollkommen darauf verlassend, dass Rudi mit seinen Feuerbällen einige der Biester beseitigte. Selbst Lyras beschworenen Monster, die kampflustig genug waren, dass sie einige Monster förmlich zerrissen, stellten sich als angenehme Helfer und Erleichterung dar. „Oki Doki~ Zeit für etwas Motivation im Feld~“ Zwischen all dem Klingenklirren und Geknurre, konnte Touya tatsächlich die Musik einer Harfe hören. Just in diesem Moment, spürte er, wie seine Reflexe schneller wurden. Die Bewegungen der Monster schienen mit einem Mal langsamer geworden, sodass er ohne Probleme ihre Angriffe blocken und zurückschleudern konnte. Mit vereinten Kräften schafften sie es die Nachhut schwächerer Monster zu beseitigen, so dass sie auch diesen Part der Höhle frei gekämpft hatten. „Sehr gut, Leute. Hinter dieser Tür liegt eine kleine Kammer. Sie ist frei von Monstern. Wir sollten sie nutzen um Kräfte zu tanken.“ Zufrieden sah Shiriko zu ihrer bunten Meute. Sie hatten es wirklich weit geschafft und die Motivation aller stieg dadurch nur noch mehr. Sie waren alle gewillt, dass Ende zu erreichen. Erschöpft aber glücklich gingen die Spieler durch die in Stein eingelassene Tür und sahen sich in der leeren Kammer um. Sie war perfekt für ein kleines Mahl, denn es war schon der späte Abend und gegen ein Abendessen hatte niemand etwas. Es schien wie ein kleines Fest zu sein. Die Kammer war angefüllt von Stimmen, die miteinander sprachen und sich einander über ihre Zeit vor der Apokalypse austauschten. „Du bist also während deines Auslandsaufenthaltes bei Ravenclaw untergekommen? Ich hatte mich schon gefragt, warum ihr so vertraut miteinander seid.“ Leise lachend schnitt Shiriko ihr Steak, welches sie von ihrer Gildenköchin Nyx gereicht bekommen hatte. Selbst ihre Gildenmitglieder hatten nichts von diesem offenen Geheimnis gewusst, weswegen Ikkyu, der selbst über Ravenclaws Begrüßung verwundert gewesen war, einfach fragen musste. „Jap. Wir haben uns über Elders Tale kennengelernt. Zwar ist sie nur für den japanischen Server verantwortlich, aber es gab im europäischen Raum eine Quest, die mehr als nur unsere Admins überwachen mussten. Wir haben kurz darauf den E-Mail Kontakt miteinander aufgenommen und sind schließlich Freunde geworden. Als ich ihr dann erzählte, dass ich für mein Studium nach Japan kommen will, hat sie sofort ihre Wohnung angeboten.“ Es war wirklich ein großer Zufall gewesen, dass sich alles so ergeben hatte. Das verstanden nun auch die Mitglieder ihrer Gilde. Hätte Ravenclaw nicht ihre Wohnung angeboten, so hätte Shiriko wohl nie die Reise nach Japan angetreten. Sie wäre nie bei der Apokalypse dabei gewesen und damit wären die Rockets auch niemals gegründet worden. „Wir können also von Glück im Unglück sprechen“, scherzte Roki und stahl sich ein Stück Toffel, welche das Äquivalent zur Kartoffel war, von Kojiros Teller. „Da fällt mir ein, woher kommst du eigentlich, Rundelhouse Code? Jeder hat schon etwas über sein Leben vor der Apokalypse erzählt, nur du nicht.“ Shiriko war das Thema mit ihrer Bekanntschaft zu Ravenclaw zu viel. Sie übergab lieber anderen das Wort und die Mitglieder von Log Horizon boten sich doch perfekt an. Vor allem Rudi, der bisher wenig von sich erzählt hatte und von seinem Leben vor der Apokalypse. „Ich? Ach, Miss Shiriko, mein Vorleben ist nun wirklich nicht interessant. Ich weiß ja gar nicht wo ich anfangen sollte, auch wenn ich von stolzer Herkunft bin und-“ „Rudi geht mit mir in eine Klasse. Sein Vater ist im Import tätig.“ Verwundert sah Rudi zu Touya, der bemerkt hatte, wie sich der Zauberer beinahe verstrickt hätte. Was hätte er schon sagen sollen? Dass er ein Mensch des Landes war und es nur Shiroe verdankte, dass er nun zu den Abenteurern gehörte? Nein, dass durfte nicht ans Tageslicht kommen, das hatten sie Shiroe schließlich versprochen. „Im Import? Was importiert er denn genau? Vielleicht kennt er ja meinen Onkel. Der importiert Autos aus Deutschland und Amerika.“ Fieberhaft dachte Touya nach. Nachdem Klirs Verwandter auch im Import tätig war, musste er sich etwas einfallen lassen, aber was? Er kannte sich im Importwesen nicht aus. Hilfesuchend sah er zu Serara, die aber genauso ratlos war wie er selbst. „Mein Vater importiert Seide und Schmuck. Manchmal, wenn ihm etwas ganz besonders gefällt, weicht er aber von seinen Standards ab, so dass er auch schon Früchte aus fremden Ländern mitgebracht hat.“ Erleichterung machte sich bei Touya breit, als er hörte, wie ruhig Rudi von seinem Scheinvater sprach. Es schien wirklich niemanden aufzufallen, dass sie diese Geschichte eben erst ausgedacht hatten. Im Gegenteil, es schienen alle zufrieden damit zu sein. Immerhin hatte Rudi nun so etwas wie eine Geschichte. Etwas, dass ihn noch näher an seine von ihm so sehr bewunderten Abenteurer brachte. „Sollten wir die drei nicht zu uns bitten?“ Nyx mischte sich in das Gespräch ein, als sie dem letzten Mitglied ihrer Runde ein Steak in die Hand drückte. Ihr Blick ging zu Ravenclaw, NEET und Clay, die sich weit abseits von ihnen gesetzt hatten. Die einzige, die davon nicht begeistert schien, war Ravenclaw selbst, die immer wieder aufsah, wenn das Gelächter bis zu ihnen schallte. „Ich meine, wir sind nun ein Team. Vielleicht nur auf Zeit, aber dennoch...“ Es war wirklich ein trauriges Bild, wie abgeschottet die drei von ihnen waren. Sie hatten alle keine Andeutungen gemacht sich anzunähern, auch wenn sie im Kampf Seite an Seite miteinander gekämpft und sich aufeinander verlassen hatten. Für Rudi war dies ein ungewohntes Bild. Auch wenn er zu Beginn abgelehnt worden war hatte er immer die Nähe von anderen gesucht. Alleine schon weil er die Abenteurer bewundert hatte. Ihm war es schließlich auch gelungen Freunde zu finden. Freunde, die selbst wenn sie in anderen Gilden waren, so waren sie doch miteinander verbunden. Rudis Blick glitt zu seinem Magierarmband, dass ein Zeichen dieser Verbundenheit war. Er lächelte, als er an Isuzu und Minori dachte, die gerade nicht bei ihnen waren. Mit Sicherheit würden sie sich über die Geschenke freuen, die sie mitbrachten, wenn sie diesen Dungeon durchgelaufen hätten. „Ich frag sie.“ Rudi stellte seinen Teller beiseite und erhob sich von seinem Platz. Er wirkte nicht unsicher, sondern entschlossen, als er zu den drein rüberging. „Miss Ravenclaw. Willst du und deine Freunde nicht mit zu uns?“ Ravenclaws Augen strahlten vor Freude, als sie diese Frage vernahm. Nur zu gerne wäre sie zu der Gruppe gegangen, doch ein Blick zu Clay verriet ihr, dass sie nicht durfte. Seufzend sah sie wieder zu Rudi und schüttelte den Kopf. „A-Ach was. Wir haben hier soho~ viel Spaß zu dritt, haben wir. Keine Sorge, keine Sorge.“ Sie rang sich ein Lächeln ab, welches Rudi ihr nicht abkaufte. Er merkte, dass sie zu ihnen wollte, doch zwingen konnte er sie auch nicht. „Na dann lasst uns an euren Spaß teilhaben.“ Als Rudi neben sich sah, erkannte er Touya, der mit seinem Teller und dem eigenen, den Magier gefolgt war. Wieder einmal zeigte sich, dass Rudi mit Touya, obwohl sie einander am Anfang nicht sympathisch waren, einen guten Verbündeten gefunden hatte. Ohne auf eine Antwort der kleinen Gruppe zu warten, setzte sich Touya auf einen Platz und begann sein Steak in kleine Häppchen zu schneiden. Dankbar tat Rudi es ihm gleich und nahm seinen Teller auf den Schoß. „Da fällt mir ein, würdest du mir erklären, was deine Aufgaben als Administrator waren, Miss Ravenclaw?“ Rudi hatte das ganze, worüber die Abenteurer immer sprachen, noch nicht verstanden. Die reale Welt, eine Welt, die außerhalb seiner bestand. Es war nur verständlich, dass er dann neugierig war. „Ich? Uhm... Eigentlich hatte ich nicht viel zu tun. Ich habe nur Hacker aufgespürt und sie sanktioniert. Nichts großes. Ehrlich gesagt war mir der Administrator-Titel auch nie wichtig, deswegen hatte ich mir mit Ravenclaw einen zweiten Charakter angelegt. Durch sie hatte ich schließlich die Möglichkeit mit anderen Spielern in Kontakt zu treten.“ „Du hast keinerlei Stolz... deswegen haben sich die anderen uns nicht angeschlossen und sind nach Minami gezogen. Verstehst du es nicht, wir sind die einzigen beiden, die noch bereit sind alle Spieler wieder nach Hause zu schicken.“ Geräuschvoll hatte Clay sein Besteck auf den Teller geworfen, als er Ravenclaws Worte hörte. Sie zuckte zusammen und sah betreten zu Boden. Schweigend, ungewillt noch etwas zu sagen. „Wirklich, ich frage mich, wieso ausgerechnet du ein Administrator geworden bist. Du drückst dich vor dieser Aufgabe, wo es nur geht. Der Beweis ist eindeutig. Du sitzt mit deinem Spielercharakter hier, nicht mit deinem Admincharakter.“ Ohne Ravenclaw die Chance zu geben, sich zu wehren, schimpfte Clay los. Es war eindeutig, dass es schon lange Zeit in ihm gebrodelt hatte. Wahrscheinlich viel zu lange. „Die Admins hätten Akihabara und alle anderen Orte organisieren müssen, aber nein, es waren Spieler. Kapierst du das, Ravenclaw? Du hast als Administrator versagt.“ Jeder seiner Worte stach wie ein Messer in ihr Herz. Er merkte es nicht einmal, oder wollte es nicht merken. „Gehen wir NEET. Soll sie doch eine von ihnen sein.“ Wütend erhob sich Clay und sah zu NEET, der seinem Beispiel folgte. Doch inmitten des Weges blieb er stehen und sah noch einmal zu der geknickten Ravenclaw. Er wandte seinen Blick aber ab, als er sah, das Shiriko ihr Gesellschaft leistete und sie tröstend in den Arm nahm. „Hey, mach dir nichts draus. Er meint es sicher nicht so. Ihr seid doch schon seit der Apokalypse zusammen. Mit Sicherheit liegen einfach nur seine Nerven blank.“ Ravenclaw schüttelte auf Shirikos Worte hin den Kopf. Nein, für sie war klar, dass es nicht einfach nur die Nerven waren. „Er hat Recht. Ich hasse es ein Administrator zu sein. Damals war ich richtig stolz darauf, doch die Spieler fingen an mich zu meiden, bezeichneten mich als Cheater und das alles. Als Administrator hat man diverse... diverse Befugnisse die das Spiel wirklich zu einfach machen. Ich schwöre aber, ich habe sie nie eingesetzt. Ich sah mich immer als normalen Spieler. Als das mit meinem Administrator Account aber nicht ging, habe ich mir diesen Charakter erstellt und von null angefangen.“ Ravenclaws Blick ging zu Clay, der zusammen mit NEET über den weiteren Verlauf dieses Raids sprach. Sie wusste, dass sie ihn verlieren würde, wenn sie nicht ihre Administrator-Karte ausspielte und wenigstens so tat, als interessierte es sie, dass sie solche Recht hatte. Wenn sie nichts tat, war sie ganz alleine in Elders Tale. Auf sich gestellt, ohne eine Ahnung, was sie tun sollte. „Da fällt mir ein, was war euer Plan? Warum wolltet ihr unbedingt in diesen Dungeon?“ Shiriko bemerkte, dass die Gedanken Ravenclaws düsterer, fast schon deprimierender wurden, weswegen sie so gut es ging versuchte das Thema zu wechseln. Immerhin gab es da noch diese eine Frage, die nicht nur sie brennend interessierte. „Wegen NEETs Theorie. Wir suchen bereits seit Wochen Gründe für die Apokalypse, was schief gelaufen ist. Wie ihr alle wisst, sollte es ein neues Update geben. Etwas muss dabei aber schief gegangen sein. Entweder sind wir in diese Welt gekommen, oder diese Welt ist unsere geworden. Egal wie es ist... im Update muss ein Bug gewesen sein oder...“ Kurz hielt Ravenclaw inne und beugte sich zu den anderen vor damit niemand anderes sie hören konnte, außer Shiriko, Rudi und Touya. „Jemand hat das Update gehackt und umgeschrieben. Und dieser Jemand, kommt nicht aus unserer Welt. Bedenkt doch, was wenn ein Mensch des Landes bemerkte, dass er nur Teil eines Spieles ist und plötzlich die Fähigkeit erlangte die Abenteurer zu einem Teil ihrer Welt zu machen. Er könnte wie ein Administrator einfach alles verändern. Ränge, Level, Regeln, Events. Einfach alles. Wie ein... Virus.“ Unglauben machte sich in ihrer kleinen Runde breit. Es war eine Theorie die nicht möglich sein konnte. Eine Theorie die davon ausging, dass die Menschen des Landes in der Lage gewesen sein sollten, ein eigenes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Einfach undenkbar, vor der Apokalypse. Denn erst seit dieser hatten sie bemerkt, dass die Menschen des Landes mehr als nur NPCs waren. Zumindest für Touya und Rudi war diese Möglichkeit nicht so unglaubwürdig wie sie klang. Shiroe hatte schließlich selbst mit seinen Fähigkeiten ein Gesetz dieser Welt, für Rudi, außer Kraft gesetzt und eine neue Subklasse erschaffen. Somit war es doch denkbar. „Die Theorie NEETs ist also, dass dieser NPC auch diesen Dungeon nun erscheinen lassen hat. Wir sind mitgekommen, um zu sehen, ob NEET irgendetwas am anderen Ende findet. Egal wie klein der Hinweis auch sein möge. Als Hacker erkennt er schließlich schneller, wenn jemand etwas am Programmcode verändert hat.“ Auch wenn damit nicht klar wurde, was das eigentliche Ziel Ravenclaws war, die es scheinbar sehr genoss ein normaler Spieler zu sein, so waren ihre Beweggründe für diesen Raid doch sehr verständlich. „Und wenn du diesen sogenannten NPC gefunden hast, Miss Ravenclaw? Was willst du dann tun?“ Rudi hatte dem ganzen Erzählten nicht folgen können. Als NPC war er schließlich ein Teil dieser Welt, die für ihn die Realität darstellte. Er hatte zwar verstanden, dass seine Freunde aus einer anderen Welt kamen und sich danach sehnten dahin wieder zurückzukehren, doch so ganz wollte sein Verstand diese Tatsache nicht erfassen. Sie waren immerhin hier, in seiner Realität. Aus Fleisch und Blut, mit schlagendem Herzen in ihrer Brust. „Was ich... Gute Frage. Ich weiß es ehrlich nicht. Ich weiß nicht einmal, ob ich zurück will. Wisst ihr, damals habe ich angefangen Elders Tale zu spielen, weil ich hier etwas hatte, was ich in unserer Welt vermisste. Abenteuer und eine gewisse Sorglosigkeit. Die Ungewissheit und der Druck unserer Realität hingegen hat mich verschreckt. Ich habe soziale Kontakte aufgegeben und nur noch das nötigste zum Überleben getan. Aber ich hatte nie das Gefühl wirklich zu leben. Außer... wenn ich Elders Tale spielte. Seit der Apokalypse fühle ich mich in jeder Sekunde lebendig. Ich möchte diesen NPC finden und ihm danken.“ Es war die letzte Tür, die vor ihnen verschlossen lag. Wie lange sie nun schon in diesem Dungeon waren, konnte niemand sagen, aber sie waren ihrem Ziel so unglaublich nahe, dass sie jetzt nicht scheitern wollten. „Okay, nehmt jeder noch einen Heil- und Manatrank. Macht euch bereit. Entweder erwartet uns dahinter ein mächtiger Endgegner, oder mehr Geschenke als wir tragen können.“ Triumphierend hob Shiriko ihren Heiltrank und wandte sich an ihre Party. Stolz sah sie in die Reihen ihrer tapferer Krieger. Sie hatten alle ihr bestes gegeben und es war nur noch diese Tür die sie von einem grandiosen Sieg als erste Bestreiter des Dungeons entfernte. „Ihr wisst alle was ihr zu tun habt? Wir handhaben das wie immer. Gruppe drei ihr bleibt zurück und kümmert euch um die Minigegner, die wahrscheinlich kommen. Gruppe zwei und eins kümmern sich um den Endboss. Vergesst nicht, einander zu helfen. Teamarbeit ist die größte Stärke die wir vorzuweisen haben.“ Die Fäuste der Gruppe, mitsamt den Tränken in ihren Händen, schossen in die Höhe. Ein Siegesschrei hallte an den Händen wider und unterstrich nur, wie motiviert die Party war. Shiriko war erleichtert ihre Leute so zu sehen. Es gab ihr das Gefühl, dass sie es wirklich schaffen konnten, egal was passierte. So schmeckte selbst der bittere Heiltrank lieblich süß. Doch sie hielt inne, als sie etwas blinken sah. Schon lange hatte sie dieses Zeichen nicht mehr gesehen und doch konnte sie ihre Neugier nicht zurück halten. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn an den Gerüchten wirklich etwas dran gewesen wäre. Doch sie hatten sich tatsächlich nur als solche entpuppt. Als Gerüchte. Sie standen vor dem riesigen Monster, dass aussah wie ein Rentier, aber in einer auffällig roten Farbe leuchtete. Sein Level lag bei 90, doch die Party schreckte nicht zurück. Dieses Monster musste schließlich irgendwie besiegt werden. So wie sie es geplant hatten, übernahmen die erste und zweite Gruppe das große Ungetüm, während Gruppe drei sich zurückhielt. Es gab jedoch keine Demi-Monster die sie angriffen, so dass sich Rudi und Lyra darauf konzentrierten, von ihrer Entfernung aus den anderen beiden Gruppen zu helfen. Touya hatte sich hingegen schützend vor seiner Gruppe aufgebaut und parierte Angriffe, die nur halb soviel Schaden anrichteten, dank Ravenclaws Support. Das was er an Schaden einsteckte, wurde von NEET und Serara geheilt, die sich zu teilen aber auch um die Mitglieder anderer Gruppen kümmerten. „Die Hälfte ist geschafft, Leute!“, rief Shiriko, die mit Freuden sah, dass die Lebensleiste Stück für Stück sank. Ihr Teamwork war wirklich perfekt und es schien nichts zu geben, was sie in dieser Formation aufhalten konnte. „Zu einfach...“, nuschelte Clay, der erneut einen skillreichen Angriff in das dichte Fell des Gegners grub. Schon den ganzen Kampf über, war er misstrauisch geblieben, denn der Gegner schien kaum eine Abwehr zu besitzen und die Angriffe kratzten sie kaum. Irgendetwas stimmte nicht. „Verdammt was ist das?“ Aufgeschreckt durch Musashis Ruf, sah Clay zu seinem Gruppenmitglied. In regelmäßigen Abständen hatte sie die Werte des Monsters im Auge behalten und dabei Anweisungen gegeben, wann welcher Angriff am effektivsten war. Doch nun gab es keine weiteren Anweisungen mehr, sondern nur eine entsetzt dreinblickende Kannagi. „Leute, zieht euch zurück! Etwas stimmt nicht. Die Abwehr steigt, genauso wie der Angriff. Wir brauchen sofort einen Buff der unsere VTK erhöht.“ Sofort, auf Befehl Musashis wichen alle offensiven Krieger zurück. Das rentierartige Monster bäumte sich auf und wechselte seine Farbe von rot auf gelb. In wenigen Sekunden änderte sich die Atmosphäre schlagartig und das, was die Gruppe für so einfach gehalten hatte, wurde zur erwarteten Herausforderung. „Seine Lebenspunkte! Es hat sich wieder vollkommen geheilt?“ Die kleine Kammer begann zu beben, während das Monster sich aufbäumte und ein Brüllen erklingen ließ. Sein Blick fokussierte sich auf die dritte Gruppe, die einem feurigen Angriff gerade rechtzeitig ausweichen konnte, sie aber in alle Richtungen versprengte. „Lyra! Aus dem Weg!“ Shiriko erkannte, dass selbst mit einem Verteidigungsbuff Lyra den nächsten Schlag nicht überleben würde, wenn nicht etwas passierte. Doch sie war auch zu weit entfernt, um sich schützend dazwischen zu werfen. Lyra sah gelähmt vor Angst wie die Klaue Monsters auf sie niedersauste. Sie rechnete bereits mit diesem Leben ab, und überlegte, wie sie sich bei Shiriko für ihr versagen entschuldigen würde. Doch... Es verging ein unendlich langer Moment, der Lyra wie eine Ewigkeit vorkam und sie nicht von diesem Spielleben trennte. Als sie genauer hinsah, erkannte sie auch wieso. Sowohl Rudi als auch Touya hatten sich schützend vor sie gestellt und den Angriff geblockt. Sie waren umhüllt von einem farbigen Schutzmantel, deren Ursprung von Musashi kam, die rechtzeitig noch in der Lage gewesen war, zu erkennen was die Jungs vor hatten. Doch die Gefahr war noch nicht gebannt, denn ewig konnten sie diesen Angriff nicht parieren und Musashis Verteidigungsskills brauchten längere Zeit um zu regenerieren, als der Effekt selbst hielt. „Es wäre wonderful, wenn wir nun etwas Hilfe bekämen.“ Rudi, der als Magier selbst nicht viel Abwehrkräfte besaß, litt deutlicher unter dem Kraftaufwand, denn die Wirkung des Buffs wurde von Sekunde zu Sekunde schwächer. Selbst Touya, der als Samurai wesentlich robuster war, hatte stark mit sich kämpfen. Just in dem Moment, als der Buff aber seine Wirkung verlor und beide damit abschlossen platt gemacht zu werden, wurde das Gewicht leichter. Die Erde bebte kurz und als Rudi und Touya aufsahen, erkannten sie Kojiro und Shoryuu, die kampfbereit vor dem am Boden liegenden Rentier standen. „Nicht schlecht, für einen Tafelrundentypen.“ Grinsend sah Kojiro zu Shouryuu der es ihm gleich tat. Nach all dem Misstrauen war es gut von dem Zwerg gelobt zu werden, auch wenn in seinen Worten noch etwas spottendes lag. „Du bist auch nicht schlecht für einen Zwerg.“ Shouryuu wollte das Kompliment erwidern, denn er war weder Hien noch Zwergen gerne etwas schuldig. Die dritte Angriffswelle des Rentiers war vorbei und übergegangen zu Stufe zwei. Schnelligkeit und Angriff waren gestiegen, sodass die Party mehr als nur Probleme hatte, gegen das Monster anzukommen. Shiriko hockte hinter einem Steinhaufen und schluckte gerade einen Manatrank. Ihre aller Kräfte waren erschöpft und noch dazu hatte der Gegner es geschafft ihre Strategin außer Gefecht zu setzen. Vorsichtig lugte Shiriko hinter ihrem Schutzwall hervor und blickte auf den Körper Musashis, der sich in wenigen Sekunden auflösen würde, wenn man sie nicht rechtzeitig wiederbelebte. Sie war die einzige, die nahe genug an Musashi war, um das zu erledigen, allerdings brauchte sie mindestens zwei Tanks, die sie abschirmten. Doch keiner ihrer Gruppe war schnell genug, nachdem dieses Biest nun auch mehr Geschwindigkeit auf Lager hatte und in schnelleren Abständen angriff. Sie hatten nur noch fünf Sekunden. Fünf Sekunden, die nun über Sieg oder Niederlage entschieden. Fest umklammerte Shiriko ihren Stab und holte tief Luft. Sie war bereit sich für den Sieg ihrer Party zu opfern. Im Vergleich zu ihrer Strategin war sie einfach zu ersetzen. Entschlossen wollte sich Shiriko erheben, als sie inne hielt. Ungläubig sah sie auf das Schlachtfeld. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass einer aus Gruppe drei sich opfern wollte schon gar nicht, dass es NEET war, der todesmutig auf das Feld lief, bereit einen Gegenstand zu verwenden, der sie ganz leicht wiederbeleben konnte. Das war doch Wahnsinn. Als schwächstes Glied seiner Gruppe, war es gerade er, der besser im Versteck blieb und wartete, bis alles vorbei war. „Komm zurück, NEET!“, rief sie. Doch zu spät. Das Rentier hatte NEET bemerkt und seinen Angriff auf ihn losgelassen. Sie sah, wie die Kralle des Monsters sich in den Boden rammte. Ein Aufschrei entglitt Shirikos Kehle, denn damit hatten sie noch ein Mitglied verloren, ein unnötiges Opfer, dass aufgrund einer todesmutigen Tat gezollt war. Es kam aber anders. Als die Kralle des Rentiers sich hob und NEET immer noch aufrecht dastand. Hinter ihm stand Musashi, wiederbelebt und genauso verwirrt wie Shiriko, die das ganze Schauspiel nicht so recht fassen konnte. Erneut schoss die Kralle des Rentiers auf NEET und Musashi nieder, doch wie schon zuvor, blieben beide vollkommen unbeschadet. Was war das nur? Wie konnte ein Level 10 Charakter dem standhalten? Shiriko verstand es nicht, ahnte aber, nachdem die Erinnerung an diese eine Nachricht wiederkam, was passiert war. „Nutzen wir die Chance, ANGRIFF!“ Es war die Gelegenheit um die nächste Angriffswelle zu stoppen, solange das Rentier wirklich auf NEET fokussiert war. Die letzte Angriffswelle war erledigt, genauso wie das Rentier, dass gen Boden fiel und sich auflöste. Zurückblieb nur noch ein Goldschatz, der jenem Krieger gehörte, der den letzten Schlag ausgeübt hatte. Doch in Anbetracht des langen schweren Kampfes, den sie geführt hatten, war dieses Gold wertlos. „Wir... Wir haben es wirklich geschafft“, flüsterte Shiriko und sah zu ihrem Kameraden. Sie waren alle erschöpft und erleichtert zugleich, denn sie hatten wirklich als erste den Weihnachtsdungeon überstanden. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Abenteurer das realisierten und in tosenden Jubel ausbrachen. Sie waren alle noch da. Hatten alle von den Erfahrungspunkten profitiert und nun konnten sie die Früchte ihrer Arbeit, in Form der mysteriösen Geschenke einsammeln. Noch während die Party feierte und sich freute, waren Clay und NEET zu der kleinen Tür gegangen, die das Rentier beschützt hatte und deren Schloss nach dessen Niederlage abgefallen war. „Du weißt schon, dass es Ärger gibt, wenn sich das herumspricht NEET. Du bist und bleibst eben ein Hacker.“ Clay war als Einziger nicht verwundert gewesen, das NEET ohne Schwierigkeiten gegen das Rentier bestanden hatte. Doch im Zuge der letzten Angriffswelle, war dieses Ereignis auch in Vergessenheit geraten. „Es hat sich angeboten... und wir sind ein Team. Warum meine Fähigkeiten nicht nutzen um dem Team zu helfen?“ Tiefer zog sich NEET seine Kapuze ins Gesicht, um nicht zu zeigen wie verlegen er eigentlich war. Es war schon peinlich, so in Aktion zu treten, aber er hatte es als einzige Möglichkeit gesehen um das Blatt doch noch zu ihrem Vorteil zu wenden. Ohne die anderen wären sie nun schließlich nicht hier, in der geheimen Kammer, in der sich Geschenke ohne Ende aufeinander stapelten. „Und dafür haben sie gekämpft... lächerlich. Also... findest du irgend etwas?“ Ungeduldig sah Clay zu NEET, der tiefer in den Raum ging. Gut sah er sich um, aber er schüttelte schon bald mit dem Kopf. Nichts. „Also war alles umsonst.“ Wütend trat Clay gegen die Tür der Kammer. Sie waren also wieder einmal bei Null angekommen. Er hatte sich mit Ravenclaw zerstritten und sie hatten keine Spur des NPCs gefunden. Das alles war doch von Anfang an dazu bestimmt gewesen zu scheitern. Die Kammer war wirklich über und über mit Geschenken gefüllt, sodass es Shiriko fast schon unfair vorkam, dass das alles nun ihnen zustand. Das war alles mehr, als sie sich erhofft hatten. „Das ist wirklich unglaublich. Einfach... Fantastisch.“ Staunend traten sie näher an den Geschenkeberg und überlegten schon, wie sie das verteilen sollten. Sicher, jeder von ihnen hatte jemanden in Akihabara, den man beschenken wollte, aber der Rest der Geschenke... Warum sollten nicht auch andere Teil an ihren Erfolg haben? „Okay, wir nehmen alle mit und verteilen sie an die Kinder der Menschen des Landes und die Abenteurer. Es sind genug für alle da.“ Shiriko hatte ihre Entscheidung getroffen. Die ganze Zeit hatten die Gilden der Tafelrunde soviel für sie getan. Die Rockets konnten sich da nicht einfach zurücklehnen. Jeder konnte etwas beitragen, selbst wenn das nicht 24 Stunden an jedem Tag war. Aber heute, heute konnten sie etwas tun. Nur weil sie in diesem Spiel gefangen waren, mussten sie ja nicht ein geschenkeloses Weihnachten feiern. „Du bist gegangen ohne etwas zu sagen? Weißt du was für Sorgen ich mir gemacht habe?“ Die Begrüßung Isuzus hatte sich Rudi anders vorgestellt. Doch er konnte sie verstehen, immerhin waren sie bereits seit Tagen weg gewesen und er hatte nicht die Gelegenheit gefunden ihr in irgendeiner Weise zu vermitteln, dass es ihm gut ging. Ihre Wut war damit berechtigt, wobei diese schnell wieder verflogen war, denn stürmisch schloss sie ihn in die Arme. „Miss Isuzu, mir geht es gut und ich habe dir etwas mitgebracht.“ Vorsichtig löste sich Rudi aus der Umarmung der Bardin und zog ein kleines Päckchen aus seiner Tasche. Lächelnd hielt er es Isuzu entgegen, die sprachlos darauf blickte, es aber dennoch entgegen nahm. „Rudi... aber das...“ Ihr wurde sofort klar, was ihr Rudi gemacht hatte. Welche Strapazen er für sie auf sich genommen hatte. „Du bist verrückt...“ Verrückt das war Rudi in der Tat. Umso erleichtertet war sie, dass er heil zu ihr zurückgekehrt war und das pünktlich zu Weihnachten. Sie war auch nicht die einzige, denn auch Minori hatte sich Sorgen um ihren Bruder gemacht. Wütend sah sie ihren Bruder an, der sie entschuldigend anlächelte. Da er gut bei Rudi aufgepasst hatte, zog er ihr Geschenk hervor und reichte es ihr. „Frohe Weihnachten.“ Wie hätte Minori da noch wütend sein können, wenn sie ein Geschenk von ihrem Bruder bekam. Noch dazu eines, wofür er so viele Mühen auf sich genommen hatte. Das schönere Geschenk war aber, dass er nicht über die Kathedrale wieder zu ihr zurückgekommen war. Zufrieden sah Shiriko zu ihren Gildenmitgliedern, die die Geschenke verteilten. Es war ein schönes Gefühl alle diese strahlenden Gesichter zu sehen. Sie, die Rockets, eine unbekannte Gilde, hatten es geschafft. Sie hatten ein kleines Wunder vollbracht. „Tut mir leid, dass ich nicht dabei sein konnte.“ Shiriko sah auf den Becher dampfenden Tees, der ihr von einer berüsteten Hand entgegen gehalten wurde. Dankbar sah sie auf und nahm den Becher entgegen, an dem sie sofort nippte. „Schon okay, du hattest sicher etwas wichtiges für die Tafelrunde zu erledigen, Crusty. Wie du siehst haben wir es dennoch geschafft. Danke aber, dass du uns geholfen hättest.“ Geräuschvoll, weil seine Rüstung klapperte, setzte sich Crusty von D.D.D neben Shiriko, die einen großen Schluck von ihrem Tee nahm. „Es gab Probleme bei Lenessia.“ Verwundert sah Shiriko zu Crusty. Er war ihr nie wieder Typ vorgekommen, der sich für irgendetwas rechtfertigte. Sie hatte das nicht einmal von ihm erwartet. Aber wenn der Ritter der wie ein Irrer auf dem Schlachtfeld kämpfte, sich bei ihr rechtfertigen wollte, würde sie ihn nicht aufhalten. „Es ist wirklich okay. So anstrengend es war, ich hatte auch verdammt viel Spaß. Nein... Wir alle hatten viel Spaß. Und das macht Elders Tale so besonders. Du lässt dich auf Menschen ein, die du eigentlich gar nicht kennst und vertraust ihnen blind. Selbst nach der Apokalypse hat sich das nicht geändert.“ Sie war wirklich stolz auf das was sie mit ihrer Gilde und ihren neuen Bekanntschaften erreicht hatte. Dadurch hatte sich sogar ihre Bekanntenliste um ein paar Namen erweitert. Schon alleine deswegen hatte dieser Raid sich gelohnt. „Ich muss dann mal, Crusty. Danke für den Tee.“ Shiriko griff in ihren Beutel und zog zwei Geschenke hervor, die sie dorthin stellte, wo sie vor wenigen Sekunden noch gesessen hatte. „Für dich und Prinzessin Lenessia.“ Sie hatte noch mehr Spieler die sie beschenken wollte. Immerhin sollte wirklich jeder einen Schatz aus dem Weihnachtsdungeon bekommen. Die Feier, ausgerichtet von der Crescent Moon Alliance, war im vollen Gange, doch Clay konnte das Fest einfach nicht genießen. Seine ganzen Bemühungen, all das Hoffen, es war umsonst gewesen. Nun gab es nur noch ihn, der zusammen mit NEET versuchte einen Weg für alle hier herauszufinden. Er konnte sich einfach nicht damit abfinden, dass sie die Gefangenen irgendeines NPCs waren. „Hier bist du...“ Clay hatte wirklich mit jeden gerechnet, aber nicht mit der Person, die er so unfair behandelt hatte. Er hatte ihr Dinge an den Kopf geworfen die nicht zu 100% gerechtfertigt waren. Schließlich war sie an seiner Seite geblieben und hatte versucht ihm zu helfen. „Haben du und NEET etwas herausgefunden?“ Just als sie diese Frage stellte, sah Clay zu ihr. Er hatte wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit. Er hatte nicht einmal damit gerechnet, dass sie jetzt bei ihm sein würde. „Nichts. Es war alles umsonst.“ Es wurmte ihn immer noch, denn er hatte darauf gehofft, zu diesem Weihnachtsfest bei seiner Familie zu sein. Zusammen mit den anderen Spielern. Zum Glück hatte er keine Freunde, denen er von diesen Plan hätte erzählen können. So war niemand, außer ihm enttäuscht. „Umsonst würde ich das nicht nennen. Wir haben viele Spieler kennengelernt, auf die wir uns verlassen können. Auch wenn es nicht soho aussieht, sie haben alle dasselbe Ziel. Sie wollen zurück in unsere Realität, genau das wollen sie. Aber bevor wir das können, müssen wir uns in dieser Welt heimisch fühlen, müssen wir. Wenn mich das zu einer schlechten Administratorin macht, dann ist es eben soho. Dennoch, gemeinsam können wir unser Ziel erreichen, wenn du noch willst.“ Lächelnd hielt Ravenclaw ihm ein Geschenk entgegen. Er war wirklich sprachlos, doch eigentlich hätte er mit so etwas rechnen müssen. „Erst nimmst du mit NEET deinen Hackererzfeind auf und nun vergibst du mir. Du bist echt ein verrücktes Huhn“, wisperte er und nahm das Geschenk an. Seinerseits zog er aber ebenfalls ein Geschenk hervor, welches er Ravenclaw gab. „Du weißt doch, ein Rocket gibt niemals auf, dayo~“ Lauthals lachte Clay los. Ja, mit so etwas musste er eben rechnen. Dass sie nicht der Vorzeige-Administrator war, dass sie lieber ein normaler Spieler war und dass sie einer Gilde beitrat, obwohl sie ihre eigenen Pläne hatten. „Meinst du Shiriko hat noch etwas Platz in ihrer Gilde? So für zwei Leute?“ „Natürlich, für Freunde hat sie sicher immer Platz und gemeinsam finden wir sicher auch vor der Tafelrunde einen Weg hier raus.“ Gelächter erhellte die Stille der Nacht. Gelächter, dass für diesen einen Moment ein Gefühl vermittelte, dass alles in Ordnung war, so wie es gerade, just in diesem Moment war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)