Stairway to the Skies von Swanlady (ItaSaku) ================================================================================ Kapitel 3: trotzig. ------------------- Ein leises Rascheln lenkte Sakura ab. Sofort flog ihr Blick in die Richtung der Bäume, deren Kronen sich dem Abendwind beugten, der über den See fegte. Auch Itachi sah lauschend dorthin, was Sakura wenigstens bestätigte, dass sie sich das Geräusch nicht eingebildet hatte. „Du solltest gehen“, sagte Itachi nachdrücklich, was Sakura als Beleidigung aufgefasst hätte, wüsste sie inzwischen nicht, dass er es nicht darauf anlegte, irgendwelche Gefühle in ihr auszulösen – er wollte sie weder ärgern noch loben. Für ihn zählten ihre Fähigkeiten, mehr noch: für ihn war sie ihre Fähigkeiten. „Du solltest gehen und es noch einmal überdenken“, präzisierte Itachi nach kurzem Überlegen und beachtete die schwankenden Bäume nicht mehr. Stattdessen fixierte er sie abermals mit einem Blick, der es Sakura unmöglich machte wegzusehen. „In Ordnung“, murmelte sie, bevor sie sich davon abhalten konnte. Sie wusste selbst nicht, wieso sie es ihm versprach, obwohl sie doch schon längst wusste, dass sie nicht darüber nachzudenken brauchte. War es, weil Itachi jemanden mit seiner bloßen Präsenz verunsichern konnte? Wenn er sie mit einem einzigen Blick dazu bringen konnte, ihren Entschluss noch einmal in Frage zu stellen, dann wollte Sakura nicht wissen, wie er einen Feind dazu zwang, ihm all seine Geheimnisse zu verraten. Die Autorität, die Itachi Uchiha ausstrahlte, war beeindruckend, aber sie war auch so unglaublich unfair, dass Sakura frustriert die Lippen aufeinander presste. Alle beugten sich seinem Willen, er kannte es nicht anders. Auch sie tat es, obwohl sie sich versprochen hatte, standhaft zu bleiben. „Gute Nacht, Itachi-san“, presste sie hervor. Das Gefühl der Wut war längst verschwunden, hatte der Resignation Platz gemacht. Sie ahnte, dass sich ihre Wege bald noch einmal kreuzen würden, wenn sie ihm ihre endgültige Antwort geben musste, doch bis dahin wollte sie seine Gesellschaft lieber meiden. Sein Angebot war schon verwirrend genug – da musste er sie mit seinem kryptischen Verhalten nicht noch weiter aus dem Konzept bringen. „Gute Nacht“, erwiderte er ruhig und Sakura wandte sich ab, ohne ihn auch nur ein letztes Mal anzusehen. Nichts an diesem ohnehin schon unvorhergesehenen Treffen war so gelaufen, wie sie es sich ausgemalt hatte. Eigentlich hatte sie sich lediglich bei ihm entschuldigen wollen, aber selbst das war zum halben Desaster geworden. Nun musste sie sich auch noch mit unnötigen Gedanken herumplagen. Ja, das war Itachis Angebot nämlich – absolut unnötig. Sakuras Leben war voll von geregelten Abläufen, war es schon immer gewesen und sie wollte auch nicht, dass sich das änderte. Die Freundschaft zwischen Naruto und ihr war der einzige spontane Aspekt gewesen, den sie je gebraucht hatte, selbst ihre Gefühle für Sasuke waren auf geregelte Weise gekommen und gegangen. Jedes Mädchen in ihrem Alter hatte für ihn geschwärmt, aber sie hatte als eine der wenigen die Ehre gehabt, ihn näher kennenzulernen – etwas, das ihre naive Wunschvorstellung von einer Hochzeit mit ihm vertrieben hatte. Er bedeutete ihr immer noch viel, er war Teil ihres ehemaligen Teams, aber sie war alt genug, um nicht länger zu glauben, dass zwischen ihnen jemals mehr sein könnte. Die ANBU-Einheit war nicht nur mit Gefahr verbunden, sondern auch mit einem Leben, das unvorhersehbar war – noch unvorhersehbarer als ihre wechselnden Schichten im Krankenhaus oder die gelegentlichen Notfälle, wie das giftige Souvenir aus Suna – in Form eines Skorpions –, das sich in Akamarus Fell verfangen hatte und Kiba Inuzuka fast das Leben kostete. Damit kam Sakura klar, dieses Leben als Kunoichi und Iryōnin hatte sie sich selbst ausgesucht – das und kein anderes. Es fiel ihr um einiges leichter, gedanklich standhaft zu bleiben, wenn Itachi nicht in der Nähe war. Zu dieser grimmigen Selbsteinsicht kam Sakura, als sie sich bereits vom See entfernt hatte und den Weg nach Hause einschlug. Sie sah nicht mehr, wie Itachi wieder wachsam die Bäume beobachtete und dann mit einem Satz in Richtung Wald sprang, um zwischen ihnen zu verschwinden. Sakura hielt ihre Versprechen grundsätzlich – außer wenn sie keine Zeit dafür hatte. Sie verdrängte die Entscheidung, die sie Itachi schuldig war, nicht absichtlich, sie hatte nur so viel zu tun, dass sie den nächsten Tag über keine ruhige Minute fand. Jemand, der den Perfektionismus bereits im Kindesalter eingeflößt bekommen hatte, würde aber auch sicher nicht wollen, dass sie in der Mittagspause am Kaffeeautomaten darüber sinnierte, ob sie ihr Leben in Zukunft für die ANBU aufs Spiel setzen wollte. Das war zumindest Sakuras Ausrede, wann immer ihr schlechtes Gewissen die Form von Itachis Gesicht annahm und vor ihrem inneren Auge auftauchte. Tatsächlich lief sie ihm kein einziges Mal über den Weg. Aber was hatte sie erwartet? Ihn plötzlich an jeder Straßenecke zu sehen, nur weil sie einmal miteinander gesprochen hatten? Die Uchihas sah man selten durch das Dorf marschieren, aber damit erfüllten sie nur ihre Aufgabe: Sie sorgten diskret und effektiv für Ordnung. Sakura konnte sich zumindest nicht daran erinnern, wann das letzte Mal Aufruhr in den Straßen Konohagakures geherrscht hatte. Die Frühschicht gehörte ohnehin nicht zu Sakuras Lieblingsschichten, aber an diesem Tag war noch mehr los als üblich, zumindest kam ihr die Notaufnahme überfüllt vor. Es mochte an dem guten Wetter liegen, das der späte Frühling mit sich brachte, denn Sonnenschein lockte oftmals selbst die ein wenig eingerosteten Shinobi hinaus auf das Übungsfeld – und genau diese nur gelegentlich Trainierenden sorgten dafür, dass Sakura genügend Arbeit hatte. Die routinierten, aber zeitaufwendigen Behandlungen zogen sich bis in den Nachmittag hinein, erst dann konnte Sakura sich dem Missionsbericht widmen, den sie dem Hokage versprochen hatte. Auf Naruto durfte sie nicht hoffen, dieser trainierte nun bestimmt irgendwo und dachte kein Stückchen daran, dass es auf dieser Welt so etwas wie Pflichten gab. Erst am Abend konnte sie sich auf den Weg machen, um Obito den Bericht persönlich vorbeizubringen. Shizune hatte zwar angeboten, Bote für sie zu spielen, da sie ohnehin in der Bibliothek vorbei schauen wollte, aber Sakura hatte abgelehnt. Wenn sie ehrlich war, dann tat die frische Luft nach all dem Desinfektionsmittelgeruch, der ihr heute in die Nase gestiegen war, ziemlich gut. Außerdem wollte Sakura nicht riskieren, dass jemand außer Obito den Bericht sah. Sie hatte keine Details ausgelassen, weil zu lügen nicht ihre Art gewesen wäre. Das hieß jedoch nicht, dass es ihr nicht trotzdem unangenehm war, dass die Mission so ein Reinfall gewesen war. „Ich gehe davon aus, dass Itachi dich gefragt hat?“, waren Obitos erste Worte, als Sakura ihm die Schriftrolle überreichte. Sie hätte sich denken können, dass er sie darauf ansprechen würde. „Ja, hat er“, erwiderte sie zögernd und bevor weitere Fragen folgen konnten, legte sie die Karten offen auf den Tisch: „Und ich habe mich noch nicht entschieden.“ Kaum hatte Sakura die Worte ausgesprochen, konnte sie fühlen, wie falsch sie sich auf ihrer Zunge anfühlten. Hatte sie das wirklich noch nicht? Stirnrunzelnd wandte sie den Blick ab und Obito, der merkte, dass sie ihren eigenen Gedanken nachgehen wollte, lächelte verständnisvoll. „Danke für den Bericht. Du darfst gehen“, entließ er sie aus seinem Büro. Das ließ sich Sakura nicht zweimal sagen. Sie wandte sich ab, trat hinaus in den Flur – und hatte schon im nächsten Moment ein starkes Déjà-vu-Gefühl, als sie plötzlich Itachi gegenüberstand. „Verfolgst du mich insgeheim?“, wollte Sakura wissen und verzichtete auf eine Begrüßung. Itachi schien abzuschätzen, wie ernst ihre Frage gemeint war und schüttelte letztendlich den Kopf. „Nein“, erwiderte er simpel und Sakura wartete vergebens auf eine Erklärung. „Aber du lauerst mir auf“, versuchte sie es noch einmal. „Nein“, sagte er abermals und erbarmte sich schließlich. „Ich bin hier, um den Hokage zu sehen, aber mir wurde gesagt, dass er nicht allein ist, weshalb ich wartete.“ Sakura spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Es war schon wieder passiert! Sie war davon ausgegangen, dass Itachi gespannt auf ihre Antwort war und dass auch ihr Gesicht in seinen Gedanken auftauchte, was natürlich völliger Unsinn war. Vermutlich hatte er ihr Gespräch bereits vergessen oder erinnerte sich nicht einmal mehr an ihren Namen… „Aber da wir uns hier schon begegnen – hast du eine Antwort für mich, Sakura?“ Ihr Blick schoss in die Höhe, als er das so beiläufig fragte, als würde er sich nach der morgigen Wetterprognose erkundigen. Er erinnerte sich zwar an ihren Namen, aber dieser unverschämte Tonfall und das offensichtliche Desinteresse verschlugen ihr glatt ein wenig die Sprache, weshalb Sakura ihn einige Sekunden lang auch einfach nur anstarrte und trotz guter Vorsätze nichts dagegen tun konnte, dass sie die Emotionen übermannten. Sie war empört und wütend, aber das war nichts im Vergleich zu ihrem angekratzten Stolz. Den hatte sie nämlich auch, was er zu vergessen oder zu ignorieren schien. „Oh, sicher habe ich eine Antwort für dich“, zischte sie ungehalten. Ihr plötzlich verändertes Verhalten entlockte selbst Itachi ein verwundertes Zucken der Augenbrauen, aber Sakura war zu abgelenkt, um diese winzige Reaktion wahrzunehmen. Es lag auf der Hand, dass ein normales Gespräch ab diesem Punkt unmöglich wurde, weshalb Itachi schweigend an ihr vorbeigehen wollte, doch Sakura stellte sich ihm in den Weg. „Willst du sie nicht hören?“ Provozierend funkelte sie Itachi an, der dem bösen Blick aus grünen Augen problemlos standhielt. Leicht neigte er den Kopf zur Seite, als er sie betrachtete und Sakura wurde schlagartig bewusst, dass sich ihre Körper beinahe berührten. Sie wich nicht zurück, weil sie es war, die Itachi endlich in die Enge treiben wollte. „Dein Verhalten verrät mir bereits, wie sie ausgefallen ist“, gab er gelassen zurück, rührte sich jedoch nicht von der Stelle. Wenigstens die Tatsache, dass sie seine Aufmerksamkeit immer noch hatte, konnte Sakura als Triumph verbuchen. „Wirklich?“, versuchte Sakura ihn zu verunsichern, was überraschenderweise funktionierte, denn Itachis Augen verengten sich nachdenklich. „Irre ich mich?“ „Das wäre unglaublich, oder?“, schnaufte Sakura sarkastisch. „Aber nein, du irrst dich nicht“, stellte sie klar und trat schließlich einen Schritt zur Seite, um Itachi den Weg freizumachen. Sakura war schon immer eine kluge und intelligente Schülerin gewesen, zu Akademiezeiten und auch während ihrer Ausbildung bei Tsunade, aber ein Kopfmensch war sie nicht. Sakura ließ sich von ihren Gefühlen leiten, stellte sie über alles andere und würde sich dafür nicht mehr entschuldigen – und schon gar nicht bei Itachi, der sich nicht einmal die Mühe machte, sich vernünftig für ihre Antwort zu interessieren, nachdem er gestern so ein Theater daraus gemacht hatte, sie für die ANBU rekrutieren zu wollen. Einen Moment lang kam Sakura der Gedanke, dass bei all dem Training, durch das man die jungen Uchihas jagte, die sozialen Kompetenzen auf der Strecke bleiben mussten, aber in ihrer aktuellen Verfassung konnte sie das nicht als Rechtfertigung akzeptieren. „Meine Antwort lautet nein. Ich werde den ANBU nicht beitreten, ich werde im Krankenhaus gebraucht“, sprach Sakura endlich das aus, was ihr schon seit gestern auf der Zunge lag. All die anderen Gründe, um sich dagegen zu entscheiden, zählte sie erst gar nicht auf, sondern nannte Itachi lediglich diejenigen, die nachvollziehbar waren. Würde er versuchen sie zu überzeugen, dass sie die falsche Entscheidung traf? Ihr sagen, dass sie zu vorschnell ablehnte? Sakura hielt die Luft an, als sie auf Itachis Reaktion wartete, doch das tat sie nicht zum ersten Mal vergebens. Er nickte lediglich, als Zeichen, dass er ihre Worte zur Kenntnis genommen hatte. Sakura wusste nicht, ob sie enttäuscht sein sollte, oder doch lieber froh, dass er keinen großen Hehl daraus machte, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie sich ein bisschen mehr Genugtuung erhofft hatte. Damit war für sie das Gespräch beendet und sie drehte sich schwungvoll auf dem Absatz um. „Sakura“, ertönte Itachis Stimme noch einmal, was ihre ultimative Chance darstellte. Obwohl sie glaubte vor Neugier zu sterben, wenn sie nicht erfuhr, was er sagen wollte, folgte sie dieses Mal ihrem eisernen Willen. Sie drehte sich nicht mehr um und ließ ihn vor dem Hokagebüro stehen. Mit jedem energischen Schritt, den sie tat, konnte Sakura spüren, wie ihr Stolz sich erholte – fast so, als würde sie ihn mit angenehm warmen, glühenden Chakra heilen. Sie war sich sicher, dass Itachis Blick ihr folgte, aber es war ihr egal. Sollte er doch eine andere Iryōnin fragen. Sakura hatte die Ehre mit den besten medizinischen Fachkräften zusammenzuarbeiten, die es im gesamten Feuerreich gab: Tsunade, Shizune und Rin Nohara. Sie wollte nichts mit Itachi Uchiha zu tun haben und bereute ihre Entscheidung nicht. Noch konnte sie nicht ahnen, dass sie ihn schneller wiedersehen würde, als ihr lieb war – und zwar genau eine Woche später. Mitten in der Nacht. Vor ihrer Haustür. Und von Kopf bis Fuß blutbeschmiert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)