Stairway to the Skies von Swanlady (ItaSaku) ================================================================================ Kapitel 4: beherrscht. ---------------------- Ein lautes Klopfen riss Sakura aus ihrem leichten Schlaf. Seit sie im Krankenhaus arbeitete, war sie schon oft mitten in der Nacht geweckt worden, sodass ihr Körper wie von selbst reagierte. Noch während ihr Bewusstsein dabei war den Schlaf von sich zu schütteln, hasteten Sakuras Füße bereits über den flauschigen Teppich, der ihr Zimmer zierte. Als sie den Flur ihrer Wohnung erreichte, war sie vollends wach. Sakura machte sich nicht die Mühe, nach dem Lichtschalter zu tasten, sondern steuerte sofort die Tür an. Diese öffnete sie, ohne den Versuch zu unternehmen, die Chakranote vor ihrer Haustür genauer zu analysieren. Deshalb riss sie auch erschrocken die Augen auf, als sie Itachi schwer atmend vor sich stehen sah. Als Sakura das viele Blut, das an seiner Haut und Kleidung klebte, ins Visier nahm, rückten die Tatsachen, dass er es war und auch, dass sie nur im dünnen Pyjama vor ihm stand, vollkommen in den Hintergrund. „Was ist – ?“, setzte Sakura überrumpelt an, doch Itachi unterbrach sie. „Nicht mein Blut – Sasukes“, gab er gehetzt von sich und senkte den Blick. Aus Sakuras Gesicht wich auch das letzte bisschen Farbe, als sie instinktiv ebenfalls auf den Boden sah. Vor ihren Füßen lag ein dunkles, zusammengekauertes Bündel und nur weil sie ihre halbe Jugend damit verbracht hatte, Sasuke Uchiha insgeheim anzustarren, erkannte sie ihren ehemaligen Teamkameraden. Sakura hatte gewusst, dass dieser Tag irgendwann kommen würde. Sie hatte es gewusst, seit Sasuke ihr Team verlassen hatte, um in die Fußstapfen seines Bruders zu treten und sein Leben der ANBU-Einheit zu widmen. Dennoch hatte sie stets gehofft, dass sie sich irrte, dass jemand wie Sasuke zu stark war, um ernsthafte Verletzungen davonzutragen. Als Sakuras Blick langsam wieder hinauf wanderte, fielen ihr die zwei Tiermasken auf, die Itachi in der linken Hand hielt. Mit der rechten stützte er sich erschöpft am Türrahmen ab, aber seine Augen lagen wachsam auf Sakura. Selbst in dieser Situation hatte er daran gedacht, die Masken abzunehmen, damit Sakura sie sofort erkannte und sie somit keine unnötige Zeit verloren. „Du musst ihm helfen“, sagte er, doch dieses Mal fasste Sakura seine Worte nicht als Befehl auf, obwohl er sehr nachdrücklich und sachlich sprach. Er versuchte nach dem letzten bisschen Kontrolle zu greifen, das er noch hatte – außer jener blieb ihm schließlich nichts, wenn sein jüngerer Bruder blutend auf dem Boden lag. Itachi selbst wirkte angeschlagen, aber er hatte es bis vor ihre Tür geschafft, also musste sich Sakura um seinen Zustand keine Sorgen machen. Ihr Kopf war bereits dabei die Situation zu analysieren und sofort trat sie zur Seite. „Bring ihn rein“, wies sie Itachi an, der stumm das tat, was sie von ihm verlangte. Er ließ sich kaum anmerken, dass er Angst um Sasuke hatte. Sakura konnte sich nämlich nicht vorstellen, dass er keine hatte, wenn sogar ihr Herz sich vor Panik überschlug. Nur Itachis Ruhe – vorgetäuscht oder nicht – hielt sie davon ab, den Kopf zu verlieren. Es half ungemein, dass er sich gefasst gab. Sie konnte dadurch klarer denken. „Wohnzimmer, links“, teilte Sakura Itachi die einzigen Informationen mit, die er brauchte. Für Fragen und Antworten würde später noch Zeit sein. „Leg ihn auf die Couch.“ Kaum hatte Sasukes Hinterkopf das Kissen auf ihrem Sofa berührt, kniete Sakura bereits neben ihm. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Itachi einen Schritt zurück tat, um ihr Raum zum Arbeiten zu geben. Sie verdrängte Itachis Anwesenheit aus ihrem Bewusstsein, denn auch wenn er sich nicht aufgelöst über den bewusstlosen Körper Sasukes warf, so gab es dennoch einen Grund, weshalb Familie und Freunde in Behandlungszimmern generell nichts zu suchen hatten. Mit geübten Handgriffen legte Sakura die Wunden frei, musste dabei sogar am Stoff seiner Kleidung reißen, doch darum konnte sie sich gerade nicht scheren. Hastig wanderten ihre Augen über jede einzelne Verletzung, um einzuschätzen, welcher sie sich zuerst widmen musste, damit Sasuke nicht noch mehr Blut verlor. „Gift?“, fragte sie Itachi knapp. „Nein. Schwertwunden.“ Das sah Sakura selbst, aber sie verkniff sich den Kommentar und presste beide Hände fest gegen die größte Wunde. Das Blut quoll sofort zwischen ihren Fingern hervor, aber sie spürte es lediglich, da sie die Augen schloss, um sich besser zu konzentrieren. Kurz darauf umgab ihre Hand auch schon das charakteristisch glühende Licht des Heilchakras, welches sie aggressiv in Sasukes Körper pumpte. Sakura konnte fühlen, wie es durch seine Chakrakanäle schoss und sich von dort aus den Weg zu jedem einzelnen beschädigten Blutgefäß bahnte. Sie bündelte es an den entsprechenden Stellen, um den Heilungsprozess zu beschleunigen, aber vor allem, um die Blutung zu stillen. Dies war im Moment die oberste Priorität. Hin und wieder öffnete Sakura die Augen, um zu überprüfen, ob der Fortschritt bereits sichtbar war, doch dabei mied sie es, in Sasukes Gesicht zu blicken. Es war einfacher, wenn sie nicht darüber nachdachte, wessen Organe sie gerade zusammenflickte. Schweißperlen glänzten auf Sakuras Stirn, doch sie unterbrach die intensive Behandlung nicht, um sich eine Pause zu gönnen. Sasuke hatte Unmengen an Blut verloren. Sakura konnte nur erste Hilfe leisten, er würde dennoch ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Zähneknirschend heilte sie eine Zelle nach der anderen und konnte sich doch nicht sicher sein, ob sie alle erwischte. „Sasuke-kun“, wisperte sie und verzog gequält das Gesicht. „Du hältst durch, verstanden?“ Endlose Minuten verstrichen, bis Sakura glaubte, dass sie die Blutung gestoppt und alle lebensbedrohlichen Organverletzungen geheilt hatte. Es fiel ihr schwer, den Fluss ihres Heilchakras zu unterbrechen, aus Angst, dass sie etwas übersehen hatte, aber sie zwang sich dazu, die Hände zurückzuziehen. Die äußeren Verletzungen waren alle verschwunden, aber sie machte sich immer noch Sorgen um die inneren. „Er ist über den Berg, aber wir müssen ihn trotzdem ins Krankenhaus bringen“, wandte sich Sakura an Itachi und stand auf. Erst jetzt konnte sie die Sorge zulassen, die sie für Sasuke empfand. Sie spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider, als sie Itachi anblickte, aber in diesem Moment war das Sakura vollkommen egal. Er wollte sich gerade über Sasuke beugen, doch sie hielt ihn davon ab, als sie überraschend seinen Oberarm berührte. „Warte“, sagte sie leise und begann abermals das heilende Chakra fließen zu lassen, dieses Mal übertrug sie es in Itachis angeschlagenen Körper. Doch bevor sie die Erschöpfung aus seinen Gliedern vertreiben konnte, schlangen sich seine Finger fest um ihr Handgelenk und zogen ihre Hand entschlossen weg. „Spar dir deine Kräfte, Sakura“, sagte er und wüsste Sakura nicht, dass es wohl einfach nur Müdigkeit war, die seine Stimme so weich erscheinen ließ, hätte sie gesagt, dass sie sanft klang. „Mach dir um mein Chakra mal keine Sorgen“, erwiderte sie entschieden. „Würdest du für einen Moment deinen Stolz vergessen und mich meine Arbeit tun lassen?“ Stumm begegnete er ihrem Blick. Er schien etwas in ihren Augen zu suchen und Sakura ließ ihn. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, fühlte sich entblößt und angreifbar, aber dieses Mal war es in Ordnung, weil er es auch war – nicht sichtbar, nicht offensichtlich, doch sie konnte fühlen, wie die Maske bröckelte. Nach schier endlosen Sekunden ließ er sie los, was für Sakura die stumme Erlaubnis darstellte, ihn zu heilen. Sie verlor keine Zeit, sondern konzentrierte sich sofort wieder und gab ihm schnell und effektiv einen Teil seiner Kraft zurück. Den Rest würden ein paar Tage Ruhe übernehmen. Als sie von ihm abließ, bewegte sich Itachi sofort auf das Sofa zu und schob die Arme unter Sasukes Körper, um ihn hochzuheben. Sakura nahm es ihm nicht übel, dass ein Dank ausblieb, denn auch sie war der Meinung, dass sie sich so schnell wie möglich um Sasuke kümmern sollten. Sie hastete zur Balkontür, um diese zu öffnen. Kurz überlegte sie, ob sie sich noch umziehen gehen sollte, verwarf diesen Gedanken aber sofort. Wie sie aussah, spielte gerade wirklich keine Rolle. „Ich kenne eine Abkürzung“, teilte sie Itachi mit, woraufhin er nickte. Sakura stieß sich vom Boden ab und sprang auf das Dach des Nachbarhauses. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass er ihr folgte. Unzählige Köpfe drehten sich nach ihnen um, als sie die Eingangshallte des Krankenhauses betraten. Obwohl um diese Uhrzeit die meisten Patienten in ihren Betten schliefen, war noch genug Personal anwesend, um Sakura daran zu erinnern, dass zwei blutverschmierte Uchihas und eine Oberärztin im Schlafanzug, die schwer atmend durch die Tür stürzten, ein ungewöhnliches Bild abgaben, selbst für krankenhäusliche Verhältnisse. „Sakura-san?“, wandte sich sogleich eine der Krankenschwestern an sie. „Ich brauche Shizune-senpai und zwei assistierende Ärzte für ein blutregenerierendes Jutsu“, präzisierte Sakura sofort. „Und danach ein freies Zimmer. Oh… und einen Kittel.“ Die Krankenschwester nickte und hastete los, Sakura und Itachi setzten sich ebenfalls in Bewegung. Sasukes Chakra wurde immer schwächer, denn auch wenn Sakura seine Wunden geschlossen hatte, so war der Blutverlust nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Sie war sich sicher, dass auch Itachi es bemerkte, aber wenn er es tat, dann verlor er kein Wort darüber. Sakura verstand nun deutlicher denn je, dass er jemand war, der Taten sprechen ließ, der aktiv wurde, wenn alle anderen sich von Emotionen überrumpeln ließen. In dieser Hinsicht erforderte ihr Beruf nichts anderes, weder der als Kunoichi, noch der als Ärztin. Er stellte das Leben seines Bruders über seine eigenen Gefühle, auch wenn er dadurch kühl und unnahbar wirkte – und Sakura schwor sich, dass sie Sasuke retten würde, nicht nur ihretwegen. Sie erkannte die Selbstlosigkeit hinter Itachis Verhalten und in einer ruhigen Minute würde sie ihn – vielleicht ein wenig zähneknirschend – dafür bewundern. „Behandlungszimmer Nummer elf“, rief die Krankenschwester, woraufhin Sakura abrupt zum Stehen kam und hastig auf die Tür rechts von ihnen deutete, während die Krankenschwester ihr einen irgendwo aufgegabelten Kittel zuwarf, ehe sie weiterlief, um Shizune und die zwei anderen Ärzte zu holen. Sakura stieß die Tür auf, während sie sich den weißen Stoff überzog und Itachi steuerte sofort die Liege inmitten des Raumes an, auf der er Sasuke platzierte, ohne dass Sakura ihn dazu auffordern musste. Fast schon rechnete Sakura damit, dass er sich wortlos zurückziehen würde, doch dieses Mal bemerkte sie sein Zögern. Er starrte den reglosen Körper seines Bruders einen Moment zu lang an, um es vor Sakura zu verbergen. „Wir werden ihn retten“, beteuerte sie. „Er ist in guten Händen, Itachi-san.“ Ihre leise Stimme versuchte ihn zu beruhigen, obwohl Sakura sich dabei merkwürdig vorkam – jemand wie Itachi Uchiha musste unter normalen Umständen nicht beruhigt werden. Als er sich zu ihr umdrehte, wirkte er jedoch wieder vollends gefasst. „Ich weiß“, sagte er knapp und seine Augen streiften ihr Gesicht nur für einen kurzen Augenblick, doch Sakura erkannte, dass er das nicht einfach so sagte, sondern tatsächlich fest davon überzeugt war. Ein heißes Gefühl schoss daraufhin wie wildes Feuer durch ihre Adern, ließ sie ihre Hände zu Fäusten ballen und verzweifelt nach ihren Charakreserven greifen. Es trieb sie an. Ihr Herz schlug fester in ihrer Brust, übertönte sogar die lauten Schritte, die man im Gang vernehmen konnte und die Itachi dazu veranlassten, auf die Tür zuzusteuern. Die Angst war verschwunden, Sasukes Gesicht brachte sie nicht mehr aus der Fassung. Er war ein Patient, dem es zu helfen galt und Sakura würde genau das tun, was sie versprochen hatte. Als Shizune in den Raum stürzte, war Itachi längst verschwunden und Sakura formte bereits das einleitende Fingerzeichen, das für das kommende Jutsu nötig war. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“ Ein kühler Windhauch streichelte über ihre Arme und ihr Gesicht, während die ersten Sonnenstrahlen sich zwischen den weißen Jalousien hartnäckig einen Weg ins Zimmer bahnten. Sakura öffnete die Augen nur mit Mühe, denn ihre Lider fühlten sich nach dieser nervenaufreibenden Nacht wie Blei an. Ihr Nacken war steif, als sie sich verwirrt aufrichtete und spürte, wie die Decke von ihren Schultern rutschte. Sie musste an Sasukes Krankenbett eingeschlafen sein. Sofort schoss ihr Blick hinauf zu seinem Gesicht und dann zu den Geräten, die neben seinem Bett standen. Einer der Monitore zeige einen ruhigen, regelmäßigen Herzrhythmus. Erleichtert atmete Sakura aus. Das Jutsu war ein voller Erfolg gewesen, das hatte sie bereits kurz nach der Behandlung gewusst, aber sie hatte, nur um sicher zu gehen, Sasukes Überwachung persönlich übernommen. Sie wusste nicht, wann sie eingenickt war, doch sie war froh, dass der Wind sie geweckt hatte. Der Wind? Sakuras Gesichtszüge glätteten sich augenblicklich, denn sie war es nicht gewesen, die das Fenster geöffnet hatte. Sie war es auch nicht gewesen, die sich eine dünne Decke über die Schultern gelegt hatte. Eigentlich sollte es sie nicht mehr wundern, dass er wie aus dem Nichts auftauchte, aber das tat es trotzdem. Itachi stand regungslos am Fenster, mit dem Rücken zu ihr und starrte hinaus auf die Straße. Er trug dieselbe, schmutzige Kleidung wie vor einigen Stunden, als er vor ihrer Tür aufgetaucht war, was hieß, dass er das Krankenhaus nicht verlassen hatte. Er musste gehört haben, dass sie wach war, daran bestand kein Zweifel, weshalb Sakura die Idee, sich leise hinauszuschleichen, sogleich verwarf. Stattdessen räusperte sie sich leise und stand auf. Itachi drehte sich langsam zu ihr um und Sakura wollte gerade etwas zu Sasukes Zustand sagen, doch da verschlug es ihr die Sprache. Sie starrte Itachi an und hätte den Blick auch nicht abwenden können, wenn sie gewollt hätte. Es war das erste Mal, dass sie Itachi Uchiha aufrichtig lächeln sah. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)