Katsuragi von SamAzo ================================================================================ Forest of Wind -------------- Yuri stand an den Klippen und schaute hinaus auf die stürmische See. Er wusste, das er etwas vergessen hatte. Etwas wichtiges. Wichtiger, als alles andere von dem ihm sein Vater erzählt hatte. Aber was es war, daran konnte er sich einfach nicht erinnern. „Hier bist du, Junge. Das Abendessen wartet.“ Sein Vater gesellte sich zu ihm und schaute kurz hinaus auf das Meer, bevor er sanft an Yuris Arm zog. „Komm schon. Sonst wird es wieder kalt, wie letztes Mal.“ Oft schon hatte Roger Yuri an den Klippen gefunden und jedes Mal tat es ihm in der Seele weh den ehemaligen Gottesschlächter so zu sehen. Roger Bacon wusste von dem Fluch, der Yuri seiner Erinnerungen beraubt hatte, aber bislang hatte er nichts gefunden, was dem jungen Mann helfen könnte. Es hatte so ausgesehen, als hätte der Fluch seine Wirkung verloren, doch dann, nach dem letzten Kampf, war Yuri verschwunden. Als er ihn endlich fand, wusste er nicht einmal mehr, wer Roger war – dabei hatte er ihn so gerne als alte, verrottete Mumie bezeichnet. So beleidigend das auch war, vermisste Roger Yuris altes ich. Um ihn dazu zu bringen mitzukommen und auch um seine ehrlichen Tränen zu erklären, erklärte er Yuri, das er sein Vater sei. Eine Lüge, die er nicht so schnell auflösen würde. Natürlich machte Yuri neue Erfahrungen und neue Bekanntschaften, aber der alte Yuri war einfach verloren gegangen. Nur selten glaubte Roger einen Funken Vergangenheit zu sehen, wenn Yuri etwas so verpeiltes sagte, das es wirklich nur von ihm hatte stammen können. Aber der 'neue' Yuri Hyuga tat das nicht oft. Er setzte sich noch immer für andere ein, aber alles in allem, war er friedlicher geworden und nicht mehr auf Konfrontation aus. Und aus irgendeinem Grund fand er ihn immer wieder an den Klippen. „Gibt es Nachtisch?“ „Du warst nicht da, um welchen zu machen; also nein.“ „Hm“ „Aber ich habe etwas anderes für dich.“ Roger stand auf und ging zu einem der Regale in seinem futuristischen Haus. Als er zurück kam, trug er eine Flasche mit unansehnlich gefärbter Flüssigkeit darin. „Was ist das?“ Yuri nahm die Flasche und hielt sie gegen das Licht. Es war für ihn nichts neues, das Roger ihm hin und wieder etwas zu trinken gab oder ihn an ein Gerät anschloss, um seine Erinnerungen zu retten. Aber Yuri zweifelte daran, das es überhaupt noch welche gab. Er war sich nur unsicher, wie er Roger beibringen sollte, das er sich damit abgefunden hatte und keinerlei weiteren Versuche mehr wollte. Als er seine Aufmerksamkeit wieder auf Roger lenkte, war dieser bereits mit einer Erklärung fertig oder aber er hatte gar keine gegeben. Das passiert auch manchmal. Dann sollte er es erst trinken, um sich nicht zu ekeln. Eigentlich war er deswegen inzwischen besonders vorsichtig. Aber bei dem Blick seines Vaters und dessen Hoffnung, das es nun vielleicht wirken würde, konnte er nicht widersprechen. Also trank er die ungesund aussehende Flüssigkeit und stellte das leere Glas auf den Tisch. „Und?“, wollte Roger wissen. Yuri schüttelte den Kopf. „Aber es schmeckt ganz gut. Vielleicht, wenn es ein wenig kälter wäre und ein bisschen prickeliger...“ ~ Yuri hatte noch immer den enttäuschten Blick vor Augen, mit dem ihn sein Vater angesehen hatte. Immer wieder passierte das, aber so sehr er wollte, das es aufhörte, so wenig Lust hatte er, weiter als Versuchskaninchen herzuhalten. Dabei wusste er genau, das es niemand anderen geben könnte. Das passierte nur wegen ihm. Dabei hatte er sich doch längst damit abgefunden. Yuri schloss die Augen und zog seine Decke höher, als er sich auf die Seite drehte. Er sollte endlich schlafen. Müde genug war er und doch lag er noch immer wach da. Die Leere in seinem Kopf fühlte sich anders an, als sonst. Es war ihm nicht möglich es zu beschreiben, aber es fragte zum Glück keiner und somit konnte er ganz alleine herausfinden, was es heißen könnte. ~ Das zirpen von Zikaden ließ ihn wach werden. Oder zumindest glaubte er es im ersten Moment. Aber stehend in einem Wald hatte er ganz sicher noch nicht genächtigt. Glaubte er zumindest. Der Wind der ihm entgegen wehte, als er die letzten Bäume hinter sich ließ fühlte sich warm an und die Sonne lud dazu ein, auf der einsamen Bank zu verweilen, um in das unter ihm liegende Tal zu schauen. Yuri setzte sich und überlegte, wie er hergekommen sein könnte. Er war doch eben noch im Bett in Wales und dort regnete es seit über einer Woche. Yuri lauschte dem Wind und den Zikaden, während er die Augen schloss. Wie war er her gekommen? „Yuri?“, hörte er hinter sich und Schritte kamen näher. Der Angesprochene öffnete die Augen und sah die rothaarige Frau an, die dort neben der Bank stand. „Ich bin so froh dich zu sehen.“ Sie hatte Tränen in den Augen und war sichtlich erleichtert, aber er konnte doch nicht sagen, wer das war. „Wer bist du?“, fragte er also. Sie presste die Lippen aufeinander und setzte sich neben ihn. „Wir waren Freunde und haben viel miteinander erlebt.“ Und es tat weh zu sehen, das er es vergessen hatte. Aber eigentlich hätte sie damit rechnen müssen. Der Mistelzweig-Fluch hatte das ausgelöst und das letzte Mal, als sie sich gesehen hatte, war dieser aktiv geworden. „Sag nichts...“, fügte sie leise an, bevor er etwas sagen konnte. „Ich... wollte dich einfach nur mal wiedersehen. Sehen, das es dir gut geht, auch wenn du dich nicht mehr an mich erinnerst.“ Sie legte ihre Hand auf seine und schaute über den Wald, den man von hier wunderbar überblicken konnte. „Wir waren hier, zusammen. Du, ich, Anastasia, Kurando, Lucia, Gepetteo, Joachim und Blanca. Ich habe keinen von ihnen wiedergesehen.“ Dafür jemand anderes, aber darüber schwieg sie sich aus. Es lag nun in ihrer beider Vergangenheit, aber es war noch immer sicherer nichts zu sagen. „Warum waren wir hier?“ Sie hatte damit gerechnet, das er sie fragte, wieso er ihr glauben sollte, aber er tat es einfach. Wieder musste sie innehalten, um keine Tränen zu vergießen. „Wir waren hier, weil das hier dein Zuhause ist. Katsuragi... Wir haben deine Tante besucht, Kurandos Mutter, damit sie uns helfen konnte. Ob er und Anastasia hier her zurückgekommen sind, nachdem Kampf gegen Kato?“ Sie wusste es nicht und erwartete auch keine Antwort von Yuri. Woher sollte der das wissen? „Hier... also dort unten in dem Dorf... hab ich dir gesagt, das ich dich liebe.“ Daraufhin verfiel sie dann doch ins schweigen. Jetzt hatte sie es doch wieder gesagt, obwohl sie es nicht hatte tun wollen. Sie spürte seine Finger, die sich um ihre schlossen und den leichten Druck, den er auslöste. „Katsuragi...“, wiederholte er leise und schaute über den Wald, so wie Karin es getan hatte. Er hatte keinerlei Erinnerung an diesen Ort. Aber die Frau neben ihm, löste ein angenehmes Gefühl in ihm aus. Yuri verstand es nicht wirklich, aber er wusste, das er sie tatsächlich einmal gekannt hatte. „Tut mir leid, aber... ich muss wieder los.“ Sie stand auf und löste sich von seiner Hand. „Vielleicht... sehen wir uns ja mal wieder. Ich fänd es schön.“ Yuri nickte, auch wenn er keine Ahnung hatte, ob das hier irgendwann noch einmal passieren könnte. ~ Regentropfen prasselten wie Hagelkörner gegen die Scheiben des Hauses und rissen Yuri aus dem Schlaf. Einige Momente blieb er einfach nur still liegen und starrte an die naheliegende Wand, bevor er die Augen noch ein wenig weiter öffnete, erstaunt über seine eigene Erkenntnis: „Karin...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)