Duett von CharleyQueens ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Wieso grinst du eigentlich so, Kudo?“ Ran blickte ihn fragend von der Seite an. Shinichi gähnte laut. Es war früh am Morgen und die beiden Freunde waren auf dem Weg zur Teitan-Oberschule. „Kaito KID hat einen neuen Coup angekündigt“, erklärte der Oberschülerdetektiv mit einem freudigen Grinsen im Gesicht. „Na, wenn's weiter nicht ist...“ erwiderte Ran und rollte mit den Augen. „KID ist dir doch schon so oft entkommen. Manchmal könnte ich denken, du lässt ihn absichtlich fliehen.“ Sie erschrak bei diesen Worten. „Ähm... verzeih bitte, das wollte ich nicht sagen. Shinichi, es tut mir Leid.“ Doch Shinichi lächelte nur weiter. „Weißt du, vielleicht hast du ja sogar Recht damit, Ran. Vielleicht lasse ich ja Kaito KID absichtlich entkommen.“ „Bitte, was?“ Ran blieb erschrocken stehen. „Das meinst du doch nicht ernst, Shinichi. Er ist ein Verbrecher und du lässt doch nie einen Verbrecher entkommen.“ „Nun, aber seine kleinen Rätsel machen doch wirklich Spaß“, meinte er grinsend. „Da habe ich wenigstens etwas zum Nachdenken. Und lieber einen Dieb als einen Mörder jagen.“ Ran schüttelte ungläubig den Kopf. „Shinichi, du nimmst mich doch auf den Arm!“, beschwerte sie sich und sah ihn wütend an. Doch etwas an seinem ernsthaften Blick ließ sie zögern. „O-oder?“ Doch er antwortete nicht, sondern eilte ein paar Schritte voraus. „Wenn du mich heute in der Matheklausur schlagen kannst, werde ich es dir verraten.“     Der Vollmond schien hell und ließ nur seine Umrisse sehen. Langsam setzte er sich in Bewegung, sein Umhang flatterte im Nachtwind und sein Monokel blitzte auf. Als er unter der Straßenlaterne vorbeiging, konnte man sein Lächeln sehen. Ein siegreiches Lächeln, dass voller Selbstbewusstsein strotzte. Sein weißer Anzug wirkte wie ein Symbol der Reinheit, was für ein Kontrast im Vergleich zu dem, was er doch eigentlich war. Ein Dieb. „Du hast also mein Rätsel gelöst, kleiner Meisterdektektiv“, sprach der junge Mann lobend aus und lehnte sich gegen eine Hauswand, die Arme vor der Brust verschränkt. „Gut, etwas anderes habe ich auch nicht erwartet vom 'Sherlock Holmes des 21. Jahrhunderts'.“ Ihm gegenüber, unter einer weiteren Straßenlaterne stand ein Oberschüler. Er trug die Uniform der Teitan-Oberschule. Auch er lächelte siegessicher. In seiner Hand trug er einen schwarzen Violinenkoffer. „Dieses Mal bist du zu spät, Kaito KID“, meinte er triumphierend. „Die Stradivari habe ich mir soeben aus der Musikakademie aushändigen lassen. Eine von den Sopranistinnen war mir noch einen Gefallen schuldig. Nun, wie willst du sie nun stehlen? Du musst sie mir schon aus meinen Händen reißen...“ Kaito zuckte mit den Schultern und zielte dann mit seiner Kartenpistole auf ihn. „Nichts leichter als das. Ein paar gezielt gesetzte Schüsse und du bist...“ Er stutzte kurz, so als würde ihn etwas stören. Nein, Shinichi wusste, dass das nur ein Trick war. Kaito KID war ein Magierdieb und als solcher verlor er nie sein Pokerface. „Du willst wissen, wie ich herausfinden konnte, dass du heute Abend nicht vorhast die Diamantenkette der Präsidentin aus dem Land XY zu stehlen, sondern dich an einer Stradivari vergreifst?“ Shinichi lächelte genugtuend. „Dein Rätsel war einfach zu leicht, wenn Kommissar Nakamori es innerhalb von wenigen Minuten gelöst hatte. Ich ahnte, dass da hinter noch mehr stecken würde. Kaito KID macht es doch nicht so leicht.“ „Vielleicht hatte ich ja einfach keine Lust mir ein schweres Rätsel auszudenken“, vermutete KID und kickte einen Stein von sich weg. „Lass mich raten, Nakamori und seine Kollegen haben sich bei dieser Präsidentin verschanzt... Zu schade, dass ich mir ihre Kette schon geholt habe.“ Und aus seiner Hosentasche zog er ein dunkelblaues Halsband, dass mit mehreren kleinen Edelsteinen gespickt war. In der Mitte war ein großer Diamant eingelassen. Shinichi erschrak. Wie war es ihm nur gelangen, an die Kette zu kommen? Hatte er sich etwa geirrt? Er war sich ganz sicher gewesen, dass KID an der Diamantenkette kein Interesse gehabt hatte. Hatte seine letzte Zeile nicht darauf hingewiesen? Der Frauen bester Freund ist nur ein Lügner, nicht mehr „Aber weshalb sollte ich eine Kette stehlen wollen, die ich mir schon längst geholt habe?“ Kaito warf dem verdutzten Shinichi die Kette zu. „Hier, die kannst du wiederhaben. Ich bin auf der Suche nach etwas anderem“ Shinichi blickte ihn zögernd an. „Dann werde ich dich aufhalten, Kaito KID. Es wird dir nicht gelingen, das zu bekommen, was du willst.“ Doch von seinem Gegenüber kam kein Wort. Stattdessen grinste er einfach nur seelenruhig und ging auf den jungen Detektiv zu. Wenige Meter vor ihm blieb er stehen. Er war so nah... Shinichi schluckte nervös. Nein, er durfte sich nicht aus der Fassung bringen lassen. „Darf ich dir eine Frage stellen, mein junger Detektiv? Wieso bist du hier … und das vollkommen alleine? Keinerlei Verstärkung. Du hast Nakamori im Glauben gelassen, dass ich diese Kette stehlen will. Und jetzt bewacht dieser Volltrottel eine einfache Fälschung. Aber du bist hier.“ „Ich denke, deine Frage sollte ich mit einer Gegenfrage beantworten. Es erschien mir einfach nicht passend genug, dass du auf einmal Interesse an einem Instrument zeigst, wo du doch üblicherweise nur Juwelen stiehlst. Also, warum? Oder sind dir Juwelen nicht mehr gut genug und du hast nach einer neuen Herausforderung gesucht?“ „Ich fand einfach, dass Holmes' Lieblingsinstrument ein besseres Objekt wäre, um seinen größten Fan hervorzulocken. Und ich wusste, dass du dann alleine kommen würdest.“ „Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man sagen, du hast mich ja wirklich vermisst“, meinte Shinichi scherzend – und erschrak, als er KIDs weichen Blick bemerkte, mit dem er den jungen Detektiv auf einmal ansah. „Brilliant kombiniert, mein lieber Mister Holmes“, flüsterte Kaito und kam ihm einen Schritt näher. „Hast du endlich gemerkt, was ich emfinde für...“ Doch er kam nicht dazu seinen Satz zu beenden, denn Shinichi drückte ihn von sich weg. Er spielt nur mit dir, schoss es dem jungen Oberschüler durch den Kopf. Er wollte ihn nur ablenken, um die Stradivari zu holen. Seine Finger schlossen sich fester um den Griff des Geigenkoffers. Doch als KID ihm seine Hände an sein Gesicht legte und den jungen Detektiv zu sich zog, gaben seine Knie trotzdem nach. Erschrocken wich er zurück, lehnte sich schwer atmend gegen einen Laternenpfahl und warf dem Dieb wütende Blicke zu. „Was genau hast du vor, KID?“, fragte er ihn verärgert. „Wenn du denkst, dass du mich so ablenken könntest, dann irrst du dich gewaltig. Ich werde dir die Stradivari nicht aushändigen!“ Kaito seufzte tief. „Hast du es denn immer noch nicht gemerkt? An dieser Violine habe ich doch überhaupt kein Interesse. Ich wollte dich sehen. Den großen Meisterdetektiv, Shinichi Kudo. Nur so konnte ich sicher sein, dass du wirklich alleine auftauchen würdest.“ Shinichi lächelte leicht. „Das hast du wirklich brillant kombiniert, KID“, lobte er ihn und drückte ihn dann von sich weg. Ein gezielter Griff, eine Umdrehung und schon war es der junge Dieb, der nun von Shinichi gegen den Laternenpfahl gedrückt wurde. „Warum probierst du nicht mal eine Karriere als Detektiv?“ Kaito lachte kurz. „Mich mit der unfähigen Polizei herumschlagen und ständig tauchen überall Leichen auf?“ Er schüttelte den Kopf. „Machst du Witze? So etwas ist nun wirklich nichts für mich.“ Shinichi nickte zufrieden. „Zugegeben, die Arbeit als Detektiv wäre auch ziemlich langweilig, wenn es den berühmten Mondscheindieb Kaito KID nicht geben würde.“ „Das klingt ja beinahe nach einem Lob.“ Kaito legte eine Hand auf Shinichis Rücken. „Verführst du mich hier eigentlich gerade oder willst du mich gefangen nehmen, mein Meisterdetektiv? Wenn uns jetzt jemand sieht, was wird er wohl denken?“ Seine Hand glitt den Rücken hinunter. Er hatte seinen Körper an seinen gepresst, kein Zentimeter Platz war noch zwischen ihnen. Shinichis Atem ging schwer. Er durfte sich von KID nicht... Das laute Bellen eines Hundes ließ ihn wieder zur Besinnung kommen. Rasend schnell griff er mit einer Hand nach der des jungen Diebes, packte seinen anderen Arm und drückte dann beide Arme nach oben. Und für einen Moment wirkte Kaito KID verängstigt. Shinichi grinste zufrieden. KID hatte sein Pokergesicht verloren. „Dieses Mal habe ich wohl gewonnen.“ Und ehe Kaito etwas sagen konnte, hatte Shinichi ihm auch schon einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Einen kurzen, doch Kaito schaffte es irgendwie eine Hand zu lösen und hielt den jungen Oberschüler zurück. Ein Seufzer entwich ihm, während er den Kuss verlängerte. Und Shinichi ließ es geschehen, es fühlte sich einfach zu gut an. Die Wärme seines Gegenübers, seinen Körper so nah an seinem zu spüren. Ein Prickeln erfüllte ihn und nur mit starker Willenskraft schaffte er es ihn nicht loszulassen. Schließlich löste er sich. „Weißt du, wenn du mich sehen wolltest, hättest du auch einfach nach einem Date fragen können!“ Shinichi schüttelte seufzend den Kopf, ehe er den jungen Dieb los ließ. „Das wäre so viel einfacher...“ KID grinste, ehe er seinen Zylinder zurecht rückte. „Gib zu, so würde es doch weniger Spaß machen. Wir sehen uns beim nächsten Mal!“ Und ehe Shinichi etwas sagen konnte, eilte Kaito KID auch schon davon. „Bis zum nächsten Mal, KID!“   „Hast du mitgekriegt, dass KID gestern Abend gar nicht aufgetaucht ist?“ „Ja, die Kette der Präsidentin soll sich doch als Fälschung herausgestellt haben, so viel ich gehört habe.“ „Nun, und trotzdem hat man heute morgen im Briefkasten einen Zettel gefunden, in der die Kette lag.“ „Dann hat KID sie also doch gestohlen. Aber warum dann nicht gestern Abend, so wie er es angekündigt hatte?“ „Das wüsste ich auch zu gerne...“ Shinichi klappte genervt sein Buch zu. Hier konnte man sich ja nirgends entspannen. Er sah sich um auf dem Schulhof. Dort hinten unter der großen Eiche war ein freier Platz. Entschlossen steuerte er den Baum an. Überall fing er kleine Gesprächsfetzen auf. Das Thema des Schulhofs: Kaito KID und sein Nichtauftauchen gestern Abend. Es passte einfach nicht zu dem Dieb, dass er sich nicht gezeigt hatte. Spekulationen von wegen „Vielleicht ist er krank geworden“ und „Bestimmt ist er gestorben, buhu, mein armer KID“ machten die Runde. Die Wahrheit würde sie wahrscheinlich alle schockieren. Ein Lächeln umspielte sein Gesicht. Wann das Ganze angefangen hatte, wusste er nicht mehr. Es war KID gewesen, der ihn zum ersten Mal geküsst hatte. Oben auf dem Dach des Tokioter Museums, aus dem er den Bloody Heart, einen berühmten, herzförmigen Rubin gestohlen hatte. Es hatte Shinichi gewurmt, dass der junge Dieb ihm einfach einen Kuss gestohlen hatte. Und beim nächsten Mal hatte er ihn dann geküsst. Und so war es hin und hergegangen. Immer und immer wieder. Es blieb nur bei diesen Küssen und meistens waren sie kurz und schnell vorbei. Das von gestern war anders gewesen. Er fuhr sich mit den Fingern über seine Lippen. Ran hatte Recht gehabt. Er ließ Kaito KID mit Absicht entkommen. Vielleicht, weil ihm seine Herausforderungen Spaß machten, vielleicht aber auch, weil er diese kleinen Geheimnisse sonst vermissen würde. Er setzte sich unter den Baum und schlug sein Buch wieder auf. Eine Karte fiel auf seinen Schoß. Nächstes Mal werde ich dir mehr stehlen stand dort geschrieben. Mehr nicht. Keine Unterschrift oder dergleichen. Und trotzdem wusste Shinichi ganz genau, wer der Absender war. Lächelnd schob er die Karte in seine Hosentasche. „Ich freue mich schon darauf, dich wiederzusehen...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)