Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 2: Roses Bedauern und Erkenntnis ---------------------------------------- „Ja, so ist das immer. Man merkt viel zu spät, wie viel jemand einem bedeutet, wenn man ihn verloren hat.“ Rose fuhr aus ihrem dumpfen Brüten hoch und starrte ihre Mutter wütend an. „Mum, wie kommst du ausgerechnet jetzt darauf?“, fauchte sie. „Das sehe ich dir schon an der Nasenspitze an. Denn das ist nicht das erste Mal, dass du so betrübt dreinschaust. Seit das neue Jahr angefangen hat, kommst du nicht mehr wirklich aus deiner trüben Stimmung raus.“ Jackie fuhr ungerührt fort, den Teig zu kneten und schob wie beiläufig die Hände ihres kleinen Sohnes zurück. Tony zappelte aufgeregt in seinem Hochstühlchen und beugte sich weit nach vorne. „Nein mein Schatz. Du hast doch schon ein Stück!“, ermahnte sie den Kleinen schmunzelnd. „Das werden später leckere Plätzchen – wenn du Mama jetzt endlich weiter kneten lässt. Du darfst auch nachher beim Ausstechen helfen.“ „Tet-ten … da ... tneten. TNETEN!“, krähte ihr kleiner Bruder aufgeregt und zog die ganze Aufmerksamkeit wieder auf sich. Das gab Rose, die Zeit wieder zu sich zu kommen. Sie holte tief Luft und versteckte ihr Gesicht hinter einer großen Tasse mit Milchtee. Dabei ließ sie ihren Blick durch die Küche schweifen. Auch wenn die jetzt dreimal so groß wie ihre alte war, ausgestattet mit Designermöbeln und den neusten technischen Geräten, und Jackie Tyler eigentlich nicht mehr selbst kochen und backen müsste – alte Gewohnheiten blieben bestehen, gerade wenn nichts besonderes anstand. Dazu gehörte auch die Sitte einfach zusammen zu sitzen und sich bei einer heißen Tasse Tee zu unterhalten. Rose seufzte. Früher hatte sie ihrer Mutter viele Erlebnisse, aber auch von ihren Sorgen erzählt, dieser zugehört, wenn sie sich wieder einmal über die Nachbarn und alles Mögliche andere aufregte. Sie hatten gelacht, gescherzt und … Jetzt kamen sie allerdings nur noch selten … oder besser gar nicht dazu, denn Tony war meistens mit dabei und forderte wie jedes Kleinkind, die volle Aufmerksamkeit seiner Mutter ein. Auch Peter Tyler wollte natürlich Anteil an seiner Frau haben, vor allem, wenn er einmal zu Hause. Da blieb für Rose im Leben ihrer Mutter natürlich nicht mehr so viel Platz wie früher. 'Klar, ich bin erwachsen und sollte eigentlich endlich mein eigenes Leben führen. Aber was mache ich … bei der ersten großen Beziehungspleite? Ich verkrieche ich mich doch tatsächlich unter ihrem Rockzipfel, weil ich einfach nicht weiter weiß … ' Sie biss sich auf die Lippen. Wie lange war es jetzt her, dass sie John verlassen hatte – zwei Monate? Ein Blick auf den Kalender bestätigte ihr die Vermutung auf den Tag genau. Im Dezember, noch vor Weihnachten, hatte sie die Penthouse-Wohnung verlassen und war zurück zu ihren Eltern gezogen. In den ersten Tagen hatte sie sich von einer großen Last befreit und sogar glücklich gefühlt. Noch am Weihnachtstag hatte sie kaum einen Gedanken an ihre kaputte Beziehung verschwendet und die Familienfeier mit den Eltern und dem Bruder genossen, weil er Erinnerungen an ihre eigene Kindheit weckte. Doch schon am Silvestertag, als sie ihre Eltern zu einer Gala begleitet hatte … war ein tiefer Stich in ihr Herz gefahren, als sie die vielen Paare gesehen hatte, die Arm in Arm das Feuerwerk beobachtet und sich Neujahrsgrüße zugeprostet hatten. In dieser Nacht waren erste Zweifel über sich und ihr Verhalten hoch gekommen und die unvermeidliche Frage: Hatte sie John überhaupt eine Chance gegeben? In ihrem Inneren kannte sie bereits die Antwort, denn es war ein klares „Nein!“. Jetzt wurde ihr bewusst, wie wenig Raum und Luft sie ihm in der Zeit ihres Zusammenlebens gelassen hatte. John hatte nie die Möglichkeit bekommen, er selbst zu sein oder es zu werden, denn für sie hatte er immer nur das sein müssen, was sie verloren hatte, was sie niemals wieder zurückbekommen würde, wie ihr jetzt langsam klar wurde. In ihrer Eigensucht hatte sie in ihm immer nur den Doktor sehen wollen – den spannenden und aufregenden Fremden von einem anderen Stern, der sie aus ihrem tristen Alltag und einem öden Jopf gerissen hatte, um sie auf spannende Abenteuer durch Raum und Zeit zu führen. Den Helden, der auch in ausweglosen Situationen die Feinde immer ausgetrickst hatte … der Mann, der sich am Ende sogar einmal für sie geopfert hatte. Traurig erinnerte sie sich daran, dass sie schon einmal jemandem deswegen weh getan hatte, weil sie den Doktor ihm vorgezogen hatte. Zum Glück war Mickey irgendwann darüber hinweg gekommen, dass sie ihn nicht mehr lieben konnte. Durch die Sorge um seine Großmutter, die hier in diesem Universum noch lebte und die Aufgaben, die er an Stelle seines Spiegelbildes Rickey übernehmen konnte, hatte er seinen Frieden mit der Situation gemacht und deshalb war es ihm leicht gefallen, den Verlust endlich zu überwinden. Und auch wenn er jetzt wieder nach Hause in das Universum ihrer Geburt zurückgekehrt war … so würde er sicher auch da wieder neue Freunde und vermutlich sogar schon bald die Liebe finden. Aber was war mit John? Er war wie sie ein Fremder in dieser Welt, ein … „Liebes, du weißt doch genau, wie ich das meine!“, riss Jackie sie abrupt aus ihren Gedanken. Rose sah sie an und stellte die Tasse auf den Tisch, während ihre Mutter ungewohnt sanft und verständnisvoll weiter sprach: „Mir wurde auch erst klar, wie sehr ich Pete geliebt habe, als ich ihn durch den Autounfall verlor. Deshalb genieße ich jeden Tag, den ich heute wieder mit ihm zusammen sein kann.“ Sie beugte sich vor und strich ihrer Tochter eine Strähne aus dem Gesicht, hinterließ eine feine Mehlspur auf der Haut. Dann legte sie den Kopf schief. „Vielleicht war diese Trennung notwendig, damit ihr beide herausfinden könnt, was ihr eigentlich von eurem Leben wollt!“, sagte sie dann und bearbeitete dann den Teig kräftig mit dem Nudelholz. „Denn ich muss ehrlich sagen. John erschien mir in der letzten Zeit, auch ziemlich durch den Wind. Da ist er deinem Luftikus von Doktor nicht ganz unähnlich – dieses ständige sehnsuchtsvolle Zu-den-Sternen-Starren, diese grüblerische Melancholie in seinen Augen … ganz schlimm ist es gewesen, wenn ihn nicht mal mehr ein Spaß aufmuntern konnte. Und dann wieder diese Ausbrüche von Heiterkeit. Bei einer Frau könnte ich mir vorstellen, woher seine Launen kommen …“ Rose grinste schief. „Ach Mum … “ Jackies Worte munterten sie ein wenig auf. Ihre Mutter wusste traf das Problem mit wenigen klaren Worten. Gerade diese Sichtweise half ihr nun, alles mit ein wenig mehr Abstand zu betrachten. Deshalb nickte sie. „Ich bin selbst durcheinander und weiß nicht, was ich denken und fühlen soll. Jetzt begreife ich, dass ich bisher immer nur den Mann in ihm sehen wollte, in den ich mich verliebt habe. Wann immer ich Züge an ihm entdecke, die ich nicht kenne, die mir falsch erscheinen …“ Sie schluckte. „Dann plötzlich fühle ich mich verletzt … werde einfach nur wütend … und …“ „Und?“ Jackie hielt mit dem Ausrollen des Teigs inne und legte den Kopf schief. „Ich weiß auch, dass Peter nicht mein Pete ist, nicht der Mann, den ich als junges Mädchen kennen und zu lieben gelernt habe. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den beiden, wie ich auch jetzt immer noch feststelle … aber ich bin froh, die Chance bekommen zu haben, wieder bei Peter zu sein und erlebe unsere Beziehung als großes Abenteuer … denn was wäre eine Liebe, wenn es nicht tagtäglich Neues an seinem Partner zu entdecken gäbe? Vielleicht war das dein größter Fehler …“ Sie blickte ihre Tochter nachdenklich an. „Und etwas anderes kommt noch dazu, denn ich kann mir schon vorstellen, warum du so wütend bist. Da seid ihr noch einmal zusammen gekommen, um die Welt zu retten – du und der Doktor … und dann schickt er dich doch einfach wieder hierhin zurück … zusammen mit seiner Kopie, die ihm dort sicherlich nur Scherereien gemacht hätte, denn wer hat schon gerne ständig sein Spiegelbild vor Augen, das genau so tickt wie er selbst. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zwei Probleme sind aus der Welt geschafft …“ „Mum!“ Jackie hob beschwichtigend die Hand, als Rose hochfahren wollte, sprach dann aber unbeirrt weiter. „Verstehe mich nicht falsch, Liebes … ich glaube nicht, dass er es dir gegenüber böse meinte, denn es war in seinen treuen braunen Hundeaugen nicht zu übersehen, wie sehr er in dich verschossen war … aber er ist nun mal der große und mächtige Timelord – der letzte seines Volkes … “ Sie machte eine theatralische Geste, die Tony dazu brachte, begeistert los zu kreischen und seine Mutter nachzuahmen. „... mit der ach so schweren Bürde und dem großen Schicksal … in das er niemand anderen hineinziehen möchte … und so weiter blablabla ...“ „Mum, jetzt übertreibst du!“ Rose schüttelte den Kopf, aber sie hatte auch unwillkürlich angefangen zu schmunzeln. „Übertreibe ich wirklich, Schatz? Tatsache ist – indem er dir seine Kopie dagelassen hat, wollte er dich trösten, hat sich aber natürlich keine Gedanken darüber gemacht, ob das auch wirklich funktionieren kann. Aber so sind Männer eben, selbst wenn sie außerirdischer Herkunft sind … sie kapieren nicht, dass es nicht ausreicht, wenn man nur körperlichen Ersatz bekommt. Auch das Herz muss mitspielen wollen …“ „Das Herz … ja, das ist es wohl“, gestand sich Rose ein. „Ich habe John Unrecht getan, weil ich ihn nach meinem Vorstellungen des Doktors formen, weil ich keine Abweichungen dulden wollte, und dann nicht verstanden habe, warum er einfach nicht so funktionierte, wie ich es von ihm gewohnt war.“ Sie nahm einen Schluck Tee, um ihre Kehle anzufeuchten. „Klar, die ersten Jahre waren toll … ihr habt uns da ja auch alle Freiheiten gelassen, aber dann als als …“ „Der Lack ab war, kam die Krise“, nahm ihr Jackie die Worte aus dem Mund. „Das ist in jeder länger währenden Beziehung, in jeder Ehe so, und nicht wenige zerbrechen daran. Du hast festgestellt, dass John dich nicht nur auf Händen trägt und alles tut, was du willst, sondern auch seine Macken und Launen hat, oder? Dass er nicht immer eine einfache Lösung für alle Probleme findet und dir das Leben leicht macht …“ „Im Großen und Ganzen hast du recht“, Rose seufzte. „Aber nicht ganz. Ich glaube, ich habe ganz übersehen, dass ihn noch etwas anderes quälte. Damit zurecht zu kommen, einfach nur ein Mensch zu sein. Und kein … kein Timelord mehr. Er hat zwar das ganze Wissen im Kopf … aber auf der anderen Seite nicht mehr den Körper und die Kraft oder die Ressourcen. Ich weiß, dass es ihm zu schaffen machte, aber ich habe es weitestgehend ignoriert … ich war so dämlich … so …“ „Na ja, ich würde sagen … er muss das durchmachen, was alle Kinder durchzustehen haben, seine Selbstfindungsphase.“ Jackie sah sie nachdenklich an. „Du warst auch nicht gerade einfach, als du in der Pubertät warst … und wer weiß, was wir mit dir mal durchmachen müssen!“ Sie wuschelte Tony durchs Haar, nachdem sie das Nudelholz beiseite gelegt hatte. „Und wenn ich mir das so überlegen … er mag zwar ausgewachsen aus der Tardis gehüpft sein, aber das heißt nicht, dass er gleich der perfekte Mann war, das war der Doktor nun auch nicht …“ Rose nickte, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel„ … ja, das stimmt. Er hat ja gar nicht gelernt, sich in zwischenmenschlichen Beziehungen sicher zu bewegen, so wie wir. “ Sie schlug sich die Hand gegen den Kopf. Denn eigentlich war der Doktor in dieser Beziehung ebenfalls noch ein Kind gewesen – unerfahren im menschlichen Miteinander, auch wenn er schon Jahrhunderte auf dem Buckel haben mochte. Und da war sie davon ausgegangen, dass es bei John anders war? Nur weil er jetzt ein Mensch war … aber ein Mensch, der nur auf ererbtes Wissen zurückgreifen konnte, das größtenteils nicht von dieser Welt war? Und dementsprechend unerfahren … selbst wenn ein wenig von dieser Donna und ihrem Emotionen in ihm steckte. Und das machte es noch komplizierter. Oh verdammt, sie hatte ihm wirklich unrecht getan! Und da gab es wohl nur eines, was sie jetzt tun konnte. Der Entschluss ging ihr leicht von der Hand, vor allem jetzt, wo sie sich an ihre letzte Umarmung zurück erinnerte. John hatte sie vielleicht damals los gelassen, aber sicherlich nicht für immer und ewig, dazu waren seine Berührungen zu zärtlich gewesen … Rose sprang auf, umarmte ihre Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke Mum!“ Jackie grinste. „Warum denn? Dafür bin ich doch da!“ Dann hob sie ermahnend einen Finger. „Aber geh nicht davon aus, dass mit einem Kuss und einer Umarmung alles wieder gut zwischen euch ist. Denn die Liebe muss erst wieder neu verdient werden.“ Rose die schon an der Tür stand, blickte über die Schulter zurück. „Das weiß ich doch, Mum!“, entgegnete sie dankbar, während das Herz in ihrer Brust schneller zu schlagen begann. Aufgeregt verließ sie die Küche, in der es wieder laut wurde, weil Jackie ihren Sohn aus dem Hochstuhl hob. Deshalb sah sie zu, dass sie schnellstens zurück in ihr Zimmer kam, weil sie jetzt alle Ruhe der Welt brauchte. Das Mobiltelefon lag schon in ihren Händen, als sie die Tür zu ihrem Raum öffnete. Angespannt wählte sie seine Nummer … weder die der Penthouse-Wohnung, weil John diese vor einem Monat aufgelöst hatte, noch die auf der Arbeit, sondern seine ganz private, die nur ein paar Leute außer ihr kannten. Ihr Atem ging schneller, als die Anwahl- und erste Ruftöne erklangen. Aber das war auch schon alles. Sie ließ es eine ganze Weile klingeln, aber weder hob jemand ab, noch schaltete sich die Mailbox an, damit sie eine Nachricht hinterlassen konnte. Schließlich brach die Verbindung ganz zusammen, nur ein schnelles Tuten erklang. Rose ließ die Hand sinken und schaltete das Telefon ab. Ein unangenehmes Kribbeln lief über ihren Rücken. „Warum geht er nicht dran?“, murmelte sie leise, war sie sich doch so sicher gewesen, dass er diese letzte Verbindung bestimmt nicht aus der Hand gegeben hätte es sei denn … … er hatte sich wirklich dazu entschieden, alle Brücken hinter sich abzubrechen – was aber eigentlich nicht zu ihm passte und sie auch nicht glauben wollte - oder aber er war durch etwas oder jemanden dazu gezwungen worden, alles aufzugeben, und dann – da war sie sich sicher - brauchte er jetzt um so mehr ihren Beistand und … ihre Liebe. Rose wurde blass, als sich eine kalte Klammer um ihr Herz schloss und es nicht mehr los lassen wollte … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)