Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 8: Fremd und doch vertraut! ----------------------------------- „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie der Fremde freundlich, den Rose kurz vorher noch durch das zerstörte Fenster in der Fabrikhalle beobachtet hatte, und streckte ihr die Hand entgegen, natürlich nicht, ohne sich vorzustellen. „Übrigens, ich bin der Doktor.“ Die junge blonde Frau fiel aus allen Wolken, starrte ihn nur mit großen Augen an. Wie bitte? Was hatte er da eben gesagt? Sie bekam gar nicht mit, dass er sie vorsichtig auf die Beine zog und dann auch noch mit der anderen Hand abstützte. Wie gebannt starrte sie nur auf sein Gesicht und versuchte das Wirrwarr an Gedanken und Gefühlen zu ordnen, das in diesem Moment durch ihren Kopf tobte. Der Doktor? War er wirklich zu ihr zurückgekommen? Sollte er es wirklich sein? Und wenn, warum sah er so anders aus? Hatte er sich erneut regeneriert? Oder spielte ihr hier jemand nur einen hinterhältigen Streich? / Sie rang nach Luft und suchte gleichzeitig in seinem Gesicht, in seinen Augen nach vertrauten Zügen, nach … doch der Fremde zeigte nicht einmal einen Hauch von Wiedererkennen, sondern nur reine Neugier. „Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen, Miss?“, fragte er besorgt. „Ja … ja … ich glaube schon“, stammelte Rose unsicher. Sie kämpfte immer noch mit ihrer Verwirrung und den Gefühlen, die nun in ihrem Herzen tobten, als sie ihn noch einmal genauer in Augenschein nahm und intensiver nach Ähnlichkeiten zu dem Mann suchte, den sie liebte, um herauszufinden, ob die Hoffnung bestand, dass er es sein konnte … Mit seiner kastanienfarbenen Lockenpracht, seiner altertümlichen Kleidung und seinem höflichen Gebaren sah der Fremde auf den ersten Blick eher wie ein Gentleman aus einer vergangenen Epoche aus, und nicht wie ein Mann von einem anderen Stern, der mit der Neugier eines Kindes das Universum erforschte und sich doch auch mutig gegen Daleks, Cybermen und zahlreiche andere Monster gestellt hatte. Das Gesicht ihres Gegenübers wirkte trotz seiner markant männlichen Züge vor allem um den Mund und die weichen Lippen herum erstaunlich sensibel. Seine Augen besaßen ein helles durchdringendes Blau und waren nicht einmal im Ansatz braun. Und aus ihnen schimmerte nur offene Neugier und Freundlichkeit, nicht aber die tiefe Melancholie, die ihren Doktor selbst in seinen fröhlichen Momenten nicht losgelassen und die sich in Ansätzen auch in Johns Blicken widerspiegelten. Dann aber spürte sie die eigentümlich zeitlose Ausstrahlung, die auch ihm umgab und nicht so recht einzuschätzen war, genau so wie die ihres Doktors … „Ist es das wirklich?“ Der Mann ließ sie los, als er spürte, dass sie seiner Hilfe nicht mehr bedurfte, und schmunzelte. „Nun, ich hätte nicht erwartet, an einem so einsamen und trostlosen Ort wie diesem, eine nette, junge Dame kennenzulernen.“ Was für ein Schmeichler … aber davon würde sie sich nicht einlullen lassen und weiterhin misstrauisch bleiben, beschloss Rose. Sie klopfte sich hastig den Staub von Jacke und Hose, auch wenn ihr das Herz immer noch bis zum Hals schlug und ihre Gedanken und Gefühle weiterhin wilde Achterbahn fuhren, auch wenn sie die Verwirrung langsam in den Griff bekam und durch gesunde Vorsicht ersetzte. Er sollte nicht merken, wie sehr er sie durcheinander gebracht hatte. „Ich weiß …“, erwiderte sie, als sie sich sicher war, dass ihre Stimme nicht mehr zittern würde. „Ich hatte mich hier mit meinem Freund verabredet …“ „Oh, ich hoffe, ich habe Ihr Date jetzt nicht verhindert – auch wenn dass sicherlich kein Ort für ein romantisches Treffen ist“, bedauerte er höflich, allerdings wirkte er sichtlich amüsiert, so als ob er ihr keines ihrer Worte glauben würde. „Nein … nein, das denke ich nicht. Ich bin ohnehin viel zu spät dran. Und wenn Ihnen niemand aufgefallen ist, der hier herumgestreunt ist, nun dann dürfte der Idiot mich versetzt haben!“, spann sie ihr Lügengespinst erst einmal weiter , stöhnte dann aber leise auf, als sie den ersten Schritt machte. Es stach erst einmal noch gehörig im Knie, aber nach schon nach ein paar weiteren Schritten in Richtung Wildwiese ging es wieder besser. Trotzdem würde sie in einer ruhigen Minute nachsehen müssen, wie die Verletzung aussah. Eigene Recherchen konnte sie jetzt ohnehin vergessen … denn nun, wo sie sich etwas besser von dem Schrecken erholt hatte, wurde ihr Argwohl stärker. Sie durfte nicht vergessen, dass sie den Mann dort nicht wirklich kannte, auch wenn er vielleicht der „Doktor“ war. Vielleicht log er sie ja auch einfach an und steckte in Wirklichkeit hinter Johns Verschwinden. Deshalb musste sie zusehen, dass sie ihn möglichst schnell los wurde. „Mir ist tatsächlich niemand aufgefallen!“ Der Braunhaarige – sie wollte ihn noch immer nicht Doktor nennen, weil sich alles in ihr dagegen sträubte – überlegte kurz und fügte dann mit einem freundlichen Klang in der Stimme hinzu: „Wenn es Sie nicht stört, dann kann ich Sie gerne bis zur Straße zurück begleiten, denn ich glaube wir haben den gleichen Weg.“ „Ach, das ist doch nicht unbedingt nötig, Mister!“ Rose biss sich auf die Lippen und fluchte innerlich. Na herrlich, jetzt klebte sich der verdammte Kerl auch noch an ihre Fersen. „Sie waren doch eben so beschäftigt. Haben Sie hier nicht noch mehr zu tun?“ Ihr Gegenüber winkte gelassen ab. „Eigentlich nicht. Ich bin mit dem, was ich hier erledigen wollte schon fertig geworden“, ließ er sich immer noch nicht abwimmeln und folgte ihr wie ein treuer Hund. Mist, also half wohl erst einmal nichts, gestand sich Rose grimmig ein. Mit Worten alleine würde sie diese Klette wohl nicht loswerden können. Auf der anderen Seite spürte sie, wie ihr Misstrauen geringer wurde, denn dieses Verhalten kannte sie auch von „ihm“: Auch er war immer freundlich gewesen. Immer hilfsbereit, aber auch verdammt hartnäckig, wenn ihn etwas interessierte – ja, das war typisch für den Doktor! Sie unterdrückte erste freundliche Gefühle für den Fremden und suchte nach Gründe, um ihm auch weiterhin nicht zu trauen, denn nein, dass konnte einfach nicht der Doktor sein … oder seine Entsprechung in diesem Universum. Schon allein wegen der Körpergröße nicht – sie musste nicht so sehr aufschauen wie zu ihrem. Er überragte sie vielleicht um eine Handbreit, bei denen aus ihrem Universum waren es zwei gewesen, wenn nicht mehr. Und sie bezweifelte, dass sich auch bei einer Regeneration ein Körper so zusammenstauchen konnte. Und selbst wenn, dann … Rose vertrieb diese letzten, absolut wirren Gedankengänge aus ihrem Kopf und konzentrierte sich lieber auf den Weg, um sich endlich zu sammeln und ihr weiteres Vorgehen bezüglich ihres Begleiters zu planen. Wenigstens ließ der Schmerz im Knie jetzt endlich nach. Nur noch ein leichtes Brennen war übriggeblieben. Sie musste vorangehen, da der Weg an der Halle entlang nicht für sie beide Platz bot. Der Fremde folgte ihr schweigend mit einem Abstand von zwei bis drei Schritten. Erst als sie die Wiese erreichten, kam nach ein paar weiteren Schritten an ihre Seite und betrachtete sie nachdenklich, so als grüble er über ihr Verhalten nach. „Da! Sehen Sie sich das an!“ Plötzlich hob der Braunhaarige den Kopf und wandte das Gesicht von ihr ab, um einen Arm zu heben. Rose zuckte aufgrund dieses abrupten Wandels in seinem Verhalten heftig zusammen und blickte dann an seinem ausgestreckten Arm entlang. Doch anstatt einer vermuteten Bedrohung waren am Himmel nur ein Mix aus dicken Wolken und in den Lücken dazwischen das bunte Farbenspiel des ausklingenden Sonnenuntergang vor dem immer dunkler werdenden Himmel zu sehen … „Ist das nicht ein wunderschönes Himmelsschauspiel?“, rief er begeistert und deutete noch immer auf den Horizont, ignorierte dabei ganz den Zeppelin, der nur noch wenige hundert Meter von ihnen entfernt in der Luft hing. Rose verdrehte erst die Augen, kniff sie dann jedoch zusammen, denn etwas an dem Luftschiff stimmte nicht. Es schien an Höhe verloren zu haben, sah fast so aus, als wollte es über einem der nahen Felder niedergehen. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken, denn sie wollte nicht an einen Zufall glauben. Verdammt noch mal, dass roch nach Ärger! „Ja … das ist sehr schön … “, erwiderte sie deshalb mit einem skeptischen Unterton und versuchte dann ihren Begleiter auf die Gefahr aufmerksam zu machen „Doktor , Sie … “ Der Mann an ihrer Seite legte nur den Kopf schief, lachte laut auf und machte ein paar tänzelnde Schritte zur Seite. Sie wunderte sich, dass er dabei nicht stolperte, sondern es auch noch schaffte, mit einer ähnlich schwungvollen Bewegung eine Tüte aus seiner Tasche zu ziehen. Rose blieb irritiert stehen. Was bei allen Daleks hatte das jetzt schon wieder zu bedeuten? „Das macht doch gleich Lust auf ein Jelly-Baby, finden Sie nicht?“ Doch anstatt die Tüte in ihre Richtung zu halten und die Süßigkeit anzubieten, streckte er sie den Überresten eines wild entsorgten Kühlschranks neben sich entgegen. „Möchten Sie auch eines?“ Rose rang nach Luft und fragte sich ernsthaft, ob sie es vielleicht doch nicht mit dem Doktor oder seinem Spiegelbild, sonder nur mit jemandem zu tun hatte, der eigentlich aus dem Irrenhaus entlaufen war. Das war jedoch schon im nächsten Moment vergessen, denn die Umgebung um sie herum wurde lebendig. Zwei Männer in militärischer Tarnkleidung tauchten aus ihrer Deckung zwischen dem Gras auf, Maschinenpistolen in den Händen haltend und mit einer klaren Absicht. Die Mündungen der entsicherten Waffen richteten sich auf sie beide „Hände schön weit weg von der Kleidung, nach oben und hinter den Kopf!“ befahl der grauhaarige Mann, der mehr bei ihr stand. Rose gehorchte instinktiv, denn sie wusste aus Erfahrung, das es gesünder war, der Bitte nachzukommen, als sich zu wehren. Es würde schon noch eine Gelegenheit kommen, die Kerle auszutricksen … hoffte sie. Der andere Bewaffnete wedelte unterdessen unwirsch mit der Waffe herum und fauchte den Braunhaarigen wütend an: „Und sie da, haben Sie nicht gehört? Nehmen Sie endlich die Hände nach oben … und lassen Sie gefälligst die Tüte fallen.“ „Halten Sie das für ratsam?“, erwiderte der Lockenkopf ungerührt und lächelte den Mann freundlich an. „Sie sollten wirklich einmal eines probieren! Das hebt die Stimmung an einem so kühlen und nassem Tag wie diesem“, sagte er ruhig. „Hören Sie, wir müssen das nun wirklich nicht mit Waffen ausdiskutieren.“ „Mir reicht das dumme Gequassel langsam, Mann! Haben Sie Tomaten auf den Ohren?“ „Wenn Sie mir erklären, wie das genau aussieht, dann kann ich ja mal nachsehen!“ Blaue Augen weiteten sich erstaunt, als ihm die Mündung der Maschinenpistole genau unter die Nase gehalten wurde. „Ich will doch nur die Stimmung etwas auflo-“ „Halten Sie verflucht noch mal endlich ihre Klappe und tun Sie, was ich Ihnen sage. Ich habe einen sehr nervösen Abzugsfinger.“ „Schade, dass ich sie nicht von meinen lauteren Absichten überzeugen kann.“ Der Doktor gehorchte nun endlich und sah traurig der zu Boden fallenden Papiertüte nach, während er die Hände hinter den Nacken legte und artig dort beließ. „Und was nun? Wie können wir Ihnen weiterhelfen?“ fragte er dann freundlich. „Indem Sie uns mitteilen, was sie hier zu suchen haben, Mister. Haben Sie die Schilder nicht gelesen? Das hier ist Privatbesitz, den Sie und ihre hübsche kleine Freundin widerrechtlich betreten haben!“, knurrte der Grauhaarige. „Und damit haben Sie eine Menge Ärger an der Backe.“ „Oh, wirklich? Ich habe leider keine Schilder mit diesbezüglichem Inhalt gesehen, dann hätte ich mich natürlich daran gehalten“, erklärte er unschuldig. „Ich dachte eigentlich, dieses Grundstück mit der Fabrik wäre Niemandsland. Zumindest hat man mir das hoch und heilig versichert, als ich mich nach den Gebäuden erkundigte“, plauderte der Doktor weiter und zwinkerte Rose dann verstohlen zu. „Dabei wollte ich mich hier doch nur mit der hübschen jungen Dame treffen … zu einem Date, wie man so schön sagt …“, lieh er sich frech ihre Notlüge aus. Rose verstand augenblicklich, was er ihr hatte sagen wollen und spielte ohne Zögern mit, indem sie ihn verliebt ansah und mit einem tiefen Seufzen hinzufügte: „Sie müssen wissen, am Valentinstag hat es uns völlig erwischt und da meine Eltern es nicht gerne sehen, wenn ich mich mit einem älteren Mann treffe, haben wir … “ „Halten Sie endlich den Mund, und zwar beide!“ unterbrach sie der jüngere Bewaffnete giftig. „Das Gefasel können Sie sich gefälligst für andere aufsparen und nicht uns damit belästigen!“ „Oh, und für wen sollen wir es reservieren?“ fragte der Doktor neugierig. „Ich würde gerne wissen, mit wem ich mir Ärger eingehandelt habe. Außer mit den Eltern dieser jungen Dame, natürlich.“ Er drehte seinen Kopf zu Rose und sah sie bedauernd an. „Tut mir leid, dass es so gekommen ist, Liebes.“ Sie grinste schief, fühlte sie sich doch in diesem Moment an die alten Tage im anderen Universum erinnert. „Mir auch … Ich hätte wohl vor ein paar Tagen besser drauf aufpassen müssen, mit wem ich mich verabrede und wo.“ Dabei starrte sie aufgeregt mit bis zum Hals klopfendem Herzen zu ihm hin. Wenn er nur ein wenig wie „er“ drauf war, dann würde der Doktor ihr ein unmissverständliches Zeichen geben. Denn den ersten Teil der Taktik hatte er schon angewendet – die Feinde mit Quasseln abzulenken und einzulullen, wenn er sie schon nicht überzeugen konnte. Der Ältere schien jedoch nicht dumm zu sein und den Braten ebenfalls zu riechen. Er machte eine barsche Geste. „Das werden Sie noch früh erfahren, Mister. Jetzt gehen Sie erst mal auf die Knie, und dabei schön die Hände im Nacken behalten, ja?“ „Dürfte ich bemerken, dass die junge Dame sich das Knie angeschla-“ „Jetzt reicht's mir, Kerl!“ Der jüngere holte mit der Waffe aus, um dem braunen Lockenkopf einen Hieb zu versetzen, doch in diesem Moment kam Leben in den schlanken Körper des Doktors. Es waren nur kleine aber fließende Bewegungen mit den Händen und dem Oberkörper, die aber ausreichten. Ehe sich der Bewaffnete versah, beförderte ihn sein eigener Schwung nach vorne, in die Richtung seines Kollegen, der dabei ebenfalls völlig aus dem Konzept geriet und für einen Moment unachtsam wurde. Das reichte aus, um ihm die Waffe zu entreißen und damit den impulsiveren niederzuschlagen, der lang ausgestreckt ins Gras fiel. „Ich hasse Waffen.“ Der Doktor starrte einen Moment die Maschinenpistole angewidert an, dann warf er sie weit von sich und klatschte in die Hände. „Und nun rennen Sie! Los!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)