Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 9: In der Gewalt des Masters ------------------------------------ „ … der Master … und du solltest mir gehorchen.“ Schmerzhaft gruben sich die Finger bei den letzten Worten seines Peinigers in das Kinn, so dass ihm Tränen in die Augen schossen. John hatte das Gefühl sein Unterkiefer würde zerbrechen, doch das war nicht alles - noch tiefer saß der Schock über die letzten Worte. Er persönlich hatte diesen Mann nie kennengelernt, aber Fetzen aus der Erinnerung des Doktors huschten jetzt durch seinen schmerzenden Kopf. Daheim auf Gallifrey … damals war „Kappa-Chi“ oder besser Koschei der beste Freund gewesen, den ein einsamer, viel zu ängstlicher, und von keinem wirklich ernst genommener Sonderling wie er hatte finden können. Er hatte ihm ,„Theta-Sigma“ ohne Spott oder gar bösen Hintergedanken gezeigt, dass das Leben und die Gemeinschaft mit anderen auch Spaß und Freude bieten konnte – vor allem in den Ferien, in denen sie durch das rote Gras fern der Stadt gerannt waren. Die glückliche Zeit, in der sie die strenge Zucht- und Ordnung auf der Akademie wenigstens für ein paar Tage hatten vergessen können … Und das natürlich nur wenn sie nicht gerade wieder einen frechen Streich ausheckten, um die Älteren zu ärgern, oder neugierig herumexperimentierten, weil ihnen jede noch so abstruse Idee wert schien ausprobiert zu werden. Ohne Koschei hätte er vielleicht niemals den Mut und die Kraft gehabt, die Neugier, Eigeninitiative und Kreativität zu entwickeln, die ihn später hinaus ins All geführt und dieses Leben geschenkt hatte – alles wäre nur ein blasser, unerfüllbarer Traum geblieben … Dann kam die Prüfung, die sich jeder Zögling der Akademie nach den ersten Jahren seiner Lehrer unterziehen musste – nämlich in das ungebändigte Schisma zu blicken. Jener Test bei der er selbst so ziemlich versagt hatte, weil er schon nach dem ersten Blick entsetzt davongerannt war … aber jetzt darüber froh sein konnte, weil er dafür nicht den Preis hatte zahlen müssten, den sein Freund unwissentlich entrichtet hatte. Die Veränderungen waren schleichend gekommen, aber unabänderlich gewesen … aus Koschei, dem brillanten Schüler und den aufmerksamen Freund, der ohne Mühe alle Prüfungen hinter sich gebracht hatte und in mehr als nur einer Disziplin mit Bestnoten abschließen konnte, wurde nach und nach der zunächst nur ehrgeizige und später skrupellose Master. Schon auf Gallifrey waren sie einander fremd geworden, aber nicht nur, weil sich ihre Lebenswege getrennt hatten, weil der Doktor in der Zitadelle der Timelords hatte zurückbleiben müssen, da er sich durch seine Leistungen an der Akademie keine Tardis verdient hatte, im Gegensatz zu seinem Freund. Sondern auch durch andere Entwicklungen: Immer wieder hatte der Master ihn aufgefordert, ja regelrecht erwartet, zu ihm zu stehen, als der Hohe Rat auf seine Verbrechen gegen die Gesetze Rassilons aufmerksam geworden war … Ein oder zwei Mal hatte der Doktor sogar Einträge in der Matrix gelöscht … aber irgendwann hatte sein Gewissen über die noch immer vorhandenen freundschaftlichen Gefühle gesiegt. Und das hatte ihm der Master schließlich so übel genommen, dass er ihn einen Verräter genannt und all seinen Hass auf ihn konzentriert hatte, vor allem als … Es kam, wie es kommen musste: Durch viele grausame Taten gegenüber unschuldigen und krampfhaften Versuchen, Rache an dem abtrünnigen Freund zu nehmen hatte sich der ehemalige Seelengefährte in seine Nemesis verwandelt, die nicht nur eine, sondern gleich mehrere seiner Inkarnationen heimgesucht hatte. Zwischen all der Abscheu und Wut, die der Doktor gegenüber dem Master entwickelt haben mochte, steckte jedoch auch ein Funken Hoffnung auf eine Veränderung und der leise Wunsch, dass der Freund sich besinnen und zu ihm zurückfinden würde, ein Nachhall der engen Verbundenheit und brüderlichen Zuneigung, die die beiden jungen Akademie-Schüler Theta-Sigma und Koschei über so viele Jahrzehnte geteilt hatten. Selbst als das letzte Kapitel in der Akte des Masters geschrieben zu sein schien, damals als er sich in der Gestalt von Harold Saxon geweigert hatte, den Regenerationsprozess einzuleiten und sein Leben in den Armen des Doktors ausgehaucht hatte, selbst dann … John stöhnte leise, als die Bilder sich wieder an den Rand seines Bewusstseins zurückzogen und ihn in die Wirklichkeit zurückkehren ließen. Wohler zumute wurde ihm durch die Erinnerungen nicht. Eher im Gegenteil … Der Druck auf seinen Kiefer wurde geringer, als ihn der Master endlich los ließ und spöttisch lächelte. „Du kannst mir nicht einreden, mein Junge, dass du nicht weißt, dass du nicht ganz menschlich bist, nicht wahr? Zur Hälfte mögen deine Gene die der Erdlinge sein, zur anderen aber stammen sie von Gallifrey. Jetzt würde ich gerne aus deinem Mund erfahren, wie das zustande gekommen ist.“ John bewegte den Kiefer und überprüfte ob auch wirklich nichts gebrochen war, nutzte den Moment, um seine chaotischen Gedanken zu sortieren. „Oh, ich weiß nicht so recht“, meinte er dann in einem lockeren Plauderton und zwinkerte die Tränen aus den Augenwinkeln, während sich in seinem Inneren Entschlossenheit breit machte. Er würde einen Teufel tun, seinem Peiniger zu erzählen, wie er wirklich in sein Leben getreten war! „So weit ich weiß braucht man dazu einen Frau und einen Mann. Und dann … na ja die Eltern erklären das ihren Kindern gerne mit den Bienchen und den Blümchen.“ Er hüstelte. „Muss ich Ihnen das wirklich erklären?“ Der Master trommelte mit den Fingern auf einen der Kästen neben der Liege. „Ich sagte doch schon, ich mag keine Spielchen … schon gar nicht von einem Primitiven wie dir. Ich kann auch andere Methoden anwenden, um dich zum Sprechen zu bringen.“ Dann beugte er sich leicht vor und starrte John tief in die Augen. Der spürte sofort den hypnotischen Druck, der auf seinen Geist ausgeübt wurde. 'Ich bin der Master!', hallte es gnadenlos kalt in ihm wieder. 'Du wirst mir gehorchen!' Für einen Moment rangen sie stumm miteinander. Willen kämpfte gegen Willen und John spürte zu seiner Erleichterung, dass er dem Feind genug entgegen setzten konnte, um ihn mental abzublocken, auch wenn er kein vollblütiger Timelord war. Es kostete ihm zwar mehr Kraft und Konzentration als dem Doktor – vor allem jetzt, wo die Betäubungsmittel durch seinen Körper strömten und seine Verteidigung schwächte – aber es gelang ihm, schließlich den Feind aus seinem Geist zurückzudrängen und sich vor seinem Zugriff zu verschließen. Ein Ruck ging durch den Körper des Masters. „Nun gut. Es gibt auch andere Methoden, um dich zu einer Antwort zu zwingen“, sagt er ruhig. „Warum wollen Sie mich eigentlich unbedingt zu einer Antwort zwingen?“, fragte John. „Können wir das nicht auch anders regeln? Wie wäre es mit ein bisschen mehr Offenheit von ihrer Seite? Ich verstehe nämlich immer noch nicht, was sie eigentlich von mir wollen!“ „Sagt dir der Name Ulysses etwas?“ „Äh … Sollte er das?“ Die Augenbrauen des Masters zuckten. John hob den Kopf, denn der Schwarzhaarige wandte sich ab und verschwand für einen kurzen Moment aus seinem Sichtfeld. Das gab ihm die Gelegenheit, sich verstohlen umzusehen. Das Design der Umgebung war anders als er es kannte, wirkte aber dennoch irgendwie vertraut – was nicht zuletzt an der auffälligen Wandverkleidung mit den runden Elementen lag, nur dass diese hier in dunklen, kalten Tönen irgendwo zwischen Blau und Schwarz gehalten waren und nicht in Messing und warmem Braun. Jetzt wusste er auch mit Sicherheit, wohin er verschleppt worden war. Und das erklärte endlich auch, warum er beim Anblick der „griechischen Säule“ Kopfschmerzen bekommen hatte – wählte der Chamäleon-Schaltkreis dieser ganz bestimmten Tardis bevorzugt diese Form, weil sie auf den meisten Welten nicht weiter auffiel. Der Master kehrte zurück, ein paar zusammengefaltete Kopien in der Hand schwenkend. „Ich habe dein Auftauchen zunächst auch nur für einen dummen Zufall gehalten, aber bei der Durchsuchung deiner Taschen das hier zu Tage gefördert, Mister John Smith.“ „Ach wirklich? Bin ich auch deswegen von Ihnen gefangen genommen worden, und nicht nur wegen meiner ungewöhnlichen Physiologie?“ John grinste schief und gab dann zu: „Nun, das sind nur Studien für ein ganz persönliches Projekt, das mich schon eine ganze Weile beschäftigt. Ich bin in London auf ein paar ziemlich interessante Zeitungsartikel aus dem Jahr 1889 gestoßen, die mich einfach nicht los gelassen haben.“ Jetzt noch weiter die Tatsachen zu leugnen brachte nicht viel, denn wenn der Master die Kopien gefunden hatte, dann kannte er auch mit Sicherheit sein Notizbuch und seine Geldbörse mit den Ausweisen. Da er nicht das Zeitgespür seines Originals besaß – einer der Sinne, die sich bei seiner Entstehung nicht mit vererbt hatten, konnte er nicht einmal sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Also war es sehr gut möglich, dass der Master inzwischen mehr über ihn wusste, als ihm lieb war. Und auch er hatte seitdem er wieder zu sich gekommen war, mehr erfahren, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Gallifrey hatte tatsächlich existiert, oder existierte noch. Er befand sich in einer Tardis … und der Mann, der ihn gefangen hielt war definitiv ein Timelord, wenn auch einer, vor dem er sich hüten musste. Das war Fakt … jetzt musste er nur noch heraus finden, wie alles zusammen passte. Denn das Geheimnis um Penelope Gate und diesen, bisher nur als Namen aufgetauchten, Ulysses schien den Master ebenfalls zu beschäftigen. Der blickte ihn jetzt nachdenklich an. „Eine interessante Aussage, John … Nun würde ich gerne wissen, was dich an den Informationen interessiert? Glaubst du, die beiden hätten etwas mit deiner Existenz zu tun?“ John zuckte so gut es ging mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich kenne meine Eltern ehrlich gesagt nicht“, gab er offen zu. „Aber na ja, wenn man weiß, dass man nicht ganz so menschlich ist, wie man sein sollte, dann greift man doch nach jedem Strohhalm, um seine Wurzeln zu finden, oder?“ Der Master lächelte dünn. In diesem Moment wirkte er ganz und gar nicht wahnsinnig oder grausam, auch wenn das kalte Funkeln in seinen Augen blieb. „In diesem Fall würde ich dir sogar zustimmen. Es ist immer gut, seine Wurzeln zu kennen und damit zu wissen, wohin man gehört und wohin nicht“, sagte er nachdenklich und legte die Blätter wieder zur Seite. Dann trat er wieder dichter an John heran und stützte die Hände auf die Liege. „Auch ich bin auf der Suche nach dem Mann namens Ulysses. Er hat vor langer Zeit etwas mit sich genommen, was ich gerne nach Gallifrey zurückbringen möchte, da es von immenser Bedeutung für mein Volk ist … “ Er beugte sich noch weiter vor. Seine Augen durchbohrten John förmlich. „Und du wärst obendrein ein interessantes Mitbringsel, das meinen Anspruch auf das Erbe Rassilons nicht mehr untergraben könnte. Ich bin nämlich nicht geneigt, an Gerüchte und lächerliche Prophezeiungen zu glauben.“ „Und wieso wäre ich 'ein interessantes Mitbringsel' für Sie?“ hakte John vorsichtig nach, während sein Herz schneller schlug. Aber er wich dem Blick seines Peinigers nicht aus. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass Neugier ziemlich ungesund sein kann?“, erwiderte der Master. Mit einer eher lässigen Handbewegung sorgte er dafür, dass wieder Betäubungsmittel in Johns Blutkreislauf gelangte, indem er den Zufluss der Infusion wieder öffnete. „Ich brauche noch eine Weile, bis ich mich entschieden habe, was ich mit der anstelle. Aber ich denke, dem guten alten Borusa würde es das Herz brechen, wenn er Ulysses jämmerlichen, da so unsagbar menschlichen Sohn nicht mehr lebend kennenlernen könnte … “ Hosted by Animexx e.V. 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