Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 12: Wie ein wildes Tier im Käfig ---------------------------------------- Etwa zwei Monate nach der Trennung ******************************* „Verdammt und verflucht! Wie lange soll das noch so weiter gehen?“ In einer Aufwallung von Ungeduld und Zorn sprang John von der Liege auf der er gesessen hatte auf und wanderte wieder einmal durch den Raum, so wie er es schon so viele Male zuvor getan hatte. In diesem Moment fühlte er sich der impulsiven Donna mehr verbunden als dem Doktor. So mussten sich wohl Tiere fühlen, die aus der Freiheit gerissen worden waren und den Rest ihres Lebens in dem engen Käfig eines kleinen Tierparks oder Zirkus dahin vegetierten - vielleicht kannten diese Verzweiflung auch Strafgefangene, die zu lebenslänglicher Einzelhaft verurteilt waren oder gar in der Todeszelle auf die Vollstreckung ihres Urteils warteten ... Und, war er wirklich so weit davon entfernt? Sein Peiniger mochte zwar ein gewisses Interesse an ihm zeigen … aber der Master hatte schon früher bewiesen, wie unberechenbar er sein konnte, wie schnell sein Interesse schwinden konnte, ihn am Leben zu erhalten. Die Erinnerungen des Doktors sprachen Bände. Er wollte schreien, gegen die Wand hämmern und so seinen angestauten Gefühlen endlich Luft machen. Wenn es doch nur etwas gäbe, mit dem er irgendwie doch die Wände seines Gefängnisses einschlagen könnte, wenn er ... „Nein, nur das nicht! Ich darf mich nicht gehen lassen“ John schüttelte energisch den Kopf und zwang sich dazu, still zu halten, denn jetzt einfach auszurasten und herumzutoben, das verbot ihm sein Stolz. Er war nicht bereit, sich jetzt und hier eine Blöße zu geben, und damit auch sich selbst einzugestehen, dass er langsam aber sicher die Hoffnung verlor und nicht mehr weiter wusste. Auch wenn er vielleicht nicht der Doktor war … er war ebenso wenig bereit, sich einfach aufzugeben und in den Abgrund fallen zu lassen. Vielleicht konnte er im Moment den Dingen nur ihren Lauf lassen und musste sich – so schwer es ihm auch fiel in Geduld üben – es würde aber sicher auch irgendwann der Moment kommen, in dem er eine Chance erkennen und die Gelegenheit, sich zu befreien, ergreifen würde. Abrupt blieb er im Raum stehen und holte tief Luft. Dann sah er sich nachdenklich um. Die Abmessungen dieses Raumes kannte er inzwischen besser, als ihm lieb war: achtzehn Fußlängen zur Wand gegenüber der Liege, insgesamt dreißig von einer Seite zur anderen. Beim Zählen der runden Wandelemente war ihm durch ihr dunkles Glimmen irgendwann schwindlig vor Augen geworden, deshalb hatte er auch das sehr schnell wieder sein gelassen. All das machte ihm um so deutlicher bewusst, wie ... Er unterbrach den den Gedankengang, ehe er sich damit wieder in eine erneute Spirale von Wut und Verzweiflung katapultierte, bevor alles noch einmal hoch kochen konnte und wandte sich anderen Dingen zu, stellte sich die Frage: 'Wie lange sitze ich wohl schon hier fest?' Er hatte keine Ahnung, denn anders als ein reinblütiger Timelord besaß leider nicht das instinktive Gespür für das Vergehen der Zeit, nur noch die Erinnerung an das Erwachen und die Schulung des Sinnes, der den Doktor einst dazu befähigt hatte, die Akademie auf Gallifrey und vor allem seine Lieblingsfächer erfolgreich abzuschließen. Selbst durch Konzentration und Meditation hatte er nicht einmal den Hauch einer Ahnung heraufbeschwören können. Den Versuch, seinen Herzschlag nebenher zu zählen, hatte er fast ebenso schnell wieder aufgegeben, denn sein viel zu menschlicher menschlicher Körper hatte bereits mehrfach das Recht zur Ruhe gefordert und auch die Bewusstlosigkeit davor konnte bereits mehrere Tage gedauert haben. Er fuhr sich über das glatte Kinn. Seine außerirdische Physiologie verlangsamte den Bartwuchs zwar etwas, aber er war vorhanden. Leider hatte der Master während seiner Untersuchungen die Gesichtsbehaarung entfernt, so dass er nicht einmal dadurch einschätzen konnte, wie viele Tage inzwischen vergangen waren. Also waren im alle Chancen genommen worden, an sich selbst abzulesen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Und natürlich gab auch das Licht keinen Hinweis, es war gleichbleibend dämmrig, wie aus einer schwachen Energiesparbirne. Die dunkle Täflung verschluckte auch noch einiges von der ohnehin schon niedrigen Helligkeit, was besonders ärgerlich war, denn das schlug sich auf seine Stimmung nieder, so sehr er das auch leugnen wollte. Auf der anderen Seite … zählte es wirklich, wie viel Zeit vergangen war, wenn doch ohnehin alles seinen Lauf gehen würde – so oder so? Er befand sich hier und jetzt in den Händen eines Timelords, den er nicht wirklich einschätzen konnte, waren die Erinnerungen des Doktors, die an der Oberfläche seines Bewusstsein kratzten viel zu widersprüchlich und verwirrend, als dass er sie klar hätte deuten können. Wie passte es denn überhaupt zusammen, dass der Master zwar immer wieder mit Genuss davon gesprochen hatte, seinen ärgsten Feind auf möglichst grausame Art und Weise umbringen zu wollen – und dann, als es in einer abgelegenen Strafanstalt im Herzen Englands durch die Kraft eines außerirdischen Wesens, das sich von starken oder negativen Gefühlen nährte, fast einmal so weit gewesen war - alles dafür getan hatte, um ihn wiederzubeleben, um das stehengebliebene Herz wieder in Gang zu bringen und ihn – besorgt, wie um einen Seelenbruder und engen Freund - wieder ins Leben zurück zu holen? Außerdem durfte er nicht vergessen, der Master konnte in diesem Universum durchaus ein ganz anderes Leben führen, als in dem, aus dem er und Rose gekommen waren. Allein die Tatsache, dass es diesen hier noch in einer Gestalt gab, die er durch die Erinnerungen der siebten Inkarnation des Doktors vor Augen hatte, implizierte nicht, dass er ein Wahnsinniger war, der nur Zerstörung und Vernichtung im Sinn hatte. Ebenso wenig konnte er sich sicher sein, dass in diesem Universum der Doktor überhaupt existierte – und selbst wenn, dass er den Schritt gewagt hatte, die Tardis zu stehlen und ins All aufzubrechen. Denn immerhin durfte er nicht vergessen: Rose hatte in dieser Welt niemals ein Spiegelbild besessen! Das konnte auch bei ihm so sein ... Rose ... Er seufzte tief, als er an seine Geliebte– und das, was er hinter sich gelassen hatte. Warum nur hatte er sich aus lauter Verzweiflung auf diese verrückte, ja scheinbar wirklich sinnlose Suche eingelassen? Was hatte er eigentlich gehofft am Ende des Weges zu finden? Dass jemand sein Verlangen nach den Sternen stillte, dass er jemanden fand, der ihn nicht länger nur als Ersatz für eine verlorene Liebe ansah, oder dass er endlich heraus fand, was er in dieser Welt sein konnte, außer jemanden darzustellen, der er nicht war? Er wusste es nicht. Jetzt nicht mehr. Wenn er sich jemals seiner Wünsche wirklich bewusst gewesen war, dann hatten sich diese längst in Luft aufgelöst … Stattdessen saß er jetzt hier fest und sah dazu noch einem völlig ungewissen Schicksal entgegen ... Er biss sich auf die Lippen und rang erneut um seine Beherrschung, als ihn eine neue Welle von Wut überrollte. Mit einem Schnauben, ließ er den Blick ein weiteres Mal durch den Raum schweifen und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Sicher, das war eine großzügig bemessene Zelle, in der er sich befand, allerdings auch eine ziemlich karg ausgestattete, so als wolle der Master verhindern, dass er durch irgendwelche Gegenstände auf dumme Ideen kam. Neben der Liege, die aus der Wand aus- und wieder eingefahren werden konnte, gab es gerade einmal ein Bord, auf dem er in unregelmäßigen Abständen Nahrung und Wasser vorfand. Dann einen am Boden festgeschraubten Ständer, auf dem er beim ersten Erwachen seine Kleidung und ein paar Habseligkeiten gefunden hatte. Allerdings nicht alle, wie er festgestellt hatte. Die Geldbörse mit den Ausweisen und anderen Karten fehlte ebenso wie sein Mobiltelefon und die Armbanduhr. Aber wenigstens konnte er sich in seinen eigenen Sachen wie ein Mensch fühlen und nicht länger hilflos und nackt wie eine ihrem Schicksal ausgelieferte Laborratte. 'Obwohl … hat sich wirklich so viel an meiner Lage verändert?' Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen fest aufeinander, während er langsam aus der Raummitte schlurfte. 'Nein, nicht wirklich. Aber anders als ein Tier bin ich mir dessen mehr als bewusst … was es vielleicht noch schlimmer macht.' Das waren nicht ein einzigen Gründe, die ihn immer wieder in ein Loch stürzen ließen. Noch immer konnte er spüren, dass die Betäubungsmittel in in seinen Adern kreisten. Dafür brauchte er kein Timelord zu sein. Er fühlte sich träge und benommen, so dass zu vermuten war, dass auch die Nahrungsmittel oder zumindest das Wasser mit Drogen versetzt worden waren, die seinen Geist gefügig machen sollten. Und selbst wenn dem nicht so war, so bauten sich die Stoffe in seiner Blutbahn offensichtlich nur sehr , sehr langsam ab … Genau so viel, wenn nicht noch mehr Sorgen als um sich selbst, machte er sich allerdings um Rose und die Tylers, denn die Besitztümer, die vom Master zurückgehalten worden waren, verrieten viel über seine enge Beziehung zu ihnen. Er hatte, damals als er gegangen war, weder seinen Werksausweis abgegeben, noch die Adressliste in seinem Mobiltelefon gelöscht, obwohl er schon daran überlegt hatte, diesen Teil seines Lebens hinter sich zu lassen. Dann waren da auch noch die die Fotos aus glücklicheren Tagen und das in Kurznachrichten geführte Liebesgeflüster, dass er und Rose in den ersten beiden Jahren geführt hatten, wenn sie sich nicht sehen konnten. Alles Dinge, die er aus reiner Sentimentalität nicht hatte löschen wollen, nicht hatte aufgeben können. Jetzt bereute er das zutiefst. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Nein, er wollte jetzt nicht daran denken, was der Master mit diesen Informationen anrichten konnte, wenn er nur wollte. Dazu brauchte er nicht erst die Erinnerungen des Doktors heraufzubeschwören, denn die entsprechenden Bilder pochten schon schmerzhaft hinter seiner Stirn … Es half auch nichts, sich einzureden, dass Rose vielleicht schon ein neues Leben begonnen, einen anderen Mann kennengelernt, dass sie inzwischen ganz mit ihrer Beziehung abgeschlossen hatte, denn das nahm ihm auch den letzten Funken Hoffnung, den Grund, um weiter zu kämpfen und sich nicht einfach in sein Schicksal zu ergeben. John stützte die Hände gegen eines der dunklen Rundelemente und wünschte sich er könnte es einfach eindrücken, könnte dahinter den Zugang zu einem Luft oder wenigstens Kabelschacht finden. Aber die Überprüfung seiner Zelle hatte bisher nur den Eindruck massiver Wände hinterlassen. Selbst bei dem Bord hatte er keine Schwachstelle ertasten können. Kein Entkommen, keine Sabotage schien möglich zu sein … und das frustrierte ihn zusätzlich. Das war aber nicht das einzige Problem, um das er sich kümmern musste. Sein Blick fiel nun auf das eng anliegende Band, das er bei seinem Erwachen am rechten Handgelenk vorgefunden und schon mehrfach inspiziert hatte. Es war massiv und wirkte zwar so harmlos wie normaler Silberschmuck, aber er war sich sicher, dass es dazu diente, ihn in irgend einer Form zu kontrollieren oder überwachen. Sicherlich hätte er in den Erinnerungen des Doktors nach Ideen und Hinweisen graben können, aber darauf hatte er lieber verzichtet, weil Versuche dieser Art nur selten Antworten gebracht und ansonsten nur unnötige starke Kopfschmerzen verursacht hatten – etwas, was er in seiner Lage nicht auch noch brauchen konnte. Denn an der Tatsache, es vermutlich nur mit den üblichen Timelord-Tricks – auf die er ja nicht mehr wirklich zugreifen konnte - loswerden zu können, änderte sich mit dem Wissen um was es sich eigentlich handelte, sowieso erst einmal nichts. Das Vorhandensein dieses Bandes war jedoch auch ein deutlicher Hinweis auf etwas anderes: So sehr der Master durch seine Worte und seinen Umgang mit ihm angedeutet hatte, dass er ihn als weit unterlegen ansah, weil er nur ein „jämmerlicher Mensch“ war, so misstraute er ihm trotzdem genug, um zu einer solchen Maßnahme zu greifen, um ihn an der kurzen Leine zu halten. 'Ach verdammt! Ich wünschte …' Er schlug mit den Fäusten gegen die Wand, als erneut Jähzorn in seinem Inneren hoch kochte. Nein, das war vollkommener Blödsinn, das wünschte er sich nun wirklich nicht! Außerdem hätte der Doktor auch in dieser Situation nicht mehr tun können als abzuwarten, so wie er jetzt. Es blieb nur ein Weg: Sich zu sammeln, um wieder ruhig zu werden, weiterhin Geduld zu haben und die Augen offen zu halten. Hinweise zu sammeln und im geeigneten Moment die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen … John lehnte die Stirn gegen die Wand und schloss die Augen, versuchte genau das zu tun. Er ließ das nur schwach wahrnehmbare Vibrieren der Tardis auf sich wirken, und fragte sich, wie es jetzt eigentlich mit ihm weiter gehen sollte und konnte. Aus den Erfahrungen des Doktors wusste er, dass sich der Master normalerweise sich nicht so lange mit Menschen aufhielt, weil sie in seinen Augen reine Spielzeuge und Schachfiguren waren. Bauern, die man nach belieben opfern konnte und deren kurzes Leben ohnehin nichts zählte. John war glücklicherweise in einer besseren Position, denn bei ihm handelte es sich ja um keinen reinrassigen Erdling. Die Tatsache, dass er ein Hybrid war hatte ihm das Leben gerettet, das stand fest. Das machte ihn in den Augen des Timelords irgendwie interessant – noch. Von was hatte sein Peiniger eigentlich noch einmal gefaselt, bevor er ihn erneut in den Schlaf geschickt hatte? Ah ja, von seiner Suche nach einem anderen Timelord namens Ulysses, den Erinnerungen des Doktors nach, einem der großen Forscher und Erfinder aus der ersten Blütezeit der gallifreyschen Zivilisation, einem der mutigen Helden, die als erstes gewagt hatten, mit noch unausgereifter Technik auf den Zeitströmen zu reiten. Dann auch noch von einem Dingen – Gegenständen oder Artefakten - die ihm das Erbe Rassilons sichern sollte … und schließlich von einer Überraschung, die er einem gewissen Borusa mitbringen wollte, und für den er John wohl hielt: den möglichen Sohn des für sein Volk spurlos verschwundenen Timelords Ulisses, der in seinen Augen nur ein 'unsagbar jämmerlicher Mensch' war und damit keine Gefahr für seine Pläne werden würde. Was auch immer das für welche sein mochten … Das bedeutete also, dass in diesem Universum Gallifrey noch so existierte, wie er es aus glücklicheren Tagen in Erinnerung hatte, dass die Timelords nicht im Großen Zeitkrieg vernichtet worden waren, und damit die Geschichte entweder einen anderen Verlauf genommen zu haben schien oder manche Ereignisse noch gar nicht eingetreten waren. Und dazu kam noch eine weitere Erkenntnis. John holte tief Luft, als er sich diese bewusst vor Augen hielt. War das die Antwort auf seine vielen Fragen, die sich während der Suche ergeben hatten? Handelte es sich bei dem Geheimnis der Penelope Gate, nicht nur um die Liebe zu Ulysses, dem Mann von einer anderen Welt, sondern vielleicht sogar um ein Kind, das aus der Verbindung zwischen Mensch und Timelord hervorgegangen war? Sein Herz machte einen Sprung. Wenn dem so war, dann gab es in diesem Universum vielleicht jemanden, der wie er zwischen zwei Völkern stand, ein Schicksalsgefährte, der ihm dem Weg weisen konnte, mit sich ins Reine zu kommen. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit neuem Mut und stärkender Hoffnung. Selbst wenn alles andere verloren sein würde, ein Ziel würde bestehen bleiben! Und dieser Gedanke kam rechtzeitig genug, denn plötzlich hörte er hinter sich ein durchdringendes Zischen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)