Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 20: Von alten Kameraden ... ----------------------------------- Der alte Mann lächelte Rose an. „Sie haben recht, es war unhöflich von mir, mich nicht sofort vorzustellen.“ Doch ehe er weiter sprechen konnte erklang ein leises Stöhnen zwischen ihnen. Der Doktor bewegte unruhig den Kopf, dann begannen seine Lider zu flattern. Er brauchte allerdings ein paar Sekunden , bis er die Augen ganz öffnete, aber dann sah er direkt zu ihr hin. „Hallo Rose …“, flüsterte er, während sich seine Gesichtszüge aufhellten. „Geht es dir gut?“ Die junge Frau nickte und öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder, weil der Doktor den Kopf bereits in die andere Richtung drehte, als bemerke er erst jetzt, dass sie nicht allein bei ihm stand. Na ja, konnte sie es ihm verdenken? Immerhin hatte er bis eben in einem komatösen Zustand dagelegen … und jetzt – wo er sich erstaunlich schnell erholte, schien er natürlich die Umgebung so schnell wie möglich erkunden zu wollen. Schon in dem Moment, in dem der Doktor den alten Mann genau ansah, weiteten sich seine Augen, dann huschte ein Strahlen über sein Gesicht. „Alistair, mein guter, alter Freund!“, rief er leise, aber begeistert aus. „Endlich sehe ich einen Mann, mit dem man vernünftig reden kann!“ „Nun, das muss sich erst noch erweisen.“ Die Miene des alten Mannes blieb starr, nahm sogar einen misstrauischen Zug an, dann jedoch schien auch bei ihm der Groschen zu fallen. „Sie haben es also schon wieder getan, Doktor“, meinte er daraufhin trocken, seine Mundwinkel zuckten. „Zum wievielten Male ist das jetzt?“ Rose blickte überrascht von einem zum anderen. Das klang danach, als sähen sich die beiden nicht das erste Mal, nein sogar mehr danach, als würden sich zwei alte Freunde nach vielen Jahren wieder begegnen! Sie war sichtlich irritiert. Ihr, den Krieg hassender und friedliebender, Timelord … nein, verbesserte sie sich, der Doktor dieses Universums hier, war mit einem Mann befreundet, der auch jetzt noch im Alter die Aura eines hochrangigen Offiziers hatte? Wie passte das nur zusammen? „Oh Alistair, du hast nur all zu recht“, seufzte der Lockenkopf etwas melancholisch. „Ich gebe zu, es wird langsam zu einer schlechten Angewohnheit von mir. Aber in den letzten Jahren hatte ich leider oft genug keine andere Wahl, als mich zu erneuern, wenn ich Leben retten wollte. Und das letzte Mal …“ Dann jedoch runzelte er die Stirn, als bemerke er plötzlich noch etwas anderes. „Das hier ist aber nicht das U.N.I.T.-Hauptquartier, oder? Ich kann mich nämlich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie …“ „ … dass ich schon vor vielen Jahren ausgeschieden bin, um mich im Ruhestand mehr um meine zweite Frau Doris und meine Familie zu kümmern, ja, das haben sie richtig in Erinnerung, Doktor. Eigentlich wusste ich U.N.I.T. in den letzten Jahren bei meiner Tochter Kate in guten Händen, dann aber wurde die Organisation leider von Präsidentin Harriet Jones aufgelöst.“ Der alte Mann schnaubte ärgerlich. „Offiziell wurden die viel zu hohen Kosten für Großbritannien genannt, inoffiziell jedoch spielte da wohl mehr außenpolitisches Kalkül mit …“ Rose, die der Unterhaltung bisher nur stumm gefolgt war, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu verdauen versuchte, schreckte aus ihren Gedanken hoch. Nun fiel ihr durch die letzten Äußerungen der beiden Männer endlich wie Schuppen von den Augen, wen sie da schon die ganze Zeit vor sich hatte. „Sie sind doch nicht etwa Sir Alistair Gordon Lethbridge-Stewart?“, fragte sie in die entstandene Stille. „Brigadier-General a.D., ehemaliger Gründer und langjähriger Leiter der UN-Organisation, die letztes Jahr aufgelöst wurde?“ „Ganz richtig, Miss Tyler.“ Das Gesicht des alten Mannes blieb weiterhin relativ unbewegt, auch wenn ein Schmunzeln seine Lippen umspielte. „Mich hatte schon gewundert, dass sie erst jetzt darauf gekommen sind.“ „Entschuldigen, Sie, aber in den Medien sind meistens nur ziemlich alte Aufnahmen von ihnen aufgetaucht, die ich nicht gleich in Verbindung mit ihnen gebracht habe“, entgegnete Rose und wich seinem Blick verlegen aus. So ganz stimmte das nicht. Nachrichten hatte sie sich im letzten Jahr kaum angesehen, weil sie … „Zudem war ich in den letzten Monaten wohl mehr mit persönlichen Sorgen beschäftigt, als aufmerksam die Nachrichten zu verfolgen“, murmelte sie mehr oder weniger in sich hinein. „Oh, U.N.I.T. ist aufgelöst worden? Das ist mir in der Tat neu und eine mehr als bedauerliche Entwicklung! Gerade jetzt, wo ...“ Der Doktor hob den Kopf nun da die Energie wieder in ihn zurückzukehren schien und die alte Unruhe in ihm erwachte. Er rüttelte unwillig an den Banden, die ihn noch immer fest auf der Trage hielten, als bemerke er erst jetzt, dass er noch immer gefesselt war. „Alistair, ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie mich hiervon befreien könnten, denn dann ist es doch gleich viel angenehmer miteinander zu reden“, forderte er frech. „Gegen ein gutes Tässchen Tee hätte ich übrigens auch nichts einzuwenden“, fügte er dann mit einem Blick hinzu, der Rose unwillkürlich kichern ließ. Sie und der alte Mann sahen sich unwillkürlich an. Dann drückte der Brigadier a.D. Den Timelord jedoch mit fester Hand in seine liegende Position zurück. „So einfach wie in den guten alten Zeiten ist das heute nicht mehr, Doktor!“, sagte er ernst und mit einer warnenden Kopfbewegung zu den Soldaten. „Es tut mir leid, aber Sie müssen so bleiben, wie sie sind. Denn im Moment müssen wir Sie als die Hauptverdächtigen in einer Kette von Morden betrachten … und das muss erst einmal genauer untersucht werden.“ „Aber …“ Auch Rose horchte auf und fröstelte. Eine Kette von Morden? „Doktor, haben sie meine letzten Worte nicht verstanden? Das hier ist nicht der Ort für Plaudereien über die alten Zeiten“, unterbrach der ältere Mann den Doktor. „Außerdem habe ich keine Lust unnötig länger im Regen herum zu stehen.“ Er sah zu Rose, als suche er Bestätigung, die er ja eigentlich nicht brauchte. „Oder wie sehen Sie das, Miss Tyler?“ „Ich bin ihrer Meinung!“ pflichtete sie mit einem eifrigen Nicken bei, hatte sich der Niesel doch mittlerweile zu einem Sprühregen gesteigert, der langsam auch ihre Jacke durchtränkte, die Jeans und die Schuhe fühlten sich eh schon so an, als seien sie völlig durchgeweicht. An den Zustand ihrer Haare wollte sie lieber gar nicht erst denken. Außerdem kehrte ein Gefühl von Benommenheit und Schwindel in ihren Kopf zurück, dass sie gar ganz und gar nicht angenehm fand. * * * Etwa eine halbe Stunde später saß Rose auf der Liege in einem Untersuchungsraum, der sich auch in jedem stinknormalen Krankenhaus hätte befinden können, so wie es hier roch und aussah. An drei Wänden waren Türen, dazwischen standen Schränke mit Glastüren oder Schiebefächern für Medikamente, Verbandsmaterial und Untersuchungsgeräten. Eine junge Frau, offensichtlich eine Sanitäterin, die hier auf der Basis Dienst tat, hatte ihr geholfen sich trocken zu rubbeln und in eine schlichte Kombination aus schwarzer Jogginghose und grauem Shirt zu schlüpfen. Eine Decke um ihre Schultern hielt sie zusätzlich warm, ihre Füße steckten in unförmigen Filzpantoffeln. Sie gähnte. Ihre Aufmachung sah vielleicht nicht gerade modisch aus, aber sie erfüllte ihren Zweck. So langsam ging es ihr wieder besser. Zwischendurch war auch der Chefarzt der Basis aufgetaucht, ein älterer Mann, der sich ihr als Doktor Harry Sullivan vorgestellt hatte. Er hatte sie kurz untersucht, nach ihrem Zustand befragt und ihr dann auch noch eine, wie er sagte kleine Dosis des Gegengifts gegeben. Danach war er erst einmal wieder den Raum verschwunden, in den die Soldaten den Doktor verfrachtet hatten. Rose seufzte und sah sich um. 'Ob das hier der Behandlungsraum für die verletzten Mitglieder von Torchwood Zwei ist?“, fragte sie sich und ließ den Blick erneut schweifen, verharrte an der Tür auf der gegenüberliegenden Seite, durch die kein Laut drang. 'Und nebenan befindet sich dann das Labor, in dem sie sich die Aliens vornehmen?' Sie schauderte und wollte sich gar nicht ausmalen, wie es dort aussah. Lieber nicht. Sich vorzustellen, dass der Doktor jetzt dort … nein … Dennoch war sie mehr als einmal versucht gewesen, einfach nachzusehen, wenigstens einen Blick durch die schmalen verglasten Sehschlitze zu werfen, in der Hoffnung, herauszufinden, was dahinter zu finden und zu sehen war. Aber immer wenn sie dann versucht hatte, auf die Beine zu kommen, hatte sie ein starkes Schwindelgefühl erfasst, vor dem sie der Mediziner als einer der Nebenwirkungen gewarnt hatte. Also hörte sie auf ihren Körper und unterließ irgendwelche Eskapaden. Sie hatte keine Lust darauf, durch die Gegend zu taumeln und dann auch noch würdelos auf dem Boden zu landen. Die junge blonde Frau seufzte. Der Moment der Ruhe gab ihr leider auch wieder Zeit über ihre Situation nachzudenken. Nicht nur das Offensichtliche – dass sie jetzt in der Basis von Torchwood Zwei fest saßen und vermutlich eine unangenehme Zeit vor sich hatten … auch das Chaos an Gedanken und Gefühlen, das in ihr tobte. Sie fühlte sich schuldig, dass sie so gut wie keinen Gedanken an John verschwendet hatten, seit sie und der Doktor versucht hatten, ihren Verfolgern zu erwischen. Bei der ganzen Action war sie gar nicht recht zum Grübeln gekommen und dann … Ein wehmütiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Du bist so überaus faszinierend, Doktor. Auch in dieser mir fremden Inkarnation. Aber du bist immer noch du … und das kannst du nicht verleugnen!“ Sie grinste schief. „Vielleicht sogar noch einen Tick charmanter und liebenswerter, unbeschwerter und fröhlicher. Das mag ich so an dir … und das hat mich dazu gebracht, mich dir irgendwie anzuvertrauen und in dieses Abenteuer mit ungewissen Ausgang zu folgen …“ Sie verstummte. Ja verdammt, sie mochte diesen Doktor, sie hatte sich ihm in dieser kurzen Zeit schon so sehr anvertraut, als seien sie alte Bekannte, was von ihrer Seite aus auch irgendwie der Fall war, wenn man es genau nahm. Dennoch war etwas anders, fehlte in ihrer Verbindung zueinander ein entscheidender Punkt: Dieser Doktor hier liebte sie nicht. Für ihn war sie noch eine völlig Fremde, eine Begleiterin, die ihm zufällig in den Weg gestolpert war und die er erst noch kennenlernen musste, um dann vielleicht so etwas wie Gefühle zu ihr zu entwickeln. „Aber genau dazu darf ich es niemals kommen lassen“, murmelte Rose ernüchtert. „Das würde alles nur noch verkomplizieren und vor allem: Das bin ich John so was von schuldig!“ Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte. „Verdammt! Ach verflucht, warum bin ich nur so blöd gewesen!“ Eine wirre Folge von Bildern huschte durch ihren Geist. John – noch in den blauen Anzug des Doktors gekleidet – als er ihr in der Bad Wolf Bay das wichtigste Versprechen seines jungen Lebens gab. Die Worte, die er ihr ins Ohr geflüstert hatte, weil der Doktor nicht in der Lage gewesen war, ihr genau dieses Geständnis zu machen. Die unschuldige Leidenschaft, mit der sie sich das erste Mal in einem Hotel in Norwegen geliebt hatten, und sein unbeschwertes Lachen, als ihre Liebe noch von allen Unstimmigkeiten und Problemen unbelastet gewesen war, als sie selbst noch bereit gewesen war, sich ihm zu öffnen und ihre Gefühle für den Doktor auf ihn zu übertragen. Aber dann kehrten auch die Gedanken an die Ernüchterung zurück, erkennen zu müssen, dass John in vielem zwar dem Doktor glich, aber längst nicht in allem, dass er auch Launen und Eigenschaften entwickelte, die er nicht von dem Timelord sondern seiner genetischen Mutter Donna geerbt hatte, die sie anfangs immer wieder irritierten. Und nicht zuletzt … die Wut auf die unnötige Sturheit ihres Partners, wenn er nicht hatte einsehen wollen, dass er mit seinen eigenen Marotten gefälligst zurück zu stecken hatte und sich wieder so benehmen sollte, wie sie es von ihm erwartete. Schließlich hallte noch sein letzter Blick in ihr nach die Mischung aus ungebrochener Liebe und tiefem Schmerz in seinen Augen, als sie mit ihm gebrochen und sich schließlich – nach Monaten des Zögerns – dann doch von ihm getrennt hatte. „Ich habe John nach einem Ideal des Doktors, das nur in meinem Kopf steckte, seine Persönlichkeit nach meinen eigenen selbstsüchtigen Wünschen formen, ihm aber nicht wirklich zugestehen wollen, dass er ein eigenständiges Wesen ist und keine exakte Kopie meines Freundes“, warf sie sich selbst leise vor. „Außerdem habe ich vergessen oder verdrängt, wie oft ich selbst so verdammt sauer auf den Doktor gewesen bin und wie gerne ich ihn für mich einen begriffsstutzigen Idioten genannt habe. Wie oft und gerne ich ihm eine runter gehauen hätte, nur weil er manchmal so furchtbar eingebildet auf sich und seine tollen Fähigkeiten war, auf der anderen Seite aber nicht kapiert hat, oder hat kapieren wollen, was ich ihm sagte oder weil er in seinem Übermut voll in das nächste Fettnäpfchen getrampelt ist.“ Sie hielt inne und wischte sich Tränen aus den Augen, aber besser fühlte sie sich dadurch nicht. „John dagegen hat mich auf Händen getragen und immer versucht auf mich einzugehen, aber ich war so blöd und habe ihm nur immer und immer wieder seine Fehler angekreidet. Manchmal glaube ich echt, ich bin zu blöd für Beziehungen. Und jetzt …“ Sie senkte die Hände und schluckte schwer. Wenn sie den Andeutungen des Doktors und seinem ernsten Gesichtsausdruck glauben durfte, dann war John vermutlich in den Händen einer überaus gefährlichen Person, über die selbst der Timelord nur mit gehörigem Respekt und vielleicht sogar einem gewissen Hauch von Furcht sprach Sie musste also, wenn es hart auf hart kam mit dem Schlimmsten rechnen … Doch in diesem Moment schreckte sie aus ihren Gedanken, denn die Doppeltür zum anderen Raum klappte auf und der Arzt tauchte zwischen den beiden Flügeln auf. Rose horchte überrascht auf, denn er hörte sich fast so an, als kenne auch er den Doktor nur all zu gut … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)