Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 22: ... und früheren Abenteuern --------------------------------------- „Doktor, diese Diskussion hatten wir schon vor über dreißig Jahren. Es mag ja sein, dass Ihre Verletzungen schon am Ausheilen sind … aber müssen das gleich alle wissen? Schlafen Sie noch eine Runde, meditieren Sie, aber stellen Sie den Ruheraum bitte nicht auf den Kopf und versuchen Sie schon gar keine Extratouren. Der Brigadier muss noch ein paar Sachen klären, dann kommt er zu Ihnen. Das kann aber durchaus ein oder zwei Stunden dauern. Die Geduld müssen Sie aufbringen, ja?“ Rose korrigierte ihre Meinung über Doktor Sullivan. Der Mediziner, der in seinen frühen Sechzigern stehen musste, da das Grau sein einstmals schwarzes Haar noch nicht ganz silbern gefärbt hatte, sprach nicht nur mit mit dem Timelord, als sei dieser ein kleines Kind, sondern auch so als ob er ihn kennen würde … und deshalb verdammt gut wusste, wie dieser tickte. Konnte es sein, dass auch er mit ihm gereist war? Was der Doktor antwortete, konnte sie leider nicht ganz verstehen, aber der Klang seiner Stimme ließ sie aufatmen. Schlecht schien es ihm nicht zu gehen – das war schon einmal gut. „Ihre Begleiterin ist bald wieder vollständig auf den Beinen und wird keine Schäden durch das Betäubungsmittel zurückbehalten, dafür habe ich gesorgt!“, erwiderte Sullivan wohl auf eine Frage des Timelord. „Und nun lassen Sie mich endlich nach ihr sehen, um so schneller kann ich das Mädchen zu Ihnen bringen!“ Diese energische Bemerkung schien zu wirken, denn der Mediziner konnte sich endlich abwenden und ganz aus der Doppeltür treten. Mit einem Kopfschütteln und sichtlich amüsierten Gesichtsausdruck drehte er sich zu ihr um, und verwandelte sich wieder in den freundlichen aber professionell distanzierten Arzt. „Nun, Miss Tyler, wie geht es Ihnen?“, fragte er dann und trat an sie heran. „Mir ist im Moment nur arg schwindelig, aber ansonsten verschwindet endlich die bleierne Schwere aus meinen Gliedern.“ „Das klingt gut. Der Schwindel dürfte spätestens in einer halben Stunde gegessen sein. Der menschliche Organismus verkraftet Gift und Gegengift recht gut, im Gegensatz zu dem mancher außerirdischer Rassen“, erwiderte er nach einem Blick auf seine Armbanduhr und studierte dann aufmerksam ihre Augen. „Ihre Pupillen reagieren jedenfalls so wie sie es sollten. Das wird schon wieder und zwar schneller als Sie denken.“ „Darüber bin ich echt froh!“ Rose runzelte die Stirn. „Nur interessehalber: Was wäre eigentlich dem Doktor passiert, wenn er von einem der Pfeile getroffen wurden wäre?“ Doktor Sullivan sog scharf die Luft ein. „Ich befürchte … das hätte nicht gut besonders für ihn geendet. Einige der Substanzen in den Ampullen sind pures Gift für sein Volk, soweit ich weiß. Insofern, kann er von Glück reden, dass Sie den Schuss abgefangen haben, auch wenn das jetzt gemein klingt“, fügte er mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. „Sie scheinen ja eine ganze Menge über den Doktor zu wissen.“ Rose hielt plötzlich den Blick des Mannes fest. Sie zügelte ihre Neugier nicht länger, denn sie wollte es jetzt genau wissen: „Sagen Sie mal: Kennen Sie den Doktor etwa auch?“, platzte sie dann aufgeregt heraus. Doktor Sullivan richtete sich auf und rieb sich über den gestrafften Rücken. Er musterte sie mit einem eigenartigen Blick. „Das kann man so sagen … „, meinte er nachdenklich. „Das ist jedoch schon eine ganze Weile her, lange vor Ihrer Zeit. Ich glaube, da waren Sie noch nicht einmal geboren, wenn ich ihr Alter richtig einschätze“, erwiderte er leise und lächelte dann in sich hinein. „Damals hat der Doktor allerdings noch etwas anders ausgesehen als heute … auch wenn er offensichtlich lockiges Haar zu mögen scheint und immer wieder zu solchen Frisuren zurückkehrt.“ Er räusperte sich. „Das Leben mit dem Doktor kann recht turbulent und gelegentlich so gefährlich werden, dass man um seine Existenz fürchten muss, aber es wird niemals langweilig. Ich nehme an, das wissen Sie bereits, als seine derzeitige Begleiterin, Miss Tyler, oder?“ „Oh ja, das stimmt, die Erfahrung habe ich auch schon machen müssen!“, erwiderte Rose hastig, auch wenn die Aussage nicht ganz stimmte, da es nicht auf dieses Universum zutraf. Immerhin hatte sie den Doktor zwei Jahre begleitet, und auch jetzt – mit der hiesigen Inkarnation hatte sich die eben von Doktor Sullivan getroffene Aussage irgendwie bewahrheitet … egal wohin sie kamen, sie fingen sich irgendwie Ärger ein. Meistens ohne es zu wollen. Außerdem bestätigte sich damit ihr Verdacht: Die Reisen als „turbulent und gefährlich, aber niemals langweilig“ zu bezeichnen, das konnte wohl nur jemand tun, der genau wusste, von was er da sprach. Ein wenig erinnerten seine Wortwahl und seine Mimik an die von Sarah Jane Smith, ebenfalls einer ehemaligen Begleiterin, mit der sie sich damals wunderbar unterhalten hatte, als sie und der frisch reinkarnierte Doktor den geheimnisvollen Vorgängen in einer Schule nachgegangen und prompt wieder auf gefährliche Aliens gestoßen waren. Okay, damals war sie eine Zeit lang verdammt eifersüchtig auf die Ältere gewesen, weil die mal eben so gleich alle Aufmerksamkeit des Doktors auf sich gezogen hatte – aber als sich die Unstimmigkeiten geklärt hatten … Sie musste unwillkürlich kichern, als sie daran dachte, wie sie und Sarah-Jane voller Vergnügen den Doktor durch ihr Getuschel über die unterschiedlichen Abenteuer und ihnen bekannten Macken und Marotten regelrecht aufgezogen hatten. Sicher, das war gemein gewesen … aber das hatte er auch damals verdient. Doktor Sullivan erwiderte die Reaktion mit einem wissenden Schmunzeln. Ob er auch so schräge Anekdoten über die kauzigen Eigenheiten des Timelords auf Lager hatte, so wie Sarah Jane … nette Peinlichkeiten, die sie sich alle gemerkt hatte, um sie ihm bei passenden Gelegenheiten unter die Nase zu reiben? Auch wenn sie ihn jetzt nicht danach fragte, so erfüllte sie jetzt doch ein Gefühl der Wärme und Erleichterung. Nun, da gleich zwei alte Kameraden des Doktors hier waren, sah alles gleich viel besser aus und die Gefangenschaft bei Torchwood Zwei gleich viel leichter zu ertragen. Jetzt konnte alles doch nur noch besser werden, oder? * * * 'Ah, das tut gut!' Rose hatte sich in die Decken gekuschelt den Kopf auf das zusammen geknautschte Kissen gebettet. Es tat wirklich gut, den Körper endlich mal lang auszustrecken und sich dabei warm und geborgen zu fühlen. Jetzt fehlte nur noch eines – etwas um ihren beharrlich murrenden Magen zu füllen. 'Ich wäre ja auch schon mit ein paar Tassen Tee und Keksen zufrieden', dachte sie und ließ noch einmal den Blick durch den Raum schweifen. Zwei Plastik-Wasserflaschen und Becher standen zwar auf einem Bord zwischen den Betten, aber das würde ihren Hunger auch nicht stillen, zumal eine davon schon fast leer war. Glücklicherweise hatte sich das Zimmer neben dem Untersuchungsraum nicht als Labor, wie aus einem Horrorfilm entpuppt, sondern tatsächlich als freundlich ausgestatteter Ruheraum mit zwei Krankenhausbetten, einem hellen Anstrich und angenehm leuchtenden Lampen. Das einzige, was die Idylle etwas störte war die zu einem flachen, länglichen Paket zusammengeklappte Trage, die jemand unter das Bett des Doktors verfrachtet hatte, so als wolle man sie unter Umständen noch einmal in Gebrauch nehmen, wenn man auf Nummer Sicher gehen wollte. Außerdem hatte das Zimmer kein Fenster, nur einem schmalen, hoch gelegenen Lüftungsschacht durch den vermutlich gerade mal ein Baby passte. Der einzige Weg nach draußen schien wirklich die Doppeltür zu sein. 'Nun gut – das sieht zwar nicht wie ein Gefängnis aus, ist aber trotzdem eines! Und wir werden von mindestens zwei Leuten bewacht.' Das hörte sie an den leisen Stimmen, einem abgehackten Husten und Räuspern, all den Geräuschen also, die in unmittelbarer Nähe zu hören waren. Und dass waren bestimmt nicht die einzigen Angehörigen von Torchwood Zwei, die ein Auge darauf hatten, dass sie beide nicht auf die Idee kamen, stiften zu gehen. 'Aber ich will nicht ungerecht sein, Doktor Sullivan und Sir Lethbridge-Stewart waren bisher so offen und freundlich zu uns wie sie konnten. Ich habe jetzt berechtigte Hoffnung, dass wir heil aus der ganzen Sache rauskommen', stellte Rose für sich fest. 'Auch wenn immer noch ein paar Fragen offen sind.' Mit einem guten Gefühl erinnerte sie sich an den Arzt, der sie vor einer guten Stunde in das Zimmer gebracht und sie flüsternd gebeten hatte, ein „Auge auf den Doktor zu haben“, der wie ein trotziger Junge auf seinem Bett gehockt und unwillig in einem Buch geblättert hatte, als sie beide herein gekommen waren. Wie er trug er Shirt, Socken und Trainingshose in gedeckten Farben, allerdings keine Schuhe. Durch den vertrauten Umgang zwischen den beiden Männern hatte sie nun mit eigenen Augen die Bestätigung bekommen, dass der – sie grinste schief – der Doktor einmal der Begleiter des Doktors gewesen war - denn die Gelassenheit und Frechheit im Umgang mit dem Timelord war einfach zu offensichtlich die eines alten Freundes. Harry Sullivan schien dessen Macken nur zu gut zu kennen, auch wenn sie die ein oder andere Äußerung seltsam fand– vor allem nicht die flapsige Bemerkung über ein Sprungseil, die dem Doktor ein herzliches Lachen entlockte. Sie gähnte ein weiteres Mal herzhaft, was den Doktor dazu veranlasste, mit dem Vorlesen innezuhalten. Das war das einzige gewesen, was ihr vorhin eingefallen war, um den Timelord wie versprochen ruhig zu halten. Er blickte sie ein wenig enttäuscht an, so dass Rose rasch einlenkte. „Oi, so war das nicht gemeint. Und das lag echt nicht an Ihnen. Sie haben eine tolle Stimme! Und das ist nicht nur Schmeichelei, sondern ehrlich gemeint!“ Sie stützte den Kopf auf den angewinkelten Arm, ehe sie weiter sprach. „Na ja, das Buch ist nur so verdammt langweilig geschrieben. Alles ist so umständlich in die Länge gezogen … “ „Finden Sie, das wirklich?“ Der Doktor strich sich ein paar Locken aus der Stirn, dabei fiel eine andere vorwitzig über die Schläfe, was sie ausgesprochen niedlich fand. Selbst die schlichte Kleidung tat seinem verträumten Charme keinen Abbruch, sie ließ ihn fast noch unwirklicher erscheinen. „Dabei hat Sir Arthur Conan Doyle einen für seine Zeit wirklich lebendigen Stil besessen. Ein netter und kluger Mann übrigens, genau so wie sein Bekannter aus Schottland, an den er seine Figur Sherlock Holmes angelehnt hat. Ein wacher Verstand, Wagemut und Fantasie … ja, das sind die Dinge, die die Menschheit vorangebracht haben … “ Er lächelte versonnen in sich hinein. „Aber ich verstehe Sie schon Rose, … im 21. Jahrhundert muss alles viel schneller gehen, und die Schönheit der Worte zählt weniger als die Bilder- und Musikflut mit der sich viele heute durch MTV und Co. überschütten lassen“, neckte er sie mit einem frechen Zwinkern. „Ich muss Ihnen wirklich vorkommen, als sei ich ein Relikt aus vergangenen Zeiten.“ „Ein wenig schon … aber das ist nicht schlimm. Angestaubt finde ich Sie ganz und gar nicht, sondern unheimlich faszinierend“, erwiderte Rose und ertappte sich dabei, dass sie unbewusst angefangen hatte, mit diesem Doktor so zu flirten, wie sie es … 'Ach verdammt, dabei habe ich mir doch eben eines geschworen – den Kontakt zu diesem Doktor niemals über einen bestimmten Punkt hinaus kommen zu lassen!', dachte sie verärgert und stellte das gewohnheitsmäßige, aber auch aufreizende Knabbern an der Oberlippe und den verführerischen Augenaufschlag sofort ein. Mit einem tiefen Atemzug und einem mahnenden „Rose“ im Kopf, wechselte sie das Thema und stellte eine Frage, die sie genau so beschäftigte: „Also, Doktor, Sie kennen Sir Lethbridge-Stewart und Doktor Sullivan von früher. Mögen Sie mir erzählen, wann und wie sie mit den beiden in Kontakt gekommen sind?“ „Warum nicht?“ Der Timelord legte das Buch beiseite und stützte die Hände auf die Knie. „Dem Brigadier bin ich das erste Mal in den U-Bahn-Schächten von London begegnet. Damals führte er noch als Colonel eine Armee-Einheit an, die im Auftrag der Regierung herausfinden sollte, warum immer wieder Menschen dort unten verschwanden – Arbeiter und Obdachlose vor allem, aber auch Passagiere von schwach frequentierten Stationen. Gemeinsam haben wir, Jamie Mc Crimmon und ich, mit ihm die „Große Intelligenz“ und ihre Roboter-Yetis bekämpft.“ Rose lachte. „Wie bitte, Roboter-Yetis? Wer kommt denn auf eine so bescheuerte Idee? Das klingt ja noch verrückter als lebendig gewordene Schaufensterpu …“, plapperte sie drauf los und verstummte hastig wieder, als sie ihren Fehler erkannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)