Der Schatten des Doktors von Tamy-kitsune ================================================================================ Kapitel 1: Die Trennung ----------------------- „Es ist vorbei … John!“, sprach Rose resigniert das aus, was sie beide so lange verdrängt hatten und sah ihm tief in die Augen. „Ich glaube, unsere Beziehung ist gescheitert.“ Er nickte nur, weil es keiner weiteren Worte bedurfte, um diese Entscheidung zu bestätigen. Eine Diskussion über das Wenn und Aber war ebenso unnötig wie der verzweifelte Versuch zu retten, was noch zu retten war, auch wenn ein Teil von ihm darum kämpfen wollte, nicht einsehen konnte, dass sie so einfach kapituliert hatten. Aber es war sinnlos. Das hatte er allein schon daran gemerkt, wie Rose kurz vor der Nennung seines Namens innegehalten hatte. Wie gleichzeitig ein Schatten über ihr Gesicht gehuscht war: Ihr Herz, ihre Liebe hatte niemals wirklich ihm gehört, denn er war nicht der Doktor … Ja sicher, dieses Wissen hatten sie lange Zeit erfolgreich verdrängen können, aber die Tatsache blieb dennoch bestehen und hatte sich niemals fortwischen lassen, so sehr sie beide sich auch darum bemüht hatten, es vergessen zu machen. 'Ich denke und ich fühle wie er, bis zu dem Punkt, an dem ihn der Dalek tödlich verwundete und er nur eine Wahl hatte, um weiter zu leben … ', dachte John Smith ernüchtert und traurig zugleich. 'Ich habe sein Wissen und seine Erinnerungen, selbst seine Gefühle aber ich bin doch nur eine Kopie. Das Ergebnis einer Regeneration, die der Doktor seinem Willen gebeugt hatte. Das sterbliche Abbild eines außerirdischen Wesens, der bereits mehr als zehn Leben hinter sich gebracht hat.' Er holte tief Luft, als er in sich horchte und sich noch einmal die Bestätigung holte, dass Rose nicht allein die Schuld an dem Keil trug, den die Zeit und diese einfache Tatsache zwischen sie getrieben hatte. Er fühlte sich innerlich zerrissen. In seiner Brust schlug nur ein Herz, sein Körper war wesentlich zerbrechlicher und anfälliger als der eines Timelords, aber auf der anderen Seite war er auch kein Mensch, wie Selbstuntersuchungen ergeben hatten. Sein Blut enthielt noch immer genug Zellen und Gene, die den Bewohnern dieses Planeten fehlten und größere Teile seines Gehirns waren aktiv, als bei normalen Menschen. Nicht zuletzt brauchte er nur in sich hinein zu lauschen, um eine Ahnung davon zu bekommen, welche Vielfalt an Sinnen der Doktor besaß, denn von manchen spürte er noch einen leisen Nachhall. Außerdem waren all die Erinnerungen und das Wissen an Gallifrey, seine unzähligen Abenteuer in Raum und Zeit oder an seine größte Schuld, von der Rose nicht einmal etwas wusste, mit übertragen worden und erhalten geblieben. Und da war auch noch etwas anderes, was ihn quälte - nämlich die Sehnsucht, das Verlangen, aus der starren, vorherbestimmten, irdischen Existenz auszubrechen, die vor ihm lag und endlich wieder frei zu sein, um Neues zwischen den Sternen und auf anderen Welten zu zu entdecken. Zuletzt hatte er sich während seiner dritten Inkarnation so erdrückt und gefangen gefühlt … als die Timelords ihn aufgrund seiner „Verfehlungen“ auf die Erde verbannt hatten. Damals war ihm immerhin noch die Tardis geblieben, als einzige Hoffnung, auf eine Änderung dieser Situation. Diesmal jedoch … John zuckte zusammen und zwang sich innezuhalten. Solche Gedanken waren in diesem Moment eigentlich fehl am Platz, aber sie gehörten dennoch - trotz aller Unterschiede zu seinem Original – zu seiner eigenen Persönlichkeit und trugen mit zu dem Zerwürfnis bei. Und er konnte nicht von der Hand weisen, dass er sich etwas anderes eingestehen musste … Die zärtliche Zuneigung - die Liebe - zu Rose war vielleicht ungebrochen, aber die Last der Fesseln, die er sich selbst dadurch auferlegt hatte, erdrückten ihn förmlich. Lange konnte er das nicht mehr aushalten. In den ersten Monaten nach ihrer Heimkehr von der Bad Wolf Bay hatte alles noch so einfach ausgesehen, war es sonnenklar gewesen, dass er seinen Gefühlen für Rose endlich freien Lauf lassen und sie mit jeder Faser seines Ichs leidenschaftlich lieben konnte, weil er – wie der Doktor schon gesagt hatte – mit ihr alt werden konnte. Durch sie hatte er einen Grund bekommen, zu auch nach der Krise weiter zu leben und eine Aufgabe zu erfüllen, die Sinn machte. Mit der Geliebten an der Seite hatte er deshalb versucht ein glückliches, menschliches Leben zu führen, immerhin hatten sie ein gutes Beispiel vor Augen: Roses Eltern waren der beste Beweis für die Chance, die sich auch ihnen aufgetan hatte. Denn Peter Tyler hatte in dieser Welt niemals eine Tochter namens Rose gehabt, seine eigene Frau war mehr auf gesellschaftliches Prestige und Schönheit bedacht gewesen und schließlich durch die Cybermen ums Leben gekommen. Die pragmatisch denkende Jackie Tyler hatte ihren eigenen Pete vor mehr als zehn Jahren durch einen Autounfall verloren und ihre Tochter ganz alleine groß gezogen. Da aber die Liebe zu den verstorbenen Partnern nie ganz erloschen war, hatten beide kurzerhand den Wink des Schicksals genutzt, und ihre Liebe wieder aufleben lassen. Sie hatten sich keine Gedanken mehr um die Vergangenheit gemacht, sondern nur noch in die Zukunft gesehen, ohne Wenn und Aber. Ihre Leidenschaft war so entfacht worden, dass sich das enge Band zwischen ihnen inzwischen mit dem kleinen Tony endgültig gefestigt hatte. Das war ein Ziel, das Rose und er zwar immer angestrebt aber nie erreicht hatten … Schon bei ihrer Heimreise aus Norwegen hatten sie erste Pläne geschmiedet und einige wichtige Entscheidungen getroffen, aber irgendwie … Eine seiner ersten Maßnahmen war es gewesen den Namen John Smith anzunehmen, den er seit seiner Zeit bei UNIT benutzte, und nicht mehr länger nur der „Der Doktor“ zu sein, denn das war vorbei. Ein paar Monate später, als alle Formalitäten geklärt und er nun auch gegenüber den Behörden auftreten konnte, hatte er einen Job in Peter Tylers Konzern angenommen. In dieser Zeit hatten sie, auch die Villa verlassen und waren gemeinsam in diese schön gelegene Penthouse-Wohnung gezogen. Über drei Jahre lang hatten sie in einem wunderbaren Traum gelebt. Der menschliche Alltag war für ihn eine neue und spannende Erfahrung gewesen, das Zusammenleben mit seiner Geliebten aber auch die Arbeit hatten ihn tagtäglich vor neue Herausforderungen gestellt, denn nicht alles hatte er allein mit Witz und Verstand oder seinem Mundwerk meistern können. Immer wieder waren ihm auch die Grenzen seines menschlichen Körpers aufgezeigt wurden, die Anfälligkeit für Krankheiten oder gar Verletzungen. Er erinnerte sich noch zu gut an sein erstes Fieber, an die Grippe … Als das Ganze mit der Zeit allerdings zur Routine wurde, hatten auch die gelegentlichen Reisen durch die Welt – natürlich zusammen mit Rose - nichts mehr daran ändern können, dass sich schleichend immer mehr Zweifel und Unbehagen in ihm breit gemacht hatte und die Palette der menschlichen Gefühle, die er kannte, war um weitere ergänzt worden: Ernüchterung, Langeweile, Gereiztheit. Die kleinen menschlichen Macken und Launen, die ihm früher an Rose gefallen hatten, begannen ihn zu stören und zu nerven … die Gelassenheit, über den menschlichen Gepflogenheiten zu stehen oder sich über sie zu amüsieren, schwand, je mehr er seinen eigenen Weg beschritt und den „Doktor“ hinter sich ließ. Charakterzüge kamen hinzu, die er mehr von Donna kannte als von sich selbst. Rose war das nicht entgangen, deshalb hatte sie ihm irgendwann den Spiegel vors Gesicht gehalten und war ebenfalls explodiert. Der erste Streit zwischen ihnen war eine Erfahrung gewesen, die er nicht gerne wiederholt hätte, aber es war leider in der Folge immer öfters zu ähnlich heftigen und lauten Auseinandersetzungen gekommen, die sie beide schließlich ganz auf den Boden der Tatsachen geholt hatten. Und nun … war klar – dieser Tag war unabwendbar gewesen. Rose räusperte sich plötzlich und schreckte ihn so aus seinen Gedanken. „Wir können gerne Freunde bleiben, wenn du willst John. Es heißt ja nicht, dass es ganz aus sein muss.“ „Das wollte ich auch gerade vorschlagen“, entgegnete er mit einem Lächeln und der unbeschwerten Flapsigkeit, die der Doktor gerne an den Tag legte, um seine eigenen Gefühle zu überspielen, es seinem Gegenüber leicht zu machen. „Ganz sicher können wir Freunde bleiben. Warum auch nicht, denn immerhin haben wir eine Menge Abenteuer erlebt und … “ Er verstummte plötzlich, weil Rose eine Augenbraue hochzog, blickte verlegen drein, denn da war er wohl wieder in ein Fettnäpfchen erster Güte getreten, das nicht hätte sein müssen … Natürlich – nicht er und Rose - sondern der Doktor und sie - hatten sich mit Daleks, Cybermen, Sycorax und einer Menge anderer feindlicher oder zwielichtiger Aliens herumschlagen müssen, das durfte er nicht vergessen … „Und, was hast du jetzt vor?“, lenkte er deshalb das Gespräch auf ein anderes Thema, um die schwelende Wut auf den Rivalen aus dem Paralleluniversum, die plötzlich wieder heftig in ihm hoch kochte zu unterdrücken. „Ich denke, ich werde eine Weile zu Mum und Dad in die Villa ziehen und dann entscheiden, was ich mit meinem weiteren Leben anstellen will. Vielleicht fange ich an zu studieren, auch wenn ich da noch einen Schulabschluss für nachholen müsste. Aber es wäre ein Anfang … “, ging sie auf ihn ein, wohl wissend, dass sie den wunden Punkt in ihrer Beziehung genau so wie er schnellstmöglich überspielen sollte. „Ich brauche jetzt jedenfalls ein bisschen Abstand und Ruhe von Allem. Und … was hast du so vor?“ John zuckte mit den Schultern. „Mal sehen … ich habe da ein paar Dinge, denen ich nachgehen will, nennen wir sie einmal „Forschungsprojekte“. Durch den Job bei deinem Vater habe ich ja einiges auf der hohen Kante und kann mir eine längere Auszeit erlauben, denn ich denke, das tut auch mir gut“, grinste er und bemühte sich auch weiterhin unbeschwert und locker zu wirken – so wie sie es von „ihm“ kannte, auch wenn er sich in seinem Herzen ganz anders fühlte. „Ich wünsche dir viel Glück bei deinen Forschungen!“ Rose lächelte traurig, überlegte und trat dann plötzlich auf ihn zu, umarmte ihn so spontan, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte. Ein warmer Schauder rann über seinen Rücken, als für einen Moment die Hoffnung aufkam, dass sie es sich vielleicht doch noch einmal anders überlegte, und sie … John lehnte seinen Kopf an den ihren und spürte, wie sie die Geste ebenso zärtlich erwiderte. So verharrten sie eine ganze Weile ohne sich zu bewegen. Er genoss es einfach, sie noch einmal in seinen Armen zu spüren. Sie so festzuhalten, als stünde nichts zwischen ihnen, als seien sie noch immer zusammen und nichts würde ihre Beziehung trüben. Das Gegenteil war jedoch der Fall. Es war ein Abschied, der Moment, in dem sie einander los ließen. Das Ende einer Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen war, weil von Anfang an ein dunkler Schatten über ihr gelegen hatte – nämlich der des Doktors. Und für ihn … John holte tief Luft und spürte einen Funken Hoffnung in sich aufsteigen. … für ihn vielleicht auch ein neuer Anfang. Er wollte nicht länger nur der Ersatz für den Doktor sein, das in ein anderes Universum abgeschobene Duplikat einer umgeleiteten Regeneration oder der gerade einmal viereinhalb Jahre existierende Hybrid … Nur, wenn er sich selbst fand, dann hatte er vielleicht auch die Chance, die Liebe von Rose neu zu gewinnen – diesmal als er selbst – als John Smith! Kapitel 2: Roses Bedauern und Erkenntnis ---------------------------------------- „Ja, so ist das immer. Man merkt viel zu spät, wie viel jemand einem bedeutet, wenn man ihn verloren hat.“ Rose fuhr aus ihrem dumpfen Brüten hoch und starrte ihre Mutter wütend an. „Mum, wie kommst du ausgerechnet jetzt darauf?“, fauchte sie. „Das sehe ich dir schon an der Nasenspitze an. Denn das ist nicht das erste Mal, dass du so betrübt dreinschaust. Seit das neue Jahr angefangen hat, kommst du nicht mehr wirklich aus deiner trüben Stimmung raus.“ Jackie fuhr ungerührt fort, den Teig zu kneten und schob wie beiläufig die Hände ihres kleinen Sohnes zurück. Tony zappelte aufgeregt in seinem Hochstühlchen und beugte sich weit nach vorne. „Nein mein Schatz. Du hast doch schon ein Stück!“, ermahnte sie den Kleinen schmunzelnd. „Das werden später leckere Plätzchen – wenn du Mama jetzt endlich weiter kneten lässt. Du darfst auch nachher beim Ausstechen helfen.“ „Tet-ten … da ... tneten. TNETEN!“, krähte ihr kleiner Bruder aufgeregt und zog die ganze Aufmerksamkeit wieder auf sich. Das gab Rose, die Zeit wieder zu sich zu kommen. Sie holte tief Luft und versteckte ihr Gesicht hinter einer großen Tasse mit Milchtee. Dabei ließ sie ihren Blick durch die Küche schweifen. Auch wenn die jetzt dreimal so groß wie ihre alte war, ausgestattet mit Designermöbeln und den neusten technischen Geräten, und Jackie Tyler eigentlich nicht mehr selbst kochen und backen müsste – alte Gewohnheiten blieben bestehen, gerade wenn nichts besonderes anstand. Dazu gehörte auch die Sitte einfach zusammen zu sitzen und sich bei einer heißen Tasse Tee zu unterhalten. Rose seufzte. Früher hatte sie ihrer Mutter viele Erlebnisse, aber auch von ihren Sorgen erzählt, dieser zugehört, wenn sie sich wieder einmal über die Nachbarn und alles Mögliche andere aufregte. Sie hatten gelacht, gescherzt und … Jetzt kamen sie allerdings nur noch selten … oder besser gar nicht dazu, denn Tony war meistens mit dabei und forderte wie jedes Kleinkind, die volle Aufmerksamkeit seiner Mutter ein. Auch Peter Tyler wollte natürlich Anteil an seiner Frau haben, vor allem, wenn er einmal zu Hause. Da blieb für Rose im Leben ihrer Mutter natürlich nicht mehr so viel Platz wie früher. 'Klar, ich bin erwachsen und sollte eigentlich endlich mein eigenes Leben führen. Aber was mache ich … bei der ersten großen Beziehungspleite? Ich verkrieche ich mich doch tatsächlich unter ihrem Rockzipfel, weil ich einfach nicht weiter weiß … ' Sie biss sich auf die Lippen. Wie lange war es jetzt her, dass sie John verlassen hatte – zwei Monate? Ein Blick auf den Kalender bestätigte ihr die Vermutung auf den Tag genau. Im Dezember, noch vor Weihnachten, hatte sie die Penthouse-Wohnung verlassen und war zurück zu ihren Eltern gezogen. In den ersten Tagen hatte sie sich von einer großen Last befreit und sogar glücklich gefühlt. Noch am Weihnachtstag hatte sie kaum einen Gedanken an ihre kaputte Beziehung verschwendet und die Familienfeier mit den Eltern und dem Bruder genossen, weil er Erinnerungen an ihre eigene Kindheit weckte. Doch schon am Silvestertag, als sie ihre Eltern zu einer Gala begleitet hatte … war ein tiefer Stich in ihr Herz gefahren, als sie die vielen Paare gesehen hatte, die Arm in Arm das Feuerwerk beobachtet und sich Neujahrsgrüße zugeprostet hatten. In dieser Nacht waren erste Zweifel über sich und ihr Verhalten hoch gekommen und die unvermeidliche Frage: Hatte sie John überhaupt eine Chance gegeben? In ihrem Inneren kannte sie bereits die Antwort, denn es war ein klares „Nein!“. Jetzt wurde ihr bewusst, wie wenig Raum und Luft sie ihm in der Zeit ihres Zusammenlebens gelassen hatte. John hatte nie die Möglichkeit bekommen, er selbst zu sein oder es zu werden, denn für sie hatte er immer nur das sein müssen, was sie verloren hatte, was sie niemals wieder zurückbekommen würde, wie ihr jetzt langsam klar wurde. In ihrer Eigensucht hatte sie in ihm immer nur den Doktor sehen wollen – den spannenden und aufregenden Fremden von einem anderen Stern, der sie aus ihrem tristen Alltag und einem öden Jopf gerissen hatte, um sie auf spannende Abenteuer durch Raum und Zeit zu führen. Den Helden, der auch in ausweglosen Situationen die Feinde immer ausgetrickst hatte … der Mann, der sich am Ende sogar einmal für sie geopfert hatte. Traurig erinnerte sie sich daran, dass sie schon einmal jemandem deswegen weh getan hatte, weil sie den Doktor ihm vorgezogen hatte. Zum Glück war Mickey irgendwann darüber hinweg gekommen, dass sie ihn nicht mehr lieben konnte. Durch die Sorge um seine Großmutter, die hier in diesem Universum noch lebte und die Aufgaben, die er an Stelle seines Spiegelbildes Rickey übernehmen konnte, hatte er seinen Frieden mit der Situation gemacht und deshalb war es ihm leicht gefallen, den Verlust endlich zu überwinden. Und auch wenn er jetzt wieder nach Hause in das Universum ihrer Geburt zurückgekehrt war … so würde er sicher auch da wieder neue Freunde und vermutlich sogar schon bald die Liebe finden. Aber was war mit John? Er war wie sie ein Fremder in dieser Welt, ein … „Liebes, du weißt doch genau, wie ich das meine!“, riss Jackie sie abrupt aus ihren Gedanken. Rose sah sie an und stellte die Tasse auf den Tisch, während ihre Mutter ungewohnt sanft und verständnisvoll weiter sprach: „Mir wurde auch erst klar, wie sehr ich Pete geliebt habe, als ich ihn durch den Autounfall verlor. Deshalb genieße ich jeden Tag, den ich heute wieder mit ihm zusammen sein kann.“ Sie beugte sich vor und strich ihrer Tochter eine Strähne aus dem Gesicht, hinterließ eine feine Mehlspur auf der Haut. Dann legte sie den Kopf schief. „Vielleicht war diese Trennung notwendig, damit ihr beide herausfinden könnt, was ihr eigentlich von eurem Leben wollt!“, sagte sie dann und bearbeitete dann den Teig kräftig mit dem Nudelholz. „Denn ich muss ehrlich sagen. John erschien mir in der letzten Zeit, auch ziemlich durch den Wind. Da ist er deinem Luftikus von Doktor nicht ganz unähnlich – dieses ständige sehnsuchtsvolle Zu-den-Sternen-Starren, diese grüblerische Melancholie in seinen Augen … ganz schlimm ist es gewesen, wenn ihn nicht mal mehr ein Spaß aufmuntern konnte. Und dann wieder diese Ausbrüche von Heiterkeit. Bei einer Frau könnte ich mir vorstellen, woher seine Launen kommen …“ Rose grinste schief. „Ach Mum … “ Jackies Worte munterten sie ein wenig auf. Ihre Mutter wusste traf das Problem mit wenigen klaren Worten. Gerade diese Sichtweise half ihr nun, alles mit ein wenig mehr Abstand zu betrachten. Deshalb nickte sie. „Ich bin selbst durcheinander und weiß nicht, was ich denken und fühlen soll. Jetzt begreife ich, dass ich bisher immer nur den Mann in ihm sehen wollte, in den ich mich verliebt habe. Wann immer ich Züge an ihm entdecke, die ich nicht kenne, die mir falsch erscheinen …“ Sie schluckte. „Dann plötzlich fühle ich mich verletzt … werde einfach nur wütend … und …“ „Und?“ Jackie hielt mit dem Ausrollen des Teigs inne und legte den Kopf schief. „Ich weiß auch, dass Peter nicht mein Pete ist, nicht der Mann, den ich als junges Mädchen kennen und zu lieben gelernt habe. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den beiden, wie ich auch jetzt immer noch feststelle … aber ich bin froh, die Chance bekommen zu haben, wieder bei Peter zu sein und erlebe unsere Beziehung als großes Abenteuer … denn was wäre eine Liebe, wenn es nicht tagtäglich Neues an seinem Partner zu entdecken gäbe? Vielleicht war das dein größter Fehler …“ Sie blickte ihre Tochter nachdenklich an. „Und etwas anderes kommt noch dazu, denn ich kann mir schon vorstellen, warum du so wütend bist. Da seid ihr noch einmal zusammen gekommen, um die Welt zu retten – du und der Doktor … und dann schickt er dich doch einfach wieder hierhin zurück … zusammen mit seiner Kopie, die ihm dort sicherlich nur Scherereien gemacht hätte, denn wer hat schon gerne ständig sein Spiegelbild vor Augen, das genau so tickt wie er selbst. Damit schlägt er gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Zwei Probleme sind aus der Welt geschafft …“ „Mum!“ Jackie hob beschwichtigend die Hand, als Rose hochfahren wollte, sprach dann aber unbeirrt weiter. „Verstehe mich nicht falsch, Liebes … ich glaube nicht, dass er es dir gegenüber böse meinte, denn es war in seinen treuen braunen Hundeaugen nicht zu übersehen, wie sehr er in dich verschossen war … aber er ist nun mal der große und mächtige Timelord – der letzte seines Volkes … “ Sie machte eine theatralische Geste, die Tony dazu brachte, begeistert los zu kreischen und seine Mutter nachzuahmen. „... mit der ach so schweren Bürde und dem großen Schicksal … in das er niemand anderen hineinziehen möchte … und so weiter blablabla ...“ „Mum, jetzt übertreibst du!“ Rose schüttelte den Kopf, aber sie hatte auch unwillkürlich angefangen zu schmunzeln. „Übertreibe ich wirklich, Schatz? Tatsache ist – indem er dir seine Kopie dagelassen hat, wollte er dich trösten, hat sich aber natürlich keine Gedanken darüber gemacht, ob das auch wirklich funktionieren kann. Aber so sind Männer eben, selbst wenn sie außerirdischer Herkunft sind … sie kapieren nicht, dass es nicht ausreicht, wenn man nur körperlichen Ersatz bekommt. Auch das Herz muss mitspielen wollen …“ „Das Herz … ja, das ist es wohl“, gestand sich Rose ein. „Ich habe John Unrecht getan, weil ich ihn nach meinem Vorstellungen des Doktors formen, weil ich keine Abweichungen dulden wollte, und dann nicht verstanden habe, warum er einfach nicht so funktionierte, wie ich es von ihm gewohnt war.“ Sie nahm einen Schluck Tee, um ihre Kehle anzufeuchten. „Klar, die ersten Jahre waren toll … ihr habt uns da ja auch alle Freiheiten gelassen, aber dann als als …“ „Der Lack ab war, kam die Krise“, nahm ihr Jackie die Worte aus dem Mund. „Das ist in jeder länger währenden Beziehung, in jeder Ehe so, und nicht wenige zerbrechen daran. Du hast festgestellt, dass John dich nicht nur auf Händen trägt und alles tut, was du willst, sondern auch seine Macken und Launen hat, oder? Dass er nicht immer eine einfache Lösung für alle Probleme findet und dir das Leben leicht macht …“ „Im Großen und Ganzen hast du recht“, Rose seufzte. „Aber nicht ganz. Ich glaube, ich habe ganz übersehen, dass ihn noch etwas anderes quälte. Damit zurecht zu kommen, einfach nur ein Mensch zu sein. Und kein … kein Timelord mehr. Er hat zwar das ganze Wissen im Kopf … aber auf der anderen Seite nicht mehr den Körper und die Kraft oder die Ressourcen. Ich weiß, dass es ihm zu schaffen machte, aber ich habe es weitestgehend ignoriert … ich war so dämlich … so …“ „Na ja, ich würde sagen … er muss das durchmachen, was alle Kinder durchzustehen haben, seine Selbstfindungsphase.“ Jackie sah sie nachdenklich an. „Du warst auch nicht gerade einfach, als du in der Pubertät warst … und wer weiß, was wir mit dir mal durchmachen müssen!“ Sie wuschelte Tony durchs Haar, nachdem sie das Nudelholz beiseite gelegt hatte. „Und wenn ich mir das so überlegen … er mag zwar ausgewachsen aus der Tardis gehüpft sein, aber das heißt nicht, dass er gleich der perfekte Mann war, das war der Doktor nun auch nicht …“ Rose nickte, als es ihr wie Schuppen von den Augen fiel„ … ja, das stimmt. Er hat ja gar nicht gelernt, sich in zwischenmenschlichen Beziehungen sicher zu bewegen, so wie wir. “ Sie schlug sich die Hand gegen den Kopf. Denn eigentlich war der Doktor in dieser Beziehung ebenfalls noch ein Kind gewesen – unerfahren im menschlichen Miteinander, auch wenn er schon Jahrhunderte auf dem Buckel haben mochte. Und da war sie davon ausgegangen, dass es bei John anders war? Nur weil er jetzt ein Mensch war … aber ein Mensch, der nur auf ererbtes Wissen zurückgreifen konnte, das größtenteils nicht von dieser Welt war? Und dementsprechend unerfahren … selbst wenn ein wenig von dieser Donna und ihrem Emotionen in ihm steckte. Und das machte es noch komplizierter. Oh verdammt, sie hatte ihm wirklich unrecht getan! Und da gab es wohl nur eines, was sie jetzt tun konnte. Der Entschluss ging ihr leicht von der Hand, vor allem jetzt, wo sie sich an ihre letzte Umarmung zurück erinnerte. John hatte sie vielleicht damals los gelassen, aber sicherlich nicht für immer und ewig, dazu waren seine Berührungen zu zärtlich gewesen … Rose sprang auf, umarmte ihre Mutter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Danke Mum!“ Jackie grinste. „Warum denn? Dafür bin ich doch da!“ Dann hob sie ermahnend einen Finger. „Aber geh nicht davon aus, dass mit einem Kuss und einer Umarmung alles wieder gut zwischen euch ist. Denn die Liebe muss erst wieder neu verdient werden.“ Rose die schon an der Tür stand, blickte über die Schulter zurück. „Das weiß ich doch, Mum!“, entgegnete sie dankbar, während das Herz in ihrer Brust schneller zu schlagen begann. Aufgeregt verließ sie die Küche, in der es wieder laut wurde, weil Jackie ihren Sohn aus dem Hochstuhl hob. Deshalb sah sie zu, dass sie schnellstens zurück in ihr Zimmer kam, weil sie jetzt alle Ruhe der Welt brauchte. Das Mobiltelefon lag schon in ihren Händen, als sie die Tür zu ihrem Raum öffnete. Angespannt wählte sie seine Nummer … weder die der Penthouse-Wohnung, weil John diese vor einem Monat aufgelöst hatte, noch die auf der Arbeit, sondern seine ganz private, die nur ein paar Leute außer ihr kannten. Ihr Atem ging schneller, als die Anwahl- und erste Ruftöne erklangen. Aber das war auch schon alles. Sie ließ es eine ganze Weile klingeln, aber weder hob jemand ab, noch schaltete sich die Mailbox an, damit sie eine Nachricht hinterlassen konnte. Schließlich brach die Verbindung ganz zusammen, nur ein schnelles Tuten erklang. Rose ließ die Hand sinken und schaltete das Telefon ab. Ein unangenehmes Kribbeln lief über ihren Rücken. „Warum geht er nicht dran?“, murmelte sie leise, war sie sich doch so sicher gewesen, dass er diese letzte Verbindung bestimmt nicht aus der Hand gegeben hätte es sei denn … … er hatte sich wirklich dazu entschieden, alle Brücken hinter sich abzubrechen – was aber eigentlich nicht zu ihm passte und sie auch nicht glauben wollte - oder aber er war durch etwas oder jemanden dazu gezwungen worden, alles aufzugeben, und dann – da war sie sich sicher - brauchte er jetzt um so mehr ihren Beistand und … ihre Liebe. Rose wurde blass, als sich eine kalte Klammer um ihr Herz schloss und es nicht mehr los lassen wollte … Kapitel 3: Hoffnung auf vergilbtem Papier ----------------------------------------- Etwa einen Monat nach der Trennung ******************************* John trat auf die Terrasse der Penthouse-Wohnung. Er wollte für einen Moment dem Trubel hinter sich entfliehen und Atem schöpfen. Die Firma, die er eigens für den Zweck angeheuert hatte, zerlegte und verpackte gerade die letzten Möbel um sie in den Lastwagen zu bringen, der unten auf der Straße wartete. Das Mobiliar sollte an geeigneter Stelle eingelagert werden, bis er entschieden hatte, ob er London und England ganz den Rücken kehren wollte. Und wenn er sich doch dazu entschied, in diesem Land zu bleiben, dann würde er nicht mehr hier hin zurückkehren wollen, denn alles erinnerte ihn zu sehr an Rose und ihre gemeinsame Zeit … Die wenigen Dinge, die ihm etwas bedeuteten, hatte er bereits selbst eingepackt und in seinem geräumigen neuen Auto verstaut. Es war nicht viel an persönlichem Besitz, vor allem Bücher, ein Laptop und ein paar Geräte, an denen er in der letzten Zeit gebastelt hatte. Dazu Kleidung zum Wechseln und ein paar Dinge, die ihn an die glücklichen Tage an der Seite von Rose erinnerten und die er noch nicht aus der Hand geben konnte und wollte. Seine Geliebte selbst war schon vor einem Monat gegangen, so dass er sie seit dem Tag ihres Abschieds nicht mehr gesehen hatte. Nur Jackie war eine Woche später mit dem kleinen Tony und ein paar Möbelpackern aufgetaucht und hatte ein paar Sachen. Obwohl sie normalerweise nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielt, war sie diesmal ausgesprochen zurückhaltend und freundlich gewesen, hatte nicht noch mehr in den offenen Wunden gebohrt. Genau so wie Peter Tyler in der Firma hatte sie den Dingen ihren Lauf gelassen und sich nicht eingemischt. Keines von Roses Elternteilen hatte ihm Vorwürfe gemacht, niemand zu vermitteln versucht um wieder alles zu kitten… und dafür war er dankbar. Denn die Zurückhaltung der beiden half ihm über die Schuldgefühle hinweg zu kommen, die trotz allem in ihm wühlten. Denn er fragte sich, ob er sich nicht doch zu wenig bemüht hatte, einen Kompromiss zu schließen … Obwohl die Leere in der Wohnung manchmal erdrückend gewesen war, hatte er in den vier Wänden doch die Zeit und Muße finden können, um in sich zu horchen und herauszufinden, warum er sich zu zerrissen und uneins mit sich selbst fühlte. So sehr er sich auch dagegen sträubte, er war nicht nur John Smith, der einfache, sterbliche Mensch, er war trotz allem immer noch der Doktor, der schon mehrere Leben hinter sich gebracht und so unendlich viel gesehen hatte. Die Erinnerungen seines „originalen Ichs“ wogen einfach zu schwer, um sie zu vergessen. Nicht ohne Grund war er nach dem Abschied von Rose für ein paar Tage in den hohen Norden gefahren und hatte fernab des Lichtsmogs von London oder anderer großer Städte den winterlichen Sternenhimmel beobachtet. Denn der Teil in ihm, der noch Timelord war, sehnte sich danach einen Weg zurück zu den Sternen zu finden, weiterhin ihre Geheimnisse zu erforschen und natürlich auch heraus zu finden, inwieweit sich dieses alternative Universum wirklich von dem unterschied, in dem sein Original gelebt und gewirkt hatte. Die sterbliche Hälfte hoffte auf genügend Erkenntnisse, endlich die Vergangenheit hinter sich zu lassen und so als neuer Mann wiedergeboren war, der sich endlich entschieden hatte, wohin er eigentlich gehören wollte. Denn so lange er das nagende Gefühl der Neugier nicht befriedigt hatte, würde er keine Ruhe finden, würde er niemals den Schatten des Doktors abschütteln und er selbst sein können. Aus diesem Grund hatte er die gemeinsamen Reisen mit Rose rund um die Welt dazu genutzt, um in Bibliotheken zu stöbern, alte Stätten zu besuchen, an denen angeblich die Spuren außerirdischer Besuche zu finden waren. Er lächelte, als er daran dachte, wie sie sich gemeinsam aus den Führungen davongestohlen hatten, um heimlich in den Ruinen herum zu stöbern, Hinweise darauf zu sammeln, wo sich wer herumgetrieben hatte. Und Rose war an seiner Seite gewesen, hatte ihn für einen kurzen Moment vergessen lassen, dass dies nicht die alten Zeiten waren … Er schüttelte unwillig den Köpf und die düsteren Gedanken ab, die sich wieder in sein Bewusstsein schlichen. Die Bitterkeit, die ihn immer noch beherrschte, wenn er an den Doktor dachte und die Eifersucht, die ihm anders als dem Timelord nicht fremd war … oh, nein. Statt dessen zwang er sich Luft zu holen und an das Ziel zu denken, das er sich jetzt schließlich selbst gesetzt hatte. Der Durst nach Wissen war durch diese Aktionen allerdings nur kurzzeitig gestillt worden und später um so stärker zurückgekehrt, denn sie hatten immer wieder Inschriften und Bilder gefunden, die vor allem ihm seltsam bekannt vorkamen, auch wenn er nicht sagen konnte, warum. Denn leider setzte ihm auch hier sein all zu menschlicher Körper Grenzen, sein Gehirn reagierte mit heftigen Kopfschmerzen, wenn er all zu tief in den Erinnerungen seines Originals suchte, sie sich in den Zellen eingegraben hatten. Jede noch so kleine Andeutung hatte ihn neugierig gemacht, sein Verlangen gesteigert, mehr über das Treiben jenseits der Erdatmosphäre heraus zu finden und damit endlich Heilung für seine zerrissene Seele zu finden – auch wenn er nur ein Menschenleben Zeit hatte. Und vielleicht – diese Hoffnung wollte er ebenfalls nicht aufgeben – fand er so auch zurück zu Rose! Eine Suche lag ihm dabei besonders am Herzen und war neben dem Abstand ein weiterer Grund, warum er sein Leben hier in London und in der Firma erst einmal hinter sich lassen wollte. In dieses persönliche Projekt hatte er nicht einmal Rose eingeweiht. Ob Zufall oder der Wink des Schicksals, die schwer angeschlagene Erstausgabe eines phantastischen Romans aus dem späten 19. Jahrhundert, der ihm vor gut einem Jahr auf einem Flohmarkt in London ins Auge gefallen war, hatte seine Neugier geweckt und ihn seither nicht mehr in Ruhe gelassen, zumal er nicht an „magische“ Zufälle glauben mochte. Eine scheinbar harmlose Widmung war der Auslöser gewesen – ein Satz, umgeben von ein paar kunstvollen Schnörkeln, hatte seine Aufmerksamkeit geweckt: „Meinem zeitlosen Wanderer Ulysses von seiner geliebten Gefährtin Penelope, Cambridge, anno Dezember 1889.“. Daran wäre absolut nichts ungewöhnliches gewesen, hätte es sich bei den Verzierungen, die mit feiner Feder um die Worte gezeichnet waren nicht um Symbole gehandelt, die auf Gallifrey eine besondere Bedeutung besaßen, wie etwa das Siegel von Rassilon. Und ULYSSES war einer der Namen, die jeder Absolvent der Akademie kannte – egal welchem Kapitel er angehörte, handelte es sich doch um einen der großen Forscher, der Frühzeit, die sich mutig in den damals noch unbekannten und unkontrollierten Vortex gestützt hatte, um Zeit und Raum zu erkunden. Der Doktor hatte diesen großen Mann Zeit seiner Leben verehrt und ihn sich zum Vorbild genommen. Ein Zittern durchlief Johns Körper, als er an seine Recherchen in den Archiven Londons dachte, die sich ihm mit vielen netten Worten und ein wenig Trickserei geöffnet hatten. Leider besaß er keinen Ausweis mit psychischem Papier, der alles einfacher gemacht hätte – aber auf der anderen Seite, hatte er so auch weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die ihm nicht so lieb gewesen wäre. In die staubigen Keller und fensterlosen Räume in ehemaligen Bunkern hatte er sich am liebsten zurückgezogen, wenn er nach einem Streit mit Rose das Haus verlassen hatte, weil er selbst vor Wut nicht mehr aus noch ein gewusst hatte … Nach einer Weile war er in ein paar alten Zeitungen sogar fündig geworden … Es hatte in den 1880er Jahren tatsächlich eine Penelope Gate gegeben. Sie hatte zu ihrer Zeit die feine Gesellschaft nicht nur damit empört, dass sie sich für Frauenrechte ausgesprochen und die Zulassung von Frauen in allen Disziplinen gefordert hatte, sondern auch aufgeregt, weil sie der undamenhaften Beschäftigung mit Technik und Wissenschaft nachgegangen war, anstatt zu heiraten und danach nur noch sittsam Teekränzchen abzuhalten. Ein anerkannter Professor hatte ihre gewagten Theorien über Zeit und Raum zwar für das hysterische Geschwätz eines überdrehten Frauenzimmers gehalten und doch zwischen den Zeilen durchklingen lassen, dass er nicht ganz so überzeugt von seinen Worten gewesen war, wie er die Öffentlichkeit glauben ließ – wenn das stimmte, was die Reporter dort in schwarzen Lettern festgehalten hatte. So jemand konnte mit seinen Erfindungen durchaus die Aufmerksamkeit der Timelords geweckt haben, sei es nun, weil sie wie im anderen Universum die Augen nach Störungen im Zeitstrom Ausschau hielten oder sich einer von ihnen auf der Erde herum trieb. Er wusste selbst nur zu gut, was ihn … für einen Moment dachte er finster an den „Doktor“ … an den Menschen angezogen hatte und faszinierte. War Ulysses nur ein wenig vom gleichen Schlag, dann lag die Antwort klar auf der Hand und die Widmung war ein klarer Hinweis auf die Möglichkeit, dass Gallifrey auch in diesem Universum existierte. Vielleicht … Ein leises Lächeln spielte um seine Lippen, als er an die Zukunft dachte. Sein erstes Ziel würde Cambridge sein. Den Zeitungen aus dem 19. Jahrhundert zufolge lebte dort die Familie von Penelope Gate. Also würde er dort auch die besten Chancen haben, mehr über das Leben und das Werk der jungen Frau herauszufinden Und danach – dann würde er sich entscheiden, ob er das Wagnis eingehen wollte, die Spur weiter zu verfolgen, oder sich doch lieber zurück nahm … Ob er dem Verlangen des Timelords in ihm weiter freien Raum ließ oder ein für alle Mal seine Träume begrub und endlich akzeptierte, was das er nur ein sterblicher Mensch war … Ob er dem Ruf die Sterne wiederzusehen im jeden Preis folgte oder endlich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehrte. Und nicht zuletzt … ob er alles dafür tat, um Rose in der Gestalt und mit den Tugenden des Doktors zurückzugewinnen, um ihre Wünsche zu erfüllen … oder sich endlich als John Smith allein – mit all den guten Seiten, die ihm zur Verfügung standen, darum bemühte, ihre Liebe neu zu gewinnen! „Allons-y!“ sagte er zu sich selbst und straffte den Rücken, ehe er sich umdrehte. Nun galt es, sich um ein paar kleine weltliche Dinge zu kümmern. Es galt eine Unterschrift zu leisten und einen Schlüssel zu abzugeben, ehe aufbrechen konnte. Kapitel 4: Eine Spur ins Nichts? -------------------------------- Zwei Monate nach der Trennung ******************************* „Irgendwie verstehe ich das Mädchen nicht“, murmelte Peter Tyler ratlos zu seiner Frau. „Erst schickt sie John zum Teufel und jetzt macht sie sich doch Sorgen um ihn? Was will … unsere Tochter … eigentlich?“ Jackie rückte auf dem Sofa näher an ihren Mann heran und legte einen Arm um ihn. „Das Schatz sind die Dinge, die du erst noch lernen musst, weil du nie damit konfrontiert warst. Kinder tun selten das, was sie sollen und noch weniger das, was uns vernünftig erscheint. Dazu kommt, dass Rose das wohl endgültig aufgegeben hat, seit sie mit diesen Traumtänzer von Doktor zusammen gekommen ist …“ Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. „Außerdem kann man Gefühle nicht steuern, wenn sie immer noch vorhanden sind.Wären wir rein von unserer Vernunft gesteuert geblieben, dann hätten wir wohl auch nicht so einfach, ja quasi problemlos zusammenfinden können, oder was meinst du?“ „Schatz, wo du recht hast, hast du recht.“ Peter küsste seine Frau zärtlich auf die Wange. Für einen Moment huschte ein Schatten über sein Gesicht, dann jedoch lächelte er wieder. „Du bist das Beste, was mir passieren konnte nach all dem …“ Jackie ergriff seine Hand. Sie wusste wie ernst dieser Augenblick für sie beide war. Gerade wenn die Erinnerungen an die vergangenen Jahre sie beide einholten und dazu zwangen, sich bewusst zu machen, dass sie ja eigentlich nicht wirklich zueinander gehört hätten, wenn nicht das Schicksal in Gestalt des Doktors und des hiesigen Torchwood- Instituts zugeschlagen hätte, kamen auch kleine Zweifel und Ängste hoch. Aber glücklicherweise waren die schnell wieder vergessen … schließlich war das die Vergangenheit und sie lebten nun einmal in der Gegenwart und konnen die Zukunft selbst gestalten. Punkt! Dennoch waren ihr die Gedanken selbst unangenehm, deshalb wechselte sie schnell das Thema und kam zu etwas anderem, was ihr genau so unter den Fingern brannte. „Was hat eigentlich der Privatdetektiv, den du angeheuert hast, dieser Mr. Jacks … nein … Jameson über Johns Verschwinden herausfinden können?“, fragte sie neugierig. „Seit Rose und du heute morgen bei ihm vorbeigeschaut habt, ist sie kaum noch ansprechbar, liegt entweder in ihrem Bett und starrt gegen die Wand oder läuft im Zimmer auf und ab, wie ein gefangenes Raubtier.“ Sie seufzte. „Das gefällt mir gar nicht. Sie ist nahe daran, zu platzen … und ich bin mir sicher, dann handelt sie, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. So war sie nämlich immer schon.“ „Er hat leider nichts herausfinden können, was uns aufatmen lässt, sondern die ganze Sache nur noch verschlimmert befürchte ich. Aber von Anfang an … “ Pete holte tief Luft, ehe er weiter sprach. „Nachdem John vor vier Wochen wie angekündigt die Wohnung aufgegeben hat, ist er erst einmal Richtung Cambridge gefahren, das hat Jameson schon einmal zweifelsfrei durch die Überwachungskameras auf der Autobahn feststellen können. Es war ebenfalls nicht schwierig, zu ermitteln, dass sich ein John Smith, auf den die Beschreibung passt, dort in einem kleineren Hotel einquartiert hat. Die Angestellten haben mit ein wenig freundlicher Unterstützung in bunten Scheinen erzählt, was sie so mitbekommen haben. Sie schilderten ihn alle als recht höflich und zuvorkommend, aber wichtiger ist wohl, dass er gegenüber den Damen und Herren an der Rezeption erwähnt hat, dass er ein paar historische Studien unternehmen wollte, aber sich hier noch nicht so gut auskenne. Deshalb haben sie ihm ein paar einschlägige Adressen gegeben, bei denen er weitere Erkundigungen einziehen könnte. Jameson hat ebenfalls um diese gebeten und an den entsprechenden Stellen nachgehakt. Die längste Zeit hat sich unser John dabei wohl im Stadtarchiv aufgehalten, aber die Dame mit der er sich wohl immer unterhalten hat, scheint im Moment Urlaub zu haben und weg gefahren zu sein. Aber der Detektiv will am Ball bleiben und mit ihr sprechen, sobald sie zurück ist. Jedenfalls gibt es in dieser Hinsicht noch keine brauchbaren Ergebnisse, leider ...“ Er runzelte die Stirn. „Das könnte letztendlich vielleicht doch von geringerer Bedeutung sein, ich glaube es aber nicht … vor allem, weil es unter Umständen die einzige Spur ist, die uns geblieben sein könnte.“ „Das meinst du doch nicht etwa ernst, oder ?“ Jackie horchte auf und sah ihren Mann eindringlich an. „“Was hat er denn noch heraus gefunden?“ „Jetzt wird es richtig seltsam.“ Pete holte tief Luft. „So wie es aussieht, hat John vor zehn Tagen plötzlich und unerwartet alle Zelte in Cambridge abgebrochen. Die Dame an der Rezeption erwähnte, dass sie das Gefühl gehabt hätte, ein anderer Mann stünde vor ihr, weil er ungewöhnlich arrogant und herrisch aufgetreten sein, ganz anders als noch am Vortag. Auch vor dem Hotel habe er sich gegenüber dem Personal rücksichtslos verhalten und sei mit überhöhter Geschwindigkeit davon gebraust. Aber da der Gast natürlich König ist, vor allem wenn er die Hotelrechnung gleich bar bezahlt … habe sie sich keine weiteren Gedanken gemacht, um ihren Ärger schnell herunterzuschlucken und alles zu vergessen, denn er habe ihr einfach nur noch Angst gemacht mit seinen kalten Augen und dem grausamen Zug um seinen Mund … “ Jackie schüttelte den Kopf. „Ich habe schon erlebt, dass der Doktor herablassend, ruppig und barsch werden konnte, wenn er mit seinen Feinden Tacheles redete … aber gegenüber Leuten, die ihm nichts wollen oder sogar unschuldig sind, hat er sich anders verhalten … und vor allem - John habe ich niemals so erlebt, selbst nicht, wenn er sauer war. Dann ist er vielleicht ausgeflippt und hat herumgeschrien … aber Angst gemacht hat er keinem.“ „Ich weiß, wir haben ihn in den letzten Jahren ja gut genug kennenlernen können.“ Pete nickte zustimmend und sprach dann weiter: „Das Schlimmste aber kommt noch … Ein paar Tage später haben ein paar Jugendliche, beim Herumstöbern, ein ausgebranntes Auto, das dem gleichen Wagentypus entspricht gefunden – mitten zwischen in den Überresten einer Halle auf einem heruntergekommen Firmen-Grundstück nördlich von Cambridge. Nur noch der völlig verzogene und halb zusammengeschmolzene Metallrahmen sei erhalten geblieben Jemand habe gründliche Arbeit geleistet, um alles, was eine Identifikation des Wagens möglich gemacht hätte, zu zerstören … – wenn man einer kurzen Notiz in der Lokalzeitung glauben will. Die sprach auch davon, dass aber nichts in der direkten Umgebung darauf hingewiesen habe, dass der Wagen an der Stelle abgefackelt worden sei, obwohl es Fahrspuren gegeben habe. Tja, und jetzt kommt das Interessante … obwohl die einheimische Polizei gegenüber der Presse wohl recht geschwätzig gewesen war - mauerte man gegenüber Jameson schon bei den ersten Anfragen – und als er genauer nachhakte, standen kurze Zeit später unsere Freunde von Torchwood auf der Matte und haben ihn aufgefordert, sich nicht länger mit diesem Fall zu beschäftigen, da sie das übernommen hätten.“ „Torchwood?“ Jackie horchte auf. „Nach allem, was ich von denen gehört und was ich mit denen erlebt habe, wundert mich das gar nicht! Meinst du, die stecken dahinter?“ „Das kann ich dir nicht mit Verlass sagen. Unsere Firma hat zwar einen Deal mit Torchwood, aber der neue Chef ist mir noch nicht ganz koscher. Ich kann ihn nicht wirklich einschätzen, deshalb wage ich es ihm zuzutrauen, dass er sich John geschnappt hat. Immerhin haben sie ihn nie wirklich aus den Augen gelassen. Auf der anderen Seite , bestätigt es, das mehr hinter der ganzen Sache steckt, als wir denken …“ „Du meinst, John könnte mit Leuten aneinander geraten sein, die nicht von dieser Welt stammen?“ Jackie schluckte. „Auch verdammt, ich dachte, wir hätten endlich vor Cybermen, außerirdischen Invasionen und all dem anderem Kram Ruhe!“ „Ich habe auch darauf gehofft, dass uns dies vergönnt sei, aber nun können wir das erst einmal nicht ändern.“ Peter Tyler seufzte.„Ich wünschte nur, Mickey wäre noch hier und hätte uns mit seinen Fähigkeiten als Hacker weiter unterstützen können, dann hätten wir das nicht aus der Familie tragen und andere mit hineinziehen müssen. Deshalb habe ich Jameson dann doch John Geheimnummer gegeben, obwohl ich Rose versprochen hatte, es nicht zu tun … “ Die Pause, die folgte war bedeutungsschwer. „Und was soll ich sagen … das Mobiltelefon hat Cambridge nie verlassen. Einer seiner Mitarbeiter hat es gestern am Rand der Stadt aus dem Ufergestrüpp des River Cam gefischt. Ein Teil der persönlichen Daten und Fotos – gerade die aus den letzten zwei Monaten sind gelöscht … und die Mailbox ist vor neun Tagen manuell von dem Gerät aus abgeschaltet worden. Das ist eigentlich nicht der „Stil“ unserer Freunde – sie hätten es ganz aus dem Verkehr gezogen und völlig auseinander genommen, um an alle Daten zu kommen, die es enthält – und wären mit Sicherheit kurze Zeit später bei uns aufgetaucht, um Rose oder uns auf den Zahn zu fühlen. Aber so scheinen sie auch nicht alles zu wissen und noch jemand anderes mit zu mischen.“ Jackie schüttelte fassungslos den Kopf. „Das ist alles einfach nur seltsam und einfach irgendwie nicht zusammen …“ Sie starrte ihren Mann mit großen Augen an. „ … es sei denn, jemand hat die Absicht so seltsame Spuren zu hinterlassen und abzuwarten, was für ein Fisch jetzt anbeißt, nachdem er den ersten geschnappt hat!“ „Das befürchte ich auch …“, murmelte Pete ernst. Im nächsten Moment hob er den Kopf und eine Hand, gebot ihr, ganz still zu sein. Aber sie brauchte die Aufforderung nicht einmal – denn auch sie hatte das Geräusch von Außen gehört. „Rose, oh nein! Verflucht noch mal, jetzt ist sie geplatzt!“ Jackie war schneller auf den Beinen als ihr Mann, rannte zur Tür und an dem verblüfften Butler vorbei, der gerade hatte anklopfen wollen. Pete folgte ihr ohne weitere Umschweife und eilte ebenfalls an dem verdattert dreinblickenden Mann vorbei, der sich aber schon im nächsten Moment wieder fasste und dann ruhig seiner Herrschaft folgte. „Ich hätte es kommen sehen müssen!“ Jackie riss die große Tür auf, stürmte hinaus und blieb mitten auf der breiten Eingangstreppe stehen. Sie stieß einen wütenden Schrei aus „Rose! Komm zur Vernunft, Liebes! Es nutzt nichts, jetzt so überstürzt zu handeln.“ Pete wollte erst auf den Kiesweg stürmen und sich dem aus der Garage schießenden Wagen in den Weg stellen, unterließ es aber, als er erkannte, dass er sie so nicht aufhalten würde. Sie bog gerade mit überhöhtem Tempo und nicht gerade langsamer werdend auf das große Eingangstor zu, dass sich langsam zu öffnen begann. Vielleicht konnte er noch … Peter Tyler schüttelte den Kopf. Es würde auf jeden Fall zu spät sein, um den Schließmechanismus zu aktivieren, und auch die Überlegung, in sein Auto zu steigen und ihr zu folgen verwarf er schnell wieder. So sah er an der Seite seiner Frau mit an, wie Rose in schwungvoller Fahrt das Anwesen verließ. Jackie stieß mit geballten Fäusten einen weiteren Fluch aus und wandte sich dann schnaubend dem Butler zu, weil sie nun ein Ventil für ihre Anspannung brauchte. „Warum haben Sie uns nicht Bescheid gesagt, James!“ Doch der distinguierte ältere Mann bewahrte auch in diesem Moment die Fassung, die man seinem Beruf nachsagte. Er hielt einen Brief hoch, den er die ganze Zeit in den Händen gehalten hatte. „Madam, verzeihen Sie, aber Ihre Tochter hat mich darum gebeten, Ihnen nichts von ihrer Abreise mitzuteilen. Sie sagte, sie würde Ihnen in diesem Schreiben alles erklären.“ Damit nahm der Butler auf seine ruhige Art Jackie den Wind aus den Segeln. Diese seufzte und rupfte ihm immer noch aufgedreht den Brief aus den Fingern. Dann zog sie ein Blatt aus dem Umschlag und entfaltete es mit zitternden Fingern. „Wir brauchen Sie nicht mehr, James“, entließ Pete derweil ruhig den anderen Mann und legte einen Arm um seine Frau, um mit ihr gemeinsam zu lesen, was ihnen Rose als Erklärung für ihre plötzliche Flucht hinterlassen hatte. Liebe Mom, lieber Dad, Es tut mir leid, dass ich mich einfach so davon stehle, aber ich halte es nicht länger aus, einfach nur herumzusitzen und abzuwarten, andere für uns arbeiten zu lassen. Denn ich weiß, ich muss etwas tun, um wieder gut zu machen, was ich angerichtet habe. Ich weiß jetzt, dass ich John in den letzten Jahren großes Unrecht getan habe, da ich ihm nie eine Chance gegeben habe, mein Herz zu gewinnen. Denn ich habe in ihm immer nur den Doktor gesehen und nicht wahrhaben wollen, dass er eine eigene Persönlichkeit ist, war wütend auf ihn, weil er nicht das war, was ich in ihm sah. Durch die Trennung habe ich erst richtig Öl ins Feuer gegossen. Was auch immer gesucht hat, ich bin es, die ihn diese Lage brachte. Und deshalb muss ich ihm beistehen, ihn retten, wenn ich kann, damit wir noch einmal von neuem anfangen können. Deshalb bitte ich Euch, mich weder jetzt noch später aufzuhalten und meinen Weg gehen zu lassen, wohin dieser auch immer führen mag. Ich fürchte mich nicht vor den Gefahren, denn wie ihr wisst, habe ich gelernt, damit umzugehen , glaube ich jedenfalls Ich werde mich wieder bei Euch melden, sobald ich kann. In festem Vertrauen auf Eure Liebe und Euer Verständnis Rose Kapitel 5: Cambridge-Geheimnisse -------------------------------- Eineinhalb Monate nach der Trennung ******************************** John stützte die Hände auf die Umfassung der alten Steinbrücke und blickte nachdenklich über den Fluss, den sie überspannte. Träge und grau strömte der River Cam dahin … wirkte ebenso trostlos wie das verfaulende Gestrüpp am Ufer und die braunfleckigen Wiesen des Parks, die das Gewässer umgaben. Jetzt im Februar konnte man wirklich noch nicht von Frühlingserwachen sprechen, eher das Gegenteil war der Fall, auch wenn der Himmel heute einmal nur wolkenverhangen war und es nicht nieselte oder gar regnete. Aber das kümmerte ihn nicht, denn er hatte in diesem Moment andere Bilder vor Augen. Er sah das Wasser im Sonnenlicht glitzern, spürte für einen kurzen Moment das warme Holz einer langen Stange in den Händen und dachte daran, wie entspannend es sein konnte, eines der Boote, die man zwischen Ende März und Oktober mieten konnte, den Fluss entlang zu staken und dabei die malerische Landschaft zu genießen. Vor allem verliebte Paare nahmen diesen Service in Anspruch um die romantische Szenerie zu genießen, die ihnen dieser Teil der Stadt bot, oder solche Träumer wie er. Daran hatte sich in all den Jahren … Jahrzehnten … Jahrhunderten nichts geändert und auch die Silhouette der Gebäude in der Umgebung des Parks vermittelten den Eindruck, dass hier in Cambridge die Zeit still zu stehen schien … wenn man einmal davon absah, dass einem auf dem zweiten Blick doch die ein oder andere Satellitenschüssel an der Wand oder ein Funkmast auf den Dach für das Mobilfunknetz ins Auge stach. Zwei Wochen war er nun schon hier – und langsam vermischten sich die neuen Eindrücke mit den alten Erinnerungen an frühere Besuche in dieser Stadt der Gelehrsamkeit und versöhnten sich miteinander. Er konnte dieses Wissen nun endlich sein Eigentum nennen … und daraus neue Kraft für sich schöpfen. John schloss für einen Moment die Augen und streckte sein Gesicht dem Wind entgegen. Die kalte Böe ließ sein Gesicht prickeln, was er als sehr belebend empfand. Der Aufenthalt an diesem Ort tat ihm wirklich gut, denn jetzt endlich kam sein aufgewühltes Inneres zur Ruhe. Er kämpfte nun nicht mehr ständig gegen den Widerwillen, der Ersatz des Doktor für Rose sein zu müssen, weil sie eigentlich diesen liebte - und nicht ihn selbst. Statt dessen versuchte er mittlerweile das Erbe seines Originals einfach als Aspekt seiner eigenen Persönlichkeit zu sehen und dabei herauszufinden, was an ihm anders war … und was er selbst daraus machen wollte. Immerhin steckte auch eine ordentliche Prise Donna in ihm, wenn er ehrlich mit sich war. Die Auseinandersetzungen mit Rose hätten nämlich nicht unbedingt so heftig ablaufen müssen, wie sie es getan hatten … da hatte ihm ihre aufbrausende Art und ihre Sturheit manchmal ein Schnippchen geschlagen. Aber nun spürte er auch, dass sie ihm ebenfalls gute Eigenschaften hinterlassen hatte – die Fähigkeit, nicht mehr länger an den Fehlern der Vergangenheit zu nagen und sich davon herunter ziehen lassen, sondern einfach mit den Schultern zu zucken und unbeirrt mit dem weiterzumachen , mit dem er angefangen hatte, in der Gewissheit, dass es irgendwie immer weiter ging. Dazu kam ihre lebhafte Art mit anderen Menschen umzugehen. Es machte regelrecht Spaß, die Leute unbeschwert anzusprechen, los zu quasseln und seine Argumente vorzubringen, ehe die anderen auch nur einen Piep sagen konnten. Warum war ihm bisher nicht aufgefallen? Der Doktor, war zwar auch nicht schlecht in diesen Sachen gewesen – ha, dennoch nicht so gut wie er in den letzten Tagen! Tiefe Zufriedenheit erfüllte ihn – das erste Mal seit Jahren. John steckte die Hände zurück in die Taschen und schlenderte weiter. Er schlug einen Weg durch den Park ein, der ihn am Fluss entlang führte und ertastete dabei auf der einen Seite sein Notizbuch, auf der anderen ein paar zusammengefaltete Seiten Papier – Kopien, die er aus dem Stadtarchiv mitgenommen hatte und die seine bisherigen Erkenntnisse bargen. Er dachte mit einem Schmunzeln an Mary Sullivan, die Angestellte, die ihm beim Sichten der Unterlagen geholfen hatte, weil er „die freundliche und zuvorkommende Höflichkeit eines Gentleman besäße, die viele ihrer anderen Kunden bereits vermissen ließen“. Und vielleicht … wenn er die Blicke und Bemerkungen richtig einschätzte … schien die ältere Dame, die im nächsten Jahr in den Ruhestand gehen wollte, die „Gesellschaft eines jüngeren Mannes mit gepflegtem Äußeren und entsprechenden Manieren“ auch zu genießen. So hatte er neben den Informationen, nach denen er eigentlich suchte, noch einige Dinge mehr über die Archivarin erfahren, die vielleicht für ihn nicht für Belang waren, aber eine Verbindung schufen, auf die er vielleicht noch einmal zurück kommen konnte. Und dass er sich die Zeit nahm, ihr geduldig zuzuhören, auch wenn es ihm manchmal schwer fiel, rentierte sich schon jetzt, denn im Gegensatz zu den Archiven in London hatte man hier viele der Loseblattsammlungen und Bücher noch nicht digitalisiert, so dass sie über eine zentrale Datenbank abrufbar waren, sondern verließ sich noch auf Kartei-Register und lange Regale in einem altertümlichen Keller. Das bedeutete, das vieles noch mühsam per Hand gesucht werden musste … aber er hatte ja auch Zeit und Muße dazu. Er hatte unterhaltsame Tage in den Räumen des Stadtarchivs verbracht, in denen alles nur darauf abzielte, die alten Schriften möglichst lange der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Schon bald hatte er sich genau so sicher wie Mary zwischen den Regalen bewegt und hatte ihr gelegentlich auch beim Einsortieren geholfen – so dass sie sich damit revanchiert hatte, ihm Zugang zu den Daten zu gewähren, an die man eigentlich nur mit Sondererlaubnis durch die Stadtkurator kam. Da sie jedoch gesehen hatte, wie sorgsam er mit allem umging, hatte sie keine Bedenken gehabt, ihn auch einmal eine Stunde alleine zu lassen. Und die hatte John gut genutzt, um sich in die Vergangenheit der Familie Gate einzulesen. Er fasste die Erkenntnisse kurz für sich zusammen. Inzwischen kannte er so nicht nur die Geburts- und Todesdaten, der für ihn interessanten Mitglieder der Familie, sondern auch ein wenig mehr. Penelopes Vater Archibald hatte als Professor für Physik und Mathematik am St. Cedd's College bis ins Jahr 1903 unterrichtet und noch bis Ende 1909 gelebt, ihre Mutter Mary, die vor allem durch ihre literarischen Salons und Veranstaltungen in der Gesellschaft für Gesprächsstoff sorgte, war fast zwei Jahrzehnte nach dem Gemahl „einsam, ohne den Beistand ihrer Anverwandten nur in der Obhut einer Pflegerin“ gestorben. Penelope wurde zunächst immer wieder nur im Zusammenhang mit ihren Eltern erwähnt und wurde erst ab dem Jahr 1885 mehrfach in einer der lokalen Zeitungen, die auch Klatsch und Tratsch verbreitete, als „zugegebenermaßen hochbegabte aber leider auch skandalös aufführende Tochter des respektablen Professors Gate“ bezeichnet, „die sich mit Dingen beschäftigte, die sich eigentlich für eine junge Dame nicht ziemten“. Der letzte Eintrag stammte von 1889. Es handelte sich nicht um viel mehr als eine kleine Notiz in den Gesellschaftsnachrichten, in der erwähnt wurde, dass „Miss Gate im kleinen Kreis den Bund der Ehe mit ihrem entfernten Cousin, einem gewissen Doktor Ulysses aus Amerika, geschlossen habe und das junge Paar dann überraschend schnell mit unbekanntem Ziel abgereist sei.“ Dieser Hinweis hatte ihn in Hochstimmung versetzt, aber auch schon bald wieder ernüchtert, denn danach fehlte jede Spur von ihr, auch die Frage, nach dem späteren Wohnort der frisch Verheirateten blieb ungeklärt. Damit hatte sich dann aber auch diese Quelle erschöpft. „Oh, geben Sie Die Hoffnung noch nicht auf, Mr. Smith, denn das alte und ehrwürdige Cambridge vergisst seine Kinder nicht so schnell, vor allem nicht, wenn sie viel zu seinem Wohl beigetragen haben. Ich würde vorschlagen, Sie suchen einfach einmal das St. Cedds College auf und sprechen mit dem dortigen Archivar, Mr. Wilks. Vielleicht gibt es dort ein paar Aufzeichnungen mehr als hier, immer hin haben der Professor und seine Familie lange Jahre dort gewohnt. Sagen Sie dem Guten ruhig, dass ich Sie geschickt habe“, hatte Mary ihm am Mittag noch mit einem freundlichen Lächeln geraten. „Seine Frau und ich treffen uns regelmäßig im Bridgeclub und zu kleinen Feiern im Freundeskreis, daher sind wir einander wohl bekannt! Am Besten erreichen Sie ihn gegen fünf Uhr nachmittags, wenn es dort langsam ruhiger wird und er sich bei einem Tee entspannen kann, dann ist er auch ansprechbar. Vorher kann es nämlich gut sein, dass Sie ihn auf dem falschen Fuß erwischen, weil er sich wieder einmal über respektlose Studenten geärgert hat.“ Genau das wollte John nun in Angriff nehmen. Er blieb nachdenklich an einer Wegkreuzung ohne Beschilderung stehen und überlegte. Welche Richtung musste er jetzt einschlagen? Unwillkürlich blickte er nach rechts, dann wieder nach links … versuchte sich die Wegbeschreibung zusammen zu reimen, so gut er konnte … oder sich auf sein Gespür zu verlassen. Plötzlich zuckte ein scharfer Schmerz durch seinen Kopf, ein kurzes unangenehmes Stechen, das er nur all zu gut kannte … und dann kam das Wissen ungefragt an die Oberfläche seines Bewusstseins. Zum St. Cedds College ging es nach rechts, dessen war er sich ganz sicher. Denn Ende der 1970ger Jahre war er schon einmal hier gewesen und genau diesen Weg mit seiner damaligen Begleiterin Romana entlang geschlendert, um eigentlich nur einen alten Freund zu besuchen, aber statt dessen war er dann in ein gefährliches Abenteuer geraten, dass ihm fast seinen Verstand geraubt … Er rümpfte angewidert die Nase. „Ach was …“ Natürlich handelte es sich hier wieder nur um die Erinnerungen des Doktors, aber das war ihm in diesem Moment ehrlich gesagt, ziemlich egal, zumindest war die Wegbeschreibung hilfreich. Zwar lief nun auch noch ein kalter Schauder über seinen Rücken … wie eine zusätzliche Warnung, dann aber schüttelte er das unangenehme Gefühl energisch ab. Selbst wenn da etwas sein mochte, an das er sich im Augenblick nicht erinnern konnte – was sollte ihn das scheren, wollte er doch nur zu diesem Mr. Wilks und nicht zu einem der dort ansässigen Professoren, so wie ein anderer Mann in einem anderen Universum. „Jetzt recht es mir! Ich lasse mich doch nicht von Ahnungen ins Bockshorn jagen, die nicht einmal die meinen sind!“, schnaubte John und straffte die Schultern. Dann schlug er mit zügigen, schnellen Schritten die ausgewählte Richtung ein, wurde erst langsamer, als er den Park verlassen hatte und ein paar Straßen weiter den Gebäudekomplex sah, bei dem es sich um das gesuchte College handeln musste. Da er, seiner Armbanduhr zufolge sogar noch eine halbe Stunde Zeit hatte, blieb er erst einmal vor dem Metallschild neben dem Eingang stehen und studierte nachdenklich die Informationen über St. Cedds, das wohl bereits Anfangs des 18. Jahrhunderts errichtet und in der Folge kaum umgebaut, sondern vor gut hundert Jahren nur noch um ein paar Gebäude erweitert worden war. Zudem wurden ein paar Namen von großen Männern genannt, die hier studiert und gelehrt hatten, bevor sie ihre Spuren in der Geschichte hinterließen, ihm allerdings in den wenigsten Fällen wirklich etwas sagten. Erst als er mit dem Lesen fertig war, trat er durch das weit geöffnete Tor und folgte dem Weg zu einem Durchgang. In einem Innenhof blieb er stehen und drehte sich einmal um sich selbst, studierte aufmerksam die Fassade des alten Gebäudes, als wolle er sie mit seinen Erinnerungsbildern vergleichen. Er horchte jedoch überrascht auf, als er von der anderen Seite des Platzes Stimmen hörte. Dort strömten junge Männer und Frauen aus einer der Türen und eilten die Treppe davor hinunter. Offensichtlich war wohl gerade eine Vorlesung zu Ende. Das war vielleicht eine gute Gelegenheit, um nach dem Weg zum Archiv zu fragen, denn noch immer hatte er keine Hinweisschilder gesehen, die ihm den Weg zu ihm weisen konnten. „Hallo – entschuldigen Sie!“, sprach er spontan zwei junge Mädchen an, die in seine Richtung schlenderten und in ihrem Gespräch innehielten, als sie ihn so überhaupt erst wahr nahmen. Die eine strich ihre hellroten Locken zurück und betrachtete ihn neugierig, während die andere ihre Brille zurecht rückte und ihn kritisch musterte. „Ja, Sir?“ „Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich das Archiv von Mister Wilks finde? Ich bin das erste Mal auf dem Campus, und kenne mich noch nicht so gut hier aus,“ fragte er dann mit einem gewinnenden Lächeln. „Deshalb würde ich mich über einen netten Hinweis sehr freuen.“ Die Brillenträgerin kicherte, weswegen, das wusste er nicht. „Oh, da müssen Sie sich aber sputen, wenn Sie noch was von Mr. Wilks wollen, denn der macht gleich Feierabend. Und den nimmt er leider ziemlich genau.“ „Ja, vielleicht erwischen Sie ihn noch bei seinem täglichen Ritual“, die Rothaarige grinste. „Sie müssen wissen, Mr. Wilks steht knapp fünf Minuten vor Fünf bereits mit seiner Taschenuhr an der Tür, um auf die Sekunde genau wieder in das Archiv zu treten und es dann ganz schnell abzuschließen, egal ob noch jemand drin ist, oder nicht … und dann gibt es ein Donnerwetter für denjenigen, den er dann noch in seinen heiligen Hallen aufspürt.“ Sie deutete mit dem Arm zu einem weiteren Durchgang. „Durchqueren sie einfach die nächsten beiden Innenhöfe und dann biegen sie vor dem Park gleich rechts ab. Am Ende des Gebäudes führt eine Treppe nach unten zum Archiv.“ „Vielen Dank!“ John verabschiedete sich freundlich von den Mädchen, und sah aus den Augenwinkeln noch, wie sie die Köpfe zusammensteckten und miteinander tuschelten, als sie weiter ihres Weges gingen. Offensichtlich hatte der Archivar von St. Cedds einen gewissen Ruf … aber das würde er ja gleich selbst herausfinden können. Nach einem weiteren kurzen Blick auf seine Armbanduhr setzte er sich in Bewegung. Immer wieder musste er nun Studenten und ihren Lehrern ausweichen. Einige davon musterten ihn interessiert und schienen zu überlegen, ob sie ihn ansprechen wollten, aber dann siegte wohl doch der Wunsch, den Feierabend zu genießen und sich nicht noch mit einem Fremden aufhalten zu wollen, der sich zu „so später Stunde“ auf den Campus verirrte. John achtete deshalb darauf, jetzt so zu tun, als ginge er hier tagtäglich ein und aus, um nicht noch weiter aufzufallen. Die Beschreibung der Studentin führte ihn so auf die andere Seite des alten Hauptgebäudes, an den sich ein gepflegtes Rasenstück mit ein paar Bäumen und Blumenrabatten anschloss. Die Häuser auf der anderen Seite der Grünfläche wirkten moderner. Wie von selbst schlug er den Weg zum Archiv ein und wunderte sich einen Moment über die mehr als mannshohe archaische Steinsäule am Rande eines Blumenbeetes. Sie begrenzte die barocke Darstellung der griechischen Musen, wollte aber irgendwie so gar nicht in das Bild passen … John blieb irritiert stehen und rieb sich die Stirn, als es in seinem Kopf wieder gehörig rumorte. „Was zum Teufel ist jetzt schon wieder los?“ Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Magen breit, warnte ihn vor etwas, an dass er sich wieder nicht so erinnern konnte, wie er wollte, es sei denn er riskierte eine ausgewachsene Migräne. Deshalb schüttelte er den Kopf, um den Schmerz wieder los zu werden und setzte sich trotzig in Bewegung. Er konnte jetzt nicht vor jedem Schatten zurückschrecken, die die Erinnerungen des Doktors ihm bescherten, das hatte er sich schließlich eben schon gesagt. Mit weit ausholenden Schritten näherte er sich der Treppe zum Archiv und eilte sie ebenso zügig hinunter, blieb erst wieder vor dem Eingang. Er hob die Hand, um den schweren gusseisernen Klopfer zu benutzen, legte sie dann aber flach auf das dunkle Holz, denn er hatte bemerkt, dass die schwere Eichentür nur angelehnt war. Erneut rann ein Kribbeln durch seinen Körper, der Nachhall einer Warnung. Aber gerade das weckte die Neugier in ihm. Vielleicht war es nur falscher Alarm und wenn nicht, dann würde er sich schnellstens auf die Situation einstellen müssen … Er gab der Tür einen Schubs, so dass sie sich weit genug öffnete, um ihn ungehindert eintreten zu lassen. Ein paar schnelle Blicke in den dämmrigen Vorraum überzeugten ihn davon, dass weder jemand recht neben dem Eingang noch links lauerte und schon gar nicht hinter den beiden leeren Garderobenständern und der Hutablage. So trat er ganz ein und steuerte auf die nächste Tür zu, die den Blick in einen weiteren Raum freigab. Dort verdeckten hohe Regale die hell getünchten Wände bis fast zur Decke, ließen nur die Bereiche frei, in denen sich zwei weitere Durchgänge befanden – die Eingänge zum eigentlichen Archiv vielleicht. Das nur in der Mitte wirklich gut durch anachronistisch wirkende Neonröhren ausgeleuchtete Zimmer wurde ansonsten von einem großen Schreibtisch beherrscht. Auf dem lagen neben einem antik wirkenden Telefon mit Wählscheibe ein paar sorgfältig ausgerichtete Bücher und Akten. „Mr. Wilks!“ rief John. „Hallo, sind Sie da?“ Er hatte nicht übersehen dass hier ganz offensichtlich bis gerade eben noch jemand gearbeitet hatte, denn ein Füllfederhalter lag offen auf einem Blatt Papier, mitten auf einem handgeschriebenen Text. Im nächsten Moment weiteten sich jedoch seine Augen, denn als er sich ein Stück nach rechts beugte, entdeckte er eine Hand auf dem Teppichboden. „Mr. Wilks?“ Hastig umrundete er den Tisch und sah nun den leblos wirkenden Körper neben dem umgestürzten Stuhl. Sofort kauerte er sich neben den Mann und tastete nach dessen Puls, bemerkte dann erst die in den Teppich gesickerte Blutlache unter dem Kopf und dann die Wunde an der Schläfe. Seine oberflächliche Untersuchung ergab, dass der Mann zwar noch lebte, jedoch umgehend Hilfe brauchte. Und die sollte er jetzt besser rufen … John richtete sich wieder auf und erstarrte in dem Moment, in dem er nach dem Hörer des Telefons auf dem Tisch hatte greifen wollen. Er sah in die Mündung einer Waffe, die ihm bekannt vorkam – auch wenn er deren Herkunft nicht genau zuordnen konnte. Ebenso wenig verstand er, warum er jetzt niesen musste. Lag es an dem stechenden Geruch, der plötzlich in seine Nase stieg? Egal … darüber sollte er sich jetzt keine Gedanken machen, eher um etwas anderes … Langsam und bedächtig legte er die Hände auf die Tischplatte, um sein Gegenüber nicht zu reizen, und hob langsam den Kopf. „Bedauerlicherweise haben Sie etwas gesehen, was sie nicht hätten sehen sollen!“, sagte der Unbekannte, ein ganz in schwarz gekleideter Mann, dessen Gesicht so weit im Schatten lag, dass er außer dem Vollbart und einem schmallippigen Mund nicht viel sehen konnte. „Hören Sie, der Mann braucht dringend Hilfe, sonst stirbt er … “ John versuchte es mit einem unschuldigen und besorgten Blick. „ … Wollen Sie wirklich daran Schuld sein. Wir können doch da-“ Er wurde mitten im Wort abgeschnitten, als ein Lichtstrahl aus der Waffe schoss und ihn mit voller Wucht in den Oberkörper traf. Es war kein physischer Schlag, der ihn dazu zwang, sich nun verzweifelt an der Tischkante festzuklammern, nur eine Taubheit, die sich von seiner Brust immer weiter ausbreitete und lähmte – aber noch nicht genug um in Bewusstlosigkeit zu fallen. Der Fremde trat einen Schritt vor. Er schien sichtlich überrascht zu sein. John zwang sich – auch wenn es ihm schwer fiel - noch einmal den Kopf zu heben. „Wir können … wirklich …“ Doch der Mann ließ nicht zu, dass er sein Gesicht besser erkennen konnte. Statt dessen drückte er ein zweites, dann ein drittes Mal ab. Die Benommenheit, die Lähmung waren nun nicht mehr so leicht abzuschütteln wie eben. John hatte keine Kraft mehr in den Händen und Armen. Sein Griff erlahmte … dann sackte er am Schreibtisch zusammen und spürte, wie seine Sinne den Dienst versagten. Schließlich war da nur noch eine Stimme, die sich in seinen Geist brannte, ehe es ganz dunkel um ihn wurde. „Das ist wirklich interessant. Normalerweise brechen Menschen schon nach dem ersten Schuss bewusstlos zusammen. Bei dir jedoch habe ich wesentlich mehr gebraucht … Solltest du tatsächlich der sein, den ich suche?“ Kapitel 6: Ruinen und Schatten ------------------------------ Zwei Monate nach der Trennung ************************** Rose umklammerte das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten und zwang sich auf die Straße zu achten, weil sie sich nur schwer konzentrieren konnte. Immerhin hatte sie es bisher geschafft keinen Unfall zu bauen, auch wenn jetzt zum Abend hin viele Pendler den Großraum London verließen. Allerdings war sie froh, dass sich der Verkehr im Endstück der M11 stark verminderte und so kaum noch andere Autos an ihr vorbeizogen. Sie war zwar nun in der Nähe von Cambridge, hatte sich aber dazu entschieden, zunächst an der Stadt vorbei zu der Stelle zu fahren, an dem die Überreste des Wagens gefunden worden waren. Warum, dass wusste sie selbst nicht so genau, schwirrten in ihrem Kopf doch immer noch alle Informationen wild durcheinander, die sie von diesem Privatdetektiv erhalten hatten. Sie wusste jetzt zwar in vielen Einzelheiten, was John nach dem Verlassen der Penthouse-Wohnung getrieben hatte, aber alles, was mit dem Tag seines Verschwindens zusammenhing blieb weiterhin reine Spekulation. Vielleicht mochten der Ermittler und ihr Vater nicht glauben, dass Johns Wagen zerstört worden war – sie selbst war sich absolut sicher, dass es sich um ihn handelte. „John, verdammt John, in was hast du dich da wieder rein geritten!“ fluchte sie laut und trat unwillkürlich wieder aufs Gas. Und dann kamen die Schuldvorwürfe zurück. „Hätte ich doch nur versucht dir zuzuhören, dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen … hätte ich doch nur einmal ein wenig mehr nachgedacht, dann …“ Im nächsten Moment hielt sie in ihren Selbstvorwürfen inne. Hätte … hätte … hätte … ja, das hätte sie alles tun können, aber auf der anderen Seite: Wäre sie damals schon dazu fähig gewesen? Hätte sie sich soweit öffnen können, um John mit anderen Augen zu sehen? Nein, natürlich nicht! Sie schüttelte wie zur Bekräftigung den Kopf und verringerte entschlossen die Geschwindigkeit. Die M11 näherte sich ihrem Ende, und danach waren es vermutlich nur noch ein paar Kilometer aufs Land hinaus. 'Wir hätten uns wie immer nur gestritten, weil ich ab einem bestimmten Punkt dicht gemacht hätte!', dachte sie, als die Ernüchterung kam und holte dann tief Luft. Das half ihr endlich dabei, ihre Gedanken zu sortieren, etwas, was ihr in ihrem Zimmer noch nicht gelungen war. Dort hatte sie immer nur zwischen Vorwürfen, Verzweiflung und Wut geschwankt, was sie daran gehindert hatte, überhaupt einen klaren Plan zu fassen. Selbst die Entscheidung loszufahren war aus dem Bauch heraus geschehen, nicht aus dem Kopf. Sie hatte etwas tun müssen – sonst wäre sie noch geplatzt. „Also, Rose“, murmelte sie zu sich selbst und atmete tief durch. „Was sagte der Privatdetektiv noch genau? Es handelt sich um ein altes Fabrikgebäude auf einem verwilderten Grundstück, etwa zwanzig Kilometer nördlich von Cambridge. Zwar abgesperrt … aber dennoch leicht zugänglich für jeden, wenn man weiß wie und wo.“ Sie grinste und dachte an Mickey und ihre gemeinsame wilde Phase. Nach welchen Schlupflöchern hatten sie damals wohl gesucht, wenn sie sich die verlassenen Grundstücke des Viertels genauer ansehen wollten? Natürlich nach Lücken im Bretterzaun, Löchern im den Maschendraht, verbogene Metallgitter und so fort. Das Werkzeug, das sie eventuell benötigte, hatte sie auf jeden Fall hinten im Auto. Jetzt wusste sie auch, was sie hier eigentlich wollte: Nach Spuren suchen, die die Polizei und Torchwood übersehen hatten, nach kleinen aber feinen Hinweisen, die ihr weiterhelfen konnten, die Bestätigung zu finden, dass es sich um Johns Wagen handelte … oder wenigstens, was dafür gesorgt hatte, dass das Auto so ausbrennen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen. Vermutlich würde sie das Wrack nicht mehr vorfinden … aber damit hatte sie von Anfang an auch nicht gerechnet – Torchwood pflegte in diesen Angelegenheiten gründlich zu sein. Sie hoffte nur, dass sowohl die Polizei als auch die geheime Regierungsorganisation inzwischen abgezogen waren, und sie in Ruhe herumstöbern konnte. Ansonsten … Für einen Moment huschte ein Lächeln über ihre Lippen. … dachte sie an die Zeit ihrer großen Abenteuer zurück. Damals hatten weder sie noch der Doktor sich an Absperrungen gestört, auch wenn sie sich damit manchmal in gehörige Schwierigkeiten gebracht hatten. Irgendetwas würde ihr dann schon einfallen. Ganz bestimmt. Das halb ihr gelassener zu werden, breitete sich doch ruhige Zuversicht in ihr aus. Selbst wenn sie nichts mehr fand, was ihr weiterhelfen konnte würde sie diesen Ort schon einmal als kalte Spur abhaken können und wissen, dass sie hier nicht weiter kam. Die M 11 ging nun in eine ausgebaute Landstraße über, die sich erst einmal in nichts, außer der Geschwindigkeit von der Autobahn unterschied. Deshalb nutzte sie den nächsten Parkplatz aus, um die Straßenkarten zu Rate zu ziehen. Natürlich hätte sie auch das Navigationsgerät einschalten können, aber das sie wollte sich nicht noch verfolgbarer machen, als sie es ohnehin schon war. Während der Rast stellte sie fest, dass ihr Magen rumorte – kein Wunder, hatte sie doch seit dem Morgen nichts mehr gegessen. Ein paar trockene, schon etwas muffig schmeckende Kekse aus dem Handschuhfach mussten reichen, um den ersten Hunger zu stillen – richtig essen konnte sie später. Eine halbe Stunde später erreichte sie ihr Ziel und wunderte sich nicht, warum die Besitzer die Fabrik aufgegeben hatten. Rundherum waren nur brachliegende Felder und in der Ferne ein größeres Waldstück zu sehen – die Landschaft wirkte kaum erschlossen, und auch die Straße wirkte nicht gerade vertrauenswürdig mit den ganzen Schlaglöchern. Das ganze wirkte so, als habe seit dem Zweiten Weltkrieg niemand mehr etwas mit der Gegend angestellt. Vermutlich hatte die Fabrik deshalb die Jahre danach nicht überlebt und war ihrem Schicksal überlassen würden, was die Ruinen zweier Hallen und eines kleineren Verwaltungsgebäudes verrieten. Die Dächer waren längst eingestürzt, nur noch die Hälfte die Backsteinmauern ragten in die Höhe. Ein Teil war zusammengebrochen oder abgebaut worden, der Rest schimmerte im Licht der untergehenden Sonne noch röter als sonst. All das lag hinter einem ganz normalen Maschendrahtzaun zwischen Wildwiesen. Rose bemerkte aber auch die Spuren von Fahrzeugen auf der teilweise eher lehmigen Straße. Diese waren zu deutlich um mehr als ein paar Tage alt zu sein, aber das wunderte sie aufgrund der Informationen, die sie hatte, auch nicht. Deshalb musterte sie aufmerksam die Umgebung, und parkte schließlich bewusst unter ein paar eng zusammen stehenden Bäumen, um nicht gleich aufzufallen. Zwar war noch kein Laub an den Zweigen aber das dichte Astwerk reichte sehr tief, dass der Wagen von der schon ein paar hundert Metern entfernten Landstraße aus nicht mehr sichtbar sein würde. Danach stieg sie aus und ging zum Kofferraum, um sich entsprechend auszurüsten. Eine Zange, das Messer, vielleicht auch noch … Sie klappte eine Verkleidung weg, nachdem sie die Sperre freigeschaltet hatte und holte sich die Schusswaffe und ein Ersatzmagazin heraus, denn man konnte nie vorsichtig genug sein. Rose strich sich die Haare aus der Stirn, klappte den Kofferraum wieder zu und sah sich noch einmal in aller Ruhe um. Die Sonne schien ihr warm ins Gesicht und vermittelte wie die ersten Vogelstimmen die Hoffnung auf baldigen Frühling. Der Himmel hier zeigte ein paar blaue Flecken zwischen den Wolken, und dazwischen war auch ein Zeppelin mit Werbeaufdruck zu sehen, der unablässig seine Bahn zog … Sie kniff für einen Moment die Augen zusammen, dann aber beschloss sie sich in die Bewegung zu setzen und das nicht als schlechtes Zeichen anzusehen. In London gehörten die Luftschiffe zum üblichen Bild und bevölkerten zu Dutzenden den Himmel, warum sollte es hier auf dem Land so viel anders sein? Deshalb richtete sie ihren Blick jetzt nach vorne und suchte nach einem Zugang auf das Gelände, auch wenn sie sich mit der Kneifzange im Maschendraht leicht einen hätte schaffen können. Etwa hundert Meter weiter wurde sie fündig. Das lockere Metallgeflecht flatterte an einer Stelle in einer plötzlich aufgekommenen Bö hoch und verriet ihr so, welchen Zugang die Jugendlichen benutzt haben dürften. Zwar schien der Zugang schon einmal notdürftig geflickt worden zu sein – aber das hatte offensichtlich nicht lange gehalten. Rose grinste amüsiert und schlüpfte durch die Lücke. Wenn sie noch vor Sonnenuntergang die Ruinen erreichen und das Restlicht der Dämmerung ausnutzen wollte, dann konnte sie sich nicht mit solch kleinen Details aufhalten. Die Wildwiese erwies sich dann doch als tückischer als sie gedacht hatte. Überall waren Maulwurfshügel und kleine Senken, die das Gelände uneben machten, teilweise gut unter Gras aus den letzten Jahren versteckt. Ein zügiges Vorankommen hatte sich damit erledigt, vor allem, als sie zwischen dem braunen Gestrüpp auch noch verkohlte Stellen, Reste von Aluminiumverpackung oder allen möglichen Plastikmüll sah und ihr glitzernde Glasscherben ins Auge fielen. Offensichtlich wurde diese Wiese bei trockenem und sonnigen Wetter gerne für allerlei wildes Treiben genutzt. Die Sonne war schon halb hinter dem Horizont verschwunden, als sie die erste der Hallen erreichte. Tiefe Schatten verdeckten den Fuß der Mauern, so dass sie nach der Taschenlampe greifen musste, um die dunklen Stellen auszuleuchten. Wo genau der Wagen gefunden worden war, hatte der Privatdetektiv nicht sagen können, weil man ihn nicht auf das Gelände gelassen hatte, also musste sie wohl oder übel alles absuchen. Doch vielleicht sah sie schon mehr, wenn sie die Mauer hier erst einmal umrundet hatte. Rose blickte jedoch schon jetzt immer wieder zu Boden und suchte mit den Augen nach Dingen, die hier nicht hingehörten, stieg dabei vorsichtig über verrostetes Metallgestänge und und tastete sich dann vorsichtig an der Wand entlang, um den Steinhaufen vor ihr nicht weiträumig umgehen zu müssen. Eine kleines Fenster bot ihr schließlich die Möglichkeit einen Blick in das Innere der Halle zu werfen. Rose pirschte sich vorsichtig heran und lugte vorsichtig durch die verbogenen Streben, die schon lange kein Glas mehr in der Fassung hielten. Sie achtete sorgsam darauf, nicht aus Versehen in einen der verbliebenen Splitter zu greifen, die noch dazwischen steckten. In dem Halbdunkel war zunächst nicht viel zu erkennen, doch ihre Augen gewöhnten sich schnell an das schwache Licht, das in der halb zerfallenen Halle herrschte. Nur zehn, vielleicht fünfzehn Meter von sich entfernt, sah sie auch die völlig zerwühlte Fläche, von der deutliche Reifenspuren wegführten. 'Hier muss das Autowrack gelegen haben!', durchfuhr es sie wie ein Blitz, während ihr Herz vor Aufregung schneller zu schlagen begann. Sie hatte überraschend schnell gefunden, was sie suchte, nun musste sie nur noch die richtigen Schlüsse daraus ziehen … Im nächsten Moment schrak sie heftig zusammen und hielt unwillkürlich die Luft an. Denn da war eine Bewegung am Rand der Schatten, ein schwaches Aufblitzen von hellem Stoff, der sich gegen den dunklen Boden abhob… und nun, wo sie genauer sie hinsah, erkannte sie, dass eine Gestalt am Rande der Fläche kauerte. Was genau die Person da eigentlich tat konnte Rose allerdings nicht erkennen. Sie kniff die Augen zusammen, aber das half ihr auch nicht weiter – sie befand sich in einer zu ungünstigen Position zu dem oder der Unbekannten, die sich jetzt langsam aufrichtete. Handelte es sich hier um einen Mann oder doch um eine Frau? Rose kniff die Augen zusammen, aber das half ihr auch nicht weiter, genau so wenig wie die schulterlangen lockigen Haare. Als sich die Person etwas mehr von ihr weg drehte,konnte sie es schon besser einschätzen – das war eindeutig die Silhouette eines schlanken Mannes. Nur die Kleidung irritierte sie. Wer bitteschön lief heute noch in einem, in den letzten Lichtstrahlen grünlich schimmernden, langen Samtjacke herum, die aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen schien, und trug ein lockeres Seidenhalstuch, wenn er nicht auf einen Kostümball war oder zu der Gruppe der „neuen Romantiker“ gehörte? Nun stopfte der Fremde den rechteckigen Gegenstand, den er bisher in Händen gehalten hatte, zurück in die Taschen seiner Jacke und zog etwas anderes daraus hervor, einen länglichen Zylinder mit einer Verdickung am Ende. Ein leises Sirren erklang. Das war doch eindeutig ein … Rose liefen kalte Schauer über den Rücken, denn sie kannte das Geräusch verdammt gut. Sie machte überrascht einen Schritt nach hinten und trat dabei auf eine brüchige Stelle, die ihrem Gewicht nicht stand halten konnte. Der Steinbrocken unter ihrem rechten Fuß knickte weg, sie verlor das Gleichgewicht und ihr blieb nichts anderes übrig, als einen Schritt zur Seite zu machen, um die Wucht des Aufpralls abzufangen. Rose taumelte mit einem überraschten Aufschrei weiter und konnte nicht verhindern, dass sich ein paar Steine von dem Haufen lösten, an dem sie sich notgedrungen abstützen musste, und natürlich nicht gerade geräuschlos herab polterten. Bei dieser unglücklichen Aktion schürfte sie sich nicht nur die Hände auf, sondern schlug sich auch noch das rechte Knie an einem spitzen Mauerrest an. „Aua. Verdammt!“ fluchte sie nach der ersten Schrecksekunde und wollte sich schon wieder aufrichten, als sich ihr bereits eine Hand helfend entgegen streckte. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte eine warme Stimme besorgt. „Übrigens, ich bin der Doktor.“ Kapitel 7: Unangenehmes Erwachen -------------------------------- Fast zwei Monate nach der Trennung ****************************** … wie erstaunlich ... normale Menschen brechen schon nach dem ersten Schuss zusammen. Warum also hat dich erst der dritte in die Bewusstlosigkeit geschickt, und das nicht einmal richtig? Ich glaube, ich sollte dich einer genaueren Untersuchung unterziehen … aber besser nicht hier … … … Tatsächlich, da gibt jemand vor, nur ein Mensch zu sein … Vielleicht sollte ich dem genauer auf den Grund gehen … … nun denn, dann wollen wir doch einmal sehen, welche Geheimnisse du vor der Welt, aber nicht mehr lange vor mir verbergen kannst … … weitestgehend menschlich, aber dem entgegen spricht die durchschnittliche Körpertemperatur von 34° Grad Celsius … eine überraschend niedrige Pulsfrequenz im Ruhezustand … das sollte es wohl erklären ... … sieh an, dann ist deine Existenz wohl noch nicht nur ein seit Ewigkeiten auf Gallifrey kursierendes Gerücht. Allerdings wird die Wahrheit, die ich hier vor mir auf dem Tisch liegen habe, einige Personen sicherlich enttäuschen … … fehlt nur noch eine Sache, dann hat meine Suche ein Ende … auch wenn ich mir nicht so sicher bin, was ich jetzt mit dir anstellen werde … Verzerrte Stimmen und unklare Bilderfetzen huschten durch Johns Geist, als er langsam wieder aus der Dunkelheit zurückkehrte, seine Sinne langsam wieder die Funktion aufnahmen. Zuerst hörte er nur ein leises Rauschen, dann Piepsen und Klappern, nahm metallischen Geschmack in seinem Mund wahr und gleichzeitig den stechenden Geruch antiseptischer Mittel. Wo befand er sich? In einem Krankenhaus? Oder ganz woanders? Das konnte er vermutlich erst sagen, wenn es ihm endlich einmal gelang, die Augen zu öffnen. Aber das war so mühevoll, so schwer, dass er es erst einmal unterließ und sich in den nächsten Atemzügen mehr auf seinen Körper konzentrierte. Der indessen ruhte auf einem nachgiebigen Material mit glatter Oberfläche. Seine Kühle und dem Luftzug nach zu urteilen, die ihn beide frösteln ließen, war er entweder ganz nackt … oder trug zumindest nicht besonders viel auf seiner Haut. Langsam kehrte das Gefühl in seine Arme und Beine zurück. Er konnte schon bald die Finger bewegen, kam mit dem Arm jedoch nicht besonders weit. Das lag nicht an seiner körperlichen Schwäche, eher an den Manschetten, die seine Handgelenke und Ellenbogen umschlossen. Auch seine Beine waren auf ähnlich unangenehme. Weise an die Liege gefesselt. „Was ...“, stöhnte er, während Adrenalin durch seinen Kreislauf schoss und sein Herz schneller schlagen ließ. Nun endlich konnte er auch ein paar Gedanken mehr fassen und die ernüchterten ihn: Alles klar – er war ein Gefangener, aber warum und von wem? Langsam kehrten die Erinnerungen an die letzten Stunden zurück. Wie war das? Hatte er nicht eigentlich auf Anregung von Mary Sullivan aus dem Stadtarchiv nur ein bisschen mit dem Archivar des St. Cedds College plaudern wollen? Stattdessen hatte er den älteren Herrn schwer verletzt am Boden seines Büros vorgefunden, vermutlich misshandelt und … oder niedergeschlagen von dem Unbekannten, der ihn daraufhin mit einer seltsamen Waffe niedergeschossen hatte. Und dabei konnte es sich um keinen gewöhnlichen Verbrecher handeln, denn, denn … John zwang sich nun mit Gewalt, die Augen zu öffnen und ein Stück aufzurichten. Dann schloss er sie im nächsten Moment jedoch wieder und sank schnell auf die Liege zurück, da ihn eine – direkt auf sein Gesicht gerichtete - Lampe blendete. Aber er hatte zumindest etwas von der Umgebung gesehen– eine wabenartige dunkle Struktur am Rande des Lichtkreises, die wohl eine Wand darstellen sollte, Ein paar blinkende Kästen um ihn herum, von denen das Piepen und Klappern stammen mussten. Dann Kabel, die von Elektroden auf seiner Brust und seinen Armen wegführten und in den Geräten mündeten. Vieles davon kam ihm so bekannt vor, so vertraut, aber er war nicht in der Lage, seine Erinnerung zu durchforsten. Eine unnatürliche Müdigkeit hielt ihm fest im Griff und die bestand nicht ohne Grund. Bei dem Versuch, einen Arm aus den Manschetten zu ziehen, spürte er die Nadel der Kanüle in seinem Arm, in der Nähe des Handgelenks. Ein an einem Galgen hängender Beutel mit einer grünen Flüssigkeit darin und der davon wegführende Schlauch sprachen Bände. Verabreichte ihm da jemand ein Betäubungsmittel? „Wo … bin … ich?“ fragte er dann in den Raum hinein, in der Hoffnung, dass ihn der, der ihn an diesen Ort entführte hatte ihn hören konnte und eine Antwort geben würde. „Hören Sie … ich finde das hier … nicht gerade ange-“ Ein spöttisches Lachen unterbrach ihn. „Natürlich ist das keine angenehme Prozedur für dich mein Junge, aber damit musst du leben“, erklang die Stimme, die er schon einmal gehört hatte, und durch seine Träume gegeistert war. „Aber sie ist notwendig für die Untersuchungen, die ich an dir vorgenommen habe und noch vornehmen werde …“ „Ich verstehe nicht … was Sie damit meinen? Ich bin schon seit Jahren nicht mehr Krank gewesen und mein eigener Doktor war mit meinem letzten Gesundheitscheck sehr zufrieden“, erklärte John frech, während sich in ihm dennoch ein mulmiges Gefühl ausbreitete. „Deshalb bräuchte ich eigentlich keine weiteren Untersuchungen, wissen Sie?“, plauderte er drauflos, auch wenn er ahnte, dass das wohl ziemlich sinnlos war. Verdammter Mist! Der Unbekannte wusste sowieso schon, dass an ihn nicht alles so menschlich war, wie es eigentlich hätte sein sollen! Das würde es wesentlich schwieriger machen, sich aus seiner misslichen Situation herauszureden, egal mit wem er es zu tun hatte. Er öffnete die Augen ein zweites Mal. Da er diesmal auf das grelle Licht vorbereitet war, schaffte er es, die Augen schmal zu halten und damit gerade so an der Helligkeit vorbei zu schielen, dass er kurz eine Bewegung im Hintergrund sehen konnte, einen humanoiden Schatten. „Welchem Doktor willst du dich eigentlich mit dieser Physiologie anvertraut haben?“, fragte der Fremde sichtlich amüsiert. „Jeder Mediziner auf der Erde, der etwas von sich hält, hätte dafür gesorgt, dass du in einem Forschungslaboratorium landest. Denn du bist für die Menschen ein medizinisches Wunder. Mit einer so niedrigen Körpertemperatur und einem so langsamen Herzschlag dürftest du dich gar nicht erst so agil bewegen können, wie du es tust, sondern müsstest im Koma liegen.“ „Ach wirklich? Das ist mir bisher gar noch nicht aufgefallen? Mein Hausarzt erklärte mir immer, dass alles mit mir völlig in Ordnung sei, und dass ich topfit wäre.“ Auch wenn ihm jetzt und hier nicht zum Scherzen zumute war, versuchte John auch amüsiert zu klingen. „Ich dachte das sei ganz normal. Nur jetzt ist mir zugegebenermaßen ein wenig flau im Magen.“ „Ich würde sagen, an dir ist nicht viel „normal“, eher im Gegenteil. Deine Körpertemperatur und dein Herzschlag werden ja von jedem noch so stümperhaften Mediziner auf diesem Planeten erkannt werden, und das ist nur der Anfang. Interessanter wird es dann schon bei der genaueren Durchleuchtung deiner Organe und deiner Gehirnfunktionen. Von der Struktur der Muskeln und Knochen will ich erst gar nicht sprechen.“ Der Fremde tippte etwas auf einer Tastatur ein, schwieg einen Moment, als müsse er etwas nachlesen und sprach dann ruhig weiter. „Ich erkenne ein erweitertes kardiovaskuläres System, auch wenn es wohl leider nicht für die Ausbildung eines zweiten Herzens ausgereicht hat. Die Lungen sind normal ausgeprägt, wenngleich auch die Bläschen etwas stabiler und leistungsfähiger wirken. Du könntest es vielleicht doppelt so lange in einem Raum ohne Sauerstoff aushalten wie ein normaler Mensch. Ich könnte noch eine Weile so weitermachen und dir die Unterschiede auflisten.“ „Oh, wirklich? Das erklärt wirklich einiges! Jetzt verstehe ich auch, warum ich ohne Übung so lange unter Wasser bleiben kann“, merkte John vorlaut an, in der Hoffnung, dem Fremden noch mehr Informationen über sich zu entlocken. Denn einiges davon hatte er selbst noch nicht gewusst – kein Wunder, hatte er sich in seinem kurzen Leben bewusst davor gehütet, keinen Arzt aufzusuchen. Und bisher war das noch nicht nötig gewesen. „Ja gut und schön, was wollen Sie mir jetzt damit eigentlich sagen? Das interessiert mich schon.“ „Das glaube ich dir, mein Junge. Aber keine Sorge, ich bin noch nicht fertig …“ Der Fremde lachte spöttisch auf. „Solltest du jemals eine Bluttransfusion benötigen, könnte das zu einem ziemlichen Problem werden, da ich bezweifle, das du auf dieser Welt irgend einen geeigneten Spender finden wirst … aber das interessantest an dir ist wohl dein Gehirn. Da sind Sektoren aktiv, die einen Menschen normalerweise in den Wahnsinn treiben.“ „Wer sagt Ihnen, dass ich es nicht vielleicht sogar bin?“ „Das ist wirklich eine interessante Frage, die ich mir auch gerade stelle …“ Der Fremde kam auf ihn zu und drehte die Lampe weg, so dass John endlich besser sehen und auch ihn betrachten konnte. Wie bei ihrer ersten Begegnung trug der Mann tiefschwarze Kleidung – was offensichtlich seine Lieblingsfarbe zu sein schien. Die einzige Verzierung an seinem Anzug stellten feine silberne Borten am Kragen dar. Kalte Augen, die ihn an die einer lauernden Schlange erinnerten, blickten unter kurzen schwarzen Haaren auf ihn hinab. Das bärtige Gesicht zeigte um die Augen herum zwar erste Spuren des Alters, aber wirkte auf der anderen Seite überraschend jung und zeitlos. John stöhnte unwillkürlich, als trotz der Betäubung wieder ein stechender Schmerz durch sein Gehirn zuckte und ihn zwang, den Kopf abzuwenden, weil sich wieder eine Erinnerung des Doktors in den Vordergrund drängte … wenn auch keine angenehme. Sein Körper spannte sich auch deshalb unwillkürlich an, so dass die Manschetten unangenehm in seine Haut schnitten. Dieses Verhalten schien seinem Peiniger jedoch nicht sonderlich zu gefallen, denn im nächsten Moment packte eine Hand sein Kinn und zwang John dazu, ihn wieder anzusehen. „Ich glaube, wir sollten mit den Spielchen aufhören und offen miteinander reden … “ „Schön …“ John blinzelte eine Wimper aus den Augen und murmelte, so gut er in dieser Lage konnte: „Dann … sollten Sie erst einmal anfangen. Ich kenne … immer noch nicht … Ihren Namen. Mit wem … habe ich es eigentlich zu tun?“ Die Finger an seinem Kinn drückten fester zu, so dass es jetzt wirklich schmerzhaft wurde. „Ach, habe ich vergessen, mich vorzustellen?“, fragte der Schwarzhaarige mit einem bösen Lächeln. „Dann sollte ich dich wohl aufklären: Ich bin der Master …“ Kapitel 8: Fremd und doch vertraut! ----------------------------------- „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie der Fremde freundlich, den Rose kurz vorher noch durch das zerstörte Fenster in der Fabrikhalle beobachtet hatte, und streckte ihr die Hand entgegen, natürlich nicht, ohne sich vorzustellen. „Übrigens, ich bin der Doktor.“ Die junge blonde Frau fiel aus allen Wolken, starrte ihn nur mit großen Augen an. Wie bitte? Was hatte er da eben gesagt? Sie bekam gar nicht mit, dass er sie vorsichtig auf die Beine zog und dann auch noch mit der anderen Hand abstützte. Wie gebannt starrte sie nur auf sein Gesicht und versuchte das Wirrwarr an Gedanken und Gefühlen zu ordnen, das in diesem Moment durch ihren Kopf tobte. Der Doktor? War er wirklich zu ihr zurückgekommen? Sollte er es wirklich sein? Und wenn, warum sah er so anders aus? Hatte er sich erneut regeneriert? Oder spielte ihr hier jemand nur einen hinterhältigen Streich? / Sie rang nach Luft und suchte gleichzeitig in seinem Gesicht, in seinen Augen nach vertrauten Zügen, nach … doch der Fremde zeigte nicht einmal einen Hauch von Wiedererkennen, sondern nur reine Neugier. „Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen, Miss?“, fragte er besorgt. „Ja … ja … ich glaube schon“, stammelte Rose unsicher. Sie kämpfte immer noch mit ihrer Verwirrung und den Gefühlen, die nun in ihrem Herzen tobten, als sie ihn noch einmal genauer in Augenschein nahm und intensiver nach Ähnlichkeiten zu dem Mann suchte, den sie liebte, um herauszufinden, ob die Hoffnung bestand, dass er es sein konnte … Mit seiner kastanienfarbenen Lockenpracht, seiner altertümlichen Kleidung und seinem höflichen Gebaren sah der Fremde auf den ersten Blick eher wie ein Gentleman aus einer vergangenen Epoche aus, und nicht wie ein Mann von einem anderen Stern, der mit der Neugier eines Kindes das Universum erforschte und sich doch auch mutig gegen Daleks, Cybermen und zahlreiche andere Monster gestellt hatte. Das Gesicht ihres Gegenübers wirkte trotz seiner markant männlichen Züge vor allem um den Mund und die weichen Lippen herum erstaunlich sensibel. Seine Augen besaßen ein helles durchdringendes Blau und waren nicht einmal im Ansatz braun. Und aus ihnen schimmerte nur offene Neugier und Freundlichkeit, nicht aber die tiefe Melancholie, die ihren Doktor selbst in seinen fröhlichen Momenten nicht losgelassen und die sich in Ansätzen auch in Johns Blicken widerspiegelten. Dann aber spürte sie die eigentümlich zeitlose Ausstrahlung, die auch ihm umgab und nicht so recht einzuschätzen war, genau so wie die ihres Doktors … „Ist es das wirklich?“ Der Mann ließ sie los, als er spürte, dass sie seiner Hilfe nicht mehr bedurfte, und schmunzelte. „Nun, ich hätte nicht erwartet, an einem so einsamen und trostlosen Ort wie diesem, eine nette, junge Dame kennenzulernen.“ Was für ein Schmeichler … aber davon würde sie sich nicht einlullen lassen und weiterhin misstrauisch bleiben, beschloss Rose. Sie klopfte sich hastig den Staub von Jacke und Hose, auch wenn ihr das Herz immer noch bis zum Hals schlug und ihre Gedanken und Gefühle weiterhin wilde Achterbahn fuhren, auch wenn sie die Verwirrung langsam in den Griff bekam und durch gesunde Vorsicht ersetzte. Er sollte nicht merken, wie sehr er sie durcheinander gebracht hatte. „Ich weiß …“, erwiderte sie, als sie sich sicher war, dass ihre Stimme nicht mehr zittern würde. „Ich hatte mich hier mit meinem Freund verabredet …“ „Oh, ich hoffe, ich habe Ihr Date jetzt nicht verhindert – auch wenn dass sicherlich kein Ort für ein romantisches Treffen ist“, bedauerte er höflich, allerdings wirkte er sichtlich amüsiert, so als ob er ihr keines ihrer Worte glauben würde. „Nein … nein, das denke ich nicht. Ich bin ohnehin viel zu spät dran. Und wenn Ihnen niemand aufgefallen ist, der hier herumgestreunt ist, nun dann dürfte der Idiot mich versetzt haben!“, spann sie ihr Lügengespinst erst einmal weiter , stöhnte dann aber leise auf, als sie den ersten Schritt machte. Es stach erst einmal noch gehörig im Knie, aber nach schon nach ein paar weiteren Schritten in Richtung Wildwiese ging es wieder besser. Trotzdem würde sie in einer ruhigen Minute nachsehen müssen, wie die Verletzung aussah. Eigene Recherchen konnte sie jetzt ohnehin vergessen … denn nun, wo sie sich etwas besser von dem Schrecken erholt hatte, wurde ihr Argwohl stärker. Sie durfte nicht vergessen, dass sie den Mann dort nicht wirklich kannte, auch wenn er vielleicht der „Doktor“ war. Vielleicht log er sie ja auch einfach an und steckte in Wirklichkeit hinter Johns Verschwinden. Deshalb musste sie zusehen, dass sie ihn möglichst schnell los wurde. „Mir ist tatsächlich niemand aufgefallen!“ Der Braunhaarige – sie wollte ihn noch immer nicht Doktor nennen, weil sich alles in ihr dagegen sträubte – überlegte kurz und fügte dann mit einem freundlichen Klang in der Stimme hinzu: „Wenn es Sie nicht stört, dann kann ich Sie gerne bis zur Straße zurück begleiten, denn ich glaube wir haben den gleichen Weg.“ „Ach, das ist doch nicht unbedingt nötig, Mister!“ Rose biss sich auf die Lippen und fluchte innerlich. Na herrlich, jetzt klebte sich der verdammte Kerl auch noch an ihre Fersen. „Sie waren doch eben so beschäftigt. Haben Sie hier nicht noch mehr zu tun?“ Ihr Gegenüber winkte gelassen ab. „Eigentlich nicht. Ich bin mit dem, was ich hier erledigen wollte schon fertig geworden“, ließ er sich immer noch nicht abwimmeln und folgte ihr wie ein treuer Hund. Mist, also half wohl erst einmal nichts, gestand sich Rose grimmig ein. Mit Worten alleine würde sie diese Klette wohl nicht loswerden können. Auf der anderen Seite spürte sie, wie ihr Misstrauen geringer wurde, denn dieses Verhalten kannte sie auch von „ihm“: Auch er war immer freundlich gewesen. Immer hilfsbereit, aber auch verdammt hartnäckig, wenn ihn etwas interessierte – ja, das war typisch für den Doktor! Sie unterdrückte erste freundliche Gefühle für den Fremden und suchte nach Gründe, um ihm auch weiterhin nicht zu trauen, denn nein, dass konnte einfach nicht der Doktor sein … oder seine Entsprechung in diesem Universum. Schon allein wegen der Körpergröße nicht – sie musste nicht so sehr aufschauen wie zu ihrem. Er überragte sie vielleicht um eine Handbreit, bei denen aus ihrem Universum waren es zwei gewesen, wenn nicht mehr. Und sie bezweifelte, dass sich auch bei einer Regeneration ein Körper so zusammenstauchen konnte. Und selbst wenn, dann … Rose vertrieb diese letzten, absolut wirren Gedankengänge aus ihrem Kopf und konzentrierte sich lieber auf den Weg, um sich endlich zu sammeln und ihr weiteres Vorgehen bezüglich ihres Begleiters zu planen. Wenigstens ließ der Schmerz im Knie jetzt endlich nach. Nur noch ein leichtes Brennen war übriggeblieben. Sie musste vorangehen, da der Weg an der Halle entlang nicht für sie beide Platz bot. Der Fremde folgte ihr schweigend mit einem Abstand von zwei bis drei Schritten. Erst als sie die Wiese erreichten, kam nach ein paar weiteren Schritten an ihre Seite und betrachtete sie nachdenklich, so als grüble er über ihr Verhalten nach. „Da! Sehen Sie sich das an!“ Plötzlich hob der Braunhaarige den Kopf und wandte das Gesicht von ihr ab, um einen Arm zu heben. Rose zuckte aufgrund dieses abrupten Wandels in seinem Verhalten heftig zusammen und blickte dann an seinem ausgestreckten Arm entlang. Doch anstatt einer vermuteten Bedrohung waren am Himmel nur ein Mix aus dicken Wolken und in den Lücken dazwischen das bunte Farbenspiel des ausklingenden Sonnenuntergang vor dem immer dunkler werdenden Himmel zu sehen … „Ist das nicht ein wunderschönes Himmelsschauspiel?“, rief er begeistert und deutete noch immer auf den Horizont, ignorierte dabei ganz den Zeppelin, der nur noch wenige hundert Meter von ihnen entfernt in der Luft hing. Rose verdrehte erst die Augen, kniff sie dann jedoch zusammen, denn etwas an dem Luftschiff stimmte nicht. Es schien an Höhe verloren zu haben, sah fast so aus, als wollte es über einem der nahen Felder niedergehen. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken, denn sie wollte nicht an einen Zufall glauben. Verdammt noch mal, dass roch nach Ärger! „Ja … das ist sehr schön … “, erwiderte sie deshalb mit einem skeptischen Unterton und versuchte dann ihren Begleiter auf die Gefahr aufmerksam zu machen „Doktor , Sie … “ Der Mann an ihrer Seite legte nur den Kopf schief, lachte laut auf und machte ein paar tänzelnde Schritte zur Seite. Sie wunderte sich, dass er dabei nicht stolperte, sondern es auch noch schaffte, mit einer ähnlich schwungvollen Bewegung eine Tüte aus seiner Tasche zu ziehen. Rose blieb irritiert stehen. Was bei allen Daleks hatte das jetzt schon wieder zu bedeuten? „Das macht doch gleich Lust auf ein Jelly-Baby, finden Sie nicht?“ Doch anstatt die Tüte in ihre Richtung zu halten und die Süßigkeit anzubieten, streckte er sie den Überresten eines wild entsorgten Kühlschranks neben sich entgegen. „Möchten Sie auch eines?“ Rose rang nach Luft und fragte sich ernsthaft, ob sie es vielleicht doch nicht mit dem Doktor oder seinem Spiegelbild, sonder nur mit jemandem zu tun hatte, der eigentlich aus dem Irrenhaus entlaufen war. Das war jedoch schon im nächsten Moment vergessen, denn die Umgebung um sie herum wurde lebendig. Zwei Männer in militärischer Tarnkleidung tauchten aus ihrer Deckung zwischen dem Gras auf, Maschinenpistolen in den Händen haltend und mit einer klaren Absicht. Die Mündungen der entsicherten Waffen richteten sich auf sie beide „Hände schön weit weg von der Kleidung, nach oben und hinter den Kopf!“ befahl der grauhaarige Mann, der mehr bei ihr stand. Rose gehorchte instinktiv, denn sie wusste aus Erfahrung, das es gesünder war, der Bitte nachzukommen, als sich zu wehren. Es würde schon noch eine Gelegenheit kommen, die Kerle auszutricksen … hoffte sie. Der andere Bewaffnete wedelte unterdessen unwirsch mit der Waffe herum und fauchte den Braunhaarigen wütend an: „Und sie da, haben Sie nicht gehört? Nehmen Sie endlich die Hände nach oben … und lassen Sie gefälligst die Tüte fallen.“ „Halten Sie das für ratsam?“, erwiderte der Lockenkopf ungerührt und lächelte den Mann freundlich an. „Sie sollten wirklich einmal eines probieren! Das hebt die Stimmung an einem so kühlen und nassem Tag wie diesem“, sagte er ruhig. „Hören Sie, wir müssen das nun wirklich nicht mit Waffen ausdiskutieren.“ „Mir reicht das dumme Gequassel langsam, Mann! Haben Sie Tomaten auf den Ohren?“ „Wenn Sie mir erklären, wie das genau aussieht, dann kann ich ja mal nachsehen!“ Blaue Augen weiteten sich erstaunt, als ihm die Mündung der Maschinenpistole genau unter die Nase gehalten wurde. „Ich will doch nur die Stimmung etwas auflo-“ „Halten Sie verflucht noch mal endlich ihre Klappe und tun Sie, was ich Ihnen sage. Ich habe einen sehr nervösen Abzugsfinger.“ „Schade, dass ich sie nicht von meinen lauteren Absichten überzeugen kann.“ Der Doktor gehorchte nun endlich und sah traurig der zu Boden fallenden Papiertüte nach, während er die Hände hinter den Nacken legte und artig dort beließ. „Und was nun? Wie können wir Ihnen weiterhelfen?“ fragte er dann freundlich. „Indem Sie uns mitteilen, was sie hier zu suchen haben, Mister. Haben Sie die Schilder nicht gelesen? Das hier ist Privatbesitz, den Sie und ihre hübsche kleine Freundin widerrechtlich betreten haben!“, knurrte der Grauhaarige. „Und damit haben Sie eine Menge Ärger an der Backe.“ „Oh, wirklich? Ich habe leider keine Schilder mit diesbezüglichem Inhalt gesehen, dann hätte ich mich natürlich daran gehalten“, erklärte er unschuldig. „Ich dachte eigentlich, dieses Grundstück mit der Fabrik wäre Niemandsland. Zumindest hat man mir das hoch und heilig versichert, als ich mich nach den Gebäuden erkundigte“, plauderte der Doktor weiter und zwinkerte Rose dann verstohlen zu. „Dabei wollte ich mich hier doch nur mit der hübschen jungen Dame treffen … zu einem Date, wie man so schön sagt …“, lieh er sich frech ihre Notlüge aus. Rose verstand augenblicklich, was er ihr hatte sagen wollen und spielte ohne Zögern mit, indem sie ihn verliebt ansah und mit einem tiefen Seufzen hinzufügte: „Sie müssen wissen, am Valentinstag hat es uns völlig erwischt und da meine Eltern es nicht gerne sehen, wenn ich mich mit einem älteren Mann treffe, haben wir … “ „Halten Sie endlich den Mund, und zwar beide!“ unterbrach sie der jüngere Bewaffnete giftig. „Das Gefasel können Sie sich gefälligst für andere aufsparen und nicht uns damit belästigen!“ „Oh, und für wen sollen wir es reservieren?“ fragte der Doktor neugierig. „Ich würde gerne wissen, mit wem ich mir Ärger eingehandelt habe. Außer mit den Eltern dieser jungen Dame, natürlich.“ Er drehte seinen Kopf zu Rose und sah sie bedauernd an. „Tut mir leid, dass es so gekommen ist, Liebes.“ Sie grinste schief, fühlte sie sich doch in diesem Moment an die alten Tage im anderen Universum erinnert. „Mir auch … Ich hätte wohl vor ein paar Tagen besser drauf aufpassen müssen, mit wem ich mich verabrede und wo.“ Dabei starrte sie aufgeregt mit bis zum Hals klopfendem Herzen zu ihm hin. Wenn er nur ein wenig wie „er“ drauf war, dann würde der Doktor ihr ein unmissverständliches Zeichen geben. Denn den ersten Teil der Taktik hatte er schon angewendet – die Feinde mit Quasseln abzulenken und einzulullen, wenn er sie schon nicht überzeugen konnte. Der Ältere schien jedoch nicht dumm zu sein und den Braten ebenfalls zu riechen. Er machte eine barsche Geste. „Das werden Sie noch früh erfahren, Mister. Jetzt gehen Sie erst mal auf die Knie, und dabei schön die Hände im Nacken behalten, ja?“ „Dürfte ich bemerken, dass die junge Dame sich das Knie angeschla-“ „Jetzt reicht's mir, Kerl!“ Der jüngere holte mit der Waffe aus, um dem braunen Lockenkopf einen Hieb zu versetzen, doch in diesem Moment kam Leben in den schlanken Körper des Doktors. Es waren nur kleine aber fließende Bewegungen mit den Händen und dem Oberkörper, die aber ausreichten. Ehe sich der Bewaffnete versah, beförderte ihn sein eigener Schwung nach vorne, in die Richtung seines Kollegen, der dabei ebenfalls völlig aus dem Konzept geriet und für einen Moment unachtsam wurde. Das reichte aus, um ihm die Waffe zu entreißen und damit den impulsiveren niederzuschlagen, der lang ausgestreckt ins Gras fiel. „Ich hasse Waffen.“ Der Doktor starrte einen Moment die Maschinenpistole angewidert an, dann warf er sie weit von sich und klatschte in die Hände. „Und nun rennen Sie! Los!“ Kapitel 9: In der Gewalt des Masters ------------------------------------ „ … der Master … und du solltest mir gehorchen.“ Schmerzhaft gruben sich die Finger bei den letzten Worten seines Peinigers in das Kinn, so dass ihm Tränen in die Augen schossen. John hatte das Gefühl sein Unterkiefer würde zerbrechen, doch das war nicht alles - noch tiefer saß der Schock über die letzten Worte. Er persönlich hatte diesen Mann nie kennengelernt, aber Fetzen aus der Erinnerung des Doktors huschten jetzt durch seinen schmerzenden Kopf. Daheim auf Gallifrey … damals war „Kappa-Chi“ oder besser Koschei der beste Freund gewesen, den ein einsamer, viel zu ängstlicher, und von keinem wirklich ernst genommener Sonderling wie er hatte finden können. Er hatte ihm ,„Theta-Sigma“ ohne Spott oder gar bösen Hintergedanken gezeigt, dass das Leben und die Gemeinschaft mit anderen auch Spaß und Freude bieten konnte – vor allem in den Ferien, in denen sie durch das rote Gras fern der Stadt gerannt waren. Die glückliche Zeit, in der sie die strenge Zucht- und Ordnung auf der Akademie wenigstens für ein paar Tage hatten vergessen können … Und das natürlich nur wenn sie nicht gerade wieder einen frechen Streich ausheckten, um die Älteren zu ärgern, oder neugierig herumexperimentierten, weil ihnen jede noch so abstruse Idee wert schien ausprobiert zu werden. Ohne Koschei hätte er vielleicht niemals den Mut und die Kraft gehabt, die Neugier, Eigeninitiative und Kreativität zu entwickeln, die ihn später hinaus ins All geführt und dieses Leben geschenkt hatte – alles wäre nur ein blasser, unerfüllbarer Traum geblieben … Dann kam die Prüfung, die sich jeder Zögling der Akademie nach den ersten Jahren seiner Lehrer unterziehen musste – nämlich in das ungebändigte Schisma zu blicken. Jener Test bei der er selbst so ziemlich versagt hatte, weil er schon nach dem ersten Blick entsetzt davongerannt war … aber jetzt darüber froh sein konnte, weil er dafür nicht den Preis hatte zahlen müssten, den sein Freund unwissentlich entrichtet hatte. Die Veränderungen waren schleichend gekommen, aber unabänderlich gewesen … aus Koschei, dem brillanten Schüler und den aufmerksamen Freund, der ohne Mühe alle Prüfungen hinter sich gebracht hatte und in mehr als nur einer Disziplin mit Bestnoten abschließen konnte, wurde nach und nach der zunächst nur ehrgeizige und später skrupellose Master. Schon auf Gallifrey waren sie einander fremd geworden, aber nicht nur, weil sich ihre Lebenswege getrennt hatten, weil der Doktor in der Zitadelle der Timelords hatte zurückbleiben müssen, da er sich durch seine Leistungen an der Akademie keine Tardis verdient hatte, im Gegensatz zu seinem Freund. Sondern auch durch andere Entwicklungen: Immer wieder hatte der Master ihn aufgefordert, ja regelrecht erwartet, zu ihm zu stehen, als der Hohe Rat auf seine Verbrechen gegen die Gesetze Rassilons aufmerksam geworden war … Ein oder zwei Mal hatte der Doktor sogar Einträge in der Matrix gelöscht … aber irgendwann hatte sein Gewissen über die noch immer vorhandenen freundschaftlichen Gefühle gesiegt. Und das hatte ihm der Master schließlich so übel genommen, dass er ihn einen Verräter genannt und all seinen Hass auf ihn konzentriert hatte, vor allem als … Es kam, wie es kommen musste: Durch viele grausame Taten gegenüber unschuldigen und krampfhaften Versuchen, Rache an dem abtrünnigen Freund zu nehmen hatte sich der ehemalige Seelengefährte in seine Nemesis verwandelt, die nicht nur eine, sondern gleich mehrere seiner Inkarnationen heimgesucht hatte. Zwischen all der Abscheu und Wut, die der Doktor gegenüber dem Master entwickelt haben mochte, steckte jedoch auch ein Funken Hoffnung auf eine Veränderung und der leise Wunsch, dass der Freund sich besinnen und zu ihm zurückfinden würde, ein Nachhall der engen Verbundenheit und brüderlichen Zuneigung, die die beiden jungen Akademie-Schüler Theta-Sigma und Koschei über so viele Jahrzehnte geteilt hatten. Selbst als das letzte Kapitel in der Akte des Masters geschrieben zu sein schien, damals als er sich in der Gestalt von Harold Saxon geweigert hatte, den Regenerationsprozess einzuleiten und sein Leben in den Armen des Doktors ausgehaucht hatte, selbst dann … John stöhnte leise, als die Bilder sich wieder an den Rand seines Bewusstseins zurückzogen und ihn in die Wirklichkeit zurückkehren ließen. Wohler zumute wurde ihm durch die Erinnerungen nicht. Eher im Gegenteil … Der Druck auf seinen Kiefer wurde geringer, als ihn der Master endlich los ließ und spöttisch lächelte. „Du kannst mir nicht einreden, mein Junge, dass du nicht weißt, dass du nicht ganz menschlich bist, nicht wahr? Zur Hälfte mögen deine Gene die der Erdlinge sein, zur anderen aber stammen sie von Gallifrey. Jetzt würde ich gerne aus deinem Mund erfahren, wie das zustande gekommen ist.“ John bewegte den Kiefer und überprüfte ob auch wirklich nichts gebrochen war, nutzte den Moment, um seine chaotischen Gedanken zu sortieren. „Oh, ich weiß nicht so recht“, meinte er dann in einem lockeren Plauderton und zwinkerte die Tränen aus den Augenwinkeln, während sich in seinem Inneren Entschlossenheit breit machte. Er würde einen Teufel tun, seinem Peiniger zu erzählen, wie er wirklich in sein Leben getreten war! „So weit ich weiß braucht man dazu einen Frau und einen Mann. Und dann … na ja die Eltern erklären das ihren Kindern gerne mit den Bienchen und den Blümchen.“ Er hüstelte. „Muss ich Ihnen das wirklich erklären?“ Der Master trommelte mit den Fingern auf einen der Kästen neben der Liege. „Ich sagte doch schon, ich mag keine Spielchen … schon gar nicht von einem Primitiven wie dir. Ich kann auch andere Methoden anwenden, um dich zum Sprechen zu bringen.“ Dann beugte er sich leicht vor und starrte John tief in die Augen. Der spürte sofort den hypnotischen Druck, der auf seinen Geist ausgeübt wurde. 'Ich bin der Master!', hallte es gnadenlos kalt in ihm wieder. 'Du wirst mir gehorchen!' Für einen Moment rangen sie stumm miteinander. Willen kämpfte gegen Willen und John spürte zu seiner Erleichterung, dass er dem Feind genug entgegen setzten konnte, um ihn mental abzublocken, auch wenn er kein vollblütiger Timelord war. Es kostete ihm zwar mehr Kraft und Konzentration als dem Doktor – vor allem jetzt, wo die Betäubungsmittel durch seinen Körper strömten und seine Verteidigung schwächte – aber es gelang ihm, schließlich den Feind aus seinem Geist zurückzudrängen und sich vor seinem Zugriff zu verschließen. Ein Ruck ging durch den Körper des Masters. „Nun gut. Es gibt auch andere Methoden, um dich zu einer Antwort zu zwingen“, sagt er ruhig. „Warum wollen Sie mich eigentlich unbedingt zu einer Antwort zwingen?“, fragte John. „Können wir das nicht auch anders regeln? Wie wäre es mit ein bisschen mehr Offenheit von ihrer Seite? Ich verstehe nämlich immer noch nicht, was sie eigentlich von mir wollen!“ „Sagt dir der Name Ulysses etwas?“ „Äh … Sollte er das?“ Die Augenbrauen des Masters zuckten. John hob den Kopf, denn der Schwarzhaarige wandte sich ab und verschwand für einen kurzen Moment aus seinem Sichtfeld. Das gab ihm die Gelegenheit, sich verstohlen umzusehen. Das Design der Umgebung war anders als er es kannte, wirkte aber dennoch irgendwie vertraut – was nicht zuletzt an der auffälligen Wandverkleidung mit den runden Elementen lag, nur dass diese hier in dunklen, kalten Tönen irgendwo zwischen Blau und Schwarz gehalten waren und nicht in Messing und warmem Braun. Jetzt wusste er auch mit Sicherheit, wohin er verschleppt worden war. Und das erklärte endlich auch, warum er beim Anblick der „griechischen Säule“ Kopfschmerzen bekommen hatte – wählte der Chamäleon-Schaltkreis dieser ganz bestimmten Tardis bevorzugt diese Form, weil sie auf den meisten Welten nicht weiter auffiel. Der Master kehrte zurück, ein paar zusammengefaltete Kopien in der Hand schwenkend. „Ich habe dein Auftauchen zunächst auch nur für einen dummen Zufall gehalten, aber bei der Durchsuchung deiner Taschen das hier zu Tage gefördert, Mister John Smith.“ „Ach wirklich? Bin ich auch deswegen von Ihnen gefangen genommen worden, und nicht nur wegen meiner ungewöhnlichen Physiologie?“ John grinste schief und gab dann zu: „Nun, das sind nur Studien für ein ganz persönliches Projekt, das mich schon eine ganze Weile beschäftigt. Ich bin in London auf ein paar ziemlich interessante Zeitungsartikel aus dem Jahr 1889 gestoßen, die mich einfach nicht los gelassen haben.“ Jetzt noch weiter die Tatsachen zu leugnen brachte nicht viel, denn wenn der Master die Kopien gefunden hatte, dann kannte er auch mit Sicherheit sein Notizbuch und seine Geldbörse mit den Ausweisen. Da er nicht das Zeitgespür seines Originals besaß – einer der Sinne, die sich bei seiner Entstehung nicht mit vererbt hatten, konnte er nicht einmal sagen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Also war es sehr gut möglich, dass der Master inzwischen mehr über ihn wusste, als ihm lieb war. Und auch er hatte seitdem er wieder zu sich gekommen war, mehr erfahren, als er jemals zu hoffen gewagt hatte. Gallifrey hatte tatsächlich existiert, oder existierte noch. Er befand sich in einer Tardis … und der Mann, der ihn gefangen hielt war definitiv ein Timelord, wenn auch einer, vor dem er sich hüten musste. Das war Fakt … jetzt musste er nur noch heraus finden, wie alles zusammen passte. Denn das Geheimnis um Penelope Gate und diesen, bisher nur als Namen aufgetauchten, Ulysses schien den Master ebenfalls zu beschäftigen. Der blickte ihn jetzt nachdenklich an. „Eine interessante Aussage, John … Nun würde ich gerne wissen, was dich an den Informationen interessiert? Glaubst du, die beiden hätten etwas mit deiner Existenz zu tun?“ John zuckte so gut es ging mit den Schultern. „Keine Ahnung. Ich kenne meine Eltern ehrlich gesagt nicht“, gab er offen zu. „Aber na ja, wenn man weiß, dass man nicht ganz so menschlich ist, wie man sein sollte, dann greift man doch nach jedem Strohhalm, um seine Wurzeln zu finden, oder?“ Der Master lächelte dünn. In diesem Moment wirkte er ganz und gar nicht wahnsinnig oder grausam, auch wenn das kalte Funkeln in seinen Augen blieb. „In diesem Fall würde ich dir sogar zustimmen. Es ist immer gut, seine Wurzeln zu kennen und damit zu wissen, wohin man gehört und wohin nicht“, sagte er nachdenklich und legte die Blätter wieder zur Seite. Dann trat er wieder dichter an John heran und stützte die Hände auf die Liege. „Auch ich bin auf der Suche nach dem Mann namens Ulysses. Er hat vor langer Zeit etwas mit sich genommen, was ich gerne nach Gallifrey zurückbringen möchte, da es von immenser Bedeutung für mein Volk ist … “ Er beugte sich noch weiter vor. Seine Augen durchbohrten John förmlich. „Und du wärst obendrein ein interessantes Mitbringsel, das meinen Anspruch auf das Erbe Rassilons nicht mehr untergraben könnte. Ich bin nämlich nicht geneigt, an Gerüchte und lächerliche Prophezeiungen zu glauben.“ „Und wieso wäre ich 'ein interessantes Mitbringsel' für Sie?“ hakte John vorsichtig nach, während sein Herz schneller schlug. Aber er wich dem Blick seines Peinigers nicht aus. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass Neugier ziemlich ungesund sein kann?“, erwiderte der Master. Mit einer eher lässigen Handbewegung sorgte er dafür, dass wieder Betäubungsmittel in Johns Blutkreislauf gelangte, indem er den Zufluss der Infusion wieder öffnete. „Ich brauche noch eine Weile, bis ich mich entschieden habe, was ich mit der anstelle. Aber ich denke, dem guten alten Borusa würde es das Herz brechen, wenn er Ulysses jämmerlichen, da so unsagbar menschlichen Sohn nicht mehr lebend kennenlernen könnte … “ Kapitel 10: Auf der Flucht -------------------------- Zwei Monate nach der Trennung ****************************** „Und nun rennen Sie! Los!“ Das ließ sich Rose nicht zweimal sagen und lief mit zum Boden gerichteten Augen so schnell sie konnte los. Auch wenn das angeschlagene Knie erst einmal protestierte, setzte sie doch in möglichst weiten Schritten über die Grassoden hinweg und versuchte den Stolperfallen so gut es eben in diesem Tempo ging auszuweichen. Mehr als einmal kam sie dabei ins Straucheln, konnte sich aber immer wieder abfangen. Auf die Umgebung zu achten, wurde dadurch leider verdammt schwierig. Dennoch konnte sie in den Augenwinkeln erkennen, dass ihr der Doktor dichtauf folgte. Nur einmal verlangsamte er kurz sein Tempo, drehte sich im Lauf halb um und warf dann etwas in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Rose drehte sich nicht um, als ein lauter Knall die Luft erfüllte und dann ein Sirren ertönte. Was auch immer da abging, es erzeugte ein seltsames, einem Feuerwerk gleichendes, Lichtspektakel, wie sie an den bunten Reflexionen im Gras erkennen konnten. Im nächsten Moment erklangen Schüsse – hoffentlich ballerte niemand jetzt auch noch in ihre Richtung! Sie beging jedenfalls nicht den Fehler, stehen zu bleiben und sich neugierig umzusehen, ihr reichte es schon, zu bemerken, dass der Doktor die Beine in die Hand nahm und langsam wieder aufholte und zu hoffen, dass die Bewaffneten genug von dem „Spielzeug“ ihres Begleiters abgelenkt wurden – denn um etwas anderes konnte es sich bei ihm bestimmt nicht handeln. Rose erreichte heftig atmend den Maschendrahtzaun und schlüpfte hastig durch die Lücke. Der Doktor half ihr ohne Worte dabei sich nicht zu verheddern und sie tat ohne darüber Nachzudenken das Gleiche bei ihm als seien sie bereits ein eingespieltes Team. Dann rannten sie weiter. Immerhin war es wesentlich angenehmer und leichter auf der Straße zu laufen. Trotzdem dauerte es noch eine ganze Weile, die Baumgruppe mit ihrem Wagen zu erreichen – und zwar nicht ganz ohne Anstrengung. Keuchend notierte sich Rose in ihren Gedanken, dass sie wohl wieder das Lauftraining aufnehmen sollte, wenn sie das alles überstanden hatten. In den letzten Jahren war sie einfach zu bequem geworden. Das rächte sich jetzt. Sie wusste, das Auto war die einzige Chance, die sie und der Doktor noch hatten, um überhaupt zu entkommen, denn der Zeppelin war mittlerweile so weit niedergegangen, dass eine Tür geöffnet werden konnte. Weitere Bewaffnete sprangen hinunter in das Unkraut des letzten Jahres. Und die waren mit Sicherheit fit genug, um sie zu Fuß einzuholen. Noch im Lauf zog sie die Fernsteuerung aus der Jackentasche und entriegelte die Zentralverrieglung. Damit war es kein Problem mehr, die Tür aufzureißen und sich hastig hinter das Lenkrad zu setzen. Der Doktor stieg derweil wie selbstverständlich auf der Beifahrerseite ein. „Das Illusianische Lichtspiel wird die Jungs leider nicht lange aufhalten!“, rief er Rose zu und zwinkerte. Sie grinste zurück. Zwar schien er nicht ganz so außer Atem zu sein, aber auch ihm war die Anstrengung der Flucht anzumerken. Genau das machte ihn ihr sympathisch. Dann hielten sie einen Augenblick mit dem Sprechen inne, um Luft zu schöpfen. Rose nestelte in der Zwischenzeit den Schlüssel aus ihrer Hosentasche und schob ihn in das Zündschloss. „Okay, genug ausgeruht. … Jetzt sollten wir schnellstens hier verschwinden!“ Sie startete den Motor. Zuerst setzte sie ein Stück zurück, um unter den Bäumen weg zu kommen, dann wollte sie den Weg einschlagen, den sie gekommen war, um möglichst viel Abstand zu gewinnen. Der Doktor erkannte ganz offensichtlich ihre Absicht, denn er legte plötzlich die Hand auf das Lenkrad. „Nein, nicht dahin! Fahren Sie in die andere Richtung. Wenn wir jetzt versuchen die Autobahn zu erreichen erwischen die Kerle uns schneller als uns lieb ist!“, riet er ihr mit einem drängenden Ton in der Stimme und drehte sich dann wieder von ihr weg, um wieder aus dem Fenster zu blicken. Rose blieb ohnehin keine Zeit mehr, um über seine Bitte nachzudenken, denn ein paar Meter seitlich vor dem Wagen zog eine Maschinengewehrsalve eine Spur durch den Lehm. Okay, das war ein weiterer überzeugender Grund, seinem Rat zu folgen und nicht ihren ursprünglichen Plan umzusetzen. Deshalb drehte sie das Lenkrad in die andere Richtung und trat viel zu hastig aufs Gas. Der Wagen machte einen Satz nach vorne – aber das war ihr Glück, denn sie entgingen so einer weiteren Salve, die nur wenige Zentimeter vom Heck entfernt in den Boden einschlug und einige der braunen Grassoden vom Feldrand aufspritzen ließ. „Verdammter Mist“, fluchte Rose, spürte dann aber wie Kampflust in ihr aufstieg. „Glaubt ja nicht, dass wir uns schon geschlagen geben. Das wollen wir doch erst mal sehen! Ich bin ganz und gar nicht beeindruckt von euren Schießkünsten!“ Sie ließ den Motor aufheulen. Ihr Gefährt schoss wie ein Blitz über den Weg, um den Kugelhagel endlich hinter sich zu lassen, denn auch wenn Pete Tyler nach den Erfahrungen der letzten Jahre Spezialmodelle für seine Familie besorgt hatte, so konnten diese mit Panzerplatten verstärkten Türen auch einem Maschinengewehrfeuer nicht auf Dauer standhalten. Bei der rasanten Fahrt wurde die Federung durch den holprigen Untergrund hart auf die Probe gestellt und sie heftig durchgerüttelt, aber egal … da mussten sie jetzt durch, auch wenn ihre Köpfe das ein oder andere Mal unangenehm heftig das Wagendach berührten. Der Doktor schien das in Kauf zu nehmen, hing er doch immer noch verdreht im Sitz, um die Lage durch das Heckfenster im Auge zu behalten. Gelegentlich hörte sie ein leises „Au“ aus seinem Mund, aber er beschwerte sich nicht. „Gut so!“, rief er schließlich. „Die Soldaten hören endlich auf zu schießen und rennen nicht länger hinter uns her. Dafür steigt das Luftschiff wieder auf, so wie ich befürchtet habe!“ Mit diesen Worten ließ er sich wieder in eine angenehmere Position zurückfallen. „Zwischen den Hügeln da vorne und einem größeren Waldstück dahinter werden sie es schwerer haben, uns zu verfolgen und schließlich kommt auch noch ein Tunnel!“ „Woher wissen sie das eigentlich alles?“ Rose nahm die Augen nicht von der Straße und sah nun die ersten Bäume vor sich. „Und was dann?“, fragte sie hastig. „Die Typen sind mit Sicherheit in der Lage, uns zu orten und werden uns an der ersten für sie günstigen Stelle aufhalten!“ „Warten Sie es ab. Ich habe da vielleicht noch ein Ass im Ärmel“, meinte der Doktor mit einem geheimnisvollen Lächeln und lehnte sich sichtlich aufatmend ganz in den Sitz zurück. „Ich bin zu Fuß aus dieser Richtung gekommen. Das war zwar ein hübscher, wenn auch recht strammer Spaziergang. Aber ich hielt es für sicherer, mein Gefährt nicht gleich bei der alten Fabrik abzustellen und das könnte jetzt ein Vorteil sein …“ Dann drehte er den Kopf zu ihr hin und sah sie fragend an. „Ich frage mich nur was das für Typen waren, denn wie ein privater Sicherheitsdienst sahen die nicht gerade aus. Dazu waren sie zu gut organisiert und ausgestattet. Handelt es sich vielleicht um das Militär, weil wir unabsichtlich in eine Sperrzone geraten sind?“ „Nein, das waren keine Soldaten … Ich habe da so einen Verdacht … “, meinte Rose, die viel lieber nach dem „Gefährt“ des Doktors gefragt hätte, sich aber sicher war, die entsprechende Antwort bereits zu kennen. Und wer weiß, vielleicht hätte sie dann auch noch zu viel von sich und ihrer Vorgeschichte preis gegeben. Noch war sie nicht bereit, mehr als notwendig über sich und ihre persönliche Mission zu verraten, dafür musste sie einfach mehr über diesen „Doktor“ erfahren, der sich zwar immer wieder so verhielt, wie sie es von „ihrem“ kannte, aber trotzdem nicht der gleiche Mann war. „Können Sie etwas mit dem Torchwood-Institut anfangen?“ „Nein, sollte ich das etwa? Ich war allerdings auch lange nicht mehr im Land“, erwiderte er nachdenklich, starrte eine Weile grübelnd vor sich hin und schüttelte dann den Kopf. „Ich habe früher eine ganze Weile als wissenschaftlicher Berater für UNIT, eine Spezialtruppe der Vereinten Nationen gearbeitet, falls ihnen das ein Begriff ist, aber das liegt nun schon ein halbes Menschenleben zurück.“ Er seufzte. „Ganz offensichtlich habe ich während meiner Abwesenheit so einiges verpasst.“ „Ich glaube sogar eine ganze Menge …“ Rose warf dem Doktor … der gleichzeitig so vertraut und dann wieder fremd auf sie wirkte, einen schiefen Blick zu. „Dann haben Sie vermutlich die Cybermen-Invasion auch nicht mitbekommen, oder?“ „Cybermen?“ Seine Stimme wirkte sichtlich überrascht, auch die Augen weiteten sich für einem Moment, so als habe er gerade damit nicht gerechnet. „Ich dachte, dieses Problem wäre erledigt, nachdem der Brigadier und ich dafür gesorgt haben, dass sie die Erde in Ruhe lassen. Und seit der Zerstörung der letzten Welten, die sie unter ihr Joch gebracht haben, habe ich tatsächlich keine Spuren mehr von ihnen gefunden, weder jetzt noch …“, murmelte er nachdenklich. Sein Blick verlor sich in weite Fernen, so als schien er unzählige Erinnerungen durchzugehen. „Die Daleks sind schon Plage genug, wenn sie es wieder einmal schaffen, ihren Heimatplaneten Skaro zu verlassen … “ Rose zog überrascht eine Augenbraue hoch. Ihr Doktor hatte auf den gemeinsamen Reisen nicht nur ganz andere Dinge über seine gefährlichsten Feinde erzählt, sondern auch mit sehr viel mehr Hass und Wut über sie gesprochen, trugen doch gerade die Daleks die Schuld am Untergang seines Heimatplaneten, wie sie sich erinnerte. Und als sie an ihre eigenen unangenehmen Begegnungen mit diesen gefühllosen Monstern dachte, lief es ihr immer noch kalt über den Rücken. Aber dieser Mann hier sprach von diesen beiden Rassen, als ob sie hier nur eine Gefahr von vielen wären und kaum Spuren im Gefüge von Raum und Zeit hinterlassen hätten, was fast schon ein beneidenswerter Zustand war, eine Gnade, die diesem Universum erwiesen worden war. Andererseits durfte sie aber auch nicht vergessen, dass sich in dieser Welt ohnehin viele Dinge ganz anders entwickelt hatte, als in ihrer eigenen Dimension. Sie musste nur an ihre eigene Existenz denken. „Rose“ war hier schließlich nicht die Tochter der ursprünglichen Jackie Tyler gewesen, sondern nur deren süßer, kleiner Schoßhund, und die Frau, die sie unter dem Namen ihrer Mutter kennengelernt hatte, ein kalte, egozentrische Hexe … Dann schüttelte sie die Gedanken ab … aber das war schon länger Geschichte und alles hatte sich zum Guten gewendet. Jetzt galt es an andere Dinge zu denken … Der Doktor schreckte wieder hoch. „Wie kommt es eigentlich, dass die Cybermen wieder zurückgekehrt sind?“ „Sie kamen nicht aus dem All, sondern hier von der Erde“, erklärte Rose mit einem bitteren Klang in der Stimme. „John Lumic, ein größenwahnsinniger Industrieller, hat Gott weiß woher, Ideen oder Pläne zur Erschaffung der Cybermen gehabt und sie mehr als erfolgreich in die Tat umgesetzt. Ihm war egal, was er anderen antat, nur um seine eigenen verrückten Pläne durchzusetzen! Es wäre ihm fast gelungen, die Menschheit zu vernichten …“ Sie holte tief Luft. „Glücklicherweise nur fast! Im letzten Moment hat eine mutige Gruppe ihn aufhalten können.“ „Wenigstens das …“ Der braunhaarige Mann schüttelte traurig den Kopf. „Oh, ihr dummen, törichten Menschen, warum lernt ihr eigentlich nie dazu und hört endlich einmal darauf, was ich euch sage?“, klagte er. “Ich weiß noch, ich habe dem Brigadier damals nach unserem letzten Kampf gegen die Cybermen nicht ohne Grund geraten, alle verbliebenen Überreste so schnell und unauffällig wie möglich einschmelzen zu lassen, auch wenn er sich damit vermutlich gegen seine Befehle gestellt hätte, habe ihn, wie auch Liz Shaw eindringlich um die Vernichtung der Untersuchungsergebnisse gebeten …“, fügte er ernüchtert hinzu. „Aber nein, wie so oft hat man natürlich wieder einmal nicht auf mich hören wollen. Wie immer kam das Veto vermutlich von höherer Stelle, weil ja der strategische Nutzen von viel größerer Bedeutung ist als der gesunde Menschenverstand. Kein Wunder also, dass das irgendwann passieren musste!“ Er schnaubte wütend. „Soldaten und Politiker!“ 'Da sind wir durchaus der gleichen Meinung' , stimmte ihm Rose in Gedanken zu und dachte an das, was sie auf ihren Reisen mitangesehen hatte. Zugleich verringerte sie die Geschwindigkeit des Wagens, weil die Straße schmaler wurde. Sie war zwar immer noch asphaltiert, aber jetzt würden kaum noch zwei Wagen problemlos aneinander vorbei kommen. Ein weiterer Grund war das Gefälle auf der Seite auf der sie fuhr und der Bach, der dem Straßenrand teilweise unangenehm nahe kam. Um die Stille zu durchbrechen, stellte sie eine Frage, die ihr ebenfalls auf den Lippen brannte: „Wo sind Sie eigentlich die ganze Zeit gewesen, wenn sie nicht einmal das mitbekommen haben, Doktor? Die Cybermen waren doch in der ganzen Welt zu finden … vielleicht mit Ausnahme von den Urwäldern Amazoniens oder der Sahara und anderen nicht technisierten Gebieten!“ Sie schluckte. Überraschenderweise ging ihr sein Namen fast schon selbstverständlich von den Lippen, hatte der altertümlich gekleidete Lockenkopf an ihrer Seite doch eigentlich bewiesen, dass er auch in diesem Universum die Verrücktheiten liebte … und dabei doch immer genau zu wissen schien, was er tat. Wenn sie ihn so von der Seite betrachtete … … war sie doch eher froh darüber, dass er sich nicht nur im Aussehen genug von ihrer großen Liebe unterschied, um nicht ständig mit ihren Gefühlen durcheinander zu geraten. Gleichzeitig fragte sie sich aber auch, ob „ihr“ Doktor nicht auch einmal so gewesen war wie dieser Mann hier – in der Zeit vor dem Verlust seiner Heimat, der die düster brodelnde Melancholie, in ihm ausgelöst hatte. Aber ob sie sich dann auch so leicht in ihn hätte verlieben können … sie wusste es nicht. Der Mann an ihrer Seite reagierte allerdings nicht so wie sie erwartet hatte. Anstatt ihr zu antworten, weiteten sich plötzlich seine Augen und er rief energisch: „Halt!“ Rose trat, dem Ruf folgend, unwillkürlich auf die Bremse. Sie kämpfte einen Augenblick darum, den Wagen unter Kontrolle zu halten, während die Reifen quietschten und sie ordentlich durchgeschüttelt wurden. Erst als das Auto zum Stehen gekommen war, blickte sie mit bis zum Hals klopfenden Herzen wieder bewusster durch die Frontscheibe und verstand den Grund für die Warnung des Doktors… Kapitel 11: Das Aufdecken erster Karten --------------------------------------- „Oh, Mann!“ Rose verdrehte die Augen und lehnte ihre Stirn gegen das Lenkrad. In diesem Moment unterdrückte sie das innige Bedürfnis in das Gummi beißen zu wollen, nur um nicht laut loszuschreien und so ihre Wut los zu werden. Dann aber besann sie sich eines besseren und richtete sich wieder auf, nur um sich zu versichern, dass sie keiner Halluzination aufgesessen war. Sie seufzte. 'Echt, das kann doch nicht wirklich wahr sein, oder?' Mit allem anderen hatte sie gerechnet – einer Polizeikontrolle, ihren Verfolgern, irgendwelchen Außerirdischen, aber nicht einer solchen Situation. Trotzdem war sie dem Doktor dankbar, dass er sie gewarnt hatte. Auch wenn der Verursacher der Situation sicherlich verdient hätte, einfach über den Haufen gefahren zu werden. Ihr Blick wurde finster. Ungefähr fünf Meter vor ihnen, mitten auf dem asphaltierten Weg, den man an dieser Stelle kaum noch eine richtige Straße nennen konnte, saß ein Hund und erledigte in aller Seelenruhe sein Geschäft. Er trug zwar ein Halsband, aber keine Leine. Treudoof hechelnd sah er nun zu seinem Herrchen hin, einem Mann mit buschigem Schnurrbart, dichten Augenbrauen und sauber gescheitelten Haaren in einem Anzug, der schon in den Fünfzigern aus der Mode gewesen sein musste. Der klemmte sich hastig seinen Spazierstock unter den Arm und eilte zu seinem Tier hin, um die Leine einzuhaken und es dann mit sanfter Gewalt dazu zu bringen, wieder aufzustehen und aus dem Weg zu gehen. Doch so gemächlich, wie er sich erleichtert hatte, trottete der Hund dann mit aller Ruhe zum Wegesrand und schnüffelte dort am Laub, so als interessiere ihn nicht, was eben passiert war. Weder von dem Wagen noch von ihnen nahm er überhaupt Notiz. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen und dem Tier?“ Der Doktor hatte inzwischen das Fenster ganz hinunterfahren lassen und blickte freundlich zu dem Spaziergänger hin. „Das war ja ein ganz schöner Schrecken für uns alle!“ Rose sah ihren Begleiter irritiert an. Wie bitte, wollte er sich jetzt etwa auch noch bei dem Typen entschuldigen? Der verdiente eher eine ordentliche Predigt als Verständnis für sein Verhalten! Gerade auf solchen Wegen war es üblich, die Tiere an der Leine zu lassen, vor allem, wenn sie auch noch so drauf waren, wie dieses Viech … Der Hundebesitzer setzte den Stock wieder ab und klopfte unwillig damit auf den Asphalt, starrte er sie beide einem Moment eher ausdruckslos an, während er sie sie scheinbar einer strengen Musterung unterzog, um abzuwägen, ob sich eine Antwort lohnte. Im nächsten Moment wandte er sich mit einem verächtlichen Schnauben und gerümpfter Nase ab und ließ sie beide, hinter sich zurück, um dann zwischen den Bäumen auf einen normalen Waldweg zu zu stapfen. „Was für ein Idiot!“, machte Rose nun endlich dem angestauten Ärger Luft. Sie startete den Motor der durch die ganze Aktion ausgegangen war, wieder neu. Langsam fuhr sie an und vermied es das Häufchen mit irgend einem der Reifen zu treffen. „Ach lassen Sie ihn. Der weiß sehr genau, dass er einen Fehler gemacht hat, aber das möchte ein ehemaliger Offizier und Beamter im Staatsdienst, natürlich uns gegenüber nicht zugeben“, erklärte der Doktor entspannt. „Ich glaube er ist genau so froh wie wir, dass nichts passiert ist, denn ich denke, er liebt sein Tier über alles, ist es doch mit ihm in Würden gealtert! „Woher wissen Sie das schon wieder? Sind sie Sherlock Holmes?“ „Nein, aber ich habe die beiden Ehrennadeln am Revers seiner Jacke gesehen, die einen recht militärischen Schnitt hatte. Und es war ebenfalls nicht zu übersehen, dass der Hund schon ein gesegnetes Alter erreicht hat. Er muss so gut wie blind und taub sein.“ „Stimmt, jetzt wo Sie es sagen …“ Rose grinste schief. „Aber egal. Ich hoffe nur, der Typ hat uns schon wieder vergessen. Nun aber doch zu etwas anderem: Eben habe ich Ihnen eine Frage gestellt, wissen sie noch?“ „Natürlich, das habe ich nicht vergessen“, erklärte der Lockenkopf mit einem in sich gekehrten Lächeln. „Dort wo ich mich in den letzten Jahren aufgehalten habe, habe ich tatsächlich überhaupt nichts von dem mitbekommen, was hier vor sich ging. Um genau zu sein hat mich eine Suche in den Bann geschlagen, die mich schon lange beschäftigt hat, vor allem weil sich bisher kein anderer an die damit verbundenen Herausforderungen gewagt hat.“ Ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Ja, ich war erfolgreich und habe lange verborgene Dinge wiedergefunden, die schon lange verschwunden waren … aber das hat mir nicht nur ziemlichen Ärger eingebracht, weil das einigen mächtigen Leuten nicht gepasst hat … sondern auch mir noch ein paar Überraschungen beschert, die mich jetzt immer noch beschäftigen … “ Seine Augen blitzten auf, dann ging ein Ruck durch seinen Körper, als merke er erst jetzt, dass er eigentlich viel zu vertrauensselig zu einer Fremden sprach. „... aber die für jemanden, der nichts damit zu tun hat, eher langweilig sind.“ Er wechselte hastig das Thema. „Sprechen wir nicht von mir und meiner Vergangenheit, sondern was ist und uns beide hier und jetzt betrifft. Diese Torchwood – Leute, wie hartnäckig sind die?“ „Die können ziemlich lästig sein, befürchte ich. Wir sind sie jetzt bestimmt noch nicht los“, meinte Rose. „Und das bringt mich zu einem anderen Problem. Torchwood ist mit einem Luftschiff unterwegs. Klar sie können hier im Waldgebiet nicht runtergehen, aber was ist auf der anderen Seite des Tunnels, den sie erwähnt haben?“ „Da haben Sie recht. Dahinter ist wieder freies Feld …“ Er rieb sich an der Nase. „Ich arbeite jedenfalls an einer Lösung für unser Problem … Ich denke aber, mir wird schon was einfallen, wenn es so weit ist.“ Rose verkniff sich erneut mit Mühe ein Grinsen. Oh, ja, diese Antwort war so typisch für den Doktor, dass ihr Herz einen freudigen Satz machte. Sie fühlte sich für einen Moment wieder in alte Zeiten versetzt. Aber nur einen kurzen Augenblick … dann musste sie wieder an John denken, was ihr einen Stich ins Herz versetzte. Schließlich war sie unterwegs, um ihm zu helfen, und nicht, um sich wieder in etwas zu verlieren, was schon einmal nur ein Traum gewesen war … Die Straße führte nach einer weiteren Abzweigung - so wie er angekündigt hatte, noch tiefer in den Wald und wurde wieder holpriger. Sie schaltete den Gang erneut herunter und verringerte die Geschwindigkeit weiter. Jetzt kam es ohnehin nicht mehr darauf an, dass sie schnell waren, sonder eher, dass sie unauffällig blieben. Denn auf einem Parkplatz standen ein paar Autos und zwischen den Bäumen entdeckte sie mehrere Jogger in greller Sportkleidung. „Ich kenne immer noch nicht Ihren Namen“, schreckte der Mann an seiner Seite sie dann irgendwann aus ihren Gedanken. Er schien die Funkstille zwischen ihnen nicht lange ertragen zu können. „Ach so, ja, Rose Tyler, … nennen sie mich einfach Rose. Und Sie?“ „Nun, das ist wirklich ein poetischer Name. Er passt zu einer so klugen und entschlossenen Frau wie Ihnen“, machte er ihr ein Kompliment, konterte dann aber mit einer Gegenfrage, ohne auf ihre Neugier einzugehen. „Und ich denke deshalb auch, dass Sie nicht nur ein romantisches Treffen in die alte Fabrik gelockt hat Was wollten Sie wirklich dort?“ Natürlich - was hätte sie anders erwarten sollen? Er würde ihr mit Sicherheit nicht mehr erzählen, als er bereits getan hatte. Rose überlegte angestrengt. Warum sollte sie ihn nicht wenigstens ein bisschen einweihen, jetzt, wo sie beide Ärger mit Torchwood hatten und damit am gleichen Strang zogen. Vielleicht konnte er ihr ja wirklich helfen, John zu finden und zu retten. Mit ihm hatte sie mehr Möglichkeiten, ihn und seinen Entführer aufzuspüren, das war sicher. Außerdem musste sie sich ja auch nicht gleich komplett anvertrauen und schien zudem auf einem guten Weg zu sein, auch ihm mehr Informationen aus der Nase zu ziehen, die endlich verrieten, was er eigentlich an diesem Ort eigentlich getrieben hatte. Sie wusste, er war irgend etwas oder jemandem auf der Spur … „Mein Freund ist vor ein paar Tagen spurlos verschwunden und ich gehe jedem noch so kleinen Hinweis nach, um ihn wiederzufinden. Ich mache mir um ihn Sorgen, denn ein paar Dinge, die damit zu tun haben, passen einfach nicht zusammen.“ Dann sah sie den Doktor herausfordernd an. „Und was ist mit Ihnen? Sie waren doch auch nicht nur an den Ruinen interessiert, sondern mehr an dem, was dort gefunden wurde, oder?“ „Das Gebäude selbst hat mich tatsächlich nicht interessiert“, gab er ruhig zu. „Mir ist bei meinem eigenen Recherchen in Cambridge zufällig eine kleine Zeitungsnotiz über einen ausgebrannten Wagen ins Auge gefallen, und da ich ungewöhnliche Vorfälle liebe, wollte ich der ganzen Sache einmal auf den Grund gehen. Na ja, scheinbar habe ich damit in ein Wespennest gestochen.“ „Torchwood wurde gegründet, um außerirdische Bedrohungen aufzuhalten, ehe sie der Erde gefährlich werden könnten. Dafür nimmt man natürlich auch die erbeutete Technik in Augenschein, um sie im Notfall nutzen zu können und versucht Besucher von den Sternen aus dem Verkehr zu ziehen, bevor sie überhaupt etwas anstellen können. Selbst wenn sie gute Absichten haben“, ließ Rose weiter Andeutungen auf ihr Wissen fallen und wartete gespannt auf die Reaktion ihres Beifahrers. „Ach, ist das so?“ Der Doktor faltete nur die Hände vor dem Bauch und starrte einen Moment nach draußen. „Sie wissen erstaunlich viel, von dem, was außerhalb der Erde passiert … gehören Sie zufällig auch zu diesem Torchwood und wollen mich nun in die Falle locken?“ Rose verzog das Gesicht. „Nein, ganz bestimmt nicht, das kann ich Ihnen versichern …“, wiegelte sie ab. „Aber ich gehörte zum inneren Kreis der Widerstandsbewegung die gegen John Lumic und Cybus Industries kämpfte, die für die Cybermen-Krise auf der Erde verantwortlich waren. Und da lernt man sehr schnell, über den Tellerrand zu blicken und zu den Sternen zu schauen, das Unmögliche für Möglich zu halten.“ Sie hielt einen Moment inne und wagte dann einen direkten Vorstoß: „Ich schätze mal, genau so etwas tun Sie auch, wenn Sie nicht sogar jemand sind, der von einer anderen Welt als der Erde stammt.“ „Das war gut gekontert und kombiniert!“ Der Doktor wirkte sichtlich amüsiert über ihre Schlussfolgerungen, wurde dann jedoch schlagartig wieder ernst. „Sie sind ehrlich und offen, das schätze ich Rose. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn zugebe, dass ich tatsächlich nicht von dieser Welt stamme?“ „Kommt darauf an, was Sie für Absichten haben, Doktor. Sie haben eigentlich immer noch nicht meine Frage beantwortet“, bluffte Rose, jetzt wo sie ihn am Haken zu haben glaubte. „Was glaubten Sie, in der alten Halle zu finden, auch wenn nichts mehr da war? Und was waren das für Geräte, mit denen Sie herumhantiert haben?“, bohrte sie energisch weiter und verriet damit, wie viel sie beobachtet hatte. Er schwieg eine Weile und schien zu überlegen, was er ihr jetzt genau verraten sollte. „Es war nicht „Nichts“ da. Die Spuren reichten für meine Geräte nämlich noch aus. Genau genommen habe ich nach speziellen Energiesignaturen gescannt, weil ich mich vorher mit einem der Jungs, die das Wrack entdeckten, unterhalten und dabei ein paar interessante Dinge erfahren habe. Na ja, seiner Beschreibung nach kann nur eine Sache die Wagen so zugerichtet haben, dass er nicht mehr identifizierbar ist …“ Er holte tief Luft. „Das bestätigte mir leider auch, dass jemand sehr gründlich sein wollte. Er hat seine Spuren für euch Menschen gut genug verwischt, aber genau die Hinweise zurücklassen, die nur jemand wie ich finden und deuten kann.“ Seine Stimme wurde ernst. „Das heißt, wenn es sich um diese ganz bestimmte Person handelt, dann wird es sehr gefährlich. Gerade deshalb will ich Sie nicht mit in die ganze Sache hinein ziehen, denn das könnte Sie Ihr Leben kosten. Die Person, von der ich gerade spreche, geht über Leichen, wenn sie ein ganz bestimmtes Ziel vor Augen hat.“ „Ach, das bin ich gewohnt.“ Rose lachte spöttisch auf „Ich glaube, es ist ohnehin zu spät, mich aus der Sache heraushalten zu wollen, denn ich stecke mit Sicherheit schon voll mittendrin. Denn Ihr Kumpel hat übersehen, dass der Wagentyp des Wracks gerade noch erkennbar war.“ Sie holte tief Luft und sah den Doktor herausfordernd an. „Genau so einen Wagen hat mein Freund gefahren, und der ist genau zwei Tage vor der Fund verschwunden. Verstehen Sie jetzt, was ich in der alten Fabrik gesucht habe?“ Kapitel 12: Wie ein wildes Tier im Käfig ---------------------------------------- Etwa zwei Monate nach der Trennung ******************************* „Verdammt und verflucht! Wie lange soll das noch so weiter gehen?“ In einer Aufwallung von Ungeduld und Zorn sprang John von der Liege auf der er gesessen hatte auf und wanderte wieder einmal durch den Raum, so wie er es schon so viele Male zuvor getan hatte. In diesem Moment fühlte er sich der impulsiven Donna mehr verbunden als dem Doktor. So mussten sich wohl Tiere fühlen, die aus der Freiheit gerissen worden waren und den Rest ihres Lebens in dem engen Käfig eines kleinen Tierparks oder Zirkus dahin vegetierten - vielleicht kannten diese Verzweiflung auch Strafgefangene, die zu lebenslänglicher Einzelhaft verurteilt waren oder gar in der Todeszelle auf die Vollstreckung ihres Urteils warteten ... Und, war er wirklich so weit davon entfernt? Sein Peiniger mochte zwar ein gewisses Interesse an ihm zeigen … aber der Master hatte schon früher bewiesen, wie unberechenbar er sein konnte, wie schnell sein Interesse schwinden konnte, ihn am Leben zu erhalten. Die Erinnerungen des Doktors sprachen Bände. Er wollte schreien, gegen die Wand hämmern und so seinen angestauten Gefühlen endlich Luft machen. Wenn es doch nur etwas gäbe, mit dem er irgendwie doch die Wände seines Gefängnisses einschlagen könnte, wenn er ... „Nein, nur das nicht! Ich darf mich nicht gehen lassen“ John schüttelte energisch den Kopf und zwang sich dazu, still zu halten, denn jetzt einfach auszurasten und herumzutoben, das verbot ihm sein Stolz. Er war nicht bereit, sich jetzt und hier eine Blöße zu geben, und damit auch sich selbst einzugestehen, dass er langsam aber sicher die Hoffnung verlor und nicht mehr weiter wusste. Auch wenn er vielleicht nicht der Doktor war … er war ebenso wenig bereit, sich einfach aufzugeben und in den Abgrund fallen zu lassen. Vielleicht konnte er im Moment den Dingen nur ihren Lauf lassen und musste sich – so schwer es ihm auch fiel in Geduld üben – es würde aber sicher auch irgendwann der Moment kommen, in dem er eine Chance erkennen und die Gelegenheit, sich zu befreien, ergreifen würde. Abrupt blieb er im Raum stehen und holte tief Luft. Dann sah er sich nachdenklich um. Die Abmessungen dieses Raumes kannte er inzwischen besser, als ihm lieb war: achtzehn Fußlängen zur Wand gegenüber der Liege, insgesamt dreißig von einer Seite zur anderen. Beim Zählen der runden Wandelemente war ihm durch ihr dunkles Glimmen irgendwann schwindlig vor Augen geworden, deshalb hatte er auch das sehr schnell wieder sein gelassen. All das machte ihm um so deutlicher bewusst, wie ... Er unterbrach den den Gedankengang, ehe er sich damit wieder in eine erneute Spirale von Wut und Verzweiflung katapultierte, bevor alles noch einmal hoch kochen konnte und wandte sich anderen Dingen zu, stellte sich die Frage: 'Wie lange sitze ich wohl schon hier fest?' Er hatte keine Ahnung, denn anders als ein reinblütiger Timelord besaß leider nicht das instinktive Gespür für das Vergehen der Zeit, nur noch die Erinnerung an das Erwachen und die Schulung des Sinnes, der den Doktor einst dazu befähigt hatte, die Akademie auf Gallifrey und vor allem seine Lieblingsfächer erfolgreich abzuschließen. Selbst durch Konzentration und Meditation hatte er nicht einmal den Hauch einer Ahnung heraufbeschwören können. Den Versuch, seinen Herzschlag nebenher zu zählen, hatte er fast ebenso schnell wieder aufgegeben, denn sein viel zu menschlicher menschlicher Körper hatte bereits mehrfach das Recht zur Ruhe gefordert und auch die Bewusstlosigkeit davor konnte bereits mehrere Tage gedauert haben. Er fuhr sich über das glatte Kinn. Seine außerirdische Physiologie verlangsamte den Bartwuchs zwar etwas, aber er war vorhanden. Leider hatte der Master während seiner Untersuchungen die Gesichtsbehaarung entfernt, so dass er nicht einmal dadurch einschätzen konnte, wie viele Tage inzwischen vergangen waren. Also waren im alle Chancen genommen worden, an sich selbst abzulesen, wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Und natürlich gab auch das Licht keinen Hinweis, es war gleichbleibend dämmrig, wie aus einer schwachen Energiesparbirne. Die dunkle Täflung verschluckte auch noch einiges von der ohnehin schon niedrigen Helligkeit, was besonders ärgerlich war, denn das schlug sich auf seine Stimmung nieder, so sehr er das auch leugnen wollte. Auf der anderen Seite … zählte es wirklich, wie viel Zeit vergangen war, wenn doch ohnehin alles seinen Lauf gehen würde – so oder so? Er befand sich hier und jetzt in den Händen eines Timelords, den er nicht wirklich einschätzen konnte, waren die Erinnerungen des Doktors, die an der Oberfläche seines Bewusstsein kratzten viel zu widersprüchlich und verwirrend, als dass er sie klar hätte deuten können. Wie passte es denn überhaupt zusammen, dass der Master zwar immer wieder mit Genuss davon gesprochen hatte, seinen ärgsten Feind auf möglichst grausame Art und Weise umbringen zu wollen – und dann, als es in einer abgelegenen Strafanstalt im Herzen Englands durch die Kraft eines außerirdischen Wesens, das sich von starken oder negativen Gefühlen nährte, fast einmal so weit gewesen war - alles dafür getan hatte, um ihn wiederzubeleben, um das stehengebliebene Herz wieder in Gang zu bringen und ihn – besorgt, wie um einen Seelenbruder und engen Freund - wieder ins Leben zurück zu holen? Außerdem durfte er nicht vergessen, der Master konnte in diesem Universum durchaus ein ganz anderes Leben führen, als in dem, aus dem er und Rose gekommen waren. Allein die Tatsache, dass es diesen hier noch in einer Gestalt gab, die er durch die Erinnerungen der siebten Inkarnation des Doktors vor Augen hatte, implizierte nicht, dass er ein Wahnsinniger war, der nur Zerstörung und Vernichtung im Sinn hatte. Ebenso wenig konnte er sich sicher sein, dass in diesem Universum der Doktor überhaupt existierte – und selbst wenn, dass er den Schritt gewagt hatte, die Tardis zu stehlen und ins All aufzubrechen. Denn immerhin durfte er nicht vergessen: Rose hatte in dieser Welt niemals ein Spiegelbild besessen! Das konnte auch bei ihm so sein ... Rose ... Er seufzte tief, als er an seine Geliebte– und das, was er hinter sich gelassen hatte. Warum nur hatte er sich aus lauter Verzweiflung auf diese verrückte, ja scheinbar wirklich sinnlose Suche eingelassen? Was hatte er eigentlich gehofft am Ende des Weges zu finden? Dass jemand sein Verlangen nach den Sternen stillte, dass er jemanden fand, der ihn nicht länger nur als Ersatz für eine verlorene Liebe ansah, oder dass er endlich heraus fand, was er in dieser Welt sein konnte, außer jemanden darzustellen, der er nicht war? Er wusste es nicht. Jetzt nicht mehr. Wenn er sich jemals seiner Wünsche wirklich bewusst gewesen war, dann hatten sich diese längst in Luft aufgelöst … Stattdessen saß er jetzt hier fest und sah dazu noch einem völlig ungewissen Schicksal entgegen ... Er biss sich auf die Lippen und rang erneut um seine Beherrschung, als ihn eine neue Welle von Wut überrollte. Mit einem Schnauben, ließ er den Blick ein weiteres Mal durch den Raum schweifen und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Sicher, das war eine großzügig bemessene Zelle, in der er sich befand, allerdings auch eine ziemlich karg ausgestattete, so als wolle der Master verhindern, dass er durch irgendwelche Gegenstände auf dumme Ideen kam. Neben der Liege, die aus der Wand aus- und wieder eingefahren werden konnte, gab es gerade einmal ein Bord, auf dem er in unregelmäßigen Abständen Nahrung und Wasser vorfand. Dann einen am Boden festgeschraubten Ständer, auf dem er beim ersten Erwachen seine Kleidung und ein paar Habseligkeiten gefunden hatte. Allerdings nicht alle, wie er festgestellt hatte. Die Geldbörse mit den Ausweisen und anderen Karten fehlte ebenso wie sein Mobiltelefon und die Armbanduhr. Aber wenigstens konnte er sich in seinen eigenen Sachen wie ein Mensch fühlen und nicht länger hilflos und nackt wie eine ihrem Schicksal ausgelieferte Laborratte. 'Obwohl … hat sich wirklich so viel an meiner Lage verändert?' Er schüttelte den Kopf und presste die Lippen fest aufeinander, während er langsam aus der Raummitte schlurfte. 'Nein, nicht wirklich. Aber anders als ein Tier bin ich mir dessen mehr als bewusst … was es vielleicht noch schlimmer macht.' Das waren nicht ein einzigen Gründe, die ihn immer wieder in ein Loch stürzen ließen. Noch immer konnte er spüren, dass die Betäubungsmittel in in seinen Adern kreisten. Dafür brauchte er kein Timelord zu sein. Er fühlte sich träge und benommen, so dass zu vermuten war, dass auch die Nahrungsmittel oder zumindest das Wasser mit Drogen versetzt worden waren, die seinen Geist gefügig machen sollten. Und selbst wenn dem nicht so war, so bauten sich die Stoffe in seiner Blutbahn offensichtlich nur sehr , sehr langsam ab … Genau so viel, wenn nicht noch mehr Sorgen als um sich selbst, machte er sich allerdings um Rose und die Tylers, denn die Besitztümer, die vom Master zurückgehalten worden waren, verrieten viel über seine enge Beziehung zu ihnen. Er hatte, damals als er gegangen war, weder seinen Werksausweis abgegeben, noch die Adressliste in seinem Mobiltelefon gelöscht, obwohl er schon daran überlegt hatte, diesen Teil seines Lebens hinter sich zu lassen. Dann waren da auch noch die die Fotos aus glücklicheren Tagen und das in Kurznachrichten geführte Liebesgeflüster, dass er und Rose in den ersten beiden Jahren geführt hatten, wenn sie sich nicht sehen konnten. Alles Dinge, die er aus reiner Sentimentalität nicht hatte löschen wollen, nicht hatte aufgeben können. Jetzt bereute er das zutiefst. Ein mulmiges Gefühl machte sich in seinem Magen breit. Nein, er wollte jetzt nicht daran denken, was der Master mit diesen Informationen anrichten konnte, wenn er nur wollte. Dazu brauchte er nicht erst die Erinnerungen des Doktors heraufzubeschwören, denn die entsprechenden Bilder pochten schon schmerzhaft hinter seiner Stirn … Es half auch nichts, sich einzureden, dass Rose vielleicht schon ein neues Leben begonnen, einen anderen Mann kennengelernt, dass sie inzwischen ganz mit ihrer Beziehung abgeschlossen hatte, denn das nahm ihm auch den letzten Funken Hoffnung, den Grund, um weiter zu kämpfen und sich nicht einfach in sein Schicksal zu ergeben. John stützte die Hände gegen eines der dunklen Rundelemente und wünschte sich er könnte es einfach eindrücken, könnte dahinter den Zugang zu einem Luft oder wenigstens Kabelschacht finden. Aber die Überprüfung seiner Zelle hatte bisher nur den Eindruck massiver Wände hinterlassen. Selbst bei dem Bord hatte er keine Schwachstelle ertasten können. Kein Entkommen, keine Sabotage schien möglich zu sein … und das frustrierte ihn zusätzlich. Das war aber nicht das einzige Problem, um das er sich kümmern musste. Sein Blick fiel nun auf das eng anliegende Band, das er bei seinem Erwachen am rechten Handgelenk vorgefunden und schon mehrfach inspiziert hatte. Es war massiv und wirkte zwar so harmlos wie normaler Silberschmuck, aber er war sich sicher, dass es dazu diente, ihn in irgend einer Form zu kontrollieren oder überwachen. Sicherlich hätte er in den Erinnerungen des Doktors nach Ideen und Hinweisen graben können, aber darauf hatte er lieber verzichtet, weil Versuche dieser Art nur selten Antworten gebracht und ansonsten nur unnötige starke Kopfschmerzen verursacht hatten – etwas, was er in seiner Lage nicht auch noch brauchen konnte. Denn an der Tatsache, es vermutlich nur mit den üblichen Timelord-Tricks – auf die er ja nicht mehr wirklich zugreifen konnte - loswerden zu können, änderte sich mit dem Wissen um was es sich eigentlich handelte, sowieso erst einmal nichts. Das Vorhandensein dieses Bandes war jedoch auch ein deutlicher Hinweis auf etwas anderes: So sehr der Master durch seine Worte und seinen Umgang mit ihm angedeutet hatte, dass er ihn als weit unterlegen ansah, weil er nur ein „jämmerlicher Mensch“ war, so misstraute er ihm trotzdem genug, um zu einer solchen Maßnahme zu greifen, um ihn an der kurzen Leine zu halten. 'Ach verdammt! Ich wünschte …' Er schlug mit den Fäusten gegen die Wand, als erneut Jähzorn in seinem Inneren hoch kochte. Nein, das war vollkommener Blödsinn, das wünschte er sich nun wirklich nicht! Außerdem hätte der Doktor auch in dieser Situation nicht mehr tun können als abzuwarten, so wie er jetzt. Es blieb nur ein Weg: Sich zu sammeln, um wieder ruhig zu werden, weiterhin Geduld zu haben und die Augen offen zu halten. Hinweise zu sammeln und im geeigneten Moment die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen … John lehnte die Stirn gegen die Wand und schloss die Augen, versuchte genau das zu tun. Er ließ das nur schwach wahrnehmbare Vibrieren der Tardis auf sich wirken, und fragte sich, wie es jetzt eigentlich mit ihm weiter gehen sollte und konnte. Aus den Erfahrungen des Doktors wusste er, dass sich der Master normalerweise sich nicht so lange mit Menschen aufhielt, weil sie in seinen Augen reine Spielzeuge und Schachfiguren waren. Bauern, die man nach belieben opfern konnte und deren kurzes Leben ohnehin nichts zählte. John war glücklicherweise in einer besseren Position, denn bei ihm handelte es sich ja um keinen reinrassigen Erdling. Die Tatsache, dass er ein Hybrid war hatte ihm das Leben gerettet, das stand fest. Das machte ihn in den Augen des Timelords irgendwie interessant – noch. Von was hatte sein Peiniger eigentlich noch einmal gefaselt, bevor er ihn erneut in den Schlaf geschickt hatte? Ah ja, von seiner Suche nach einem anderen Timelord namens Ulysses, den Erinnerungen des Doktors nach, einem der großen Forscher und Erfinder aus der ersten Blütezeit der gallifreyschen Zivilisation, einem der mutigen Helden, die als erstes gewagt hatten, mit noch unausgereifter Technik auf den Zeitströmen zu reiten. Dann auch noch von einem Dingen – Gegenständen oder Artefakten - die ihm das Erbe Rassilons sichern sollte … und schließlich von einer Überraschung, die er einem gewissen Borusa mitbringen wollte, und für den er John wohl hielt: den möglichen Sohn des für sein Volk spurlos verschwundenen Timelords Ulisses, der in seinen Augen nur ein 'unsagbar jämmerlicher Mensch' war und damit keine Gefahr für seine Pläne werden würde. Was auch immer das für welche sein mochten … Das bedeutete also, dass in diesem Universum Gallifrey noch so existierte, wie er es aus glücklicheren Tagen in Erinnerung hatte, dass die Timelords nicht im Großen Zeitkrieg vernichtet worden waren, und damit die Geschichte entweder einen anderen Verlauf genommen zu haben schien oder manche Ereignisse noch gar nicht eingetreten waren. Und dazu kam noch eine weitere Erkenntnis. John holte tief Luft, als er sich diese bewusst vor Augen hielt. War das die Antwort auf seine vielen Fragen, die sich während der Suche ergeben hatten? Handelte es sich bei dem Geheimnis der Penelope Gate, nicht nur um die Liebe zu Ulysses, dem Mann von einer anderen Welt, sondern vielleicht sogar um ein Kind, das aus der Verbindung zwischen Mensch und Timelord hervorgegangen war? Sein Herz machte einen Sprung. Wenn dem so war, dann gab es in diesem Universum vielleicht jemanden, der wie er zwischen zwei Völkern stand, ein Schicksalsgefährte, der ihm dem Weg weisen konnte, mit sich ins Reine zu kommen. Dieser Gedanke erfüllte ihn mit neuem Mut und stärkender Hoffnung. Selbst wenn alles andere verloren sein würde, ein Ziel würde bestehen bleiben! Und dieser Gedanke kam rechtzeitig genug, denn plötzlich hörte er hinter sich ein durchdringendes Zischen. Kapitel 13: Vom Regen in die Traufe ----------------------------------- Zwei Stunden zuvor ******************** „Genau so einen Wagen, wie er im Polizeibericht beschrieben wurde, hat mein Freund gefahren, und er ist genau zwei Tage vor der Fund verschwunden. Verstehen Sie jetzt, wonach ich in der alten Fabrik suchen wollte?“ Jetzt war es heraus und es gab kein Zurück mehr. Rose sah den Doktor herausfordernd an. Der runzelte die Stirn. „Ihr Freund ist also verschwunden. Ja, das könnte sehr gut mit dem zusammenpassen, was ich selbst bereits herausgefunden habe … “, erwiderte er nachdenklich, beließ es dann aber bei der kryptischen Äußerung. Stattdessen streckte er plötzlich den ihr zugewandten Arm nach vorne aus. „Da!“ Rose zuckte heftig zusammen, erinnerte sich, dass sie ja eigentlich auf die Straße achten sollte und wandte ihren Blick wieder aus der Frontscheibe. Etwa hundert Meter vor ihnen versperrte ein mit Gestrüpp bewachsener Eisenbahndamm die Sicht. Der befestigte Weg selbst verschwand in einem dunklen Tunnel ohne sichtbares Ende. Ein kalter Schauer lief über ihren Rücken. Was sie dahinter erwarten würde war klar! Torchwood fackelte ihrer Erfahrung nach nicht lange und würde sie mit Sicherheit dort erwarten, wenn ihnen nicht schleunigst etwas einfiel … Ihr Beifahrer deutete auf eine Ausbuchtung am Wegesrand, die sich nur wenige Meter vor dem dunklen Loch befand. „Halten sie dort an!“ „Geht klar!“ Sie gehorchte instinktiv. Er hatte sich mittlerweile ihres Vertrauens mehr als wert erwiesen, denn sonst wären sie Torchwood bisher wohl nicht so gut entkommen. Und schließlich schien auch er interessiert daran zu sein, dass dies so blieb. „Und, was tun wir jetzt?“ fragte sie, während sie den Fuß vom Gas nahm und den Wagen in die einfache Parkbucht rollen ließ. „Wir gehen zu Fuß weiter.“ Der Doktor öffnete bereits die Tür und stellte die Füße auf den Waldboden. „Lassen Sie uns keine Zeit verlieren“, trieb er zur Eile, während er sich aufmerksam umblickte und die Augen zusammenkniff, als er in die Tunnelöffnung starrte. „Denn ich befürchte, die werden uns schneller auf die Schliche kommen, als uns lieb ist.“ „Da haben Sie wohl recht!“, bemerkte Rose. Sie stieg ebenso schnell wie er aus, warf die Tür zu und ließ die Zentralverrieglung zuschnappen. In dem Moment, in dem sie den Wagen umrundete, sah sie, wie in der dunklen Öffnung ein Motor aufheulte. Scheinwerfer gingen in der Dunkelheit an, der Lichtkegel näherte sich schneller als ihr lieb war. Sie fluchte leise und floh förmlich aus dem tanzenden Lichtkegel um dem Doktor hastig ins Dickicht zu folgen. Der braunhaarige Mann war ihr nur ein paar Schritte voraus und steuerte zielstrebig auf ein paar Büsche zu. Dann hielt er ein paar Zweige fest und wartete, bis sie sich ebenfalls durch die schmale Lücke gequetscht hatte. Er verharrte einen Moment angespannt, führte die schmalen Äste dann wieder in die Ausgangsposition zurück und lauschte dabei aufmerksam. In der anderen Hand sah die junge Frau plötzlich etwas metallisches aufblitzen. Sein Schallschraubenzieher? Dann hatte sie keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn er setzte sich schon wieder in Bewegung, drängte sie mit einer knappen Geste, tiefer in das Unterholz zu gehen. Erst hinter einem verrottenden Baumstumpf übernahm er wieder die Führung. „Hier entlang“, wies er mit einem Flüstern und der ausgestreckten Hand den Weg tiefer in den Wald hinein und legte dabei ein erstaunlich zügiges Tempo vor. Rose hatte Mühe, ihm zu folgen und das lag nicht nur daran, dass sie in den letzten Jahren zu wenig Sport getrieben hatte, es wurde auch zunehmend dunkler, so dass die Beschaffenheit des Bodens immer schwerer zu erkennen war. 'Ich bewege mich im Gegensatz zu ihm wie eine watschelnde Ente auf dem Eis!', musste sie neidvoll zugeben, als sie über das leichtfüßige Tänzeln des Timelords auf dem unebenen Boden staunte. Sie war schon versucht, ihre Taschenlampe aus der Jackentasche zu holen, um sich das Laufen zu erleichtern, da trat sie plötzlich ins Leere und verlor den Halt unter den Füßen. Sie kippte mit einem Aufschrei vornüber. „Hoppla! Vorsicht!“, rief der Doktor mit warmer Stimme aus. Im nächsten Moment waren starke Arme da, die sie geschickt auffingen und festhielten. Instinktiv schmiegte Rose sich an ihren Retter und konnte nicht verhindern, dass warme Schauer über ihren Rücken liefen. Es war eine so vertraute Geste, dass sie unwillkürlich seufzte und für einen Moment wieder das Gefühl hatte, alles wäre so wie früher und sie erwache nur aus einem schon Jahre andauernden Alptraum … „Ist alles mit Ihnen in in Ordnung?“, fragte der braunhaarige Mann sanft und schreckte sie damit aus ihren Gedanken. In seinen blauen Augen, erkannte sie Freundlichkeit und Besorgnis … aber nicht mehr, nicht das, was sie sich für einen Augenblick erhofft hatte … Die junge Frau schluckte, als sie das wieder zurück auf den Boden der Realität brachte und daran erinnerte, dass dieser Teil des Lebens lange hinter ihr lag, und dieser Mann … „Ja“, murmelte sie ernüchtert und verlegen zugleich. „Ja, das ist es.“ „Wunderbar, dann können wir …“ Plötzlich drehte der Doktor seinen Kopf zur Seite. Seine Gesichtszüge wirkten mit einem Mal sehr ernst. Obwohl er sie jetzt nur noch mit einer Hand hielt, verstärkte sich sein Griff, als wolle er sie vor irgend etwas oder vielleicht sogar jemandem beschützen. Dann hob er den Schallschraubenzieher in Höhe seines Kopfes. Das vertraute Sirren erklang, wenngleich auch die diesmal rötlich schimmernde Spitze nicht aufflackerte – so wie sie es von dem Werkzeug ihres Doktors gewohnt war. Rose hielt unwillkürlich die Luft an und starrte in die Dunkelheit. Bei diesen Lichtverhältnissen war schwer zu erkennen, was da gerade aus dem Blattwerk tiefhängender Äste eines Baumes trudelte und zwischen das Wurzelwerk zu Boden plumpste, um dann zwischen das Laub des Vorjahres zu kullern und aus ihrer Sicht zu verschwinden. Auf jeden Fall hatte der Gegenstand gerade einmal die Größe einer Kastanie und für einen Moment metallen geschimmert. Der Doktor verharrte noch einen Moment in der starren Haltung, sein Werkzeug wie eine Waffe auf die Stelle richtend, an der das Ding verschwunden war, so als ob er noch eine Reaktion oder einen Angriff erwarte. „Das ist nicht gut“, murmelte er mehr zu sich, als zu ihr und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. „Das ist ganz und gar nicht gut …“ Dann jedoch zuckte er heftig zusammen, denn hinter ihnen wurden schnelle Schritte und Stimmen laut, die unerbittlich näher kamen. „Ich glaube, wir sollten schleunigst hier verschwinden!“, erklärte er hastig und verhalf ihr ohne weitere Umschweife wieder zu festem Stand, ehe er sie los ließ. „Glücklicherweise ist es nicht mehr weit.“ Rose konnte nur nicken. Ihr Schrei musste Torchwood verraten haben, wo sie steckten. Das Herz schlug ihr nicht nur bis zum Hals, weil sich ihre Verfolger näherten, sondern auch, weil sie kurz in das Gesicht ihres Begleiters gesehen hatte. Es wirkte noch immer düster und angespannt. Der kleine Vorfall eben machte ihm offensichtlich mehr Sorge als ihre Verfolger … doch warum? 'Ach verflucht, dass ist jetzt nun wirklich nicht wichtig! Wenn er es mir verraten will, dann tut er es irgendwann auch.', ermahnte sich Rose sich selbst und setzte sich endlich in Bewegung. Viel fassbarere Feinde war ihnen dicht auf den Fersen, und wenn sie jetzt nicht ganz schnell sahen, dass sie weg kamen, konnte das für sie beide übel enden. Der Doktor blieb diesmal in ihrer Nähe, ihre Hand haltend. Aber auch Rose achtete mehr auf den Weg, blickte fast nur noch zu Boden, damit sie seinen Schritten genau folgen konnten. Die Umgebung musste sie sich ja schließlich nicht mehr merken, denn es war völlig egal, wohin sie jetzt gerade rannten. Den Wald würden sie ja auf einem ganz anderen Weg verlassen. Hauptsache, sie stolperte jetzt nicht wieder. Hinter ein paar Büschen weitete sich der schmale Trampelpfad dann endlich zu einer kleinen Lichtung. Rose blieb unwillkürlich stehen und zog ihre Hand aus der des Mannes, denn ihr Herz hüpfte vor Freude, als sie das sah, auf das sie schon die ganze Zeit gehofft hatte: Da war sie tatsächlich, die so vertraute blaue Telefonzelle, gut verborgen vor den Blicken Neugieriger unter den tiefhängenden Ästen eines knorrigen Baumes … Ihr Begleiter steuerte ohne Zögern auf die Tardis zu, doch gerade als er seine Hand in die Jackentasche steckte, um den Schlüssel heraus zu fischen, schrie sie auf und machte einen Satz zur Seite. „Achtung!“ Sie hatte es weniger gesehen als gehört – ein Zischen, nur wenige Handbreit von ihrem Ohr entfernt! Hätte sich der Doktor nicht in diesem Moment überrascht zu ihr hingedreht – der Betäubungspfeil hätte ihn vermutlich genau in den Hals getroffen. So drang die Nadel mit einem dumpfen Geräusch in das Holz des blauen Kastens ein, nur eine Handbreit von seinem Kopf entfernt. „Fliehen Sie! Ich … oh verdammt!“ Rose spürte den Einstich einer Nadel in ihrem Oberarm. Auch wenn sie nun hastig mit der anderen Hand danach tastete und den zweiten Pfeil herauszog, wusste sie doch, dass es für sie bereits zu spät war. Rasend schnell breitete sich ein Taubheitsgefühl in ihrem Arm aus, erreichte die Hand, die Schulter … so als ob es sich um ein schnell wirkendes Nervengift handle. Musste sie sich überhaupt wundern? Torchwood machte niemals halbe Sachen, vor allem nicht die Splittergruppen, über die ihr Vater gelegentlich fluchte. „Nicht!“ wehrte sie schwach ab und schüttelte den Kopf, als der Doktor auf sie zustürzen wollte, um sie aufzufangen. Allerdings brauchte er das schon nicht mehr, denn das übernahmen andere für ihn. Rose bemerkte in den Augenwinkeln, wie zwei Männer aus dem Gebüsch traten, sie von hinten packten und mit festem Griff auf den Beinen hielten. Diesmal war sie sogar regelrecht dankbar dafür, denn ihre Beine fühlten sich mittlerweile fast schon genau so an wie ihre Arme, nicht mehr als Teil ihres Körpers, sondern nur noch wie wabbliges, weiches Gelee. Der Blutkreislauf verbreitete die lähmende Substanz unerbittlich weiter in ihrem Körper und begann nun auch ihre Sinne zu vernebeln. Es fiel ihr schwerer und schwerer, den Kopf gehoben und die Augen offen zu halten, aber Rose gab nicht auf. Sie kämpfte so gut sie konnte gegen das lähmende Gift an, wollte aus reinem Trotz so lange bei Bewusstsein bleiben wie möglich. So bekam sie noch mit, dass der Doktor stocksteif stehen blieb, die Arme und Hände ausstreckte, um zu zeigen, dass er jeden Widerstand aufgab, sondern auch unbewaffnet war, während der Wald um sie herum lebendig zu werden schien. Immer mehr Männer traten mit erhobenen Waffen aus den Schatten und umringten sie. „Ich nehme an, ich soll die Hände hochnehmen …“, sagte der Timelord gelassen. „Wünschen Sie die über oder hinter den Kopf?“ „Halten Sie gefälligst die Klappe, Mann. Runter auf die Knie und Hände schön nach oben, so dass wir sie gut sehen können!“, knurrte eine bereits bekannte Stimme. „Noch mal entwischt du uns jedenfalls nicht, du Mistkerl!“ Die Lippen des Doktors zuckten. Auch wenn er ansonsten gehorchte, so vermochte er doch eines nicht zu tun. Während er wie befohlen auf die Knie ging sah er den älteren Soldaten, mit dem sie bereits einmal das Vergnügen gehabt hatten, mit freundlichem Lächeln an. „Keine Sorge, ich weiß, wann ich geschlagen bin und habe nicht vor, Widerstand zu leisten. Allerdings habe ich gehofft, dass wir das auf andere Weise klären würden, als einfach nur mit roher Gew-… uuuunnngh!“ Auf ein knappes Nicken des Grauhaarigen hin, war einer der anderen Soldaten unbemerkt hinter den knienden Doktor getreten und bereitete dem Redeschwall mit dem harten Schlag seines Gewehrkolben nun ein Ende. Der Timelord stöhnte überrascht auf und kippte dann, gelähmt durch den Schmerz, vornüber, konnte sich gerade noch mit den Händen abfangen, ehe sein Kopf mit dem Boden in Berührung kam. Bevor er sich jedoch noch einmal aufrappeln konnte, schickte ihn ein zweiter Hieb gegen seinen Kopf ganz ins Reich der Träume. Er sackte wieder in sich zusammen und blieb dann mit dem Gesicht im Herbstlaub liegen, rührte sich auch nicht mehr, als der Soldat ihm ein paar Sekunden später grob in die Seite trat. „Der ist ordentlich ausgeknockt, Sir!“ „Ihr verfluchten …“ Rose bäumte sich wütend gegen den Griff der Männer auf und versuchte sich loszureißen, doch vergeblich – in diesem Moment verlor auch sie den Kampf gegen das Nervengift. Ihr Geist stürzte in die Dunkelheit. Kapitel 14: In der Falle ------------------------ Das Zischen kannte John aus seiner Erinnerung. So öffnete sich nur eine Tür in der Tardis, die vorher verborgen gewesen war. Also hatte das endlose Warten auf seinen Peiniger endlich ein Ende und er würde endlich erfahren, wie es mit ihm weiter ging. Deshalb holte er nun tief Luft und straffte seinen Rücken, versuchte eine möglichst gelassene Miene aufzusetzen, die nicht verriet, wie er wirklich dachte und fühlte, als er sich langsam umdrehte und gegen die Wand lehnte. Ihm gegenüber, auf der anderen Seite des Raumes stand der Master in dem schmalen Durchgang, der sich in der Wand aufgetan hatte. Die gegeneinander verschobenen Wandelemente verrieten, warum John ihn vorher nicht hatte entdecken können. Der dunkel gekleidete, bärtige Mann musterte seinen Gefangenen prüfend. Ein feines Lächeln spielte um seine Lippen. Dann trat er einen Schritt weiter in den Raum, so dass sich die Tür wieder schließen konnte. „Wie ich sehe, hast du dich gut erholt, John Smith“, stellte der Master mit einem amüsierten Klang in der Stimme fest. „Nun, dann können wir uns ja ein in Ruhe miteinander unterhalten.“ „Ich fühle mich bestens, wenn auch noch ein wenig groggy“, entgegnete John mit einem schiefen Grinsen. „Nun, wissen Sie, ich versuche das Beste aus meiner Situation zu machen.“ Er neigte den Kopf. „Es wäre schön, wenn ich ein paar Antworten erhalten würde, wie zum Beispiel: Warum halten Sie mich hier fest, und was haben Sie jetzt eigentlich mit mir vor?“ „Das kommt darauf an … und wie sehr du mir von Nutzen sein wirst.“ Der Master zog ein flaches Gerät aus der Tasche seines schwarzen Anzugs. „Es gibt viele Möglichkeiten, wie sich deine Zukunft entwickeln könnte – und es liegt an dir, welchen Weg du einschlagen möchtest. Für den Anfang würde ich erst einmal vorschlagen, mir einfach zu gehorchen … und meine Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten.“ „Okay ...“ John zuckte unbeeindruckt mit den Schultern, auch wenn in seinem Inneren ganz andere Gefühle und Gedanken tobten. Glücklicherweise hatte er die jetzt gerade gut unter Kontrolle. „Ich denke, damit kann ich durchaus leben.“ „Nun, ich würde dir auch nicht raten, mich anzulügen, wenn du ohne Schmerzen oder schlimmere Folgen weiterleben willst ...“, stellte der Master mit ruhiger Stimme klar „Nun, dann stellen wir deine Bereitschaft zum Gehorsam doch gleich einmal auf die Probe.“ „Nun, dann lassen Sie hören!“ Der Doktor pflegte in solch brenzligen Situationen zu reden was das Zeug hielt, um seine Gegner entweder abzulenken und zu verwirren oder gar davon zu überzeugen ihre Meinung oder ihre Entscheidungen zu überdenken. Auch Donna war niemand, der sich schweigend in sein Schicksal ergab. Allerdings durfte er auch nicht vergessen, wen er hier vor sich hatte. Und er wusste – wenn er den Bogen überspannte, dann verlor der Master die Geduld, und das konnte sehr unangenehme Folgen haben. Also musste er verdammt aufpassen. John starrte dann, um sich abzulenken. auf das Gerät, das sein Gegenüber in den Händen hielt. Sein Instinkt sagte ihm, dass es sich hier wohl nicht direkt um eine Waffe handelte. Vielleicht war das der Impulsgeber für sein Armband – die offene Drohung, sich notfalls zufriedenstellende Antworten mit Schmerz zu holen. Der Master folgte seinem Blick und lächelte amüsiert in sich hinein. „Dazu kommen wir später“, bemerkte er süffisant. „Zunächst einmal würde ich aber gerne wissen, wie dein richtiger Name ist?“ „Mein richtiger Name? Den kennen sie doch bereits!“ John sah auf und dem Master genau in die Augen. „Ich bin tatsächlich John Smith“, erklärte er mit aller Offenheit und Ehrlichkeit, die er besaß. „Ja, ich weiß, dass ist nicht gerade einfallsreich“, fügte er er dann etwas nachdenklicher hinzu. „Ein Allerweltsname, geradezu danach schreiend, falsch zu sein. Aber dem ist nicht so.“ Und das war nicht einmal gelogen. Damals, als es darum ging, sich eine neue Existenz aufzubauen, hätte er sich alles mögliche andere aussuchen können, doch er hatte es nicht getan … weil er angenommen hatte, mit dem Alias des Doktors auch in dessen Fußstapfen treten und Rose so nahe sein zu können. 'Ein Trugschluss, wie sich herausgestellt hatte', dachte er bitter. „Seltsam ist nur, dass Mr. John Smith, Ingenieur bei Tyler Industries, erst seit knapp vier Jahren existiert. Die irdischen Datenbanken wollten mir zwar etwas anderes erzählen, aber ich habe durchaus meine Mittel um herauszufinden, wann ein Eintrag gemacht wurde. Auch wenn hier ein überaus intelligenter Hacker am Werk gewesen war, der die Informationen nachträglich eingefügt hat. Also, was steckt dahinter?“ „Nun ja …“ John hob entschuldigend die Hände und lachte nervös. „Ich war John Smith und bin es immer gewesen. Da kann ich nichts nun wirklich nichts dran ändern. Es kann sein, dass durch die Cybermen-Krise die staatlichen Datenbanken etwas durcheinander geraten sind und korrigiert werden mussten … wenn sie sich die Geschichte unserer Welt in den letzten Jahren genauer angesehen haben, dann wissen sie, was los war, und wie wenig damals echte und falsche Identitäten zählten.“ Der Master schmunzelte. „Oh ja, ich habe mich auch darüber informiert. Und ich muss zugeben, das ist etwas, was mir an den Menschen der Erde immer gefallen hat“, bemerkte er mit einem zynischen Unterton. „Die Begeisterung für Gewalt und Grausamkeit, Zerstörung und Untergang ist vielleicht nicht einzigartig im Universum, aber die Kunstfertigkeit, sich immer neues einfallen zu lassen, wie man sich dem Untergang nähert, schon. Es hat mich jedenfalls niemals viel Mühe und Überredungskunst gekostet, Sterblichen Mittel in die Hand zu drücken, um sich selbst und ihre Umgebung in Leichen zu verwandeln oder gleich in ihre Atome zu zerlegen.“ Er lachte trocken auf. „Die Menschen auf das Universum loszulassen, hieße vermutlich, eine ähnlich destruktive Gesellschaft wie die Daleks zu entfesseln, die nur noch schwer aufzuhalten ist, wenn sie einmal ins All vorgestoßen ist.“ Dann spielte ein höhnischer Zug um seinen Mund. „Ein zugegebenermaßen etwas blauäugiger Renegat behauptet zwar, dass die Menschheit das Potential hätte, über ihren gewalttätigen Schatten zu springen und tatsächlich Großes zu vollbringen, aber auf seine Meinung gebe ich ehrlich gesagt nicht viel, denn er hat selbst oft genug bewiesen, wie wenig er selbst dazu fähig ist, mit gutem Beispiel voran zu gehen und sich an die grundlegenden Regeln und Gebote des Universum zu halten … aufgrund seiner ständigen Einmischungen in das Zeitgefüge.“ John horchte auf. Irgendwie kam ihm diese Aussage vertraut vor – wenngleich auch nur als schwache Erinnerung in seinem Geist. Für einen Moment blitzte sogar der Gedanke in ihm auf, dass es gut möglich sein konnte … Dann aber überspielte er seine erwachende Neugier schnell mit einem Schulterzucken „Nun ja …Dann haben Sie traurigerweise wohl einen ziemlich einseitigen Blick auf die Menschen.“ „Ach, das wird wohl gerade du beurteilen können, oder?“ Der Master runzelte die Stirn. „Nun, bei deinem Erbe wundert es mich nicht, dass du glaubst es besser zu wissen … Nun aber genug der Ablenkung und zurück zu meiner Frage“, ließ er sich nicht beirren und brachte das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema zurück. Seine Stimme wurde lauernder. “Du behauptest also immer John Smith gewesen zu sein und nie eine andere Identität besessen zu haben. Ehrlich gesagt, nehme ich dir das nicht ganz ab. Aber ziehen wir das Ganze jetzt doch einmal von einer anderen Seite auf … “ Die nächsten Worte klangen schon um einiges bedrohlicher und verrieten, dass sein Peiniger langsam die Geduld verlor. „Was hast du getrieben, bevor du angefangen hast, bei Tyler Industries zu arbeiten? Und diesmal solltest du eine gute Antwort parat haben.“ John überlegte angestrengt. Jetzt musste er sich blitzschnell etwas einfallen lassen, was der Master ihm abnehmen würde. Gut, wenn dieser nur ein wenig tiefer in seiner und der Geschichte der Tylers in den letzten Jahren gegraben hatte – und das war sehr wahrscheinlich - dann wusste er ohnehin schon mehr, als er bisher preisgegeben hatte! Also konnte er jetzt nur auf gut Glück improvisieren und den Sprung nach vorne wagen. Er musste seinen Gegenüber jetzt eine vielleicht noch unwahrscheinlichere – aber gerade dadurch in seinem Fall glaubwürdige Geschichte auftischen. „Torchwood … ich habe für Torchwood gearbeitet!“, platzte es aus ihm heraus. Der Master zog erstaunt eine Augenbraue hoch. „Torchwood … was soll das sein?“ John holte tief Luft. Jetzt musste er verdammt hoch pokern: „Bei Torchwood handelt es sich um eine geheime Regierungsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Spuren außerirdischer Kräfte aufzuspüren, Artefakte zu sammeln und sie zu untersuchen, damit es möglich wird, die Erde vor Übergriffen aus dem All zu beschützen. Gegründet wurde sie bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts von Königin Victoria persönlich, nachdem Ihre Majestät auf recht unangenehme Art und Weise mit Wesen aus dem All in Berührung gekommen ist.“ Und tatsächlich – das funktionierte. Der Master wirkte nicht mehr ganz so ungeduldig, sondern wieder mehr interessiert! Deshalb musste er auf dieser Schiene bleiben. John hielt für einen Moment in seiner Rede inne, nicht nur um Luft zu holen und die Äußerungen in ihnen sacken zu lassen, sondern auch eine glaubwürdige Brücke zu den Erkenntnissen zu schlagen, die er durch seine eigenen Nachforschungen gewonnen hatte. „Natürlich konnte ich mit dem Fortschreiten der irdischen Technik und Überwachungsmethoden nicht für immer unter dem Radar bleiben. Dass ich nicht ganz menschlich war, fiel vor ein paar Jahren dann doch einmal den falschen Personen auf. Sie stellten mich vor die Wahl, entweder mit ihnen zusammen zu arbeiten oder mein Leben unter Schmerzen in einem ihrer unterirdischen Bunker zu beenden.“ John grinste schief, nicht aus Verlegenheit, sondern über sein dreistes Flunkern. Aber er glaubte zu wissen, dass Captain Jack Harkness ihm wohl nicht übel nehmen würde, wenn er sich so frech an seiner Lebensgeschichte bediente. „Ich entschied mich – wie Sie sich denken können - natürlich für Ersteres … und das machte mich von da an zu einen Agenten von Torchwood. Während der Cyberman-Krise habe ich ich angefangen bei Cybus Industries zu arbeiten und John Lumic zu überwachen. Später nahm ich dann Kontakt zu Peter Tyler und dem Widerstand auf. Und danach blieb ich aus verschiedenen Gründen Ingenieur in seiner Firma.“ „So, so … “, murmelte der Master und rieb sich nachdenklich über den Bart. Dabei starrte er John durchdringend an. Seine Miene blieb starr und ausdruckslos, so dass leider nicht zu erkennen war, ob er ihm überhaupt irgend eine der Aussagen glaubte … „Ja ich weiß, das klingt noch verrückter … aber Sie müssen wissen, wir bei Torchwood machen das Unmögliche möglich“, redete John hastig weiter. „Ich arbeite bei Peter Tyler, damit er nicht den gleichen Weg gehen kann wie Mr. Lumic …“ Er setzte kurzerhand noch einen drauf. „Das ist eine Eigenschaft, die Sie uns Menschen wohl nicht zugestehen wollen, aber wir lernen trotzdem aus unseren Fehler dazu und begehen sie nicht noch einmal.“ „Das wage ich zu bezweifeln, den wäre das so, würde es vermutlich heute keine noch tödlicheren Vernichtungswaffen geben als die Atombomben des Zweiten Weltkriegs“, entgegnete der Master bissig. „Aber ich sehe, du windest dich noch immer wie ein zelurischer Zitteraal in meinen Händen. So kommen wir ehrlich gesagt nicht weiter. Gut, gut … ich will dir noch einmal nachsehen, dass du so störrisch bist.“ Er musterte John mit einem nicht zu deutenden Blick und fügte dann genüsslich hinzu: „Dafür habe ich hier etwas, was du dir in Ruhe ansehen solltest, denn es könnte sehr interessant für dich und aufschlussreich für mich sein.“ John lief ein kalter Schauder über den Rücken. Warum klangen diese letzten Worte plötzlich so boshaft? Was hatte sein Peiniger noch gegen ihn in der Hinterhand? Dennoch ließ er sich nichts anmerken und legte neugierig den Kopf schief.: „Ach wirklich? Dann bin ich mal gespannt!“ Der Master streckte ohne ein Wort die Hand mit dem Gerät nach vorne aus und und drückte dann ein paar Knöpfe. Plötzlich schossen aus der abgeflachten Spitze des Gegenstands Lichtstrahlen und verdichteten sich zu einer dreidimensionalen Projektionsfläche. In dieser erschien wie bei einem Hologramm das Bild einer Personengruppe. Zwei Männer, die wie Soldaten aussahen, standen auf einer schon lange nicht mehr gepflegten Weide, mitten zwischen kniehohem Gestrüpp, Büschen und wild entsorgten Müll. Sie hatten ihre Waffen auf einen Mann und eine Frau in Zivilkleidung gerichtet. John zog die Luft hörbar ein. Er würde die schlanke Gestalt mit den ausgeprägten weiblichen Rundungen und den schulterlangen, blonden Haaren jederzeit wiedererkennen, ohne erst ihr Gesicht sehen zu müssen. ROSE! Um Himmels Willen, was machte sie dort … und wie hatte sie es nur geschafft, sich jetzt schon wieder in eine so prekäre Lage zu bringen? Er biss sich auf die Lippen. Und wer zum Teufel war dann der Mann mit dem kastanienbraunen Lockenkopf an ihrer Seite, der in seiner grünen Samtjacke noch weniger an den Ort des Geschehens zu passen schien? Unwillkürlich stieß er sich von der Wand ab und trat wie gebannt näher an die Projektion heran, um sie besser in Augenschein nehmen zu können. „Rose …“, flüsterte er, als sein Herz schneller zu schlagen begann. Die Augen des Masters wurden schmal, als er das hörte gleichzeitig zoomte er ein wenig näher an die Szene heran, veränderte den Blickwinkel. Danach ließ er die Sequenz ein paar Sekunden weiterlaufen, ehe er sie erneut stoppte. John schüttelte fassungslos den Kopf, wollte nicht wahr haben, was er da gerade mit ansehen musste. Gleichzeitig ballte er die Hände zu Fäusten. Rose - seine Rose - lächelte gerade eine Person an, die ihm selbst nicht ganz unbekannt war. Er – nein der Doktor - hatte diese Gestalt nach seiner siebten Regeneration angenommen! John wusste in diesem Moment nicht, was er denken und fühlen sollte. Das konnte kein Zufall sein, dazu passte zu viel zusammen. Aber noch schlimmer als dieser Anblick, schnitt ihm etwas anderes ins Herz. Rose lächelte den Doktor nicht nur unverbindlich an, wie man es einem Fremden gegenüber tat – oh nein! Sie wirkte hoffnungsvoll und glücklich, ja sogar regelrecht verliebt, so offen und herzlich wie sie in diesem Moment zu dem nur eine Handbreit größeren Mann hinblickte … Rasende Eifersucht stieg in John hoch. Er konnte das daraus resultierende Zittern nur schwer unterdrücken. „Du verdammter Mistkerl!“, formten seine Lippen tonlos, während seine Gedanken wild durcheinanderwirbelten, sich Wut und Hass gegenüber dem Doktor, Enttäuschung und Verzweiflung über den augenscheinlichen Verrat von Rose wild miteinander mischten. Mit tränenden Augen starrte er auf die eingefrorene Projektion und biss sich wieder und wieder auf die Lippen bis er Blut schmeckte. 'Was hätte ich eigentlich anderes erwarten sollen!', stieg die Erkenntnis wie bittere Galle aus seinem Magen hoch. Am Liebsten hätte er seine Wut jetzt offen hinaus geschrien, herum gewütet und … aber es blieb glücklicherweise bei einem grimmigen Schnauben. 'Kaum ist „er“ wieder da, ist alles andere vergessen! Egal wie er auch aussehen mag. Ich hätte es wissen müssen!' Dann erinnerte er sich daran, dass er nicht allein im Raum war. Und dass er mit offenen Augen in die Falle getappt war, die ihm der Master gerade eben gestellt hatte. Ruckartig fuhr sein Kopf hoch „Das ist doch eine Illusion! Sie spielen mit mir!“ Er funkelte seinen Peiniger zornig an. „Sie mit ihrer überlegenen Technik spielen mir doch nur etwas vor.“ „Warum sollte ich das tun?“ Der bärtige Mann erwiderte Johns Blick. „Dazu gibt es wirklich keine Veranlassung.“ „Beweisen Sie es mir!“, giftete John noch immer aufgebracht zurück. „Beweisen Sie mir, dass dies keine Manipulation ist!“ „Mit Vergnügen …“ Ein zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Masters. Kapitel 15: Zweifelhafte Wahrheiten ----------------------------------- „Beweisen Sie es mir!“, giftete John noch immer aufgebracht zurück. Seine Augen tränten, so sehr wühlte ihn die Projektion auf. „Beweisen Sie mir, dass dies hier echt ist!“ „Mit Vergnügen … “ Ein unangenehm zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Masters, während er einen Code in die Projektion einblendete. „Als Mitarbeiter von Torchwood müsste dir die Kodierung der Aufzeichnung ja durchaus vertraut sein.“ John zuckte mit den Schultern und heuchelte Skepsis vor. Natürlich konnte er mit den Zahlenkolonnen absolut nichts anfangen. Sie stimmten nicht mit dem Code überein, den er für Peter Tyler erst vor ein paar Monaten entwickelt hatte, aber diese Tatsache musste der Master ja auch nicht wissen. Und warum redete der jetzt und hier überhaupt von Torchwood? Denn die Leute die Roses Vater unterstanden traten normalerweise nicht so paramilitärisch auf, es sei denn, er meinte eine der Splittergruppen, über die sein Fast-Schwiegervater gelegentlich geflucht hatte. Bewusst mimte er weiter den Zweifler, um, weitere Informationen aus dem Master heraus zu kitzeln. „Auch das kann ein Fake sein!“, konterte er frech. „Wie bitteschön wollen Sie denn überhaupt an diese Aufnahmen gekommen sein?“ Der Master lachte spöttisch. „Also bitte … John“, erwiderte er tadelnd. „Kannst du dir das wirklich nicht denken? Ich verfüge über Technik, die du dir mit deinem beschränkten halb menschlichen Verstand vermutlich nicht einmal besonders vorstellen kannst und die Erdlinge vermutlich noch weniger. Nun, da sollte es mir doch ein leichtes sein, solche Übertragungen an eure Zentrale abzufangen und zu entschlüsseln, oder?“ John atmete tief ein und aus. Da sagte der Mann etwas Wahres. Aber dennoch blieb er bei seinem Spiel: „Dann können sie das natürlich auch mit ihrer Technik verändert haben.“ „Warum sollte ich?“ Der Master zuckte mit den Schultern. „Das ist in diesem Fall auch gar nicht nötig, denn manchmal ist die Wahrheit eine viel stärkere Waffe als jede noch so ausgefeilte Lüge, mein Junge, findest du nicht?“ John presste die Lippen aufeinander. Seine Gefühle rasten wild durcheinander. Ein Teil von ihm sträubte sich energisch dagegen, zu glauben, dass das, was er da sah wirklich echt war, ein anderer Teil war leider nur all zu bereit dazu, es anzunehmen. Wut und Verzweiflung machten es ihm schwer, klar zu denken und vor allem ruhig zu bleiben. „Was wollen Sie eigentlich bezwecken, indem sie mir diese Bilder zeigen?“, presste er zwischen seinen Zähnen hervor. „Nun, ich wollte dich nur darauf aufmerksam machen, dass sich jemand wohl ziemliche Sorgen um dich macht und dabei leider auf sehr glattes Eis geraten ist“, antwortete der Master mit einem lauernden Klang in der Stimme. „Ich denke, du musst mir nicht erklären, wie du und Miss Tyler zueinander stehen. Dein Mobiltelefon hat mir ausreichend Auskunft über ihre Identität und eure nette kleine Beziehung gegeben, die ja ganz offensichtlich noch nicht so vorbei ist, wie ihr beide dachtet, nicht wahr?“ Er machte eine bedeutungsschwere Pause. „Ich muss sagen, die junge Dame hat einen guten Instinkt für verborgene Gefahren und den Mut, sich ihnen selbst zu stellen. Zunächst hat sie übrigens nur einen Detektiv beauftragt, sich nach dir umzusehen, und nun, da gewisse Dinge publik geworden sind, hat sie sich persönlich auf den Weg gemacht, um vor Ort zu sein … Allerdings hatte sie das Pech, dabei in schlechte Gesellschaft zu geraten, wie du hier sehr deutlich sehen kannst … “ „Ja, und? Wer ist der Kerl?“, fragte John spitz, obwohl er es nur zu genau wusste. Aber das wollte er jetzt aus dem Mund seines Peinigers selbst hören. „Dieser 'Kerl', wie du ihn nennst“, erklärte der schwarzhaarige Mann süffisant, „ist auf Gallifrey als Dieb und notorischer Unruhestifter bekannt, der seine Nase immer genau in die Dinge zu stecken pflegt, die ihm an wenigsten angehen sollten. Der Hohe Rat hat den Bann über ihn verhängt, nachdem er zum wiederholten Male gegen die Regeln verstoßen hat. Er nennt sich zwar selbst „Der Doktor“ ist aber in Wahrheit ein skrupelloser Renegat, ein überaus gefährlicher Krimineller, der vor Nichts und Niemandem halt macht, wenn er etwas in seine Hände bekommen will!“ 'Das brauchst du mir nicht zu sagen. Ich weiß nur zu gut, wie 'Der Doktor' drauf ist!', dachte John mit einem bitteren Geschmack im Mund. 'Aber das kann in diesem Universum natürlich ganz anders gelaufen sein … auch wenn ich das irgendwie nicht so wirklich glaube. Das Verhalten von Rose ist viel zu positiv. Und wenn sie ihm so sehr zu vertrauen scheint, dass sie …' Er hielt inne. Ihm schwirrte der Kopf, von dem Chaos an Gedanken und Gefühlen. Jetzt wünschte er sich in Ruhe gelassen zu werden, damit er wieder Ordnung in seinen Geist und seine Seele bringen konnte, aber der Master ließ ihm natürlich nicht die Zeit, die letzten Enthüllungen zu verdauen. Stattdessen drückte der Schwarzhaarige wieder ein paar Knöpfe auf seinem Abspielgerät. „Ach ja, das hier sind übrigens Aufzeichnungen, die von einer Sonde stammen, welche ich persönlich losgeschickt habe, um die beiden im Auge zu behalten. Sie sind gerade einmal zwei Stunden alt … und ich versichere dir, genau so echt wie die von Torchwood.“ Das Bild wechselte zu einem anderen Szenario. Zwei Gestalten hetzten in der hereinbrechenden Dämmerung durch das Dickicht, immer wieder verdeckt von Büschen und Bäumen. Also waren sie immer noch auf der Flucht. Diese Aufnahmen waren trotz der deutlich schlechteren Lichtverhältnisse viel heller und vor allem schärfer als die der Torchwood-Aufzeichnungsgeräte. So konnte John alle Details klar sehen, besonders gut die Gesichter der beiden Flüchtlinge. Rose rannte hinter dem braunhaarigen Lockenkopf durch den Wald, wenngleich auch sie mehr Mühe hatte, sich über den unebenen Boden zu bewegen. Dann verschwand sie plötzlich hinter einem Busch. Der Mann vor ihr drehte sich blitzschnell um und sprang einen Schritt zurück. „Hoppla! Vorsicht!“, erklang seine warme Stimme. Sie war klar und deutlich im Raum zu vernehmen, auch wenn er nicht wusste, wo sich die Lautsprecher befanden. John suchte nicht danach – er starrte weiter auf die sich bewegenden Bilder. Die blonde Frau und ihr Begleiter tauchten jetzt wieder im Sichtfeld der Sonde auf, und der Anblick versetzte ihm einen erneuten Stich ins Herz. Rose schmiegte sich eng und vertrauensvoll an den Doktor, den Kopf an seine Schulter gelehnt, und mit einem verträumten, glücklichen Gesichtsausdruck, der John schwer schlucken ließ. Der Braunhaarige schien die vertrauensvolle Geste regelrecht zu genießen, denn er stellte sie jetzt nicht einfach auf die Beine und ließ sie los, sondern hielt sie weiterhin liebevoll in seinen Armen. Dann blickte er auch noch besorgt zu ihr hinunter und säuselte mit sanfter Stimme. „Ist alles mit Ihnen in in Ordnung?“ Das blonde Mädchen seufzte tief und hob den Kopf, um tief in seine Augen zu blicken. „Ja“, murmelte sie kaum verständlich aber in einem fast schon zärtlichen Tonfall. „Ja, das ist es.“ John unterdrückte einen Fluch. Jetzt fehlte nur noch, dass die beiden einander küssten, dann war es perfekt. Anstatt Rose jetzt wenigstens endlich los zu lassen, drückte der Doktor sie plötzlich fester an sich, stellte sich schützend vor sie und blickte mit zusammengekniffenen Augen nun genau in die Kamera, so als sei er des heimlichen Beobachters gewahr geworden. Im nächsten Moment hob er den Schallschraubenzieher, der irgendwie in seiner Hand aufgetaucht war, ein Sirren erklang und die Projektion fror erneut ein, so dass John auch weiterhin den Anblick ertragen musste, der sich ihm bot … Rose im Arm des Doktors. Zärtlich gehalten und beschützt von ihm. Und offensichtlich war sie selbst ganz eingenommen von dessen Charme. Was sonst … was hätte er sonst anderes erwarten sollen! Mit mahlenden Kiefern starrte John auf die eingefrorene Szene und fuhr in einem einem plötzlich aufflammenden Anfall von Wut mit der Hand durch die Projektion des Braunhaarigen, die sich für einen Moment verwischte, dann aber wieder sauber anordnete, damit er das Gesicht seines Rivalen auch weiterhin deutlich vor Augen hatte … „Ah … das nenne ich doch eine wirklich sehr aufschlussreiche Reaktion … “ Ein kalter Schauder durchfuhr John bei diesem Kommentar und holte ihn auf den Boden der Tatsachen zurück. Jetzt wusste er, dass er dem Master viel mehr verraten hatte, als ihm lieb war, auch wenn er nicht einschätzen konnte, was der aus diesem Moment offen gezeigter Eifersucht wirklich lesen konnte. 'Verdammt! Wie konnte ich nur so blöd sein!' Er ballte die Fäuste und biss sich auf die Lippen. Dennoch konnte er seinen Blick nicht von dem eingefrorenen Holo-Bild abwenden, das Rose und den Doktor in einer engen Umarmung zeigte, wenngleich letzterer auch jetzt recht ernst und misstrauisch dreinblickte. Dafür war Rose um so … John hatte das Gefühl, als drehe sich die Messerklinge, die ohnehin bereits in seinem Herzen steckte noch einmal um sich selbst. Und auch wenn er die damit verbundenen Emotionen, so gut er eben konnte, unterdrückte, was blieb, waren die brennende Eifersucht und wachsende Unsicherheit. Die nagenden Zweifel darüber, ob Rose ihn wirklich jemals wirklich ihn und nicht nur den Doktor geliebt hatte und noch immer liebte. Erbittert kämpfte er mit dem Chaos in seinem Kopf, kam einfach nicht zur Ruhe, weil sich nun auch noch etwas anderes einmischte. Oh ja, er war wütend auf sich selbst, über seine Eifersucht, seine Dummheit, seine … und zornig darauf, dass er jetzt und hier mit offenen Augen ein weiteres Mal in die Falle des Masters gerannt war und nun vermutlich mit den Konsequenzen würde leben musste. Wie auch immer die aussehen würden … Dann gab er sich einen Ruck und sah nach einem tiefen Atemzug herausfordernd zum Master. „Und, wollen Sie aus meiner Reaktion jetzt schließen?“ „Rose Tyler und du, ihr wart ein Paar. Ein recht verliebtes Paar, wie mir scheinen will, auch wenn das von ihrer Seite her abgeflaut zu sein scheint.“ Der Schwarzgekleidete erwiderte kalt seinen Blick. „Und du bist ihr ganz offensichtlich immer noch sehr zugetan, während sie dich offensichtlich schon längst vergessen hat. Aber das ist auch kein Wunder, will ich meinen, hat der Doktor, doch in dieser Inkarnation ein sehr charmantes, einnehmendes Wesen und wickelt gerade die weiblichen Erdl-“ Das war eine Stichelei zu viel! Es reichte! „Was zwischen mir und Rose ist, geht Sie nichts an!“, fauchte John. Die Kontrolle über sich erneut verlierend sprang er auf den Master zu, um ihm den Mund zu verbieten, ihn zu maßregeln oder vielleicht zu schlagen. Denn verdammt noch mal - irgendwo musste er mit seiner Wut auf den vermaledeiten jetzt hin! In dem Moment, in dem mit dem rechten Arm Schwung nahm und ausholte, fuhr ein brennender Schmerz vom Handgelenk aus nach oben und machte diesen taub. „Aaargh!“ John schrie erstickt auf und blieb abrupt stehen, während das Glied bewegungsunfähig an die Seite zurückfiel. Er rieb sich den kaum spürbaren Arm mit der noch funktionstüchtigen Linken und funkelte den Master an. Die Lust, diesen zu schlagen, war ihm aber schlagartig vergangen. „Nun gut, dann haben wir ja diese Sache jetzt geklärt und du kennst so ganz nebenbei die Auswirkung meiner kleinen Rückversicherung. Aber ich glaube, ich beende erst einmal die Aufzeichnung, damit sie dich nicht noch weiter aufregt.“ Der Master schaltete gelassen die Projektion ab, überkreuzte dann die Arme und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Sein Gesichtsausdruck schwankte irgendwo zwischen Amüsement und dem Lauern einer Schlange. „Ich hoffe, ich kann jetzt in Ruhe weiter reden. Natürlich habe ich nachgeforscht und mir angesehen, was du bisher eigentlich auf dieser Welt getrieben hast,mit wem du enger zu tun hattest und bin dabei auf ein paar interessante Dinge gestoßen … aber dazu kommen wir, denke ich, später.“ John starrte finster zurück und rieb sich weiter über den Arm. Wenigstens kehrte das Gefühl langsam wieder zurück. „Lassen Sie Rose Tyler und ihre Familie in Ruhe“, knurrte er giftig. „Oh, das hätte ich, denn diese Erdlinge waren bisher für mich nicht von Belang. Aber ich befürchte, das könnte sich jetzt geändert haben. Jetzt wo das Mädchen mit dem Doktor ganz offensichtlich gemeinsame Sache macht, weiß ich nicht, ob ich sie verschonen kann. Es sei denn, du gibst mir Grund dazu, ein Auge zuzudrücken und sie nicht als Kollateralschaden anzusehen, wenn ich ihn stellen werde.“ „Ich helfe ihnen – bei was immer Sie auch wollen, wenn Sie Rose in Ruhe lassen!“, platzte es aus John heraus, bevor er darüber nachdenken konnte, was er sagte. Er mochte das vielleicht eines Tages bereuen, aber das war ihm egal. Denn trotz aller Zweifel und Ängste – er fühlte immer noch genug für sie, um sie jetzt und hier zu beschützen und alles für sie zu geben, auch wenn er sich jetzt damit ganz und gar dem Master auslieferte … Kapitel 16: Was für ein Schlamassel! ------------------------------------ Rose stöhnte, als sie wieder zu sich kam. Diesen ekelhaft bitteren Geschmack, das Gefühl, die Zunge sei ein pelziger Fremdkörper – das fühlte sich so an, als hätte sie ein mehrtägiges Kiff- und Saufgelage hinter sich. Mickey und sie das hatten in ihren wilden Zeiten, als sie noch unbeschwerte Teenager gewesen waren, nur ein einziges Mal ausprobiert, weil sie genau so neugierig wie ihre Kumpels gewesen waren. Im Nachhinein, so wusste sie inzwischen, hätte sie auf diese Erfahrungen auch gerne verzichten können und nicht nur, weil ihre Mutter Jackie damals einen Monat lang nicht mit ihr gesprochen hatte. Dazu kamen hämmernde Kopfschmerzen, die sich vor allem in ihren Schläfen zu konzentrieren schienen. Dumm nur, dass sie es irgendwie nicht schaffte, ihre Hände so hoch zu heben, dass sie irgendwas dagegen unternehmen, sich wenigstens mit den Fingern über die Stirn reiben und so Linderung verschaffen konnte. Unwillig bewegte sie die Hände. Ach verdammt wo hing sie denn jetzt schon wieder mit den Ärmel ihrer Jacke fest … und das gleich mit beiden Armen? Und woher kam eigentlich dieses metallische Klirren? Fragen über Fragen und doch keine Antworten, die sie mit ihrem trägen Geist finden konnte, denn das stiftete eher noch mehr Verwirrung in ihrem Kopf. Denn um sie herum stimmte noch eine ganze Menge mehr nicht. Ach verdammt, wo war sie überhaupt … Was zum Teufel war eigentlich mit ihr los? Wieso war sie … Mit dem Erwachen ihrer Sinne und ihres Verstandes kehrten auch die Erinnerungen zurück und brachen schon bald wie eine Flut über sie hinein. Zuerst die Trennung von John, weil die Gefühle zwischen ihnen erkaltet waren. Weil sie vielleicht immer eine Lüge gewesen waren, die sie sich nur nicht eingestanden hatte. Monate später dann ihre Einsicht ihm gegen über unfair gehandelt und einen schweren Fehler begangen zu haben. Der klägliche Versuch Kontakt mit John aufzunehmen. Die Erkenntnis, dass er verschwunden war. Spurlos. Eine Flut schlechter Nachrichten, die sie noch verrückter machten. Und zu dem Entschluss trieben, selbst etwas zu unternehmen. Das alte Fabrikgebäude mitten zwischen den Wiesen als erste Spur und dann der Mann in seiner seltsam altertümlich anmutenden Kleidung, der ebenfalls etwas zu suchen schien. Der sich ihr auf unverkennbare Art und Weise als „Der Doktor“ vorstellte. Aber DAS war nicht ihr nicht ihr Doktor! Dann die halsbrecherische Flucht über die Wiese. Ihre Tricks, ihr Versuch mit dem Auto genug Distanz zu schaffen. Vor dem Tunnel, die Flucht in den Wald. Und die wachsende Vertrautheit zueinander. Dann waren sie schließlich doch umstellt. Von Torchwood. Torchwood? „Verdammter Mist!“, entfuhr ihr ein Fluch. O-ha, ihre Stimme hörte sich schon genau so rostig und rau an wie die eines Metal-Rockers und schien die Kopfschmerzen noch zu verstärken, genau so wie die krampfhaften Versuche zu überlegen, wie sie eigentlich gerade auf darauf kam. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass die Männer ihres Vaters mit den gleichen Waffen und in Tarnkleidung wie die Leute aus der Armee herumliefen. Und vor allem wäre sie dann auch von Anfang an von den Typen als Tochter eines ihrer Chefs erkannt worden, denn Peter Tyler hatte schon vor einigen Jahren dafür gesorgt, dass die Mitarbeiter von Torchwood London seine Familie und den direkten Personenkreis darum herum durchaus kannten … Ihr schwante Übles … Oh verflucht, jetzt steckten sie wirklich tief in der Scheiße, um es einmal richtig derbe auszudrücken! Denn wenn sie nicht all zu falsch lag, durften sie sich jetzt mit den Leuten aus Wales oder Schottland herumschlagen. Durch ihren Vater hatte sie gehört, dass die vermutlich ganz anders mit Aliens und ihren menschlichen Verbündeten umsprangen als London, vermutlich der Devise folgten, die noch Königin Victoria ausgegeben hatte, obwohl die Monarchie schon lange Geschichte war. Rose zwang sich die Augen zu öffnen, als sich die Lider endlich nicht mehr so schwer wie Blei anfühlten. Sie sah in der sich klärenden Sicht erst einmal nur das abgenutzte Leder einer Sitzbank, dann eine Kette, die zu einer Halterung in der aus Metall bestehenden Wand führte … und am anderen Ende bei den den schmalen Eisenbändern endete, die ihre Handgelenke umschlossen. Angekettet wie eine Gefangene in einem schlechten Spielfilm. Na toll … das fing ja schon echt gut an! Trotz ihrer Benommenheit und des Schwindels, der sie erfasste, versuchte Rose danach in eine sitzende Haltung zu kommen, damit sie sich besser umsehen konnte. Metallwand, Sitzbank, das monotone Stampfen und Surren eines Motors im Hintergrund – daraus ergab sich nur eine einzige Folgerung. Man hatte sie aufgesammelt, als sie sich in ihrer Bewusstlosigkeit nicht mehr wehren konnte und dann in das Luftschiff verfrachtet. Also waren die ganzen Bemühungen diesen Mistkerlen zu entkommen, völlig umsonst gewesen. Nein, verbesserte sie sich, nicht ganz umsonst. Sie hatte einiges über ihren Begleiter und jetzigen Schicksalsgenossen erfahren können, Dinge, die sie ihm sonst vermutlich nur mühselig nach und nach aus der Nase gezogen hätte, wenn sie an „ihren“ Doktor dachte. Obwohl … ganz schlau war sie aus dem Lockenkopf auch noch nicht geworden, auch wenn sie ihn mittlerweile zu mögen begann und sich jetzt dabei ertappte, dass sie geneigt war … Dann zuckte sie zusammen. 'Verdammt, wo ist der Doktor?', durchschoss eine Frage ihren Geist. Rose atmete tief ein und dann wieder aus, um die aufkommende Panik zu unterdrücken, Nicht auszudenken, wenn die Soldaten ihn nicht nur niedergeschlagen hatten, sondern … „Doktor ...“, rief sie leise in den Raum, noch ehe sie in der Lage war, sich richtig umzusehen, weil alle weiter entfernten Dinge noch recht verschwommen und undeutlich wirkten. „Doktor, ist mit Ihnen alles in Ordnung?“ „Mädchen, mach' dir nicht die Mühe, nach deinem Freund zu rufen. Der wird dir nicht antworten können! Und lass es ruhig angehen, du wirst noch ne' ganze Weile brauchen, bis du wieder auf den Beinen bist. Die Nebenwirkungen des Gegenmittels sind nämlich nicht ohne!“ antwortete allerdings jemand ganz anderer auf ihre in den Raum geworfene Frage. Rose lief es eiskalt den Rücken herunter. Diese Stimme kannte sie doch! Und wie sie diese kannte! Dennoch wollte sie sich Gewissheit verschaffen. Sie stützte sich an der Rückenlehne der Bank ab und drehte langsam den Kopf, auch wenn die Welt um sie herum immer noch nicht aufhören wollte, zu kreisen. 'Ich hätte es wissen müssen!', dachte sie und rümpfte die Nase. Ganz in ihrer Nähe, auf einem viel schmaleren Einzelsitz hockte der grauhaarige Soldat, seine Maschinenpistole locker in den Händen haltend. Er grinste sie breit an und hob dann die Rechte, um in eine ganz bestimmte Richtung zu deuten. „Wie du sehen kannst, Kleine … wird' s ihm schwer fallen, was zu sagen!“ Rose folgte der Geste und schnappte entsetzt nach Luft, als sie das schräg stehende Gestell sah, das fest in Boden und Wand verankert war, aber jederzeit wieder aus den Halterungen ausgeklinkt werden konnte, um es ganz auszuklappen und in eine fahrbare Trage zu verwandeln. Die Männer waren gründlich gewesen. Sie hatten den Doktor nicht nur einfach gefilzt, sondern auch die Samtjacke, Weste und Schuhe ausgezogen und alles in eine noch offenstehende Kiste verfrachtet, die sich in einem Netz neben dem Gestell befand, damit sie nicht durch die Gegend rutschen konnte. Deshalb war er nur in seinem Hemd und der Hose auf dem Gestell festgeschnallt. Breite Lederriemen umschlossen Hand- und Fußgelenke, andere führten über Brust, Hüfte und Beine, so dass er gerade einmal den Kopf drehen und ein Stück anheben konnte. Das Gewicht lastete damit ziemlich auf den Gelenken, und den Beinen, da er sich gerade einmal an einer schmalen Schiene zu seinen Füßen abstützen konnte. Die junge blonde Frau schluckte, als der Doktor den Kopf zu ihr drehte, denn die Fesselung war noch lange nicht alles. Wenigstens war er bei Bewusstsein und dem Blick nach zu urteilen auch bei Verstand. Ob er jedoch Schmerzen hatte, konnte Rose aus der Entfernung nicht einschätzen. Aber es war zu vermuten, denn er sah nicht wirklich gut aus. Seine linke Gesichtshälfte war um die Schläfe und das Auge bis hinunter zum Kinn dunkel verfärbt, über die Wange zog sich ein blutiger Schnitt. Überbleibsel der Schläge mit denen man ihn niedergestreckt hatte und vielleicht auch die Spuren anderer Misshandlungen, die man ihm hatte angedeihen lassen. Nun verstand sie auch, warum so etwas wie Wut in seinen Augen funkelte und er bisher nicht in der Lage gewesen war, ihr zu antworten: Ein Knebel, gehalten durch feste Schnüre steckte in seinem Mund. Das war nicht nur würdelos, das war einfach nur grausam! „Was soll das?“, fuhr sie den alten Soldaten empört an, auch wenn sie das im nächsten Moment bereute, weil sich das schmerzhafte Hämmern in ihrem Kopf verstärkte. „Sie sind ein Monster, wissen sie das! Nehmen Sie ihm den Knebel sofort wieder aus dem Mund und machen ihn los. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Doktor etwas versucht hätte, was eine so brutale Folter rechtfertigen würde! Und das widerspricht jedem Gesetz.“ „Ach Mädchen … nun reg dich doch nicht so auf. Ich denke mal, für jemanden wie den da, gelten irdische Gesetze nicht.“ Der Grauhaarige machte eine wegwerfende Handbewegung. „Und glaube mir, ich hatte durchaus meine Gründe, ihm den Mund zu stopfen.“ Ein wölfisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Weißt du, Kleines, der Bursche hat einfach nicht aufhören wollen, unsinniges Zeug zu reden und Fragen zu stellen, als er wieder zu sich kam“, erwiderte er mit einem spöttischen Funkeln in seinen Augen. „Nun, da habe ich ihm klar gemacht, dass er sich seinen Atem lieber für die richtigen Leute aufsparen sollte, denn sein seltsames Gefasel können sich nun wirklich die Eierköpfe im Center anhören!“ Er blickte auf die gegenüberliegende Seite des Raums. „Stimmt' s, Jungs?“ Zustimmendes Gemurmel erklang aus dem Hintergrund. Rose hob den Kopf und kniff die Augen zusammen, so unangenehm das jetzt auch war. Nun konnte sie auch die sieben Männer sehen, die an der anderen Wand hockten und in ihren Uniformen fast mit dem Inneren des Luftschiffes verschmolzen. „Richtig Chef!“, rief einer. „Obwohl ich doch ganz unterhaltsam fand, was er uns zu erzählen hatte. Vertrieb ein bisschen die Langeweile.“ „Klappe, Richards! Ich habe dir schon einmal gesagt, wir wissen nicht, was das für ein Typ ist, nur, dass irgendwas mit ihm nicht stimmt. Du hast ja selbst gesagt, als du ihn untersucht hast, dass sein Herzschlag spinnt und er sich anfühlt wie ein toter Fisch“, raunzte der Grauhaarige. „Ah ja, auch der Kram, den wir aus seinen Klamotten gefischt haben, spricht Bände, dass er entweder nicht von hier oder völlig gaga ist. Und glaub ja nicht, dass der da so harmlos ist, wie er aussieht. Du warst zwar nicht dabei, als wir ihn das erste Mal gestellt haben, aber du hast Clarke verarztet.“ „Ja, Chef, klar …“ „Was folgern wir daraus? Der ist nicht ganz koscher. … deshalb gehen wir hier lieber erst mal auf Nummer sicher … entschuldigen können wir uns immer noch … wenn's nötig sein sollte.“ Dann senkte er die Augenbrauen und fügte mit Nachdruck hinzu: „Sollen sich die Eierköpfe doch genauer mit dem Kerl beschäftigen und herausfinden, wer und was er ist, wir gehen jetzt jedenfalls kein Risiko mehr ein. Außerdem - merk' dir endlich mal eins, es heißt Sir, nicht Chef, ist das klar?“ „Klar Ch … äh Sir!“, erwiderte der vorlaute Soldat verlegen und stand auf. „Aber ich denke, ich schaue jetzt mal nach der Miss!“ „Tu das Richards, du bist hier der Sanitäter! Na ja, das Gift war ja eigentlich nicht für die Kleine gedacht, aber sie ist nun mal im Weg rumgestanden! Aber es scheint, als habe sie's gut verkraftet, so laut wie das Kätzchen schon wieder fauchen kann!“ Der alte Soldat sah wieder zu Rose hin, was diese nutzte, um ihn wütend anzufunkeln und den Mund zu öffnen, um ihm eine gepfefferte Antwort auf seine spöttischen Bemerkungen zu geben. Doch ehe sie das tun und noch einmal fordern konnte, dass er dem Doktor die Gefangenschaft erleichterte, verstellte ihr der jüngere Mann mit den flammend roten Haarstoppeln bereits die Sicht und beugte sich zu ihr hinunter. „Hallo! Schauen Sie mich bitte mal an, Miss!“ Er lächelte offen, als sie seiner Bitte instinktiv nachkam. „Wie darf ich sie eigentlich nennen?“ „Rose ...“ Das gewohnte 'Tyler' lag ihr schon auf der Zunge, aber sie korrigierte sich im letzten Moment, da sie es für besser hielt, nicht gleich alle Karten auf den Tisch zu werfen, vor allem weil sie immer noch nicht genau wusste, mit wem sie es hier zu tun hatte. Vermutlich würde ihre Lüge sowieso bald auffliegen, aber so lange sie die Männer hier im Unklaren lassen konnte, wer sie war. Dann würde sie das auch tun. „… Smith.“ „Also gut, Miss Smith.“ Wässrige grau-blaue Augen musterten sie intensiv, dann nahm der Sanitäter eines ihrer Handgelenke und fühlte nach dem Puls. „Okay, ihr Blick ist noch etwas trüb, die Reaktionen sind verlangsamt, aber es sieht schon besser aus. Heute müssen sie noch mit den Schwindelanfällen und Kopfschmerzen leben müssen, aber nach ein paar Stunden Schlaf sind die auch weg.“ Rose zuckte mit den Mundwinkeln. Na toll. Damit kam eine Flucht vom Luftschiff schon einmal abschminken, denn es würde nicht nur absolut würdelos, sondern auch gefährlich sein, damit durch die Gegend torkeln zu wollen. Geschweige denn, dass sie eine Ahnung hatte, wie sie sich und den Doktor aus dieser misslichen Lage befreien sollte. „Dann wäre ich für ein paar Tabletten gegen das Hämmern in meinem Kopf wirklich dankbar!“, erwiderte sie leise. „Ich bringe ihnen gleich eine Aspirin!“ Richards fühlte über ihre Stirn. „Fieber haben sie auch keines, so weit ich das beurteilen kann, aber ich denke, der Arzt im Center wird sie auch noch mal genau durchchecken, um nachzusehen, ob alles in Ordnung ist.“ „Im Center?“, fragte Rose unschuldig und sah den Mann mit neugierigem Blick an, darauf hoffend dass er anbiss. „Na ja … unsere Basis!“, druckste der Sanitäter und warf einen vorsichtigen Blick zu seinem Vorgesetzten, der sie beide scharf im Blick behielt. „ Okay, die werden Sie bald selbst sehen, denn in einer Stunde oder zwei, sind wir vermutlich da. Dann werden Sie bestimmt auch mehr erfahren, okay?“ „Ja, klar.“ Sie biss sich auf die Lippen und nickte. Gut, jetzt war sie zwar genau so schlau wie zuvor, aber einen Versuch war es dennoch wert gewesen. Und da er umgänglicher war, als sein Chef, entschloss sie sich, ihn auch noch auf etwas anderes anzusprechen. „Dann habe ich noch eine andere Bitte“, wisperte sie flehend. „Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn Sie gleich auch nach meinem Freund sehen. Ich mache mir große Sorgen um ihn.“ „Tut mir leid, Miss. Aber das darf ich nicht“, erwiderte Richards leise. „Das ist ein direkter Befehl vom Chef … der darf nicht mehr angerührt werden. Er sagt, der Mistkerl habe uns schon genug zugesetzt! Er traue ihm nicht mehr über den Weg, nach dem, was er ganz am Anfang abgezogen habe.“ „Was würden Sie eigentlich tun, wenn ihnen jemand eine Waffe grundlos unter die Nase hält? Und Sie behandelt, als seien Sie ein Schwerverbrecher oder Terrorist, der Gott weiß was getan hat?“, fragte Rose schnippisch zurück. „Wir haben uns auf der Wiese schließlich nur mit unseren Mitteln gewehrt und niemanden verletzt.“ Sie hob anklagend ihre gefesselten Hände. „Und wie sind wir im Gegenzug bisher von Ihnen behandelt worden?“ „Mag ja sein, dass sie recht haben, aber das Problem i-“ „Richards, es reicht! Du hast jetzt wirklich genug mit dem Mädel herum geschwätzt!“, unterbrach der Grauhaarige das Gespräch barsch. „Vergiss nicht, die steckt mit dem Mistkerl unter einer Decke und der ist genau so wenig zu trauen wie dem kalten Fisch da!“ „Sie hören' s! Und dem Befehl muss ich jetzt leider Folge leisten.“ Der Sanitäter blickte Rose noch einmal entschuldigend an. „Ich bringe ihnen eben noch die Aspirin!“ Dann wandte er sich ab, um einige Schritte entfernt in einem Rucksack herumzukramen und eine kleine Schachtel heraus zu fischen. Rose sah in dieser Zeit noch einmal traurig und besorgt zum Doktor hinüber, ärgerte sich innerlich darüber, dass sie einfach nichts für ihn tun konnte, nichts dazu beitragen, dass sie aus diesem Schlamassel entkamen. Doch als sich ihr Blick traf und sie in seine tiefen blauen Augen sehen konnte, weil er den Kopf so weit gehoben hatte, wie er konnte, überlief sie ein warmer Schauer. Vielleicht war er nicht „ihr“ Doktor, aber sie fühlte sich trotzdem mehr denn je mit ihm verbunden. Denn da war diese schlichte und stille Geste – ein kurzes Zwinkern, das signalisierte, dass er trotz seiner misslichen Lage, weder die Geduld, noch seine Hoffnung verloren hatte. Der Knebel schränkte seine Mimik zwar stark ein, aber sie war sich sicher, dass er versuchte jetzt auch noch zuversichtlich zu lächeln, um ihr – und sich! – Mut zu machen. Das war etwas, was sie nur zu genau von dem Mann kannte, der in einem anderen Universum ihr Herz gestohlen hatte. Ein Motto kam ihr in den Sinn, dass seit einigen Jahren ihr Leben bestimmte und zu ihm gehörte wie sein Schallschraubenzieher. „Niemals aufgeben!“, murmelte sie deshalb fast lautlos zu sich. „Für jedes Dilemma gibt es eine Lösung, und die werden wir finden!“ „Wie bitte?“ schreckte Richards sie auf. Der Sanitäter war wieder zu ihr getreten, eine offene Feldflasche und ein Tablettendisplay in den Händen haltend. „Ist etwas nicht in Ordnung?“ „Doch doch, es ist alles okay!“, erwiderte Rose mit einem Lächeln, das diesmal echt war und streckte die Zunge aus, um die Tablette im Empfang zu nehmen. Die Kopfschmerzen los zu werden, war jedenfalls der erste Schritt auf dem richtigen Weg! Kapitel 17: Der Deal -------------------- „Ich helfe ihnen!“, bestätigte John sein Angebot nun etwas weniger heftig. „Ich will nicht, dass Rose etwas geschieht. Wie sie selbst sagen, Sie ist wohl eher zufällig an diesen Kerl geraten und hat mit ihrer Auseinandersetzung oder was auch immer, nichts zu tun!“ Er sah den Master herausfordernd an. Auch wenn sein Widerwille, mit dem Schwarzhaarigen gemeinsame Sache zu machen, stärker denn je war – gab es denn im Moment eine andere Chance, um am Leben zu bleiben und sich irgendwie aus dieser verzwickten Situation heraus zu winden ohne all zu großen Schaden zu nehmen? Außerdem erfuhr er so vielleicht mehr über die Timelords dieses Universums und konnte sich so auch ein besseres Bild über sein „anderes Ich“ machen. Denn wie er in den letzten Tagen bereits mehrfach gemerkt hatte: Die Erinnerungen des Doktors waren in diesem Universum nicht hundertprozentig verlässlich. John beschloss weiter nachzubohren. „Doch dazu müssen Sie mich wohl auch ein wenig mehr in die ganze Sache einweihen Also, was ist da eigentlich zwischen Ihnen und diesem Doktor?“ „Aha, da ist jemand neugierig geworden … “ Der Schwarzhaarige schmunzelte. „Für den Anfang musst du erst einmal nur folgendes wissen: Er ist ein Dieb, der unter anderem nicht nur seine Tardis, sein Schiff gestohlen hat, sondern auch noch einige Dinge mehr. Außerdem gilt er als ein notorischer Unruhestifter und Gesetzesbrecher …“ „Klingt nach einem ziemlich sympathischen Burschen“, bemerkte John zynisch. „Du würdest anders darüber denken, wenn du einer der Leidtragenden seiner Manipulationen und Machenschaften wärst, mein lieber Junge. Durch ihn sind ganze Welten zu Asche verbrannt, haben unnötig viele Wesen ihr Leben verloren.“ Der Master hielt einen Moment inne. „Wir Timelords haben eigentlich nur die Aufgabe, das Zeitengefüge zu beobachten und immer dann unparteiisch in gesunde Bahnen zu lenken, wenn es außer Kontrolle gerät nicht aber sich ständig und überall einzumischen und das Schicksal zurecht zu biegen, weil wir Gefühle für jemanden entwickelt haben … “ „Und, was ist daran so schlimm? Ich würde das eher moralisch und menschlich nennen, wenn er sich für eine Seite entscheidet … aber ja, ich vergaß, Sie beide sind ja keine Menschen ... “, spöttelte John, auch wenn er innerlich fröstelte. Es war irgendwie gruslig diese Anschuldigen hier und jetzt – und dann noch ausgerechnet aus dem Mund des Masters - zu hören, des Timelords, der eigentlich die Verbrechen beging, die er hier dem Doktor so eiskalt ankreidete. Der Schwarzgekleidete schnaubte „Der Doktor hat niemals Skrupel gehabt, sich auf eine Seite zu stellen und sich zugunsten einer der Konfliktgruppen einzumischen. Durch ihn, seine krankhafte Leidenschaft für die Schwachen und Unterdrückten, sind Probleme wie die Daleks, die wir nur mit viel Mühe wieder eindämmen konnten, erst entstanden. Was er als Mitgefühl und Moral deklariert, ist eher mangelndes Verantwortungsgefühl und Gewissenlosigkeit, die Bereitschaft, sich dort einzumischen, wo das Schicksal und die Evolution bereits anders entschieden haben. Deshalb hätte er schon längst aus dem Verkehr gezogen werden sollen.“ „Ach, und weshalb ist das bisher nicht geschehen?“, stichelte John, mutig geworden, weiter. Jetzt erschienen die ersten Aussagen seines Peinigers in einem ganz anderen Licht, einem, das er positiv hätte bewerten können, wenn da nicht die bohrende Eifersucht gewesen wäre, die ihn davon abhielt, genau das zu tun. Denn je ähnlicher der durch die Beschreibungen DEM Doktor wurde, um so weniger konnte er Sympathie für seinen Rivalen empfinden, wuchs doch die Angst, Rose schon längst verloren zu haben mit jedem weiteren Wort, das er hörte, mit jedem Schluss, den er daraus zog, an. Der Master kniff die Augen zusammen. „Das ist für dich nicht von Belang“, entgegnete er plötzlich schroff und verbat sich damit jede weitere Diskussion „Tatsache ist nur, dass sich deine Freundin mit dem Falschen eingelassen hat, und das wie man auf den Aufnahmen gesehen hat, offenbar ganz freiwillig.“ Johns Augen wurden ebenfalls schmal. Er bemühte sich die erneute Provokation einfach zu überhören. Noch einmal würde er sich nicht die Blöße geben, auszurasten und damit wieder alles Mögliche über sich zu verraten, was der Master gegen ihn verwenden konnte. „Und was erwarten Sie jetzt von mir?“, fragte er scharf. „Nun, wenn dir an ihrem Leben noch etwas liegt, dann solltest du mir dabei helfen, den Doktor auszuschalten.“ Der Master lächelte böse. „Das ist der Deal.“ „Ich verstehe … also sein Leben gegen das von Rose“, murmelte John und schluckte so heftig, dass sein Adamsapfel hüpfte. Auch wenn er es eigentlich nicht wollte, und immer noch darum kämpfte, den Schatten des Doktors endlich abzuschütteln, das fühlte sich jetzt gerade so an, als wolle er sich selbst und nicht einem völlig Fremden einen Dolch ins Herz stoßen. „So ungefähr, wenngleich ich auch nicht von dir erwarte, dass du ihn gleich umbringst“, erwiderte der Master ruhig. „Auch wenn du - wenn ich dich mir so ansehe – jeden Grund dafür zu haben scheinst.“ Seine Augen ruhten prüfend auf John. „Ich werde den Doktor nur töten, wenn es unbedingt sein muss, denn ich möchte viel lieber zusehen, wie ihm auf Gallifrey der Prozess gemacht, und er dort seinem gerechten Schicksal zugeführt wird“, sagte er gelassen, aber noch mit einem genüsslich klingenden Unterton in der Stimme. Dann jedoch tauchte ein hasserfüllter Zug in seinem Gesicht auf. „Und eben das sollte am besten vor den Augen derjenigen geschehen, die glaubten, ihn bis jetzt vor dem Gesetz und seiner Strafe schützen zu können … “ Als bemerke er erst jetzt, dass John dieser emotionale Ausbruch aufgefallen war, warf er ihm einen warnenden Blick zu, ehe die die übliche Maske der Arroganz wieder über sein Antlitz fiel. „Nun, was dich betrifft, du könntest dir vielleicht ein wenig Anerkennung in den Augen meines Volkes verdienen, auch wenn du selbst ja nur ein jämmerlicher Mischling bist.“ „Da haben sie recht. Das klingt wirklich nicht nach einem schlechten Deal!“ John bemühte sich möglichst gleichgültig und neutral zu klingen und fügte hinzu„Auf den kann ich mich problemlos einlassen.“ Die Erinnerungen des Doktors warnten ihn davor, seinen Peiniger gerade in diesem Moment in irgend einer Form zu provozieren, denn wenn der in schlechter Stimmung war, konnte das üble Folgen haben. Unwillkürlich bewegte er dabei den malträtierten Arm, in den das Gefühl inzwischen wieder vollständig zurückgekehrt war. Er hatte jedenfalls keine Lust darauf, sich wegen ein paar unglücklich gewählter Worte in Agonie windend auf dem Boden wiederzufinden. Der Master nickte zufrieden. „Gut, dann wäre das also geklärt“, meinte er gelassen und steckte das Abspielgerät wieder ein. „Ich denke, ich werde dich jetzt einfach erst einmal wieder alleine lassen, damit du dir überlegen kannst, wie du mich unterstützen möchtest.“ John nicht aus den Augen lassend, trat er zurück an die Wand und berührte sie an einer ganz bestimmten Stelle, die dieser sich gar nicht erst zu merken versuchte. Er hatte diesen Bereich oft genug nach einem verborgenen Schalter abgetastet. Wie durch Geisterhand fuhren einige der runden Wandelemente ein und gaben die verborgene Tür frei. „Bis später also.“ Mit diesen Worten trat der Master, ihm immer noch zugewandt, aus dem Raum. Kaum hatten sich die Teile der Wand wieder in ihre richtige Position geschoben, ließ John sich jedoch schwer auf die Pritsche fallen und schlug in einer impulsiven Geste die Hände vors Gesicht, um sich über die tränenden Augen und glühenden Wangen zu reiben. Er wusste nicht, wie er sich jetzt fühlen sollte. Wie jemand, der um seine Liebe kämpfte … oder ein Verräter. „Rose, oh Rose … was bin ich nur im Begriff zu tun?“, murmelte er leise. „Dafür wirst du mich nur noch mehr hassen …“ Tiefe Verzweiflung schälte sich aus dem Gefühlswirrwarr, das immer noch in ihm tobte. Die traurige Gewissheit manifestierte sich, dass er sie damit nicht zurück gewinnen, sondern vermutlich ganz und gar verlieren würde, wenn er den Doktor … den Doktor dieses Universums … ans Messer lieferte. Eine ganze Weile blieb er in der starren Haltung sitzen und wusste nicht, was er wirklich denken und fühlen sollte, außer tiefer Leere und schwerer Müdigkeit. Oh ja, der Master hatte ihn wirklich übel in die Falle gelockt, hatte sich der nur all zu menschlichen Gefühle zunutze gemacht, die in ihm tobten, vor allem Liebe und Eifersucht. Und war voll in die Falle getappt, hatte sich auf Donna-typische Weise einfach mitreißen lassen … Dem richtigen Doktor wäre das sicherlich nicht passiert. Der hätte über den Dingen gestanden und dem Master ins Gesicht gelacht. 'Nein …', widersprach da energisch eine Stimme in seinem Kopf. 'Vielleicht hätte er es geschafft, die Kontrolle über die Gefühle länger zu behalten als du … aber er hätte mit der gleichen Leidenschaft um Roses Leben gehandelt! Denke doch nur an die vielen, vielen Augenblicke in seinem Leben, in denen er bereit war, mit den schlimmsten Feinden seiner Existenz – den Daleks, Davros, ja auch dem Master selbst - eine kurzfristige Allianz einzugehen, nur um auf den richtigen Moment zu warten, um sie dann doch noch hereinzulegen und alles zum Guten zu wenden.' Er holte tief Luft und lehnte sich zurück gegen die Wand, die Augen geschlossen haltend, weil er nicht schon wieder die trostlos aussehenden Wände seines Gefängnisses anstarren und an seine ernüchternd schlechte Lage erinnert werden wollte. 'Das ist richtig', dachte er . 'Nur wenn ich jetzt erst mal mitspiele, kann ich an Informationen kommen. So werde ich nicht auf Dauer in diesem Loch festsitzen, um irgendwann vielleicht mal zum reinen Studienobjekt des Masters degradiert werden, nur weil ich auch gallifreysche Gene in mir trage.' Dann huschte ein dünnes Lächeln über seine Lippen. 'Und vielleicht kann ich dem Doktor dann auch endlich mal den Tritt in den Hintern geben, den er verdient …', fügte das, was von der hitzköpfigen Donna in ihm steckte, entschlossen hinzu. 'Auch wenn dieser hier natürlich nicht kapieren wird, warum!' Kapitel 18: Ankunft mit Überraschungen -------------------------------------- „Mmmmh … ah … was?“, murmelte Rose und schreckte hoch als sie jemand sanft an der Schulter rüttelte. Einen Moment war sie sichtlich irritiert, dann stellte sie ernüchtert fest, dass sie wohl eingenickt war und den Rest des Fluges mehr oder weniger verschlafen hatte. Sie öffnete unwillig die Augen, als jemand in ihr Ohr rief: „Hallo, Miss Smith! Bitte, wachen Sie auf!“ Es war Richards, der sich halb über sie gebeugt hatte und nun besorgt auf sie hinuntersah. Der Sanitäter stützte sie bei ihren Bemühungen, sich wieder richtig aufzusetzen. „Ist ja schon gut … “ Rose stöhnte und realisierte im ersten Moment erst einmal nicht, wo sie war, aber die Geräusche im Hintergrund erinnerten sie wieder die Ereignisse der letzten Stunden. Sie lockerte ihre verkrampften Schultern, öffnete und kniff die Augen zusammen, um die Müdigkeit zu vertreiben. Dann stellte sie mit Erstaunen fest, dass sie inzwischen nur noch die Handschellen trug, die Verbindungskette zur Wand war abgenommen worden. Außerdem achtete niemand außer dem Sanitäter auf sie. Eine ideale Gelegenheit, um … 'Nein!', ermahnte sie sich. 'Nein, so dumm bin ich nicht – außerdem bringt mir das nur unnötig Schmerzen und Scherereien ein. Und wirklich befreien werde ich damit weder mich, noch den Doktor, der in einer noch viel misslicheren Lage als ich steckt.' Ein eisiger Windstoß ließ sie frösteln, so dass sie unwillkürlich in die Richtung blickte, aus der die Böe gekommen war. Das Luftschiff musste gelandet sein, denn zwei Türen im hinteren Bereich standen nun weit offen und erlaubten den Blick nach draußen, auch wenn sie zunächst nicht mehr als nachtschwarzen Himmel und Scheinwerfer sehen konnte, deren grelles Licht alles andere verschluckte. Soldaten schoben den Doktor auf der fahrbaren Trage gerade an einem großen, mit schweren Planen bedeckten und sorgsam festgezurrten Gegenstand vorbei, der alles sein konnte – ein Gestell mit Ausrüstung, eine Vorratslieferung auf einer Palette oder … sie schluckte und vergaß den Gedanken gleich wieder, da ihr etwas anderes viel deutlicher ins Auge fiel. Der zur Bewegungslosigkeit verdammte Körper des Timelords wurde während der Fahrt durch den Gitterboden des Schiffs und der Gangway ordentlich durchgerüttelt, das konnte sie selbst aus dieser Entfernung und gegen das Licht sehen. Hörte das denn niemals auf? Wut kochte hoch. Warum behandelten sie den Doktor immer noch wie einen leblosen Gegenstand, wie ein Ding? 'Verdammt noch mal, weil er in den Augen dieses mies gelaunten Sergeanten wohl eines ist! Du hast den Mistkerl doch reden gehört! Und du weißt genau, dass nicht alle so denken!' Sie biss sich auf die Lippen und zwang sich tief durchzuatmen, um ihren Jähzorn jetzt nicht an dem Einzigen auszulassen, der aus der ganzen Bande noch halbwegs menschlich denken und zu fühlen schien. „Wir sind gelandet wie Sie sehen können!“ Richards half ihr dabei, auf die Beine zu kommen und hielt sie fest, als sie aufgrund ihrer noch immer vorhandenen Benommenheit strauchelte. Oh, dieser eher klein gewachsene und dünne Mann war ja doch kräftiger, als sie dachte. „Machen Sie ruhig langsam“, gab er ihr einen freundlichen, gut gemeinten Rat. „Unterhalb der Gangway wartet bereits ein Rollstuhl auf Sie, wenn das nötig sein sollte.“ „Ich denke, ich kriege mich schon wieder ein und kann auch weiter auf meinen eigenen Beinen stehen.“ Rose grinste schief und ließ sich von ihm durch das Luftschiff führen. „Und wo ist eigentlich 'hier'?“ fragte sie dabei leise und schauderte, als die Böe nun auch noch von feinem Nieselregen begleitet wurde, wie sie an dem feinen Prickeln auf ihrem Gesicht merkte. Gut, dass sie selbst immer noch ihre Jacke trug. Dem, der Hälfte seiner Kleidung beraubten, Doktor erging es da mit Sicherheit wesentlich schlechter. Der Sanitäter brachte sie ruhig zum Ausgang, schien erleichtert darüber zu sein, dass sie ihm keine Schwierigkeiten machte, sondern mitspielte. „Wir sind in der Nähe von Basis Torchwood Zwei gelandet“, sagte er ebenso leise wie sie. „Sie hätten das ohnehin bald erfahren, deshalb verrate ich ihnen jetzt sicherlich kein Geheimnis mehr.“ „Nein, das tun Sie wirklich nicht.“ Rose seufzte. Eigentlich hätte sie sich schon längst denken können, dass es sich nur Schottland handeln konnte! Das Schlamassel hätte nicht größer sein können. Jetzt hingen sie also genau bei der Splittergruppe fest, über die am wenigsten bekannt war, und die sich auch während der Cybermen-Krise bedeckt gehalten hatten. Die Waliser hatten wenigstens zeitweise versucht, mit ihnen zusammen zu arbeiten, waren nach der Zerstörung ihres Hubs durch die Cybermen in Cardiff aber völlig untergetaucht und operierten nur noch als Einzelpersonen oder kleine Gruppen, jedenfalls nicht mehr mit den Ressourcen, die hier aufgefahren wurden. Ihr Vater hatte den schottischen Teil von Torchwood einmal als reaktionäre, paramilitärische Bande bezeichnet, die schon seit dem Untergang der Monarchie und der Ausrufung der präsidialen Republik nach der Abdankung von König Edward VIII. so gut wie immer auf die Befehle von Torchwood London gepfiffen und meistens ihr eigenes Ding durchgezogen hatten. Vermutlich wurden sie dabei durch die Angehörigen der königlichen Familie wie Prinzessin Elizabeth und ihrem Sohn Charles unterstützt, die zwar noch immer ihre Titel führen und auf repräsentativen oder karitativen Anlässen auftreten durften, aber ansonsten keine Befugnisse mehr hatten. Sie schürzte die Lippen. Na toll … Dann spähte sie nach draußen. Viel war ohnehin nicht durch die Dunkelheit und die auf das Luftschiff gerichteten Scheinwerfer zu sehen. Das Luftschiff schien jedenfalls über einem Flugfeld niedergegangen zu sein, wie sie an den fest in den Boden einbetonierten Verankerungen erkennen konnte, die seitlich der Gangway zu erkennen waren. Dann ließ sie ihren Blick schweifen. Ganz am rechten Rand ihres Sichtfeldes war ein hohes Gebäude zu erkennen, vermutlich der Hangar. Das machte sie aber immer noch nicht schlauer. Aber auf jeden Fall hatte das ganze eher Ähnlichkeit mit einer Armeebasis als mit einem zivilen und eigentlich privaten wissenschaftlichen Institut, als das Torchwood bei seiner Gründung einmal gedacht gewesen war. Richards schob sie sanft in Richtung Gangway. Rose machte ein paar Schritte auf die inzwischen freie Treppe zu und blickte nach unten. Den Doktor hatten die Soldaten bereits nach unten gebracht und auf der Wiese abgestellt. Zwei Mann hielten neben der Trage Wache, die Mützen gegen den Wind und den Nieselregen tief ins Gesicht gezogen. Ein dritter stellte gerade die Kiste mit den Habseligkeiten des Gefangenen daneben ab. Der Timelord lag reglos da. Seine Augen waren geschlossen und der Kopf leicht zur Seite gesunken. Sie hielt den Atem an, während sie die letzten Stufen hinunter ging und ihn dabei nicht aus den Augen ließ. Wenigstens eines hatten sie inzwischen getan - ihm endlich den Knebel abgenommen. Anhand seiner sich langsam hebenden und senkenden Brust konnte sie erkennen, dass er immer noch atmete. Trotzdem hoffte sie, dass er einfach nur schlief und nicht inzwischen gegen viel schlimmere Verletzungen kämpfte, die man äußerlich nicht sehen konnte. Als sie zu ihm gehen wollte, hielt der Sanitäter sie jedoch fest. „Nicht … wir sollen Sie getrennt von ihm halten, Befehl vom Chef.“ Sein Griff an ihrem Arm wurde fester. Trotzdem spannte sich Rose an und wollte sich losreißen. „Bitte, es ist alles okay. Der Mann, Ihr Begleiter schläft nur …“, fügte Richards hastig hinzu. „Ich habe ihn mir auf Befehl vom Chef eben angesehen, bevor ich sie geweckt habe und auch den Knebel abgenommen, damit er zumindest freier atmen kann. Wenn es zu Komplikationen gekommen wäre, hätte ich sie sicherlich mehr unternommen … “ Der nervöse, leicht panische Unterton in seiner Stimme ließ sie aber stutzen. „Das glaube ich Ihnen nicht!“, unterbrach sie ihn giftig. Der Sanitäter bewegte nervös den Kopf. „Der Mann ist in einem Zustand, den ich nicht richtig einschätzen kann – so weit geht meine Ausbildung nicht. Ich kann durchaus Verletzungen aller Art versorgen, weiß welche Hilfe bei Schocks sinnvoll ist … aber sein Zustand ist … ist mir in dieser Form noch nicht begegnet.“, gab der Sanitäter besorgt zu. „Ich habe versucht ihn zu wecken und mit der Lampe in seine Augen geleuchtet, aber die reagierten kaum noch …als ob er in ein tiefes Koma gefallen sei. Und auch seine Körpertemperatur und sein Herzschlag machen mir Sorgen.“ Er holte tief Luft. „Beide sind viel zu niedrig … ein Mensch müsste schon längst tot sein. Ich unterrichte auf jedenfalls gleich den diensthabenden Arzt der Basis, damit er sich ihn genauer anschaut!“ „Das will ich hoffen, sonst mache ich Ihnen die Hölle heiß!“, drohte Rose noch einmal und wollte sich mit Richards Geständnis vorerst zufrieden geben und ihm nicht mehr zusetzen, horchte dann aber auf, als Motorengeräusche erklangen. Ein kleiner Lastwagen kam in Sicht, gefolgt von einem Jeep. „Ist das unser Begrüßungskomitee?“, hakte sie nach. „Ich glaube ja!“ Der Mann an ihrer Seite nickte, enthielt sich aber weiterer Erklärungen und reckte den Hals, während die beiden Fahrzeuge in unmittelbarer Nähe des Luftschiffs anhielten. Rose sah, wie zwei Personen in ziviler Kleidung aus dem Jeep ausstiegen, und eine Gruppe Soldaten aus dem Luftschiff auf den Lastwagen zueilten. Da die Neuankömmlinge die Krägen ihrer Mäntel hochgeschlagen und die Hüte tief ins Gesicht geschoben hatten, konnte die junge Frau nicht einmal erkennen, ob es sich um Männer oder Frauen handelte. Der grauhaarige Sergeant trat auf die beiden zu und salutierte. Noch wirkte alles sehr militärisch, aber musste immer noch nichts zu sagen haben, denn die größere Gestalt erwiderte das mit knappen Worten und einer schroff wirkenden Kopfbewegung und trat dann auf den Doktor zu. Eine behandschuhte Hand packte das Kinn des bewusstlosen Timelords und drehte das Gesicht ins Licht der Scheinwerfer, als wolle er den Gefangenen genauer in Augenschein nehmen. Das nutzte Rose aus, um sich von dem Sanitäter loszureißen, um auf die Männer und die Trage zuzugehen. Der rothaarige Sanitäter folgte ihr hastig und griff nach ihrem Arm, doch Rose schüttelte seine Hand unwillig ab und trat auf die andere Seite der Trage. „Sind Sie der Leiter dieser Operationsbasis?“ fragte sie laut, um auf sich aufmerksam zu machen, und musterte den Unbekannten mit hoch erhobenem Kopf. „Dann möchte ich mich über die grobe Behandlung beschweren, die wir Ihren Leuten zu verdanken haben“, fügte sie scharf hinzu. „Wir sind angegriffen und niedergeschossen worden … und das hier-“, sie deutete auf den Doktor. „Das hier geht gar nicht! Der Mann hat ihren Leuten überhaupt nichts getan, dafür wurde er auf diese entwürdigende Art und Weise gefesselt und während des Fluges auch noch geknebelt!“ Der Angesprochene stutzte und löste den Griff, um seine Hand zu seiner Kopfbedeckung zu heben und diese ein Stück zurück zu schieben, Er musterte sie schweigend und zog dabei eine Augenbraue hoch. Rose tat es ihm gleich und stellte fest, dass ihr Gegenüber nicht mehr sonderlich jung war, vielleicht sogar schon in seinen Siebzigern, aber ja, er hatte sich verdammt gut gehalten. Wache Augen musterten sie unter auffälligen dunklen Augenbrauen, das ansonsten glattrasierte Gesicht wurde von einem gut gepflegten und mit Grau durchzogenen Schnurrbart geprägt. Tiefe Furchen erzählten von einem harten, wenn nicht sogar aufregenden Leben und alles andere an seiner Haltung verriet, dass sie hier einen altgedienten Soldaten vor sich hatte. Und er kam ihr irgendwie vage bekannt vor, wenn sie auch nicht sagen konnte, woher. Ein Schmunzeln huschte plötzlich um die Mundwinkel des Mannes. „Es ist wirklich angenehm, Sie kennenzulernen, Miss …“ In diesem Moment wurde er lauten Motorengeräuschen und dem Quietschen einer Winde unterbrochen. Denn aus dem vorderen Teil des Luftschiffes wurde nun noch etwas anderes ausgeladen, Unter der Plane, deren Befestigung sich gelöst hatte und die nun durch eine Böe hoch flatterte, war für einen Moment eine große blaue Kiste zu erkennen, die sie nur all zu gut kannte. Rose schnappte laut nach Luft. Also hatte sie vorhin richtig vermutet: Torchwood hatte auch die Tardis einkassiert. Kein Wunder, wenn sie daran dachte, wo sie geschnappt worden waren. Die Leute aus Schottland waren wirklich gründlich in dem, was sie taten. Andererseits – sie ließ die Luft wieder aus ihren Lungen entweichen - ersparte es dem Doktor und ihr auch die Mühe, nach der Tardis zu suchen oder sich durch das halbe Land kämpfen zu müssen, wenn es ihnen irgendwie gelang hier raus zu kommen … Eine Räuspern riss sie aus ihren Gedanken. „Miss Tyler …“ „Ja“, antwortete sie zerstreut und bemerkte erst im nächsten Moment, dass sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen worden war. Ihre Augen weiteten sich, als sie den älteren Mann wieder ansah, der nun fast schon verschmitzt lächelte. „Sie wissen wer ich bin?“ „Auch wenn Ihr Vater vielleicht anderes behaupten wird, ich bin durchaus über die derzeitige Leitfigur von Torchwood London, seine Familie und ihre Rollen in der Cybermen-Krise informiert“, erwiderte er ruhig. „Sie haben es zwar ganz gut geschafft, sich aus den Medien heraus zu halten, aber nun, auch Torchwood Schottland ist nicht unbegabt, was das Sammeln von Informationen angeht.“ Er senkte plötzlich seine Stimme, so dass nur noch sie ihn noch verstehen konnte. „Und dann sollten Sie noch wissen, dass ich sehr wohl darüber informiert bin, woher Sie und ihre Mutter eigentlich stammen und wem wir bei der Bekämpfung der Cybermen eine Menge zu verdanken haben. Ich wundere mich deshalb ganz und gar nicht über Ihre Anwesenheit und die Gesellschaft, in der sie sich befinden.“ „Woher …“Rose legte plötzlich den Kopf schief und verstummte. Sie sah den alten Mann genau so misstrauisch wie irritiert an. „Und wer zum Teufel sind dann eigentlich Sie?“ Kapitel 19: Die Entscheidung des Masters ---------------------------------------- John wusste nicht, wie lange er mit geschlossenen Augen einfach nur dagesessen und den Kopf gegen die Wand gelehnt hatte, aber er schreckte regelrecht hoch, als plötzlich die Stimme des Masters durch sein Gefängnis dröhnte: „Komm in den Kontrollraum, John. Eine Drohne wird dir den Weg weisen.“ 'Und vermutlich auch seine Rückversicherung sein, damit ich mich nicht in seiner Tardis „verirre“ …', dachte John mit einem bitteren Geschmack im Mund und stellte in diesem Moment für sich fest: 'Bin ich etwa eingeschlafen?' Offensichtlich ja – auch ein Preis, den er im Gegensatz zum Doktor zahlte. Sein halbmenschlicher Körper, auch sein Geist schienen längst nicht mehr so leistungsfähig zu sein, wie noch ganz am Anfang seiner Existenz. Müde rieb er sich über Stirn und Augen, um so wenigstens die Benommenheit so weit zu vertreiben, dass er wieder alles klar und deutlich mitbekam. Derweil schob sich sich die Wand an der üblichen Stelle wieder wie von Geisterhand auseinander. Einen Moment kramte er in den Erinnerungen des Doktors, ob seine Tardis Ähnliches beherrscht hatte, wurde dann aber von einem bizarr wirkenden, und in der Luft herumschwirrenden, Gegenstand abgelenkt, der nun langsam auf ihn zu schwebte. „Ich erwarte, dass du meinen Befehlen sofort Folge leistest!“ Ein kleiner Lichtblitz schoss aus der Drohne und bekräftigte damit die erneute Forderung des Masters. „Au! Ja, ich komme ja schon!“ John rieb sich den Arm an der Stelle, an der er getroffen worden war und sah das bedrohlich sirrende Ding wütend an, besann sich dann aber eines Besseren und rutschte von der Pritsche. Das war auf Dauer gesünder, gerade jetzt, wo ihn der Master vermutlich auf Schritt und Tritt beobachten würde. Sie mochten zwar einen Deal haben … aber so wie der den alten Widersacher seines Originals kannte, machte das für seine Behandlung absolut keinen Unterschied. Der würde ihn ohnehin niemals als gleichwertigen Partner ansehen und fallen lassen, sobald er seinen Wert für dessen Pläne verloren hatte. Also musste, John, wenn er überleben wollte, dafür sorgen, dass letzteres niemals geschah. Und das, er lächelte bitter, würde vermutlich ein sehr schwieriges Unterfangen werden. Mit ungewissem Ausgang … Aus diesem Grund verzichtete er auf Extratouren und sah sich auf dem Weg zum Kontrollraum nur aufmerksam um. War der Doktor jemals weiter in die Tardis des Masters vorgedrungen als in den Kontrollraum? Er glaubte nicht, konnte sich aber auch nicht wirklich erinnern. Immer wieder ließ er seinen Blick schweifen, versuchte sich den Weg durch die verschlungenen Gänge zu merken, wohl wissend, dass das vermutlich vergeblich war. Allein ein Timelord fand sich in seiner Tardis – wenn sie es denn erlaubte und nicht selbst verrückt spielte – blind zurecht. Das lag an der intensiven, symbiotischen Verbindung, die sich in den ersten Jahren der Nutzung, zwischen den beiden entwickelte und dafür sorgte, dass sie einander immer wieder fanden, selbst wenn sie durch Raum und Zeit auseinander gerissen worden waren. Im Leben des Doktors hatte es mehrere solcher Zwischenfälle gegeben, und dann hatte das nicht nur der speziell programmierte Schallschraubenzieher alleine wieder richten können. John spürte plötzlich einen Stich in seinem einen Herzen. Die Erinnerung das enge Band zu seinem „alten Mädchen“ waren noch alle da. Mehr jedoch nicht … Wieder einmal wurde er sich schmerzlich bewusst, dass er nun in Grunde nichts anderes mehr war, als einer der vielen Begleiter an der Seite des Doktors. Deshalb konnte er wohl kaum mehr erwarten, dass sich das Gefühl der Vertrautheit und Nähe zu einem der gallifreyschen Raum-Zeit-Kapseln noch einmal einstellen würde. Außerdem durfte er nicht vergessen, dass sich diese Tardis vermutlich sowieso schon fest auf einen anderen geprägt haben dürften, nämlich auf den Mann, den er zu sehen bekam, als sich nun die letzte Tür vor ihm öffnete. Der Master schien an der Konsole beschäftigt, so dass John auch hier die Gelegenheit bekam, sich ein wenig umzusehen. Wie schon die Gänge, so wirkte auch der Kontrollraum des Masters eher düster und kalt, die Einrichtung selbst war auf das Notwendigste reduziert. Es fehlten der Schnick-Schnack und der irdische Kleinkram, der der Tardis des Doktors immer ihre besondere Note verliehen hatte. Selbst der einfache schwarze Kleiderständer der frühen Jahre hatte einen Hauch von eigenwilliger Individualität im Kontrollraum vermittelt und durch die Accessoires, die sich nach und nach auf ihm sammelten, wie eine wohnlich einladende Oase in dem ansonsten eher kahlen Raum gewirkt. 'Aber genug davon', ermahnte sich John, ehe seine Sehnsucht sich unnötig steigerte. Diese wehmütigen Gedanken gehörten jetzt nicht hierhin. Denn sie bezogen sich alle auf eine Vergangenheit, die schon lange vorbei und vor allem nicht einmal die seine war. Und - hatte er sich nicht geschworen, den Schatten des Doktors endlich von sich abzuschütteln? Dann gehörte auch dazu, dass er nicht länger dem Verlorenen hinterhertrauerte! Er holte tief Luft, als er zu dem dunkel gekleideten Mann trat. „Ich bin wie gewünscht da, Master“, sagte er, um auf sich aufmerksam zu machen und achtete darauf nicht all zu bissig zu klingen. „Ihr wolltet mich sprechen?“ Seine Augen verfolgten die Hände des Timelords, die sich auf der Konsole bewegten, als sei es ein einfaches irdisches Instrument. Auch hier gab es Unterschiede – das Design des Sechsecks rund um den Zeitrotor war modern und makellos, ganz anders als das Sammelsurium von Ersatzteilen aus vielen Zeiten und Welten, die heraushängenden Kabel und Platinen oder die angeschlagenen Regler und Schalter, wo nichts wirklich zueinander passte in der Tardis des … - halt, er wollte doch keine Vergleiche mehr ziehen! Der Master zog eine Augenbraue hoch und blickte dann wieder zur Wand, an der einige der Elemente verblassten und zu einem Bildschirm wurden. „Ich habe nach der Zerstörung der ersten natürlich gleich eine zweite Sonde losgeschickt, um deine hübsche Freundin weiter im Auge zu behalten, fand aber dann das hier vor. Was sagst du dazu?“ Johns Augen weiteten sich, denn die Szenerie hatte sich grundlegend verändert, Große Scheinwerfer erhellten den Wald in der Nähe des Bahndammes, durch den er Rose und den hiesigen Doktor zuletzt hatte rennen sehen. Ein Luftschiff schwebte über den Wipfeln der in dieser Jahreszeit nur spärlich belaubten Bäume, genau über einer kleinen Lichtung, auf der es vor Leuten wimmelte. Dabei handelte es sich um Männer in dunkler Kleidung, die ihn fatal an die Felduniformen der Armee erinnerten. Einer benutzte ein Funkgerät, ein zweiter brachte mit energischen Gesten und scharfen Befehlen Ordnung in das Chaos. Gerade eben wurde eine rechteckige Plattform vorsichtig nach unten gelassen. Da das Luftschiff regelrecht in der Luft stehen konnte, pendelte sie nicht ganz so unruhig hin und her, wie es im anderen Universum bei Helikoptern der Fall gewesen wäre. Nur welche Last wollte man mit ihr nach oben schaffen? Doch nicht etwas die Tardis, die ihm nur all zu vertraute blaue Kiste, die er am Rand der Szene durch das Blattwerk schimmern sah. Wenn, dann arbeiteten die Leute dort nicht gerade effizient. Für so etwas benutzte man normalerweise eher Greifer und Sicherungsseile. Nein, die Aktion diente einem ganz anderen Zweck … auf das an Haken befestigte Drahtgitter wurden vielmehr zwei leblose Körper verfrachtet – ein Mann in grünem Frack und eine junge Frau mit blonden Haaren. „Rose!“ John musste hilflos mitansehen, wie zwei der Soldaten ebenfalls auf die Plattform stiegen und Zeichen gaben, dass diese wieder nach oben gezogen werden konnte. Er schluckte heftig, so dass sein Adamsapfel spürbar in der Kehle hüpfte. Warum lag sie einfach nur da und rührte sich nicht? Was zum Teufel hatten diese Bastarde ihr angetan? Sein Herz begann schneller zu schlagen. Er ballte unwillkürlich eine Hand zur Faust und sprach das laut aus, was er eigentlich nur hatte denken wollte: „Wer, zum Teufel, sind diese Typen?“ „Nun, das würde ich gerne von dir erfahren, immerhin solltest du als Mitarbeiter von Torchwood doch mit solchen Sachen vertraut sein, nicht wahr?“, die Mundwinkel des Masters zuckten spöttisch, während er näher an die Gruppe heran zoomte. „Deshalb habe ich dich auch rufen lassen. Ganz offensichtlich hat sich nun wohl eine dritte Fraktion eingemischt … und so weit ich es beurteilen kann, gehören diese Männer hier keiner der offiziellen Regierungsorganisationen wie U.N.I.T. oder gar der Armee an, auch wenn sie auf den ersten Blick so wirken. Das ist mir schon einmal aufgefallen.“ John presste die Lippen aufeinander und bekämpfte den plötzlich aufsteigenden Jähzorn. Warum musste es eigentlich immer dort, wo sich der Doktor gerade aufhielt, gleich gehäuft zu Schwierigkeiten kommen, egal in welcher Welt und welcher Inkarnation? Und weshalb durften grundsätzlich immer Unschuldige, wie nun seine Rose, unter den seltsamen oder irren Eskapaden des Timelords leiden? Nur weil sie anfingen ihm viel zu schnell zu vertrauen, weil er sie mit seinen schönen Worten regelrecht einwickelte, anstatt lieber sofort die Beine in die Hand zu nehmen und ganz schnell weg zurennen? 'Wie oft willst du diese Gedanken eigentlich noch wiederholen? Mensch John, jetzt zügle endlich deine Eifersucht!', ermahnte er sich stumm und grub die Nägel seiner Finger so fest in die Handflächen, dass es weh tat. 'Bleib ruhig … tief durchatmen … Es wird dir absolut nichts bringen, wenn du jetzt wieder unnötig ausflippst! Denk dran, der Master scheint Spaß daran zu haben, dich zu provozieren, damit du ausflippst, um dich dann genüsslich zu bestrafen! Nein, ich will diesem Sadisten nicht weiter in die Hände spielen.' Das reichte aus, um das Brodeln in seinem Inneren wieder halbwegs in den Griff zu bekommen. Viel gesünder war es in diesem Moment, sein Gehirn zu zermartern und seinem „Herrn und Meister“ - oh wie ihn das anwiderte! - eine zufriedenstellende Antwort zu geben, denn das hier war kein Sache, die er in Erinnerungen aus dem anderen Universum mitgenommen hatte, sondern eindeutig in die Welt gehörte, in der er seit vier Jahren lebte. Die Augen des Masters ruhten noch immer auf ihm, deshalb durchforstete John sein Gedächtnis, nach Hinweisen auf die Identität der Fremden. Die Leute erinnerten ihn ein wenig an die von U.N.I.T., aber nein, die Regierungs-Organisation war vor Monaten offiziell aufgelöst und in den Jahren davor schon recht klein gehalten worden. Dennoch gingen die Leute so vor, als wüssten sie genau, was sie täten, als hätte sie Erfahrung mit Außerirdischen. Vom Equipment her waren die Söldner zwar verdammt gut ausgestattet, weitaus besser als die Sicherheitskräfte, die die Einrichtungen von Torchwood London überwachten. Also stand jemand mit viel Geld hinter diesen Leuten. Ein Superreicher? Ein multinationaler Konzern wie ehemals Cybus Industries, dessen Manager meinten um des Profits willen auf den Spuren von John Lumic wandeln zu müssen? 'Nein, das wäre denen zu heikel!', sortierte er diese Vermutung als, als er sich an die strengen Auflagen erinnerte, unter denen Peter Tyler CI hatte übernehmen und weiterführen dürfen. 'Wer aber kommt dann in Frage?' Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er mochte in den letzten vier Jahren zwar selbst nicht viel mit Torchwood zu tun gehabt haben, weil Pete seine neu gefundene Familie in Sicherheit hatte wissen wollen und davon fern gehalten hatte, aber Roses Vater hatte im privaten Rahmen immer wieder die ein oder andere Andeutung fallen lassen, wenn ihn etwas all zu sehr beschäftigte oder belastete, so als hätte er sich von John Rat erhofft. Und bei ein oder zwei dieser Gelegenheiten hatte er von einem anderen weiteren Torchwood gesprochen, dass zwar ähnliche Ziele wie seine Gruppe verfolgte – die Erde und die Menschheit zu schützen, dabei jedoch niemals die Unterstützung von Unternehmen angenommen hatte, weil sie schon ganz andere Geldgeber hatten. Und das machte vieles von dem, was er dort gerade sah, plausibler als alles andere. Er pfiff durch die Zähne. „Oh, verdammt noch mal, ich glaube, dass da sind die Schotten!“ platzte die Erkenntnis aus ihm heraus. „Die Schotten?“ Der Master musterte ihn amüsiert, schien aber auch interessiert daran zu sein, mehr zu erfahren. John kramte die Informationen zusammen, die er hatte: „Mit den Schotten meine ich eine Gruppierung von Torchwood, die sich vor gut achtzig Jahren, als das Ende der Monarchie erklärt wurde, abgespalten hat und seither ihren eigenen Wege gegangen ist, ohne sich dabei jedoch umzubenennen. Sie haben sich seither vollständig von London und Wales abgeschottet. Wie geheim sie operieren zeigte sich vor allem während und nach der Cybermen-Krise, denn damals haben sie eine Zusammenarbeit mit uns strikt abgelehnt, um nicht offenlegen zu müssen, was sie in der ganzen Zeiten getrieben haben. Es gibt ein oder zwei Kontaktleute in Edinburgh, die nach außen kommunizieren, wir haben aber keine Ahnung, wer sie eigentlich wirklich anführt. Der Verdacht liegt nahe, dass es Prinz Charles sein könnte, da dieser sich seit ein paar Jahren kaum noch in der Öffentlichkeit sehen lässt und die paar repräsentativen Pflichten seinen Söhnen überlassen hat, aber das bleiben reine Vermutungen von unserer Seite.“ Er hielt kurz inne und presste kurz die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen, weil das, was er jetzt sagte, wieder mit dem Doktor zusammen hing. „Und wir können bis heute ebenfalls nur vermuten, dass sie weiterhin dem Kodex folgen, den Königin Victoria einst für die von ihr gegründete Torchwood-Gesellschaft aufgestellt hat.“ „So, und wie lautet der?“, hakte der Master natürlich gleich nach. So ein Mist, jetzt hatte er zwei Sätze zu viel gesagt. Denn jetzt blieb John nichts anderes übrig als zu improvisieren, denn er konnte in diesem Fall nur auf das Wissen des Doktors und dessen eigene Erfahrungen mit dem Torchwood im anderen Universum zurückgreifen, und die Ursprünge der Organisation mussten hier nicht unbedingt identisch sein … „Nun ja …“, er zuckte mit den Schultern. „Das waren Gebote, die jedem Monarchen am Herzen liegen, der sein Land vor allem Übel beschützen möchte: Mit aller Kraft und allen Fähigkeiten, zu denen ein Mensch in der Lage ist, außerirdische und ausländische Einflüsse aufzuhalten und zu bekämpfen, aber auch die Menschheit zu beschützen, indem wir uns das Wissen der Aliens und natürlich deren Technik zu eigen machen, egal ob diese es zulassen wollen oder nicht!“ Der Master lachte spöttisch. „Ach, und das tut 'dein Torchwood' nicht? Aber ja, genau das ist euch Erdlingen ja so furchtbar eigen; Diese typische Mischung aus Paranoia, Größenwahn und Machtgier, aufgrund derer die höher entwickelten Völker des Universums sie als barbarische Spezies einstufen, die man besser klein hält“, und sah ihn herablassend an. „Nun, ich bin eher der Ansicht, dass man ihnen ruhig die Waffen in die Hand geben sollte, mit denen sie sich und ihre Welt vernichten, ehe sie zu einem größeren Ärgernis werden und und mit ihrer Aggressivität den Frieden im Universum nachhaltig stören.“ Er schnaubte verächtlich. „Aber da dem Hohen Rat der Erhalt des gegenwärtigen Zeitgefüges so wichtig ist, in dem die Bewohner des Planeten leider eine viel zu große Rolle spielen, sind mir leider die Hände gebunden …“ John schauderte. In diesem Augenblick schimmerte unter all der Arroganz des Timelords doch wieder die wahre, zerstörerisch veranlagte Natur des Masters durch. Der Mann schien aber selbst zu bemerkten, dass er die Maske ein Stückchen zu weit fallen gelassen hatte und wechselte lieber das Thema, ehe die letzten Worte zu sehr nachhallen konnten. „Was denkst du also, werden diese Leute jetzt mit deiner Freundin und ihrem Begleiter tun?“ „Ich habe keine Ahnung. Vermutlich das Übliche, was man in diesem Fall so tut. Sie werden sie erst einmal untersuchen, wenn es dazu Anlass gibt, dann verhören und …“ John winkte zunächst gedankenverloren ab, dann aber wurde ihm bewusst, was er da gerade gesagt hatte, und was das für seine große Liebe bedeuten konnte. 'Das muss ich um jeden Preis verhindern!' „Was wollen Sie damit andeuten?“ fragte er, als keine besondere Reaktion vom Master kam, sondern nur ein gelangweiltes Lächeln und Gähnen. Er starrte bärtigen Timelord überrascht und zugleich entsetzt an. „Wir werden Rose und den Doktor doch wohl nicht in den Händen von Torchwood Zwei lassen? Das können wir nicht tun!“ „Und warum meinst du, sollten wir etwas unternehmen?“ Der bärtige Timelord zog eine Augenbraue hoch. „Im Moment sehe ich wirklich keine Veranlassung, etwas zu unternehmen und unnötige Aufmerksamkeit durch eine Rettungsaktion zu erregen. Nun, wenn diese Männer etwas Vernunft im Leib haben, dann werden sie jemanden wie Rose Tyler sicherlich nicht umbringen …“ „Sind Sie sich da so sicher?“, fauchte John hitzig. „Immerhin ist Rose die Tochter eines Rivalen und könnte dem oder denjenigen, die Schottland leiten, gefährlich werden, wenn sie ihm gegenübergestellt wird - und dann … “ Seine Stimme versagte, weil er das Undenkbare nicht aussprechen wollte, die hitzigen Gefühle, die er von Donna kannte, wieder durchbrachen. „Dann wird …!“ „Ruhe jetzt! Man merkt wirklich, dass du ein verliebter Narr bist und ganz offensichtlich nicht viel von Politik verstehst“, unterbrach ihn der Master scharf. „Denn genau das ist der springende Punkt. Das Mädchen ist als Tochter des Leiters von Torchwood London eine kostbare und wichtige Geisel … und mit der entsprechenden Konditionierung, könnte sie die Speerspitze werden, die Peter Tyler zu Fall bringt …“ Es schien dem Master diebische Freude zu bereiten, ihm mit diesen Mutmaßungen, die vermutlich ganz seinem Hirn entsprangen, zu provozieren. John merkte durchaus, dass ihn das rasend machte, seine Gefühlswelt in einen brodelnden Kessel verwandelte, aber er konnte dennoch nicht wirklich an sich halten. „Hören Sie damit auf! Und verdammt noch mal, tun Sie … “, brüllte er den Timelord an und schlug mit einer Faust gegen die Wand, besann sich dann aber eines besseren, weil ihm glücklicherweise nicht entging, dass eine schwarz behandschuhte Hand langsam zu einem ganz bestimmten Kontrollgerät am anderen Arm wanderte. 'Nein, diesmal werde ich mir keine schmerzhafte Lektion einfangen! Diesmal nicht!' Für einen Augenblick schloss er die Augen, atmete tief durch, hoffte, dass sein Blutdruck bald wieder sank und versuchte es dann mit gedämpfter Stimme und anderen Argumenten „Und was ist mit dem Doktor? Haben Sie keine Angst, dass ihn die Leute dort durch Folter brechen und so an die Geheimnisse ihrer Spezies gelangen.“ Der Master schüttelte den Kopf. „Ach nein, diese Befürchtung habe ich nicht, denn der Doktor ist trotz seiner närrischen Verliebtheit in die Erdlinge immer noch genug Timelord, um genau zu wissen, dass man die Bewohner dieser Welt nicht mit dem Wissen Gallifreys vertraut machen sollte, geschweige denn, dass ihre beschränkten äffischen Gehirne wirklich viel davon verstehen und sogar nutzen könnten.“ Schmunzelnd fügte er hinzu. „Und ich muss zugeben, im Moment gönne ich dem Bastard durchaus ein paar ordentliche Schmerzen. An seinen Geist werden sie aber trotzdem nicht heran kommen, sie könnten ihn höchstens umbringen.“ Er verfiel in Schweigen und sprach erst nach einer Weile weiter. „Die Gefahr bei der ganzen Sache ist leider eine andere, deshalb werde ich auch weiterhin ein Auge auf die beiden haben. Aber in der Zeit, in der der Doktor erst einmal mehr mit seinem Problem beschäftigt ist, als die Leute dort um die Finger zu wickeln, will ich lieber für das nutzen, weswegen ich eigentlich hier hin gekommen bin. So kann er mir wenigstens nicht dazwischenfunken, wie er es bereits mehrfach getan hat.“ „Und das wäre?“ John knirschte mit den Zähnen. Er hätte dem Timelord so gerne weiterhin seine wahre Meinung gesagt, aber das gefährliche Funkeln in den Augen seines Peinigers hielt ihn davon ab. „Ich glaube mich zu erinnern, dass Sie so etwas erwähnt hatten. Waren Sie nicht auf der Suche nach jemandem?“ Immerhin klang seine Stimme weitestgehend ruhig, auch wenn er innerlich weiterhin kochte und viel lieber losgezogen würde, um Rose zu befreien, ehe sie noch mehr dem unseligen Einfluss des Doktors aus diesem Universum verfallen konnte. „Genau so ist es … und soweit ich weiß, verfolgen wir beide durchaus das gleiche Ziel.“ Der Master schaltete die Aufzeichnung ab und überkreuzte die Arme vor der Brust. „Diese beiden Personen, haben ja auch bereits dein Interesse erregt, oder täusche ich mich da? Dein Laptop und dein Notizbuch sprechen nämlich eine andere Sprache. Du weißt, von wem ich rede, nicht wahr?“ „Penelope Gate, eine junge und begabte Erfinderin aus dem späten 19. Jahrhundert und Ulysses, der Timelord, dessen Aufmerksamkeit sie erregt und dessen Liebe sie gewonnen haben muss.“ John nickte. „Aber dürfte die Spur nach über hundert Jahren nicht schon ziemlich kalt geworden sein?“ Der Master sah John mitleidig an und schüttelte dann enttäuscht den Kopf. „Ist das jetzt deine äffische Hälfte, die dich so linear denken lässt, John oder stellst du dich absichtlich dumm? Kalte Spuren existieren nicht, wenn man ein Timelord ist. Die Suche bedarf nur etwas der Feinabstimmung …“ Kapitel 20: Von alten Kameraden ... ----------------------------------- Der alte Mann lächelte Rose an. „Sie haben recht, es war unhöflich von mir, mich nicht sofort vorzustellen.“ Doch ehe er weiter sprechen konnte erklang ein leises Stöhnen zwischen ihnen. Der Doktor bewegte unruhig den Kopf, dann begannen seine Lider zu flattern. Er brauchte allerdings ein paar Sekunden , bis er die Augen ganz öffnete, aber dann sah er direkt zu ihr hin. „Hallo Rose …“, flüsterte er, während sich seine Gesichtszüge aufhellten. „Geht es dir gut?“ Die junge Frau nickte und öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder, weil der Doktor den Kopf bereits in die andere Richtung drehte, als bemerke er erst jetzt, dass sie nicht allein bei ihm stand. Na ja, konnte sie es ihm verdenken? Immerhin hatte er bis eben in einem komatösen Zustand dagelegen … und jetzt – wo er sich erstaunlich schnell erholte, schien er natürlich die Umgebung so schnell wie möglich erkunden zu wollen. Schon in dem Moment, in dem der Doktor den alten Mann genau ansah, weiteten sich seine Augen, dann huschte ein Strahlen über sein Gesicht. „Alistair, mein guter, alter Freund!“, rief er leise, aber begeistert aus. „Endlich sehe ich einen Mann, mit dem man vernünftig reden kann!“ „Nun, das muss sich erst noch erweisen.“ Die Miene des alten Mannes blieb starr, nahm sogar einen misstrauischen Zug an, dann jedoch schien auch bei ihm der Groschen zu fallen. „Sie haben es also schon wieder getan, Doktor“, meinte er daraufhin trocken, seine Mundwinkel zuckten. „Zum wievielten Male ist das jetzt?“ Rose blickte überrascht von einem zum anderen. Das klang danach, als sähen sich die beiden nicht das erste Mal, nein sogar mehr danach, als würden sich zwei alte Freunde nach vielen Jahren wieder begegnen! Sie war sichtlich irritiert. Ihr, den Krieg hassender und friedliebender, Timelord … nein, verbesserte sie sich, der Doktor dieses Universums hier, war mit einem Mann befreundet, der auch jetzt noch im Alter die Aura eines hochrangigen Offiziers hatte? Wie passte das nur zusammen? „Oh Alistair, du hast nur all zu recht“, seufzte der Lockenkopf etwas melancholisch. „Ich gebe zu, es wird langsam zu einer schlechten Angewohnheit von mir. Aber in den letzten Jahren hatte ich leider oft genug keine andere Wahl, als mich zu erneuern, wenn ich Leben retten wollte. Und das letzte Mal …“ Dann jedoch runzelte er die Stirn, als bemerke er plötzlich noch etwas anderes. „Das hier ist aber nicht das U.N.I.T.-Hauptquartier, oder? Ich kann mich nämlich noch sehr gut daran erinnern, dass Sie …“ „ … dass ich schon vor vielen Jahren ausgeschieden bin, um mich im Ruhestand mehr um meine zweite Frau Doris und meine Familie zu kümmern, ja, das haben sie richtig in Erinnerung, Doktor. Eigentlich wusste ich U.N.I.T. in den letzten Jahren bei meiner Tochter Kate in guten Händen, dann aber wurde die Organisation leider von Präsidentin Harriet Jones aufgelöst.“ Der alte Mann schnaubte ärgerlich. „Offiziell wurden die viel zu hohen Kosten für Großbritannien genannt, inoffiziell jedoch spielte da wohl mehr außenpolitisches Kalkül mit …“ Rose, die der Unterhaltung bisher nur stumm gefolgt war, und die dabei gewonnenen Erkenntnisse zu verdauen versuchte, schreckte aus ihren Gedanken hoch. Nun fiel ihr durch die letzten Äußerungen der beiden Männer endlich wie Schuppen von den Augen, wen sie da schon die ganze Zeit vor sich hatte. „Sie sind doch nicht etwa Sir Alistair Gordon Lethbridge-Stewart?“, fragte sie in die entstandene Stille. „Brigadier-General a.D., ehemaliger Gründer und langjähriger Leiter der UN-Organisation, die letztes Jahr aufgelöst wurde?“ „Ganz richtig, Miss Tyler.“ Das Gesicht des alten Mannes blieb weiterhin relativ unbewegt, auch wenn ein Schmunzeln seine Lippen umspielte. „Mich hatte schon gewundert, dass sie erst jetzt darauf gekommen sind.“ „Entschuldigen, Sie, aber in den Medien sind meistens nur ziemlich alte Aufnahmen von ihnen aufgetaucht, die ich nicht gleich in Verbindung mit ihnen gebracht habe“, entgegnete Rose und wich seinem Blick verlegen aus. So ganz stimmte das nicht. Nachrichten hatte sie sich im letzten Jahr kaum angesehen, weil sie … „Zudem war ich in den letzten Monaten wohl mehr mit persönlichen Sorgen beschäftigt, als aufmerksam die Nachrichten zu verfolgen“, murmelte sie mehr oder weniger in sich hinein. „Oh, U.N.I.T. ist aufgelöst worden? Das ist mir in der Tat neu und eine mehr als bedauerliche Entwicklung! Gerade jetzt, wo ...“ Der Doktor hob den Kopf nun da die Energie wieder in ihn zurückzukehren schien und die alte Unruhe in ihm erwachte. Er rüttelte unwillig an den Banden, die ihn noch immer fest auf der Trage hielten, als bemerke er erst jetzt, dass er noch immer gefesselt war. „Alistair, ich wäre wirklich dankbar, wenn Sie mich hiervon befreien könnten, denn dann ist es doch gleich viel angenehmer miteinander zu reden“, forderte er frech. „Gegen ein gutes Tässchen Tee hätte ich übrigens auch nichts einzuwenden“, fügte er dann mit einem Blick hinzu, der Rose unwillkürlich kichern ließ. Sie und der alte Mann sahen sich unwillkürlich an. Dann drückte der Brigadier a.D. Den Timelord jedoch mit fester Hand in seine liegende Position zurück. „So einfach wie in den guten alten Zeiten ist das heute nicht mehr, Doktor!“, sagte er ernst und mit einer warnenden Kopfbewegung zu den Soldaten. „Es tut mir leid, aber Sie müssen so bleiben, wie sie sind. Denn im Moment müssen wir Sie als die Hauptverdächtigen in einer Kette von Morden betrachten … und das muss erst einmal genauer untersucht werden.“ „Aber …“ Auch Rose horchte auf und fröstelte. Eine Kette von Morden? „Doktor, haben sie meine letzten Worte nicht verstanden? Das hier ist nicht der Ort für Plaudereien über die alten Zeiten“, unterbrach der ältere Mann den Doktor. „Außerdem habe ich keine Lust unnötig länger im Regen herum zu stehen.“ Er sah zu Rose, als suche er Bestätigung, die er ja eigentlich nicht brauchte. „Oder wie sehen Sie das, Miss Tyler?“ „Ich bin ihrer Meinung!“ pflichtete sie mit einem eifrigen Nicken bei, hatte sich der Niesel doch mittlerweile zu einem Sprühregen gesteigert, der langsam auch ihre Jacke durchtränkte, die Jeans und die Schuhe fühlten sich eh schon so an, als seien sie völlig durchgeweicht. An den Zustand ihrer Haare wollte sie lieber gar nicht erst denken. Außerdem kehrte ein Gefühl von Benommenheit und Schwindel in ihren Kopf zurück, dass sie gar ganz und gar nicht angenehm fand. * * * Etwa eine halbe Stunde später saß Rose auf der Liege in einem Untersuchungsraum, der sich auch in jedem stinknormalen Krankenhaus hätte befinden können, so wie es hier roch und aussah. An drei Wänden waren Türen, dazwischen standen Schränke mit Glastüren oder Schiebefächern für Medikamente, Verbandsmaterial und Untersuchungsgeräten. Eine junge Frau, offensichtlich eine Sanitäterin, die hier auf der Basis Dienst tat, hatte ihr geholfen sich trocken zu rubbeln und in eine schlichte Kombination aus schwarzer Jogginghose und grauem Shirt zu schlüpfen. Eine Decke um ihre Schultern hielt sie zusätzlich warm, ihre Füße steckten in unförmigen Filzpantoffeln. Sie gähnte. Ihre Aufmachung sah vielleicht nicht gerade modisch aus, aber sie erfüllte ihren Zweck. So langsam ging es ihr wieder besser. Zwischendurch war auch der Chefarzt der Basis aufgetaucht, ein älterer Mann, der sich ihr als Doktor Harry Sullivan vorgestellt hatte. Er hatte sie kurz untersucht, nach ihrem Zustand befragt und ihr dann auch noch eine, wie er sagte kleine Dosis des Gegengifts gegeben. Danach war er erst einmal wieder den Raum verschwunden, in den die Soldaten den Doktor verfrachtet hatten. Rose seufzte und sah sich um. 'Ob das hier der Behandlungsraum für die verletzten Mitglieder von Torchwood Zwei ist?“, fragte sie sich und ließ den Blick erneut schweifen, verharrte an der Tür auf der gegenüberliegenden Seite, durch die kein Laut drang. 'Und nebenan befindet sich dann das Labor, in dem sie sich die Aliens vornehmen?' Sie schauderte und wollte sich gar nicht ausmalen, wie es dort aussah. Lieber nicht. Sich vorzustellen, dass der Doktor jetzt dort … nein … Dennoch war sie mehr als einmal versucht gewesen, einfach nachzusehen, wenigstens einen Blick durch die schmalen verglasten Sehschlitze zu werfen, in der Hoffnung, herauszufinden, was dahinter zu finden und zu sehen war. Aber immer wenn sie dann versucht hatte, auf die Beine zu kommen, hatte sie ein starkes Schwindelgefühl erfasst, vor dem sie der Mediziner als einer der Nebenwirkungen gewarnt hatte. Also hörte sie auf ihren Körper und unterließ irgendwelche Eskapaden. Sie hatte keine Lust darauf, durch die Gegend zu taumeln und dann auch noch würdelos auf dem Boden zu landen. Die junge blonde Frau seufzte. Der Moment der Ruhe gab ihr leider auch wieder Zeit über ihre Situation nachzudenken. Nicht nur das Offensichtliche – dass sie jetzt in der Basis von Torchwood Zwei fest saßen und vermutlich eine unangenehme Zeit vor sich hatten … auch das Chaos an Gedanken und Gefühlen, das in ihr tobte. Sie fühlte sich schuldig, dass sie so gut wie keinen Gedanken an John verschwendet hatten, seit sie und der Doktor versucht hatten, ihren Verfolgern zu erwischen. Bei der ganzen Action war sie gar nicht recht zum Grübeln gekommen und dann … Ein wehmütiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Du bist so überaus faszinierend, Doktor. Auch in dieser mir fremden Inkarnation. Aber du bist immer noch du … und das kannst du nicht verleugnen!“ Sie grinste schief. „Vielleicht sogar noch einen Tick charmanter und liebenswerter, unbeschwerter und fröhlicher. Das mag ich so an dir … und das hat mich dazu gebracht, mich dir irgendwie anzuvertrauen und in dieses Abenteuer mit ungewissen Ausgang zu folgen …“ Sie verstummte. Ja verdammt, sie mochte diesen Doktor, sie hatte sich ihm in dieser kurzen Zeit schon so sehr anvertraut, als seien sie alte Bekannte, was von ihrer Seite aus auch irgendwie der Fall war, wenn man es genau nahm. Dennoch war etwas anders, fehlte in ihrer Verbindung zueinander ein entscheidender Punkt: Dieser Doktor hier liebte sie nicht. Für ihn war sie noch eine völlig Fremde, eine Begleiterin, die ihm zufällig in den Weg gestolpert war und die er erst noch kennenlernen musste, um dann vielleicht so etwas wie Gefühle zu ihr zu entwickeln. „Aber genau dazu darf ich es niemals kommen lassen“, murmelte Rose ernüchtert. „Das würde alles nur noch verkomplizieren und vor allem: Das bin ich John so was von schuldig!“ Sie schlug die Hände vor das Gesicht und schluchzte. „Verdammt! Ach verflucht, warum bin ich nur so blöd gewesen!“ Eine wirre Folge von Bildern huschte durch ihren Geist. John – noch in den blauen Anzug des Doktors gekleidet – als er ihr in der Bad Wolf Bay das wichtigste Versprechen seines jungen Lebens gab. Die Worte, die er ihr ins Ohr geflüstert hatte, weil der Doktor nicht in der Lage gewesen war, ihr genau dieses Geständnis zu machen. Die unschuldige Leidenschaft, mit der sie sich das erste Mal in einem Hotel in Norwegen geliebt hatten, und sein unbeschwertes Lachen, als ihre Liebe noch von allen Unstimmigkeiten und Problemen unbelastet gewesen war, als sie selbst noch bereit gewesen war, sich ihm zu öffnen und ihre Gefühle für den Doktor auf ihn zu übertragen. Aber dann kehrten auch die Gedanken an die Ernüchterung zurück, erkennen zu müssen, dass John in vielem zwar dem Doktor glich, aber längst nicht in allem, dass er auch Launen und Eigenschaften entwickelte, die er nicht von dem Timelord sondern seiner genetischen Mutter Donna geerbt hatte, die sie anfangs immer wieder irritierten. Und nicht zuletzt … die Wut auf die unnötige Sturheit ihres Partners, wenn er nicht hatte einsehen wollen, dass er mit seinen eigenen Marotten gefälligst zurück zu stecken hatte und sich wieder so benehmen sollte, wie sie es von ihm erwartete. Schließlich hallte noch sein letzter Blick in ihr nach die Mischung aus ungebrochener Liebe und tiefem Schmerz in seinen Augen, als sie mit ihm gebrochen und sich schließlich – nach Monaten des Zögerns – dann doch von ihm getrennt hatte. „Ich habe John nach einem Ideal des Doktors, das nur in meinem Kopf steckte, seine Persönlichkeit nach meinen eigenen selbstsüchtigen Wünschen formen, ihm aber nicht wirklich zugestehen wollen, dass er ein eigenständiges Wesen ist und keine exakte Kopie meines Freundes“, warf sie sich selbst leise vor. „Außerdem habe ich vergessen oder verdrängt, wie oft ich selbst so verdammt sauer auf den Doktor gewesen bin und wie gerne ich ihn für mich einen begriffsstutzigen Idioten genannt habe. Wie oft und gerne ich ihm eine runter gehauen hätte, nur weil er manchmal so furchtbar eingebildet auf sich und seine tollen Fähigkeiten war, auf der anderen Seite aber nicht kapiert hat, oder hat kapieren wollen, was ich ihm sagte oder weil er in seinem Übermut voll in das nächste Fettnäpfchen getrampelt ist.“ Sie hielt inne und wischte sich Tränen aus den Augen, aber besser fühlte sie sich dadurch nicht. „John dagegen hat mich auf Händen getragen und immer versucht auf mich einzugehen, aber ich war so blöd und habe ihm nur immer und immer wieder seine Fehler angekreidet. Manchmal glaube ich echt, ich bin zu blöd für Beziehungen. Und jetzt …“ Sie senkte die Hände und schluckte schwer. Wenn sie den Andeutungen des Doktors und seinem ernsten Gesichtsausdruck glauben durfte, dann war John vermutlich in den Händen einer überaus gefährlichen Person, über die selbst der Timelord nur mit gehörigem Respekt und vielleicht sogar einem gewissen Hauch von Furcht sprach Sie musste also, wenn es hart auf hart kam mit dem Schlimmsten rechnen … Doch in diesem Moment schreckte sie aus ihren Gedanken, denn die Doppeltür zum anderen Raum klappte auf und der Arzt tauchte zwischen den beiden Flügeln auf. Rose horchte überrascht auf, denn er hörte sich fast so an, als kenne auch er den Doktor nur all zu gut … Kapitel 21: Der Vergangenheit auf der Spur ------------------------------------------ „Fassen wir einmal zusammen …“ John staunte noch immer über die Tatsache, dass ihm der Master über ein Terminal in der Wand – wenn auch nur sehr eingeschränkten - Zugriff auf die Datenbank seiner Tardis gewährt hatte, um die gesammelten Informationen über Penelope Gate und Ulysses miteinander abzugleichen. Im Großen und Ganzen deckten sich die meisten, auch wenn sie teilweise aus anderen Quellen stammten. Nur einige Hinweise waren neu, unter anderem auch zwei Bilder, des Paares die ihm irgendwie entgangen waren. So schälte sich nach und nach ein faszinierendes Bild heraus, dass ihn für Momente seine Lage vergessen und die Neugier die Überhand gewinnen ließ. Vielleicht gab ihm das auch die Kraft, stark zu sein, wenn sich ihm wieder die düsteren Gedanken aufdrängen wollten. Er hoffte es zumindest – jetzt galt seine Aufmerksamkeit aber dem Bildschirm. „Penelope Gate war ein herausragender Geist, einer der wenigen Menschen ihrer Zeit, die in der Lage waren, vierdimensional zu denken. Damit war sie den meisten Ihres Fachs weit voraus, durchbrach nicht nur Grenzen, an denen sonst keiner zu kratzen wagte, sondern auch solche an die man damals nicht einmal dachte …“ Eine Mischung aus Stolz und Wehmut erfüllte ihn. Wäre er der Doktor gewesen – er hätte diese junge Frau mit Sicherheit auch kennen lernen wollen und wahrscheinlich sogar an Bord der Tardis geholt. Nun vielleicht hatte Ulysses ja genau das getan. Nicht alle Timelords dieses Universums mussten so arrogant und eingebildet sein, wie der, in dessen unmittelbarer er sich befand. Der Master schnaubte abfällig über die Äußerung und winkte gelangweilt ab, als er kurz über die Schulter zu diesen hinsah. Der bärtige Mann lehnte sich lässig gegen die Konsole. Würde jetzt wieder eine Bemerkung über den beschränkten äffischen Geist der Erdlinge kommen? Nein? Auch gut. Seine Aufmerksamkeit kehrte zum Bildschirm zurück. „Sie bastelte sich aus dem Material, an das sie ohne Probleme kam, wohl eine Zeitmaschine zusammen. Die Energiequellen, die sie zur Verfügung hatte, reichten allerdings nur aus, um das Modell ein paar Stunden in die Zukunft zu schicken. Das reichte aber aus, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen, der ebenfalls gerade in Cambridge weilte. Dieser ganz spezielle Timelord gab sich als wohlhabender amerikanischer Gelehrter und Gentleman aus, als ein gewisser Doktor Ulysses, der von der gebildeten, aber recht konservativen Gesellschaft wohl sehr gerne eingeladen wurde, weil man es schätzte, dass er wohl anders als viele neureiche Besucher der neuen Welt höchst gebildet und ein angenehm gesitteter Umgang war …“ Er rieb sich über das Kinn. Natürlich wusste er sehr wohl, wer Ulysses war, aber gegenüber dem Master spielte er bewusst den Dummen und fragte deshalb: „Mich würde schon interessieren, was ein Bewohner Gallifreys gerade dort gewollt hat, denn eigentlich dürften die Erkenntnisse und Entdeckungen, die dort zu dieser Zeit gemacht wurden, nicht besonders aufregend für jemanden von ihrer Spezies …“ Der bärtige Timelord machte eine unwillige Handbewegung. „Es ist für dich unwichtig zu wissen, was Ulysses dort trieb.“ „Natürlich, ja …“, John presste die Lippen aufeinander. 'Vermutlich wichtige Timelord-Geschäfte, um die Menschen klein zu halten und vom richtigen Weg abzubringen, oder aber die Peinlichkeit, dass es ein Angehöriger seiner geistig weit über den Menschen stehenden Spezies, wagt, diese doch irgendwie faszinierend zu finden und sich ohne Vorbehalte unter sie zu mischen', dachte er bissig. 'Nichts was ein jämmerliches Halbblut etwas anzugehen hat. Aber für alles andere, für die Drecksarbeit bin ich gerade gut.' Dann schluckte er jedoch seinen Groll herunter. Es nutzte nichts, sich zu ärgern, also machte er in der Zusammenfassung der Erkenntnisse weiter. „Ulysses unternahm daher alles, um mit Professor Gate und seiner Familie in Kontakt zu kommen und Penelopes Vertrauen zu gewinnen. Weil sie ihn wohl nur für einen weiteren lästigen Verehrer hielt, blieb die junge Frau jedoch sehr misstrauisch und distanziert. Das änderte sich ganz offensichtlich erst, als er während eines schweren Unwetters zur Stelle war und sie aus dem brennenden Gartenhäuschen rettete, in das ein Blitz eingeschlagen war. Aufgrund der Notizen ihres Vater ist wohl sicher, dass sie die Energie der Entladungen für ein Experiment hatte verwenden wollen, dabei aber die Instabilität und die Kraft unterschätzt hatte. Aufgrund der Geräusche, die von Augenzeugen erwähnt wurden, steht wohl außer Zweifel, dass Ulysses sie mit seiner eigenen Tardis aus dem unsicheren Zeitfeld gepflückt hat, das sich um den Prototyp ihrer Zeitmaschine herum entwickelt hatte. Sie berichteten auch von einem heftigen Streit zwischen der jungen Frau und ihrem Retter, als die beiden wie aus dem nichts aus einem nahegelegenen Heckenlabyrinth erschienen …“ Die Worte kamen ihm so erschreckend leicht von den Lippen. John schmunzelte dabei auch noch in sich hinein, wurde dann aber wieder ernst. Manchmal wünschte sich, seine eigene Liebesgeschichte mit Rose hätte so stürmisch angefangen und wäre nicht nur die Weiterführung einer alten Beziehung gewesen, in der er nur den Ersatzcharakter spielte. „Was auch immer direkt danach geschehen ist, darüber schweigen unsere Quellen ja leider … aber eines ist sicher, „Die Eiserne Jungfrau, die nur für die Wissenschaft lebt und Männer gerade einmal als Diskussionspartner akzeptiert, schien sich besonnen zu haben. In der Folge wurde sie jedenfalls immer öfters in Gesellschaft des amerikanischen Gelehrten gesehen, mit dem sie nicht nur fachsimpelte, sondern auch … glaubt man dem Klatsch der „Cambridge Gazette“ … schließlich sogar recht zärtlich zugetan war. Nun, um dem Gerede zuvor zu kommen, heirateten sie schließlich in kleinem Kreis und brachen dann zu einer großen Hochzeitsreise auf.“ Er sah zum Master hin. „Florenz in seiner Blütezeit unter Leonardo dem Prächtigen, die Große Bibliothek zu Alexandria, kurz bevor sie in Flammen aufging … und noch ein paar Orte mehr, die nur ein Timelord mit seiner menschlichen Braut besuchen konnte. Es scheint, als habe er mit ihr die Stätten der irdischen Gelehrsamkeit besucht, die sie gerne hat sehen wollen … aber nichts davon, lässt darauf schließen, dass sie sich irgendwo für länger niedergelassen haben.“ John runzelte die Stirn, auch wenn er genau dieses Wissen durch seine Recherchen bisher nicht erlangt hatte. Wie denn auch … mit den menschlichen Mitteln, die ihm zur Verfügung gestanden hätten. Ein wenig ärgerte es ihn doch, dass er selbst nicht mehr in der ferneren Vergangenheit gegraben hatte. Aber machte das wirklich so viel aus? Denn die aus den Daten gezogenen Erkenntnisse waren eher ernüchternd. „Aber das ist alles nichts, was uns wirklich weiter bringt, um sie zu finden, der einzige klare Hinweis sind die Notizen über ihre Abreise nach Amerika und der Vermerk des Arztes der Familie Gate, dass er dem Unterfangen nur unter Vorbehalt zustimme, da er eine Schiffsreise für eine junge Frau im Zustand guter Hoffnung für gefährlich halte. Tja, und das war es …“ Verärgert darüber, dass ihn der Master einerseits die ganze Arbeit machen ließ, andererseits Informationen vorenthielt, die das Bild vermutlich runder machen würden, fügte er doch ein wenig frustriert hinzu: „Und der Kontinent ist verdammt groß, nicht so ein überschaubares Ländchen wie Großbritannien. Sie können überall und nirgends hingegangen sein. Und ich denke nicht, das sie lange an Bord des Schiffes geblieben sind, in dessen Passagierliste ihre Namen stehen. Schließlich hat die „Atlantic Star“ New York niemals erreicht, weil sie durch einen Sturm mitten im Nordatlantik untergegangen.“ Unwillig tippte er mit den Fingern gegen das wie eine Arbeitsplatte heruntergeklappte Wandelement, vor dem er stand und starrte auf den milchigen Bildschirm voller sich überlappender Bilder und Icons, die auf Textdateien hinwiesen. „Immerhin haben wir dadurch zumindest ein klares Datum für die angebliche Abreise aus Southhampton nämlich den 23.Mai 1889.“ Moment einmal, konnte das eine Möglichkeit sein, den Gesuchten doch noch auf die Schliche zu kommen und sie abzufangen? Er drehte sich plötzlich zum Master um und sah diesen herausfordernd an. „Sie sagten ja, dass es für einen Timelord keine kalten Spuren gäbe. Warum also wagen wir nicht den kleinen Sprung und schauen uns an, ob Ulysses und seine frisch angetraute Gemahlin tatsächlich an Bord gehen. Denn wie die beiden zu der Zeit aussehen, wissen wir ja!“, forderte er den Master heraus und rief ein stark vergilbtes Hochzeitsfoto auf. Der zog nur eine Augenbraue hoch, zeigte aber ansonsten keine Regung. John verkniff sich ein Seufzen. Wollte ihn der Timelord etwa zappeln lassen, um dann eine abschlägige oder zynische Antwort zu geben zuzutrauen war es ihm ja … Dann zuckte er zusammen, denn der Master klatschte in die Hände. „Das wollte ich von dir hören, mein Junge!“, meinte er amüsiert. „Das sind endlich einmal intelligente Worte, nicht nur freches aber hohles Geschwätz, Jammern oder gar jähzorniges Geschrei.“ 'Denk doch was du willst, Mistkerl!' Johns verzog das Gesicht, trat dann jedoch trotzdem aufgeregt und ein wenig neugierig näher an die Konsole heran, um dem Master auf die Finger zu schauen, der ihn in diesem Fall sogar gewähren ließ. Mit effizienten Bewegungen stellte der Timelord die Raum-Zeit-Koordinaten ein und legte dann den Hebel um, mit dem er die Tardis aktivierte. Unwillkürlich glänzten Johns Augen. Auch wenn er hier keinen besonderen Status genoss und jederzeit mit Schmerzen und Tod rechnen musste – es fühlte sich doch verdammt gut an, zu hören, zu sehen und mit jeder Faser seines doch nur zu menschlichen Körpers zu spüren, wie sich der Zeit-Rotor in Bewegung setzte, die Tardis dematerialisierte und sanft in den Vortex glitt. Ein angenehm warmes Kribbeln fuhr durch seinen ganzen Körper und er wollte einfach nur noch die Augen schließen, um diesen Moment zu genießen, ihn mit allen Sinnen einzufangen und mitzunehmen. Im nächstem Augenblick musste er allerdings sich festhalten, denn ein heftiger Ruck ging durch das Schiff, gefolgt von weiteren nicht minder unangenehmen Erschütterungen. Es fühlte sich an, als ob sie gerade in einem Stein gefangen seien, der flach geworfen, an der Wasseroberfläche entlang hüpfte, als würde er von dieser abprallen. Der Master fluchte heftig, so dass John nicht einmal mehr fragen musste, was gerade passierte. Er wusste es einfach: Dem Schiff gelang es nicht die „Wände“ des Vortex an der gewünschten Stelle zu durchdringen, nein es prallte regelrecht an ihnen ab, wurde stattdessen zurück in den Zeitstrom geschleudert. Ein erneuter Versuch führte zum gleichen Ergebnis. Ebenso wie der dritte und der vierte, auch wenn der Master zwischendurch die Koordinaten veränderte, ihre Ankunftszeit um Stunden oder gar tage und Wochen verschob, und dabei immer grimmiger und wütender mit seinen Händen über die Konsole fuhr. Jemand war sehr trickreich dabei vorgegangen, eine Barriere zu errichten, die es unmöglich machte, in die Jahre zwischen 1888 und 1890 in den Süden Englands oder in die Vereinigten Staaten zu springen. Und das musste jemand sein, dessen Können offensichtlich sogar das des Masters überstieg, der aus noch unbekannten Gründen nicht zulassen wollte, dass jemand die damaligen Ereignisse genauer unter die Lupe nahm. 'Doktor, warst du das?', fragte er sich stumm und hielt sich derweil an der Wand fest, um zu verhindern, dass er aus lauter Neugier selbst Hand an die Konsole anlegte und dem Master damit noch mehr über sich verriet. Außerdem war mit dem gerade nicht gut Kirschen essen, so wütend wie der gerade war. Schließlich gab der Timelord mit einem wütenden Schlag gegen den Zeitrotor auf, gegen die Barriere anzukämpfen und ließ das Schiff unwillig zu seiner Ausgangsposition zurück. Mit einem finsteren Gesicht schaltete er den Zeitrotor ab und mahlte mit dem Kiefer, murmelte etwas zu sich selbst und wandte sich dann wieder John zu. „Und was tun wir jetzt?“, fragte dieser, konnte in seiner Stimme und in seinen Augen jedoch nicht seine Schadenfreude verhehlen, mitzuerleben, dass auch die Arroganz des Masters angekratzt werden konnte. Das kam ihn teuer zu stehen denn nur Sekunden später schrie John laut auf. Er ging mit einem gequälten Wimmern in die Knie, weil heftige Schmerzwellen, ausgehend vom Arm durch seinen Körper rasten und nicht nur dafür sorgten, dass ihm die Tränen in die Augen schossen, sondern auch, dass jedes Hochgefühl, jede Freude und jeder andere Gedanke als an das, was ihm gerade angetan wurde, verschwand. Kapitel 22: ... und früheren Abenteuern --------------------------------------- „Doktor, diese Diskussion hatten wir schon vor über dreißig Jahren. Es mag ja sein, dass Ihre Verletzungen schon am Ausheilen sind … aber müssen das gleich alle wissen? Schlafen Sie noch eine Runde, meditieren Sie, aber stellen Sie den Ruheraum bitte nicht auf den Kopf und versuchen Sie schon gar keine Extratouren. Der Brigadier muss noch ein paar Sachen klären, dann kommt er zu Ihnen. Das kann aber durchaus ein oder zwei Stunden dauern. Die Geduld müssen Sie aufbringen, ja?“ Rose korrigierte ihre Meinung über Doktor Sullivan. Der Mediziner, der in seinen frühen Sechzigern stehen musste, da das Grau sein einstmals schwarzes Haar noch nicht ganz silbern gefärbt hatte, sprach nicht nur mit mit dem Timelord, als sei dieser ein kleines Kind, sondern auch so als ob er ihn kennen würde … und deshalb verdammt gut wusste, wie dieser tickte. Konnte es sein, dass auch er mit ihm gereist war? Was der Doktor antwortete, konnte sie leider nicht ganz verstehen, aber der Klang seiner Stimme ließ sie aufatmen. Schlecht schien es ihm nicht zu gehen – das war schon einmal gut. „Ihre Begleiterin ist bald wieder vollständig auf den Beinen und wird keine Schäden durch das Betäubungsmittel zurückbehalten, dafür habe ich gesorgt!“, erwiderte Sullivan wohl auf eine Frage des Timelord. „Und nun lassen Sie mich endlich nach ihr sehen, um so schneller kann ich das Mädchen zu Ihnen bringen!“ Diese energische Bemerkung schien zu wirken, denn der Mediziner konnte sich endlich abwenden und ganz aus der Doppeltür treten. Mit einem Kopfschütteln und sichtlich amüsierten Gesichtsausdruck drehte er sich zu ihr um, und verwandelte sich wieder in den freundlichen aber professionell distanzierten Arzt. „Nun, Miss Tyler, wie geht es Ihnen?“, fragte er dann und trat an sie heran. „Mir ist im Moment nur arg schwindelig, aber ansonsten verschwindet endlich die bleierne Schwere aus meinen Gliedern.“ „Das klingt gut. Der Schwindel dürfte spätestens in einer halben Stunde gegessen sein. Der menschliche Organismus verkraftet Gift und Gegengift recht gut, im Gegensatz zu dem mancher außerirdischer Rassen“, erwiderte er nach einem Blick auf seine Armbanduhr und studierte dann aufmerksam ihre Augen. „Ihre Pupillen reagieren jedenfalls so wie sie es sollten. Das wird schon wieder und zwar schneller als Sie denken.“ „Darüber bin ich echt froh!“ Rose runzelte die Stirn. „Nur interessehalber: Was wäre eigentlich dem Doktor passiert, wenn er von einem der Pfeile getroffen wurden wäre?“ Doktor Sullivan sog scharf die Luft ein. „Ich befürchte … das hätte nicht gut besonders für ihn geendet. Einige der Substanzen in den Ampullen sind pures Gift für sein Volk, soweit ich weiß. Insofern, kann er von Glück reden, dass Sie den Schuss abgefangen haben, auch wenn das jetzt gemein klingt“, fügte er mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu. „Sie scheinen ja eine ganze Menge über den Doktor zu wissen.“ Rose hielt plötzlich den Blick des Mannes fest. Sie zügelte ihre Neugier nicht länger, denn sie wollte es jetzt genau wissen: „Sagen Sie mal: Kennen Sie den Doktor etwa auch?“, platzte sie dann aufgeregt heraus. Doktor Sullivan richtete sich auf und rieb sich über den gestrafften Rücken. Er musterte sie mit einem eigenartigen Blick. „Das kann man so sagen … „, meinte er nachdenklich. „Das ist jedoch schon eine ganze Weile her, lange vor Ihrer Zeit. Ich glaube, da waren Sie noch nicht einmal geboren, wenn ich ihr Alter richtig einschätze“, erwiderte er leise und lächelte dann in sich hinein. „Damals hat der Doktor allerdings noch etwas anders ausgesehen als heute … auch wenn er offensichtlich lockiges Haar zu mögen scheint und immer wieder zu solchen Frisuren zurückkehrt.“ Er räusperte sich. „Das Leben mit dem Doktor kann recht turbulent und gelegentlich so gefährlich werden, dass man um seine Existenz fürchten muss, aber es wird niemals langweilig. Ich nehme an, das wissen Sie bereits, als seine derzeitige Begleiterin, Miss Tyler, oder?“ „Oh ja, das stimmt, die Erfahrung habe ich auch schon machen müssen!“, erwiderte Rose hastig, auch wenn die Aussage nicht ganz stimmte, da es nicht auf dieses Universum zutraf. Immerhin hatte sie den Doktor zwei Jahre begleitet, und auch jetzt – mit der hiesigen Inkarnation hatte sich die eben von Doktor Sullivan getroffene Aussage irgendwie bewahrheitet … egal wohin sie kamen, sie fingen sich irgendwie Ärger ein. Meistens ohne es zu wollen. Außerdem bestätigte sich damit ihr Verdacht: Die Reisen als „turbulent und gefährlich, aber niemals langweilig“ zu bezeichnen, das konnte wohl nur jemand tun, der genau wusste, von was er da sprach. Ein wenig erinnerten seine Wortwahl und seine Mimik an die von Sarah Jane Smith, ebenfalls einer ehemaligen Begleiterin, mit der sie sich damals wunderbar unterhalten hatte, als sie und der frisch reinkarnierte Doktor den geheimnisvollen Vorgängen in einer Schule nachgegangen und prompt wieder auf gefährliche Aliens gestoßen waren. Okay, damals war sie eine Zeit lang verdammt eifersüchtig auf die Ältere gewesen, weil die mal eben so gleich alle Aufmerksamkeit des Doktors auf sich gezogen hatte – aber als sich die Unstimmigkeiten geklärt hatten … Sie musste unwillkürlich kichern, als sie daran dachte, wie sie und Sarah-Jane voller Vergnügen den Doktor durch ihr Getuschel über die unterschiedlichen Abenteuer und ihnen bekannten Macken und Marotten regelrecht aufgezogen hatten. Sicher, das war gemein gewesen … aber das hatte er auch damals verdient. Doktor Sullivan erwiderte die Reaktion mit einem wissenden Schmunzeln. Ob er auch so schräge Anekdoten über die kauzigen Eigenheiten des Timelords auf Lager hatte, so wie Sarah Jane … nette Peinlichkeiten, die sie sich alle gemerkt hatte, um sie ihm bei passenden Gelegenheiten unter die Nase zu reiben? Auch wenn sie ihn jetzt nicht danach fragte, so erfüllte sie jetzt doch ein Gefühl der Wärme und Erleichterung. Nun, da gleich zwei alte Kameraden des Doktors hier waren, sah alles gleich viel besser aus und die Gefangenschaft bei Torchwood Zwei gleich viel leichter zu ertragen. Jetzt konnte alles doch nur noch besser werden, oder? * * * 'Ah, das tut gut!' Rose hatte sich in die Decken gekuschelt den Kopf auf das zusammen geknautschte Kissen gebettet. Es tat wirklich gut, den Körper endlich mal lang auszustrecken und sich dabei warm und geborgen zu fühlen. Jetzt fehlte nur noch eines – etwas um ihren beharrlich murrenden Magen zu füllen. 'Ich wäre ja auch schon mit ein paar Tassen Tee und Keksen zufrieden', dachte sie und ließ noch einmal den Blick durch den Raum schweifen. Zwei Plastik-Wasserflaschen und Becher standen zwar auf einem Bord zwischen den Betten, aber das würde ihren Hunger auch nicht stillen, zumal eine davon schon fast leer war. Glücklicherweise hatte sich das Zimmer neben dem Untersuchungsraum nicht als Labor, wie aus einem Horrorfilm entpuppt, sondern tatsächlich als freundlich ausgestatteter Ruheraum mit zwei Krankenhausbetten, einem hellen Anstrich und angenehm leuchtenden Lampen. Das einzige, was die Idylle etwas störte war die zu einem flachen, länglichen Paket zusammengeklappte Trage, die jemand unter das Bett des Doktors verfrachtet hatte, so als wolle man sie unter Umständen noch einmal in Gebrauch nehmen, wenn man auf Nummer Sicher gehen wollte. Außerdem hatte das Zimmer kein Fenster, nur einem schmalen, hoch gelegenen Lüftungsschacht durch den vermutlich gerade mal ein Baby passte. Der einzige Weg nach draußen schien wirklich die Doppeltür zu sein. 'Nun gut – das sieht zwar nicht wie ein Gefängnis aus, ist aber trotzdem eines! Und wir werden von mindestens zwei Leuten bewacht.' Das hörte sie an den leisen Stimmen, einem abgehackten Husten und Räuspern, all den Geräuschen also, die in unmittelbarer Nähe zu hören waren. Und dass waren bestimmt nicht die einzigen Angehörigen von Torchwood Zwei, die ein Auge darauf hatten, dass sie beide nicht auf die Idee kamen, stiften zu gehen. 'Aber ich will nicht ungerecht sein, Doktor Sullivan und Sir Lethbridge-Stewart waren bisher so offen und freundlich zu uns wie sie konnten. Ich habe jetzt berechtigte Hoffnung, dass wir heil aus der ganzen Sache rauskommen', stellte Rose für sich fest. 'Auch wenn immer noch ein paar Fragen offen sind.' Mit einem guten Gefühl erinnerte sie sich an den Arzt, der sie vor einer guten Stunde in das Zimmer gebracht und sie flüsternd gebeten hatte, ein „Auge auf den Doktor zu haben“, der wie ein trotziger Junge auf seinem Bett gehockt und unwillig in einem Buch geblättert hatte, als sie beide herein gekommen waren. Wie er trug er Shirt, Socken und Trainingshose in gedeckten Farben, allerdings keine Schuhe. Durch den vertrauten Umgang zwischen den beiden Männern hatte sie nun mit eigenen Augen die Bestätigung bekommen, dass der – sie grinste schief – der Doktor einmal der Begleiter des Doktors gewesen war - denn die Gelassenheit und Frechheit im Umgang mit dem Timelord war einfach zu offensichtlich die eines alten Freundes. Harry Sullivan schien dessen Macken nur zu gut zu kennen, auch wenn sie die ein oder andere Äußerung seltsam fand– vor allem nicht die flapsige Bemerkung über ein Sprungseil, die dem Doktor ein herzliches Lachen entlockte. Sie gähnte ein weiteres Mal herzhaft, was den Doktor dazu veranlasste, mit dem Vorlesen innezuhalten. Das war das einzige gewesen, was ihr vorhin eingefallen war, um den Timelord wie versprochen ruhig zu halten. Er blickte sie ein wenig enttäuscht an, so dass Rose rasch einlenkte. „Oi, so war das nicht gemeint. Und das lag echt nicht an Ihnen. Sie haben eine tolle Stimme! Und das ist nicht nur Schmeichelei, sondern ehrlich gemeint!“ Sie stützte den Kopf auf den angewinkelten Arm, ehe sie weiter sprach. „Na ja, das Buch ist nur so verdammt langweilig geschrieben. Alles ist so umständlich in die Länge gezogen … “ „Finden Sie, das wirklich?“ Der Doktor strich sich ein paar Locken aus der Stirn, dabei fiel eine andere vorwitzig über die Schläfe, was sie ausgesprochen niedlich fand. Selbst die schlichte Kleidung tat seinem verträumten Charme keinen Abbruch, sie ließ ihn fast noch unwirklicher erscheinen. „Dabei hat Sir Arthur Conan Doyle einen für seine Zeit wirklich lebendigen Stil besessen. Ein netter und kluger Mann übrigens, genau so wie sein Bekannter aus Schottland, an den er seine Figur Sherlock Holmes angelehnt hat. Ein wacher Verstand, Wagemut und Fantasie … ja, das sind die Dinge, die die Menschheit vorangebracht haben … “ Er lächelte versonnen in sich hinein. „Aber ich verstehe Sie schon Rose, … im 21. Jahrhundert muss alles viel schneller gehen, und die Schönheit der Worte zählt weniger als die Bilder- und Musikflut mit der sich viele heute durch MTV und Co. überschütten lassen“, neckte er sie mit einem frechen Zwinkern. „Ich muss Ihnen wirklich vorkommen, als sei ich ein Relikt aus vergangenen Zeiten.“ „Ein wenig schon … aber das ist nicht schlimm. Angestaubt finde ich Sie ganz und gar nicht, sondern unheimlich faszinierend“, erwiderte Rose und ertappte sich dabei, dass sie unbewusst angefangen hatte, mit diesem Doktor so zu flirten, wie sie es … 'Ach verdammt, dabei habe ich mir doch eben eines geschworen – den Kontakt zu diesem Doktor niemals über einen bestimmten Punkt hinaus kommen zu lassen!', dachte sie verärgert und stellte das gewohnheitsmäßige, aber auch aufreizende Knabbern an der Oberlippe und den verführerischen Augenaufschlag sofort ein. Mit einem tiefen Atemzug und einem mahnenden „Rose“ im Kopf, wechselte sie das Thema und stellte eine Frage, die sie genau so beschäftigte: „Also, Doktor, Sie kennen Sir Lethbridge-Stewart und Doktor Sullivan von früher. Mögen Sie mir erzählen, wann und wie sie mit den beiden in Kontakt gekommen sind?“ „Warum nicht?“ Der Timelord legte das Buch beiseite und stützte die Hände auf die Knie. „Dem Brigadier bin ich das erste Mal in den U-Bahn-Schächten von London begegnet. Damals führte er noch als Colonel eine Armee-Einheit an, die im Auftrag der Regierung herausfinden sollte, warum immer wieder Menschen dort unten verschwanden – Arbeiter und Obdachlose vor allem, aber auch Passagiere von schwach frequentierten Stationen. Gemeinsam haben wir, Jamie Mc Crimmon und ich, mit ihm die „Große Intelligenz“ und ihre Roboter-Yetis bekämpft.“ Rose lachte. „Wie bitte, Roboter-Yetis? Wer kommt denn auf eine so bescheuerte Idee? Das klingt ja noch verrückter als lebendig gewordene Schaufensterpu …“, plapperte sie drauf los und verstummte hastig wieder, als sie ihren Fehler erkannte. Kapitel 23: Bittere Wahrheit oder nur Lüge? ------------------------------------------- Erst nach einer kleinen Ewigkeit schien die Pein ein Ende zu nehmen. John rang keuchend nach Luft und sackte dann in Embryohaltung in sich zusammen, als könnte ihm das vor weiteren Repressalien des Masters schützen. Noch eine ganze Weile gaben seine Nervenbahnen die schmerzhaften Impulse weiter und raubten ihm den Atem. Er wusste nicht viel viel Zeit sie brauchte, um sie sich wieder zu beruhigen, damit er endlich wieder durchatmen konnte. Ein haltloses Zittern blieb zurück, seine Extremitäten fühlten sich entweder taub oder butterweich an, so dass es ihm jetzt und hier unmöglich schien, überhaupt auf die Beine zu kommen. Das ließ ihm genug Zeit, sich und seine Dummheit zu verfluchen. In der Hinsicht hatte er auch als John Smith nichts dazu gelernt. 'Ach verdammt! Wie blöd bin ich eigentlich? Ich hätte diese Reaktion kommen sehen müssen! Ich habe doch genau mitbekommen, wie sauer er gewesen ist … und dann mache ich mich auch noch zu einem Ventil für seine Wut!', tadelte er sich selbst, und versuchte langsam aber sicher wieder Kontrolle über seine Gliedmaßen zu bekommen. Wenigstens hatte der Timelord im Moment das Interesse an ihm verloren. Er schien zu genau wissen, dass sein Gefangener in diesem Zustand nichts gegen ihn unternehmen konnte, deshalb beschäftigte er sich ungeniert mit der Konsole, als wolle er damit genauer heraus finden, was und wer ihn von der Landung im Jahr 1889 abgehalten hatte. Erst nach einer Weile war der Schmerz so weit abgeebbt, dass John sich wieder aufsetzen und den noch immer tauben Arm reiben konnte, damit das Gefühl auch in ihm zurückkehrte. Mit fest zusammengepressten Lippen blickte er zu dem Timelord hoch und unterdrückte sein Verlangen, diesem an die Gurgel zu gehen. Denn nun spürte er auch seine Wut zurückkehren. Und seinen Stolz. Ja, den hatte er immer noch. So einfach würde er sich nicht unterkriegen lassen. „Meine Frage war ernst gemeint“, sagte er nach einer Weile leise in den Raum hinein, um auszutesten, wie der andere reagieren würde. Und dann, als keine Antwort kam, fügte er etwas lauter hinzu. „Nun, was tun wir jetzt eigentlich? Ich weiß zwar nicht genau, was gerade eben passiert ist … “, flunkerte er. Denn natürlich hatte er genug von dem mitbekommen, was eben passiert war. Allerdings konnte er genau wie der Timelord nur raten, wer der Urheber der Blockade war „Aber das kann nichts gutes bedeuten. Was meinen Sie, steckt vielleicht der Doktor dahinter?“ Der Master hielt in seinem Tun inne und blickte wieder mit der alten arroganten Maske auf ihn herab. „Es könnte möglich sein“, meinte er überraschend nachdenklich. „In der Akademie gehörte Temporales Ingenieurwissen zu seinen besten Fächern … was bei seinen allgemeinen Leistungen allerdings auf die Gesamtnote keinen besonderen Einfluss gehabt hat.“ Sein Gesicht wurde für den Hauch einer Sekunde überraschend weich – etwas, was bei den eher harten und kalten Zügen doch etwas befremdlich wirkte. „Allerdings müsste der Doktor sich in den letzten Jahren dazu einiges an Wissen angeeignet haben Kenntnisse …“, seine Stirn legte sich in Falten. „ … die eigentlich mit den Schriften von Rassilon und des „Anderen“ verloren gegangen sind.“ So ganz überzeugt schien er also vom Wirken des Doktors von nicht zu sein, so dass John einen erneuten Vorstoß wagte, denn immerhin gab es noch einen weiteren Timelord, der Gründe hatte, seine Spuren vor schnüffelnden Angehörigen seiner Rasse zu verbergen … „Oder hat jemand verhindern wollen, das man ihm nicht hinterher schnüffelt – aus welchen Gründen auch immer? Ja ich weiß, ich habe eine überbordende Phantasie … aber so ist das nun mal mit uns Erdlingen.“ Er hob einlenkend die Hände, lockerte auch die verkrampften Finger des malträtierten Arms. „Ich weiß, das ist Timelord-Business und geht mich eigentlich nichts an, aber nun mal ehrlich, könnte nicht auch dieser Ulysses einiges auf dem Kasten gehabt haben?“ Der Master musterte ihn mit heruntergezogenen Augenbrauen und einem ziemlich merkwürdigen Glitzern in den Augen, so dass John einfach weiter redete, als weder eine schmerzhafte Bestrafung oder zumindest eine zynische Antwort auf seine Frage folgte. „Wer war der Mann eigentlich? Wird es nicht langsam Zeit, Klartext über Ulysses, Sie und mich zu reden?“ Mit schmalen Augen musterte er den bärtigen Timelord. „Ich war bei unseren Aufeinandertreffen durch die Drogen, die Sie mir verabreicht haben, nicht so weggetreten, dass ich nicht mitbekommen hätte, was sie damals erwähnt haben. Und das passt zu der ärztlichen Notiz, die wir gefunden haben: Penelope Gate war schwanger, nicht wahr.“ Dann ging er aufs ganze. „Hielten Sie mich nicht für jemanden, von dem bisher noch keine Rede war: Ulysses Sohn? Und wer zum Teufel ist dieser Borusa? Ein Verwandter?“ Der Master räusperte sich. „Ach ja, diese Sache …“, spielte er seine Aussage und die damit verbundene Aufregung von damals herunter. „Möglicherweise stammst du von Ulysses ab, vielleicht bist du so etwas wie ein „Sohn“ - das ist nicht ganz ausgeschlossen, aber auch noch nicht vollständig bewiesen. Aber bilde dir trotzdem nichts darauf ein, John. Mischlinge zwischen meiner Spezies und niederen Rassen, Bastarde wie du, haben auf Gallifrey nichts zu suchen, nicht einmal wenn sie zwei Herzen vorweisen können, was ja bei dir noch nicht einmal der Fall ist.“ Er hielt einen Moment inne, um dann genüsslich weiter zu sprechen, so als liebe er es, sein Opfer noch weiter zu quälen. „Außerdem hat deine Abstammung bald ohnehin keine Bedeutung mehr, da dein Erbe scheinbar am Verblassen ist. Der degenerative Prozess mag zwar langsam vor sich gehen, aber er ist in vollem Gange. Sicherlich werden ein paar Genspuren zurückbleiben, aber ich gebe dir – sagen wir einmal - gut zwei Jahrzehnte bis auch auch der letzte Funke von Timelord-Energie in deinen Zellen so weit verschwunden sind, dass du damit nur noch ein Mensch sein wirst und von Glück reden kannst, wenn deine Körperzellen ohne Komplikationen, sprich unangenehme Mutationen, bis zum natürlichen Tod mitspielen … “ John schnappte hörbar nach Luft, jedoch nicht mehr aus Schmerz, sondern über die letzten Worte des Masters. Er blickte zu Boden, um den anderen nicht mehr in seinem Gesichtszügen lesen zu lassen, nicht länger das hämische Lächeln sehen zu müssen. 'Ich degeneriere? Die Energie wird mich langsam verlassen und ich werde mich immer mehr in einen Menschen verwandeln, bis mein gallifreysches Erbe bis auf ein paar Gene in Blut und Zellen verblasst ist? Und ich vielleicht damit rechnen kann, dass genau das Schwierigkeiten bereiten wird', versuchte er für sich die Erläuterungen über seinen Zustand zusammen zu fassen, die ihm der Timelord eben genüsslich gegeben hatte. 'Nein, nein. Dieser Mistkerl lügt mir doch was vor! Habe ich … hat der Doktor … seinen Worten jemals getraut, habe ich jemals angenommen, dass er die Wahrheit sagt?', bemühte er sich seiner aufgewühlten Gedanken Herr zu werden. Alles in ihm sträubte sich, diese Worte ernst zu nehmen. Aber er konnte nicht leugnen , dass ein anderer Teil von ihm wusste, dass die Enthüllungen des Masters nicht ganz von der Hand zu weisen waren, keine vollständige Lüge, die ihn nur weiter demoralisieren und brechen sollte, sondern durchaus einen wahren Kern. 'Vielleicht übertreibt dieser Bastard völlig, aber ich kann nicht leugnen, dass es mir seit einigen Monaten immer schwerer fällt, auf das Wissen des Doktor zurückzugreifen, gerade weil ich dadurch dann immer bohrende Kopfschmerzen bekomme. Ja, vieles ist mir immer noch geläufig, geht mir leicht von der Hand oder in den Kopf, aber da gibt es Augenblicke … in denen ich nur noch vor bodenloser Leere stehe.' Ein Zittern durchlief seinen Körper, Vorbote der wachsenden Verzweiflung. „Nein und nochmals nein!“ murmelte John zu sich selbst und ballte trotzig die Fäuste. Er wollte sich jetzt nicht davon fertigmachen lassen, selbst wenn die Aussage des Masters stimmte. Noch war er wer er war … und würde das nutzen. Würde tun, was er konnte … Dann sah er ruckartig wieder hoch zu dem Timelord und zwang sich zu einem schiefen Grinsen. „Ach wissen Sie … das passiert in ein paar Jahren und dann kann ich mir darüber Gedanken machen …“, überspielte er seinen inneren Schmerz, auch wenn der flapsige Ton in seiner Stimme sehr seltsam klang. „Aber wir sind jetzt hier und mit anderen Dingen beschäftigt. Sie haben meine Fragen immer noch nicht ganz beantwortet … und das sollten Sie vielleicht endlich, damit für mich das Bild runder wird. Also machen sie endlich den Mund auf und sagen sie mir, was es mit diesem Ulysses auf sich hat, und warum sie dem so hinterher jagen …“ „Nicht so frech, mein Junge, den Kurs bestimme immer noch ich.“ Die Hand des Masters näherte sich wieder seinem Kontrollgerät, so dass John sich unwillkürlich verkrampfte. Würde es jetzt eine weitere Bestrafung geben? Kapitel 24: Das Schwelgen in Erinnerungen ----------------------------------------- So etwas wie unverhohlene Neugier blitzte in den Augen des Doktors auf, doch er hakte nicht gleich nach, sondern erzählte mit etwas mehr Bedacht weiter. „Bei unserer zweiten Begegnung bekamen der Brigadier und ich es mit den Agenten des Nestene-Bewusstseins zu tun, den Autons – Puppen, egal ob so groß wie Menschen oder klein wie Spielzeug, die eines gemeinsam hatten. Sie bewegten sich in mörderischer Absicht durch die Stadt, mit eingebauten Schusswaffen in den Händen.“ Rose fröstelte und zog die Decke enger um sich. Sie wusste genau, wovon er sprach, denn sie kannte diese Monster nur zu gut aus eigener Erfahrung. Damals hatte sie auch „ihren Doktor“ kennengelernt, den verrückten Fremden, der sie mit forschem Griff aus dem Visier der Autons und in ein atemberaubendes Abenteuer gezogen hatte … ein Abenteuer, dem dutzende weitere gefolgt waren, eines aufregender als das andere … Und hier hockte nun eine völlig fremde Inkarnation des Timelords, den sie schätzen und später lieben gelernt hatte, auf dem Bett neben ihr und sprach von Geschehnissen und Monstern, die ihr selbst nur all zu vertraut waren. Das machte es noch schwerer, mit ihrem Wissen hinter dem Berg zu halten und ihm weiter zu verheimlichen, was sie alles wusste. Schaffte sie es überhaupt ein Pokerface zu bewahren und ihm vor zu heucheln, dass alles was er ihr erzählte, wirklich Neuland für sie war? Scheinbar nicht wirklich, denn wieder beäugte der Doktor sie mit einem Blick, der sie dazu zwang, verlegen das Gesicht abzuwenden und „Ach verdammt!“ in sich hinein zu murmeln. Der Lockenkopf räusperte sich. „Nun, da ich beide Male recht nützlich bei der Lösung der Probleme war, bot mir Alistair bei dieser Gelegenheit die Stelle als wissenschaftlicher Berater bei dem der gerade aus der Taufe gehobenen Spezialtruppe der Vereinten Nationen - U.N.I.T. - an. Da ich zu dieser Zeit ohnehin nichts besseres zu tun hatte …“, er verzog das Gesicht zu einer nicht deutbaren Miene, „… nahm ich diese Stelle an und lernte so in der kommenden Zeit eine ganze Menge netter Menschen kennen, während wir uns mit allerlei irdischen und außerirdischen Bedrohungen herum schlugen.“ Plötzlich wirkte er ein wenig abwesend, so als schwelge er in Erinnerungen „Sie waren alle auf ihre Art und Weise brilliant, meine Begleiterinnen dieser Jahre – die überaus kluge Elizabeth Shaw … meine herzliche Jo Grant … und nicht zuletzt Sarah Jane Smith – selbstbewusst und forsch …“ Roses Herz machte einen Sprung. Er kannte Sarah Jane Smith. Also schienen auch in diesem Universum wenigstens einige Dinge genau so gelaufen zu sein, wie in ihrem … was alles um so leichter machte. Fasziniert sog sie die weiteren Worte des Doktors in sich auf, enthüllten die doch einiges über seine Vergangenheit, von der sie bis jetzt eigentlich nichts gewusst hatte, denn weder der Timelord noch John hatten sonderlich viel darüber gesprochen. „Da waren auch noch der gute Sergeant Benton, Captain Mike Yates … bedauerlich, dass er sich so hat fehl leiten lassen … und ja natürlich lernte ich in dieser Zeit auch Doktor Sullivan kennen. Harry gehörte ursprünglich der Navy an, arbeitete danach wohl auch eine ganze Weile für U.N.I.T., nachdem ihm Alistair ins Team geholt hatte, weil ihnen noch ein Mediziner fehlte, gerade als ich mich wieder einmal verändert hatte …“ Er schmunzelte. „Ich glaube, ich war am Anfang nicht gerade nett zu ihm, aber er hat es mir nicht übel genommen, denn sonst hätte er wohl Sarah-Jane und mich nicht auf ein paar Abenteuern begleitet. Er hat sich dabei ausgesprochen gut geschlagen. Schade nur, dass er sich nach dem Zwischenfall mit den Zygonen dazu entschieden hat, auf der Erde zu bleiben …“ Dann verstummte er plötzlich, und musterte sie sehr still mit seinen klaren, blauen Augen, so als sei er jetzt an einem Punkt angekommen, an dem er selbst mehr über sie wissen wollte. Rose zuckte unwillkürlich zusammen. Wurde es jetzt unangenehm für sie? Stellte er ihr jetzt vielleicht die Fragen, die ihm vermutlich selbst schon eine ganze Weile beschäftigten, weil sie sich eben wieder einmal ordentlich verplappert hatte. Oder durchschaute er sie nicht vielleicht sowieso schon eine ganze Weile und wollte jetzt nur noch Gewissheit haben? Aber sollte sie ihm jetzt und hier schon die Wahrheit sagen? Etwas in ihr sträubte sich jedoch heftig dagegen. Deshalb entschloss sie sich ihre aufkommende Unsicherheit schnellstens zu überspielen. „Wow, das ist wirklich starker Tobak!“ meinte sie und ließ sich wieder auf den Rücken fallen, um an die Decke zu starren. Denn das Wissen darum, dass er in ihrem Gesicht wie in einem offenen Buch lesen konnte, behagte ihr immer weniger. „Jetzt verstehe ich, dass die beiden so vertraut mit ihnen umgegangen sind. Mich wundert allerdings, dass Lethbrigdge Steward und Sullivan jetzt bei Torchwood Zwei gelandet sind … “ „Mir geht es ähnlich“, erwiderte der Timelord. „Deshalb hoffe ich, dass wir auf diese Frage gleich auch ein paar gute Antworten erhalten. Aber vorher …“ Rose hörte, wie er sich auf seinem Bett bewegte. Das verräterische Knarzen der Matratzenfedern verriet ihr jedenfalls, dass er gerade aufstand. Deshalb sah sie wieder zu ihm hin. „Was haben sie vor?“ Er zwinkerte ihr spitzbübisch zu. „Ich höre schon eine ganze Weile verdächtiges Grummeln in ihrer Magengegend, Rose“, meinte er frech. „Und ich muss zugeben, auch wir Timelords leben nicht nur von Luft und Licht.“ Er tappte leise zur Tür und legte die Hand auf die Klinke, lugte dabei durch den Sehschlitz. „Ich finde, auch wenn wir Gefangene sind, so haben wir doch ein paar kleine Rechte.“ „Warten Sie!“ Rose setzte sich auf und die Beine auf den Boden. „Vielleicht ist das keine gute Idee!“ „Warum nicht? Ich habe nur vor, höflich darum zu bitten, uns etwas zu essen zu bringen!“ Er drückte die Klinke herunter, musste aber feststellen, dass die Doppeltür verschlossen war und seine Aktion Unruhe auf der anderen Seite der Tür auslöste. „Hallo, entschuldigen Sie?“ Der Doktor klopfte. „Ich habe da nur eine Frage!“ Rose spitzte die Ohren und versuchte wie der Doktor herauszufinden, ob und wie die Wachen auf der anderen Seite der Tür reagierten, aber das stabile Holz ließ nur undeutliche Wortfetzen durch, auf die sie sich keinen Reim machen konnte. Und viel zu sehen war durch das winzige Fenster auch nicht gerade. „Ach kommen Sie, meine Herren!“ Der Doktor ließ sich nicht beirren und machte sich jetzt etwas energischer bemerkbar und stellte sich genau vor das Glas, versuchte dabei möglichst unschuldig und harmlos drein zu blicken. „Ich wollte mich doch nur freundlich erkundigen, ob uns jemand wenigstens eine Kleinigkeit zu Essen und Tee hereinreichen könnte! Das wäre sehr, sehr nett von ihnen.“ Wieder hörten die beiden dumpfe Stimmen, ganz offensichtlich entbrannte eine Diskussion zwischen den beiden Soldaten, die im Verlauf immer hitziger wurde. Dann jedoch wurde es plötzlich still. Der Doktor legte den Kopf schief und trat einen Schritt zurück. Rose tat es ihm gleich, als sie hörte, wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Eine Seite der Doppeltür öffnete sich ein Stück, aufgeschoben durch einen Mann in schwarzgrau gefleckter Tarnkleidung, der seine Maschinenpistole nun gezielt auf den Timelord richtete. Der hob sofort die Hände, was den Söldner aber auch nicht zu besänftigen schien. „Wir nehmen keine Befehle von dir an, dreckiger Alienabschaum, ist das klar?“, zischte er mit unverhohlenem Hass in der Stimme. „Du kannst von Glück reden, dass der Kommandant und der Doktor ihre Hand schützend über dich halten, sonst würdest du nicht so großmäulige Reden schwingen können.“ „Entschuldigen Sie, aber ich verstehe nicht, was an einer freundlichen Bitte großmäulig sein soll und durch was ich mir ihren Zorn zugezogen habe. Wir können aber gerne darüber re-“, fragte der Doktor sanft und verstummte abrupt, als die Waffe hoch ruckte und auf seinen Kopf zielte. „Noch ein Wort und ich ziehe den Abzug durch!“ „Hören sie, ich will ihnen ni…“ „Klappe!“, schnappte der junge Mann. Seine Augen schienen förmlich zu glühen. „Mich killst du nicht so leicht wie meinem Bruder Ian!“ Der Doktor zuckte zusammen. Er wirkte sichtlich verwirrt und wollte den Mund öffnen, doch der andere sprach aufgeregt weiter. „Das war in Southhampton! Vor einem Monat, falls du es schon vergessen hast, du kaltblütiges außerirdisches Monstrum!“ Kapitel 25: Einige Wahrheiten über Ulysses ------------------------------------------ „ … also machen Sie endlich den Mund auf und sagen sie mir, was es mit diesem Ulysses auf sich hat, und warum Sie dem Mann so erbittert hinterher jagen!“ John spannte sich unwillkürlich an,denn für einen Moment sah es so aus, als würde ihn der Master für seine dreiste Forderung erneut bestrafen. Mit schmalen Augen musterte er ihn und zischte: „Nicht so frech, mein Junge, den Kurs bestimme immer noch ich.“ Doch danach geschah nicht.Stattdessen ließ der Timelord seine Arme wieder sinken und stützte sich dann auf seine Konsole, während er sein Gegenüber nachdenklich musterte. „Also gut … dann höre mir einmal ganz genau zu“, meinte er kalt. John nickte. „Das werde ich ganz bestimmt.“ „Ulysses aus dem Haus Lungbarrow war … oder ist … einer der bedeutenden Timelords seit den Tagen Rassilons. Ein großer Forscher, Erkunder und Entdecker, denn er wagte sich in Bereiche vor, die vor ihm noch kein anderer Gallifreyan betreten hatte. Dabei durchbrach er immer wieder die Grenzen von Raum und Zeit,die unüberwindbar schienen und erweiterte damit für uns alle den Horizont und das Wissen um das Universum. Sein unerschrockenes Beispiel ermunterte mit mit den Jahre auch andere junge Absolventen der Akademie, entschlossen in seine Fußstapfen zu treten und so seinem Beispiel zu folgen. Damit hat er dazu beigetragen unsere Zivilisation zur heutigen Blüte und Größe zu führen“, erzählte er mit sichtlichen Stolz in der Stimme. „Als Ulysses zur Ruhe kam, ließ er sich wieder auf Gallifrey nieder und gab seine Erfahrungen als Lehrmeister in der Akademie weiter, nun um vor allem die junge Generation zu inspirieren und auf den rechten Weg zu führen und dabei doch immer wieder daran zu erinnern, welche Aufgabe uns zukommt. Aus diesen Gründen bewunderten ihn viele Angehörige meines Volkes. Selbst der Hohe Rat sah in ihm schließlich einen würdigen Nachfolger des Gründers unserer Zivilisation … einen wahren Erben Rassilons und boten ihm mehrfach dessen Insignien und das Amt des Lord Präsidenten an, damit er uns führen solle.“ Schatten huschten über das Gesicht des Masters, seine Worte besaßen nun einen bitteren, fast wütenden Unterton. „Ich habe allerdings nicht verstanden, warum er diese Bitte gleich mehrfach abschlug, ja nicht einmal zulassen wollte, dass man ihn zum Kardinal des Patrex-Kapitels ernannte und damit wenigstens seine Leistungen durch einen Sitz im Rat würdigen wollte. Immer wieder bat er darum, dass man ihn doch das bleiben lassen würde, was er war, ein einfacher Lehrer und Forscher.“ 'Ich kann es mir vorstellen', dachte John und rieb sich die Stirn, als die Schatten einer Erinnerung des Doktors durch seinen Geist huschten, begleitet von stechenden Kopfschmerzen. 'Da scheint noch jemand seine persönliche Freiheit und die Chance, das tun und lassen zu können, was er will, dem Ruhm und der Ehre vorgezogen zu haben, von nun an und bis an das Ende seiner Tage, dem Hohen Rat zu dienen, und für immer zwischen den verstaubten und verknöcherten Holzköpfen zu sitzen!' Diese Gedanken minderten das Pochen in seinem Kopf wenigstens ein bisschen. John biss sich auf die Lippen, um sein Lächeln zu unterdrücken, damit der Master nicht wieder auf dumme Gedanken kam. Doch dieser Ulysses wurde ihm immer sympathischer. Ein Mann der zu seinen eigenen Prinzipien stand und das schätzte, auf was es wirklich ankam. Der bärtige Timelord schien seine Reaktion glücklicherweise nicht bemerkt zu haben, sondern sprach ungerührt weiter. Ein säuerlicher Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. „Ulysses geriet darüber in einen heftigen Streit mit seinem Vater, Kanzler Borusa, der ihn zornig an seine Pflichten als Nachkomme Rassilons erinnerte. Schließlich brach er mit den Prinzipien des Hauses Lungbarrow und selbst denen seiner engsten Familie. Danach verließ er stillschweigend Gallifrey und sorgte dafür, dass ihm niemand folgen konnte, indem er seine Spuren auf eine Art verwischte, wie es sonst nur Verbrecher taten …“ „Und das war alles?“, fragte John vorsichtig, während er in seinem Inneren anderes dachte. „Ich meine, ein Amt abzulehnen, ist doch kein Verbrechen auf Gallifrey, oder? Wenn er er sich in so einem Amt nicht wohl fühlt, warum sollte er sich dann dazu zwingen? Das bringt dann doch nichts …“, er zuckte mit den Schultern. „Nur verstehe ich immer noch nicht, warum Sie dann trotzdem auf der Suche nach ihm sind.“ Der Master nickte. „Ja, John, mehrfach eine hohe Ehre zurückzuweisen ist vielleicht keine Straftat, aber ein beschämendes Verhalten für jemanden seines Ranges und Namens, zumal der Schatten dieser Weigerung auch über sein Haus gefallen ist.“ 'Sein … oder vielleicht auch dein Haus?' John dämmerte langsam eine gewisse Erkenntnis, die, auch wenn der Timelord noch kein Wort darüber verloren hatte, doch inzwischen irgendwie auf der Hand lag. Diesmal konnte er im Gesicht des anderen wie in einem offenen Buch lesen. 'Verdammt noch mal, wie eng bist du eigentlich mit diesem Ulysses verwandt, wenn dich das so beschäftigt und auch ärgert?' Sein Peiniger sprach ungerührt weiter. „Allerdings hat sich vor kurzem heraus gestellt, dass Ulysses vor und nach seinem Weggang mehrere schwerwiegende Verbrechen an Gallifrey begangen hat. Dabei mag noch am geringsten wiegen, dass er sich mit einer Erdenfrau eingelassen und einen Mischling gezeugt hat … “ Er warf John einen verächtlichen Blick zu. „Schwerer wiegt jedoch die Tatsache, dass er einiges von seinem Wissen und vermutlich auch Technologie an ein anderes Volk weiter gegeben hat, das es nicht verdiente … und, dass er eine der Hohen Insignien von Gallifrey hat mitgehen lassen.“ John hielt den Atem überrascht an. Was, eine der hohen Insignien? Waren das nicht die Schärpe, die Krone und der Stab? Alles Artefakte, die Rassilon selbst in seiner Schmiede geschaffen und in den Jahren seiner Herrschaft getragen hatte und die seither zum Amt des Lord-Präsidenten gehörten, weil sie ihm Macht über das „Auge der Harmonie“ und die Bewohner Gallifreys gaben? Er – nein der Doktor - hatte deren Kräfte in seiner vierten Inkarnation schon einmal zu spüren bekommen und wäre fast dabei zu Grunde gegangen. Ja, diese Gegenstände waren verdammt mächtig und für den Schutz der alten Zivilisation überlebenswichtig. So ein Diebstahl rechtfertigte die Suche nach ihm … auf der anderen Seite … warum hatten sie dann nur den Master losgeschickt … hätte dann nicht die Erde von Timelords und Agenten der CIA wimmeln müssen? Und wie wäre das überhaupt möglich, wenn doch die drei Insignien in einer Zeremonie an seinen Träger gebunden wurden und ihm bis zu seinem Tod begleiteten? 'Irgendwas an der Sache ist doch einfach nur oberfaul. Der Master erzählt mir vermutlich wieder einmal nur die halbe Wahrheit! Oder in diesem Universum sind ein paar Sachen doch anders als ich dachte.' John schluckte schwer und beschäftigte sich jetzt erst einmal damit, auf die Beine zu kommen, obwohl ihm von der letzten Bestrafung her immer noch ein wenig schwindlig war. Deshalb lehnte er sich gegen die Wand und wartete auf das, was als nächstes kommen würde. Glücklicherweise beschäftigte sich der Master gerade wieder mit der Konsole, weil dort ein paar Lichter aufblinkten und schien so seine letzten Reaktionen nicht gesehen zu haben. Statt dessen ließ der Timelord seine Finger mit gerunzelter Stirn über die Kontrollfelder gleiten. Ihm schien das jetzt wichtiger zu sein, als seinem unfreiwilligen Gast noch mehr über die Vergangenheit zu erzählen. Auf dem Bildschirm flammten nun bewegte Bilder auf und löschten die statischen Fotos und Textdateien ab, in denen es um Ulysses und seine Spuren auf der Erde gegangen war. John erkannte sofort, um was es sich handelte – nämlich die Live-Übertragungen der Sonde, mit der sie auch schon die Gefangennahme von Rose und dem Doktor beobachtet hatte. Wie er bereits angedeutet hatte, schien der Master dafür gesorgt zu haben, dass sie dem Luftschiff gefolgt, sich vermutlich irgendwo an die Hülle geheftet hatte, um weitere Informationen über den Verbleib der beiden zu liefern. Die Umgebung war in dem bläulichen Licht allerdings nur undeutlich zu erkennen – gerade einmal ein paar tanzende Linien, die alles sein konnten – Mauern, Streben oder auch Berge, aber das war es auch nicht was zählte – sondern viel mehr die Mündungsfeuer der Maschinenpistolen, die immer wieder im Sichtfeld der kleinen Kamera erschienen. „Uh, die sind aber gut!“, stellte John mit Hochachtung für Torchwood Schottland fest. „Scheint so, als hätten sie den kleinen Spion tatsächlich entdeckt! Das hätte ich nicht gedacht.“ „Das Glück der Dummen!“, wimmelte der Bärtige ab. Diesmal ignorierte er den Spott in Johns Stimme völlig.„Dennoch kommen sie damit zu spät, so wie auch damals in Southhampton, als ich mich dort im Archiv umgesehen habe! Und auch jetzt weiß ich schon längst, wo sich ihr Stützpunkt befindet und mit was für einer Bewaffnung ich rechnen muss,“ meinte er dann mit einem abfälligen Schnauben. „Die ist lachhaft! Und die Erdlinge da werden auch nicht mehr viel von ihrem kleinen Triumph ha-“ Dann aber verstummte er urplötzlich, denn die Bildschirme wurden schwarz und jeder Versuch, die Sonde noch einmal zum Leben zum Erwecken misslang, auch die Kontrollfelder auf der Konsole der Tardis reagierten nicht mehr. John registrierte das mit Genugtuung, sagte aber bewusst nichts. 'Es scheint, als seien die Leute von Torchwood doch nicht so unfähig, wie du gedacht hast. Und ich kann mir jetzt besser zusammenreimen, warum du dich hier herumtreibst, auch wenn ich immer noch nur die Hälfte weiß.“ Wieder fühlte er einen Stich im Herzen, als er an Rose dachte, die jetzt gerade an der Seite eines anderen weilte, doch die Eifersucht war seltsamerweise nicht mehr so groß wie zuvor, ein anderes Gefühl war an diese Stelle getreten: Sorge. 'Ich werde das Gefühl einfach nicht los, dass auch der Doktor nicht nur zufällig in die Sache gestolpert ist, sondern ganz genau weiß, warum er sich hier herum treibt.' Sein Herz schlug plötzlich schneller. 'Bedeutet das, die beiden sind wieder einmal Rivalen, im Kampf um etwas, das das Universum oder zumindest einen kleinen Teil davon erschüttern könnte? Oh verdammt … und Rose, wie auch ich stehen genau zwischen den Fronten und wie das enden kann, weiß ich nur zu gut … ' Kapitel 26: Im Alarmzustand --------------------------- Mit jeder Faser ihres Körpers spürte Rose, wie sich die Situation zuspitze. Aus einem spontanen Impuls heraus trat sie erst neben und dann vor den Timelord, als könne sie ihn so vor dem Hass des jungen Soldaten schützen. Denn sie konnte und wollte nicht glauben, dass dieser überhaupt zu einer solchen Tat fähig war. Dazu hatten sie zu viel miteinander erlebt. Der Doktor rettete Leben – er vernichtete sie nicht! Und gerade in dieser Inkarnation fehlte ihm die Düsternis und Melancholie, die „ihr“ Doktor besessen hatte und auch manchmal bei John durchschimmerte. Und durch die Augenblicke der Kälte möglicher wurden … John … das gab ihr einen leichten Stich, aber sie schob die Gedanken beiseite. Im Moment brauchte sie all ihre Sinne, um die Situation zu entschärfen. „Rose!“, wisperte der Doktor mit heiserer Stimme in ihren Rücken. Sie spürte die Berührung seiner Hände, als wolle er sie aus dem Weg schieben. Auch jetzt dachte er zu allerletzt an sein Leben und seine Sicherheit. „Nicht … Bringen Sie sich bitte nicht wegen mir in Gefahr. Der Mann ist unberechenbar.“ „Gerade deswegen bleibe ich wo ich bin!“ stellte Rose sich stur und schüttelte seine Hände ab. „Nein, sie bleiben, wo sie sind, Doktor! Ist das klar? Ich bin ein Mensch! Und auf seinesgleichen wird er wohl kaum kämpfen, oder wie sieht es aus?“ Deshalb sah sie den Soldaten ernst an. „Denn ist es wirklich zweifelsfrei bewiesen, dass Sie den Schuldigen vor sich haben, Mister?“, wandte sie sich selbstbewusst an den von rasendem Zorn erfüllten Mann, der auch auf die verzweifelten Worte seines Kollegen nicht mehr richtig reagieren wollte. „Mal, die Frau hat recht. Komm zur Vernunft, verdammt, und höre ihr bitte zu.“ „Der Bastard kann Ihnen sonst etwas erzählt haben. Schöne Worte und nichts dahinter. Der Killer in Southhampton hat mit den gleichen miesen Tricks gearbeitet und damit meinem Bruder und seine Kameraden in die Falle gelockt!“ „Sind sie sich da wirklich sicher? Oder ist das nur eine Vermutung von Ihnen, weil Sie unbedingt einen Schuldigen finden wollen, um ihren eigenen Schmerz abzutöten!“, hakte Rose weiter nach, um Mal aufzurütteln und zum Nachdenken zu bringen. „Halten Sie endlich ihren Mund, Miss!“ Malcolms Stimme bebte vor Zorn, aber noch immer war er nicht dazu bereit, die Waffe zu senken. Rose schüttelte den Kopf. „Wenn sie stur sind, dann kann ich das auch sein“, erklärte sie und sah ihm tief in die Augen. Einen Augenblick herrschte Schweigen. Die Spannung zwischen ihnen war deutlich spürbar. „Nicht alle Außerirdischen wollen uns schaden, und schon gar nicht der Doktor“, fügte die Blonde dann ruhig hinzu. „Denn ich kenne ihn. Ich habe ihn eine ganze Weile begleitet“, gab sie dann auch offen zu und enthüllte damit das Geheimnis, dass sie vor dem Doktor eigentlich hatte geheim halten wollen. Der Gallifreyan stieß seinen Atem mit einem belustigte Laut aus, aber mehr geschah auch nicht. Ansonsten blieb er so ruhig wie zuvor, so als sei er davon nicht sonderlich überrascht. Aber musste sie das wundern? Er war nicht dumm … gerade wenn es darum ging. Vermutlich hatte sie sich schon mehrfach verraten, zuletzt bei ihrer Unterhaltung in diesem Raum. Deshalb wählte sie die folgenden Worte mit Bedacht aus. „Der Doctor hat immer auf unserer Seite gestanden, uns geholfen, uns beschützt“, sagte sie sanft. „Das Leben von uns Erdlingen war ihm immer heilig und er würde sich für jeden von uns opfern, glaube Sie mir. Manchmal ist das sogar passiert“, fügte sie dann hinzu und schluckte schwer. „Bitte beruhigen Sie sich Mal! Wenn Sie schon mir nicht glauben wollen, vertrauen Sie wenigstens Ihrem Chef und Doktor Sullivan, denn die beiden kennen den Mann hinter mir besser als Sie denken!“ „Rose, ich glaube, er will Ihnen nicht zuhören.“ Der Doktor ließ sich immer noch nicht abwimmeln. Wieder spürte sie seine Hand, diesmal auf ihrer Schulter, was den jungen Soldaten spöttisch schnauben ließ. „Gehen Sie mir endlich aus dem Weg, Miss, denn mit Ihnen habe ich keinen Ärger. Stellen Sie sich bloß nicht auf die Seite dieser Alienbrut!“, schnaubte er verächtlich, immer mehr außer sich. „Oder hat der Typ sie bereits ordentlich durchgevö …“ Rose schnappte empört nach Luft und öffnete den Mund, um etwas zu sagen. „Malcolm, hör auf!“ In diesem Moment mischte sich die andere Wache erneut ein, nachdem sie den Kollegen eine Weile nur mit großen Augen angestarrt hatte. „Verdammt noch mal, komm wieder zur Besinnung! Die junge Dame hat recht und bisher hat der Typ wirklich nichts getan! Der ist wirklich harmlos“ „Das dachten mein Bruder und seine Kameraden auch … und sie haben ihr Leben verloren!“ Der Ruhigere trat einen Schritt näher heran. „Verflucht noch mal, Mal! Verbeiße dich nicht so in die Sache! Du handelst dir mit dieser unüberlegten deiner Aktion nur Ärger ein und fliegst unter Umständen ganz raus, wenn du so weiter machst“, appellierte nun auch dieser an den Verstand seines Kumpels. „Miss Tyler sagt nichts falsches: Bewiesen ist Überhaupt nichts, auch wenn er vielleicht ein Verdächtiger und so wie es aussieht auch ein Alien ist!“ „Ach verdammt, Blaine lasse dich nicht von dem Gerede einlullen, denn du hast doch den Sarge gehört, als er uns hier abgestellt hat, die beiden zu bewachen“, fauchte Malcolm. „Er meinte, dass der Mistkerl mit allen Wassern gewaschen sei und falsche Reden schwinge, aber auf der anderen Seite auch keine Skrupel gehabt habe, Clarke zu verletzen!“ „Moment mal? Wer ist denn Clarke?“, fragte der Doktor irritiert. „Mir hat sich niemand vorgestellt, der so heißt. Und ich wüsste nicht, wann ich jemanden angegriffen habe … “ „Halte verdammt noch mal die Klappe! Du kannst mir viel erzählen, denn du hast ihn doch angeschossen“, brüllte ihn der junge Soldat an, als habe er gar nicht verstanden, was der Doktor zu ihm gesagt habe. „Angeschossen? Ich trage keine Waffen, denn ich hasse diese vermaledeiten Dinger!“, protestierte der Doktor. „Aber ich ahn …“ „Maul halten!“ Ein heftiges Beben ging durch seinen Körper. „Das da kann wirklich nur der Schweinehund sein, den Ian und sein Team im Containerhafen von Southhampton stellten, nachdem er die ganzen Leute im alten Archiv gekillt hat! Erst schön reden und dann … “ „Haben sie Beweise? Bildmaterial? DNA oder sonstige Spuren?“, konterte Rose nun etwas schärfer und versuchte es mit Vernunft. Der Doktor indessen lugte über ihre Schulter, nachdem sie es immer noch nicht zuließ, dass er sich neben oder vor sie stellte. „Vor einem Monat, sagen Sie?“, erwiderte er nun nachdenklich. “Da war ich definitiv nicht in Southhampton“, erklärte er. „Sondern in London, weil ich dort ein paar Dinge erledigen wollte … meine Recherchen fortsetzen und ein paar alte Freunde besuchen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe.“ Er seufzte und Schatten huschten über sein Gesicht. Er sah den jungen Mann traurig an. „Ich fühle mit Ihnen und bedauere ihren Verlust … aber bitte, bitte erzählen Sie mir doch erst einmal was dort eigentlich passiert ist. Vielleicht kann ich Ihnen dann wirklich dabei helfen den wirklich Schuldigen zu finden. Denn ich habe eine düstere Ahnung, wer dahinter stecken könnte. Glauben Sie … “ „Nein! Ich will verdammt noch mal dein Gelaber nicht mehr hören!“ Ein weiteres Zittern durchlief Malcolms Körper, während er unwillig den Kopf schüttelte. „Ich will das nicht mehr …“ Die Mündung seiner Waffe ruckte hoch, richtete sich wieder auf den Timelord, so als sei er längst über die Grenze hinaus, noch irgendwelche sachlichen Argumente wahrnehmen zu wollen und zu können, so sehr vernebelten unbändige Wut und Hass seinen Geist. „Nein … kein verdammtes Wort mehr von dir, ist das klar?“ Dann jedoch brachte ihn ein durchdringender Alarm zum Verstummen. Das Heulen einer schrillen Sirene hallte durch das ganze Gebäude und verschluckte auch in diesem Raum für einen Moment alle weitere Geräusche. Rose riss die Augen auf. „Was hat das zu bedeuten?“, japste sie. Dieser Augenblick reichte aus um gleich noch zwei Dinge auf einmal geschehen zu lassen. Die Schrecksekunde genügte, um einen lange antrainierten Reflex in Malcolms Hand auszulösen. Er zog den Abzug vielleicht nur für eine Millisekunde durch, aber das reichte aus, um die Mechanik zu aktivieren und zwei Schüsse auszulösen. Während die Kugeln an dem Ort vorbei zischten, wo vorher noch der Kopf des Gallifreyan gewesen war und dann in die Wand hinter den Betten einschlugen, kam Leben in den Doktor. Blitzschnell und biegsam wie eine Feder, etwas, was Rose bisher noch nicht bei ihm erlebt hatte, duckte er sich und sprang an ihrer Seite vorbei auf den den durchgeknallten Soldaten los. Seine Arme und Beine kamen in eleganten Bewegungen zum Einsatz, was die blonde Frau erneut nach Luft schnappen ließ. Moment mal! Der Doktor beherrschte fernöstliche Kampfkunst? Oder eine außerirdische Entsprechung davon? Das war ihr tatsächlich neu! Wow! Und ehe sie oder der andere Soldat etwas unternehmen konnte, lag Malcolm stöhnend und benommen am Boden, krümmte sich so zusammen, als habe er Schmerzen. Die Augen waren weit aufgerissen, aber der wahnsinnige Hass schien aus ihnen verschwunden zu sein und war durch körperlichen Schmerz ersetzt worden. Wenigstens für den Moment würde er an den Schlägen, die ihm der Gallifreyan versetzt hatte, zu knabbern haben. Und vielleicht wurde er dadurch auch für sachliche Argumente empfänglicher. Der Doktor sicherte unterdessen mit einem angewiderten Blick die Waffe, die er seinem Gegner entrissen hatte, und reichte sie dann, mit dem Griff voraus Blaine. „Entschuldigen Sie den Ärger“, sagte der Gallifreyan in den Raum. „Ich hasse Waffen und Gewalt, aber das heißt nicht, dass ich völlig wehrlos bin.“ „Ja … das sehe ich.“ Der verdatterte Soldat nahm die Waffe entgegen und senkte seine eigene, weil er nicht so recht wusste, was er davon halten sollte. Er wechselte einen fragenden Blick mit Rose, die ebenfalls mit den Schultern zuckte. „Ich habe einmal venusisches Aikido gelernt. Das ist zwar ein wenig eingerostet, da ich es in meinen letzten Leben nur selten benutzt habe, aber ich scheine nichts vergessen zu haben.“ Der Doktor grinste kurz und schüttelte dann die Hand mit der er zugeschlagen hatte aus, runzelte dann die Stirn. „Was ist das eigentlich für ein Höllenlärm?“ Er ging an dem liegenden und noch immer benommen nach Atem ringenden Malcolm zur Außentür der Krankenstation. „Jemand versucht unautorisiert in der Basis einzudringen“, antworte Blaine und folgte ihm hastig, um eine Hand auf seine Schulter zu legen und hinzu zu fügen. „Sir, das bedeutet, dass Sie mit Ihrer Begleitung am Besten hierbleiben sollten, denn auf den Gängen ist jetzt die Hölle los! Und ich kann dann bestimmt nicht mehr für ihre Sicherheit und die von Miss Tyler garantieren.“ „Ich höre es!“ Der Doktor nickte, auch wenn man ihm deutlich ansah, dass er doch am liebsten nach draußen gestürmt wäre, um höchstpersönlich nach dem Rechten zu sehen – so wie er war, nur halb angezogen und ohne Schuhe. Nun hörte auch Rose das Trampeln von Stiefeln und Bellen von Befehlen. Und sie war in den letzten Jahren oft genug in militärischen Basen gewesen, um zu wissen, was los war, wenn die Truppe in Alarmzustand versetzt worden war. Auch im Gesicht des Doktors arbeitete es. Er schien sichtlich besorgt. Rose bereitete sich auf alles vor, denn sie kannte seine spontanen Entscheidungen. Dass er jetzt noch auf Blaine hörte, war ein Wunder, aber das musste nicht heißen, dass es immer so blieb. „Ich könnte helfen!“, erklärte er dann. „Nun, vielleicht können wir ja gemeinsam …“ „Wem, willst du denn schon helfen? Etwa den Eindringlingen?“ Keuchend wälzte sich Malcolm auf die Seite und stützte sich ab. Er war immer noch wütend und zeigte eine aggressive Haltung gegenüber dem Timelord, aber nicht mehr ganz so verschlossen gegenüber vernünftigen Argumenten. Er wehrte allerdings dessen ausgestreckte Hand, der ihm aufhelfen wollte, ab. „Finger weg, du Alien-Abschaum.“ „Ist jetzt bald gut?“ fuhr Rose plötzlich dazwischen, als sei sie eine Mutter, die ihren kleinen Jungen zurecht weisen musste. Und vielleicht klang sie jetzt wie ihre Mutter, aber Jackie war ein gutes Vorbild, wenn es darum ging, Idioten in die Schranken zu verweisen. „Jetzt komm endlich wieder auf den Boden der Tatsachen, du Knallschote! Wer sich hier wie Abschaum aufführt, das bist du! Die ganze Zeit feindest du uns an, ohne einen von uns überhaupt einmal anzuhören! Und warum? Weil den Bruder von jemandem umgebracht wurde, der ganz offensichtlich auch nicht von der Erde stammt! Aber verflucht noch mal, du kannst die Leute aus dem All nicht in eine Schublade werfen. Genau so wenig wie uns Menschen!“ Sie stützte die Hände in die Hüften. „Glaubst du, dein Bruder würde es toll finden, wenn du vielleicht den Einzigen killst, der vielleicht eine Chance hat, das Monster aufzuhalten, hm?“, giftete sie und blickte auf den Soldaten hinunter. „Und was, wenn das, was in Southhampton passiert ist, auch hier geschieht?“ „Dann …“, Malcolm setzte sich hin und barg das Gesicht in Händen. „Ach verdammt …“ Rose spürte nun Mitgefühl mit ihm und blickte zu dem Doktor hin, der gerade jetzt besorgt drein sah und tief Luft holte. „Was genau ist in Southhampton passiert“, fragte er, sichtlich alarmiert. Kapitel 27: Welcher Master-Plan? -------------------------------- John wusste nicht wirklich, was er davon halten sollte, dass Torchwood-Schottland die Sonde entdeckt und zerstört hatte. Ihn erstaunte, dass ihnen das überhaupt gelungen war, andererseits erinnerte er sich nur zu gut an seine unangenehmen Erinnerungen an diese Leute – Captain Jack Harkness und Pete Tyler einmal ausgenommen. Anders als U.N.I.T., die ja öffentlich operierten und eine gewisse Zurückhaltung wahren mussten, hatten die sich nie damit aufgehalten, fremde Technologien auszuschlachten und auch einzusetzen, wie er bei der Zerstörung … nein der Doktor bei der Zerstörung des Sycorax-Raumschiffs erstmals und dann auch später erfahren hatte. Einerseits freute er sich diebisch darüber, dass dem Master nun sein künstliches Auge entzogen worden war und er eine gewisse Schlappe hatte einstecken müssen, auch wenn es nur eine so winzige, ja lachhafte war … … andererseits war so die einzige Möglichkeit für ihn zerstört worden, aus sicherer Entfernung weiter zu verfolgen, wie es Rose gerade erging. An den Doktor wollte er keinen weiteren Gedanken verschwenden, sonst regte er sich nur wieder auf und das war seiner Gesundheit nicht zuträglich, denn auch der Master hatte da noch ein Wörtchen mitzureden. Der Timelord starrte derweil immer noch starr und unbewegt auf die schwarzen Bildschirme, durch seine versteinerte Miene war leider nicht wirklich zu erkennen, was gerade wirklich in ihm vorging. John umfasste unwillkürlich das Armband mit einer Hand und entschied sich dazu, nicht wieder unnötig Schmerz zu provozieren. Das war in diesem Moment eher kontraproduktiv! Er sollte vielleicht jetzt erst einmal seine Mitarbeit und Hilfe anbieten, um so mehr zu erfahren. Illusionen darüber, dass er sogar das Vertrauen des Masters erringen konnte, machte er sich allerdings keine, dazu erinnerte er sich noch immer zu gut an das Pendant aus dem anderen Universum, das dem Doktor so zugesetzt hatte. „Was machen wir jetzt?“, fragte er dennoch als das Schweigen unerträglich wurde und fügte dann hinzu. „Torchwood Schottland ist nicht zu unterschätzen, dass weiß selbst ich. Mr. Tyler hat es nie gefallen, dass die sich gegenüber seiner Organisation so abgeschottet und in Verborgenen eigene Wege gegangen sind, anstatt mit ihm zusammen zu arbeiten. Wenn wir nur wüssten, wo die sich verstecken, dann wären wir ein Stück weiter.“ In den Master kam nach diesen Worten Bewegung – John spannte sich kurz an, aber es geschah nichts. Stattdessen drückte der Schwarzhaarige ein paar Knöpfe, aktivierte zweifellos einen Scanner, so dass einer der Schirme wieder aufflammte und eine Karte von Schottland zeigte, auf der ein roter Punkt aufleuchtete. John trat näher. Zweifellos war das der letzte Aufenthaltsort der Sonde gewesen. Wenigstens das hatten die Schotten nicht verhindern können, auch wenn das natürlich deren Alarmbereitschaft erhöht hatte … „Die letzten Transmissionen der Sonde kamen von hier.“ Der schwarz gekleidete Mann zoomte heran und studierte die Angaben, rief aus der Datenbank ein paar andere Informationen ab. „So wie das aussieht handelt es sich um eine ehemalige Militärbasis der Royal Air Force, weit abgelegen von den nächsten Städten und Dörfern.“ John nickte. „Ich weiß. So viel ist zumindest bei uns in London auch an Gerüchten durchgesickert. Sie haben sich dort verschanzt, weil sie das Gelände übernehmen konnten. Ich glaube es wurde sogar von Prinz Charles Windsor aufgekauft und ihnen dann später überlassen. Ah ja die militärische Struktur der Schotten kommt nicht von ungefähr. Vermutlich sind viele von ihnen Armee- und Marine-Veteranen … wenn nicht so gar ehemalige Mitarbeiter von U.N.I.T.“, murmelte er und erntete dafür nur ein verächtliches Schnauben. Allerdings enthielt sich John auch diesmal eines Kommentars und verzichtete darauf nachzufragen. Die schwindenden Timelord-Erinnerungen waren immer noch deutlich genug, um ihn wissen zu lassen, dass sein Gegenüber von dieser irdischen Organisation schon früher einiges hatte einstecken lassen, nicht zuletzt durch die tatkräftige Mitarbeit des Doktors, wenn die Geschichte in ihren beiden Universen zumindest in groben Zügen ähnlich verlaufen war … „Was wir jetzt tun werden?“ Der Master kehrte zu der anfänglichen Frage zurück. „Nun, das ist ganz einfach. Wir werden uns diese Basis genauer ansehen“, meinte er dann in ruhigem Plauderton. „Denn schließlich ist dort etwas, was wir beide haben wollen.“ John atmete hörbar ein und aus. Da hatte ihn der Master durchschaut – aber das war nun wirklich nicht besonders schwer. Also gut … „Ja!“, erwiderte er und spielte jetzt einfach einmal mit, um die Erwartungen seines Peinigers zu erfüllen und ihn damit milde zu stimmen. „Mir behagt es ja auch nicht besonders, dass Rose in der Gewalt dieser Leute ist!“ „Das dachte ich mir schon. Ihr Affen seid ja so durchschaubar.“ Wieder betätigte der Master die Kontrollen seiner Tardis und versetzte sie durch den Raum in die Nähe der letzten Koordinaten, die die Sonde übermittelt hatte, suchte dort in aller Ruhe einen geeigneten Landeplatz, abseits von dem Flugfeld, auf dem noch immer geschäftiges Treiben herrschte. Mit Hilfe des Scanners sondierten sie die Umgebung, so gut wie das in der Dunkelheit außerhalb der Lichtkegel der Scheinwerfer möglich war. Männer und Frauen entluden die Luftschiffe, während sich der Lastwagen, auf dem sich die Tardis befand, in Bewegung setzte und in Richtung einiger Hügel entfernte. Der Master betätigte einige weitere Hebel und Schalter. Diesmal diente ihm keine weitere Sonde zur Orientierung – diesen Fehler beging er nicht noch einmal - er peilte einfach die unverkennbare Struktur der gallifreyschen Zeitkapsel des Typs 40 an. Um sich selbst schien er sich keine Sorgen zu machen, warum auch? Wenn der Chamäleonschaltkreis und andere Schilde der Tardis funktionierten, dann war es auch kein Problem, unbemerkt zu bleiben. Als was sich der Master auch immer gerade tarnte oder ob er nur die reine Unsichtbarkeit nutzte, es würde nicht auffallen, vor allem nicht in diesem schlechten Licht. Und das jemand einfach in die hineinrennen würde, nun das war auch unwahrscheinlich. John schluckte. „Na mal sehen, was wir noch alles erfahren.“ Der Master blieb ruhig stehen und beobachtete das Gewimmel, zog nur einmal kurz eine Augenbraue hoch und zoomte Gesichter heran, als ob er diese erkennen würde, sagte aber natürlich nichts dazu. So wie immer … John überkreuzte die Arme vor der Brust und machte gute Miene zum bösen Spiel. Denn sollte er im Moment auch anderes tun, als ebenfalls abzuwarten und zu beobachten, dabei auf weitere Entscheidungen des Masters zu hoffen. Aber seine Gedanken rasten trotzdem weiter und kamen nicht wirklich zur Ruhe. 'Was werden die Schotten mit Rose und dem Doktor anstellen? Was ihnen beiden antun?', fragte sich. 'Das mindeste ist, sie werden sie verhören. Aber ich weiß nicht, wie human ihre Methoden gegenüber Außerirdischen und Kollaborateuren sind.' Er biss sich auf die Lippen. 'Jetzt nicht … denke jetzt nicht daran, John. Du brauchst im Moment deinen ganzen Verstand, um nichts Unbedachtes zu tun und den Kerl wieder sauer zu machen.' Der Master schien das Interesse daran zu verlieren, einfach zu nur beobachten, nachdem er festgestellt hatte, dass niemand Hochrangiges zu sehen war. Auch John ärgerte das ein wenig, hätte er doch zu gerne gewusst, wer hier das Kommando hatte. Nun beschäftigte sich der Timelord mehr mit den Kontrollen. Nach dem Studium diverser Anzeigen versetzte er die Tardis noch einmal ein Stück vom Flugfeld weg und näher an die gut versteckt liegende Basis heran, die ganz offensichtlich längst nicht nur aus den beiden Hallen und der Kaserne bestand, die als einzig verbliebene Immobilien an der Erdoberfläche zu sehen waren. Der Master ermittelte mit kühler Sachlichkeit und Entschlossenheit die Struktur des unterirdischen Komplexes und die Anzahl der sich dort bewegenden Lebewesen, schien sich dabei aber immer noch sicher zu sein, dass er nicht bemerkt wurde. John runzelte die Stirn. Wie denn auch? Die Partikel, die die Gallifreyan dazu nutzten, um feste Materie zu durchleuchten, waren den Menschen gänzlich unbekannt, zumindest hoffte John, dass das auch hier und jetzt der Fall war. Ein wenig quälte ihn auch die Sorge – und da dachte er an das Leben, dass er hinter sich gelassen hatte - dass Torchwood jetzt mit Hilfe der Tardis und den Doktors, eine Macht in die Hände bekam, die sie genau so schamlos ausnutzen und missbrauchen würden, wie es auf der Welt geschehen war, von der er selbst kam. Wenn dieser es zulassen würde natürlich. Denn auch die Zeitkapsel war auf solche Eventualitäten vorbereitet und würde sich zu wehren wissen, vor allem seine, die in der Hinsicht schon einiges mitgemacht hatte. Nein, er traute den Schotten kein Stück, die laut Pete ganz offensichtlich immer noch der von Königin Viktoria herausgegebenen Agenda folgten und grundsätzlich gegen den Doktor eingestellt waren. Deshalb sog auch er die Informationen intensiv ein, die ihm der Timelord zu sehen erlaubte. Vielleicht konnte ihm das noch einmal von Nutzen sein, wenn er es schaffte, mit Rose zurückzukehren. Wenn … Interessiert beobachtete er wie der Master eine Übersicht über das wirkliche Ausmaß der Basis bekam und auch feststellen konnte, wo man den Doktor hingebracht hatte – immerhin war er die einzige Person im näheren Umkreis, die zwei Herzen hatte, und sich nicht direkt hier im Raum befand. Ob Rose bei ihm war? Und wenn, bedeutete das wirklich, dass man sie wie einen Menschen behandelte und nicht wie ein Alien ? Er biss sich auf die Lippen. Ach verdammt. Schon wieder wühlte dieser unerträgliche Gedanke in ihm und gab einfach keine Ruhe. „Wie ich sehe haben die den Komplex doch ganz schön ausgebaut.“, meinte John, um sich abzulenken. „Was haben Sie jetzt vor?“, fragte er. „Ich bin dabei, wenn es darum geht, die beiden da heraus zu holen. Na, dann her mit ihrem Plan!“ Und in Gedanken fügte er sarkastisch hinzu, auch wenn er nicht wirklich zum Lästern aufgelegt war. 'Dem ach so tollen Master-Plan, der bestimmt wieder supergenial ist und in die Hose gehen wird, wenn der Doktor davon Wind bekommt ...' Der Timelord lachte spöttisch auf, während John grummelnd das Gesicht verzog. Natürlich, was sollte er da auch anderes erwarten? Denn der hielt ihn ja zweifellos immer noch für einen verliebten Trottel … nun … der er ja leider auch war. „Es wäre in der Tat eine gute Gelegenheit, diesen Renegaten dingfest zu machen, und seine Tardis gleich mit aus dem Verkehr zu ziehen, aber das ist im Moment nicht mein vorrangiges Ziel. Er könnte uns in anderer Hinsicht von Nutzen sein.“ „Nein?“ John horchte erstaunt auf, denn nach all dem Wüten gegenüber dem anderen Timelord waren das jetzt ganz andere Klänge. „Was dann?“ Der Master lächelte böse. „Oh, genaueres zu seiner Zeit. Nun … ich dachte, du hättest für einen Mischling ein wenig mehr Grips im Kopf und könntest eins und eins zusammen zählen. Was glaubst du hat der Doktor hier eigentlich zu suchen, wenn er nicht genau nach den gleichen Informationen suchen würde, wie ich?“ „Keine Ahnung! Verraten sie es mir?“ John gab sich betont unwissend, denn stimmt, auf diesen Aspekt hatte ihn der Timelord noch nicht hingewiesen. Der Doktor steckte ja gerne seine Nase in Angelegenheiten, die ihn nichts angingen … das wusste er aus Erfahrung. Und hatte er einmal angebissen, dann ließ er meistens nicht mehr locker ... „Unsere Pfade kreuzen sich im Moment nämlich viel zu oft“, knurrte der Master. „Er treibt sich an Orten herum an denen ich auch recherchiert habe, denn ich habe ihn nicht nur in London und Southhampton entdeckt, sondern die Spuren seiner Tardis auch in Boston angemessen. Nun, kommst du jetzt vielleicht jetzt darauf, was ihn interessieren könnte?“ Boston? Der Ort, den sie vermutlich als nächstes aufgesucht hätten, wenn ihnen nicht überraschend der Doktor und Torchwood dazwischen gekommen wären? John fiel es tatsächlich jetzt erst wie Schuppen von den Augen und er verfluchte sich selbst für seine Blödheit. „Der Doktor ist ebenfalls auf der Suche nach Penelope Gate und Ulysses!“, murmelte er. „Meinen Sie das?“ „Ja, ganz genau.“ Der Master zeigte ein dünnes Lächeln. „Und ich bin mir sicher, dass er bereits Informationen hat, die wir nicht besitzen.“ „Das heißt wir werden versuchen an ihn heran zu kommen, um ihn auszuquetschen? Jetzt wo ihn andere festgesetzt und von seiner Tardis getrennt haben?“, fragte John, auch wenn ihm das jetzt so einfach erschien. Der Master schüttelte jedoch den Kopf und bearbeitete wieder die Kontrollen, versetzte die Tardis kurzerhand in einen der unterirdischen Räume, in denen er keine Lebenszeichen angemessen hatte und schaltete den Scanner an. Sie befanden sich jetzt in einem Lagerraum. In dem Halbdunkel waren mit Planen abgedeckte Objekte zu erkennen, an denen Schilder mit Nummern hingen. „Nein … genau das werden wir nicht tun, auch wenn das mehr als verlockend ist.“ Der Master ging an die Wand und holte etwas aus einem Fach. „Ich habe etwas ganz anderes vor“, erklärte er und hielt ihm einen kleinen Gegenstand entgegen, nicht größer als ein halbiertes Hühnerei. „Und das wäre?“ John sah ihn aufmerksam an, kam ihm das Ding, das ihn entgegen gehalten wurde, doch seltsam bekannt vor. Natürlich musste er Unwissenheit heucheln. „Das hier muss an der Tardis angebracht werden, um seinen Weg durch Raum und Zeit zu verfolgen. Das ist effektiver, als nach seinen Spuren zu suchen.“ Der Master betrachtete John von Kopf bis Fuß. „Ich denke, das ist Aufgabe, die simpel genug für einen Affenabkömmling ist. Derweil werde ich für ein wenig Ablenkung sorgen. Denn wir wollen ja, dass das unbemerkt bleibt … und der Doktor die Flucht ergreift, nicht wahr?“ John schluckte. Eine nette Rolle kam ihm da wieder zu, aber keine die ihm wirklich behagte. Andererseits bestand die Chance, dass er so die Möglichkeit hatte, Rose zu helfen, damit sie endlich aus der Schusslinie kam. Was aus ihm selbst wurde … nun egal! Nickend stimmte er zu und streckte die Hand aus. „Ja, das klingt nach einem Plan.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)