Neun von zehn von Idris ([Wataru x Ryousuke]) ================================================================================ Kapitel 2: Küss mich -------------------- „Küss mich“, befiehlt Wataru atemlos. Er ist den ganzen Weg zur Schule gerannt. „Vergiss es!“ knurrt Ryousuke und läuft schnurstracks an ihm vorbei. „Du hattest deine Chance.“ „Warte, warte! Jetzt warte doch!“ Wataru sprintet ihm hinterher und breitet die Arme vor ihm aus. „Lass uns doch… können wir wenigstens darüber reden?“ „Nein, können wir nicht!“ Okay, das läuft alles nicht so wie geplant. Er hat die ganze Nacht wach gelegen und darüber nachgedacht. Über alles was Ryousuke gesagt hat, über das Küssen und über Jungs, über Yuutas verdammte Lippen, und über die Tatsache, dass er vielleicht möglicherweise irgendwann mal Ryousukes Kiyama gewesen ist. Nichts davon hat irgendeinen Sinn ergeben. Nicht mal jetzt bei Tageslicht betrachtet macht das Sinn. Alles was Wataru weiß ist, dass vorher alles gut war und jetzt ist es das nicht mehr, und er hat sich in den Kopf gesetzt, dass es wieder gut werden wird, wenn sie nur endlich diesen doofen Kuss hinter sich bringen. Das kann doch nicht so schwer sein. Ein Kuss. Ein einziger. Wie lange kann das schon dauern? Zehn Sekunden? Vielleicht zwanzig? Dann werden sie beide merken, dass es gar nichts besonderes ist, sondern vermutlich ziemlich dämlich. Dann wird Ryousuke aufgehen, dass er gar nichts verpasst hat mit Wataru, und Wataru wird aufgehen, dass einen Jungen zu küssen auch nicht besonders spannend ist und vielleicht hört er dann endlich auf in unpassenden Momenten an Yuutas verdammten Mund zu denken. Und dann kann alles so weiter gehen wie vorher. Mehr will er doch gar nicht. ist das zu viel verlangt? „Aber ich will dich küssen!“ ruft er Ryousuke verzweifelt hinterher. Auf dem Schulhof bleiben Leute stehen und starren ihn an. Okay. Möglicherweise hat er diese Taktik nicht so gut durchdacht. „Sag mal, geht’s noch?“ faucht Ryousuke und zerrt ihn eilig hinter die Turnhalle. Dort angekommen schubst er Wataru gegen die Wand und breitet entnervt die Arme aus. „Möchtest du vielleicht noch eine Durchsage über den Lautsprecher machen?“ fragt er. „Ich bin nicht sicher, ob die Mittelschule nebenan das auch mitgekriegt hat.“ „Sorry“, murmelt Wataru. Ryousuke verdreht die Augen. „Außerdem was soll das werden? Ein Mitleidskuss? Das ist echt das Letzte was ich von dir will, vielen Dank auch.“ „Aber es ist nicht aus Mitleid. Wirklich nicht!“ beteuert Wataru. „Es wäre einfach… praktisch!“ „Ich hoffe um deinetwillen, dass DAS nicht deine Vorstellung von Flirten ist, denn das ist grauenhaft.“ „Ich will doch nur, dass du über mich hinwegkommst!“ „Ich BIN über dich hinweg, du Honk! Ich bin so weit weg, das kannst du dir gar nicht vorstellen!“ Verzweifelt klappt Wataru den Mund zu. Vielleicht sollte er am besten gar nichts mehr sagen, er macht alles nur noch schlimmer. Er ist echt nicht gut in sowas. Es hat schon seine Gründe, wieso er bisher noch nie eine Freundin hatte. Und wieso er immer nur in panische Schnappatmung verfällt wenn sich hübsche Mädchen in seiner Gegenwart befinden und er keinen einzigen Ton herausbekommt. Weil nämlich sowas dabei rauskommt, wenn er den Mund aufmacht. „Sei nicht sauer auf mich“, sagt er schließlich leise. „Bitte.“ Es gibt nur ganz wenige Dinge auf der Welt, die er unangenehmer findet, als das Gefühl wenn Ryousuke sauer auf ihn ist. Das kommt direkt nach dem Gefühl wenn seine Mutter sauer auf ihn ist. „Ichhabdichlieb“, schiebt er noch leiser hinterher. „Oi!“ protestiert Ryousuke. „Du kannst nicht jedes Mal Liebe auf mich werfen, bis alles wieder gut ist! Das geht nicht!“ „Du bist mein allerbester Freund auf der ganzen Welt.“ Ryousuke seufzt. Einen Moment lang ist er still und starrt überall hin nur nicht auf Watarus Gesicht. „Was gibt’s denn da zu glotzen? Verzieht euch!“ raunzt er ein paar Schüler aus dem Jahrgang unter ihnen an, die ein paar Meter von ihnen entfernt stehen geblieben sind und sie anstarren. Hastig laufen sie weiter. „Ugh.“ Ryousuke tritt gegen die Wand und schiebt wütend die Hände in die Hosentaschen. Wataru wartet. Ryousuke seufzt erneut. „Ich bin nicht sauer auf dich“, sagt er schließlich, und Wataru spürt wie er zum ersten Mal an diesem Tag wieder Luft bekommt. „Aber das andere…“ Ryousuke schüttelt den Kopf. Seine Finger spielen unruhig mit den Trägern seines Rucksacks. „Ich will nicht darüber reden. Lass uns das einfach vergessen, okay? Es war ´ne blöde hypothetische Frage, nichts weiter. Ich wünschte, ich hätte sie nie gestellt.“ „Aber jetzt weiß ich, dass du darüber nachdenkst“, protestiert Wataru. „Und jetzt denk ich auch darüber nach. Und du weißt wie das jedes Mal endet, wenn einer von uns was in sich reinfrisst.“ „Einer heult“, erwidert Ryousuke trocken. „Am Strand.“ „Das ist mein Ernst!“ „Okay, okay. Ist ja gut.“ Ryousuke reibt sich mit der Handfläche übers Gesicht. Er sieht müde aus, fällt Wataru verspätet auf, so als ob er auch die ganze Nacht wachgelegen und sich hin und her gewälzt hätte. „Nach der Schule, okay? Ich komm zu dir und dann… dann reden wir darüber.“ „Okay.“ Wataru nickt eifrig. „Nur reden!“ „Versprochen.“ „Und komm bloß nicht wieder an mit ‚Küss mich‘, sonst hau ich dich!“ Da Ryousuke als einziger Mensch auf der ganzen Welt wirklich alle Stellen kennt, an denen Wataru unendlich kitzelig ist (und das niemals rauskommen darf), hält Wataru wohlweislich den Mund. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)