Fallen und Fliegen von Idris (Wataru x Yuuta) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Wataru hat ein Problem. Es ist dämlich und er hat es sich selbst eingebrockt. Irgendwie. Aber wer hätte denn auch ahnen können, dass Yuuta nichts Alkoholisches verträgt? So absolut rein gar nichts? ‚Ich besorge uns ein paar Flaschen Bier‘, hat Ryousuke gesagt. ‚Zur Feier des Tages.‘ ‚Ist das nicht illegal?‘ hat Yuuta gefragt, mit großen Augen und der gesammelten Unschuld eines wohlerzogenen Kindes der konservativen Mittelschicht. Wataru, Kiyama und Ryousuke haben vielsagende Blicke ausgetauscht und gelächelt. Zu dem Zeitpunkt klang das noch wie eine gute Idee. Rückblickend betrachtet war es eine dämliche Idee. Bei Abenddämmerung am Wasser zu sitzen und im Kreis das Bier herumzureichen, klingt harmlos genug. Ist es auch gewesen. Es war sogar richtig nett. Natürlich hat Wataru aufgepasst, dass Satoshi nichts davon abkriegt, er ist ja nicht total blöd. Der Kleine nimmt wer weiß wie viele Medikamente ein und Wataru will ihn ja nicht umbringen. Er hat außerdem ein scharfes Auge auf Hino und Kaneko gehabt, weil Hino ungefähr so viel wiegt wie ein Katzenbaby, und Kaneko neigt dazu immer alles zu übertreiben. Woran er nicht gedacht hat, ist auch ein Auge auf Yuuta und Mizusawa zu haben. Hätte er vielleicht tun sollen. Andererseits hätte das auch nicht viel gebracht. Er ist ziemlich sicher, dass er noch nie zwei Menschen erlebt hat, die so wenig vertragen wie die beiden. Niemand konnte das ahnen, okay? Woher hätte er wissen sollen, dass die zwei betrunken werden sobald sie über der Flasche tief eingeatmet haben? - „Ich kann dich so nicht zu Hause abliefern“, stellt Wataru fest. „Nein?“ Yuuta blinzelt zu ihm hinauf. „Deine Eltern holen die Polizei. Die lassen mich verhaften! Oder sie bringen mich gleich um.“ Er stöhnt bei dem Gedanken wie er wildfremden Leuten erklären soll wieso ihr jüngster Sohn so angetütert ist und ‚nein, er hat ihn nicht abgefüllt, um über ihn herzufallen, Entschuldigung? Das war ein UNFALL‘. „Ich komme ganz alleine nach Hause“, versichert Yuuta. Wataru hebt die Augenbrauen. „Ich wohne hier ganz in der Nähe. Da… da drüben.“ Yuuta macht eine vage Handbewegung, irgendwo in Richtung des Meeres. Wataru sieht ihn zweifelnd an. „Nein warte… da drüben.“ Yuuta zeigt in die entgegengesetzte Richtung. Als er Watarus Gesicht sieht, pausiert er und denkt kurz nach. „Da?“ probiert er und zeigt nach oben. Wataru stöhnt und schlägt beide Hände vors Gesicht. Er hat ihn kaputt gemacht. Oh Gott. Er hat Yuuta kaputt gemacht. Wie konnte das passieren? Er ist froh, dass Ryousuke sich angeboten hat Mizusawa nach Hause zu bringen. Leider hat er vorher nicht mehr dran gedacht aus Mizusawa rauszubekommen wo Yuuta überhaupt wohnt. Jetzt steht er da, mit einem Yuuta, der keine Ahnung mehr hat wo oben und unten ist. „Wa~ta~ru…“ fragt Yuuta verträumt und so gedehnt als ob sein Name aus zehn Silben besteht. „Willst du mal was sehen?“ Langsam nimmt Wataru die Hände runter. Yuuta hat seine Tasche in den Sand fallen lassen und ist dabei seine Jacke abzustreifen. Er fuchtelt mit den Armen als die Ärmel sich verheddern und seine Bewegungen sind flatterig und unkoordiniert wie sonst nie. „Was denn?“ fragt Wataru skeptisch. „Das hab ich neulich im Fernsehen gesehen. Eine Piourette… Pirouette. Warte… ich muss nur…“ „Ich glaube, das ist keine so gute… holla!“ Yuuta fällt ihm direkt entgegen. Wataru schafft es nur mit Hilfe seiner raschen Reflexe ihn davor zu bewahren, mit dem Gesicht voran im Sand zu landen. Die Jacke kann er nicht mehr retten. Der Wind entreißt sie Yuutas Händen und sie flattert über den Sand, schwarz, wie ein davon springender Kater. Wataru macht eine hilflose Bewegung, aber Yuuta sackt haltlos nach unten, als er Anstalten macht los zu lassen, und er packt lieber fester zu. „Yuuta, deine Jacke…“, stöhnt er entsetzt. Er kann doch Yuuta nicht angetütert UND halb ausgezogen bei seinen Eltern abliefern. Das geht nicht! Yuuta giggelt, das Gesicht an seine Brust gedrückt. „Hast du es gesehen?“ „…ganz toll.“ „Wirklich?“ Große, glänzende Augen werden auf ihn gerichtet. Wataru lächelt, gegen seinen Willen bezaubert. Er hat Yuuta noch nie so gesehen, so gelöst und unbefangen. Ungehemmt. Es hat einen gewissen Charme, dem er sich nicht entziehen kann. „Ja“, sagt er leise. „Ganz toll.“ „Soll ich nochmal?“ „Äh ne. Lass mal, ich…“ Yuuta löst sich aus seinen Armen und läuft ein paar Schritt zurück. „Ich springe über dich drüber“, verkündet er. „Tu’s nicht.“ „Mit einem Salto. Einem doppelten Salto!“ „Du brichst dir den Hals.“ „Ich bin dein Captain“, sagt Yuuta hoheitsvoll, was auch sehr beeindruckend wäre, wenn er dabei nicht schwanken würde wie ein Schilfrohr. Er wedelt nachdrücklich mit den Armen, seine weißen Ärmel blähen sich wie Flügel im Wind, und Wataru kapiert, dass er sich hinsetzen soll. Widerspruchslos lässt er sich in den weichen Sand fallen. Das haben sie sie schon mal gemacht, fällt ihm ein, eine warme, sepiafarbene Erinnerung. Nächtliche Sprungübungen im Park. Allein zu zweit, mit Pappkartons und Ramen und im Mondlicht. Nur, dass Yuuta damals deutlich nüchterner gewesen ist als jetzt. Yuutas Gesicht ist ein weißes, helles Oval in der Finsternis und in seinen Onyx-Augen spiegelt sich das Mondlicht. Sie schimmern dunkel wie die Meeresoberfläche bei Nacht. Onyx-Augen. Großer Gott. Er muss aufhören heimlich die Schmonzetten auf dem Nachttisch seiner Mutter zu lesen. Nein Moment. Das ist Kiyamas Schuld. Kiyama, der ständig Enka in seine Playlisten schmuggelt. Jeden Moment wird er anfangen Blumenmetaphern benutzen. „Bist du bereit?“ ruft Yuuta. „Nein?“ „Ich bin bereit!“ „Ich glaube nicht, dass das…“ Yuutas weißes Hemd flattert lose um seine schlanke Gestalt, als er losläuft. Wataru ist sicher, dass seine Jacke in diesem Moment über das Meer segelt und sie sie nie wieder finden werden, aber jetzt gerade ist ihm das beinah egal. Er ist wie gebannt. Es gibt wenig Dinge auf der ganzen Welt die eleganter sind als Yuuta, wenn er rhythmische Gymnastik macht. Yuuta ist eine Studie aus Kontrasten, schlank und zart und grazil, aber so athletisch, dass er sich vom Boden abstoßen kann, als sei er schwerelos. Auf Sand zu laufen ist anstrengend, sogar für Leistungssportler, aber bei Yuuta sieht es leicht aus, als ob er abfedert und über ihn hinweg segelt. Einen Augenblick denkt Wataru ‚das darf nicht wahr sein, er schafft es‘, ungläubig und beeindruckt zugleich. Wenn es einer schaffen kann, dann Yuuta. Er stolpert erst in letzter Sekunde über einen Sandhügel. Sogar im Fallen sieht er anmutig aus. Yuuta fliegt nach vorne, direkt in Watarus Arme. Reflexartig schlingt Wataru die Arme um ihn und hält ihn fest, und wird von seinem Schwung rücklings zu Boden gerissen. Yuuta landet mit Schwung auf seiner Brust. Sämtliche Luft wird aus Watarus Lunge gepresst. „Uff…“, keucht er. Yuuta lacht, das Gesicht in seine Halsbeuge gedrückt. Es ist ein glucksendes Geräusch und es perlt aus ihm heraus, hell und atemlos und erfreut. Er murmelt etwas, das klingt wie „… kann fliegen…“. Wataru lacht erleichtert. „Du kannst wirklich fliegen“, bestätigt er. „Aber mach das nicht nochmal, okay?“ Yuuta sagt etwas, so leise, dass Wataru es nicht versteht. „Was?“ „…wusste, dass du mich auffängst“, wiederholt Yuuta und hebt den Kopf. „Ach… echt? Schön, dass sich wenigstens einer von uns da so sicher war, denn ich wusste es nicht“, redet Wataru hastig drauf los, denn sein Herz schlägt ihm plötzlich bis zum Hals. Yuutas Gesicht ist so dicht vor seinem eigenen, dass er die beiden winzigen Leberflecke unterhalb seines linken Auges erkennen kann. „Man, Yuuta. Du hast es doch sonst immer so mit Sicherheit, und wie wichtig Aufwärmen ist, damit man sich nichts zerrt. Du hättest… keine Ahnung, du hättest Sand ins Auge kriegen können. Mach das nicht nochmal.“ Yuuta giggelt. „Du klingst wie ich“, stellt er fest. „Tu ich?“ fragt Wataru mit immer noch klopfendem Herzen. „Ja.“ Yuuta seufzt tief und inbrünstig. „So klinge ich immer. Die gaaanze Zeit. Captain sein ist so anstrengend… keiner weiß das.“ Er schiebt die Unterlippe vor. „Äh…“ gibt Wataru von sich, atemlos und wortlos, und von der Tatsache aus dem Konzept gebracht wie nah Yuutas Mund plötzlich vor seinem ist. „Das tut mir leid, dein Leben ist hart. Yuuta, du… du liegst auf mir. Willst du nicht mal…?“ Er macht eine vage Handbewegung. „Ja.“ Er lächelt entgegenkommend. „Was denn?“ „…aufstehen?“ Yuuta nickt. Er stemmt die Hände auf Watarus Brust und drückt sich in einer halbherzigen Liegestütze nach oben. Auf halbem Weg knicken seine Arme ein und er fällt zurück. „Nein“, sagt er hilfreich. „Okay“, ächzt Wataru, dessen Rippen langsam anfangen zu protestieren weil Yuuta sie als Gymnastikmatte missbraucht. „Alles klar. Bleib einfach hier liegen.“ Yuuta nickt schläfrig und schmiegt sich an ihn wie ein große schwarze Katze. „‘Kay“, murmelt er und vergräbt das Gesicht an Watarus Halsbeuge. Wataru hält die Luft an. Ihm ist sehr heiß und er hat den vagen Verdacht, dass das nicht nur am Alkohol liegt. Vorsichtig legt er die Hände auf Yuutas schmalen Rücken. Der Stoff ist feucht und erhitzt unter seinen Fingern und er bewegt behutsam die Hände auf und ab. Yuuta seufzt zufrieden, ein heißes Ausatmen direkt in Watarus Nacken. Wataru sendet ein paar Stoßgebete nach oben an sämtliche Sterne die er sieht, zählt erst bis zehn und dann bis zwanzig, bevor er tief ausatmet. „Wenn du dich morgen früh noch an irgendwas erinnern kannst, wirst du mich hassen“, stellt er fest. „Gar nicht wahr. Ich maaag dich“, murmelt Yuuta. Oh Gott. Oh Goooott. „Ich…“ Wataru spürt wie er errötet bis unter die Haarwurzeln und er ist mit einem Mal sehr froh über die Dunkelheit. „Ich ähm… ich find dich auch… ganz okay. Aber wir… wir können nicht wirklich hier bleiben, in Ordnung?“ „Hmhm.“ Yuuta bewegt seine Hüfte, um sich ein Stück nach oben zu drücken. Wataru wimmert. „Ich nehme dich mit zu mir“, ächzt er. „Aber wir müssen jetzt aufstehen. Wirklich. Ehrlich. Okay? Yuuta? Jetzt? Bitte?“ Yuuta nickt und vergräbt eine Hand in Watarus T-Shirt. „Ich schlaf gerne mit dir“, nuschelt er schläfrig. Wataru stöhnt und zählt innerlich bis hundert. Das wird eine laange Nacht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)