Bildgeschenke von Storyteller_Inc ================================================================================ One Shot -------- „Und wann?“ „In drei Tagen.“ „In drei Tagen schon …“ Es war ein Tag wie jeder anderer im »Meido no Hitsuji«. Die Stimmung war gut, die Handvoll Gäste ausgelassen. Man hörte leises Geplauder von hier und da. In den frühen Vormittagsstunden hatte die Besatzung nicht viel zu tun. So blieb ein wenig Zeit, sich dem einen oder anderen Gespräch mit den Gästen zu widmen. Einer dieser Gäste war Ukyo. Er war zu seiner gewohnten Zeit im Café eingetroffen, um seine Tasse Kaffee zu genießen. Seine Besuche waren seltener geworden, seit der Oktober das Kalenderblatt erobert hatte. Arbeit, wie jeder wusste. „Das wäre der 24te.“ Tomas Blick haftete an dem Kalender, der unweit die Wand zierte. Ukyo nickte. „Ja. Die Leute feiern an diesem Tag Weihnachten. Es ist kein Vergleich zu Japan.“ „Ich hörte davon“, ergriff Waka erneut das Wort. Nachdenklich strich er sich über das Kinn. „Ich habe einen guten Freund in Deutschland. Er erzählte mir davon. Vor einigen Jahren war ich eingeladen, einem Jahreswechsel beizuwohnen.“ „Und du hast es ausgeschlagen?“ „Ich war zu der Zeit Student“, erklärte er an Sawa gewandt. „Es war das Jahr vor meinem Universi-tätsabschluss. Es bestand weder die Zeit, noch verfügt ich über die finanziellen Möglichkeiten, dieser Einladung zu folgen.“ „Oh“, entkam es ihr überrascht. Ihrem Gesicht war abzulesen, dass sie sich Waka bislang nie als etwas anderes als ihren Boss vorgestellt hatte. Jetzt gerade versuchte sie es. „Europa, hm?“ „Ukyo-san“, machte sich Shin die Lücke zunutze, die Ikki in seiner Überlegung geschaffen hatte. „Es klingt so, als wüsstest du viel über die Menschen dort. Hast du eigene Erfahrungen gemacht?“ Wieder nickte er. „Ja, ich war schon einmal dort.“ Er zeigte ein vorsichtiges Lächeln, als er fortfuhr: „Das ist aber schon eine Weile her. Ich weiß nicht wirklich viel. Eigentlich weiß ich nur, dass die Sitten ein wenig anders sind. Die Menschen unterscheiden sich aber nicht wirklich von denen in Japan. Man muss eben vorsichtig sein.“ „Beneidenswert.“ Ikki stieß ein leises Seufzen aus, bevor er geschlagen lächelte. „Du bist ein echter Glückspilz. Als gefragter Fotograf kommt man viel in der Welt herum, schätze ich.“ „Naja“, entgegnete er leise. „Ich bin ein Spezialist mit der Kamera, das stimmt schon. Aber es gehört auch viel Glück dazu. Viele meiner besten Fotos entstehen aus Zufall.“ „Ich denke, da gehört mehr dazu“, widersprach Kento. „Wenn Glück und Zufall allein genügen würden, um es mit seinem Hobby bis ins Ausland zu schaffen, könnte es jedem gelingen. Jedoch ist mir bisher noch niemand begegnet, der für seine Arbeit bis nach Übersee gerufen wurde.“ „Da hat Kento-san allerdings recht.“ Toma nickte zustimmend. „Ukyo-san ist eben viel zu bescheiden“, bestätigte Ikki amüsiert. „Ah, Leute! Hört doch auf. Ihr macht mich ganz verlegen …“ Ihre übliche Runde war ausgelassen. Nur eine Person konnte sich der heiteren Stimmung nicht anschließen. Es war ohne Frage eine gute Neuigkeit, die Ukyo ihnen heute überbracht hatte. Sie freute sich für ihn, von ganzem Herzen. Der Gedanke jedoch, was das im Gegenzug bedeutete, löste Schwermut in ihr aus. Ukyo war ihr, genau wie die anderen, ein äußerst wertvoller Freund. In den vergangenen Monaten hatte er ihr oft zur Seite gestanden. Hatte sie nicht weitergewusst, vermochte sein Rat sie zu leiten. War sie in eine schwierige Situation geraten, hatte er ihr die Hand gereicht. Wie oft hatte sein plötzliches Auftauchen sie vor Schlimmen bewahrt? Ukyo war ein Mysterium, das hatte sich bis heute nicht geändert. Und doch war er ihr wichtig geworden. Es war zu keinem geringen Teil ihm zu verdanken, dass sie die schwerste Zeit ihrer Amnesie heil und motiviert überstanden hatte. Betreten ließ sie den Kopf hängen. Sie wusste, dass es kein Abschied für immer sein würde. Das letzte Mal, als er nach Nordjapan gereist war, hatten sie ihn für zwei Wochen nicht zu Gesicht bekommen. Doch Europa lag so weit weg. Wie lange würde es dieses Mal sein, bis sie ihn wiedersah? „Oh, da fällt mir ein …“ Mit seinem Ausruf begann Ukyo in seiner schwarz-violetten Umhängetasche zu wühlen. Kurz darauf wurde er fündig und breitete das Ergebnis vor sich auf dem Tisch aus. „Ich habe neulich ein paar Fotos gemacht, die ich euch unbedingt zeigen wollte. Ich finde, sie sind sehr schön geworden“, erklärte er dabei. „Hm? Was ist das?“ Ikki trat neugierig heran. Toma und Kento folgten seinem Beispiel, indem sie sich an seiner Seite vornüberbeugten. „Erinnert ihr euch noch an den einen Morgen, als es so kalt war? Vor … vier Tagen vielleicht? Ich war an diesem Morgen schon früh unterwegs. Da habe ich das gesehen.“ „Ist das Schnee?“, fragte Shin. In seinen Händen hielt er eine Fotografie in Fernaufnahme, die mehrere Bäume in einer diagonalen Reihe zeigte. Vermutlich eine Kirschbaumallee, tippte er. Die Kronen waren kahl und bis zum Stamm mit Weiß überzogen. Während er es betrachtete, zog er nachdenklich die Augenbrauen kraus. „Wo hast du die gemacht? Ich erinnere mich nicht, dass es die letzten Tage geschneit hätte.“ „Es ist kein Schnee“, widerlegte Ukyo kopfschüttelnd. „Es ist Frost. Oder vielmehr ist es Reif, streng genommen. Ich habe die Bilder etwas außerhalb der Stadt gemacht, vielleicht fällt es euch deswegen nicht auf.“ „So etwas hatte ich mir gedacht.“ Kento richtete sich in eine gerade Haltung auf, um Ukyo ansehen zu können. „Schnee hielt ich für ausgeschlossen. Wie Shin-kun richtig angemerkt hat, hatten wir dieses Jahr noch keinen Schneefall. Jedoch erinnere ich mich an die niedrigen Temperaturen, von denen du sprichst. Gut möglich, dass sie außerhalb der Stadt weit tiefer lagen. In diesem Fall wäre ein solches Phänomen denkbar.“ „Hier erkennt man es ganz gut.“ Ikki reichte eine andere Fotografie an Kento weiter. Einige Zweige in der Nahaufnahme waren darauf zu sehen. Sein Finger lag verdeutlichend auf dem Motiv. „Schau, man erkennt es an der Schichtstruktur. Schnee würde weicher sein und einen größeren Mantel bilden. Hier ist der Ast aber eng umschlossen und die Ablagerung sieht an manchen Stellen eher rau aus. Das ist Reif, ohne Frage.“ „Oh, dieses hier ist schön!“, rief Sawa aus. Aufgeregt trat sie an die Seite ihrer Freundin und hielt ihr das Foto hin, welches sie erobert hatte. „Es ist eigentlich ein stinknormaler Baumstamm, aber das hier ist echt faszinierend. Wahnsinn, man sieht sogar, wie es im Licht glitzert! Wie hast du das nur hingekriegt?“ „Ich vermute, das ist eine Frage des Lichteinfalls und der Perspektive“, mutmaßte Kento. „Exakt. Es ist aber nicht so einfach, wie es klingt.“ Ukyo zeigte sein zufriedenstes Lächeln. Er genoss sichtlich, wie sich alle an seiner Arbeit erfreuten. „Zeig mal. Welches hast du da?“ Sie reichte ihr Foto an Toma weiter. Er nahm sich die Zeit, es ausgiebig zu betrachten. Indes schwieg er. „Sie sieht aus wie gefroren“, sagte er schließlich. „Aber irgendwie hat das was. Eine Eisblume im wahrsten Sinne des Wortes.“ „Zeig mal her“, forderte Shin und nahm die Fotografie als Nächstes entgegen. „Eine einzelne Blume?“ Ikki schmunzelte zu Ukyo hinunter. „Ukyo-san verfügt wirklich über den Sinn fürs Detail. Es dürfte nicht leicht sein, zu dieser Jahreszeit noch wildwachsende Blumen zu finden.“ „Ja, es ist nicht einfach“, bestätigte Ukyo leise. „Ich hätte selbst nicht damit gerechnet. Aber dann sah ich sie und … Ich musste es festhalten.“ „Sie ist wirklich schön“, bekundete auch Sawa. Ihr Blick wollte sich nicht recht lösen, als sie das Bild weiter an Ikki und Kento reichte. „So eine hätte ich gern für mich selbst, aber sie würde vermutlich schmelzen. Was für eine Pflanze ist das überhaupt?“ „Das weiß ich selbst nicht so genau“, gestand Ukyo zögerlich. „Ich hatte gehofft, einer von euch könnte es mir vielleicht sagen. Ich habe wirklich keine Ahnung.“ „Hm, es scheint mir zumindest keine Zuchtpflanze zu sein. Wohl eher ein Wildgewächs. Was meinst du, Ken?“ „Zuerst einmal: Sawa, die richtige Bezeichnung lautet tauen. Und bedauere, aber ich bin kein Experte auf dem Gebiet der Botanik.“ Sawa ließ einen genervten Kommentar zu Kentos Kleinlichkeit fallen. Die anschließende Diskussion sorgte für Belustigung in der ganzen Runde. Sawa entkam ihr, indem sie Kento augenrollend fürs Erste das Feld räumte. „Und du?“, richtete Ukyo seine Frage an das Mädchen. Seine Stimme war sanft, als er sie ansprach. „Du bist heute auffallend still, oder nicht? Wie ist deine Meinung zu dem Bild?“ Ein weiteres Mal nahm sie die Fotografie zur Hand. Es war wirklich schwer zu erkennen, um welche Blumenart es sich handelte. Die frostige Schicht hatte die zart wirkende Pflanze gänzlich in ihrer Gewalt. Unter der weißen Kristallablagerung ließen sich blaue bis blauviolette Blüten erahnen. Der Kopf war rundlich, die Blütenblätter vermutlich mehrschichtig. Sie hatte kräftige, spitzzulaufende Blätter. Dagegen wirkte der Stängel schmal und zierlich, irgendwie knorrig. Sonderlich groß war sie zudem nicht, wie sich im Vergleich zum angrenzenden Gras schätzen ließ. „Es ist ein sehr schönes Foto, aber … irgendwie traurig“, sagte sie nach einiger Zeit, in der sie das Motiv auf sich hatte wirken lassen. Daraufhin schwieg sie andächtig, ohne ihren Blick zu lösen. „Wieso sagst du das?“, hakte Sawa nach. „Sie sieht aus wie eingefroren. Was passiert mit ihr, nachdem sie wieder aufgetaut ist? Irgendwie tut sie mir leid.“ Es blieb still. Niemand sagte mehr etwas, als hinge jeder seinen eigenen Gedanken nach. „Oder ist das seltsam?“ Ukyo fing ihren verunsicherten Blick auf. Er beantwortete ihn mit einem vorsichtigen Lächeln. „Nein“, sprach er leise und schüttelte den Kopf. „Es ist nicht seltsam. Ich sehe das genauso. Ich habe mich dasselbe gefragt, deswegen … Ich wollte nicht, dass der Moment vergebens ist.“ Erleichterung machte sich in ihr breit. Sie hatte befürchtet, seine Arbeit mit ihrer Ansicht beleidigt zu haben. Dass er ihr Empfinden hingegen teilte, beruhigte sie ungemein. „Ihr zwei“, seufzte Toma und zuckte mit den Schultern. „Ich komme mit euch nicht mit. Ihr mögt ja mit eurem Gedanken recht haben …“ „Jetzt bin ich deprimiert.“ Sawa stieß ein langes Stöhnen aus. „Ich glaube, ich brauche etwas Süßes. Shin, haben wir noch Schokopudding hinten?“ „Du weißt, dass wir den für die Kunden anrühren? Du kannst dich als Mitarbeiter nicht einfach an allem bedienen, wonach dir gerade ist“, belehrte er sie. „Ich weiß, ich weiß. Aber vielleicht, wenn es Waka-san erlaubt?“ „Abgewiesen“, entgegnete dieser kühl. „Aber wenn wir gerade dabei sind: Wie wäre es, wenn ihr an die Arbeit zurückkehrt? Wir pflegen in diesem Café keine Selbstbedienung.“ Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, doch Anweisung war Anweisung. Wie zur Unterstreichung bediente in dem Moment einer der Gäste die Tischglocke, worauf sich die Gruppe auflöste. „Tut mir leid, dass ich euch Ärger bereitet habe“, sagte Ukyo leise. Indes sammelte er die Fotos zusammen, die auf dem Tisch verstreut lagen. „Es lag nicht in meiner Absicht, euch von der Arbeit abzuhalten.“ „Das hast du nicht“, entgegnete sie und schüttelte den Kopf. Sie war die Letzte, die noch an seinem Tisch verweilte. „Wir sind freiwillig hergekommen. Jeder freut sich, wenn du zu Besuch bist. Und es ist immer schön, dir zuzuhören.“ „Ach wirklich?“ Sie nickte zur Antwort. Dass Ukyo sich dessen nicht bewusst war, verwunderte sie. Dabei war es offensichtlich. „Um ehrlich zu sein, ich bin auch gern hier“, sagte er nach kurzem Schweigen. Sein Lächeln wirkte distanziert, als er seinen Blick durch das Café schweifen ließ. „Das Meido ist ein sehr schöner Ort. Es hat eine sehr gemütliche Atmosphäre, finde ich. Man fühlt sich stets willkommen. Alle hier sind sehr nett und freundlich zu einem. Es ist ein wenig wie Familie. Man kann sich einfach fallen lassen und den Frieden genießen. Ich kehre immer wieder gern hierher zurück.“ Sie wusste zu gut, was er meinte. In den vergangenen vier Monaten hatte sie diesen Ort sehr zu lieben und schätzen gelernt. Sie war gern hier, zusammen mit den anderen. Ihre Gefühle waren dieselben, doch wieso klang es so traurig, wenn er diese Dinge sagte? Was war es noch, das er mit diesem Ort verband? Hatte er es je jemandem anvertraut? „Ah, ich halte dich schon wieder von der Arbeit ab. Bitte entschuldige.“ Ukyos Erkenntnis durchschnitt die eingekehrte Stille wie ein Schwert. Sein Abdriften bereitete ihm Unbehagen, das verriet sein gezwungenes Lächeln. „Wenn es dir keine Umstände macht, bringst du mir bitte noch einen Kaffee? Ich würde gern noch ein wenig bleiben.“   Kurz darauf kehrte sie an seinen Tisch zurück. Auf dem Tablett balancierte sie die Tasse frisch gebrühten Kaffee, welche sie vor ihm abstellte. Er nahm es dankend entgegen, worauf sie sich höflich verneigte. „Darf ich dir sonst noch etwas bringen?“, fragte sie in gewohnter Abfolge, wobei sie lächelte. „Nein, danke. Ich bin zufrieden. Aber … wenn du noch einen Moment Zeit hast?“ Sie blinzelte fragend, nickte jedoch. Abwartend beobachtete sie, wie Ukyo erneut in seiner Tasche kramte. „Hier“, sagte er schließlich und schob ihr zwei Fotografien entgegen. Er nickte ermutigend, als sie noch zögerte, ihre Hand danach auszustrecken. Neugierig beugte sie sich vor und nahm die Drucke entgegen. Als sie die Abbildungen darauf erkannte, weiteten sich ihre Augen überrascht. „Die wollte ich dir unbedingt zeigen. Ich weiß, es ist etwas spät.“  „Nein, das ist schon okay“, entgegnete sie schnell und schüttelte den Kopf. Erneut betrachtete sie die beiden Fotografien eingehend, je im Wechsel. Ein Lächeln eroberte ihr Gesicht. „Die sind von Shins Geburtstagsfeier, richtig?“ „Ja, genau.“  Wie hatte sie diese Bilder nur vergessen können? Ukyo hatte sie auf der Feier gemacht, daran erinnerte sie sich jetzt wieder. Es war eine spontane Überraschungsparty gewesen, das lag nun drei Wochen zurück. Shin hätte das niemals zugelassen, deswegen hatten sie alles im Geheimen geplant. Am Ende, so dachte sie zurück, hatte es sich voll und ganz ausgezahlt. Die erste Fotografie zeigte ein Gruppenfoto. Alle waren darauf zu sehen: Shin mit Partyhütchen, Toma neben ihm, sie selbst mit Mine und Sawa, hinter ihnen Ikki und Kento. Selbst Waka hatte seinen Platz auf dem Bild gefunden. Im Hintergrund erkannte man die bunte Dekoration, die sie anlässlich der Feier angebracht hatten. Nur einer fehlte: Ukyo, der dieses Foto geschossen hatte. Die zweite Fotografie zeigte ein ähnliches Bild. Auch hier waren alle zu sehen, nur die Konstellation war anders. Ihre Aufstellung wirkte chaotisch, ohne jegliche Vorbereitung. Das lag wohl daran, dass dieses Foto spontan entstanden war. Sie erinnerte sich, wie Mine protestiert hatte, dass Ukyo auf dem ersten Bild nicht dabei war. Sawa hatte ihn daraufhin in die Gruppe gezogen. Shin hatte dem entgehen wollen, wovon ihn Toma abgehalten hatte. Am Ende war das Bild sehr natürlich geworden. Es wirkte lebendig auf sie, als würde sich die Szene erneut vor ihr abspielen. Der Fokus war nicht so perfekt wie bei dem ersten Foto, dennoch gelungen. Waka hatte gute Arbeit geleistet. Sie schmunzelte bei diesem Gedanken. „Die sind wirklich sehr schön geworden. Danke, dass du sie mir gezeigt hast.“ „Ah, nein, nein!“, widersprach er eilig. In einer abwehrenden Geste streckte er die Hände von sich, als sie die Fotos an ihn zurückreichen wollte. „Behalt sie. Die … die sind für dich.“ Unsicher zog sie ihre Hand zurück. „Für mich? Wirklich?“ „Ja. Mh, als mein Jahresendgeschenk. Ich hoffe, das bringt kein Unglück? Ansonsten sieh es als ein Weihnachtsgeschenk. Das dürfte legitim sein.“ Er lächelte verhalten. „Aber … ich habe gar kein Geschenk im Gegenzug.“ „Das ist nicht schlimm“, beteuerte er. „Du konntest ja nichts davon wissen. Es ist auch noch kein Jahresende und … Wirklich, du kannst sie ruhig annehmen. Ich wollte sie dir sowieso geben. Es ist in Ordnung.“ Sie zögerte noch, bis sie die Arme langsam senkte. „Danke.“ Erneut sah sie auf die beiden Fotografien in ihren Händen. Ein verträumter Ausdruck legte sich über ihr Gesicht. „Das ist das Erste.“ „Hm?“ Lächelnd sah sie zu ihm auf. „Das ist das erste Foto, das ich von dir habe, Ukyo-san.“ „O-Oh … wirklich?“ Er senkte ausweichend den Blick. In einer verlegenen Geste tippte er sich gegen die Wange, welche ein rötlicher Schimmer überzog. „Ja.“ Sie nickte bestätigend. „Wir haben im Meido schon einige Fotos gemacht, aber auf keinem warst du bisher dabei. Obwohl du so oft hier bist. Vielleicht … solltest du den anderen auch dieses Foto geben.“ „Huh? Den anderen?“ Wieder nickte sie. „Ich glaube, niemand hat bisher ein Foto, wo du darauf zu sehen bist. Ich bin mir sicher, dass sie sich ebenfalls darüber freuen würden. Wenn du dann wieder so lange weg bist … Jeder sorgt sich um dich, wenn du länger nicht hier warst. Auf die Art hätten wir dich immer bei uns. Hier, mit uns im Meido.“ „Mit euch …“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, als er ihre Worte leise wiederholte. Einen Moment besah er sie offen, während er das Gehörte still überdachte. Nach kurzer Zeit wandte er das Gesicht von ihr ab und sah auf die Tischplatte. Seine Mundwinkel umspielte ein schwaches Lächeln. „So ist das … Ist das mein Platz? Habe ich ihn in dieser Welt gefunden?“ „Ukyo-san?“ Aufgeweckt von dem vorsichtigen Klang ihrer Stimme fuhr er aus seinen Gedanken hoch. Er hatte nicht bemerkt, wie er abgedriftet war. Peinlich berührt hob er den Kopf und winkte eilig zur Seite ab. „Ah, bitte entschuldige. Es ist nichts. Hm, vielleicht hast du recht. Wenn du es sagst, werde ich noch einen zweiten Druck machen lassen für die anderen.“ „Ja, das würde sie sicher sehr freuen.“ „Da fällt mir auf“, lenkte er im Thema um und ließ den Blick kurz durch das Café wandern, „wo ist eigentlich Mine? Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen.“ „Sie feiert den Jahreswechsel mit ihrer Familie“, erklärte sie. „Waka-san hat ihr Urlaub gegeben. Ich glaube, sie wollte mit ihrer Familie Verwandte besuchen.“ „Ach so. Das ist doch schön.“ Sie nickte und beide schenkten sich ein Lächeln. „Danke, Ukyo-san“, sprach sie erneut. Ihre Züge waren weich, als sie die Fotografien nah an ihre Brust drückte. „Ich freue mich wirklich sehr über das Geschenk. Ich werde gut darauf aufpassen.“ „Kei… keine Ursache“, stammelte er verlegen. „Ich freue mich, dass du dich freust.“ „Ich wünschte, ich hätte auch ein Geschenk für dich. Etwas, worüber du dich genauso freust.“ Er wandte den Blick ab. Sah erst auf die Tischplatte, dann zu seiner Tasche. Es schien, als würde er überlegen, bis er wieder zu ihr sah. „Nun, also … vielleicht … Vielleicht gibt es da etwas, worum ich dich gern bitten würde.“ Überrascht weitete sie die Augen. „Natürlich. Was ist es?“ „Also …“ Abermals ging sein Blick zu seiner Tasche. Als er dieses Mal zu ihr sah, lag ein scheues Lächeln auf seinem Gesicht. „Ein Foto.“ „Ein Foto?“ Er nickte zaghaft. „Ich fliege demnächst nach Europa. Ich werde lange Zeit nicht hier sein, deswegen … Erlaubst du mir, ein Foto von dir zu machen?“ Sie sagte nichts. Dann, nach einiger Zeit, zeigte sie ein schüchternes Kopfnicken. „Danke.“ Er atmete erleichtert aus. Zwei Herzen schlugen aufgeregt, als Ukyo die Kamera aus der Tasche hervorholte. Dieses Foto war nur für ihn allein. Ihr Bild würde ihn begleiten. Lächelnd hob er den Apparat vor sein Gesicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)