Vis-à-Vis von FraeuleinUnruh ================================================================================ Kapitel 37: Dämon ----------------- Cloud schlitterte über den Gitterboden, als er seinen Schritt abfing und sich hastig umwandte. Er sah noch wie der massige Körper auf der Platte aufschlug und sich die Flügel zuckend ineinander falteten. ''Geh aus dem Weg!'' Er konnte das Klicken von Barrets Gewehrarm viel zu deutlich hören, obwohl die Angst Stück für Stück von ihm Besitz ergriff. Hastig richtete er sich wieder auf und sah kurz zwischen Vincent, oder dem was er jetzt war, und Barret hin und her. ''Hör auf! Es ist Vincent!'' Irritiert runzelte der Hüne die Stirn und zögerte einen Moment, doch Clouds ernster Blick ließ ihn schließlich die Waffe senken. ''Bitte... was?!'' Langsam trat er vom letzten Treppenabsatz auf die Platte, während Cid sich ein paar Schritte weiter neben Tifa niederkniete und ihre Vitalfunktionen prüfte, ehe er sie in eine bequemere Position rückte. Cloud wandte sich dem Monster zu, dass ruhig und schwer atmend auf dem Boden lag. Durch die Lache aus verdorbenem Blut, welche Hojo großzügig hinterlassen hatte, zog sich allmählich eine dünne hellrote Spur. Wie gut hatte Barret getroffen? Er schluckte hart bei dem Gedanken. Mit jedem weiteren Schritt den er auf Vincent zuging, konnte er den rauschenden, rasselnden Atem hören. Bei einem Tier müsste man davon ausgehen, dass es seine letzten Atemzüge wären. Einer der Flügel zuckte kurz und sank ein Stück weiter zusammen, als sein Stiefel die Lache berührte. ''Vincent?'' Vorsichtig näherte er sich ihm und stockte erneut, als sich auch der andere Flügel zusammenklappte. Gebannt beobachtete er jede Regung des Monsters. Zwischen den Flügeln schlängelte sich der völlig verdreckte rote Umhang hindurch, in dessen breitem Kragen der Kopf verborgen lag. Die beiden Klauen, die neben und über dem Kopf lagen, zogen langsam die Finger an, bevor sie sich ruckartig in die Löcher der Bodenplatte krallten und nach Halt suchten. Ein langgezogenes Ächzen begleitete den Versuch den verwundeten Körper emporzustemmen, ehe es mit einem hilflosen Wimmern erstarb und der Leib die erkämpften Zentimeter zurück auf den Boden sackte. Dann wurde es ruhig. Vorsichtig setze Cloud sich wieder in Bewegung, alarmiert durch die plötzliche Reglosigkeit des Wesens. Kein Zucken, kein Zittern, kein Atemzug, als er dicht neben ihm stehen blieb und in die Knie ging. ''Vincent...?'' Er lauschte auf ein Geräusch, zögerte, bevor er seine Hand nach ihm ausstreckte und die seltsame, dunkle Haut berührte. Der Stoff, der sich über den schlanken, muskulösen Arm spannte, war an einigen Stellen gerissen und gab den Blick auf die sonderbare Färbung frei. Unter dem Kopf und zwischen den Armen sammelte sich immer mehr frisches Blut auf der Platte. ''Vincent?'' Er glaubte ein schwaches Ausatmen zu hören, bevor sich der Arm unter seiner Hand langsam zu verändern schien. Wie in Zeitlupe verlief die Verwandlung rückwärts und ließ einen reglosen Körper in einem Wust zerfetzter, durchnässter Kleidung zurück. ''Cloud? Was zur Hölle soll das?'' Barret kam hinter ihm zum Stehen. Vorsichtig griff Cloud nach den Schultern seines Freundes und drehte ihn behutsam auf den Rücken. Die blasse Haut schien unter all dem Dreck wächsern hindurch und als er seinen Blick langsam hinab wandern ließ, tauchten nach und nach ein paar der kreisrunden, kleinen Einschusslöcher im schwarzen Stoff auf. Sie verteilten sich über Brust und Bauch und gesellten sich zu anderen Schlitzen und Rissen, unter denen die weiße Haut vor Blut und Dreck kaum auszumachen war. Barret sog scharf die Luft ein. ''Scheiße. Ist er...? Hab' ich...?'' Mit steigender Angst suchte Cloud selbst nach Anzeichen dafür, dass Barret ihn nicht getötet hatte, was ihm angesichts seines Zustands und der zahlreichen Wunden mehr und mehr unmöglich schien. Behutsam griff er nach der Hand, die bei der Drehung auf den Bauch gerutscht war und ein weiteres Einschussloch verdeckte, um sie neben ihm abzulegen, als sich die kalten Finger in einer kurzen, zaghaften Bewegung um seine eigenen schlossen. Der Griff war nicht fest und mehr eine reine Reaktion auf die Berührung, doch sie entlockte ihm ein erleichtertes Seufzen. Er lebte. ''Nein. Aber-'' ''Ich denke, wir sollten hier schleunigst verschwinden.'' Die Stimme des Piloten unterbrach ihn, als er neben ihnen auftauchte und mit einer simplen Geste auf die bevorstehende Katastrophe wies. Cloud und Barret folgten seinem Fingerzeig. Auf den Bildschirmen des Computerterminals drängten sich die Warnhinweise, dass die Kanone kurz vor einer Überlastung stand. ''Nicht gut… Cid?'' ''Yuffie weiß schon Bescheid. Sie steuert das Ostgebäude an.'' ''Sie...was?'' Barret blickte dem Piloten entgeistert entgegen. ''Die Highwind läuft auf Halbautopilot, den Rest hab ich ihr vor einer Weile für den Notfall gezeigt.'' Cid hatte ihm schon den Rücken gekehrt, um zurück zum Treppenaufgang und damit zu Tifa zu gehen, die noch immer bewusstlos, aber in weit stabilerer Position am Geländer saß. ''Du hast… was? Wann?'' ''Ich denke, es ist erstmal wichtiger, dass wir hier abhauen.'' Er ließ den Hünen irritiert zurück und kniete neben Tifa nieder, um sie behutsam vom Boden aufzuheben. Cloud folgte seinem Beispiel und zog Vincents Körper langsam in eine sitzende Position, ehe er sich den linken Arm um die Schultern schlang. ''Absolut...Barret?'' Es dauerte einen kleinen Augenblick, ehe er reagierte und sich wieder zu Cloud umdrehte und begriff, was er von ihm wollte. Ohne weiteres Zögern ergriff er den anderen Arm ihres Kameraden und half dabei, ihn in die Höhe zu bringen. Prüfend ließ Cloud seinen Blick über den reglosen Körper wandern, ob die Schusswunden unter der plötzlichen Belastung neues Blut zu Tage fördern würden, doch unter all dem Schmutz und Dreck den Hojo in seiner mutierten Form hinterlassen hatte, war das nur schwer zu beurteilen. Sie setzten sich in Bewegung, um die Plattform auf dem Weg, den sie gekommen waren, wieder zu verlassen. Besorgt runzelte Cloud die Stirn, als er bemerkte, dass er kaum auf Barrets Hilfe angewiesen war. Vincent war überraschend leicht. Er kam nicht umhin zu überlegen, ob er es schon immer gewesen war, oder ob der Kampf und die Verwandlung die er vollzogen hatte, so sehr an ihm gezehrt hatten. Was es auch war, wichtig war erst einmal, dass sie so schnell wie möglich die Sister verließen. Mit einem kleinen Ruck zog er den Arm seines Freundes noch ein Stück fester um seine Schulter und spürte, wie schwache, kalte Finger Halt an seinem Unterarm suchten. ~ ''Scheiße, das war keine Sekunde zu früh.'' Cait betätigte den Schalter und noch während sich die Luke der Highwind schloss, explodierten die ersten Makoleitungen unter ihnen und tauchten die Umgebung großzügig in Flammen und grelles, grünes Licht. ''Könnt ihr Tifa nehmen? Ich will uns so schnell wie möglich hier weg bringen.'' Cid überreichte ihren Körper an Barret und eilte mit Cait an seiner Seite zurück in den Steuerraum. Yuffie hatte das Luftschiff gefährlich nah an den Boden gesteuert, um sie aufzusammeln. Jetzt mussten sie zusehen, dass sie hier verschwanden, ehe die komplette Kanone in die Luft flog. Cloud zog sich Vincents Arme über die Schultern und folgte Barret in Richtung der Quartiere. Sein Kopf ruhte neben seinem eigenen und die langen, verklebten Haare fielen mit jedem Schritt weiter über seine Schulter hinab. An ihnen haftete der Gestank des verdorbenen Blutes. Ein leichter Schauer schlich sich zwischen seinem und Vincents Körper seinen Rücken hinab, als er daran dachte, wie sein Freund das Monstrum, zu dem Hojo mutiert war, abgeschlachtet hatte. Überall auf der Plattform hatte sich Blut und unreine Körperflüssigkeit verteilt. Es war abstoßend gewesen. Vorsichtig nahm er beide Hände zusammen in seine Linke, um die Tür zu Vincents Raum öffnen zu können. Schräg gegenüber brachte Barret Tifa in ihr Zimmer und warf Cloud einen letzten, vielsagenden Blick zu. ''Hol Yuffie. Sie wird sicher besser Bescheid wissen.'' Barret nickte und verschwand dann hinter der Tür. Normalerweise war die Versorgung der Verletzten immer Tifas Aufgabe gewesen, aber in diesem Fall würde Yuffie ihren Part übernehmen müssen. Cloud stieß die Tür mit dem Fuß zu und setzte Vincent langsam auf dem schmalen Bett ab, ehe er sich herumdrehte und auch den Rest auf die dünne Matratze beförderte. Er ließ seinen Blick erneut prüfend über den plötzlich so schmal wirkenden Körper fahren. Die Risse und vor allem die Einschusslöcher im Stoff machten ihn nervös. Vorsichtig löste er den Verschluss des Umhangs und die verbliebenen Knöpfe des zerfetzten Hemdes, um sicherzugehen, dass die Verletzungen nicht doch lebensbedrohlich waren. Die blasse, blutverkrustete Haut unter dem Stoff war unangenehm kalt und spannte sich bei jedem schwachen Atemzug über den verwundeten Brustkorb. Er zählte die Schusswunden. Und während er zählte, löste er die verbliebenen Verschlüsse des Rüstungsarms, zog behutsam erst den einen und dann den anderen Arm aus den Ärmelfetzen und drehte Vincent leicht auf die Seite, um die Wunden zu prüfen. Seine Augen folgten dabei einer große Schnittwunde, die sich vom Bauch über die Seite bis hin zum Rücken zog. Mindestens die Hälfte der Kugeln war glatt durch ihn hindurchgegangen und mindestens zwei wären für jeden Menschen lebensbedrohlich, wenn nicht gar tödlich gewesen. Doch Vincent lebte. Irgendwie. Mit einem schalen Beigeschmack schrieb er diesen Umstand den Dingen zu, für die Hojo verantwortlich war. Sie hatten sein Leben in Gefahr gebracht und doch gleichzeitig gerettet. Es dauerte einen kleinen Moment, bis er bemerkte, dass sein Blick an den großen, offenen Wunden auf den Schulterblättern ruhte. Die alten Narben waren aufgebrochen und hatten tiefe, hässliche Schnitte hinterlassen. Die Wunden, aus denen die Flügel aus Vincents Körper hervorgebrochen waren. Cloud zog den rechten Handschuh aus und ließ seine Fingerkuppen sacht über die Wundränder gleiten. Sie waren noch feucht vom Blut, doch hatten bereits begonnen an den äußersten Rändern wieder zusammenzuwachsen. Ein Gemisch aus Neugier und Entsetzen durchströmte ihn, als er die offene Stelle auf der anderen Seite umrundete. Flügel, ein jeder davon so groß wie Vincent selbst. Cloud musste erneut an die Geschichte mit dem Engel und seinen abgehackten Flügeln denken, doch sie waren gar nicht verschwunden und es waren auch keine Federn gewesen. Es waren die ledrigen Schwingen eines Dämons und sie ruhten in ihm. Cloud schluckte hart. Er hatte es mit eigenen Augen gesehen, doch erst jetzt sickerte die Information durch den abebbenden Adrenalinnebel zu ihm hindurch. Vincent war dieser Dämon gewesen. Hier. In der Höhle. Das Glimmen in seinen Augen, als er versucht hatte, ihn mit seinen Klauenspitzen zu durchbohren. Die Angst. Jetzt ergab auch sie einen Sinn, diese sonderbare, ihm mittlerweile so vertraut gewordene Angst in den unergründlichen, roten Augen. Er hatte Angst gehabt, dass genau das hier geschehen würde. Mit einem tiefen Seufzen ließ Cloud den bewusstlosen Körper zurück in das Laken sinken und ging neben dem Bett in die Knie, um seine Hand vorsichtig um das Handgelenk des anderen zu schlingen. Unter der kalten Haut arbeitete ein schwacher, unsteter Puls. Er beruhigte und beunruhigte ihn gleichermaßen. Das hier war nicht Vincents Puls allein. Unter dieser blassen, entstellten Haut lauerte ein Monster. Cloud strich sich mit der Linken durch das Haar und bemerkte erst jetzt den hämmernden Kopfschmerz, der ihn schon seit dem Aufprall am Geländer begleitete. Er atmete ruhig ein und wieder aus und mit jedem Lufthauch der ihn verließ, strömten mehr Eindrücke der vergangenen Minuten auf ihn ein. Langsam strichen seine Finger von Vincents Handgelenk aus über die Innenfläche, die kalten Finger empor. Wie im Blutrausch hatte er sie wieder und wieder in Hojos abnormen Körper getrieben, das faule Fleisch zerfetzt und Organe herausgerissen. Und auch wenn seine Linke unter dem Rüstungsarm gesteckt hatte, so war durch die gelockerten Verschlüsse doch etwas Blut gesickert. Cloud strich über einen noch nicht völlig geronnenen Fleck und verrieb das verdorbene Blut auf der weißen Haut. Er ließ seinen Blick den vernarbten, verwundeten und verdreckten Arm hinaufwandern, über Schulter und Hals hin zum blassen Gesicht. Die Haut hier schien noch heller als sonst, an den Schläfen und Kieferrändern schimmerten tiefblaue Adern hindurch und ließen sie fast durchsichtig wirken. Seine Züge waren ruhig, doch nicht völlig entspannt. Die Lider waren dicht aufeinander gepresst und unter ihnen konnte er die Augen unstet wandern sehen. Unweigerlich kam in ihm die Frage auf, was wohl gerade in Vincent vor ging. Ob er wohl mit seinem inneren Dämon… sprach? Er musste unweigerlich an die Momente denken, in denen Vincent Dinge gesagt hatte, die nie an ihn gerichtete gewesen waren. So abstrus dieser Gedanke auch war, vielleicht traf es zu. Ein unangenehmes, bedrückendes Gefühl breitete sich in ihm aus und langsam zog er seine Hand zurück. Er musterte den Dreck der an seinen Fingerspitzen kleben geblieben war und wischte ihn dann knapp an seiner Hose ab, als es an der Tür klopfte. ''Cloud?'' Yuffie betrat den Raum, unter den Arm eine kleine Tasche geklemmt und in der Hand eine kleine Schüssel mit Wasser, auf deren Rand ein Lappen drohte, auf den Boden zu rutschen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)