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Vis-à-Vis

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo an alle! :)

Ich hab jetzt einfach mal auf einen ausschweifenden Prolog verzichtet. Eventuell ergänze ich im Verlauf noch einen.
Habt Spaß! x3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und schon das zweite Kapitel!

Es wird allerdings nicht zur Gewohnheit werden jetzt täglich etwas neues zu veröffentlichen, ich möchte euch nur schon mal ein bisschen Lesestoff bieten. ^^ Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Und schon wieder ein neues Kapitel! ^^

Genießt, solange ich noch Zeit habe, so fix zu schreiben. :D *hihi* Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Neues Kapitel! :3

Habt Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey!

Hier das neue Kapitel für euch :)
Habt einen schönen Sonntagabend! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Zu später Stund noch ein neues Kapitel für euch! :)
Habt eine guten Start in die neue Woche! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hallo hallo! :)

Hier ist ein neues Kapitel für euch!
Habt Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Passend zum Wochenende gibt es schon noch ein neues Kapitel!
Ich hoffe, es gefällt euch. :)
Habt Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Zum Bergfest ein bisschen was neues! :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Neues Kapitel für euch! :) Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey!

Nach Ostern gibt's nun wieder was neues für euch. :)

Habt Spaß! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Sooo, heute gibt es ein paar kleine Worte von mir vorweg. Nichts wichtiges, also nicht schlimm, wenn ihr es einfach überlest. x) *hehe*
Ich hab' eine Weile überlegt, ob ich euch das neue Kapitel in gewohnter Länge (wohl eher Kürze) oder in Überlänge präsentiere, habe mich dann aber für die gesamte Länge entschieden. Ich fand es einfach unschön, da mittendrin einen Cut zu setzen (auch wenn ich ja sonst auf Cliffhanger und blöde Enden und so stehe...) und hoffe, ihr verzeiht mir das, für meine Verhältnisse, lange Kapitel und lest es trotzdem. x)
Noch eine kurze Sprachzeichenerklärung für alle, die im folgenden Gesprächsverlauf vielleicht ein bisschen durcheinander kommen könnten:
~......~ -> Vincents Gedankensprache
~''......''~ -> Chaos' Gedankensprache
~*......*~ -> Lucrecias Gedankensprache
Dann also viel Vergnügen mit dem neuen, extra langen Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey hey ihr Lieben!

Ja, hier war's über ein halbes Jahr lang still und ich traue mich noch, tatsächlich ein neues Kapitel hochzuladen. Schande über mich und meine Kuh. Ich weiß.
But well... ich muss zugeben, dass ich zuletzt einfach die Lust an der Story verloren hatte, wie man den letzten 2-3 Kapiteln sicher auch anmerken konnte.
Ich hatte andere Projekte die mich mehr gefesselt haben und schließlich hatte ich kaum bis keine Freude mehr am Schreiben, was diversen Gründen verschuldet war/ist.
Aber irgendwie dachte ich mir:
''Komm, die Story ist nicht mehr lang, das Ende steht so gut wie und du lässt sie hier abgebrochen auf ff.de rumgammeln. Auch nicht das Wahre, oder?''
Und so hab' ich beschlossen nochmal einen Versuch zu starten, sie fertig zu schreiben.
Sollte das hier also überhaupt noch jemand lesen:
Jupp, ich versuch's. Ich verspreche nix und ich mache auch keine Angaben über Hochladeintervalle, weil ich einfach nicht absehen kann, wann und wie ich Freude habe hier weiterzuarbeiten, aaaaber: ich versuch's. Und ich versuche auch, die kommenden Kapitel wieder etwas spannender zu gestalten. Ehrlich.
Ok, gut. Jetzt, wo wir das aus dem Weg geschafft hätten... hier ist das nächste Kap.
Tadaa,
Fräulein U. Komplett anzeigen

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Prolog

Der Meteor war bereits zu sehen und verdunkelte den Himmel. Sein unheilvoller Schein hatte die Welt in ein Zwielicht getaucht, machte den Tag zur Nacht und die Nacht zum Tag. Noch war er auf Distanz, doch jeder wusste, dass er aufschlagen würde. Nicht heute, nicht morgen, aber in ein paar Wochen hätte er den Planeten erreicht.

In dieser Zeit war die Stimmung unserer Freunde, wie das Licht, das sie umgab. Trübe, diffus.

Nach Aerith's Tod und Sephiroth's Offenbarung waren die Dinge nicht mehr wie vorher. Jetzt galt es nur noch das Unheil zu stoppen.

Shin-Ra baute an der Sister Ray.

Dort lag das nächste Ziel. Hojo musste gestoppt werden.

Ankunft

Hatte er sich nur getäuscht? Er sah noch einmal zur Seite. Nein. Cloud musterte ihn erneut. Stirnrunzelnd suchte er Blickkontakt zu seinem Gefährten. Er fand ihn schnell, doch das Gesicht, das ihm entgegenblickte, blieb stumm. Als Barrets laute Stimme erklang und er kurz darauf um die Ecke bog, verabschiedete sich der seltsame Blick. Vincent zog seinen Kragen zurecht und folgte der Gruppe mit Abstand. Schon seit einer Weile hatte er das Gefühl, immer wieder von seinem Freund beobachtet zu werden. Nur warum, das wollte ihm nicht in den Sinn.

Sie waren die letzten Tage viel unterwegs gewesen und hatten vor knapp zwei Stunden eine kleine, menschenleere Stadt betreten. Sobald sichergestellt war, dass sie hier geschützt waren, wollten sie ein Lager errichten. Die vier Männer liefen großräumig das Gebiet ab, während der Rest der Gruppe am vorläufigen Lagerplatz wartete. ''Scheiße, das ist doch nicht normal!'' Cid hantierte mit einem Streichholzbriefchen herum, während die Zigarette schon halb durchweicht in seinem Mundwinkel klebte. Das war die Zwölfte. Sollte ihnen jemand folgen, so bräuchten sie nur den Pfad aus abgebrannten Zigaretten entlang zu laufen. Barret schob das Monster mit seiner Metallhand auf die Seite. Brocken fauligen Fleisches fielen aus dem Brustkorb heraus und klatschten in der schillernden Sekretpfütze auf. ''Tot. Definitiv tot.'' Angewidert wedelte er sich den Gestank aus dem Gesicht. ''Und das schon eine ganze Weile.'' ''Sieht so aus, als wären wir nicht die Ersten hier.'' Cid kickte zwei leere Patronenhülsen über den Platz. ''Aber im Moment wohl die Einzigen.'' Vincent trat an das Monster heran, musterte es eindringlich, prüfte Augen, Maul und Ohren, zögerte einen Moment, erhob sich dann aber wieder. Mit einem erleichterten Seufzen zog Cloud seine Handschuhe fest. ''Ich denke, wir sollten zurück gehen.'' Barret nickte. Mit lautem Fluchen spuckte Cid auf den Boden. Tabakkrümel rieselten von seiner Jacke, als er sich den Rest der matschigen Zigarette aus dem Mundwinkel pulte. ''Ja. Dringend. Ich brauch' neue Fluppen. Jetzt hab' ich nur noch Zehn für den Rückweg.'' Missmutig betrachtete er den nassen Papierfetzen und schnippte ihn dann weg. Barret lachte laut auf und schlug seinem Freund aufmunternd auf die Schultern. ''Du qualmst dich nochmal ins Grab.'' Cid murrte ihm nur entgegen und kniff die Augen zusammen. Auf sein Laster war er nicht gut zu sprechen.

Die Gruppe wandte sich zum Gehen. ''Wir sollten mindestens zwei Tage rasten. Sind jetzt lange genug unterwegs gewesen.'' Barret ging voraus. Und Unrecht hatte er nicht. Sie waren alle erschöpft und auch wenn sie es sich nicht anmerken ließen, hatten vorallem Tifa und Yuffie Erholung nötig.

Auch auf dem Rückweg blieb es ruhig. Kein anderer Mensch, keine Monster, keine Soldaten. Fast schon unheimlich. Aber nach den ganzen Kämpfen der letzten Tage auch sehr angenehm. Barret und Cid bildeten die lautstarke Spitze der Truppe, ein paar Schritt weiter Cloud und mit etwas Abstand folgte Vincent. Wie er es sich gedacht hatte. Alle zehn Minuten fand er einen weiteren Zigarettenstummel auf dem Boden. Er schüttelte leicht den Kopf, kickte das verbrannte Stück Papier zur Seite und sah auf. Schon wieder. Cloud hatte über die Schulter gesehen und wandte den Kopf um, als Vincent seinen Blick erwiderte. Er runzelte die Stirn. Was beschäftigte den Jungen so?
 

~
 

''Nichts. Alles ruhig.'' Tifa seufzte erleichtert und legte Cloud sanft eine Hand auf die Schulter. ''Gut. Yuffie hat schon angefangen, sie war so ungeduldig und ich konnte sie nicht davon abhalten.'' Sie lachte leicht, als sich Yuffie aus dem dritten Zelt wühlte. ''Aye! Ich muss gestehen, endlich mal einen Abend in Ruhe schlafen zu können, war einfach zu verlockend!'' Nanaki und Caith hatten sich bereits neben dem Gepäckhaufen zusammengerollt und schliefen. ''Tifa, wo hast du die Rationen versteckt? Ich hab einen Mordshunger!''

So verging der Abend in geselliger Runde, bis sich die Ersten zum Schlafen verabschiedeten. Barret erhob sich und klopfte sich kräftig auf die Oberarme. ''So! Wer übernimmt nun-'' ''Ich.'' Der rote Umhang schnitt Barret das Wort ab, als er an ihm vorbei rauschte. Verdutzt sah er Vincent nach, zuckte dann aber nur mit den Schultern. Er wusste mittlerweile, dass es sich, selbst für einen Mann wie ihn, nicht lohnte, dem düsteren Schützen zu widersprechen. Also gähnte er kräftig, gab Cloud und Cid einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter und quälte sich in eines der Zelte. Cid schnippte seine verglommene Kippe weg, streckte sich ausgiebig. ''Ruh dich aus Jungchen.'' Dann folgte er Barret. Cloud verstaute sein Schwert im letzten freien Zelt und wickelte sich in eine der rauen Wolldecken ein.
 

~
 

Es war still. Still in der ganzen Stadt. Wie ein Mantel aus Blei hatte sich die Nacht über die zerstörten Häuser gelegt, deren leere Fenster wie tote Augen in's Nichts starrten. Vincent hockte auf einem geborstenen Vorsprung, ließ ein Bein locker hinab baumeln und lauschte der Stille. Dann und wann hörte er Steine bröckeln oder Schuttberge rauschen, die sich in der Ferne in die Tiefe stürzten, doch sonst regte sich nichts.

Warum sah Cloud ihn immer wieder an? Die Frage poppte wie eine billige Leuchtreklame in seinem Kopf auf. Immer und immer wieder hatte er ihn angesehen. Nichtssagend und dann doch wieder mit einem sonderbaren Ausdruck in den Augen. Besaß er doch eine gute Menschenkenntnis, aber aus diesen Blicken wurde er bei aller Liebe nicht schlau. Er strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, seufzte tief. Darüber nachzudenken war zwecklos. Durch seinen Lederhandschuh konnte er spüren wie sich spitze Steinchen gierig in seine Handfläche drückten, als er sich zurücklehnte und in den Himmel sah. Zwischen hochragenden, grauen Häuserwänden zogen auf Himmelsstücken dunkle Wolken vorbei. Nur hin und wieder ließen sie etwas Mondlicht hindurch schimmern.

In der Stille konnte er seinem eigenen Herzschlag lauschen. Es war ihm immer noch etwas fremd, doch allmählich gewöhnte er sich an das durchdringende Pochen. Wochen, Monate waren vergangen, seit Cloud ihn im Keller der Shin-Ra Villa gefunden hatte. Sein Herz hatte wie er selbst geschlafen und war nur langsam wieder erwacht, doch nun schlug es beständig und pumpte eifrig das Blut durch die Adern. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen. Er hätte nicht damit gerechnet je wieder auf der Erde zu wandeln, nachdem Hojo ihn in den Schlaf gelegt hatte. Hojo.

Zornig krallte er sich in den Staub und schleuderte eine handvoll Steine über den Vorsprung. Doch wenn er es sich recht überlegte... er seufzte tief.

Was bot ihm diese Welt noch? Es waren so viele Jahre vergangen und alles was ihm wichtig gewesen war, existierte nicht mehr. Alles was geblieben war, war Hojo.

''Verdammt.'' Die Faust hinterließ einen dünnen Riss im alten Beton. Er atmete tief ein und wieder aus. Sei's drum. Immerhin ein Grund. Ein guter.

Doch die ganze Grübelei brachte ihn auch nicht weiter. Schwungvoll erhob er sich und wirbelte eine kleine Staubwolke auf. Früher oder später würde er Hojo schon begegnen.
 

~
 

Er machte sich auf den Rückweg.

Der Lagerplatz war ein ganzes Stück entfernt, ein von leeren Steinkolossen umringter Hinterhof. Sein Herzschlag und das Knirschen des Drecks unter seinen Schuhen begleiteten ihn. Ein leises Rauschen. Vincent blieb stehen und lauschte. War das nur ein Windstoß? Stille. Irgendwo klackerte eine kleine Schuttlawine gen Boden. Dann wieder ein Rauschen. Wieder. Und wieder. Nein, kein Rauschen. Atem.

Er beschleunigte seinen Gang. Etwas bewegte sich in den Schluchten der Hochhäuser.

Dann ein tiefes, aber gedämpftes Jaulen.

Aufgeregt stob ein Aschewölkchen in die Luft, als Vincents Umhang achtlos über den ausgebrannten Feuerplatz huschte. ''Ich habe es gehört. Aus welcher Richtung?'' Cloud wühlte sich aus dem Zelt. Der Ex-Soldat schulterte sein Schwert und verzurrte den Riemen vor seiner Brust. Vincent nickte nur stumm auf den Häuserdurchgang, durch welchen sie am Abend den Lagerplatz betreten hatten. Auf den Rest der Truppe zu warten, könnte jetzt zu viel Zeit kosten.

Rotes Licht

Mit gezogener Pistole presste sich Vincent gegen die kalte Steinwand und spähte um die Ecke. Nichts. Doch das Rauschen des Atems war nicht weit entfernt. Soweit er beurteilen konnte, hatte das Monster aufgehört sich in der Stadt zu bewegen und ruhte. Er hieß es sehr willkommen, waren sie doch schon ein gutes Stück vom Lager entfernt. Cloud trat an ihn heran. ''Und?'' Vincent schüttelte nur den Kopf, sah erneut um die Ecke und steuerte dann auf die andere Seite zu. Große Schuttberge und Steinbrocken erschwerten ihnen den Weg. Abzweigungen und Durchgänge waren versperrt. Ganze Häuser waren in sich zusammengefallen und bildeten kleine Gebirge aus Beton und Stahl. Mühsam schob Vincent eine verkeilte Metalltür beiseite und huschte durch den schmalen Spalt. Cloud folgte ihm. Etwas unbeholfen schob er sich durch den Durchgang. Rostsplitter bohrten sich in's Leder seiner Handschuhe und der Rahmen ächzte, als das Schwert auf seinem Rücken daran entlang schabte. Er verzog das Gesicht als das Geräusch scheinbar zehnmal so laut durch das Gebäude schallte, löste sich mit einem Ruck aus der Klemme und schloss zu seinem Freund auf. Missbilligend blickte dieser ihm entgegen, doch er schwieg. Betreten sah Cloud zur Seite, richtete den verzogenen Gurt um seine Brust und rieb sich die Splitter von den Händen. Mit einem leichten Schulterzucken deutete er eine Entschuldigung an. Vincent ging weiter, die Pistole im Anschlag. Sie waren sich einig gewesen, dass es sinnvoller war, wenn er die Vorhut übernahm. Ein besseres Gespür. Eine Distanzwaffe. Außerdem bewegte er sich geschickter und leiser als Cloud durch das unwegsame Gelände. Das Erdgeschoss des Hauses war leer, nur ein paar halb zertrümmerte Wände, keine Fenster, ein Rohbau. Stück für Stück arbeitete sich der Schütze an den leeren Rahmen entlang, lauschte und kletterte schließlich durch einen auf die nächste Straße hinaus. Mit fast spielerischer Leichtigkeit schwang er sich auf den Fenstersims und lautlos folgte ihm sein Mantel wie ein roter Schatten. Cloud ertappte sich dabei, wie er seinen Freund erneut anstarrte. Er war fasziniert von dieser mysteriösen Gestalt, wie sie sich fast kätzisch durch das Geröll schlich. Vorsichtig kletterte dann auch er durch das Loch. Vincent wartete zwei Häuserecks weiter. Er wies mit seiner Klaue die Straße hinab und ging. Zügig überquerten sie in einigem Abstand die Straße oder besser das, was von ihr übrig war. Der Asphalt war vollkommen zerstört, aufgebrochen, zerborsten. Tiefe Furchen hatten sich hinein gegraben und dunkle, tote Erde aufgeworfen. Je weiter sie sich vom Lager entfernten, umso mehr hatte die Zerstörung sich der Umgebung angenommen. Auf ihrer Erkundungstour hatten sie vor allem den südöstlichen Bereich durchkämmt, nun bewegten sie sich in exakt der entgegengesetzten Richtung.

Der rote Umhang verschwand in einem Durchbruch, der in die Tiefetage eines Hochhauses führte. Nur ein schwacher Lichtschimmer erhellte die ersten Schritte in den Keller hinein, dann wurde es dunkel. Auch der Himmel hatte sich zugezogen und kein Mondlicht sickerte zum Boden. Cloud schlitterte die Steinhalde zum Eingang hinab und stand vor einer Wand aus Schwärze. Mit einem tiefen Atemzug tauchte er in den Schatten hinein. Angestrengt versuchte er zu lauschen, doch außer seinem Herzschlag und den knirschenden Kieseln unter seinen Stiefeln blieb es still. Zu still. Schnell hatte er die Orientierung verloren und konnte kaum sagen, ob er erst wenige Schritte oder bereits einige Meter in die Tiefetage vorgedrungen war. Dann ein kehliges Wimmern und drei schwere Atemstöße. Er blieb stehen. War das Monster hier unten? Erneut versuchte er zu lauschen, doch er hörte nur, wie das Rauschen des Blutes in seinen Ohren anstieg. Ein Windhauch streifte seinen Arm. Aufregung begann in ihm aufzukeimen. Vorsichtig drehte er sich auf der Stelle und mit Erschrecken musste er feststellen, dass der Ausgang verschwunden war. War er so weit in den Schatten gegangen? Und nun? Er tastete eilig seine Gürteltasche ab, doch er hatte keine Magnesiumfackeln mitgenommen. Warum hatte Vincent nicht auf ihn gewartet? Er drehte sich im Kreis und zu der Aufregung mischte sich starkes Unbehagen. So vollkommene Finsternis war nichts für ihn. Es erinnerte ihn an sein Delirium, welches er während seiner Makovergiftung durchlebte. Die Traumzustände die ihn in die Abgründe seines Selbst geführt hatten. Leder knirschte, als er sich in seinen Brustgurt krallte. Ein Scharren, ein Schnaufen, ein rasselnder Atemzug und ein warmer Windhauch auf seinem Gesicht. Das Monster war hier. Nur wo? Er atmete flach und stoßweise und versuchte sich krampfhaft an etwas zu orientieren. Irgendetwas. Seine Stiefel schienen im Schlamm zu versinken. Als er einen weiteren Schritt tun wollte gluckste es leise. ''Bleib stehen!'' Drei kleine Explosionen direkt neben seinem Gesicht. Das Mündungsfeuer leckte heiß über seine Wange. Mit einem Schrei taumelte er zurück und presste sich die Hand auf's Ohr. Dann grub sich eine handgroße Klaue in sein Gesicht und erstickte seinen Laut. Vor ihm jaulte und winselte es gurgelnd. Haltloses Scharren im Schutt, hektisches Röcheln und dann sog sich knarrend ein letzter Atemzug in sterbende Lungen. Ein leichtes Beben durchzog den Boden, als etwas darauf hinab sank. Dann wurde es wieder still.

Kaltes Metall drückte sich in seine Lippen und er spürte, wie sein hektischer Atem es beschlagen und feucht werden ließ. In seinem Kopf klingelte es ununterbrochen und er war sich sicher, dass ihm Blut aus dem Ohr lief. Kaltes Wasser sickerte durch seine Kleidung, nachdem er zu Boden gegangen war, halb gestürzt, halb gezwungen. Vincents Gewicht lehnte an seinem Rücken. Dann löste sich der kalte Griff um seinen Mund und suchte Halt unter seinem Arm. Auch die andere Hand ergriff Stoff und Brust. Vollkommen überfordert lehnte sich Cloud in den Halt, als er hoch und zurück gezogen wurde. Stolpernd kam er auf die Beine, wurde einige Schritte weit gedrängt und spürte eine raue Wand an seinem Gesicht vorbei ratschen, als er dagegen gedrückt wurde. Schnell suchten seine Hände Halt an dem kalten Beton. Dann flackerte es zischend und blendend hell neben ihm auf. Ein rotes Flammenstakkato offenbarte nicht unweit das Gesicht des Schützen und ließ es für einen Sekundenbruchteil wie eine unheilvolle Erscheinung, ein dunkles Geheimnis erscheinen. Rot wie Zorn. Rot wie Blut. Rot wie die Augen, die sich in einer langsamen, aber steten Bewegung zu ihm wandten. Erstarrt sah Cloud ihm entgegen. Es jagte ihm einen Schauer den Rücken hinab, als sich das Augenpaar in ihn hineinbohrte. Unheilvoll. Geheimnisvoll.

Die Fackel sank nieder und plötzlich blickten ihn ruhige, besorgte Augen an. Ganz anders, ganz sanft. Der Blick intensivierte sich, als sich auch Vincents Hand auf die Schulter seines Freundes legte. Dann erst bemerkte Cloud, dass er mit ihm sprach. Er schüttelte nur den Kopf. Sanft aber bestimmt wurde er an der Schulter gepackt und auf den Weg geschoben. Die Magnesiumfackel beleuchtete den Boden unter ihnen. Mehrere Zentimeter Schlamm und undefinierbare, dunkle Brühe bedeckten den Boden. Vorsichtig drückte Vincent ihm die Fackel in die Hand. Nur wenige Schritte vor ihnen lag ein unförmiger, großer Körper. Der Schütze ging neben dem Kopf auf die Knie. Mit spitzen Fingern zog er das Augenlid auf, griff prüfend in die Lefze und hebelte die Kiefer auseinander. Akribisch untersuchte er den Kopf. Er schluckte trocken, als er fand, was er nicht zu finden gehofft hatte. Wie schon beim ersten Monster. Eine Abfolge von sieben Buchstaben und Zahlen war im Inneren der halb zerfetzten Ohrmuschel fast unsichtbar klein eintätowiert. Er hatte Glück gehabt, dass sein Schuss nicht ein Stück tiefer in den Schädel eingedrungen war. Cloud hob die Fackel etwas an und musterte den Kadaver. Seine Orientierungslosigkeit und Aufregung ließ langsam wieder nach, auch wenn es in seinem Kopf noch immer schmerzhaft laut klingelte. Er konnte es schlecht abschätzen, doch es schien größer als ein Pferd, hatte einen hündisch wirkenden Kopf und völlig verklebtes kurzes Fell. Auf der Unterseite prangte ein riesiges Loch. Es dauerte einen Moment bis er verstand, dass diese Wunde nicht von Vincents Waffe stammte. Wie aufgeschlitzt klafften die Ränder der Bauchdecke offen und verdreckte Gedärme quollen in den Schlamm am Boden, mischten das Brackwasser mit ranzigem Blut und verdorbenen Sekreten. Er atmete erschrocken ein und war augenblicklich froh darüber nichts weiter als verbranntes Schießpulver zu riechen. Als der Schuss direkt neben seinem Gesicht abgefeuert wurde, hatte sich Schmauch auf seiner Haut abgesetzt. Vincent erhob sich. Ein sonderbarer Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er sich wieder zu seinem Freund umwandte, ihn erneut an der Schulter packte und in die andere Richtung schob. Cloud fügte sich dem Druck. Er würde wissen, wo der Ausgang war. Und er war froh darüber, dass sein Freund ihn in seiner Situation nicht allein ließ. Selbst den Stein, den er mit seiner Stiefelspitze davon trat, konnte er nicht hören. Nur helles Klingeln und monotones Rauschen. Dann erschien der Ausgang schummrig vor ihnen. Vor der Geröllhalde warf er die Fackel achtlos beiseite. Zischend und Blubbernd brannte sie langsam in einer Matschpfütze aus. Vincents Hand auf seiner Schulter verstärkte kurz ihren Griff, ehe sie langsam, fast zärtlich sein Schulterblatt hinab rutschte. Dann trat der Schütze an ihm vorbei und verließ die Tiefetage über den Schutthaufen der eingestürzten Wand. Cloud zögerte einen Moment. Das hatte er sich nur eingebildet. Vincent hatte nur seine Hand weggenommen. Ja. Er schüttelte den Kopf und folgte ihm.

Erinnerungen

Sie hatten sich weiter vom Lager entfernt, als angenommen. Jetzt, wo sie ohne Hast in der Stadt unterwegs waren, schien der Weg doppelt so lang wie zuvor. Cloud sah sich um. Steinklotz an Steinklotz reihte sich aneinander, ein Rohbau nach dem nächsten, nichts davon fertiggestellt, nichts davon jemals bewohnt. Es schien, als sei die Stadt noch vor ihrer Fertigstellung verlassen und alles an seinem Platz zurück gelassen worden. Unter einer herausgebrochenen Hauswand lag ein Lastwagen begraben, die Frontscheibe von einem Stahlträger durchbohrt, auf dem sich zwischen dem ganzen Rost feine Moosteppiche gebildet hatten. Das Grün wirkte in dieser grauen, trostlosen Gegend vollkommen deplaziert und unnatürlich. Auf den verbliebenen Glasscherben spiegelten sich trübe die ersten Strahlen der Dämmerung. Vincent folgte ihm mit einer halben Schrittlänge Abstand, nur zur Sicherheit, sollte das Knalltrauma ihm zu sehr zu schaffen machen. Doch dann griff er nach der Schulter seines Freundes, wandt sich an ihm vorbei und gab ihm mit Gegendruck zu verstehen, stehen zu bleiben. Cloud blickte ihm fragend entgegen, doch sein Freund sah ihn nicht einmal an. Stattdessen schob dieser hastig seine Hand unter den Schulterüberwurf. Cloud erschrak ob dieser offensichtlichen Berührung, wich ein kleines Stück zurück, doch erreichte damit nur, dass sein Freund ihm einen strengen Blick zuwarf, ihn mit seiner Klaue an der Schulter packte und fest hielt. Was sollte das? Vincent tastete weiter, fand schließlich was er suchte, zog das Handy aus der versteckten Brusttasche und nahm den Anruf entgegen. Cloud seufzte tief. Sein Handy. Natürlich. Das Klingeln in Clouds Kopf und das Rauschen in den Ohren machten ihn noch immer fast völlig taub. Gebannt beobachtete er das Telefonat. ''[Cloud? Wo seid ihr? Wieso habt ihr nicht Bescheid gegeben?]'' ''Wir sind auf dem Rückweg. Koch etwas Wasser auf.'' ''[Vincent? Wo zum Teufel steckt ihr? Und wozu Wasser?]'' Kurzes Schweigen am anderen Ende. ''[Oh Gott! Ist etwas passiert? Was ist mit Cloud?]'' ''Ja.'' Vincent klappte das Telefon wieder zusammen und reichte es seinem Freund zurück. Mit fragendem Blick nahm dieser es entgegen, verstaute es wieder sicher an seinem Platz, doch seine stumme Frage blieb unbeantwortet. Er presste kurz die Lippen aufeinander, seufzte und folgte Vincent.
 

~
 

''Ja? Ja, was?'' ''Ich weis es doch auch nicht!'' Tifa schnaufte verärgert, schlüpfte mit dem anderen Arm in den dünnen Stoffmantel und ließ sich von Yuffie einen der Wasserkanister reichen. ''Ich werd' nochmal verrückt! Wie kann man nur so wortkarg sein?'' Sie zog den schweren Rucksack aus dem Zelt, kniete sich daneben und kramte den kleinen Gaskocher und eine zerschrammte Metallschüssel heraus. ''Und wenn ihm nun was Schlimmes zugestoßen ist? Ohje, ich will gar nicht dran denken!'' Yuffie schlug die Hände über dem Kopf zusammen und ließ sich neben Tifa in die Hocke sinken. ''Aber dann hätte er doch was gesagt, oder? Ich meine, Vincent kann doch nicht einfach nichts sagen, wenn etwas passiert ist!'' Tifa zuckte nur mit den Schultern, drehte den Gashahn der kleinen Flasche auf und grub sie mit beiden Händen und Nachdruck in den Boden. ''Ich vermute, es wird nichts schlimmes sein.'' ''Du vermutest!'' Yuffie schlug mit den flachen Händen auf den Boden. ''Den knöpf ich mir vor, wenn er hier ankommt! Das geht so nicht!'' Aufgebracht bohrte sie ihren Zeigefinger in den Dreck. Tifa zog den Kanister zu sich, schraubte den Deckel ab und goss etwas Wasser in die Schale. ''Ja, etwas mehr Information wäre doch manchmal nicht zu viel verlangt.'' Mit lautem Gähnen und wüstem Geraschel kletterte Cid aus dem zweiten Zelt. ''Nanu? Schon Frühstück?'' Sein Blick blieb am dritten Zelt hängen und verdutzt stellte er fest, dass es leer war. Er zog die steife Wolldecke hinter sich her, schleifte sie an einen genehmen Platz und ließ sich selbst darauf niederfallen. ''Wo sind denn die Jungs hin?'' Tifa stellte die Schale behutsam auf den Kocher. ''Tja, das wüssten wir auch gern. Aber sie sind wohl schon wieder auf dem Weg hierher.'' Cid musterte Tifa mit hochgezogener Augenbraue, während er in den Brusttaschen seiner Fliegerjacke nach Papier und Tabak kramte. ''Wie spät ist's überhaupt? Is' ja noch stockfinster!'' Behutsam, fast andächtig, bröselte er den Tabak auf das Blättchen, rollte es zwischen Daumen und Zeigefingern zusammen und schob es sich in den Mundwinkel.
 

~
 

Sie erreichten den Lagerplatz, als sich am Horizont der erste Lichtstreifen abzeichnete. Es war trübe und kühl und an den Betonwänden der Hochhäuser schlug sich ein hauchdünner Dunstfilm nieder. ''Da sind sie.'' Cid kniff die Augen zusammen, lehnte seine Ellbogen auf die Knie und zog kräftig an seiner fünften Zigarette. Die Glut tauchte sein Gesicht für einen Moment in einen roten Schein. Tifa folgte seinem Blick, zündete eilig den Gaskocher, drückte der verdutzen Yuffie die Wasserschale in die Hände und erhob sich. Kieselsteine stieben zur Seite, als sie im Laufschritt den Platz überquerte, um die beiden Männer in Empfang zu nehmen. ''Na endlich!'' Sie kam vor Cloud zum Stehen, legte ihm beide Hände auf die Schultern und musterte ihn eindringlich. ''Was ist passiert? Wo seid ihr gewesen? Seid ihr verletzt?'' Als Cloud nichts sagte, nur leicht mit den Schultern zuckte und dann zu Vincent herübersah, beschlich sie ein mulmiges Gefühl. ''Vincent?'' Er wandte den Blick zu ihr. ''Was fällt dir eigentlich ein? Uns hier so im Ungewissen zu lassen? Du musst ja keine Reden halten, aber sag uns gefälligst das nächste Mal, was ansteht!'' Yuffie schloss keuchend neben Tifa auf. Sie holte tief Luft, wedelte drohend mit dem Finger und kniff böse ein Auge zusammen. ''Vincent Valentine! Das nächste Mal bitte deutliche Berichterstattung!'' Ihre Fingerspitze bohrte sich durch den roten Stoff des Umhangs in seine Brust. ''Ausführlich!'' Mit schiefem Kopf flüsterte sie an Tifa gewandt: ''Ich hab doch gesagt, den knöpf ich mir vor.'' Sie grinste. Tifa lächelte zurück. ''Lass gut sein, Yuffie. Also?'' Vincent zuckte nur knapp mit den Schultern. ''Wohl ein Knalltrauma. Gib ihm ein paar Tage.'' Kurzes Schweigen. ''Und sieh nach der Brandwunde.'' Er tippte sich an seine rechte Wange, machte einen knappen Wink mit der Hand und ließ die drei dann zügigen Schrittes zurück. Yuffie schüttelte den Kopf. ''Ob der's nochmal lernt?'' ''Zeig her.'' Vorsichtig drehte Tifa mit spitzen Fingern Clouds Wange zu sich. Sie sog scharf die Luft ein. ''Was zum Himmel...? Was hast du gemacht?'' Die blauen Augen sahen ihr nur verständnislos entgegen. In seinem Kopf kam nur ein Bruchteil an, der Rest wurde vom Klingeln und Rauschen verschluckt. Er war sich nicht sicher, ob es sinnvoll war zu sprechen. ''Ich höre dich nicht.'' Etwas undeutlich kamen die Worte über seine Lippen. ''Klar doch.'' Yuffie schlug sich die Hand gegen die Stirn. ''Wie dumm von uns. Komm Tifa, das Wasser ist sicher schon heiß.'' Sie nickte knapp, suchte nach Clouds Hand und zog ihn zum Lagerplatz.

Cid griff nach seiner Zigarette und begann zu lachen, als die Drei wieder ankamen. ''Junge, wie siehst du aus? Hast du dich im Schlamm gesuhlt?'' Yuffie ließ sich neben ihm auf die Wolldecke fallen. ''Gib dir keine Mühe alter Mann. Er hört dich gerade noch schlechter als du ihn.'' Sie quiekte auf, als die Kante der Faust auf ihren Oberarm traf. ''Was ist passiert?'' Yuffie rieb sich die pochende Stelle. ''Knalltrauma. Meinte Vincent.'' Tifa wrang ein Stück Stoff über der Wasserschale aus, goss einen großzügigen Schluck klarer Flüssigkeit darüber und tupfte vorsichtig den Dreck von der Brandwunde. ''Wie es aussieht, wurde direkt neben ihm abgefeuert.'' Cloud kniff das Auge zu, als der heiße, alkoholgetränkte Lappen auf die empfindliche Haut traf. Die Verbrennung streckte sich den gesamten Wangenknochen entlang. Er tippte sich gegen das Ohr. ''Hm?'' Tifa grübelte kurz, um zu verstehen was er wollte. ''Blut?'', fragte er leise. ''Oh.'' Sie drehte seinen Kopf weiter zu sich und musterte die Stelle. Dann lächelte sie ihn an und schüttelte kurz den Kopf. Mit den Fingerspitzen rieb sie etwas getrockneten Schlamm aus seinen Haaren und zeigte ihm das vermeintliche Blut. Er nickte erleichtert. ''Na guck ihn dir an! Nichtmal die Kinder in Rocket Town haben so schlimm ausgesehen, wenn sie auf dem Feld getobt haben.'' ''Hat Vincent dir nicht gesagt, was passiert ist?'' Yuffie knabberte auf ihrem Daumen und beobachtete Tifa dabei, wie sie sich fast mütterlich um Clouds Wunde kümmerte. ''Nein. Der ist hier nur durch gerauscht und schon wieder weg.'' Mit den Fingerspitzen presste Cid sich das letzte Stück Zigarette zwischen die Lippen, zog kräftig daran, schnippte den Rest in den Kies und ließ den Rauch dann bedächtig aus den Mundwinkeln an seinem Gesicht emporquellen. ''Kannst du mir bitte die Kollodiumwolle holen?'' Tifa ließ den Lappen zurück in die Wasserschüssel fallen und blickte zu Yuffie herüber. Sie kramte kurz in den Taschen ihres dünnen Mantels. ''Und bring mir noch Zettel und einen Stift mit!'' Yuffie war bereits halb im Zelt verschwunden und gab nur eine undeutliche Antwort zurück. ''Wie sieht's aus?'' Cid rollte sich bereits die nächste Zigarette und wies mit einem Nicken zu Cloud herüber, der sich mit der Hand letzte Schlammreste aus den Haaren rubbelte. ''Die Wunde ist nicht so wild, wie ich befürchtete. Es ist nur oberflächlich verbrannt, aber das Mündungsfeuer hat die komplette Gesichtshälfte erwischt. Was das Trauma angeht...'' Tifa seufzte schwer, warf ihrem Freund einen warmen Blick zu und ließ sich dann neben ihm auf der Decke nieder. ''Ich hoffe, er erholt sich schnell davon. Du weist selbst, wie laut Vincents Waffe ist.'' ''Bist du dir sicher, dass er geschossen hat?'' ''Ja. Wenn Soldaten in der Stadt wären, hätte er mit Sicherheit etwas zu uns gesagt.'' Cid nickte zustimmend. Wichtige Informationen ließ auch der wortkarge Schütze eigentlich nie aus. Yuffie drückte Tifa die kleine Schraubdose in die Hand, als sich hinter ihr Barret mit Gepolter aus dem Zelt hievte. ''Nanu? Schon alle wach?'' Er blickte in die Runde. ''Und kein Schwein hält's für nötig mich zu wecken?'' Murrend knotete er sich seine Decke um die Schultern und wankte zum Rest herüber. Dann blieb er stehen, blinzelte zwei, drei Mal und verzog missbilligend das Gesicht. ''Ok. Was ist passiert und warum weiß ich von nichts?'' Tifa erklärte Barret im Kurzdurchlauf die Situation, während sie mit den Fingerspitzen das Kollodium auf Clouds Wunde auftrug. ''Hm. Und unser Meisterschütze hat sich schon wieder aus dem Staub gemacht? Großartig.'' Grummelnd ließ er sich in den Kies sinken. Tifa kritzelte eilig etwas auf den zerknitterten Zettel, den Yuffie ihr mit der Dose in die Hand gedrückt hatte und reichte ihn an Cloud weiter. -Wenn du etwas brauchst, gib mir Bescheid. Was ist passiert?- Er las, nahm den Stift von ihr entgegen und schrieb. -Monster in der Stadt. Haben es aufgespürt, getötet. Sonst alles sauber. Können zwei Tage rasten. Der Schuss war ein Unfall. Lege mich hin.- Dann riss er das Stück vom Blatt ab, reichte es ihr in die Hand, steckte Stift und den Rest des Zettels in seine Gürteltasche und erhob sich. Seine Kleidung war noch immer nass und er fror. Behutsam verstaute er sein Schwert an der Seite der Zeltwand, faltete seine Decke auseinander und schälte sich umständlich aus den verschmutzten Kleidern. Aus der Ledertasche holte er eine Rolle Reispapier und ein dünnes Tuch und faltete seine Kleider dann zum Trocknen sorgfältig darin ein. Er zögerte einen Moment, griff dann aber auch nach Vincents Decke und legte sich hin. Er atmete tief ein und seufzte schwer. Das Klingeln und Rauschen in seinem Kopf war nach wie vor unverändert. Hoffentlich legte es sich schnell wieder. Das Kollodium auf seiner Wunde sorgte dafür, dass der brennende Schmerz langsam nachließ. Auf dem Rückweg war Vincent dicht bei ihm geblieben und hatte ihm immer wieder stützend die Hand auf die Schulter gelegt. Diese Fürsorglichkeit hatte ihn etwas verwundert. Sicher war er kurz nach dem Schuss völlig orientierungslos und zum Verlassen des Kellers auf seinen Freund angewiesen, doch danach war er wieder gut dazu in der Lage gewesen, allein zu gehen. Vermutlich hatte er sich nur in der Pflicht gefühlt, weil er Schuld an diesem Zustand trug. Cloud bettete den Kopf auf den Unterarm und schloss die Augen. Hinter seinen Lidern flackerte es wieder rot auf. Das Feuer der Fackel und in ihrem Schein Vincents geheimnisvolles Gesicht. Auf eine sonderbare Art und Weise hatte dieses Bild Eindruck bei ihm hinterlassen. Er fand es... faszinierend.
 

~
 

Er hatte es bis in den achten Stock geschafft, danach hatte das Treppenhaus geendet. Auf der Etage gab es noch keine Innenwände, nur Stahlträger hielten die weiteren vier Stockwerke oben. Auf der anderen Seite des Hauses war das Lager, doch er brauchte einen Moment für sich. Mit angezogenem Bein saß er im leeren Fensterrahmen und beobachtete, wie sich die Dämmerung in schummriges Tageslicht verwandelte. Das Tier war gekennzeichnet gewesen. Ebenso wie das erste das sie am Tag fanden. Sollte das ein Zufall sein? Angestrengt wühlte er sich durch seine Erinnerungen und versuchte zu ergründen, an was für einem Ort sie angekommen waren. Eine unfertige Stadt. Eine Stadt mit großen Häuserkomplexen und wenig Ausschmückung. Als wäre sie nicht zum Leben gedacht, sondern zum... ja, zum Arbeiten. Der Lederhandschuh knirschte leise, als er sich mit der Rechten über das Gesicht fuhr. Die Tätowierungen der Monster waren Kennzeichnungen von Hojos Experimentreihe für die Shin-Ra-Wachhunde. Hojo. Wo er auch hinging, dieser Bastard umgab ihn wie die Luft, die er atmete. Wie ein Fluch. Seine Fingerspitzen gruben sich durch das weiche Leder in seine Handfläche. Er konnte es kaum erwarten, ihm endlich gegenüberzustehen. Dann würde er ihm alles heimzahlen. Alles. Stück für Stück. Wut kochte in ihm hoch und ließ die Dämonen in ihm unruhig rumoren. Mit drei tiefen Atemzügen presste er sich die Hand auf die Brust. Das musste endlich alles ein Ende finden. Der Wind, der aus der Ferne herüberwehte, war kühl und schaffte Linderung für sein erhitztes Gemüt. Sie würden für zwei Tage hier rasten, sofern alles ruhig blieb. Das Monster, das sie in der Nacht verfolgt hatten, war bereits schwer verwundet gewesen und hatte sich zum Sterben hierher geschleppt. Es sollte keine Gefahr für sie darstellen. Plötzlich überkam ihn eine Welle der Schuld. Der Schuss, mit dem er das Tier vorzeitig tötete, hatte seinen Freund verwundet. Das sollte so nicht passieren. Wäre Cloud doch nur am Eingang stehen geblieben. Er hatte ihn nicht treffen wollen, doch wieder einmal hatte er versagt und jemanden verletzt. Hatte nicht helfen können. Hatte versagt. Lucrecia. Still ergab er sich seinen Erinnerungen.

Er musste ein paar Stunden hier gesessen haben, denn als er aus seinen Tagträumen zurückkehrte, war es bereits vollkommen hell. Trübselig raffte er sich auf, verließ langsam das Hochgebäude und kehrte zum Lagerplatz zurück. Nur Cid saß noch, in seine dicke Fliegerjacke gesunken, an gleicher Stelle, an der auch zur Dämmerung gesessen hatte. Nanaki lag neben ihm. In Gedanken versunken kraulte er dem Tier fast liebevoll durch die Mähne. In seinem Mundwinkel hing eine ausgebrannte Zigarette. Müde blinzelte er auf, als Vincent auf seiner Höhe kurz innehielt. ''Ah, der verlorene Sohn kehrt zurück. Scheiße, beim nächsten Mal wäre vielleicht besser Zielen angesagt, was?'' Er lachte kurz, doch als sein Gegenüber nur stumm blieb, rieb er sich verlegen über den Nacken. ''Nichts für ungut. Der Rest schläft wieder.'' Er spuckte die matschige Zigarette auf den Boden und fischte in seiner Brusttasche nach einer neuen. Vincent ließ Cid zurück und schlug die Tücher des dritten Zelts beiseite. Auf der linken Seite lag Cloud und schlief tief und fest. Er kniete sich auf den Boden, zurrte das Holster von seinen Hüften und wickelte sich dann so gut es ging in seinen Umhang ein. Es half nicht viel, der Boden war kalt, aber das war er mittlerweile gewohnt. Er atmete tief ein und aus und bettete dann den Kopf in seine rechte Hand. Ihm gegenüber das ruhige Gesicht seines Freundes. Gereinigt und versorgt sah die Brandwunde nur noch halb so schlimm aus. Seine Schuld. Der Drang Cloud entschuldigend über die Wange zu streichen keimte in ihm auf. Wie er es bei Lurecica getan hatte. Die Tage, die sie unter dem Baum verbrachten, als sie eingeschlafen war und er sanft ihre Haut berührte. Diese ruhigen, zarten Gesichtszüge. Er blinzelte kurz, als das Bild vor seinen Augen verschwamm. Auf eine sonderbare Art und Weise ähnelten sich die Gesichter der beiden. Mit einem tiefen, leisen Seufzer kauerte er sich in seinem Umhang zusammen und beobachtete seinen schlafenden Freund.

Blaue Augen

Cloud erwachte. Es war dunkel. Scheinbar hatte er den kompletten Tag verschlafen. Seine Hand kribbelte leicht und war kalt, als er sie unter dem Kopf mit der anderen tauschte und in die Decke zog. Vincent lag ihm still und ruhig atmend gegenüber. Er schlief noch. Die Hälfte des blassen Gesichts war unter dem breiten Kragen des Umhangs und einer großen, schwarzen Haarsträhne verborgen. Ein schlechtes Gewissen keimte in Cloud auf, weil er seinem Freund die Decke gestohlen hatte. Doch er war nicht davon ausgegangen, dass Vincent noch vor dem nächsten Tag zurückkehren würde. Umso überraschender war es nun, ihn hier liegen und schlafen zu sehen. Seit er sich ihnen in Nibelheim angeschlossen hatte, war das erst einige wenige Male vorgekommen. Er übernahm oft freiwillig die Nachtwache oder blieb stundenlang fort, wenn sie mehr Zeit zum Ruhen hatten. Cloud rieb sich mit dem Handballen über die Augen und strich sich ein paar Haare von der Stirn. Vincent schlief so ruhig, dass er sich für einen Moment sicher war, er hätte aufgehört zu atmen. Es war faszinierend, wie still ein Mensch sein konnte. Er selbst war schon kein Freund großer Worte und verbrachte oft lieber Zeit mit sich selbst als mit den anderen, doch Vincent übertraf ihn da in jeder Hinsicht. So in sich gekehrt, als wollte er etwas vor der Welt verborgen halten, so still, damit niemand auch nur den Hauch einer Ahnung davon erhaschen konnte. Doch seine ganze Erscheinung schrie förmlich danach, ein einziges, unentdecktes Geheimnis zu sein. Er atmete tief ein und aus. Beobachtete er gerade seinen Freund im Schlaf? Eilig setzte er sich auf, rieb sich mit beiden Händen kräftig über das Gesicht und verfluchte sich noch im selben Moment dafür. Augenblicklich riss die feine Kollodiumschicht über der Brandwunde auf und ein beißender Schmerz durchschoss seine Wange. Er sog scharf die Luft ein. In seinem Kopf dröhnte es noch immer, doch er bildete sich ein, dass es bereits nachgelassen hatte. Leise zog er sein Kleiderbündel zu sich, wickelte es aus dem feuchten Papier und rubbelte ein paar grobe, getrocknete Schlammspritzer vom Stoff. Hoffentlich waren sie bald wieder in Rocket Town. Die Wasservorräte reichten definitiv nicht mehr aus, um seine Kleidung zu waschen. Er seufzte leicht, rieb sich über den steifen Nacken und faltete sein Shirt auseinander. Doch er zögerte damit hineinzuschlüpfen. Ein seltsames Gefühl legte sich auf ihn, so, als würde sich ein Augenpaar in seinen Rücken bohren. Langsam wandte er den Kopf zur Seite und blickte über die Schulter, doch Vincent lag unverändert da. Er war sich sicher gewesen, seinen Blick auf sich gespürt zu haben. Doch warum sollte er ihn ansehen? Dann schüttelte er nur kräftig den Kopf und zog sich sein Shirt über. Mühsam schlüpfte er auch in seine Hose, zurrte den Gürtel nur halbherzig fest, stieg in seine Stiefel, warf sich die zerwühlten Decken über die Schultern und verließ dann das Zelt.

Vincent öffnete die Augen wieder. Er hatte schon befürchtet, Cloud würde ihn noch stundenlang anstarren. Mit dem Handrücken rieb er sich über die Stirn und damit den Gedanken aus dem Kopf. Er hatte die meiste Zeit wach verbracht und Erinnerungen gewälzt, war nur für ein, vielleicht zwei Stunden eingeschlafen. Seinen Freund zu beobachten, wie er vollkommen ruhig neben ihm geschlafen hatte, hatte auch seine Gedanken irgendwann zum Stillstand gebracht.

Auf dem Platz brannte ein kleiner Pressholzklotz. Der Rest der Truppe saß zusammen, hatte gegessen und verbrachte den Abend in fröhlicher Runde. Cloud ließ sich zwischen ihnen auf den Boden sinken. Seine Kleider waren noch klamm und die Kälte des Bodens kroch eilig in sie hinein.

''Kannst du mich verstehen? Geht's dir besser?'' Tifa lehnte den Kopf mit einem sanften Lächeln zur Seite und legte ihm die Hand auf die Schulter. ''Schwer, aber ja.'' Er nahm das Stück Trockenfisch entgegen, das sie ihm reichte und begann zögerlich darauf herumzukauen. ''Passt beim nächsten Mal gefälligst besser auf und treibt nicht so einen Unfug! Wir können es uns nicht leisten nochmal auf dich zu verzichten.'' Barret hatte wohl Recht, auch wenn er die ganze Situation vollkommen überdramatisierte. Von der anderen Seite knuffte ihm Cid in die Rippen. Wäre er nur nicht aufgestanden. Einfach liegen geblieben... ''Die sind noch vom Raumfahrtprogramm. Shin-Ra hat sie damals selbst erst getestet und sie sind jetzt schon ein paar Jährchen alt, aber sie wirken bestimmt noch.'' Cid hielt ihm eine kleine, zerbeulte Metalldose hin. Er schob sich den Fisch in den Mundwinkel, nahm die Dose und ließ sie aufspringen. Ein Dutzend Tabletten. ''Ein paar Jährchen, ja?'' ''Werd' mal nicht frech, sonst schieß' ich auch noch auf dich! Und ich treff' sicher nicht daneben!'' Cid verschränkte aufgebracht die Arme vor der Brust und ein Lachen ging durch die Gruppe. Tifa hielt ihm eine Plastikflasche entgegen. ''Wenn er danach wieder ins Koma fällt, bist du dran Cid!'' Sie zwinkerte. Langsam stellte Cloud die offene Dose auf seinem Knie ab, nahm eine der Kapseln heraus, klemmte sich den Fisch zwischen die anderen beiden Finger und griff nach der Flasche. ''Wenn der wieder in's Koma fällt, dann prügle ich ihn eigenhändig wieder wach!'' Barret stieß seine Faust in die Mechahand. ''Jetzt lasst ihn doch in Ruhe!'' Yuffie sprang auf und zeigte mit bösem Funkeln in den Augen auf Cid und Barret. ''Außerdem...'' Sie stemmte eine Hand in die Hüften und wies dann auf sich. ''Wenn ihn einer wieder wachprügelt, dann bin ich das!'' Wieder lachten sie. Es tat gut, dass sie sich von den düsteren Zeiten nicht die Freude nehmen ließen. Cid verstaute die Dose wieder in der Brusttasche seiner Fliegerjacke und holte im gleichen Zug eine Zigarette heraus. ''Wie lange werden wir noch bis Rocket Town brauchen?'' Cloud schluckte das letzte Stück Fisch herunter, nahm noch einen Schluck Wasser und wandte sich wieder an den Piloten. ''Pff... da fragst du was... ich habe keine Ahnung, wo wir im Moment sind. Ich hol die Karte.'' Cid stand auf, zündete seine Zigarette am brennenden Holzklotz an und stapfte zum Zelt. Es dauerte einen Moment, ehe er die zerknitterte Karte und den Kompass zwischen seinen zerwühlten Sachen fand. Als er sich aus dem Zelt rückwärts wieder herauskämpfte, rauschte ein roter Umhang an ihm vorbei. ''Heee~ey Vincent!'' Yuffie wedelte wild mit den Armen. ''Komm, setz dich zu uns!'' Doch er winkte nur mit einer knappen Handbewegung ab und schritt eilig an der Gruppe vorbei. ''Das heißt dann wohl nein.'' Yuffie ließ sich wieder auf ihre Decke fallen und verschränkte gekränkt die Arme vor der Brust. ''Kurz angebunden wie eh und je, he?'' Barret rieb sich über den Bart und zuckte dann mit den Schultern. ''Wie dem auch sei. Cid, wie sieht's aus?'' Der Pilot ließ eine schmutzige Flasche mit Hochprozentigem in den Kies sinken, setzte sich dann wieder und faltete raschelnd die Karte auseinander. Das zerfledderte Papier war speckig und fiel schon halb auseinander. Dann positionierte er den Kompass am Rand und fuhr mit dem Finger grübelnd über das Blatt. ''Hm, ich wusste gar nicht, dass dieser Ort so nah an der Rocket Town ist.'' Er rieb sich über's Kinn, griff nach seiner Zigarette, die noch in seinem Mundwinkel hing und zündete sie erneut am Feuer an. ''Es ist nicht mehr weit, vielleicht knapp drei Tage. Dann sollten wir wieder dort sein.''
 

~
 

Er wusste, wo sie sich befanden. Es hatte eine Weile gedauert, doch dann waren die Erinnerungen zurückgekommen. Erinnerungen an ein Gespräch zwischen Hojo und einem hohen Mitarbeiter der Shin-Ra Company. Der Forschungssektor sollte erweitert und verlegt werden, in eine extra dafür angelegte Stadt. Diese Stadt. Die Häuser waren nur Fassade, die eigentliche Stadt befand sich darunter. Ein riesiger, unterirdischer Komplex aus Laboren, Konferenzräumen und Unterkünften. Doch das Projekt wurde vorläufig auf Eis gelegt, als Jenova auftauchte. Die Stadt blieb unbewohnt. Andernfalls wären sie einem voll ausgerüsteten Militärbollwerk in die Arme gelaufen.

Als ihm klar geworden war, wo sie sich befanden, konnte er nicht mehr ruhig im Zelt bleiben. Allein der Gedanke daran, dass Hojo einmal hier gewesen war, war zu viel für ihn. Hojo. Und immer wieder Hojo. Dieses Monster beherrschte sein Innerstes. Unter seinen eiligen Schritten knirschten Steine, als er sich immer weiter vom Lager entfernte. Weg von den anderen. Auf einem kleinen Platz hielt er inne. Die Häuser ringsum waren stark vom Verfall gezeichnet, eines war bis auf die letzten zwei Stockwerke in sich zusammengefallen, große Betonbrocken bedeckten den halben Platz und die Bodenplatten waren aufgebrochen. Hojos Stadt. Mit einem kräftigen Schlag bohrte sich die Metallklaue in den Stein. Hojos Totenstadt. Er ballte die Klaue zur Faust und riss ein Stück Beton aus dem Boden. Wäre doch er nur auch schon tot. Langsam schloss sich seine Hand immer weiter, bis der Stein unter dem Druck nachgab und zerbarst. Er würde diesen Bastard vernichten. Die Klauen drückten immer weiter zu, bis der Brocken vollkommen zerbröselt war und sie sich durch das dicke Leder in seine Haut bohrten. Er würde ihn töten. Als Blut auf den Boden tropfte, öffnete er die Faust wieder. Für einen stillen Moment beobachtete er, wie es zäh seine Finger herabrann. Dann rammte er die Klaue wieder in den Beton. Er fiel auf die Knie und schlug wieder und wieder auf den Stein ein. Die Erschütterungen drangen durch seine Knochen. Wie lange musste er noch warten? Wann würden sie Midgar erreichen? Wann würde er Hojo endlich gegenüberstehen? Wann würde er ihm alles zurückzahlen können? Das, was er ihm, was er Lucrecia angetan hatte? Ein leises Knacken stoppte seine Bewegung. Dann spürte er wie sich der Schmerz in seiner Hand allmählich ausbreitete. Nur noch Schmerz. Sein ganzes Leben lang. Nur... Schmerz. Mit einem Ruck erhob er sich, zückte die Pistole, und begann mit einem lauten Schrei das komplette Magazin zu verschießen.
 

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Cloud hob den Kopf. ''Was war das?'' Tifa schrak zusammen und stieß ihre Wasserflasche um. ''Ich gehe.'' Cloud war bereits aufgesprungen, eilte zum Zelt und griff nach seinem Schwert. Er zurrte den Gurt fest um seine Brust und rannte, ohne auf den Rest der Gruppe zu warten, in die Richtung, aus der die Schüsse zu hören waren. War ein weiteres Monster aufgetaucht? So viele Schüsse wie gefallen waren, musste es ernst sein. Er versuchte noch schneller zu laufen. Das Gelände war unwegsam und erschwerte ihm, zusammen mit dem Gewicht seiner Waffe, das Vorankommen. An einer Kreuzung kam er zum Stehen. Wo lang? Doch eine weitere Reihe Schüsse wies ihm den Weg. Es konnte nicht mehr weit sein. Dann bog er in eine Durchführung und kam auf einem kleinen Platz zum Stehen. In der Mitte ein roter Umhang. ''Vincent!'' Sein Freund drehte sich um. Die Kugeln schlugen dicht neben Clouds Kopf in der Wand ein und Steinsplitter streiften sein Gesicht. ''Vincent!'' Das Gesicht auf der anderen Seite blieb reglos. Dann klickte der Abzug erneut. Doch das Magazin war leer. Achtlos warf er die Pistole zu Boden, spreizte die Klaue und ging mit einem Schrei auf Cloud los. Was war passiert? Völlig überrascht tat er zwei Schritte zurück, stellte sich dann aber dem Angriff entgegen. Er bekam die Klaue am Handgelenk zu fassen, ehe sie auf ihn einschlagen konnte. Auch die andere Hand blockte er schnell. Er musste sich mit aller Kraft gegen den Größeren stemmen, als dieser drohte, ihn zu Boden zu reißen. Was war nur in ihn gefahren? Die Augen, die ihm entgegenblickten waren nicht klar, ihr Rot schien sich vertieft zu haben, als würde ein Blutschleier über ihnen liegen. ''Vincent!'' Er nahm ihn nicht wahr. Mühsam rang er die Hände nieder, verschränkte die Arme um seinen Freund und presste ihn an sich. ''Beruhig' dich!'' Vincent wehrte sich heftig gegen die Umklammerung. Er wollte ihn töten. Er musste ihn töten. Konnte ihn nicht am leben lassen. Er spürte, wie die Wut und das Chaos in ihm tobten und wild nach Befreiung verlangten. Doch da waren die Arme die ihn festhielten. ''Beruhige dich!'' Die Stimme durchbohrte ihn wie ein Dolch. ''Vincent, beruhige dich!'' Die Arme, die ihn warm und zärtlich umschlangen. ''Kannst du mich hören?'' Die sanfte Stimme. ''Komm zu dir! Sieh mich an.'' Das weiße Gesicht vor ihm. ''Lu... cre...'' Die braunen Augen die ihn unentwegt ansahen. ''...cia...'' Nein, nicht braun. Blau. Strahlend blau. ''Vincent. Hörst du mich?'' Clouds Stimme. Der Druck der Umarmung ließ nach. Er kam langsam wieder zu Sinnen. Cloud löste seine Arme und strich seinem Freund beschwichtigend über die Schultern. ''Alles in Ordnung?'' In diesen blauen Augen lag so viel Ruhe. Sie schienen sich direkt in seinen Kopf zu bohren und für den Bruchteil eines Moments verlor er sich in ihnen. So viel Ruhe. ''Vincent?'' Dann gaben seine Beine unter ihm nach.

Aufbruch

''Cloud! Was ist passiert?'' Tifa und Barret kamen keuchend hinter ihm auf den Platz gelaufen.

Vincent kauerte erschöpft auf dem Boden. Cloud hatte ihn abgefangen und davor bewahrt, auf dem Stein aufzuschlagen. ''Monster? Soldaten? Wo ist das Dreckspack? Die schnapp' ich mir!'' Barett sah sich verwirrt um. ''Nichts?'' Cloud erhob sich, warf seinem Freund einen besorgten Blick zu und wandte sich dann an Tifa. ''Ich weis nicht, was passiert ist, aber es ist sonst niemand hier. Könnt ihr Vincent helfen?'' Dann ging er weiter auf den Platz, um die achtlos beiseite geworfene Cerberus aufzusammeln. Barret murmelte etwas Unverständliches, als er Vincent die Hand reichte, um ihm aufzuhelfen, aber er schien sichtlich missgestimmt, dass kein Kampfgetümmel auf ihn gewartet hatte. ''Alles ok bei dir?'' Tifa griff nach der anderen Hand. ''Nicht...'' Eilig zog Vincent seine Klaue unter den Umhang. Überrascht musterte Tifa ihn einen Moment, ehe ihr das Blut auf dem Boden auffiel. ''Du bist verletzt. Wie schlimm ist es?'' Doch Vincent schüttelte nur leicht den Kopf. ''Lass gut sein.'' Dann schritt er langsam an ihr vorbei. Sie verzog das Gesicht. Cloud hob die Waffe auf, schüttelte leicht den Dreck herunter und nahm sie in die andere Hand. Auf dem Boden ringsum verteilten sich getrocknete Blutstropfen. An einem etwa faustgroßen Loch in den Steinplatten hatte sich eine dünne, versprengte Lache gebildet. Er seufzte leicht, ging zurück zu den anderen und legte Tifa eine Hand auf die Schulter. ''Lass ihn. Er wird sich melden, wenn er Hilfe braucht.'' Doch sicher war er sich bei seinen Worten nicht. Sie nickte nur stumm, dann verließen sie den Platz. Auf dem Rückweg sprach niemand.

Yuffie und Cid standen auf, als sie das Lager erreichten. Sie warteten am Feuer auf sie. ''Was ist passiert?'' Doch sie erhielt nur ein Schulterzucken und einen hilflosen Blick von Tifa. ''Hm, kein Angriff?'' ''Kein Angriff.'' Barret ließ sich wieder auf die Decke sinken, Cid und Yuffie folgten seinem Beispiel. Tifa folgte den anderen beiden zum Zelt. ''Hier. Du hast sie vergessen.'' Cloud drückte Vincent die Cerberus in die Hand. Mit einem stummen Nicken nahm er sie entgegen, musterte sie sorgfältig, fast schuldbewusst und verstaute sie dann wieder mitsamt Holster im Zelt. ''Es tut mir leid. Ich wollte nicht-'' ''Und es ist wirklich alles in Ordnung? Was ist denn geschehen?'' Tifa fiel Vincent in's Wort. Er seufzte leise. ''Ja. Es wäre mir lieb, wenn wir bald aufbrechen könnten.'' ''Aber warum? Wir wollten doch zwei Tage rasten und-'' ''Bitte.'' Der strenge und durchdringende Blick roter Augen ließ sie verstummen. ''Vielleicht ist es besser. Ganz wohl ist mir in dieser Ruine auch nicht.'', mischte sich Cloud dazwischen, als er sein Schwert wieder abgelegt hatte. Tifa überlegte kurz, dann seufzte sie tief und zuckte mit den Schultern. ''Na schön. Fragen wir den Rest.'' Dann wandte sie sich um und ging. ''Schon gut.'' Cloud blickte zu Vincent und nickte ihm verständnisvoll zu. ''Setz dich zu uns.'' Gemeinsam folgten sie Tifa.

Sie redeten über Belanglosigkeiten und niemand stellte mehr Fragen. Vincent konnte das nur recht sein. Er war müde. So die Kontrolle über seine Gefühle und das Chaos in ihm zu verlieren, war nicht geplant gewesen und hatte ihn vollkommen erschöpft. Seine Hand schmerzte, aber immerhin hatte sie aufgehört zu bluten. In seinen Umhang gekauert lauschte er den anderen, als Cid ihm wortlos eine schmierige Flasche reichte. Er sah auf, nahm die Flasche entgegen und roch zögerlich daran. Schnaps. Was sonst. Und so wie er roch, von der ganz üblen Sorte. Doch was machte das schon. Mit einem Nicken bedankte er sich, setzte die Flasche an und nahm drei kräftige Schlucke. Das Gesöff war fast unerträglich scharf und sein leerer Magen rebellierte schnell mit einem flauen Gefühl. ''Wir möchten das Lager morgen früh schon abbrechen.'' Cloud winkelte sein Bein an und legte den Arm darauf ab. ''Ich denke, es ist besser. Wenn wir in der Rocket Town sind, können wir dort ausgiebig rasten. Hier sind Monster unterwegs und ich habe kein gutes Gefühl an diesem Ort.'' Barret dachte kurz nach und rieb sich die Hände. ''Morgen früh schon? Hm. Aber vielleicht hast du nicht Unrecht.'' ''Was, was, was? Ich bin noch gar nicht richtig ausgeruht!'' Yuffie wedelte empört mit dem Zeigefinger. ''Ohne mich!'' ''Yuffie, bitte.'' ''Na gut. Ok. Überstimmt. Mir bleibt ja keine Wahl!'' Tifa lachte leicht. ''Du wirst um die Highwind nicht drumherum kommen, so leid es mir tut.'' Yuffie verzog das Gesicht. ''Ich hab's befürchtet.''

Sie saßen noch eine Weile, bis sich Tifa und Yuffie zuerst in's Zelt verabschiedeten. Vincent nahm noch einen Schluck aus der fast leeren Flasche. Sie hatte beständig die Runde gemacht, doch das Meiste davon hatte er intus und es tat die erhoffte Wirkung. Es betäubte. Er dachte nicht weiter nach. Träge zog er seine Klaue aus dem Umhang, betrachtete sie einen Moment, tastete sie vorsichtig ab und umklammerte dann fest den Mittelfinger. Mit einem kurzen Ruck, gefolgt von einem Knirschen und leisen Knacken, brachte er den gebrochenen Knochen wieder in Position. Ungünstig. Doch er würde schon wieder zusammenwachsen. ''Na das hört sich aber alles andere als gesund an.'' Cid griff nach der Flasche. ''Kein Wunder, dass du mir meinen ganzen Fusel weggesoffen hast.'' Prüfend begutachtete er den letzten Rest und kippte ihn selbst hinab. Er stand auf, rauchte den Zigarettenrest zu ende und stampfte sie in den Boden. ''Wir sehen uns später, Mädels.'' Dann ging er zum Zelt. Barret schüttelte amüsiert den Kopf. ''Nun gut. Ich gehe auch. Nachher also Aufbruch.'' Er verabschiedete sich mit einer knappen Handbewegung und folgte Cid. Cloud wandte sich zu Vincent um, doch dieser starrte nur stumm auf seine linke Hand. Er folgte seinem Blick. Die Innenfläche des Handschuhs war völlig verdreckt, von trockenem Blut verklebt und in der Mitte prangten 4 Löcher im Leder. ''Danke.'' Vincent schloss die Hand. ''Schon in Ordnung.'' Cloud zog die Decke fester um seine Schultern. Dann sagte niemand mehr ein Wort und sie sahen still den letzten Holzresten beim Verglimmen zu.
 

~
 

Die Dämmerung empfing sie mit Nebel und grauen Wolken. Es war kalt und Cloud fror unter seinen Decken. Sie hatten den Rest der Nacht einfach nur dagesessen und gemeinsam Nachtwache gehalten. Er drehte seinen Kopf zu Vincent. Dieser saß unverändert auf seinem Platz, in seinen Umhang gehüllt, die Hände vor der Brust verschränkt und den Kopf gesenkt. Er beobachtete ihn einen Moment. Er schlief. Ob er die Nächte wohl immer so zubrachte, wenn er das Lager verließ? Es tat gut, ihn wieder so ruhig zu sehen. So aufgewühlt und außer sich, wie er es auf dem Platz gewesen war, hatte er Cloud Angst eingejagt. Er war sich fast sicher, dass er ihn nicht nur angreifen, sondern hatte töten wollen. In seinen Augen hatte Blutdurst gelegen. Dieser sonst so stille Mann war völlig in Rage gewesen. Wild und unkontrolliert. Was tobte nur so zerstörerisch in seinem Inneren? Eine schwarze Haarsträhne löste sich und glitt an dem weißen Gesicht entlang. Langsam erwachte er, blinzelte kurz und atmete eine kaum sichtbare Dunstwolke aus. Er drehte den Kopf. Da waren sie wieder. Die blauen Augen. Cloud blickte ihm unentwegt entgegen. Wie in der Nacht sprach keiner von beiden ein Wort und Vincent nickte ihm nur leicht entgegen. Er erwiderte die Geste. ''Nanu? Ihr sitzt hier immernoch rum?'' Yuffie krabbelte aus dem Zelt, streckte sich ausgiebig und zurrte dann ihre Decke und Tasche heraus. Tifa tat es ihr gleich. Cloud erhob sich ebenfalls, ging zum Zelt und begann die Sachen zu verstauen. ''Ihr wollt wirklich sofort los, was?'' Tifa kniete sich neben Vincent, entwirrte ihre Haare mit den Fingern und musterte ihn einen Moment. ''Wie geht’s dir?'' Sie wies auf seine linke Hand, die in seinem Schoß ruhte. ''Nicht der Rede wert.'' Er zog sie unter den Umhang, erhob sich und folgte Cloud. Auch Barret und Cid kamen aus ihrem Zelt. ''Schon Aufbruchsstimmung?'' Cid zündete sich eine Zigarette an. ''Sehr gemütlich.'' Doch dann packten auch sie ihre Sachen zusammen. ''Ich würde wirklich gern wissen, was heute Nacht passiert ist.'', flüsterte Yuffie Tifa zu. ''Hm?'' Sie zurrte den Gurt der Tasche zusammen und sah zu ihr. ''Ja, ich auch. Ich mache mir Sorgen. Er hat sich verletzt.'' Yuffie hockte sich nieder, stemmte die Ellbogen auf die Knie und legte das Gesicht in den Händen ab. ''Schlimm?'' ''Ich weiß es nicht. Er versteckt es vor mir.'' Sie faltete die zweite Decke zusammen und verstaute Wasserflaschen und Kleinzeug in der anderen Tasche. ''Auch wenn er schon so lange mit uns unterwegs ist, wirklich vertrauen tut er uns nicht.'' Yuffie schlang die Arme um die Knie und sah herüber. Vincent und Cloud knieten auf dem Boden und falteten das Zelt zusammen. Tifa seufzte nur, zurrte auch die zweite Tasche zu und rieb sich über die Stirn. ''Ja, wohl nicht.''

Sie schulterten ihr Gepäck und verließen die Stadt. Sie hörte abrupt auf, ein Hochhaus, ein zerfallenes Gebäude und plötzlich endete die geteerte Straße in einen festgefahrenen Weg, der durch die Ebene führte. Nanaki lief los, lies die Gruppe hinter sich und übernahm die Vorhut. Es war bewölkt, doch die Kälte vom Morgen wich bald einer angenehmen Wärme. Sie sprachen nicht viel. Mit etwas Glück würden sie die Rocket Town bereits am nächsten Tag bis Abends erreicht haben.
 

~
 

Es war bereits spät und dunkel geworden, als sie am Rand eines kleinen Waldstücks rasteten. Die Zelte waren schnell aufgebaut und erschöpft verabschiedeten sich alle zur Ruhe. Vincent übernahm, wie gewohnt die Wache. Cloud rieb sich kräftig über das Gesicht. Die Wunde pochte verhalten, doch sie heilte schnell ab. Er zog die Decken aus seiner Tasche, faltete sie auseinander und legte sich, fest eingewickelt, nieder. Er war müde und der lange Marsch vom Tag steckte ihm in den Knochen, doch er wollte nicht so recht zur Ruhe kommen. Rastlos wälzte er sich von einer auf die andere Seite, atmete mehrfach tief ein und aus und versuchte sich zum Schlafen zu zwingen. Doch die Zeit verstrich ungenutzt. Er öffnete die Augen wieder. Es hatte keinen Zweck. Mit einem tiefen Seufzen setzte er sich auf, raffte die Decken zusammen und verließ das Zelt. Er fand Vincent ein Stück abseits am Waldrand. An einen umgestürzten Baum gelehnt saß er im Gras und starrte in die Nacht. Die roten Augen wandten sich ihm zu, als er sich neben ihm niederließ. Schweigend saßen sie eine Weile nebeneinander, dann ergriff Cloud das Wort. ''Was war mit dir? In der Stadt?'' Vincent sah zur Seite. Er hatte gehofft, nicht über den Vorfall reden zu müssen, auf der anderen Seite war er ihm wohl eine Erklärung schuldig. Er seufzte. Dann zog er die Knie an den Körper und legte seine Arme darauf ab. ''Diese Stadt ist eine Forschungseinrichtung der Shin-Ra Incorporation. Sie wurde nie genutzt, daher ihr Zustand, doch Hojo ist zur Entstehungszeit oft dort gewesen.'' ''Hojo?'' Cloud zog die Decken enger um sich. ''Ja. Und...'' Er atmete tief ein, schloss kurz die Augen und atmete langsam wieder aus. ''Mich verbindet eine eher unschöne Vergangenheit mit ihm.'' ''Der Keller in der Shin-Ra Villa.'' Vincent nickte. ''Hojo hat mich dort eingeschlossen. In Folge eines Unfalls und...'' Er ballte seine Klaue zur Faust. Das Knirschen von Leder und Metall erklang. ''Einiger Experimente.'' Cloud stieß einen überraschten Laut aus. ''Ich war damals als junger Turk im Labor zu seinem und dem Schutz seiner Mitarbeiterin angestellt. Lucrecia Crescent.'' Er verfiel für einen Moment in Schweigen, als er ihren Namen aussprach. Dann seufzte er wieder. ''Er hat ihr schlimme Dinge angetan und wir hatten eine Auseinandersetzung. Worauf ich hinaus will...'' ''Die Tatsache, dass Hojo in dieser Stadt war, hat dich getriggert.'' Vincent nickte. ''Ja. Daher bin ich gegangen. Ich dachte, ich hätte die Wut unter Kontrolle, doch...'' Cloud zögerte einen Moment, dann legte er ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. ''Daher willst du unbedingt nach Midgar? Wegen Hojo?'' Vincent nickte. ''Ja. Ich kann ihn nicht mit seinen Taten davonkommen lassen.'' Cloud zog seine Hand wieder zu sich, strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und klammerte sich wieder an die Decke. ''Du sagtest, du warst bei den Turks.'' Er zögerte kurz. ''Wie lange ist die ganze Geschichte her?'' ''Gut dreißig Jahre.'' Cloud wandte überrascht den Kopf um. ''Ich habe lange geschlafen, ja. Und eigentlich wollte ich nicht wieder aufwachen.'' Es war ungewohnt, den sonst so stillen Mann so viel reden zu hören. Er vertraute ihm gerade eine ganze Menge an. ''Du erwähntest Experimente.'' Mit einem Nicken wies er auf die Metallklaue. Vincent drehte sie zu sich, betrachtete seine Hand einen Augenblick. ''Oh, nein. Das nicht.'' Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, dann tippte er auf den Handschuh. Cloud verstand die Geste. ''Die Experimente gingen nicht vorrangig von ihm aus. Nur zum Ende hin.'' Ein sonderbarer Unterton mischte sich in Vincents Stimme. ''Und dann sperrte er dich in diesen... Sarg?'' Vincent rieb sich mit der anderen Hand über sein Gesicht. ''Es ist damals viel vorgefallen. Dinge, die besser bleiben, wo ich sie zurückgelassen habe.'' Das Metall knirschte hart, als er die Klaue wieder zur Faust ballte. ''Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht wieder daran erinnern.'' Vorsichtig und beschwichtigend legte er seine Hand auf Vincents Oberarm. ''Es ist in Ordnung. Ich trage es stetig mit mir. Es ist nur...'' Ein Zittern ging durch seinen Körper. Jeder Gedanke an damals, jeder Gedanke an Lucrecia, bereitete ihm Schmerzen. Als er Clouds Blick auf sich spürte, dessen Hand mit etwas Nachdruck auf seinem Arm ruhte, wandte er den Kopf zu ihm um. Da waren sie wieder. Diese blauen Augen. Die noch so jung waren, selbst so viel gesehen hatten und trotzdem eine unbeschreibliche Ruhe ausstrahlten. So tief, so unergründlich, so... besänftigend. Die Wut und die Hilflosigkeit, die in Vincent aufgestiegen waren, ebbten langsam wieder ab, als er sich allein auf diese Augen konzentrierte und sich allmählich in ihnen verlor. Cloud spürte, wie die Anspannung aus seinem Gegenüber langsam wich und seine Gesichtszüge wieder weicher wurden. Dieses stille, blasse Gesicht. So voller Geheimnisse. Zum Greifen nah. Ob er vielleicht... Cloud rutschte auf die Knie, ließ seine Hand von Vincents Arm an seiner Schulter empor streichen, raffte den breiten Kragen des Umhangs nach unten und ergriff mit beiden Händen die kühlen Wangen seines Freundes. Ein überraschtes, rotes Augenpaar blickte ihm entgegen. ''Was...'' Dann legte er die Lippen zaghaft auf seine und küsste ihn sanft.

Wassertropfen

~Nur noch einen Moment länger...~ Was geschah hier gerade? Völlig überrumpelt packte Vincent Cloud an den Schultern und stieß ihn von sich. Er taumelte zurück und fiel ins Gras. ''Ich...'' Er bedeckte die Augen mit der Hand, atmete schwer aus und erhob sich dann. Eilig griff er nach den Decken und ging. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein, den Gefühlen, die in ihm aufgekommen waren, einfach blindlings nachzugeben? Diese ganze Schwärmerei musste ja ein übles Ende nehmen. Er zerrte das Tuch zum Zeltinneren beiseite, warf sich mitsamt der Decken auf den Boden und vergrub das Gesicht tief in der harten, kratzigen Wolle. So dumm. Er atmete tief ein und aus, doch sein Herz wollte einfach nicht zur Ruhe kommen. Noch völlig aufgeregt vor Scham... nein, nicht nur. Er leckte sich leicht mit der Zungenspitze über die Lippen. Und schon begann es erneut schneller zu schlagen. Törichtes, kleines Ding. Er drehte sich auf den Rücken, spürte, wie sich kleine Steine durch den Zeltboden in seine Haut bohrten und starrte in die Luft. Was zum Teufel hatte er getan?
 

~
 

Vincent blickte ihm noch nach, als er bereits im Dunkeln verschwunden war. Völlig unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, saß er einfach nur da. Was war das gewesen? Cloud hatte ihn... geküsst? Einfach so, aus dem Nichts heraus. Ob das der Grund war, weshalb er ihn die ganzen letzten Tage und Wochen immer wieder beobachtet hatte? Er überschlug kurz im Kopf, wie oft ihm aufgefallen war, dass sein Freund ihn scheinbar ohne Anlass angesehen hatte und... verdammt, es war oft gewesen. Diese blauen Augen hatten ihn eine ganze Weile verfolgt. Und nun? Nun hatte er ihn geküsst. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Vollkommen absurd. Er schüttelte den Kopf. Und doch... Sacht berührte er mit den Fingerspitzen seine Lippen. Augenblicklich tat sein Herz einen Satz. Das war doch verrückt. Er rieb sich mit der Hand über Stirn und Augen. Hätte er etwas ahnen müssen, als die blauen Augen immer wieder nach seinem Blick gesucht hatten? Diese blauen Augen. So aufdringlich. So durchdringend. So... schön.
 

~
 

Der nächste Tag weckte ihn mit Sonnenstrahlen, die das Zelt schnell erwärmten. Er rieb sich die Augen, wühlte sich aus den Decken und verließ das Zelt. Draußen standen bereits die anderen, packten ihre Sachen zusammen und nahmen ein schnelles Frühstück zu sich. Auch Vincent war da. Als er ihn bemerkte, grüßte er mit dem gleichen, stummen Nicken wie immer. Alles wie immer. Hatte er das nur geträumt? Nein, er konnte sich noch gut an das Gespräch erinnern. Und auch an den Kuss. Er seufzte, schüttelte die Decken aus und faltete sie zusammen. Tifa kam zu ihm herüber und reichte ihm ein gefaltetes Stück Papier mit einigen Streifen Trockenfisch. ''Guten Morgen.'' Sie lächelte ihn an, als sie sich neben ihn kniete. Er stopfte die Decken in die Tasche, sah zu ihr und nahm das Papier entgegen. ''Ist was?'' Verdutzt blickte sie ihm entgegen. ''Hu? Nein.'' Sie strich sich das Haar zurück. ''Eigentlich wollte ich dich das fragen. Du wirkst etwas bedrückt.'' Natürlich. Tifa war die Empathie in Person. ''Nein, ich habe nur... schlecht geschlafen.'' ''Hm, nagut.'' Sie lächelte wieder. ''Cid sagt, dass wir es noch bis zur Dämmerung zur Rocket Town schaffen können.'' Cloud nickte. ''Gut. Dann sollten wir uns beeilen.'' Sie schulterten ihre Taschen und machten sich auf den Weg. Er ging hinter Cid und Barret, Tifa und Yuffie folgten ihm mit ein paar Schritten Abstand und am Ende der Gruppe Vincent. Was er auch tat, er kam nicht umhin, immer und immer wieder über die Situation der vergangenen Nacht nachzudenken. Wie hatte er sich nur dazu hinreißen lassen können? Immerhin schien Vincent das alles einfach zu ignorieren. Er wirkte wie sonst auch. Vielleicht war es auch das Beste. Und er sollte es ihm gleich tun. Wenn sie in der Rocket Town ankamen, würde er Cid helfen, die Highwind zu beladen. Dann hätte er genug Ablenkung. Er seufzte tief und zog die Riemen der Taschen fester über die Schulter. Ablenkung, ja. Wie hatte es überhaupt so weit kommen können? Er konnte Tifas Blicke in seinem Rücken spüren. Sich zu ihr hingezogen zu fühlen wäre völlig in Ordnung gewesen. Doch warum musste es Vincent sein? Er wusste quasi nichts über ihn. Eigentlich war er ein vollkommen Fremder. Und noch dazu... ein Mann. Ja. Das konnte nicht richtig sein. Und doch war da dieses schmale Gesicht, das lange, schwarze Haar, die geheimnisvollen, roten Augen... das alles so... verführerisch. Er presste sich den Handballen gegen die Schläfe. Er dachte schon wieder über ihn nach. Hoffentlich würden sie bald ankommen. So schnell wie möglich. Tifa und Yuffie schlossen zu ihm auf und verwickelten ihn in ein Gespräch über Belanglosigkeiten. Er dankte ihnen still dafür.
 

~
 

Cid hatte Recht behalten und mit dem Einsetzen der Dämmerung betraten sie die Rocket Town. Shera erwartete sie schon im Eingang des Hauses und schloss die Tür hinter ihnen. ''Nanu? Ihr seid früher hier als ich erwartet hätte.'' Fragend blickte sie zu Cid, der den schweren Seesack von der Schulter gleiten ließ und sich danach ausgiebig streckte. ''Wir haben uns beeilt. Du weißt doch, ich brauche mein Schiff.'' ''Ja, natürlich.'' Sie lächelte leicht. ''Cid, kann ich dich kurz sprechen?'' ''Hu? Was ist so wichtig?'' Er ließ seine Jacke auf eine Stuhllehne fallen und zog sich die Handschuhe aus. ''Bitte.'' Er brummelte etwas unverständliches und folgte ihr dann in den Nebenraum. Die anderen stellten ebenfalls ihr Gepäck ab. ''Puh, das wäre geschafft. Jetzt können wir endlich richtig ausruhen.'' Tifa seufzte erleichtert, streckte die Arme und schenkte dem Rest der Gruppe ein breites Lächeln.

''Ja. Ja, doch. Das kümmert mich aber einen Scheiß.'' Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich wieder und Cid kam zurück. ''So. Und nun alle Abmarsch in's Badehaus! Shera wird sich um unsere Kleidung kümmern und ich denke, gegen ein bisschen Entspannung und Hygiene ist nichts einzuwenden.'' Er stemmte eine Hand in die Hüften und streckte den Zeigefinger der anderen Hand entschlossen in die Luft. ''Ja, Hygiene... da sagst du was.'' Yuffi schlich sich neben ihn und wedelte mit der flachen Hand vor ihrem Gesicht. Cid quittierte ihre Geste stumm mit einem Faustschlag gegen ihre Schulter. Empört jaulte sie auf und rieb sich den Arm. ''Hey!'' ''Gut! Gehen wir.'' Tifa übernahm das Kommando und verließ den Raum. Als Shin-Ra das Raumfahrtprogramm startete und die Rocket Town baute, richteten sie für die stationierten Soldaten und Arbeiter auch ein kleines Badehaus ein. Es war nicht groß, aber für die wenigen Anwohner der Rocket Town reichte es vollkommen aus und es war eine willkommene Abwechslung. ''Vincent, was ist?'' Yuffie schlug ihm leicht auf die Schulter. ''Ich bleibe lieber hier.'' ''Nein, nein, das kommt gar nicht in Frage!'' Sie streckte ihm den Zeigefinger entgegen und funkelte böse mit den Augen. ''Sie hat Recht. Los! Auf geht’s!'' Cid stieß ihn zur Tür. Vincent seufzte schwer. Das war ihm gar nicht recht.

Das Badehaus war nicht weit vom Haus entfernt, was in Anbetracht der Tatsache, dass Shera sie begleitete um ihre Kleidung einzusammeln und sie im Yukata den Heimweg antreten würden, sehr angenehm war. Die Empfangsdame hieß sie willkommen und führte sie in die Umkleideräume. Vincent wartete in seiner kleinen Kabine, bis die anderen drei den Raum verlassen hatten. Und nun? Es half alles nichts. Auch er hatte ein Bad bitter nötig. Mit einem tiefen Seufzen rieb er sich über das Gesicht, ehe er sich mühsam aus seinen Kleidern schälte. Der Waschraum war bereits leer, als er eintrat. Zum Glück. Sorgfältig seifte er den großen Schwamm ein, tunkte ihn wieder in die Wasserschale und drückte ihn sich auf die Brust. Das warme Wasser war Balsam für seine Haut. Er betrachtete einen Moment seine linke Hand, die vier kleinen dunkelroten Punkte in der Innenfläche. Die Wunden heilten, doch es würden Narben zurück bleiben. Auch sein gebrochener Finger machte sich sacht pulsierend bemerkbar, als er den Schwamm erneut auswrang. Vorsichtig rieb er sich letzte, getrocknete Blutreste von der Haut.

''Na? Da traut sich wohl einer nicht aus der Umkleide.'' Barret verzog das Gesicht, als er sich auf der gefliesten Bank umsetzte. Der Baderaum war nicht besonders groß und neben ihnen saßen noch zwei Einwohner im Wasserbecken. ''Ach lass den doch. Er wollte schon gar nicht mitkommen.'' Cid zuckte mit den Schultern und ließ den Kopf auf die Brust sinken, als er sich kräftig über den Nacken rieb. Cloud rutschte auf der unbequemen Bank ein Stück nach vorn, um bis zu den Schultern im Wasser zu versinken. Es war angenehm warm und tat unglaublich gut. Die ganze Lauferei der letzten Tage war anstrengend gewesen und er spürte, wie ihn die Müdigkeit überkam. Er schreckte hoch, als seine Nasenspitze das Wasser berührte und eilig rieb er sich durch's Gesicht. ''Ich gehe schlafen.'' ''Hm?'' Barret sah zu ihm. ''So erledigt? Ihr habt bei Shin-Ra wohl auch nichts mehr leisten müssen, wenn dich die paar Tage Fußmarsch so fertig machen.'' Er lachte. Cloud erwiderte Barrets Kommentar nur mit einem Schweigen, dann erhob er sich und stieg aus dem Becken. Er griff nach dem Yukata, wickelte sich fest darin ein und verließ das Bad durch den Waschraum.

Vincent kippte sich den Rest Wasser aus der Waschschüssel über den Kopf und spülte die Seifenreste aus seinen Haaren. Mit beiden Händen rieb er sich über das Gesicht und strich sein Haar zurück, stand auf, griff nach dem Mantel und schlüpfte eilig hinein, als er Schritte hinter sich hörte. Er zog das Band fest um seine Taille und ließ den Blick gesenkt, in Erwartung, der andere würde den Raum einfach durchqueren. Doch er tat es nicht. Er wandte den Kopf zur Seite und sah über die Schulter. ''Cloud.'' Ertappt wandte dieser den Blick ab, doch als nichts weiter folgte, sah er wieder auf. Vincent hatte sich zu ihm umgedreht, die Arme vor der Brust verschränkt und stand, leicht an die Wand gelehnt, da. Er ging ein Stück auf ihn zu. ''Vincent, ich...'' Was nun? Etwas sagen? Ignorieren? Die ganze Sache einfach Ruhen lassen? Das wäre sicher das Beste. ''Gestern Nacht, das...'' Zu spät. Vincent regte sich nicht und sah ihm nur weiter unentwegt entgegen.

Cloud ging noch ein Stück auf ihn zu.

Verdammt, was war das? Vincent versuchte ruhig zu atmen. Er hätte einfach gehen sollen. Jetzt stand er hier und sein Herz schien sich fast zu überschlagen. Was zum Teufel war los mit ihm? ~Nein, Cloud, bitte bleib, wo du bist und lass mich gehen.~ Gehen. Jetzt. Doch er war so aufgeregt, dass er kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. Geschweige denn, sich jetzt, wo sich die blauen Augen unmittelbar auf ihn zu bewegten, umzudrehen und den Raum zu verlassen. Das war nicht richtig. Nein...

Cloud blieb knapp vor ihm erneut stehen. Er konnte nicht umhin zu bemerken, wie anders, aber nicht weniger düster und geheimnisvoll sein Gegenüber wirkte. Die nassen, schwarzen Haare hingen ihm glatt über die Schultern und rahmten das blasse Gesicht. Er starrte ihn an. Wäre er doch einfach weitergegangen. Sein Herz schlug ihm bis in den Kopf und schnürte ihm den Hals zu. Warum war er so entsetzlich aufgeregt? Noch ein Schritt. Er war nah genug an seinem Freund, um zu bemerken, wie sich ein Wassertropfen aus einer Haarsträhne löste und seinen Hals hinabrann. Neben den angespannten Muskeln konnte er die Pulsader kräftig schlagen sehen. War auch er aufgeregt? Er stand nun unmittelbar vor Vincent und noch war er ihm nicht ausgewichen. Noch stand er da, die Schulter gegen die Wand gelehnt, die Arme verschränkt und die roten Augen auf ihn gerichtet. Er erwiderte seinen Blick geradewegs. Und er war noch immer hier. Noch immer. Hier und jetzt. Er konnte einfach nicht anders. Langsam streckte er seine Hand aus, strich an der bleichen Wange vorbei und fand Halt im Nacken des anderen. Dann zog er sich zu seinem Gesicht empor, sah ihm ein letztes Mal in die Augen und legte seine Lippen auf den blassen Mund. Ein Augenblick verstrich. Noch einer. Ein Zittern durchfuhr seinen Körper, als er spürte, wie Vincent seine Arme löste und sich seine Hände links und rechts in den Stoff um Clouds Taille krallten. Dann erwiderte er den Kuss. Erst zaghaft, dann immer bestimmter. Und auch sein Griff verstärkte sich. Er... er zog ihn an sich. Nur leicht und nur ein Stück. Doch er forderte die Nähe. Was geschah hier gerade? Cloud hatte alle Mühe sich auf seine Gedanken zu konzentrieren, doch er scheiterte. Es war... unbeschreiblich.

Stimmen erklangen hinter ihnen. ~Nein!~ Er spürte, wie sich Vincents Griff löste. ~Bitte nicht!~ Seine Fingerspitzen krallten sich ein Stück weiter in den Nacken, doch augenblicklich zogen sich die anderen Hände zurück. Er ließ von ihm ab, drehte sich um und verließ eilig den Raum. Cloud starrte ihm hinterher. Stehen gelassen, mit einem köstlichen Gefühl auf den Lippen.

Nur ein Hauch

Die kühle Nachtluft schlug ihm wie eine Wand entgegen. Ihm war schwindelig und sein Puls raste. Eilig bog Vincent in den Seitenweg ein und lehnte sich gegen die Hauswand. Er war völlig aufgewühlt. Vor Scham? Vor Schuldbewusstsein? Nein. So sehr er auch danach suchte, er fand es nicht. Hatte er diesen Kuss etwa... genossen? Er hatte ihn erwidert. Ja. Er hatte ihn gewollt und es hatte sich so gut angefühlt. Er presste sich die Hand auf den Brustkorb und zwang sich zur Ruhe. Mit drei tiefen Atemzügen erholte er sich von der Aufregung und verließ dann sein Versteck. Die Tür zu Cid's Haus war nicht verschlossen. Im Inneren war es dunkel und er schien der Erste hier zu sein. Shera hatte vier Feldbetten im kleinen Wohnzimmer aufgestellt und die gereinigten und getrockneten Kleider in sorgfältig zusammengefalteten Stapeln auf die Liegen verteilt. Er griff nach seinem Umhang, schlang ihn sich um die Schultern und bemerkte das kleine Stoffbündel neben seiner Kleidung. Vorsichtig löste er den Knoten und faltete die Ecken auseinander. Eine kleine, liebevoll zusammengestellte Mahlzeit. Er knotete es schnell wieder zu, hob es auf und verließ das Zimmer durch die Küche, in den kleinen angrenzenden Garten. Auch wenn hier keine Notwendigkeit der Nachtwache bestand, so war er doch auf's Wachsein eingestellt. Er lies sich an der kühlen Hauswand hinab ins Gras sinken, faltete den Yukata und seinen Umhang sorgfältig um seinen Körper und breitete das Bündel auf seinem Schoß aus.
 

~
 

Die Eingangshalle war ruhig. Die beiden Fremden aus dem Baderaum waren hinter ihm in die Umkleiden eingebogen und er hatte innerlich aufgeatmet. Cloud verließ das Badehaus. Obwohl seine Haut noch feucht war und die Nachtluft kühl, fror er nicht in dem dünnen Mantel. Ihm war noch ganz warm vor Aufregung. Wieder einmal hatten ihn seine Gefühle vollkommen überrannt, doch dieses Mal war er nicht auf Abwehr gestoßen. Ganz im Gegenteil. Vincent hatte seinen Kuss erwidert. Er hatte ihn zu sich gezogen und ihn ebenfalls geküsst. Allein bei dem Gedanken daran, begann sein Herz wieder wild zu schlagen. Und auch wenn es nur für einen kurzen Augenblick gewesen war, er hatte sich nicht getäuscht. Doch wie um alles in der Welt sollte er dies Geschehen einordnen? Diese Schwärmerei, diese Verlockung, dieses... Verlangen? War es das? Seine Hand fuhr über die Stirn. Er wusste es nicht.

Die Tür zu Cid's Haus war nicht verschlossen und als er eintrat, hörte er Stimmen aus der Küche. Tifa und Yuffie hatten das Haus kurz vor ihm erreicht. Er hatte sie noch gesehen, als er um die Straßenbiegung gekommen war. Die zwei standen im Raum und ließen sich von Shera eine Tasse Tee einschenken. Vincent war nicht zu sehen. ''Cloud!'' Tifa wandte sich um und winkte ihn herüber. ''Shera, hast du noch eine Tasse, bitte?'' Er folgte ihrer Aufforderung, lehnte sich gegen die Tischkante und stütze sich mit den Händen auf dem rauen Holz auf. ''Der Rest ist noch im Badehaus?'' Er nickte nur und nahm dankend die kleine Tasse entgegen, die Shera ihm reichte. Der Tee war kräftig und wohltuend. Sie wechselten noch ein paar Worte, dann verließen die Frauen die Küche. Cloud stellte den Teebecher auf dem Tisch ab, betrat den anderen Raum und fand schnell das Feldbett mit seiner Kleidung. Daneben das kleine Päckchen. Er setzte sich auf das dünne Tuch, verstaute die Bündel unter der Liege, faltete die Decke auseinander und ließ sich nieder. Auch wenn es nur ein provisorisches Bett war, so war ihm gerade alles lieber, als erneut auf dem Boden schlafen zu müssen. Er schob die Hand unter den Kopf und lies seinen Blick noch einmal durch den Raum schweifen. Auf einer Liege fehlte das kleine Päckchen. Und auch der rote Umhang. Vincent war bereits hier gewesen. Und schon wieder gegangen? Er zog die Decke fest um die Schultern und bevor er weiter darüber nachdenken konnte, übermannte ihn der Schlaf.
 

~
 

Ein Geräusch weckte ihn. Langsam öffnete er die Augen. Es war dunkel im Raum, also war es noch mitten in der Nacht. Barret und Cid schliefen ruhig auf ihren Liegen. Die dritte war noch immer leer. Er versuchte zu lauschen, doch es blieb ruhig. Vorsichtig setzte er sich auf. Vincents Kleider lagen noch unverändert auf seinem Platz. Er war noch nicht wieder hier gewesen. Cloud strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht, raffte dann die Decke zusammen, schlang sie sich um die Schultern und stand auf. Wo war er nur die ganze Nacht lang? Leise verließ er den Raum. Auch im Rest des Hauses war es still. Dann betrat er die Küche. Die Teetassen standen noch immer auf dem Tisch. Vermutlich würde Vincent vor dem Morgen nicht wieder auftauchen. Er seufzte leicht. Dass er sich tatsächlich so viele Gedanken darum machte. Er zog die Decke fester um die Schultern. Im Haus war es warm geworden und die Luft leicht stickig. Ein paar Minuten an der frischen Luft würden sicher gut tun. In der Küche führte eine kleine Tür hinaus in den Garten.

Als er die Tür hinter sich schloss, spürte er einen Blick auf sich. Er wandte den Kopf zur Seite. In seinen roten Umhang gehüllt, saß Vincent im Gras und blickte zu ihm empor. Er hatte nicht damit gerechnet, ihn unbedingt hier zu finden. Langsam ließ er sich neben ihm an der Hauswand hinab sinken. Er zog die Knie an den Körper und klammerte den dünnen Stoff mit seinen Armen fest. ''Du schläfst nicht?'' ''Hm? Nein. Ich... ich dachte, ich hätte etwas gehört.'' Vincent nickte leicht. Dann sah er ihn wieder an. Direkt und durchdringend bohrte sich der Blick in Clouds Kopf. Und nun? Er wich ihm aus, begann das kurz geschnittene Gras zu mustern und zupfte nervös an den Enden der Decke, die er sich fest in die Hände gewickelt hatte. ''Ich...'' Was sollte er sagen? Er wusste es nicht. Doch er musste etwas sagen. Diese Stille zwischen ihnen war ihm entsetzlich unangenehm. Das erste Mal, dass ihn Stille tatsächlich störte. Oder war es die Aufregung, die in ihm aufstieg? ''Vincent... ich... ich bin mir nicht sicher, was ich jetzt sagen soll-'' ''Dann schweig.'' Die Worte unterbrachen ihn kühl und verwirrt sah er auf. Im blassen Gesicht seines Gegenübers regte sich nichts. Nur die roten Augen blickten ihn unentwegt an. Er fühlte sich schrecklich verunsichert, als er spürte, wie dieser intensive Blick Hitze in seinen Körper trieb. ''Aber... also, ich meine-'' ''Sag einfach nichts.'' Dann ergriff eine schlanke, aber kräftige Hand seinen Nacken und ein Paar kühler Lippen legte sich auf seine. Überrascht hielt Cloud die Luft an, doch als sein Pulsschlag in die Höhe schnellte, atmete er langsam wieder aus und versuchte sich zu beruhigen. Er... Vincent küsste... ihn? Er konnte es kaum glauben. Zögerlich begann er den Kuss zu erwidern. Als hätte er damit ein stummes Zeichen gegeben, glitt auch die zweite Hand über seine Wange und zog ihn enger in den Kuss. Unfähig, einen klaren Gedanken zu erhaschen, gab er sich der Berührung hin. Eine warme Zungenspitze leckte ihm sacht über die Lippen, ehe er zu einem weiteren Kuss ansetzte. Cloud ließ die Enden der Decke fallen und legte seine Hände behutsam auf die Seiten seines Gegenübers. Der Griff in seinem Nacken verstärkte sich und zog ihn zu einem weiteren Kuss dichter heran, während die zweite Hand von seiner Wange den Hals hinabstrich und Halt an seiner Schulter suchte. Eigentlich sollte es nur ein Versuch werden. Nach dem Kuss im Badehaus war Vincent schrecklich verwirrt gewesen, wusste nicht, was er von seinen Gefühlen halten sollte und wo sie ihn hinführten. Er musste sicher gehen, dass das alles nur ein Missverständnis gewesen war. Doch je länger er den Jüngeren vor sich küsste, um so sicherer wurde er sich, dass es kein Fehler war. Er spürte das weiche Haar in seiner Hand, wie sich die Muskeln in der Schulter anspannten, als er ihm erneut sacht über die Lippen leckte und wie sich das andere Händepaar in seiner Taille festkrallte. Sein Herz raste und es fühlte sich verdammt nochmal gut an. Er wollte mehr davon. Eilig ließ er seine Hände an Clouds Rücken hinab gleiten, packte ihn fest an den Hüften und zog ihn schwungvoll

zu sich auf den Schoß. Cloud sah ihn überrascht an, als er sich plötzlich so dicht an seinem Freund wiederfand. In seinem Rücken winkelten sich die Beine an, gaben ihm eine leichte Stütze und unwillkürlich rutschte er tiefer in Vincents Schoß hinab. Durch die leicht geöffneten Lippen konnte er Vincents warmen Atem auf seiner Haut spüren. Er ging schnell und stoßweise, er war genauso aufgeregt wie er selbst. Sein Herz schlug ihm bis in den Hals hinauf und obwohl die Decke nun neben ihnen lag und die kühle Nachtluft über ihn hinwegstrich, war ihm alles andere als kalt. Als Vincents Hände seine Hüften erneut umfassten und ihn enger an sich zogen, suchte er mit seinen eigenen Händen Halt an der Brust des Älteren. Dann küsste er ihn wieder. Und dieses Mal nicht zaghaft und vorsichtig, sondern intensiver, fordernder. Cloud erwiderte den Kuss. Es war unbeschreiblich. Er hätte nie damit gerechnet, dass es diese Nähe zwischen ihnen einmal geben würde. Nähe. Intensive Nähe. Ein Schauer durchfuhr ihn, als sich Vincents Hände durch den Stoff des Yukata in seine Haut krallten. Unweigerlich drückte er seinen Rücken durch. Er keuchte überrascht auf, als er spürte, wie eng er sich an die Hüften unter ihm drückte. Dann wurde ihm bewusst, dass sie beide nur die dünnen Mäntel aus dem Badehaus trugen. Als Vincent seinen

Kopf vorbeugte, ihm einen Kuss auf den Hals hauchte und langsam mit seiner Zungenspitze Kreise auf seiner Haut zog, stöhnte er leise auf. Das war zu viel. Sein Bauch zog sich zusammen und Hitze stieg in seinem Schoß auf. War er ernsthaft so erregt? Vincent biss ihm sanft in den Hals.

Ja, verdammt, er war es. Er legte den Kopf zur Seite und genoss die lustvolle Liebkosung.

Auf den ersten Biss folgte ein zweiter, langsam den Hals hinab. Er war überrascht, wie offen Cloud auf seine Berührungen reagierte und dabei blieb ihm auch die offensichtlichste Reaktion nicht verborgen. Durch den dünnen Stoff der Yukata konnte er das Pulsieren in seinem Schoß spüren. Und auch er selbst blieb nicht unempfänglich für die Intimitäten, die sie miteinander tauschten. Er packte ihn fester an den Hüften und presste seine eigene leicht gegen den Druck an. Der Jüngere stöhnte erneut leise auf. Oh Gott... was für ein wundervolles Geräusch. Er atmete schwer aus, legte den Kopf leicht zur Seite und küsste Cloud wieder und wieder.

Er konnte kaum fassen, was hier gerade geschah, doch es war fantastisch. Innig erwiderte er die Küsse, krallte sich in den Kragen des Mantels und zog sich noch dichter an Vincent heran. Es war so unglaublich gut. Langsam legte er seine Hand auf das kleine, freie Stück Brust, das über dem Kragen erreichbar war, zog mit der linken den Stoff bei Seite und strich mit den Fingern die blasse Haut hinab. ''Nicht...'' Er erstickte die leise Stimme in einem weiteren Kuss. ''Nicht... bitte.'' Doch unbeirrt lies er seine Hand weiter die Brust hinab fahren. ''Cloud.'' Ein fester und energischer Griff legte sich um sein Handgelenk und stoppte ihn. Vincents Ernst kehrte mit kühler Ernüchterung zurück. Verwirrt sah er seinem Freund entgegen. Hatte er etwas Falsches getan?

Es fiel ihm unglaublich schwer, die Erregung zu unterdrücken und seinen Kopf wieder einigermaßen klar zu bekommen. Dann packte er auch Clouds andere Hand und schob ihn sanft aber bestimmt von sich herunter. Die blauen Augen sahen ihm bestürzt entgegen. Schuldgefühle keimten in ihm auf, weil er den anderen abwies. Er zog den Kragen des Mantels wieder zurecht, zupfte mehr als notwendig wäre, an dem dünnen Stoff und wich den Blicken aus. Cloud seufzte leise, dann raschelte der Yukata, als er sich erhob. Doch noch auf halbem Wege packte Vincent ihn an der Hand. ''Bitte...'' Er zögerte einen Moment, dann sah er zu ihm auf. ''Ich... es tut mir leid. Aber bitte... geh jetzt nicht.'' Überrascht wanderte Clouds Blick von der Hand hinüber in das blasse Gesicht. In den roten Augen lag Bedauern und... ein Hauch Angst? Er kniete sich wieder auf den Boden, griff nach Vincents Hand und umklammerte sie fest. Mit einem leichten, aber sanften Lächeln nickte er ihm zu. Er löste den Griff, raffte die Decke zusammen und zog sie sich um die Schultern. Dann ließ er sich dicht neben seinem Freund an der Wand nieder. Vincent zog sich seinen herabgerutschten Umhang über und lehnte sich leicht gegen Cloud. Es dauerte nicht lange, dann drang ihre Körperwärme durch die Stofflagen. Mit einem leisen Seufzen schloss er seine Augen und genoss die Nähe und Stille.

Abflug

Als es zu dämmern begann, raffte Cloud die Decke und erhob sich. Vincent saß ruhig an die Wand gelehnt da, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Er schien zu schlafen. Einzig die Hand, die sich krampfhaft in seine Brust krallte, störte das stille Bild. Er runzelte leicht die Stirn. Warum hatte es ihn so sehr gestört, dass er ihn dort berühren wollte? Mit leisem Seufzen wandte er sich um. Er war müde und durchgefroren. Vielleicht würde er noch ein paar Momente schlafen können, ehe sie alles für den Flug vorbereiteten.

Er öffnete die Augen, als die Tür ins Schloss fiel. Die Kälte griff nach seiner Schulter, an der bis eben noch Cloud gelehnt hatte. Er sah an sich herab. Seine Fingerspitzen hatten sich durch den Stoff tief in seine Haut gegraben und seine Knöchel traten weiß hervor. Wenn er nicht geblieben wäre... Vincent seufzte tief und löste langsam seine Hand. Der Stoff darunter war vollkommen zerknittert und feucht. Es war besser, wenn er nun keinen Gedanken mehr daran verschwendete. In ein paar Stunden würde der Rest wach sein und sie würden die Highwind startklar machen. Dann würden sie nach Midgar fliegen. Endlich zu Shin-Ra. Endlich zu Hojo. Er spürte, wie der Groll wieder in ihm aufstieg. Noch länger würde er das nicht durchstehen. Anfangs konnte er sich noch gut beherrschen, doch je mehr Zeit verging und umso näher sie ihm kamen, umso schwerer fiel es ihm. Sein letzter Kontrollverlust hätte Cloud das Leben kosten können. Und trotzdem war er bei ihm geblieben. Hatte ihn aus der Finsternis zurückgebracht. Nein, es war Lucretias Stimme gewesen, die er gehört hatte... oder? Er rieb sich kräftig durch das Gesicht. Nicht weiter nachdenken. Die Sonne kam langsam am Horizont empor. Es würde sicher ein angenehmer Tag werden. Dann erhob er sich und betrat das Haus.

Es war noch still und niemand zu sehen. Leise klaubte er seine Kleider von der freien Liege im Zimmer. Barret und Cid schliefen tief und fest. Sein Blick wanderte zur letzten Liege und fand dort einen ruhig atmenden Cloud. Noch war etwas Zeit für ihn. Beim Anblick seines so seelenruhig schlafenden Freundes, tat es ihm ein wenig leid, dass er ihn gebeten hatte zu bleiben. Er hatte den ganzen Rest der Nacht wach an seiner Seite gesessen. Als er spürte, wie sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen legte, seufzte er tief und verließ den Raum wieder. In seinem Innern regte sich ein seltsames Gefühl von Zufriedenheit. Es war lange her, dass er etwas Vergleichbares gespürt hatte. Sehr lange. Damals, unter dem großen Baum, mit Lucretia an seiner Seite. Und nun... bei Cloud? Er musste sich eingestehen, dass er die Nähe zu seinem Freund und die Zärtlichkeiten, die sie ausgetauscht hatten, sehr genossen hatte. Doch noch immer verwirrten ihn diese Gefühle. Wie hatte es nur dazu kommen können? Leise kleidete er sich um, ließ den Yukata auf die Lehne eines Küchenstuhls fallen und verließ das Haus. Wie hatte es nur so weit kommen können?
 

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Eine Hand an seiner Schulter weckte ihn sanft. ''Hey, aufgewacht. Oder willst du noch den ganzen Tag verschlafen?'' Tifa lächelte ihm entgegen. Er blinzelte leicht, dann setzte er sich auf. ''Ganzen Tag... was?'' Von den anderen war nichts zu sehen. ''Es ist schon Mittag durch.'' Sie zwinkerte, tätschelte ihm leicht die Schulter und ging dann zur Tür. ''Mittag?'' Cloud schreckte auf. So spät? ''Wieso hast du mich nicht eher geweckt?'' Eilig erhob er sich und kramte nach seiner Kleidung unter der Liege. ''Du hast so tief geschlafen, da dachten wir, wir gönnen dir einfach noch ein bisschen Ruhe.'' Sie drehte sich wieder zu ihm um. ''Ist doch kein Problem. Die anderen packen schon, komm einfach nach.'' Sie lächelte wieder und ging. Er wechselte die Kleider, griff nach dem kleinen Lunchpaket, das Shera noch am Vorabend für jeden bereitgestellt hatte und folgte ihr.

Die Highwind lag etwas abseits der Rocket Town auf einem mit Kies ausgestreutem Platz. ''Aha. Aus dem Schlaf der Gerechten erwacht, wie?'' Barret maulte ihn von der Seite an, als er nach einer Kiste griff. Hinter ihm tauchte Cid neben dem Gepäckstapel auf und zog sich seine Handschuhe über. ''Wurde auch mal Zeit.'' Er blinzelte ihm grimmig entgegen und tat einen tiefen Zug an seiner Zigarette. ''Ach lasst ihn zufrieden, er ist doch jetzt hier.'', entgegnete Tifa ihnen mit ihrer gewohnt heiteren Stimmung. Cloud stellte Sheras Päckchen beiseite und ergriff das andere Ende einer großen Holzkiste, die Cid gerade angehoben hatte. ''Wenn alles läuft, starten wir gleich heute Abend.'' Er schob die Zigarette in den Mundwinkel, ließ seine Unterarme unter die Kiste gleiten und quittierte Clouds Hilfe mit einem Nicken. ''Endlich hebt mein Baby wieder ab.'' Cid strahlte förmlich, als sie die Rampe und den Eingang zu den Laderäumen passierten. Im Innern des Schiffes roch es nach frischem Öl und Reinigungsmitteln. Yuffie erwartete sie im Durchgang. ''Hier rüber! Hier ist noch Platz!'' Eilig wedelte sie mit den Händen und wies sie in die schmale Lücke ein. Gekonnt organisierte sie die Kisten auf dem engen Raum. Cloud quetschte sich in die Ecke und setzte die Holzkiste ab. ''Und weiter geht’s!'' Cid war schon wieder auf dem Weg nach draußen. Er stieg über die Kiste und schob sie an ihren endgültigen Platz. Als er sich wieder aufrichtete, rauschte Vincents roter Umhang am Eingang vorbei. Eilig folgte er ihm zurück zum Gepäckstapel. Er sah seinem Freund fragend entgegen, als er sich ihm näherte, doch die roten Augen wichen seinem Blick aus. Barret drückte ihm eine weitere Kiste in die Hand. Er würde später mit ihm reden. Zuerst das Gepäck. Der Stapel auf dem Platz schien nur langsam kleiner zu werden und Yuffie gab sich die größte Mühe den Laderaum möglichst platzsparend und sinnvoll aufzuteilen. Als Cloud den Raum gerade wieder verlassen wollte, kam Vincent ihm entgegen. Eilig reichte dieser ihm nur eine große Tasche in die Hand. ''Vincent?'' Ein kurzer Blick, still und ausdruckslos, dann wandte er sich um und ging. Cloud verzog das Gesicht, betrat wieder den Frachtraum und reichte Yuffie, die gerade einen Kistenstapel erklomm, die Tasche. ''Er ist schon den ganzen Morgen so still.'' ''Was?'' ''Ich sagte,'' Yuffie schob die Tasche in eine Lücke und drehte sich zu Cloud um. ''Dass er schon den ganzen Tag über so komisch ist.'' Sie kletterte den Stapel wieder hinab und klopfte sich die Hände von Holzsplittern frei. ''Aber vielleicht ist er nur müde. Immerhin hat er schon vor uns angefangen, die Kisten aus der Stadt zum Landeplatz zu tragen.'' ''Achso?'' Cloud nickte nur leicht. Yuffie drückte ihm die Faust auf die Schulter. ''Machst du dir etwa Gedanken?'' Sie grinste ihn schief an. ''Der ist doch immer so still.'' Dann lachte sie und ging Tifa entgegen, die mit einer weiteren Tasche in den Frachtraum kam. Ob er sich Gedanken machte? Er seufzte leicht und verließ das Schiff wieder. Es gab bis zum Abend noch genug zu tun.

Als er eine Kiste mit Ersatzteilen in den Maschinenraum trug, konnte er Vincent durch den offenen Spalt der dicken Tür sehen. Er stand neben Cid und wechselte ein paar knappe Worte mit ihm. Ein lautes Scheppern lenkte seinen Blick ab, als sich ein Metallrohr aus der Kiste löste und auf dem Boden aufschlug. Eilig setzte er die Kiste ab, griff nach dem Rohr und fand das Loch im Karton, durch welches es herausgerutscht war. Vorsichtig hielt er es mit der Hand zu, hob die Kiste wieder an und stieß die Tür zum Maschinenraum mit der Schulter auf. Warme und unangenehm stickige Luft schlug ihm entgegen. ''Ah, sehr gut! Gib her!'' Cid kam aus der Hocke hoch und nahm die Ersatzteile entgegen. Von Vincent fehlte jede Spur. ''Bekommst du sie bis heute Abend wieder zum Laufen?'' Cloud erntete einen bösen Blick vom Piloten. ''Mein Baby lässt uns schon nicht hängen!'' Er stieß eine Qualmwolke aus und nahm die Zigarette aus dem Mund. ''Wenn hier alles drin ist, was ich brauche, sind wir pünktlich flugbereit.'' Cloud nickte ihm zu. ''Gut.'' Dann verließ er den Maschinenraum wieder. Jetzt war er sich sicher, dass er sich das nicht nur einbildete. Vincent ging ihm aus dem Weg. Aber warum? War es ihm unangenehm, dass sie sich in der Nacht so nah gekommen waren? Bereute er es? Er musste dringend mit ihm sprechen. Vom Gepäckstapel waren nur noch ein paar kleine Kisten übrig geblieben, das würden die anderen schaffen. Er schnappte sich das Lunchpaket von Shera das er abseits deponiert hatte, setzte sich in den Kies und knotete es auf. Er nahm einen Streifen des trockengebratenen Fleischs heraus und kaute gedankenverloren darauf herum. Früher oder später würde er aus der Highwind kommen. Noch ein Stück. Das kleine Päckchen leerte sich zügig und er bemerkte erst jetzt, dass er den ganzen Tag über noch nichts gegessen hatte. Nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Er seufzte leicht, schüttelte die Krümel aus der Box, stellte sie vor sich ab und knotete das Tuch sorgfältig wieder zusammen. Aus dem Augenwinkel bemerkte er eine Bewegung an der Rampe zur Highwind. Na bitte. Der rote Umhang war unverkennbar. Er stand auf, ließ das Päckchen wo es war und folgte Vincent. Er musste wissen, weshalb er ihn mied. ''Cloud!'' ~Nein...~ ''Cloud, warte!'' ~Nicht jetzt!~ Yuffie kam neben ihm zum Stehen. ''Es gibt noch ein Problem im Maschinenraum. Cid braucht dringend Hilfe.'' Der rote Umhang verschwand aus seinem Blickfeld. ~Verdammt, nicht jetzt!~ Er ballte die Hand zur Faust. ''Sicher. Was ist los?''
 

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Kurz nach Einbruch der Dämmerung hatten sie es tatsächlich geschafft, die Highwind startklar zu bekommen. Cloud half Cid dabei, die schweren Ketten von den Metallhaken im Boden zu lösen und folgte ihm dann zurück zum Schiff. ''Endlich hebt mein Baby wieder ab!'' Ein kindisches Grinsen huschte über das Gesicht des Piloten, dann fischte er eine Zigarette aus der Brusttasche seiner Jacke und schob sie sich in den Mundwinkel. ''Auf geht’s!''

Der Start verlief gewohnt ruhig und sie hatten sich bereits im Schiff verteilt. Cloud lief den Gang mit den Türen zu den Unterkünften ab. Er würde jetzt mit Vincent reden... sofern er ihn fand. Das Schiff war zwar groß, aber doch begrenzt. So gut konnte selbst er sich nicht verstecken. Er musste einfach wissen, weshalb er ihn plötzlich so mied. Seine Kabine war leer. Auch im Frachtraum hatte er ihn nicht gefunden. ~Dann eben nach oben...~ Doch als er nach den Sprossen der Leiter griff, hörte er ein Knistern aus den Lautsprechern und Cids Stimme erklang. ''[Alle an Deck! Unverzüglich!]'' Er seufzte. Was war nun wieder?

Yuffie kam zeitgleich mit ihm am Durchgang zur Brücke an. Der Rest war bereits hier. Auch Vincent. Er war tatsächlich hier unten gewesen... Cloud schüttelte leicht den Kopf.

''Hört zu.'' Cid nahm die halb abgebrannte Zigarette aus dem Mund, verschränkte die Arme vor der Brust und sah kurz zu Cait Sith, der neben ihm stand. ''Reeve hat sich mit neuen Infos gemeldet. Es geht um den nächsten Zielort.'' Yuffie stütze sich auf einer der Konsolen ab. ''Ja, auf nach Midgar!'' ''Nein, nicht direkt.'' Cait wedelte etwas unbeholfen mit den Händen. ''Nicht?'' Barret runzelte leicht die Stirn. ''Nein. Wir werden dem Wüstengefängnis noch einen Besuch abstatten.''

Die Information traf ihn wie einen Schlag. Vincents Gesicht verdunkelte sich und seine Hand krallte sich unweigerlich in den Umhang. Aus dem Augenwinkel bemerkte Cloud die leichte Veränderung die mit seinem Freund von statten ging.

''Er meinte, dass dort vor ein paar Tagen ein ehemaliger Shin-Ra Mitarbeiter untergekommen ist, der uns wichtige Informationen zum Sister Ray Projekt geben könnte.'' Cid steckte sich die erloschene Zigarette wieder in den Mundwinkel. ''Also fliegen wir zuerst zum Gold Saucer?'' Tifa legte den Kopf leicht schief und stützte ihre rechte Hand auf den Hüften auf. ''Ja, genau das wollte ich damit sagen.'' Cid pulte das Streichholzbriefchen aus der Hosentasche und klappte es auseinander.

~Nein!~ Vincent spürte, wie tief in ihm etwas aufschrie. ~Nicht noch noch länger...~ Mühsam versuchte er sich zu beruhigen, atmete tief ein und aus, doch es gelang ihm nicht. Er durfte hier nicht die Kontrolle verlieren. Er musste hier raus. Nur schnell weg. Ohne ein Wort drehte er sich um, eilte zur Tür und verließ das Deck.

''Nanu?'' Cid kratzte sich grübelnd an der Schläfe. ''Wie auch immer. Nächster Stop 'Gold Saucer'!''

Tifa wandte sich um und wollte Vincent folgen, als Cloud sie an der Schulter packte und zurückhielt. ''Ich gehe.'' Sanft schob er sie beiseite, als sie ihm einen fragenden, besorgten Blick zuwarf. Er nickte ihr nur leicht zu, dann schritt er an ihr vorbei und folgte seinem Freund.

Es dauerte eine Weile, bis er die Räume auf der Ebene abgesucht hatte und schließlich hoch in die Betriebsebene wechselte. Die Tür zum Maschinenraum stand ein Stück weit offen und die heiße, stickige Luft der laufenden Motoren schlug ihm entgegen. Er drückte die dicke Metalltür auf, sah sich kurz um und fand Vincent im hinteren Teil des Raumes.

''Verschwinde.''

Atemnot

Vincent lehnte mit ausgestrecktem Arm an der Wand. ''Ich sagte, verschwinde.'' Erst als er den Arm sinken lies, bemerkte Cloud, dass er sich mit der Klaue in die Metallwand gegraben hatte. Fünf tiefe Schrammen blieben zurück. ''Was ist los? Du bist einfach gegangen.'' Cloud tat einen weiteren Schritt in seine Richtung. ''Geh.'' Sein Freund fixierte ihn mit einem düsteren Blick, der ein ungutes Gefühl in ihm aufkeimen lies. ''Vincent, bitte. Wenn ich dir-'' ''Geh!'' Die laute Stimme ließ ihn zusammenzucken. Was war nur in ihn gefahren? Doch entschlossen ballte er eine Hand zur Faust und ging noch einen Schritt auf ihn zu. Die roten Augen straften ihn mit Verachtung.

Er wollte Cloud nicht mit in die Situation hineinziehen, doch im Moment fiel es ihm schwer, sich überhaupt unter Kontrolle zu halten. Jeder weitere Schritt auf ihn zu provozierte die dünne Barriere, die seinen klaren Verstand noch von der blinden Zerstörungswut in ihm trennte. ''Ich werde nicht gehen.'' ''Schön.'' Er schnaufte verächtlich, drehte Cloud den Rücken zu und vergrub seine Klaue tief in seiner Brust.

Vincent war ihm schon den ganzen Tag aus dem Weg gegangen. Jetzt, wo er ihm nicht mehr ausweichen konnte, würde er nicht aufgeben, auch wenn ihn das Gefühl beschlich, dass Vincents aufgebrachtes Gemüt nichts mit seinen stillen Ausflüchten des Tages zu tun hatte. Als er ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter legte, stieß Vincent sie grob von sich. In seinen Augen lag eine Härte, die Cloud Angst bereitete. Unweigerlich erinnerte er sich an den Vorfall in der leeren Stadt, als Vincent, ohne zu zögern, auf ihn losgegangen war. Um ihn zu töten. ''Fass mich nicht an!'' Seine Stimme war kalt. ''Dann sprich mit mir.'' Wieder ein Schritt auf ihn zu. Er musste verhindern, dass die Situation erneut eskalierte und er spürte, dass der Zeitpunkt nicht mehr weit hin war. ''Ich will wissen, was los ist! Du hast mich den ganzen Tag gemieden und eben verschwindest du einfach.'' Abermals streckte er die Hand nach seinem Freund aus. Ein Rückzieher war jetzt nicht drin. Er wollte unbedingt wissen, was hier vor ging.

Cloud ließ einfach nicht locker. Die Klaue stach durch den Stoff in seine Haut und der konstante Schmerz lenkte seinen Verstand vom vollständigen Schwinden ab. Er durfte dem Chaos in ihm nicht nachgeben. Nicht jetzt. Nicht hier. Er wollte Cloud nicht wieder gefährden. Nicht wieder enttäuschen. Nicht versagen. Dann spürte er, wie sich erneut die Hand auf seine Schulter legte und die Barriere in ihm brach. Hastig drehte er sich um, packte seinen erschrockenen Freund an den Schultern und stieß ihn grob von sich. Mit den Händen neben seinem Kopf, nagelte er den Jüngeren an der Wand fest. ''Geh. Ich will dir nicht weh tun-'' ''Dann hör auf dir selbst weh zu tun!'' Clouds Worte stachen wie ein Messer auf ihn ein. Er wandte den Blick zu Boden, zog kurz die Fingerspitzen der Klaue über die Wand, um dann mit der geballten Faust, direkt neben seinem Kopf auf das Metall einzuschlagen. Cloud zuckte leicht zusammen. ''Was weißt du schon.'' Doch die blauen Augen blickten ihm unentwegt entgegen. ''Nicht genug, um mir ein volles Urteil bilden zu können, aber genug, um zu sehen, dass du dich quälst.'' Vincent schnaubte verächtlich und wandte den Kopf zur Seite. ''Es ist wegen Hojo, richtig?'' Er schwieg. ''Gut. Du bist gerade außer Stande, etwas gegen ihn tun zu können. Also beruhige dich.'' Clouds Stimme war bestimmt, doch ein sanfter Unterton schwang in ihr mit. Dann griffen seine Hände nach Vincents Unterarmen und umklammerten sie fest. ''Bitte.''

''Du hast ja keine Ahnung.'' Der Lederhandschuh knirschte, als er seine Faust noch enger zusammenpresste. Cloud konnte spüren, wie sich die Muskeln in den Armen weiter anspannten. ''Dieser Hund verdient den Tod.'' Das Rot seiner Augen hatte sich verdunkelt, als er wieder aufsah. ''Jeder weitere Tag, der vergeht, ist die reinste Hölle.'' Seine Stimme war leise, aber durchdringend und ließ Cloud leicht erschauern. Er wusste nicht, was ihm mehr Angst bereitete. Seinen Freund laut und aufgebracht zu sehen, oder ihn nun dabei zu beobachten, wie er immer ruhiger wurde. ''Vincent, bitte.'' Er löste seine Hände und streckte sie nach dem blassen Gesicht vor sich aus. Das orange-rote Notlicht im Maschinenraum verstärkte den kalten Glanz in Vincents Augen. Langsam und mit Bedacht legte er seine Hände auf seine Wangen. ''Bitte.'' Ein leichtes Zittern durchfuhr den aufgebrachten Körper. Dann lief eine einzelne Träne die heiße Wange hinab und verlor sich zwischen Clouds Fingern, doch das Gesicht blieb stumm. ''Was hat er dir nur angetan?'' Seine Worte kamen fast unhörbar über seine Lippen und richteten sich mehr an sich selbst, als an Vincent. Er spürte, wie die Anspannung allmählich von ihm abfiel. Nur langsam und nur ein bisschen, aber sie schien zu schwinden.

Da waren sie wieder, diese tiefen, blauen Augen, die ihm selbst jetzt noch unentwegt entgegenblickten. Sich nicht abwendeten. So ruhig und so verständnisvoll waren. Und dann die Hände, die ihn so bestimmt und sicher hielten. Es war fast unerträglich. Er atmete tief ein und erlaubte sich, für einen Augenblick in der Berührung zu versinken. Ruhig schloss er die Augen. ''Cloud.'' Er atmete langsam aus. ''Ich bin da.'' Ein leichter Schauer lief ihm den Rücken hinab. Als er die Augen wieder öffnete, blickte Cloud ihm entgegen. Er hatte Recht. Ja. Er war hier. Behutsam löste Vincent seine Fäuste von der Wand, öffnete seine Hände und legte sie vorsichtig auf Clouds Wangen. ''Du hast nicht den Hauch einer Ahnung.'' Das dunkle Grollen in seinem Innern kehrte unverzüglich zurück.

Cloud kniff ein Auge zusammen, als sich Vincents Griff um seinen Kopf immer weiter verstärkte. Er hatte gehofft, ihn zur Ruhe gebracht zu haben, doch er merkte schnell, dass seine Hoffnung zu früh gekommen war. ''Vincent.'' Er löste seine Hände von den Wangen seines Freundes und packte ihn an den Handgelenken. ''Vincent.'' Der Druck in seinem Kopf nahm stetig zu und erreichte einen unangenehmen Bereich. ''Du hättest gehen sollen, als du noch die Gelegenheit dazu hattest.'' Das Gesicht seines Freundes näherte sich seinem eignen. In den roten Augen lag ein undeutbarer Schimmer. Dann befand sich sein Gesicht direkt neben ihm. Seine tiefe Stimme hauchte ihm leise entgegen. ''Hat es dir gefallen, als ich dich letzte Nacht geküsst habe?'' Cloud keuchte auf. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. ''Was?'' Eine Zungenspitze fuhr über den Rand seines Ohrs. ''Hat es?'' Ein Schauer durchfuhr seinen Körper. Wie kam er nun darauf? Doch etwas beunruhigte ihn. Die Härte aus Vincents Stimme war noch nicht gewichen. Die roten Augen kehrten in sein Blickfeld zurück und musterten sein Gesicht von oben bis unten. Dann drängten sich seine Lippen zu einem Kuss auf seine eigenen.

Wie war es plötzlich zu diesem Wandel gekommen? Er konnte den Zorn und den Hass noch deutlich in sich spüren, doch mit dieser unmittelbaren Nähe zwischen ihnen, war auch das Verlangen in ihm aufgestiegen. Aber es war nicht diese vorsichtige, sanfte Neugier nach ihm, sondern wildes, intensives Verlangen. Ob das an seinen überreizten Empfindungen lag? Dass das Chaos dicht unter der Oberfläche die Kontrolle über ihn hatte? Gierig küsste er Cloud wieder und wieder und war überrascht, als dieser die Berührung plötzlich erwiderte. Ob er wohl ahnte, was er da unbewusst heraufbeschwor? Er leckte leicht über die weichen Lippen und küsste ihn erneut. Er schmeckte einfach fantastisch. Clouds Hände lösten sich von seinen Handgelenken und suchten Halt an den Gürtelriemen um seine Hüfte. Mit einem leichten, süffisanten Lächeln lies er seine Wangen los und stütze seine Hände wieder neben dem blonden Schopf gegen die Wand. Langsam aber bestimmt ließ er seinen Körper Stück für Stück gegen den anderen sinken.

Ein Zittern durchfuhr ihn, als Vincent sich an ihn presste. Was geschah hier gerade? Er kam nicht umhin zu bemerken, was für eine starke Anziehungskraft plötzlich von seinem Gegenüber ausging. Eine bedrohliche, aber ausgesprochen erregende Aura. Er krallte sich unweigerlich fester in die Lederriemen, als ihre Hüften aufeinandertrafen. Vincent küsste ihn erneut. Neckisch biss er leicht in seine Unterlippe, dann folgte ein weiterer Kuss. Er war schon in der Nacht zuvor die treibende Kraft gewesen, bis er ihn abgewiesen hatte, doch nun war er zielstrebiger, gieriger, fordernder. Und Cloud konnte nicht bestreiten, dass ihn das ungemein anmachte. Ein leises Keuchen kam über seine Lippen, als Vincent seine Zungenspitze erneut seinen Hals hinabwandern lies. Die Klaue löste sich von der Wand, griff in seinen Kragen und zog den störenden Stoff so weit es ging beiseite. Cloud spürte das kühle Metall auf seiner Haut und die feuchte Zunge, die sein Schlüsselbein entlangglitt. Dabei war er es doch gewesen, der sich zu Vincent hingezogen gefühlt hatte, der den ersten Schritt gewagt und ihn geküsst hatte.

Vincent lehnte sich ein Stück zurück, ergriff Clouds Shirt und zog es mit einem Ruck unter dem breiten Gürtel hervor. Dann richteten sich die roten Augen wieder auf ihn. Ein leichtes Lächeln umspielte die schmalen Lippen, als er seine Rechte an den Mund führte und bedächtig mit den Zähnen, Finger für Finger, den dicken Lederhandschuh auszog. Einen nach dem anderen. Der Körper unter ihm spannte sich an. Langsam schob er seine Hand unter den Stoff. Die Haut darunter war warm und weich. Er fuhr über den Bauch die Brust hinauf, lies seine andere Hand vom Kragen die Seite hinabgleiten und leckte dann leicht und kurz über die entblößte Brust. ''Du wolltest wissen, was er mir angetan hat.''

Cloud keuchte leise auf und blinzelte unverständlich. ''Was?'' Hatte er seine Worte vorhin gehört? Ein unangenehmer Druck baute sich in seiner Kehle auf, als Vincent das geraffte Shirt über seine Schulter hinweg nach oben schob und sich gegen die Wand lehnte. Der gespannte Stoff schnürte ihm die Luft ab. Auf dem blassen Gesicht zeichnete sich ein schmales, aber düsteres, selbstzufriedenes Lächeln ab. Da war sie wieder. Diese unheimliche Ruhe in seinem Ausdruck. Als würde dicht unter der Oberfläche etwas sprungbereit darauf lauern, losgelassen zu werden. Er rang ächzend nach Luft. Dann spürte er, wie sich die Metallklaue auf seinen nackten Oberkörper legte. ''Du wolltest wissen...'', wiederholte Vincent leise und bohrte die Spitzen der Klaue langsam, aber mit Nachdruck in die Haut seines Freundes. ''...was er mir angetan hat.'' Cloud hörte, wie das Blut in seinen Ohren zu rauschen begann. Der Sauerstoffmangel verstärkte das Gefühl unbestimmter Angst, das in ihm aufstieg. Das da vor ihm, das war nicht mehr Vincent. Oder doch...?

Die Gefühle in ihm überschlugen sich. Der Hass auf Hojo, die Ungeduld endlich auf ihn zu treffen, der Wunsch, ihm alles heimzuzahlen und ihn zu töten. Und dann war da dieses unbändige Verlangen, die Erregung und die Lust, die sich mit den anderen Empfindungen mischten und nicht mehr trennen ließen. An der Oberfläche herrschte das Chaos, doch tief ihn ihm schrie eine leise Stimme nach seinem Verstand. Er wusste, dass die Dinge die er tat fatal waren, doch er konnte dem Drang nach Vergeltung kaum entgehen. Seine zwei Seelen führten einen Kampf um die Vorherrschaft und vor seinen Augen litt sein Freund. Er sah an ihm herab. Die Spitzen seiner Metallklaue hatten bereits vier kleine, blutige Löcher in die weiße Haut gedrückt. Die Brust hob und senkte sich in schnellen, flachen Zügen und versuchte der Atemnot entgegenzusteuern. Dann sickerte die Erkenntnis langsam durch seinen berauschten Verstand und traf ihn wie einen Schlag. Er war dabei, Cloud umzubringen. Hastig ließ er von ihm ab und taumelte ein paar Schritte zurück.

Keuchend rang er nach Luft, als sich der Druck von seiner Kehle löste. Was war nur in Vincent gefahren? Vorsichtig stütze er sich an der Wand ab, rieb sich über den Hals und sah zu ihm herüber. Das blasse Gesicht wurde fast komplett von seiner Hand verdeckt, der Blick war starr auf den Boden gerichtet. ''Vincent?'' Seine Stimme war etwas kratzig und er schluckte ein paar Mal, um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Irgendetwas ging in seinem Freund vor und er war sich sicher, dass ihn für diesen plötzlichen Angriff keine volle Schuld traf. Die Tatsache, dass sie nicht unmittelbar nach Midgar weiterreisten, schien Vincent sehr getroffen und haben. Und das alles wegen Hojo. Cloud richtete sich auf und ging vorsichtig einen Schritt auf ihn zu. ''Vincent?'' Doch er regte sich nicht. Wie erstarrt stand er da, das Gesicht in seiner Hand vergraben. ''Geh...'' Die Stimme war leise und wurde fast vom Rauschen der großen Motoren verschluckt, doch er hatte ihn gehört. Cloud tat noch einen Schritt auf ihn zu, hob kurz die Hand, doch nur, um sie dann langsam und fest zur Faust zu ballen und wieder sinken zu lassen. Er wollte nicht gehen, er wollte diese Situation nicht so zwischen ihn stehen lassen und er spürte, dass sein Freund scheinbar einem heftigen, inneren Zwist ausgeliefert war, doch er hatte den bittenden, fast flehenden Ton dieses einen Wortes gehört und wusste, dass es an dieser Stelle nichts mehr für ihn zu tun gab. Schweigend wandte er sich um und verließ den Maschinenraum, als er hörte, wie Vincent hinter ihm auf die Knie fiel.

Öltropfen

Auf dem Weg zurück zur Brücke sortierte Cloud seine Kleidung. Die vier kleinen Löcher auf seinem Rippenbogen waren leicht geschwollen, als er vorsichtig mit den Fingerspitzen über sie strich und letzte Blutstropfen wegwischte. Wenn Vincent ihn nicht vorher erdrosselt hätte, dann hätte seine Klaue wohl früher oder später den Brustkorb durchstoßen und seine Lunge zerfetzt. Bei dem Gedanken daran wurde ihm ganz anders. Er machte sich nicht viel aus den Verletzungen, die er bei Kämpfen erlitt, doch nun hatte sein Freund ihn töten wollen. Vincent. Ihm war nicht wohl dabei, ihn einfach so im Maschinenraum zurückzulassen, doch seine Aufforderung war deutlich gewesen. Was ging in ihm vor? So zerrissen, so aufgewühlt, so hilflos. Er seufzte tief. Wie hätte er ihm nur helfen können? Doch die Antworten auf die Fragen blieben aus. Er hatte das letzte Stück Shirt wieder unter seinen Gürtel geschoben, als er den Durchgang zur Brücke erreichte. Cait Sith saß abgeschaltet in einer Ecke. Auf dem Polsterstuhl, vor der Kontrollkonsole daneben, saß Tifa, die gedankenverloren in Nanakis Mähne wühlte. Mit spitzen Fingern strich sie kleine Knoten aus dem roten Fell. Als sie Cloud bemerkte, sah sie fragend zu ihm auf. ''Ist alles in Ordnung?'' Er nickte nur knapp. ''Ja, soweit.'' Cid wandte sich am Steuerrad um. ''Was ist los? Hat der Sargschläfer weiche Knie bekommen?'' In seinem Mundwinkel qualmte wie gewohnt eine Zigarette. ''Spielt doch sonst immer den Harten.'' Er grinste schief, nahm mit Daumen und Zeigefinger die Zigarette aus dem Mund und blies eine Rauchwolke aus. ''Cid, bitte.'' Mit einem Lächeln auf den Lippen schüttelte Tifa leicht den Kopf. ''Ich mache mir wirklich etwas Sorgen. Über den Vorfall vor drei Tagen hat bisher ebenfalls keiner von euch auch nur ein Wort verloren. Vincent sah nicht besonders gut aus, als wir ihn aufgesammelt haben. Und verletzt war er auch.'' Sie legte den Kopf in die Hand und stütze den Ellbogen auf der Armlehne ab. ''Cloud, wenn du etwas weißt, dann sag es uns bitte.'' Er seufzte nur, deutete ein Schulterzucken an und ging zu Cid. ''Es tut mir leid, aber ich weiß nicht mehr als ihr.'' Sein Gewissen strafte ihn einen Lügner, doch in dieser Situation nahm er das geringe Übel in Kauf. Tifa verzog missbilligend das Gesicht. ''Wie sieht's aus? Wie lange werden wir brauchen?'' Cid sah zu ihm herüber und rieb sich grübelnd durch den Nacken. ''Wenn alles gut geht, schaffen wir's bis morgen früh.'' Er drehte sich wieder zum Steuerrad, prüfte ein paar Anzeigen und umklammerte fast liebevoll einen der Holzgriffe. ''Mein Baby wird uns schon schnell rüber bringen.'' Cloud verschränkte die Arme und sah aus dem großen Fenster der Brücke. Die Nacht war mit dicken Wolken hereingebrochen und das dunkle Land zog rasch unter ihnen vorbei. Von der Scheibe aus blickte ihm sein müdes Spiegelbild entgegen, als sich hinter ihm etwas bewegte. ''Ich werd' mich hinlegen. Weckt uns, wenn wir da sind.'' Tifa hatte sich von ihrem Platz erhoben, streckte sich ausgiebig und wandte sich zum Gehen um. ''Ach und Cloud, wenn du über irgendetwas reden möchtest, du weißt ja, wo du mich findest.'' Über die Schulter hinweg schenkte sie ihm noch ein sanftes Lächeln, dann verschwand sie im Gang. ''Aha. Sie bietet dir an, mit ihr... zu reden?'' Der Pilot lachte leicht und neigte das Steuerrad ein Stück zur Seite. ''Cid, lass die dummen Sprüche.''
 

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Er vergrub das Gesicht tiefer in den Händen. Wieso konnte das alles nicht endlich ein Ende finden? Je mehr Zeit verstrich, desto gefährlicher wurde es für ihn, aber allem voran auch für die anderen. Für Cloud. Die Härte, mit der seine Faust auf den Boden aufschlug, ließ seine Knochen erzittern und mit leisem Pochen meldete sich auch der gebrochene Finger zurück. Wie hatte er nur so töricht sein können, zu bleiben? War seine Warnung nicht deutlich genug gewesen? Wenn er die Kontrolle nicht zurückerlangt hätte... er hätte Cloud ganz sicher getötet. Er beugte sich vor, um seinen Handschuh vom Boden zu klauben. Dann setzte er sich zurück. Gedankenverloren streifte er ihn über seine rechte Hand und ballte sie drei Mal leicht zur Faust, um mit den Fingern bis in die Enden zu rutschen. Das Leder knirschte verhalten. Für einen kleinen Moment betrachtete er seine Hände, als ihm etwas ins Auge fiel. Auf den Messingspitzen seiner Klaue klebten dunkle Reste von Blut. Clouds Blut. Mit wehmütigem Seufzen ließ er den Kopf sinken. Das war nicht richtig. Es hätte Hojos Blut sein sollen. Doch statt ihn endlich mit eigenen Händen zu töten, war er dabei gewesen, seinen Freund umzubringen. Er zog die Beine an den Körper und grub das Gesicht erneut in seine Hände. Der angestaute Frust in ihm versuchte sich seine Bahn zu brechen. Irgendwann würde er aus seiner Raserei vielleicht nicht so schnell wieder zurückkehren. Und dann? Würde er einfach jeden töten? Jeden, der sich ihm in den Weg stellte? Wie damals...? Mit Nachdruck presste er die Finger auf die Augen und versuchte die Bilder aus seinem Kopf zu bekommen. Er wollte sich nicht daran erinnern, doch tief in ihm schrie die andere Seele nach Vergeltung, nach Blut und Zerstörung. Sie schrie laut. Und sie schrie immer weiter. Er hatte das Gefühl, sein Kopf würde jeden Augenblick zerspringen. Dann atmete er tief ein und aus, wieder und wieder und krallte sich dabei tief in seiner Brust fest. ''Schweig.'' Die Spitzen bohrten sich hart durch den Stoff in seine Haut. ~''Lass mich frei! Du weißt, dass du nicht ewig gegen mich ankommst!''~ Schmerz breitete sich langsam in seiner Brust aus. Weiteratmen. Einfach weiteratmen. Nicht darüber nachdenken. ~''Hör auf dich zu wehren! Dieser Körper gehört mir und dein schwacher Geist kann mich nicht daran hindern, mir zu nehmen, was rechtmäßig mein ist!''~ ''Schweig!'' Er beugte sich wieder vor auf die Knie und stütze sich mit der Rechten auf dem warmen Boden ab. All die Jahre im Schlaf war die Stimme in ihm friedlich gewesen, doch nun kehrte sie umso drängender zurück. Seinen Körper mit diesem Ding zu teilen, machte ihn fast wahnsinnig. ~''Am Ende wirst du doch untergehen und ich werde deine Seele verschlingen. Langsam. Stück... für... Stück...''~ Ein unheilvolles Lachen durchdrang seinen Körper. ''Sei still!'' Vincent keuchte erschrocken auf, als sich die Metallspitzen mit einem leisen Knacken durch seine Haut ins Fleisch bohrten. Kurz darauf begann Blut auf den Boden zu tropfen. Im roten Notlicht des Maschinenraums sah es fast vollständig schwarz aus. Das Biest in ihm verstummte. Er hatte es erwischt, verletzt, zurückgedrängt und das schwarze Blut, das die Messingkrallen herabrann, war das Blut des Monsters. Ja... Monster... es war sein eigenes Blut. Mit verhaltenem Pochen breitete sich der Schmerz von den Wunden durch seinen Brustkorb aus. Die Löcher im Hemd würde er beizeiten reparieren müssen. Er lachte leicht auf. Als ob das gerade seine größte Sorge wäre. Mit einem kurzen Ruck zog er die Klaue zurück und er spürte, wie der Stoff augenblicklich warm durchnässte. Auf beide Hände aufgestützt beobachtete er, wie unregelmäßig immer wieder Blutstropfen auf den Boden fielen und sich zu einer kleinen Lache sammelten. In seinem Innern kehrte wieder Ruhe ein. Endlich.
 

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Ein heftiger Ruck und ein leises Piepsen weckten ihn aus dem Schlaf. ''Was zum...?'' Eilig stand er auf, schlüpfte in seine Kleider und verließ die Kabine. Auf dem Gang brannte das rote Notlicht. ''Was ist passiert?'' Barret stieß seine Tür auf und auch Tifa und Yuffie kamen aus ihren Kabinen. Cloud tauschte nur einen flüchtigen Blick mit ihnen, dann steuerte er geradewegs auf die Brücke zu. ''Cid!'' Der große Raum wurde ebenfalls nur noch von den roten Lampen erleuchtet. Hinter ihm drängten sich auch die anderen drei durch den Eingang. ''Cid, was ist los? Haben wir Turbulenzen?'' Tifa rieb sich müde über die Augen und wechselte besorgte Blicke mit Yuffie, die sich, noch im Halbschlaf, gegen den Türrahmen sinken ließ. ''Turbulenzen?'' Der Pilot legte eine Reihe Schalter auf seinem Kontrollpult um. ''Kann man so sagen, ja.'' ''Sprich deutlicher.'' Barret drängte sich an Cloud vorbei und lehnte sich neben Cid an die Konsole. ''Also?'' Cid drückte noch ein paar Knöpfe, zog einen Hebel nach unten und drehte sich dann um. Mit spitzen Fingern pulte er sich einen Tabakkrümel von der Zunge. ''Es gab einen Ausfall. Wir landen jetzt.'' ''Wie bitte?'' Aufgebracht donnerte Barret mit der Faust gegen die Konsole. ''Hey! Finger weg von meinem Baby!'' Der Hüne schnaubte missmutig. ''Ich dachte, das Ding schafft's bis zum Saucer! Und jetzt?'' Er verschränkte die Arme vor der Brust und brummelte etwas Unverständliches. ''Kein Grund, dich an der Lady zu vergreifen!'' Cid hob drohend den Finger. ''Sobald wir unten sind, check ich die Maschinen. Wird schon nichts Wildes sein.'' Er wandte sich wieder seinem Pult zu und organisierte den Landeanflug. ''Ich dachte, du hättest das defekte Rohr ausgetauscht, bevor wir gestartet sind.'' Tifa hatte die Arme fest um den Körper geschlungen und kam ein paar Schritte weiter in den Raum hinein. ''Hab ich, verdammte Scheiße. Jetzt schiebt mir doch nicht alle die Schuld in die Schuhe!'' Verärgert rieb Cid sich über das Gesicht und ließ das Steuerrad einrasten. ''Vielleicht haben wir ja 'nen Saboteur an Bord, was weiß denn ich.'' Barret stieß ein zynisches Lachen aus. ''Ha! Saboteur? Hör auf andere für deine Unfähigkei-'' ''Himmel, Arsch und Wolkenbruch... ich kümmere mich ja sofort darum!'' Cid warf die Arme in die Luft und wandte sich um. ~Vincent...~ Der Gedanke durchschoss Cloud wie ein Blitz. ~Ich hoffe, du hast nichts Dummes getan...~ Mit einem harten Ruck setzte die Highwind auf dem Boden auf, dann rauschte Cid auch schon aus dem Raum. Cloud und der Rest folgten ihm eilig quer durch die Highwind.

Aus dem Maschinenraum schlug ihnen stickige, heiße Luft entgegen. Das Rauschen der Motoren ließ langsam nach, als sie sich nacheinander abschalteten. Direkt hinter Cid drängte sich Cloud in den Raum. Von Vincent war nichts zu sehen. ''Dann wollen wir mal.'' Der Pilot ging systematisch eine Maschine nach der anderen ab, prüfte die Druckanzeiger und Ventile. Tifa schloss zu Cloud auf, rieb sich fröstelnd über die Arme und ließ den Blick durch den Raum schweifen. ''Cid? Gibt es irgendwo ein Leck in den Leitungen? Hier ist eine Ölspur.'' ''Hm? Was?'' Cloud folgte ihrem Blick auf den Boden. Eine handvoll schwarzer Tropfen bildete vor ihren Füßen eine Spur bis zur Tür. Er folgte ihnen in die andere Richtung, weiter in den Raum hinein. Im hinteren Teil, bei den Kompressoren, sammelten sich die steten Tropfen zu einer kleinen, verschmierten Lache. An der Wand prangten noch immer die tiefen Schrammen und eine Delle in der Metallverkleidung. Mit einem leisen Seufzen kniete er neben der Lache nieder. Es sah aus, als wäre jemand mit der Hand hindurch gefahren. Vorsichtig tunkte er die Fingerspitzen hinein, zerrieb die zäh-klebrige Flüssigkeit zwischen den Fingern und roch kurz daran. Von Öl war das Ganze meilenweit entfernt. Besorgt runzelte er die Stirn und wischte sich die Hand an seiner Hose sauber. ~Wo bist du?~ Zum Glück fand er noch ein Tuch vom Vortag in seiner Hosentasche und sorgsam wischte er die kleine Pfütze vom Boden auf. ''Hast du was gefunden?'' Yuffie stütze sich mit beiden Händen auf seinen Schultern ab und lehnte sich über seinen Kopf. Eilig verbarg er das Tuch in seiner Hand. ''Nein, nichts.'' ''Na dann war der alte Mann wohl wieder unvorsichtig mit der Kanne.'' Sie gluckste leise. ''Ich arbeite immer gewissenhaft und sauber.'' Mit einem scharfen Unterton in der Stimme packte Cid Yuffie fest im Nacken. Unweigerlich krallte sie sich erschrocken in Clouds Schultern. ''Und außerdem bin ich noch nicht taub.'' Er grinste ihr schief entgegen. ''Mach dich mal nützlich und hilf mir.'' Cid klopfte ihr grob auf den Rücken und ging dann an ihnen vorbei. ''Sei nicht immer so gemein zu mir! Alter Muffel...'' Sie richtete sich auf, rieb sich über die Schulter und folgte ihm dann. Mit einem Seufzen verstaute Cloud das Tuch wieder in der Hosentasche. Dann stand er auf und verließ wortlos den Maschinenraum. Er musste Vincent finden. Wäre er doch nur gar nicht erst gegangen. Verwundert blickte Tifa ihm hinterher, als er an ihr und Barret vorbei schritt. ''Hm...'' Sie zögerte einen Moment, doch dann folgte sie ihm.
 

~
 

Erschöpft ließ Vincent sich gegen die kalte Wand sinken, als er den kleinen Waschraum erreichte. Sein Atem ging schwer und das Pulsieren in seiner Brust war zu einem steten Pochen geworden. Mühsam löste er seinen Umhang, zog den rechten Handschuh aus, schälte sich aus dem Rüstungsarm und begann das durchlöcherte Hemd aufzuknöpfen. Vorsichtig zog er den verklebten Stoff von der Brust. Mit einem nassen Klatschen landete das Hemd im Waschbecken und er stützte sich am Rand ab. Als er den Hahn aufdrehte, füllte sich das kleine Becken rauschend mit Wasser und wie schwarze Tinte waberte das Blut aus den Stofffasern empor. Vorsichtig ließ er etwas Wasser in seine Hand laufen, rieb sie sich ein paar Mal durch das Gesicht und blickte dann an sich hinab. Es war alles voller Blut, doch die Wunden schienen nicht so schlimm zu sein. Mit der nassen Hand begann er sich über die Haut zu streichen und eilig zogen die Wassertropfen helle Bahnen über seine Brust. Er wrang das durchnässte Hemd leicht aus, rieb sich damit das angetrocknete Blut vom Körper und ließ es dann wieder ins Becken sinken. Widerstrebend warf er einen Blick in den kleinen Spiegel, der ihm gegenüber hing. Müde Augen sahen ihm entgegen. Aus den Wunden in seiner Haut sickerten kleine Tropfen frischen Blutes nach. Er stützte sich wieder mit beiden Händen am Waschbeckenrand ab und ließ seinen Blick für einen Moment auf seiner linken Hand verweilen, ehe er den Arm hinauf wanderte und schließlich im Spiegel wieder auf seiner Brust zum Stehen kam. Wie er diesen Anblick hasste. All die schlechten Erinnerungen an damals waren wie verschlüsselte Verse in seine Haut gebrannt. Er schloss die Augen, atmete tief ein und wieder aus und wusch dann eilig das Hemd unter dem rauschenden Wasser aus. Als er das nasse Stoffbündel aus dem Becken hob, konnte er das aufgewühlte Blut dabei beobachten, wie es strudelnd mit dem Wasser in den Abfluss verschwand. Er kannte diesen Anblick. Es war wie... Die Erinnerung durchschoss seinen Kopf wie ein Blitz und ließ ihn zurücktaumeln. Er sah es deutlich vor sich. Der stete Strom von Blut, wie er sich langsam und glucksend in die kleinen Schächte im gefliesten Boden ergoss. Sie waren tot. Alle tot. Und es war seine Schuld. Keuchend presste er sich die Hände gegen den Kopf. Nein. Nicht darüber nachdenken. Es war vorbei. So viele Jahre her. Er konnte die kalte Wand im Rücken spüren und drückte sich dagegen. Wann nahm das endlich ein Ende? Seine Hände gruben sich fest ins Haar und er lehnte das Gesicht in seine Unterarme, als er langsam an der Wand hinabrutschte. Wie lange musste er dieses Leid noch erdulden? Wie lange dagegen ankämpfen? Ein Zittern durchfuhr seinen Körper und erschöpft ließ er seine Hände aus den Haaren durch sein Gesicht gleiten. Warum war sie nicht hier? Wie früher? Warum war all dies Elend geblieben, aber nicht sie? ''Lucrecia...''

Auf der anderen Seite

Cloud hatte gehofft, einfach der Blutspur zu folgen, würde ihn direkt zu Vincent führen, doch schon nach wenigen Schritten hatten die Tropfen aufgehört. Er stieg die Leiter aus der Betriebsebene hinab und blieb einen Moment stehen. Wo sollte er suchen? Schon beim ersten Mal hatte er Vincent nicht finden können. Mit einem Seufzen strich er sich durch die Haare, als hinter ihm plötzlich noch jemand die Leiter hinabstieg. Er wandte den Kopf zu Seite, sah über die Schulter und entdeckte Tifa, die von der letzten Sprosse stieg und auf ihn zu ging. ''Cloud.'' Sie kam neben ihm zum Stehen und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. ''Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich bin mir sicher, du weißt irgendwas.'' Die braunen Augen bedachten ihn mit einem besorgten Blick. ''Das waren keine Öltropfen, das war Blut. Was ist hier passiert?'' Cloud atmete tief aus, wandte sich zu ihr um und ergriff die Hand, die auf seiner Schulter ruhte. ''Ich weiß es nicht. Ja, ich habe vorher mit Vincent hier gesprochen, aber er hat mich wieder weggeschickt. Was danach passiert ist... ich habe keine Ahnung.'' Er erwiderte ihren Blick. ''Ich mache mir selbst Gedanken. Er gehört schließlich zur Gruppe.'' Tifa nickte nur knapp. ''Ja, eben drum. Ständig kapselt er sich ab und spricht nicht mit uns.'' Ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. ''Und ich dachte schon immer, nur du wärst so anstrengend.'' Cloud ignorierte ihren Kommentar. ''Lass ihn uns suchen.'' Sanft schob er ihre Hand von seiner Schulter und ging voraus. Eilig schloss sie zu ihm auf. ''Wo fangen wir an?''
 

~
 

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er sich langsam wieder an der Wand nach oben drückte. Seine feuchte Haut war völlig ausgekühlt und das stete Pochen der Wunden war einem leichten Brennen gewichen. In seinem Kopf herrschte endlich Stille. Er hatte Mühe gehabt, die Erinnerungen niederzukämpfen, doch sie waren nicht mehr als eben diese. Nur noch Erinnerungen. Er griff nach dem Hemd, das noch zerknüllt auf dem Boden lag und zog sich das kalte, nasse Stück Stoff wieder über. Erschöpfung und Müdigkeit machten sich in ihm breit. Es würde noch ein bisschen dauern, bis sie den Gold Saucer endlich erreichten und etwas Schlaf wäre nach den vergangenen Tagen sicher nicht die schlechteste Idee. Er hob den Umhang vom Boden auf, wickelte ihn grob zusammen und öffnete die Tür. Am Ende des Gangs ertönten Schritte. Eilig überquerte er den Flur und verschwand in der kleinen Kabine, die ihm zugeteilt war.

''Vincent?'' Nur kurz darauf klopfte es an der Tür und zeitgleich wurde sie geöffnet. Cloud stand im Rahmen. Doch er war nicht allein. Hinter ihm drängte sich Tifa in den Raum. ''Oh, du bist hier? Wir haben dich überall gesucht.'' Sie blieb stehen und musterte ihn besorgt. ''Ist alles in Ordnung? Du bist gestern Abend einfach aus der Besprechung verschwunden.'' Schweigend schloss er die oberen Knöpfe seines Hemdes und wandte ihr den Rücken zu. Mit verschränkten Armen ließ sich Cloud gegen den Türrahmen sinken. ''Wir machen uns nur Sorgen.'' Vincent wandte den Kopf zu ihm um und fand die blauen Augen, die ihn durchdringend ansahen. Schuldgefühle wallten in ihm auf. Warum war er schon wieder in seiner Nähe? ''Vincent, bitte. Du bist Teil unserer Gruppe und wir sind füreinander da.'' Tifa ging auf ihn zu und legte ihm sacht die Hand auf die Schulter, doch überrascht zog sie sie wieder zurück, als sie den kalten, nassen Stoff berührte. ''Huch...?'' Auch Cloud sah ihm fragend entgegen. ''Wir...'' Sie seufzte leicht und rieb sich über den Oberarm. ''Im Maschinenraum war überall Blut auf dem Boden.'' Ihre Augen wanderten unruhig im Raum hin und her. ''Bist du verletzt? Bitte sag uns, was passiert ist.'' Vincent strich sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und schnaubte missmutig. ''Das ist meine Sache.'' Tifa sah ihn entgeistert an. ''Deine Sache? Du bist mit uns zusammen und wenn einer von uns Probleme hat, dann geht uns das alle an.'' Er machte eine abwertende Bewegung mit der Hand, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte. ''Das ist deine Meinung.'' ''Ja, das ist richtig! Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in dieser Sache auch für die anderen reden kann!'' Sie ging auf ihn zu, umrundete ihn und erntete einen strengen Blick, ob ihrer Hartnäckigkeit. ''Schön. Dann sage ich dir hiermit und spreche für mich selbst, dass es dich und den Rest nicht zu interessieren hat.'' Aufgebracht stemmte sie die Hände in die Hüften und baute sich vor ihm auf. ''Also wirklich! Wir machen uns doch nur Gedanken!'' Ernst blickte sie ihm entgegen, dann hob sie ihre Rechte und stieß mit dem Zeigefinger in seine Brust. ''Du hast dich schon über den Vorfall vor drei Tagen nur ausgeschwiegen. Und du kannst mir nicht erzählen, dass da nichts war! Die ganzen Schüsse. Und verletzt warst du auch.'' Wieder bohrte sie ihren Finger in die Brust. Von seiner Position als Beobachter aus, bemerkte Cloud, wie sich Vincent bei jeder erneuten Berührung verkrampfte. Die Veränderung war nur minimal, doch er sah genau, wie sich die Muskeln in seinem Kiefer und Hals anspannten.

Yuffie erschien neben Cloud in der Tür und warf einen verdutzten Blick in die Runde. ''Wir starten wieder. Cid sagt, dass wir jetzt problemlos rüber kommen sollten.''

Tifa stieß einen langgezogenen Atemzug aus. ''Gut.'' Sie ließ die Arme sinken, drehte sich zur Seite und legte den Kopf mit einem resignierenden Seufzen in den Nacken. ''Wisst ihr was, ich bin müde. Vincent, ich will dir nichts Böses, ich möchte einfach nur, dass du mit uns sprichst. Wir sind ein Team und sollten zusammenhalten. Einzelspieler sind hier nicht gefragt.'' Sie wandte sich um, ging auf die Tür zu, legte Cloud sanft eine Hand auf den Arm und lächelte wieder. ''Mit Cloud hatten wir's schon schwer genug, aber auch er hat sich mittlerweile in die Gruppe eingefügt.'' Sie zwinkerte ihm zu und lachte leicht. ''Wir sehen uns dann am Saucer.'' Dann verließ sie den Raum. Yuffie sah Tifa verwirrt nach, dann schwenkte sie ihren Blick von Cloud zu Vincent und wieder zurück. ''Was hab ich verpasst?'' Cloud schüttelte nur leicht den Kopf, packte Yuffie an den Schultern und schob sie raus auf den Gang. ''Alles gut. Leg dich wieder hin.'' ''Hey!'' Sie sträubte sich gegen Clouds Griff, bemerkte aber seinen ernsten Blick und sparte sich weitere Fragen. ''Ok, aber morgen will ich alles wissen!'' Sie wedelte mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht und zog eine Grimasse. Dann verschwand auch sie in ihrer Kabine. Cloud drehte sich noch einmal um und lehnte sich mit beiden Händen in den Türrahmen. Vincent hatte sich mittlerweile auf die Kante des schmalen Bettes niedergelassen und rieb sich mit dem Handballen über die Schläfe. ''Das war dein Blut im Maschinenraum, richtig?'' Er wandte den Kopf zur Seite und atmete schwer aus. ''Nicht nur Tifa macht sich Sorgen.'' Dann ließ er die Arme sinken und verschwand aus dem Türrahmen.

Vincent rieb sich mit der Hand durch das Gesicht. Er machte sich Sorgen? Um ihn? Er schüttelte leicht den Kopf und schnaubte verächtlich. Es wäre besser, wenn sie ihn alle in Ruhe ließen. Das waren seine Probleme. Im Moment eskalierte es viel zu schnell, die Gefahr war für die anderen einfach zu groß. Und er wollte niemanden damit reinziehen. Er erstickte ein Seufzen in den Händen, als ihm einfiel, dass es dafür bereits zu spät war. Schuldbewusst sah er zum leeren Türrahmen auf. ''Cloud...''

Er schloss die Tür seiner Kabine und ließ sich für einen Moment dagegen sinken. Er machte sich Sorgen? Ja, verdammt nochmal. Tifa war so in ihre Rede versunken, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie sie Vincent mit ihrem mahnenden Zeigefinger weh getan hatte. Er hatte sich Mühe gegeben, es zu verstecken, doch ihm war das nicht entgangen. Vermutlich hatte sie genau seine Verletzung getroffen. Mit tiefem Seufzen lehnte Cloud die Stirn gegen die Tür. Warum hatte er nichts gesagt? Warum zog er sich so in sich selbst zurück? Sicher, die Situation zwischen ihnen beiden im Maschinenraum war vollkommen aus dem Ruder gelaufen, doch er war sich ausgesprochen sicher, dass Vincent nicht bei klarem Verstand gewesen war. Da war etwas anderes gewesen. Und er litt darunter. Er ließ die Hände an der Tür hinabgleiten, drehte sich um und setze sich auf das Bett, um aus seinen Stiefeln zu schlüpfen. Wenn er ihm doch nur sagen würde, was ihn so sehr beschäftigte. Erschöpft ließ er sich auf die dünne Matratze fallen und drehte den Kopf zur Wand, wohl wissend, dass auf der anderen Seite sein Freund saß. ''Vincent...''
 

~
 

Der Lautsprecher knisterte verhalten, ehe Cid's Stimme erklang. ''Einen wunderschönen guten Morgen, der Kapitän meldet: Wir befinden uns im Landeanflug. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Aufenthalt und wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord der Highwind begrüßen zu dürfen!'' Cloud schüttelte nur den Kopf und schloss die Schnallen an seinem Gürtel. Die Nacht war kurz gewesen und er hatte unruhig geschlafen, umso besser war es, dass es nun endlich weiter ging. Er packte seine Sachen zusammen und verließ die Kabine. Mit einem harten Ruck setzte die Highwind auf, als er auf dem Weg zur Brücke war. Cid und Barret kamen ihm entgegen. ''Auf geht’s, würd' ich sagen.'' Barret hob eine Faust und grinste.

Der Gondelplatz war schon aus der Ferne zu sehen, als sich die Rampe öffnete und sie das Flugschiff verlassen konnten. Cloud sah sich um. Wie gewohnt ging Vincent ganz am Ende der Gruppe. Er hatte sein Gesicht tief im breiten Kragen seines Umhangs verborgen und blickte stumm auf den Weg vor ihm. ~Sieh mich an...~ Er starrte ihm schon fast eindringlich entgegen, doch die roten Augen blieben abgewandt.

Die Menschenschlange vor den Gondeln war lang und auf dem Platz drängten sich die Vergnügungssüchtigen. Der Park hatte vor ungefähr einer Stunde geöffnet. ''Das ist doch nicht normal. Wie können so früh am Morgen schon so viele Leute hier sein?'' Cid verzog das Gesicht und befeuchtete das Zigarettenpapier, um es dann ungeduldig zwischen den Fingerspitzen zu verdrehen. ''Also ich verstehe das völlig. Eigentlich sollte der Saucer durchgehend geöffnet haben!'' Yuffie trippelte aufgeregt auf der Stelle umher und hielt sich die glühenden Wangen. ''Stellt euch das mal vor! Die ganze Nacht lang Achterbahn fahren!'' Cid bedachte sie mit einem genervten Seitenblick, ehe er ihr unsanft mit der Faust auf den Kopf hieb. ''Wir sind nicht zum Vergnügen hier. Schlag dir das gleich wieder aus dem Kopf.'' ''Hey, autsch!'' Sie wedelte empört mit der Hand und rieb sich dann die schmerzende Stelle. ''Na das braucht sie ja nicht mehr, wenn du das für sie übernimmst.'' Tifa schloß Yuffie mit einem Lachen in die Arme.

Endlich konnten sie in eine der Gondeln einsteigen. Cloud ließ sich neben Cid auf die blaue Lederbank sinken. ''Sag mal, was war nun kaputt?'' ''Hm? Was?'' Cid rieb sich über die Bartstoppeln und kramte schon wieder nach Tabak und Papier in seinen Jackentaschen. ''Der Maschinenausfall gestern.'' ''Ja doch, weiß ich. Eine der scheiß Ventildichtungen am zweiten Motorblock hatte sich durchgefressen. Nichts Wildes, wie ich's dachte. Ich frage mich allerdings...'' Er stoppte kurz, um behutsam den Tabak auf dem kleinen Blatt zu zerkrümeln, das Papier mit der Zunge zu befeuchten und sorgfältig zusammenzudrehen. ''Wie zur Hölle Schrammen in die Wandverkleidung gekommen sind.'' Clouds Blick suchte instinktiv nach Vincent, der zwei Bänke weiter am Ende der Gondel saß und starr aus dem Fenster blickte. ''Ich meine, das sieht aus, als hätte ein Bär in meinem Baby gewütet.'' Er schob sich die Zigarette in den Mundwinkel. ''Wenn ich rausfinde, welcher kranke Arsch da in meiner Abwesenheit drin war, zieh ich Shera die Ohren lang.'' Cloud nickte nur stumm und ließ seine Augen auf Vincent ruhen. Er sah entrückt aus, als wäre er mit seinen Gedanken an einem völlig anderen Ort. ~Sieh mich an...~ Die roten Augen spiegelten sich im Fenster, schienen in sich selbst zurückzublicken und nahmen keinerlei Notiz von dem Paar blauer Augen, dass so verzweifelt nach ihnen suchte. Vollkommen in sich gekehrt. ~Bitte...~
 

~
 

''Sie wünschen? Ein Ticket macht dreitausend Gil, Gruppenticket ab fünf Personen zwölftausend. Tiere sind hier nicht-'' Nanaki knurrte gekränkt, als Cid mit der flachen Hand auf den Tresen des Empfangshäuschens schlug und den Verkäufer aus seiner Monotonie aufschrecken ließ. ''Wir wollen zu Dio.'' ''Wie bitte?'' Er blinzelte Cid verwirrt unter seiner billigen Kappe hinweg an. ''Dio. Jetzt.'' ''Ich... ääh... ich f-fürchte, das wird nicht möglich sein.'' Barret trat neben Cid an die Kabine heran und verschränkte mit finsterem Blick die Arme vor der Brust. Er musste sich ein Stück nach vorn neigen, um mit dem verstörten Jungen sprechen zu können. ''Wo ist das Problem? Hat er nicht deutlich gesagt, was wir wollen?'' ''Ja... a-also... äähm...'' Schweißtropfen rannen das hagere Gesicht herab, als er unruhig auf seinem Hocker hin und her rutschte. ''Ich... d-da muss ich fragen...'' Eilig sprang er auf und verließ fluchtartig seinen Verkaufsstand. Barret stieß ein tiefes Lachen aus. ''Jungs, war das nötig?'' Tifa schüttelte nur den Kopf und lächelte. ''Ach komm, es war lustig.'' Cid kaute auf seiner Zigarette herum. ''Ich glaube, wir können froh sein, wenn er jetzt nicht den Sicherheitsdienst ruft.''

Es dauerte eine Weile, ehe der Junge zurückkehrte und ihm drei weitere Personen folgten. Zwei hochgewachsene Schutzmänner in gestärkten Uniformen und zwischen ihnen eine schlanke, honigblonde Frau in einem auffällig pinken Kleid. Sie hob die Hand zur Begrüßung und lächelte breit. ''Hallo Cloud. Lange nicht gesehen.''

Vergnügungstour

Die Chocobo-Feder in ihrem Haar wippte auf und ab, als sie auf die Gruppe zu tänzelte. ''Ester.'' Er nickte ihr entgegen. Sie machte eine ausschweifende Bewegung mit den Armen und kam dicht vor ihnen zum Stehen. ''Schön euch hier zu sehen! Was kann ich für euch tun?'' Freundlich schloss sie Cloud in ihre Arme und drückte ihn fest. ''Wir wollen zu Dio.'', antwortete er ihr knapp und versuchte sich vorsichtig aus ihrer Umarmung zu lösen. ''Hm, ohje...'' Verlegen biss sie sich auf die Unterlippe. ''Ich fürchte, da muss ich euch enttäuschen. Dio hat vor über einer Stunde den Saucer verlassen und ich weiß nicht, wann er wieder hier sein wird.'' Cid verschränkte die Arme vor der Brust und kaute auf seinem Zigarettenstummel herum. ''Schön... sehr schön. Und nun?'' ''Nun...'' Ester strich ihr Kleid glatt und klatschte einmal in die Hände. ''Ihr könnt natürlich hier im Saucer auf ihn warten. Selbstverständlich habt ihr freien Eintritt.'' ''Ooo~oh... bei Leviathan! Ja! Ja! Ja!'' Völlig außer sich sprang Yuffie durch die Gruppe. ''Vergnügungstour ich komme!'' Sie warf beide Arme in die Luft und quietschte vor Freude. ''Ester, es ist wirklich wichtig.'' Cloud verdrehte die Augen, als sich Yuffie an seinen Arm klammerte. ''Bitte, bitte, bitte!'' ''Es tut mir leid, Dio ist nicht erreichbar, bis er wieder hier ist.'' Höflich versuchte Ester ihr Grinsen hinter vorgehaltener Hand zu verstecken, doch sie scheiterte kläglich. ''Ich befürchte, euch bleibt nichts anderes übrig, als zu warten.'' ''Na schön. Gut. Aber gib uns Bescheid, sobald Dio wieder hier ist.'' Cloud rieb sich über die Augen. ''Ooooh ja! Bester Tag meines Lebens!'' Yuffie sprang in die Luft, ließ ihre Tasche auf den Boden fallen und rannte auf den Eingang zu. ''Leute, wir sehen uns am Speed Square!'' Dann verschwand sie in der Menge. ''Es tut mir wirklich leid, Cloud.'' Ester wühlte in der Tasche ihrer Schürze. ''Hier, nehmt diese Coupons.'' Sie drückte Cloud ein paar Rollen mit kleinen Tickets in die Hand. ''Also, dann habt einen schönen Aufenthalt. Ich lasse dich ausrufen, sobald Dio hier ist.'' Mit einer knappen Handbewegung verabschiedete sie sich, drehte sich um und sah dann noch einmal über die Schulter. ''Vielleicht sehen wir uns ja beim Chocoborennen.'' Sie zwinkerte ihm kurz zu und verließ, die beiden Schutzmänner im Schlepptau, den Eingangsbereich. ''Na toll. Das heißt, wir sitzen jetzt vorübergehend in diesem quietschbunten Alptraum fest?'' Cid verzog missmutig das Gesicht und zerrieb den zerkauten Rest seiner Kippe zwischen den Fingern. ''Sieht ganz so aus.'', entgegnete Cloud knapp und begann damit, die Tickets von den Papprollen zu wickeln und an alle zu verteilen. Alle...? ''Wo ist Vincent?'' Er sah sich angestrengt um, doch in den farbenfrohen Menschenmassen war der rote Umhang nicht auszumachen. ~Bitte nicht schon wieder...~ Den anderen würde die erneute Verzögerung nicht so viel ausmachen, aber Vincent? ''Genauso ungeduldig gewesen wie Yuffie, was? Hätte ich dem alten Muffel gar nicht zugetraut.'' Cid knüllte die Tickets in seine Jackentasche. Mit leisem Ratschen löste Cloud weitere Tickets von der Rolle und streckte sie Tifa entgegen, als sie behutsam beide Hände um seine legte und besorgt zu ihm aufsah. ''Cloud?'' Er zuckte nur leicht mit den Schultern und wand sich vorsichtig aus ihrem Griff. ''Ich werde ihn suchen.'' Sie faltete die Tickets zusammen und nickte. ''Yuffie wird vermutlich nicht weit gekommen sein. Ich bringe ihr die Tickets.'' Dann hob sie die liegen gebliebene Tasche vom Boden auf, schulterte sie und machte sich auf den Weg zum Eingang. ''Also gut. Dann eben einmal unfreiwillig durch den Rummel.'' Cid fischte schon eine neue Zigarette aus der Jackentasche und zusammen mit Barret, Nanaki und Cait, folgte er Tifa. Cloud verstaute die restlichen Tickets und atmete tief ein und wieder aus. Wo sollte er anfangen? Das Gelände des Gold Saucer war riesig und überfüllt mit Menschen. Vincent hier zu finden war quasi unmöglich. Und doch musste er es versuchen. Er war seinen Blicken schon wieder die ganze Zeit ausgewichen und er wirkte so abwesend, dass Cloud kein gutes Gefühl bei der Sache hatte. Mit einem leisen Seufzen zog er seine Handschuhe fester und ließ sich dann mit der Menschenmenge durch den Eingang treiben.
 

~
 

''Yuffie!'' Tifa wedelte wild mit den Armen, um zwischen dem Gedränge auf sich aufmerksam zu machen. ''Vorsicht... Entschuldigung... Dürfte ich mal...'' Mühsam quetschte sie sich an den wartenden Leuten vorbei und kassierte finstere Blicke. Am Verkaufshäuschen angekommen, empfing sie eine missgelaunte Yuffie. Sie hatte die Arme fest vor der Brust verschränkt und zog eine düstere Grimasse. ''Kannst du dir das vorstellen? Der Kerl will mich einfach nicht fahren lassen!'' Tifa zog ein paar der Tickets aus ihrer Tasche und hielt sie ihr mit einem Lächeln entgegen. ''Hier. Probier's damit nochmal.'' Strahlende Augen richteten sich erwartungsvoll auf sie. ''Sind das...?'' Doch ohne eine Antwort abzuwarten, schnappte Yuffie nach den Tickets, riss sie Tifa aus den Händen und rannte zum Einlass der Achterbahn. ''Tifa! Du bist die Größte!'' Mit einem Lächeln auf den Lippen folgte sie ihr. ''Komm, du musst unbedingt mit mir fahren! Bitte!'' Yuffie drückte dem verdutzt dreinblickenden Kontrolleur am Eingang die Hälfte der Tickets in die Hand, schnappte Tifa am Arm und zog sie durch die Metallschranke. ''Auf geht’s!''
 

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Er musste den Menschen aus dem Weg gehen. Musste weg und zur Ruhe kommen. An einem Ort wie diesem gestaltete sich das allerdings weit schwieriger, als ihm recht war. Einzig am Theatre Square war es verhältnismäßig ruhig. Nur alle drei Stunden fand hier für fünfzig Minuten eine Vorstellung statt, den Rest der Zeit verirrten sich nur ein paar wenige, vom Getümmel müde Leute auf die Sitzreihen. Vincent stieg über die Absperrung der oberen Reihe und ließ sich auf der Bank an der bunt bemalten Bande nieder. Es gab also eine weitere Verzögerung. Noch mehr Zeit, die ungenutzt verstrich. Warum nur hatte er das kommen sehen? Das schlechte Gefühl, das ihn den ganzen Morgen über begleitete, war zu einem dunklen Rumoren in seinem Kopf herangewachsen, doch er musste sich beherrschen. Hier die Kontrolle zu verlieren wäre weit mehr als nur fatal. Er vergrub das Gesicht tief in den Händen. Einatmen. Ausatmen. Überhaupt war es wichtig, dass er diesen Drang endlich wieder in geregelte Bahnen leitete. So sehr es ihn belastete, er durfte diesem Dämonen in ihm nicht nachgeben. Durfte keine Schwäche zeigen. Durfte die Freunde in seiner Nähe nicht damit hineinreißen. Sonst würde es genauso enden wie... er hieb mit der Faust auf die Holzplanke der Bank. Schon wieder! Seine Gedanken drehten sich nur noch im Kreis. Wo er auch ansetzte, er endete, wo er begonnen hatte. Vor über dreißig Jahren... in Hojos Labor. Damals waren es ein Dutzend gewesen. Dieses Mal nur einer. Mit dem Unterschied, dass er noch lebte und die anderen tot waren. ~Cloud...~ Warum nur war er zuletzt immer wieder in seiner Nähe, wenn es gefährlich wurde? Wieso tauchte er immer wieder genau dann auf? Wenn er nicht gegangen wäre, hätte er ihn womöglich doch noch getötet. Doch er war gegangen... zum Glück. Auch wenn er deutlich gespürt hatte, dass Cloud nicht hatte gehen wollen. Er wäre bei ihm geblieben. ~Bei mir... warum?~

Vincent ließ sein Gesicht langsam durch die gespreizten Finger gleiten, ehe er den Kopf an die hölzerne Bande lehnte. Über ihm war es dunkel, doch je länger er nach oben starrte, umso deutlicher zeichneten sich die Stahlträger in der Schwärze über ihm ab. Obwohl alles überdacht war, erweckte der Theatre Square fast den Eindruck, als würde man in einer lauen Nacht auf einer Waldbühne im Freien sitzen. Im Freien... in der Nacht... Er strich sich mit den Fingerspitzen über die Lippen, als er daran dachte, wie Cloud ihn in der Nacht auf dem Weg zur Rocket Town plötzlich geküsst hatte. Einfach so. ~Warum...?~ Als Cloud ihn im Badehaus geküsst hatte. ~Warum ich?~ Als er Cloud im Garten geküsst hatte. Ein leises Seufzen erwärmte seine Fingerkuppen für einen kurzen Moment. Wie war es dazu gekommen? Er hatte schon vorher bemerkt, wie der Jüngere ihn immer und immer wieder angesehen hatte. Aus dem Nichts heraus und vollkommen grundlos. Einfach so. Die blauen Augen, die sich immer wieder nach ihm umgesehen, die seinen Blick gesucht und ihn dann stumm erwidert hatten. Diese blauen Augen, die ihn selbst so in ihren Bann zogen. Ein sonderbares Gefühl erfüllte ihn, sobald er an sie dachte. An ihn. Ein Gefühl von... Faszination? War es das? Er konnte es nicht genau sagen.
 

~
 

''[Strife, Cloud Strife bitte am Eingang melden. Ich wiederhole-]'' Knisternd ertönte die verzerrte Stimme aus allen Lautsprechern. Endlich. Er drehte sich um und drängte gegen die Massen zurück zum Eingangsbereich. Den ganzen Tag war er durch den Park gelaufen und hatte vergebens nach Vincent gesucht. In der bunten Menge war er nirgendwo zu finden gewesen. Mittlerweile war es Abend geworden und er hatte schon befürchtet, den Ausruf verpasst zu haben.

Ester verließ das Kassenhäuschen, als sie Cloud entdeckte und wartete neben der Menschenschlange auf ihn. Eilig legte sie ein freundliches Lächeln auf, als er vor ihr zum Stehen kam. ''Cloud!'' Sie faltete die Hände zusammen und ließ sie in ihren Rockschoß fallen. ''Können wir gleich gehen?'' Seine Miene war ernst. ''Nun... ich befürchte, ich habe nicht so gute Neuigkeiten für dich.'' Sie seufzte leicht. ''Dio wird nicht vor morgen früh wieder hier sein.'' ''Großartig.'' Er rieb sich über die Schläfe. ''Ist das sein Ernst?'' Ester zuckte nur leicht mit den Schultern, legte den Kopf leicht schief und bedachte ihn mit einem entschuldigenden Blick. ''Ich fürchte ja. Es tut mir leid, Cloud. Aber ihr könnt selbstverständlich im Hotel bleiben. Dio wird euch morgen dann persönlich abholen. Er sagte, er wird noch vor Öffnung des Saucer wieder hier sein.'' Cloud ließ seine Hand durch die Haare streichen, seufzte tief und blickte dann auf. ''In Ordnung. Uns bleibt ja nicht viel anderes übrig.'' Er sah über die Schulter, als Ester ihre Hand zur Begrüßung erneut erhoben hatte. Der Rest der Gruppe hatte sich am Eingang gesammelt und kam ihnen entgegen. Alle, bis auf einen. ''Entschuldige mich bitte, ich habe noch zu tun.'' Sie nickte und lächelte ihm zu, dann drehte sie sich um und verschwand hinter dem Kassenhäuschen. ''Wo geht sie denn hin? Können wir jetzt zu Dio?'' Tifa legte den Kopf zur Seite, strich sich ihr Haar zurück und blickte Cloud fragend entgegen. ''Nein-'' ''Nein?! Warum nicht?'' Barret unterbrach ihn mit einer ausschweifenden Handbewegung und schnaufte verärgert. ''Dio wird erst morgen wieder hier sein.'' ''Morgen erst? Na ganz toll.'' ''Ja, super toll! Heißt das, wir können jetzt die ganze Nacht lang in den Park?'' Ein freudiges Quietschen durchbrach die gedrückte Stimmung. ''Yuffie, der Park wird ganz normal schließen.'' ''Wie bitte? Das können sie mir nicht antun!'' Sie drehte sich aufgekratzt im Kreis und zog ein enttäuschtes Gesicht. ''Ester sagt, wir können im Hotel bleiben. Dio wird morgen früh dort sein.'' ''Was? In dem alten Gruselschloss?'' Cid zückte ein Streichholzbriefchen und zündete die erloschene Zigarette, die wie gewohnt in seinem Mundwinkel hing, wieder an. ''Der einzige, der das wohl gutheißen würde, wär' Vincent.'' Er lachte kurz und schüttelte den Kopf. ''Wo steckt der eigentlich?'' Yuffie schlich sich an Cid heran und schlug ihm beide Hände auf die Schultern. ''Pass mal lieber auf, dass der dich heute Nacht dafür nicht heimsucht und dir dein Blut aussaugt.'' ''Schluss ihr zwei!'' Tifa verschränkte die Arme und schüttelte mit einem Lächeln auf den Lippen den Kopf. ''Wir bleiben also heute Nacht hier. Gut. Mir ist das Hotel lieber, als die dünnen Pritschen in der Highwind.'' ''Hey! Pass auf, was du sagst, Lady!'' Cid streckte ihr, im Spaß drohend, das abgebrannte Streichholz entgegen. ''Das tue ich.'' Mit spitzen Fingern und einem überlegenen Lächeln drückte sie die Hand des Piloten wieder zu Boden. ''Dann lasst uns gehen. Das ganze Rumgerenne an diesem quietschbunten Ort macht mich wahnsinnig.'' Barret schnaufte missmutig, stemmte die Fäuste gegeneinander und setzte sich in Bewegung. Auch die anderen drehten sich nacheinander um und gingen wieder auf den Parkeingang zu.

''Was machen wir wegen Vincent?'' Tifa griff nach Clouds Hand, als er den anderen bereits folgen wollte. Überrascht sah er einen Moment auf die Hand, die ihn festhielt, dann wandte er sich zu ihr. ''Ich habe ihn bis jetzt nicht gefunden. Geht ihr schon ins Hotel, ich werde ihn weiter suchen.'' Sie kaute leicht auf ihrer Unterlippe und überlegte einen Moment, ehe sie weitersprach. ''Meinst du, dass das einen Zweck hat? Hier ist so viel los und vor Schließung des Saucer wird es wohl kaum eine Chance geben, ihn wirklich zu finden.'' Er zog seine Hand wieder zu sich und zuckte mit den Schultern. ''Dann werde ich eben warten.'' Mit einem betrübten Seufzen zog Tifa ihr Handy aus der Tasche, wählte zum wiederholten Male dieselbe Nummer und lauschte dem Freizeichen. Nichts. ''Cloud...'' Sie ließ das Telefon sinken und starrte auf das kleine Display. ''Komm einfach mit ins Hotel. Ich sende ihm eine Nachricht, wo wir sind.'' Ihre Stimme war leise und gereizt. Dann blickte sie wieder zu ihm auf, seufzte und griff unbewusst erneut nach seiner Hand. ''Natürlich mache ich mir Sorgen um ihn, aber...'' Sie stoppte kurz und drückte seine Finger fest zusammen. ''Er ist so ein Sturkopf. Genau wie du!'' Mit einem Schnauben drehte sie den Kopf zur Seite, verzog kurz das Gesicht und schritt dann eilig an ihm vorbei. Verwirrt sah er ihr nach. Die Gruppe setzte sich wieder in Bewegung und mit einem leisen Seufzen folgte er ihnen. Ganz Unrecht hatte sie nicht. Er war den Park den kompletten Tag abgelaufen ohne auch nur die kleinste Spur von Vincent zu finden. Und noch würde der Saucer eine Weile geöffnet haben. Es war also genauso aussichtslos wie vorher.
 

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Als sie den Vergnügungspark bis zum Hotel durchquert hatten, war bereits eine weitere Stunde vergangen. Am Empfang begrüßte sie ein betagter Mann in Pagenuniform. ''Strife? Fräulein Ester hat mich bereits unterrichtet.'' Er schob eine handvoll Schlüssel auf den Tresen. ''Ein Doppel- und vier Einbettzimmer. Ich hoffe, dass genügt?'' Mit hochgezogenen Brauen musterte er die Gruppe und lächelte dann fürsorglich. ''Ja, danke.'' Noch bevor Cloud nach den Schlüsseln greifen konnte, drängte sich Tifa neben ihm an den Tresen und schnappte sich den Schlüssel zum Zweierzimmer. ''Ich werde später noch den Zimmerservice vorbeischicken, damit sie etwas zu Essen bekommen.'' Der alte Mann hatte sich umgedreht und kritzelte etwas in sein Buch. Auch Cid zog einen der Schlüssel vom Tresen und folgte Tifa, Yuffie und Nanaki die Treppen nach oben. ''Es wird vielleicht noch jemand kommen. Heben Sie den Schlüssel bitte auf.'' Cloud schob einen der verbliebenen Anhänger zurück. Mit fragendem Blick und leichtem Nicken hing der Mann den Schlüssel wieder an das kleine Brett hinter ihm. ''Vielleicht, ja. Vielleicht hat er auch kalte Füße bekommen und ist abgehauen.'' Barret griff mit einem verächtlichen Schnauben nach seinem Schlüssel. ''Wo gehst du hin?'' Als Cloud sich umdrehte und das Hotel wieder verließ, sah er ihm verdutzt hinterher. ''In den Park.''

Vor dem Eisengatter zum Ausgang der Friedhofsanlage blieb er kurz stehen. Wollte er wirklich wieder in den Park? Es würde zwecklos sein. Bestimmt. Doch es ließ ihm keine Ruhe. Schwerfällig ließ er sich auf einen großen, umgefallenen Steinbrocken sinken und rieb sich durch das Gesicht. Immerhin war es den ganzen Tag über ruhig im Gold Saucer geblieben. Das verschaffte ihm wenigstens die Gewissheit, dass Vincent nicht erneut in Rage verfallen war. Oder er hatte den Park verlassen. ~Unsinn...~ Er war bestimmt noch hier. Irgendwo. Er würde sie nicht einfach zurücklassen und gehen. Gedankenverloren strich sich Cloud mit spitzen Fingern durch das Haar. ~Er ist nicht weg.~ Und wenn doch? Wie sollte er sich sicher sein? Er schloss für einen Moment die Augen. Nein. Sie waren auf dem Weg nach Midgar und das war auch Vincents Ziel. Wenn er von hier aus allein gehen würde, würde er mindestens drei Mal so lange brauchen. Das wäre einfach nur blödsinnig. Und doch machte es ihn verrückt, nicht zu wissen, wo sein Freund steckte. Weil er sich Sorgen machte. Sorgen, dass wieder etwas passierte. Dass ihm etwas passierte? Der Stein unter ihm wurde unbequem und unruhig rutschte er ein Stück vor. Er machte sich schon wieder Gedanken um ihn. Darum, dass ihm etwas zustieß. Darum, dass er nicht in seiner Nähe war. Richtig? Er konnte es drehen und wenden wie er wollte, seine Gedanken kamen immer wieder auf den selben Nenner. ~Vincent...~ Er atmete tief aus und vergrub das Gesicht in den Händen. Wann hatte das angefangen, dass er sich plötzlich so seltsam wohl in der Nähe des Schützen fühlte? Es war schleichend gekommen, mit jedem weiteren Tag, den er mit der Gruppe verbrachte, seit er sich ihnen in Nibelheim angeschlossen hatte. Vielleicht lag es daran, dass er, wie er selbst, still und in sich gekehrt war und für ihn damit einen willkommenen Ausgleich in den sonst eher lauten und aufgekratzten Rest der Gruppe brachte. Ja, vielleicht, weil er ihm auf eine gewisse Art ähnlich war. Weil sie nebeneinander sitzen und sich anschweigen konnten, ohne, dass es unangenehm gewesen wäre. ''Er ist so ein Sturkopf. Genau wie du!'' Er konnte Tifas Stimme deutlich in seinem Kopf hören. Ja, auch damit hatte sie vermutlich Recht. Er seufzte. Und dann waren da noch diese sonderbaren Momente. In denen er Vincents Nähe nicht nur geschätzt, sondern genossen hatte. Seine linke Hand strich leicht das Gesicht hinab und verharrte mit den Fingerspitzen an seinen Lippen. Ein leichtes Kribbeln breitete sich in ihnen aus, als er daran dachte, wie er er diese Momente genossen hatte. Es kam ihm vor wie ein Traum. Hatten sie sich tatsächlich geküsst? Im Badehaus, als Vincent völlig still und distanziert vor ihm gestanden hatte? Im Garten, als er ihn plötzlich selbst so nah bei sich haben wollte und ihn auf seinen Schoß gezogen hatte? Er seufzte leicht. Und was war das gestern Abend gewesen? Als er ihm zwischen seinem Wutausbruch und der Mordlust auf einmal so nah gekommen war? Als er...

Ein Zuschlagen einer Tür unweit von ihm riss ihn aus seinen Gedanken. ''Hier hockst du. Weit bist du ja nicht gekommen, was?'' Eilig rieb er sich über das Gesicht und versuchte die Gedanken und Erinnerungen zu vertreiben. Barret legte ihm eine Hand auf die Schulter und stütze sich an ihm ab, als er schwerfällig über den Stein stieg und sich neben ihn setzte. ''Aber das trifft sich gut. Ich wollte ohnehin nochmal mit dir reden.'' Verwundert blickte Cloud ihm entgegen. ''Worüber?'' Der Hüne ließ seine Hände auf die Beine sinken. ''Ach, nichts Großartiges. Nur eine Kleinigkeit die mir...'' Er machte eine Pause, schien zu überlegen, stemmte dann die Hände auf die Oberschenkel und beugte sich ein Stück vor. ''Nur etwas, dass mir persönlich am Herzen liegt.'' Ein Seufzen. Was zur Hölle wollte Barret ihm sagen? ''Mir ist aufgefallen, dass Tifa vorhin etwas aufgebracht war. Und auch sonst wirkt sie die letzte Zeit sehr bedrückt.'' Cloud stützte die Ellbogen auf den Beinen auf und lauschte weiter. ''Du weißt, Tifa und ich haben einen guten Draht zueinander und sie ist wie eine kleine Schwester für mich.'' Barret hob seine Linke und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. ''Wie soll ich's sagen... scheiße. Ich denke, du weißt, dass sie dich ziemlich gern hat. Verdammt, tu ihr nicht weh, klar?'' Er presste die letzten Worte ernst und mit Nachdruck zwischen den Lippen hervor, stand dann auf, klopfte Cloud noch einmal schwer auf die Schulter und ging dann wieder zum Hotel.

~Was...?~ Er hatte mit vielem, aber nicht damit gerechnet. Tifa nicht weh tun? Gab es denn einen Grund dazu? Erst jetzt, wo er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, wie oft sie zuletzt seine Nähe gesucht hatte. All die Berührungen. Ihr sanftes Lächeln, wenn sie mit ihm sprach. Wie sie zuletzt am Eingang immer wieder nach seiner Hand gegriffen hatte. Mit einem tiefen Seufzen rieb er sich über die Augen. Das war wohl der denkbar unpassendste Zeitpunkt. Und überforderte ihn. Komplett. In seinem Kopf begann es zu kreisen und er spürte, wie ihm schwindelig wurde. Das alles hatte keinen Zweck. Weiter Gedanken zu wälzen würde ihn an dieser Stelle, hier und heute, nicht weiter bringen. Am besten, er konzentrierte sich voll und ganz auf das Treffen mit Dio am nächsten Tag. Ja. Das war wohl das Sinnvollste, was er tun konnte. Als er sich erhob, ergriff die Müdigkeit Besitz von ihm. Schlafen. Schlafen war auch gut. Er richtete einen letzten Blick auf das windschiefe, gusseiserne Tor, dass den Eingang zu dem düsteren Park um das Hotel bildete. Hoffentlich würde Vincent morgen wieder da sein. Mit einem Seufzen presste er sich die Hand auf die Augen. ~Hör einfach auf zu denken.~ Dann wandte er sich um und ging wieder zum Hotel.

In der Eingangshalle war es ruhig und der alte Mann vom Empfang, der sich in einen der Stühle am Schachtisch gesetzt hatte, blickte kurz prüfend von seiner Zeitung auf. Als er Cloud erkannte, ließ er seine Augen wieder zwischen den knisternden Papierseiten verschwinden. Der Schlüsselanhänger klimperte verhalten, als er ihn beim Hinaufsteigen der Treppe aus der Hosentasche zog. Zum Glück war das Hotel nicht besonders groß und die Flure nach Ein- und Mehrbettzimmern getrennt. An der Zimmertür angekommen, schloss er leise auf und lauschte einen Moment. Alles war still und nur unter der Tür neben seiner, drang noch ein matter Lichtschein auf den Flur hinaus. Barrets Zimmer. Dann betrat er den Raum und drückte die Tür behutsam zurück ins Schloss.

Es war dunkel, die dicken Vorhänge waren vorgezogen und verschluckten den Großteil des schwachen Lichts, das von der Frontbeleuchtung des Hotels an der Hauswand empor strahlte. Es war nicht besonders groß, vor dem Fenster stand das Bett, in der Ecke daneben musste ein Tisch stehen, doch es war zu dunkel und seine Augen noch zu sehr ans Licht gewöhnt, als dass er Genaueres erkennen konnte. Direkt vor ihm wartete ein kleiner Rollwagen, auf dem ein Tablett mit kalt gewordenem Essen ruhte. Doch ihm war nicht nach essen. Erschöpft ließ er sich rücklings auf das Bett fallen und vergrub das Gesicht unter den Armen. Endlich Ruhe. Er atmete tief ein und wieder aus und bemerkte nicht, wie sich aus der dunklen Zimmerecke heraus ein Paar tiefroter Augen auf ihn richtete.

Ein Geheimnis

''Cloud.'' Erschrocken fuhr er hoch und blickte in die Richtung, aus der er seinen Namen gehört hatte, als sich langsam eine bekannte Silhouette aus dem Schatten löste. ''Vincent?'' Er blinzelte verwundert, als sich sein Freund neben ihm auf der Bettkante niederließ. Sein roter Umhang und auch sein Rüstungsarm fehlten. Das erklärte, warum er ihn nicht gleich gesehen hatte. Aber... war das Zimmer nicht verschlossen gewesen, als er hergekommen war? Wie war er hier rein gekommen und noch viel wichtiger war... ''Was machst du hier?'' Er musterte ihn eindringlich, als Vincent sich auf seinen Knien abstützte und die Hände faltete. Nur in seinem schwarzen Hemd sah er fast andächtig aus. Die Ärmel waren heruntergekrempelt und an den Manschetten verschlossen, doch völlig zerknittert, weil er sie die meiste Zeit hochgeschlagen trug. Eine dicke, schwarze Strähne rutschte langsam über seine Schulter, als er schließlich leicht seufzte und den Kopf kurz zu ihm drehte. ''Ich muss mich bei dir entschuldigen.'' ''Was?'' Cloud rutschte ein Stück weiter vor zur Kante. ''Ach was. Das ist doch nicht-'' ''Doch, das ist es.'' Er wandte den Kopf wieder um und der Blick seiner roten Augen blieb starr auf den Boden gerichtet, als er weitersprach. ''Ich war zwei Mal kurz davor dich zu töten.'' Cloud schluckte trocken, als die Worte so kühl über seine Lippen kamen. ''Das ist nichts, was unentschuldigt bleiben kann.'' Er ließ den Kopf sinken. ''Ich wollte dich wirklich nicht verletzen, auch das tut mir leid. Aber du schaffst es immer wieder im falschen Moment aufzutauchen.'' ''Vincent, ich-'' ''Ich bitte dich, lass mich einfach in Frieden.'' Cloud atmete erschrocken aus. Meinte er das ernst? Er musterte den blassen Mann und sein regloses Gesicht. Ja. Das tat er. ''Ich kann und will es nicht verantworten, dass es beim nächsten Mal vielleicht nicht so glimpflich ausgeht.'' Das war doch verrückt. Das konnte er nicht ernsthaft von ihm verlangen. Andererseits... warum nicht? Weil er... sich Sorgen um ihn machte? Weil er wissen wollte, was in ihm vorging? Cloud seufzte innerlich und bemerkte, wie idiotisch seine Gedanken waren. Im Prinzip war Vincent ihm doch völlig fremd und er war nicht dazu verpflichtet, für sein Seelenheil zu sorgen. Und doch konnte er sich mit dem Gedanken nicht abfinden. Auf eine sonderbare Art und Weise, lag ihm etwas an dem Schützen. Und er würde sich nicht so einfach abschieben lassen. ''Nein.'' Vincent sah auf. ''Vergiss es gleich wieder. So leid es mir tut, aber du gehörst zur Gruppe und wir lassen niemanden hängen. Du wirst mich nicht so schnell los und so leicht lasse ich mich von dir sicher nicht töten.'' Ein schwaches und kurzes Lächeln huschte über Clouds Lippen, als er bemerkte, wie Vincents Augen verlegen nach einem neuen Ankerpunkt im Zimmer suchten. ''Die Sache mit Hojo macht dir ziemlich zu schaffen. Und du gehst hin und versuchst allein damit klar zu kommen.''

Der schwarze Schopf schüttelte sich langsam und ein stummes Lachen ließ ein leichtes Beben durch den Körper fahren. ''Das sagt mir gerade der Richtige.'' Er wandte den Kopf um und bedachte Cloud mit einem vorwurfsvollen, aber nicht unfreundlichen Blick. ''Hojo ist mein Problem. Nicht deines.'' ''Vincent, bitte. Was ist damals passiert?'' ''Ich werde nicht mit dir darüber reden.'' Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. ''Aber vielleicht ist das der Weg, um nicht ständig aufs Neue darüber in Raserei zu geraten. Du kapselst dich ab, machst aus allem ein Geheimnis und kommst damit selbst nicht zurecht.'' Vincent hob den Kopf, legte ihn leicht in den Nacken und schwieg für eine Weile. Dann richtete er seine Augen erneut auf den Jüngeren. ''Du weißt, wie lächerlich das klingt, wenn du mir das sagst.'' Cloud wandte den Kopf mit einem verärgerten Schnauben zur Seite. Bedauerlicherweise hatte er nicht Unrecht. Verhielt er sich selbst nicht meist genauso? Vincent wiegte den Kopf leicht hin und her, dann neigte er ihn auf die Schulter. Andererseits... was hatte er schon zu verlieren? Er hatte Cloud auf dem Weg zur Rocket Town bereits ein kleines Stück weit in seine Vergangenheit eintreten lassen. ''Du willst es wirklich wissen?'' Verwundert blickten die blauen Augen auf. ''Es ist keine schöne Geschichte.'' ''Erzähl mir was von schönen Geschichten.'' Richtig. Cloud hatte seine eigene dunkle Vergangenheit. Und Gegenwart. Vincent richtete seinen Oberkörper auf und setzte sich ein Stück zurück. ''Ich hatte dir schon gesagt, dass ich damals als Turk bei Hojo war. Zu seinem und zum Schutz seiner Mitarbeiterin.'' Er schluckte leicht. War er sich sicher, dass er ihm davon erzählen wollte? Es war seine Geschichte, sein eigenes Anliegen. Und er hatte so lange versucht, alles einfach zu vergessen... ''Du meinst Lucrecia?'' Wie ein Stich bohrte sich ihr Name durch seine Ohren und er musste zusammengezuckt sein, denn sein Freund bedachte ihn mit einem vorsichtig fragenden Blick. ''Ja. Es war die Zeit, als Jenova von Shin-Ra aufgelesen wurde und die Experimente mit Mako und ihren Zellen starteten.'' Cloud sah betreten zu Seite. ~Ich weiß... auch deine Vergangenheit liegt ein Stück weit an diesem Ort.~ ''Hojo ist eine miese Ratte. Er war skrupellos und rücksichtslos, auch gegen den Rest des Laborteams. Ich habe das Drama irgendwann nicht mehr ertragen und ihn zur Rede gestellt. Wir hatten eine heftige Auseinandersetzung, daraufhin hat er mich erschossen.'' Cloud keuchte auf und sah erschrocken zu Vincent herüber. ''Erschossen? Aber...'' ''Du erinnerst dich, was ich dir über seine Experimente erzählt habe?'' Er nickte leicht. ''Für die Shin-Ra bin ich im Einsatz verschollen und gelte als tot.'' ''Das heißt, sie wissen nichts von der Angelegenheit?'' Vincent zuckte leicht mit den Schultern. ''Ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht auch nicht, aber ich habe das Labor danach nicht wieder verlassen.'' ''Was hat er mit dir angestellt?'' Cloud stütze sein Kinn auf seiner Hand auf und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus, wie sich die Knöchel an Vincents Händen weiß färbten. ''Ich weiß es nicht genau, vieles habe ich gar nicht mitbekommen, an anderes erinnere ich mich nur noch schemenhaft. Ich weiß nur, dass ich irgendwann wach geworden bin und...'' ~Und sie gesehen habe...~ Die Erinnerung an ihr Gesicht keimte wie eine unheilvolle Vorahnung in ihm auf. Er sah es noch deutlich vor sich, fast so, als stünde sie direkt vor ihm. Dieses entsetzte Gesicht. Ihre angsterfüllten Augen. ''Vincent?'' Als sie gesehen hatte, was aus ihm geworden war. Als sie dieses Monster gesehen hatte... Ein dunkles Rumoren durchzog seinen Körper. ~''Hast du mich schon vermisst?''~

Ruckartig vergrub Vincent seine Finger im Haaransatz und verbarg sein Gesicht in den Händen. ''Vincent?'' Alarmiert setzte sich Cloud auf. ''Verschwinde...'' Seine Stimme war kaum zu hören. ''Was?'' ~''Aber ich bin doch eben erst aufgewacht.''~

''Verschwinde aus meinem Kopf...'' Er presste die Worte hart zwischen den Zähnen hervor. Cloud blickte ihm verwirrt entgegen. Was ging hier vor? ~''Komm schon, lass mich ein bisschen spielen. Du vermisst sie doch auch, die Schreie?''~

Wieso musste es ausgerechnet jetzt auftauchen?

Eilig erhob er sich und wankte ein paar Schritte in den Raum hinein, ehe das finstere Grollen in seinem Innern ihn wieder in die Knie zwang. Panisch umklammerte er seinen Kopf und versuchte gegen die Stimme anzukämpfen.

~''Erinnerst du dich noch an ihre Gesichter? So voller Ehrfurcht und Angst?''~

''Raus... aus meinem... Kopf...''

~''Du hast ihr Gewinsel doch auch genossen.''~

Die Stimme in ihm säuselte verführerisch. Keuchend stütze er sich mit einer Hand auf dem Boden ab.

Verwirrt und unbeholfen stürzte Cloud zu seinem Freund auf den Teppich und musterte ihn besorgt.

''Vincent? Was ist mit dir?''

~''Erinnere dich an ihr Gesicht! Sie hat deinen Namen gerufen.''~

''Sie... nein...''

~''Du weißt, dass du sie fast getötet hättest. Jetzt hast du noch einmal Gelegenheit dazu!''~ Die Stimme wurde drängender.

''Nein... ich...''

~''Du wolltest es! Für all das, was sie dir angetan hat!''~

''Lucre...cia...'' Cloud ergriff die Hand, die sich zitternd nach ihm ausstreckte. ''Vincent! Hörst du mich?''

~''Vincent, hörst du sie?''~

~*Vincent!*~ Ihre helle, flehende Stimme bohrte sich wie ein Blitz durch seinen Kopf.

''Bist... du...''

~*Vincent! Hör nicht auf ihn!*~ Ihre Hände legten sich sanft auf seine Schultern.

~''Hast du vergessen, wie viel Angst sie vor dir hatte? Wie abstoßend sie dich fand?''~

''Hier...?'' Zaghaft bekamen seine Hände Stoff zu fassen und krallten sich Halt suchend daran fest.

~*Vincent! Sieh mich an! Hör nicht auf ihn!*~ Der Griff um seine Schultern wurde fester und hielt ihn schützend.

~''Worauf wartest du? Du kannst es ihr jetzt heimzahlen!''~

''Warum... hast du...''

~*Sieh mich an! Bitte!*~ Angestrengt hob er den Kopf und blickte in ihre braunen Augen. Ihre sanften, braunen Augen. Der Dämon in ihm schrie auf.

~Los! Töte sie!~ Blickte in ihr besorgtes Gesicht.

''Mich...''

~*Vincent. Es tut mir so leid.*~

Es waren blaue Augen. Es war nicht sie.

''Vincent. Kannst du mich hören?'' Erschöpft zog er sich an den anderen Körper und ließ seinen Kopf auf die Schulter sinken. Es waren nur die Erinnerung an sie gewesen.

''Cloud...'' ''Ja.'' ''Es tut mir leid...''

Die Stimmen in seinem Kopf verstummten. ''Schon gut. Es ist nichts passiert.'' Richtig. Doch es hätte schlimmer ausgehen können... Das Monster in ihm war so sehr auf Rache aus, dass es auch vor anderen keinen Halt mehr machte. Und fast hätte es ihm glaubhaft eingeredet, jemand anderen vor sich zu haben. Aber er hatte ihre Stimme gehört, oder nicht? Langsam löste Vincent seine Finger, die sich fest in das Shirt seines Freundes gekrallt hatten und hob den Kopf von seiner Schulter. ''Aber sag mir, was war das gerade?'' Er sah auf. ''Meine Vergangenheit... die mich eingeholt hat.'' ''Damals ist noch mehr passiert, richtig? Du hast ihren Namen gesagt. Lucrecia. Was hat sie mit der ganzen Sache zu tun?'' Ein betrübtes Seufzen drang über seine Lippen. ''Sie war der Grund für den Streit mit Hojo.'' ''Ich verstehe.'' Cloud nickte kurz. ''Hast du sie geliebt?'' ''Vielleicht.'' Vincent setzte sich auf und ließ sich zurück auf den Boden sinken. Langsam zog er die Knie an und legte die Arme darauf ab. ''Sie hat einen Teil der Experimente geleitet.'' ''Die Jenova-Versuche?'' ''An mir.'' Cloud schreckte ein Stück zurück und schluckte trocken. ''Sie tat es, im Gegensatz zu Hojo, nicht in böser Absicht, doch sie machte alles nur noch schlimmer. Es wäre besser gewesen, ich wäre tot geblieben und nicht wieder aufgewacht. Jetzt trage ich diese Geschichte Tag für Tag mit mir.'' Er seufzte schwer und verschränkte die Arme auf den Beinen. ''Ich kann kaum glauben, was du sagst.'' ''Du kannst es sehen, wenn du möchtest.'' ''Wie bitte?'' Verwirrt blinzelte Cloud ihm entgegen. ''Wie ich sagte.'' Vincent löste eine Hand und zupfte erklärend am Kragen seines Hemdes. Hatte er sich das gut überlegt?

Neugier brannte in Cloud auf. Nach allem, was er erzähl hatte... Er ging auf die Knie und rutschte ein Stück an seinen Freund heran. War es falsch, es sehen zu wollen? Unbehagen mischte sich mit der Neugier. Doch wenn stimmte, was er erzählte... Auch wenn es vielleicht nicht richtig war, doch er musste es einfach sehen. Routiniert hatte Vincent die kleinen, silbernen Knöpfe des zweireihigen Hemdes schnell geöffnet und tauschte einen letzten, fragenden Blick mit dem Jüngeren. Dann raffte er die Leisten und zog den Stoff vorsichtig auseinander.

Vincent wandte den Kopf zur Seite, er wollte sich diesen ersten Anblick ersparen. Zudem kannte er ihn in und auswendig. Cloud zögerte einen Moment, als er es bemerkte, doch seine Neugier war zu groß. Langsam richtete er seinen Blick auf den entblößten Oberkörper und sog kurz erschrocken die Luft ein. Die blasse Haut war von unzähligen Narben übersät. Jetzt wusste er auch, weshalb Vincent seine Hand in der Nacht im Garten aufgehalten hatte. Er hatte Angst gehabt, dass er ihn berührte. Doch je länger er ihn betrachtete, umso stärker wurde das Bedürfnis, genau das zu tun. Vincent ergriff den Kragen des Hemdes, zog es die linke Schulter hinab, öffnete die Manschette und schlüpfte aus dem Ärmel heraus. Auch die Haut an seinem Arm bestand fast vollständig aus Narben. Vorsichtig fuhr er mit dem rechten Zeigefinger über den Arm und drehte ihn zu Cloud. ''Das hier habe ich Hojo zu verdanken.'' Cloud folgte der Geste mit seinem Blick. Eine saubere, schlohweiße Narbe zog sich um das komplette Schultergelenk herum und die Innenseite seines Oberarms hinab und endete in einem Wust abertausender, kleiner Injektionsnarben in der Armbeuge. ''Aber ich dachte, damit hätte er nichts zu tun gehabt? Du meintest doch-'' ''Ich meinte die Rüstung. Du schienst zu glauben, darunter wäre kein Fleisch.'' Vincent lächelte leicht. ''Allerdings ist auch das hier nicht mehr alles menschlich.'' ''Verstehe.'' Clouds Blick wanderte den Arm weiter hinab. Die feinen, sauberen Linien, die augenscheinlich mit medizinischer Präzision gesetzt wurden und der Länge nach bis zur Hand hinabliefen, wurden an vielen Stellen von groben, ausgefransten und wulstigen Narben durchbrochen. Unter ihnen waren noch mehr Narben. ''Ich weiß nicht, wie viele Knochen noch normal sind, aber viele werden es nicht sein.'' ''Was ist mit dem Rest?'' ''Hm?'' Als er Clouds Fingerspitze folgte, merkte er, dass er von den anderen Narben sprach. ''Das war ich.'' Die blauen Augen blickten entsetzt zu ihm auf. ''Als Hojo mir mit seiner überschwänglichen Euphorie erzählte, was er alles mit mir angestellt hatte, bin ich ausgetickt. Ich habe nur einen Bruchteil von dem was er sagte, überhaupt verstanden, doch ich habe gespürt, dass etwas anders war. Mein Körper hat sich fieberhaft gegen die Fremdkörper gewehrt und als ich entdeckte, dass ich keine Schmerzen spürte, bin ich fast wahnsinnig geworden. Mein Arm war praktisch tot und ich habe alles versucht, um das Gefühl wiederzuerlangen und die Dinge, die Hojo mir eingepflanzt hatte, loszuwerden.'' Fast andächtig strich er über seine verunstaltete Haut. Cloud bemerkte, dass sein kompletter linker Arm fast weiß war, obwohl auch seine eigentliche Hautfarbe nur unwesentlich dunkler war. ''Bis heute hat sich nur ein Bruchteil der Nerven regeneriert und Schmerz ist eher eine dumpfe Erinnerung.'' Er strich sich mit dem Daumen über die Fingerkuppen und betrachtete die dunklen Flecken auf seiner Handfläche. Sie waren schon fast wieder völlig verheilt. ''Und die hier sind...?'' Vincent zuckte leicht zusammen, als Clouds Fingerspitzen plötzlich seine Haut berührten und senkte den Blick hinab auf seine Brust, wo die Linke seines Freundes knapp unter den runden, weißen Narben ruhte. ''Ja. Die Einschusslöcher.'' Seine Hand strich kurz über seinen angespannten Bauch, auf dem sich der Rest verteilte. ''Neunzehn Stück. Ein volles Magazin einer Glock Siebzehn C.'' Als er Clouds verwirrten Blick bemerkte lächelte er leicht. ''Entschuldige. Da spricht der Turk aus mir.''

''Hm.'' Cloud nickte nur knapp und betrachtete nachdenklich den Körper vor ihm. Er konnte sich nicht helfen, doch auf eine sonderbare Art und Weise fand er den Anblick, der sich ihm bot, wunderschön. Langsam ließ er seine Finger über die Brust nach unten gleiten und ertastete weitere, hauchdünne Narben auf dem Rippenbogen, ehe sie noch weiter hinab für einen kurzen Moment auf dem Bauch zum Stehen kamen und dann der großen, breiten Narbe in der Körpermitte wieder nach oben folgten. Es sah aus, als hätte ihn jemand der Länge nach aufgeschnitten. Auf seiner Brust, knapp darüber, prangten dunkel die fünf frischen Wunden.

Vincent war still geworden. Sein Atmen ging flach und er hatte den Blick zur Seite abgewandt, als Cloud seine Augen den bloßen Oberkörper hinauf in sein Gesicht wandern ließ. Trotz seines Schweigens, schrie seine Erscheinung deutlich ein einziges Wort: verletzlich.

''Die Wunden sind von gestern Nacht, richtig?'' Es kam keine Antwort, doch es bedurfte auch keiner. Er ließ seine Hand auf der Stelle ruhen. Ein sonderbares Kribbeln durchzog seine Fingerspitzen, als er registrierte, wie nah er seinem Freund gerade war. Da war sie wieder. Diese seltsame Faszination für diesen düsteren Mann. Er hätte nie damit gerechnet, dass sich ein solcher Anblick unter dem roten Umhang verbarg und erneut ließ er seinen Blick über die blasse Haut wandern. All die Narben schienen sie zu einem bizarren, aber auf ihre ganz eigentümliche Art und Weise, schönem Gemälde zu machen.

Völlig in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, wie sich sein Gegenüber plötzlich regte und er zuckte leicht zusammen, als Vincent seine Hand ergriff und sie sacht umfasste. Sein Herz machte einen Sprung. Er spürte, wie die kühle Hand, die auf seiner ruhte, langsam die Wärme seiner eigenen annahm und der Daumen kurz und sanft über seine Finger strich. Es war das erste Mal, dass er seine Hand so berührte. Unweigerlich schweiften seine Gedanken zurück zur Nacht im Garten, als sie sich bereits einmal so nah gekommen waren. ''Du findest es nicht schlimm?'' Er brauchte einen Moment, ehe die Worte bis zu ihm durchdrangen. ''Hm?'' ''Ich hatte Angst, du fändest es abstoßend, wenn du es siehst.'' Vincents Hand glitt hinab zum Handgelenk und umfasste es, während sich sein Daumen langsam in seine Handinnenfläche legte. Cloud sah auf. Der stille und

verwundbare Ausdruck auf dem Gesicht des anderen, war einem hauchzarten Lächeln gewichen und die roten Augen bedachten ihn mit einem sonderbaren Blick. Er fühlte, wie das Tempo seines Herzschlags langsam stieg. ''Nein. Überhaupt nicht. Ich...'' Vincent drehte sich ein Stück zu ihm um, als er mit seiner zweiten Hand sanft an Clouds Wange entlang strich, unter seinem Kinn zum Halten kam und es leicht anhob. ''Dann...'' Er beugte sich vor. ''Bin ich beruhigt.''

Ein Hauch von Zuckerwatte

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Wüstensand

Ein wiederholtes Klopfen an der Tür weckte ihn. ''Cloud?'' War es etwa schon morgen? Er öffnete die Augen. Im Zimmer war es noch genauso dunkel wie vorher, aber im Saucer gab es auch kein Tageslicht. ''Cloud, bist du wach?'' Die Tür öffnete sich vorsichtig. ''Herrje, du liegst ja noch im Bett!'' Flackernd leuchtete der Kandelaber an der Zimmerdecke auf und geblendet vom plötzlichen Lichteinfall, kniff er die Augen zusammen. Warum fühlte er sich noch so unsäglich müde? Hatte er so wenig geschlafen? Er rieb sich mit den Händen durch das Gesicht und setzte sich träge auf. Wie spät war es gewesen, als Vincent...? Er hatte das nicht geträumt, oder? Seine Finger verweilten kurz in seinen Haaren. ''Gegessen hast du auch nichts?'' Er hörte Schritte in den Raum kommen, wie sie kurz stoppten und dann weiter auf ihn zukamen. Eine Hand streckte ihm sein Shirt entgegen. Richtig. Er hatte es auf dem Boden liegen lassen. Kein Traum. Tifas braune Augen blickten ihm auffordernd entgegen, als er den Kopf hob und ihr mit einem Seufzen das Shirt abnahm. ''Du siehst aus, als hättest du nicht gut geschlafen.'' Behutsam strich sie ihm eine Strähne seines zerwühlten Haares zurück. ''Ja.'' Er rutschte bis zur Bettkante vor. ''Der Mann vom Empfang hat gesagt, dass Dio bereits auf dem Weg hierher ist. Also los, steh auf.'' Sie lächelte ihm sanft entgegen, drehte sich um und ging ein paar Schritte auf die Tür zu. ''Oh und Vincent ist wieder aufgetaucht. Aber er sah nicht so aus, als wäre diesmal etwas passiert.'' ''Ich weiß.'' Er zog sich sein Shirt über und war froh, dass seine Antwort vom Stoff verschluckt wurde. Sie sah über die Schulter. ''Bitte?'' Eilig schob er den Saum in die Hose, erhob sich und schloss den Gürtel. ''Gut. Das ist... gut.'' Tifa wandte sich wieder um. ''Ja. Also, wir warten unten auf dich.'' Dann verließ sie das Zimmer. Seufzend bedeckte er die Augen mit der Hand. Es war kein Traum gewesen.
 

~
 

Der Rest wartete bereits in der Eingangshalle, als er die Treppe hinabkam. Cid verschränkte die Arme, als er ihn sah. ''Wird das jetzt neuerdings zur Gewohnheit, dass wir auf dich warten müssen, Prinzessin?'' Cloud erwiderte ihm nur einen strengen Blick. ''Hey, hey! Dio ist doch sowieso noch nicht hier. Also sei mal nicht so, alter Mann.'' Mit überspitzten Bewegungen ahmte Yuffie Cids Haltung nach und lehnte sich gegen seine Schulter. ''Pah.'' Mürrisch verzog er das Gesicht. ''Aber er wird jeden Augenblick hier sein und jetzt sind wir doch vollzählig.'' Tifa klatschte einmal in die Hände und schenkte der Gruppe ein breites Lächeln. Cloud kam in der Raummitte zum Stehen und fast wie von selbst suchten seine Augen nach dem roten Umhang. Er fand ihn ein Stück abseits, gegen die große Standuhr gelehnt. Vincent blickte ihm ausdruckslos und kühl entgegen, dann verschränkte er die Arme und wandte seine Augen ab. Er wich ihm wieder aus? Doch noch bevor er den Gedanken weiter verfolgen konnte, öffnete sich knarrend die Eingangstür und zwei Wachmänner, gefolgt von einem stattlichen, hochgewachsenen Mann im Anzug, betraten das Hotel. ''Guten Morgen!'' Der eindrucksvolle Bart kräuselte sich freundlich. ''Es tut mir leid, dass ich euch habe warten lassen, aber ein Mann wie ich hat viel zu tun.'' Er lachte durchdringend und trat Cloud entgegen. ''So ungewohnt formell, Dio?'' Cid musterte die Kleidung des Parkeigentümers mit hochgezogener Augenbraue. ''Nun, auch ich unterliege gewissen Gesellschaftskonformitäten.'' Er zuckte nur knapp mit den Schultern, ließ seinen Blick einmal durch die Gruppe gleiten und wandte sich wieder an Cloud. ''Junge, was führt euch zu mir? Was kann ich für euch tun?'' Die braun gebrannten Hände legten sich kräftig auf seine Schultern und drückten ihn freundschaftlich. ''Dio.'' Cloud seufzte leicht. Warum um alles in der Welt musste ihn eigentlich immer jeder anfassen? Andauernd. Er zog sich aus der Berührung zurück. ''Wir haben die Information bekommen, dass ein Shin-Ra Mitarbeiter ins Lager gekommen ist.'' Eine der buschigen Augenbrauen im Gesicht des breiten Mannes hob sich aufmerksam an. ''Wir müssen dringend mit ihm reden.'' Dio ließ eine Hand in der Jacketttasche verschwinden und musterte ihn fragen. ''Gefangenenverhör? Um was geht es denn?'' Barret trat ein Stück an sie heran. ''Das würden wir gern mit ihm selbst besprechen.'' ''Nun, ich bin eigentlich immer gern darüber informiert, was hier in meinem kleinen Reich von statten geht. Seht es mir nach, aber ich bin nur um Recht und Ordnung bemüht.'' Er seufzte leicht, nahm die Hand wieder aus der Tasche und klappte das Handy auf, dass er soeben mit herausgezogen hatte. ''Dio, bitte. Es ist wirklich sehr wichtig für uns.'' Ruhig tippte er eine Nummer ein und legte das Telefon ans Ohr. ''Also gut. Dann lasst uns keine Zeit verlieren und gehen, bevor die Gäste in den Park kommen.'' Er drehte sich um. ''Ester? Ja. Sag Mr. Coates Bescheid. Er bekommt Besuch.''
 

~
 

Im Saucer herrschte bereits reges Treiben. Die Mitarbeiter der Fahrgeschäfte, Buden und Attraktionen liefen geschäftig über die Wege und vom Eingang her drang bereits sonores Stimmengewirr der Besucher des neuen Tages. Um zum Chocobo-Square zu gelangen mussten sie fast einmal quer durch den kompletten Park. Cloud blickte kurz über die Schulter. Wie erwartet fand er Vincent am Ende der Gruppe. Sein Blick wurde nicht erwidert, stattdessen lächelte ihm Tifa entgegen. Er nickte ihr nur leicht zu und drehte sich mit einem leisen Seufzen wieder um. Wie von selbst erschienen die Bilder von Vincent, wie er ihn noch vor wenigen Stunden gesehen hatte, in seinem Kopf. Der Arm, dessen Haut fast nur noch aus Narben zu bestehen schien, dazwischen die feinen Linien der Operationswunden, die alten Schussverletzungen auf seiner Brust. Er hätte nie damit gerechnet, so etwas unter der kühlen, rationalen Oberfläche des Schützen zu entdecken. Der Anblick hatte ihn sehr fasziniert und tat es auch noch immer. Ein leichtes Kribbeln durchzog seine Fingerspitzen, als er daran dachte, wie er die Narben berührt hatte. Er hatte jede Erhebung, jede kleine Linie gespürt, als wären sie ein altes Relief, das seine Geschichte erzählte. Ein flüchtiges Schmunzeln huschte über seine Lippen, als er daran dachte, dass sich Vincent tatsächlich Gedanken darum gemacht hatte, dass ihn dieser Anblick abstoßen könnte. Dabei war es das genaue Gegenteil. Spannend, aufregend und auf seine eigene Art wunderschön. Er musste daran denken, wie sich dieser blasse, schöne Körper gegen seinen gelehnt hatte, als er ihn geküsst hatte. Erst Küsse, dann Berührungen, dann... ~Nein. Ganz falscher Zeitpunkt...~ Er konnte nicht jetzt darüber in Träumerei verfallen, doch die Bilder ließen ihn nicht in Ruhe. Mit ihnen kam allerdings auch seine Unsicherheit zurück. Er musste zugeben, dass Vincent ihn überraschend geschickt verführt und auch verwöhnt hatte, doch wie sollte er das Ganze nun einordnen? Auch, dass sein Freund einfach gegangen war. Ohne ein weiteres Wort. Und nun blieb sein Gesicht wieder so stumm. Was er wohl über diese ganze Angelegenheit dachte? Eine Stimme lenkte seine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zu. ''…könnt ihr mit ihm besprechen.'' Dio hatte sich ein Stück zurückfallen lassen und ging neben ihm her. ''Entschuldige, was?'' Der auffällige Bart kräuselte sich. ''Anderswo unterwegs gewesen?'' Er lachte leicht. ''Na bei der hübschen Gesellschaft auch kein Wunder.'' Er wandte den Kopf zu Tifa und Yuffie um, die nur wenige Schritte hinter ihnen gingen und zwinkerte ihnen großmütig zu. ''Mr. Coates wartet unten im Lager auf euch. Alles weitere könnt ihr dann also mit ihm besprechen.''

Sie passierten den Eingang zum Chocobo-Square und wurden vor den Türen zu den Mitarbeiterräumen von Ester empfangen. ''Dio! Schön, dass du wieder da bist! Du musst später unbedingt noch einen Blick auf die Teilnehmer-Liste werfen.'' Die Feder in ihrem Haar wippte aufgeregt, als sie den Kopf drehte. ''Und Cloud, schön dich und die anderen wiederzusehen. Ich hoffe, ihr hattet einen angenehmen Aufenthalt.'' Sie lächelte ihm breit entgegen und strich sich die Schürze glatt. ''Hast du unten schon Bescheid gegeben?'' Dio griff an ihr vorbei und öffnete die Tür. ''Selbstverständlich!'' Sie salutierte auf ihre eigene, zuckersüße Art und machte ihnen den Durchweg frei. In den schmalen Gängen waren Reiter, Trainer und Pfleger der großen Vögel unterwegs und bereiteten alles für den ersten Wettkampf des Tages vor. Mühsam drängten sie sich an ihnen vorbei, in die hinteren Bereiche, wo der Fahrstuhlschacht runter zum Gefängnis lag.

''So. Da wären wir.'' Mit einem schrillen Kreischen zog Dio das Schutzgitter zum Eingang der Kabine zur Seite. Prüfend warf er einen Blick hinein, dann drehte er sich zu ihnen um. ''Ich fürchte, ihr werdet nicht alle zusammen reinpassen.'' Cloud sah kurz zur Seite. ''Das macht nichts. Wir gehen zu viert.'' Mit einer knappen Handbewegung teilte er die Gruppe auf und noch bevor Tifa protestieren konnte, stiegen die vier Männer in die Kabine. ''Also gut.'' Dio zog das Gitter wieder ins Schloss. ''Richtet Mr. Coates die besten Grüße aus. '' Dann betätigte er den Taster und der Aufzug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. ''Und wir können uns gemeinsam das erste Rennen anschauen.'' Freundlich legte er seine Arme um die Schultern der zurückgebliebenen Frauen.
 

~
 

Quietschend und zitternd taumelte der Metallkäfig nach unten. ''Teufel, ich habe ganz vergessen, wie warm es hier ist.'' Cid ließ sich gegen die Eisenstreben sinken und schob die Ärmel seiner Fliegerjacke nach oben. Und tatsächlich wurde es mit jedem Meter, den sie dem Boden wieder näher kamen, wärmer. Die trockene Wüstenluft stieg den Fahrstuhlschacht hinauf und brachte den ersten Sand mit. Mit einem leisen Seufzen verschränkte Cloud die Arme vor der Brust und sah auf. Unmittelbar vor ihm stand Vincent. Für einen Moment ließ er seinen Blick über den Rücken gleiten, der unter dem Umhang verborgen lag. Wann würde er wohl die nächste Gelegenheit haben, mit ihm zu reden? Er war sich nicht sicher warum, doch er hatte das dringende Bedürfnis danach. Nur langsam ruckelte die Metallkabine weiter hinab. ''Ich hoffe, dass sich Reeves Infos auszahlen und der Kerl wirklich was weiß.'' Barret drehte sich mühsam ein Stück zu Cloud und Cid um und legte die Stirn in Falten. ''Wenn der ganze Weg jetzt umsonst war, dann knöpf ich ihn mir vor.'' Der Pilot schüttelte leicht den Kopf. ''Bin ganz dabei.''

Mit einem harten Ruck setzte die Kabine am Ende des langen Schachts endlich auf. Barret griff in das Gitter und zog die Tür zur Seite. ''Sieh an, sieh an, wenn das nicht unser Choco-Boy ist.'' Ein schlaksiger Mann im grünen Anzug, wartete in der kleinen Halle, die vom Aufzug raus ins Lager führte. ''Willkommen zurück in der Wüste.'' Mit einem schiefen Grinsen ließ er die Hände in den Taschen der zu großen Anzugjacke verschwinden. ''Mr. Coates.'' Cloud nickte ihm leicht zu. ''Ich denke, Dio hat ausrichten lassen, weshalb wir hier sind?'' ''Nicht genau, aber bitte, kommt doch erst mal mit ins Büro.'' Staubtrockene Luft schlug ihnen entgegen, als sie den Turm verließen. Der Leiter des Corel Gefängnisses führte sie quer durch das Lager. Wüstensand knirschte verhalten unter ihren Stiefeln. Auf einer eingezäunten Schrottsammelstelle waren Insassen in Blaumännern dabei, noch brauchbare Teile aus den Metallhaufen zu sammeln. Mit argwöhnischen Blicken beobachteten sie die Gruppe, als sie vorbeigingen.

''Immer rein in die gute Stube.'' Der Mann schloss die Tür zu einer Holzhütte auf. Durch die halbherzig zusammengezimmerten Holzbohlen drang die Morgensonne hinein und tauche den Raum in ein angenehmes, warmes Licht. Neben einem Spind, zwei hohen Regalen und einer Kommode stand noch ein großer Schreibtisch mitten im Raum. Mit dem Fuß schob er einen Keil unter die Tür, nachdem alle die Hütte betreten hatten und wandte sich dann an sie. ''Also? Was kann ich für euch tun?'' Cloud ließ seinen Blick kurz durch die Hütte schweifen und stemmte eine Hand in die Hüfte. ''Wir haben die Info bekommen, dass ein ehemaliger Shin-Ra Mitarbeiter hierher gekommen sein soll.'' Der Mann zögerte einen Moment, versetzte dem Keil noch einen letzten Tritt mit der Schuhspitze und ging dann an ihnen vorbei. ''Ja, das ist korrekt.'' ''Gut. Wir müssen mit ihm reden.'' Am Schreibtisch angekommen, schob er mit spitzen Fingern einen zerfledderten Ordner zur Seite und ließ sich dann auf der Ecke nieder. ''Worüber?'' ''Das geht dich einen feuchten Dreck an.'' Barret schlug mit der Faust auf den Tisch und verhalten klimperte die protzige Goldkette um den Hals des anderen, als er erschrocken zusammenfuhr. ''Ah, du bist doch Dynes Freund, oder?'' Die Miene des Hünen verdunkelte sich für einen Moment. ''Ja, das bin ich. Aber das tut hier nichts zur Sache.'' Er verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte den Mann mit einem finsteren Blick. Beschwichtigend hob dieser die Hände an und zupfte sich dann das Revers zurecht. ''Ok, ok. Also, ihr wollt mit einem meiner Insassen sprechen, richtig?'' ''Richtig.'' Cid schlüpfte aus seiner Jacke, raffte sie in einer Hand zusammen und fischte mit der anderen in den Taschen nach einer Zigarette. Mr. Coates griff nach dem Ordner, schlug ihn auf dem Oberschenkel auf und begann darin herumzustöbern. ''Wenn mich nicht alles täuscht...'' Er blätterte ein paar Seiten vor, wieder ein paar zurück und überflog die Zeilen mit rastlosen Augen. ''Aha. Da.'' Sein Zeigefinger stieß mit einem dumpfen Geräusch auf dem knittrigen Papier auf, dann klappte er den Ordner wieder zu und ließ ihn neben sich auf der Platte aufschlagen. ''Ich werd' ihn herholen. Fühlt euch ganz wie zuhause.'' Er erhob sich, beugte sich hinter den Schreibtisch und stellte zwei staubige Flaschen nebst Gläsern auf den Tisch. ''Bitte.'' Dann richtete er seinen grellgrünen Anzug und verließ das Büro.

Streng geheim

Cid schob sich die Zigarette in den Mundwinkel und griff nach einer der Flaschen. Knirschend öffnete sich der Drehverschluss und vorsichtig roch er daran. Missmutig stellte er sie zurück, griff nach der zweiten und vollführte die Prozedur ein weiteres Mal. ''Ah, ich hatte schon befürchtet, noch länger auf dem Trockenen sitzen zu müssen. Der Mann weiß, was sich gehört.'' Er griff nach einem Glas, wischte den Staub mit den Fingern vom Rand und goss sich ein. Nach einem großzügigen Schluck füllte er das Glas wieder auf und fischte dann das zerknitterte Streichholzbriefchen aus seiner Jackentasche. Es war schon fast aufgebraucht. Behutsam zündete er seine Zigarette an, dann griff er kurzerhand nach der Streichholzschachtel, die auf dem Schreibtisch neben einem halbvollen Aschenbecher lag. Er schüttelte sie kurz, ließ sie dann in der Hosentasche verschwinden, griff nach seinem Glas und lehnte sich gegen den Tisch. Barret tat es ihm gleich und gönnte sich ein volles Glas aus der vermeintlichen Wasserflasche.

In der Holzhütte wurde es zunehmend wärmer. Es war noch Vormittag und die Sonne hatte noch längst nicht ihren höchsten Punkt erreicht, doch hier in der Wüste des abgesenkten Tals um den Gold Saucer war es bereits jetzt ausgesprochen warm. Vincent raffte den breiten Kragen seines Umhangs ein Stück nach unten. Auch wenn ihm die Hitze nicht behagte, so ließ er sich doch kaum etwas anmerken. Das war Teil seiner früheren Ausbildung gewesen. Den Gegebenheiten trotzen, sich den Umständen anpassen. Körperbeherrschung und einen kühlen Kopf bewahren. Und das war genau das, was er nun brauchte. Ihm war nicht entgangen, dass Cloud schon die ganze Zeit versuchte, Kontakt zu ihm aufzunehmen, doch er konnte ihm noch nicht wieder entgegenblicken. Sobald er ihn ansah, hatte er den schlanken, nackten Körper vor Augen, der sich unter seinen Berührungen so lustvoll gewunden hatte. Er konnte sich nicht helfen, aber die Bilder gingen ihm einfach nicht aus dem Kopf. So defokussiert zu sein war gar nicht seine Art. Er seufzte innerlich. Hoffentlich würde sich diese Aufregung bald wieder legen. Zögerlich sah er zur Seite und entdeckte, was er erwartet hatte. Die blauen Augen bohrten sich mit einem intensiven Blick in ihn hinein. Er hielt es nicht länger aus. Eilig wandt er sich um und verließ die Hütte.

Draußen brannte ihm die Sonne entgegen. Er ließ sich mit dem Rücken gegen die Außenwand sinken. Die Wärme der Holzbohlen strahlte durch seine Kleidung und machte die aufkommende Mittagshitze noch ein Stück unerträglicher, doch alles war ihm gerade lieber, als so nah bei Cloud zu sein. Mit tiefen Atemzügen brachte er sich langsam wieder zur Ruhe und schloss für einen Moment die Augen. Zwischen der ganzen Aufregung war dieses andere, sonderbare Gefühl fast untergegangen, doch je länger er jetzt danach suchte und sich darauf konzentrierte, umso deutlicher konnte er es wieder wahrnehmen. Seit sie in der Highwind auf dem Weg zum Gold Saucer gewesen waren, war es plötzlich aufgetaucht. Es war nicht das dunkle Rumoren des Dämons in ihm, aber ein mittlerweile ähnlich konstantes Drängen. Etwas wichtiges. Doch ihm wollte, bei aller Liebe, nicht in den Kopf, was es war. Mit den Fingerspitzen strich er sich feine Schweißperlen aus den Schläfen. Aber er würde es mit der Zeit sicher herausfinden.
 

~
 

Zwischen den Zaungängen tauchte Mr. Coates auf, gefolgt von einer schlaksigen Gestalt im Blaumann. Er blinzelte dem Schützen nur fragend entgegen, als er an ihm vorbei schritt und wieder in der Hütte verschwand. Der Lagerinsasse tat es ihm gleich.

Er war nicht so lange weggeblieben, wie Vincent gehofft hatte und nur widerwillig löste er sich aus seinem Zustand der angenehmen Zerstreuung und folgte den beiden zurück ins Büro.

''Also, bitte. Hier ist er.'' Mr. Coates ließ sich auf einen Stuhl hinter dem Schreibtisch sinken. ''Wir wollen allein mit ihm reden.'' Der Aufseher verzog das Gesicht. ''Was? Nein, nein, nein. Ich will wissen was hier abgeht.'' Er tippte mit dem Zeigefinger auf der Schreibtischplatte herum. ''Wir werden uns nicht wiederholen.'' Barret baute sich vor dem Tisch auf und verschränkte die Arme vor der Brust. ''Drohst du mir?'' Mr. Coates zog skeptisch eine Augenbraue nach oben. ''Sieht ganz so aus, was?'' Cid trat neben Barret und stützte sich mit einer Hand auf der Tischplatte auf. Nervös ließ der Mann im grünen Anzug seine Augen zwischen den beiden Männern hin und her wandern. Dann knirschte er missmutig mit den Zähnen und erhob sich langsam wieder von seinem Stuhl. ''Wird's bald?'' Die Stimme des Hünen war gereizt und er tippte mit den metallenen Fingerspitzen auf seinem Oberarm herum. Er erntete einen finsteren Blick vom Aufseher, als dieser um den Schreibtisch herumschritt und sich auf die Tür zubewegte. ''Na los.'' Mit einem groben Schubs drängte Barret ihn weiter zur Tür, kickte den Holzkeil darunter in den Raum und schloss sie, als die zwei draußen waren. ''Gut, dann können wir ja reden.'' Der Insasse im Blaumann rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. ''Was wollt ihr von mir?'' ''Keine Sorge, wir haben nur ein paar Fragen.'' Cloud verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen den Spind. ''Du hast für die Shin-Ra gearbeitet?'' Der andere nickte nur verhalten. ''Was kannst du uns über das Projekt der Sister Ray sagen?'' Er kratze sich mit öl- und rostverdreckten Händen in den staubigen Haaren und zögerte einen Moment, ehe er antwortete. ''Die Informationen sind streng geheim.'' ''Streng geheim, eh?'' Cid stützte sich mit einer Hand auf der Stuhllehne auf, beugte sich ein Stück zu dem Insassen vor und zupfte die glimmende Zigarette mit Daumen und Zeigefinger von seinen Lippen. ''Ich glaube, streng geheim ist das, was mit dir passiert, wenn du nicht redest.'' Nervös rutschte der Mann ein Stück von ihm weg. Cloud ließ die Arme sinken und schüttelte leicht den Kopf. ''Cid, lass-'' ''Ah, ah, ah.'' Der Pilot wackelte mit dem Zeigefinger hin und her. ''Ich denke, wir haben hier jetzt zwei Möglichkeiten. Erstens...'' Er zog kurz an seiner Zigarette, blies den Qualm nur langsam aus und richtete sich dann wieder auf. ''Du redest. Und sagst uns alles, was du weißt. Zweitens...'' Ruhig und gewichtig klopfte er dem Mann ein paar Mal auf die Schulter. ''Unser schweigsamer Freund hier sorgt dafür, dass du redest und, scheiße, glaub mir, das willst du sicher nicht.'' Vincent warf Cid nur einen skeptischen Blick zu, als dessen Finger in seine Richtung zeigte. ''Also?'' ''Streng geheim.'', presste der andere angespannt zwischen schmalen Lippen hervor. Er packte den Insassen überraschend im Nacken, drückte seinen Kopf ein Stück nach unten und erhob seine Stimme. ''Wie bitte?'' ''Ok, ok...'' Der Mann hob beschwichtigend die Hände, rieb sich dann mit einem Seufzen durch das Gesicht und sah zu Cid auf, der seine Hand wieder löste und ihn mit einem zufriedenen Blick bedachte. ''Na also.'' ''Ich hab bei der Shin-Ra nur als Maschinist gearbeitet und bin mit dem Projekt selbst nur zeitweilig in Kontakt gekommen.'' ''Uninteressant.'' Der Pilot klemmte sich die Zigarette wieder in den Mundwinkel und verschränkte die Arme vor der Brust. ''Nach dem Fehlschuss in Junon, hat Scarlet wohl angeordnet, dass die Sister nun nach Midgar gebracht werden soll.'' Cloud erhob sich vom Spind und trat einen Schritt auf ihn zu. ''Was? Nach Midgar?'' ''Ja, auf den Tower. Wenn ich das richtig verstanden habe, soll die Energie der Reaktoren genutzt werden, um die Schusskraft zu verstärken.'' Cid kaute grübelnd auf dem Papier der Kippe herum. ''Sieh an, sieh an, dieses elende Weib. Die Schweine geben nicht auf, was? Sonst noch Infos?'' Der Stuhl knarzte, als der Insasse sein Gewicht verlagerte und zurück auf die komplette Sitzfläche rutschte. ''Ich bin mir nicht sicher...'' Er zögerte einen Moment und kratzte einen kleinen Fleck vom groben, ausgeblichenen Stoff seines Hosenbeins. ''In den Quartieren ging das Gerücht um, dass sie die alte Rakete vom missglückten Raumfahrtprogramm wieder in Gang bringen wollen.'' ''Bitte?!'' Cid fiel fast der Rest seiner Zigarette aus dem Mund, als ihm ungläubig die Gesichtszüge entgleisten. ''Was haben sie vor?'' Der Mann zuckte nur leicht mit den Schultern. ''Vermutlich wollen sie die Rakete mit einem Sprengsatz an Bord zum Meteoriten schießen.'' Er zuckte zusammen, als Cids Faust mit einem dumpfen Knall auf der Schreibtischplatte auftraf. ''Vermutlich oder definitiv?'' Cloud stemmte eine Hand in die Hüfte und musterte den Mann eindringlich, doch dieser wich seinem Blick nur angespannt aus. ''Maschinist, ja? Oder doch ein, zwei Positionen interner?'' Der Insasse begann unruhig an seinen Fingern zu knibbeln. ''Hat die Shin-Ra dich geschickt, um mich nochmal zu verhören?'' Cloud stutze einen Moment. ''Ich dachte eigentlich, sie hätten das SOLDAT-Programm eingestellt...'', fügte er leiser hinzu und blickte dann doch zu ihm auf. Cloud seufzte leicht, als er verstand und schüttelte dann kurz den Kopf. ''Wir sind nicht von Shin-Ra. Und jetzt nochmal: vermutlich oder definitiv?'' Erwartungsvolle Stille breitete sich im Raum aus und die Staubflocken in der Luft glitzerten verhalten in den Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Holzbohlen sickerten. Cid fischte eine neue Zigarette aus der Brusttasche seiner Jacke, die auf dem Schreibtisch lag und füllte sein angetrocknetes Glas wieder auf. ''Zunge verschluckt?'' Der Mann schüttelte zaghaft den Kopf, dann ließ er mit einem Seufzen die Schultern sinken. ''Es ist nur eine Option. Ich denke nicht, dass die oberste Instanz das wirklich in Betracht ziehen wird, andererseits sind sie ja für solche unsinnigen Unternehmungen bekannt. Dinge tun, die vom eigentlichen Ziel ablenken.'' Er zuckte matt mit den Schultern. ''Mehr kann ich wirklich nicht dazu sagen.'' Cid schwenkte sein Glas kurz in der Hand, ehe er einen großen Schluck nahm. ''Das ist alles?'' Er sah zu Cloud herüber. Dieser stemmte auch die zweite Hand in die Hüften, ließ den Kopf mit einem leisen Seufzen sinken und tat dann noch einen Schritt auf den Mann zu. ''Ist das wirklich alles?'' ''Ich... ich befürchte ja.'' ''Kannst du uns Zeiten nennen?'' Der andere schüttelte nur den Kopf. ''Nein, auch nicht. Demnächst. Es war immer nur die Rede von 'in ein paar Tagen'. Nichts genaues.'' ''Gut.'' Cloud rieb sich durch das Gesicht und wandte sich dann um. ''Ich denke, wir sind hier fertig.'' Nur zögernd erhob sich der Mann, als die anderen drei nur noch schwiegen und huschte dann eilig aus dem Büro hinaus. Cid stürzte den Rest des Getränks hinab, griff nach seiner Jacke und verließ dann mit den anderen die Hütte. Draußen wartete Barret auf sie. ''Wir reden oben gemeinsam.'' Er nickte nur.
 

~
 

''Wenn ich das richtig sehe, bleiben uns jetzt zwei Möglichkeiten.'' Vincent sah zu ihm herüber. ''Wir fliegen nach Junon oder zurück zur Rocket Town.'' Natürlich würden sie nicht nach Midgar weiterreisen. Er seufzte leise. Eine Verzögerung nach der nächsten. Mit spitzen Fingern rieb er sich über die Schläfe. Er würde sich wohl oder übel daran gewöhnen müssen. ''Junon ist safe, aber ob sie die Rakete wirklich mobilisieren, ist nur eine Vermutung.'' Cid kratzte sich grübelnd am Kinn. Tifa stemmte die Hände in die Hüften und sah zwischen ihnen hin und her. ''Also, was machen wir jetzt? Junon wäre wohl-'' ''Ja, Junon wäre! Aber wenn sie wirklich der alten Lady ans Leder wollen... ich kann das nicht zulassen!'' Cid fuhr ihr lautstark über den Mund und schlug kräftig mit der Faust in seine Handfläche. ''Ich kann ja verstehen, dass dir viel an dem Ding liegt, aber-'' ''Es geht hier nicht nur um sie. Es geht um die ganze Rocket Town! Wenn sie die Rakete wirklich starten, dann wird der ganze Ort geräumt.'' Tifa schluckte trocken. ''Wir verlieren nur einen Tag. Ich muss einfach mit Shera reden. Cloud?'' Der Pilot sah ihm ernst entgegen. ''Schön, von mir aus.'' ''Was? Im Ernst?'' Tifa warf ihm einen entgeisterten Blick zu und ließ resignierend die Arme sinken. Sie kannte die Antwort. ''Ja, im Ernst. Wir fliegen zurück.'' Cloud wandte sich zum Gehen um. ''Und dann planen wir, wie es weiter geht. Ich will nur erstmal hier weg.'' ''Nichts lieber als das.'' Missgelaunt verzog Barret das Gesicht und pflückte eine kleine Chocobodaune von seiner Schulter, die ein Jockey im Vorbeigehen verloren hatte. ''Ihr habt alles klären können, was ihr wolltet?'' Dios laute Stimme tönte den Gang hinauf, als er sich zur Gruppe an den Reitern der nächsten Runde vorbeiquetschte. ''Ja, danke.'' Cloud ließ sich von ihm widerwillig auf die Schulter klopfen. ''Schön, schön. Freut mich, wenn ich euch weiterhelfen konnte.'' Er ließ seinen Blick einmal durch die Runde schweifen. ''Ihr seht aufbruchsbereit aus.'' ''Richtig.'' Dio runzelte kurz die Stirn und rieb sich das Kinn. ''Verstehe. Nun gut, Reisende soll man nicht aufhalten. Ich begleite euch noch bis zur Seilbahn.''

Sie verließen den hinteren Bereich des Chocobo-Square und tauchten in die Massen von Besuchern ein. Es war kurz nach Mittag und der Park war bereits wieder von Menschen überflutet. Lichttafeln blitzten an allen Ecken auf und von überall her dudelt dissonante Musik. Es war höchste Zeit, dass sie diesen bunten Alptraum verließen. Sie kamen nur schwerlich voran und an Engpässen mussten sie sich einzeln mit dem Strom treiben lassen, ehe sie endlich an der Gondelstation ankamen. Eine lange Besucherschlange wartete vor ihnen. ''Falls ich noch irgendetwas für euch tun kann, lasst es mich wissen.'' Dio verabschiedete sich mit einem breiten Lächeln und einem Wink seiner riesigen Hand, dann verschwand er wieder im Park. ''Endlich weg hier.'' Barret seufzte erleichtert auf.
 

~
 

Sie hatten noch fast eine Stunde warten müssen, ehe sie endlich gemeinsam in eine Gondel steigen konnten. Unten angekommen erschwerte ihnen ebenfalls ein riesiger Pulk Menschen das Verlassen der Seilbahnstation. Wie Ameisen drängten und tummelten sie sich auf dem Platz. ''Die sind doch alle bekloppt.'' Mürrisch zerkaute Cid den Rest seiner verglommenen Zigarette, spuckte ihn auf den Boden und schob einen protestierenden Mann beiseite, der ihm den Weg versperrte. ''Also ich kann sie absolut verstehen. Ich würde auch fünf Tage anstehen, wenn ich dafür einen ganzen Tag lang nur Achterbahnfahren könnte.'' Yuffie seufzte wehmütig und ließ ihren Blick hinauf zum goldenen Turm schweifen. ''Du bist ja auch genauso bekloppt wie die.'' Cid fing sich einen Faustschlag gegen den Oberarm ein. ''Wieso konnten wir sie eigentlich nicht einfach dalassen?'' ''Werd' mal nicht frech, ja? Du sprichst hier immerhin mit der weltbesten Materiajägerin!'' Sie schlug ihm ein zweites Mal auf die Schulter. ''Ja, was auch immer.'' Den dritten Hieb fing er mit dem Unterarm ab und gab ihr selbst einen leichten Schlag gegen den Arm zurück. ''Ich glaube, wir hätten euch beide besser dagelassen.'' Tifa lachte ihnen entgegen und schüttelte den Kopf.

Als sie die Besuchermassen endlich hinter sich gelassen hatten, war der Weg zurück zum Flugschiff schnell geschafft. ''Nächste Station also Rocket Town. Bis dahin.'' Cid schloss die Luke, nachdem sie alle wieder an Bord gegangen waren. ''Glaubst du, dass die Shin-Ra die alte Rakete nochmal abschießen würde?'' Barret ging neben ihm her, als er sich auf den Weg zum Steuerdeck machte. ''Keine Ahnung, aber dem Drecksverein traue ich alles zu.''

Cloud hatte den Zipfel des roten Umhangs durch die Gänge bis zu den Quartieren verfolgt und holte ihn endlich ein, als der andere vor seiner Kabinentür Halt gemacht hatte und aufschloss. Jetzt würde er ihm nicht weiter ausweichen können. Er musste mit ihm reden. Cloud atmete tief ein. Nur worüber genau? Unangenehme Unsicherheit stieg in ihm auf. ''Vincent?'' Die roten Augen wandten sich zu ihm um, als er die Tür aufstieß. Mit einem Kopfnicken wies er Cloud an, ihm zu folgen, dann verschwand er in dem kleinen Raum.

Schattenspiele

Cid stützte sich mit beiden Händen auf dem Kontrollpult auf. ''Ich verstehe nur nicht, was die mit so 'ner Aktion bezwecken wollen. Der Aufwand deckt das Ergebnis in keinster Weise.'' ''Was meinst du?'' Barret ließ sich schwerfällig in einen der großen Polsterstühle sinken und legte die Arme auf den Lehnen ab. ''Ich weiß nicht, was die für 'nen Sprengsatz nutzen wollen. Es gibt nichts, was den kompletten Meteor zerlegt.'' Er rieb sich mit der Hand ausgiebig durch das ganze Gesicht und begann dann verschiedene Knöpfe auf der Konsole zu drücken. ''Außer, die haben schon wieder irgendwas zusammengepantscht.'' Barret gab ein undeutbares Geräusch von sich. ''Wie du schon sagtest, dem Drecksverein...'' Cid schob mehrere Hebel in Position, dann drehte er sich zu ihm um. ''Saftladen. Ich hoffe für die, dass ich sie nicht in der Rocket Town erwische!'' Er fischte eine Zigarette aus seiner Brusttasche, dann schlüpfte er aus der Jacke und ließ sie über den Stuhl vor der Konsole sinken. ''Viel bedenklicher finde ich die Aktion mit der Kanone.'' Der Pilot sah auf, nachdem er die Streichholzschachtel aus seiner Hosentasche gezogen hatte. ''Wenn sie ernsthaft die Reaktoren anzapfen wollen... ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut geht.'' Ein düsterer Ausdruck legte sich auf die harten Gesichtszüge des Hünen. Der Stuhl knarzte verhalten, als er sich vorbeugte und die Arme von den Lehnen auf die Oberschenkel verlagerte. Grübelnd musterte er seine Metallhand, als er sie langsam zur Faust ballte und wieder öffnete. Das Streichholz entflammte mit einem Rauschen und entzündete den trockenen Tabak. Dann kniete sich Cid vor der Konsole nieder, öffnete eine kleine Luke und griff hinein. Glas klirrte. Er erhob sich wieder, schob die Klappe mit dem Fuß zu und ging zu Barret herüber. Wortlos streckte er ihm ein großes Glas entgegen, öffnete die Flasche, als er es ihm abgenommen hatte und goss ihm ein. Er wusste, dass dem großen Mann weit mehr an der schmutzigen Stadt lag, als ihm. ''Wie auch immer. Unsere Aufgabe ist, sie aufzuhalten.'' Er wandte sich wieder um, nahm einen kräftigen Zug direkt aus der Flasche und trat langsam wieder an das Kontrollpult heran. ''Oder?'' Barret nickte nur stumm und nahm einen Schluck von dem scharfen Getränk. ''Ich hoffe nur, dass uns die Verzögerung keine wichtige Zeit kostet.'', murmelte der Pilot sich selbst zu. Er wusste, dass ihr primäres Ziel die Shin-Ra sein sollte, doch er konnte nicht zulassen, dass sie seine kleine Stadt ausradierten. War es zu selbstsüchtig von ihm gewesen, dass er darauf bestanden hatte vom eigentlichen Weg abzuweichen? ''Ach scheiße, was soll's.'' Nichts als Gefühlsduselei. Mit einem weiteren tiefen Zug aus der Flasche, legte er den letzten Hebel auf der Konsole um und startete die Motoren der Highwind.
 

~
 

Cloud schloss die Tür, als auch Tifa und Yuffie um die Ecke bogen und den Gang betraten. Durch die dünnen Wände konnte er hören, wie die Türen ihrer Kabinen zuklappten. Das leise Summen des Stroms, der durch den dünnen Draht in der Glühbirne rauschte, erfüllte das kleine Zimmer. Vincent stand vor dem Tisch und war dabei, die Schnallen seines Umhangs zu lösen, als sich Cloud mit dem Rücken gegen die Tür sinken ließ. Er hatte seit dem Morgen das dringende Bedürfnis mit ihm zu reden, doch jetzt, wo er endlich die Gelegenheit dazu hatte, wusste er eigentlich gar nicht genau, warum überhaupt. Sicherlich hatte ihn das, was in der Nacht zwischen ihnen passiert war, verwirrt und auch, dass sein Freund danach einfach wortlos den Raum verlassen hatte, doch wollte er wirklich darüber reden? Der Gedanke daran erschien ihm nicht mehr passend. Ein schleifendes Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zu, als Vincent den Umhang über die Schulter zog und ihn auf der Stuhllehne ablegte.

''Was willst du?'' Konnte er sich das nicht eigentlich denken? Vincent war sich nicht sicher, ob er es gutheißen konnte, dass der Jüngere schon wieder in seiner Nähe war. Er hatte das Gefühl, dass sein Freund zu seinem zweiten Schatten wurde. Nur langsam zog er seinen Handschuh aus und machte sich danach auch am Rüstungsarm zu schaffen. Stück für Stück arbeitete er sich konzentriert durch die kleinen Verschlüsse, bis er die Armschiene ablegen konnte und schälte dann seine Hand aus dem dazugehörigen Handschuh.

Cloud ignorierte seine Frage und beobachtete ihn schweigend bei seiner Arbeit. Dieser düstere Mann nahm immer mehr Platz in seinem Kopf ein. Vielleicht schon mehr, als gut für ihn war. Er ließ seinen Blick bereits zum zweiten Mal an diesem Tag über den Rücken des anderen gleiten. Nur diesmal war der rote Umhang nicht mehr im Weg. Unter dem dünnen, schwarzen Stoff des Hemdes zeichneten sich undeutlich die sehnigen Muskeln ab, die sich bei jeder Bewegung seiner Arme anspannten. Ob sein Rücken wohl ähnlich vernarbt war, wie der Rest? Erst jetzt, wo er so darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er ihn tatsächlich nicht gesehen hatte. Nicht direkt. Aber er wollte es wissen. Unbedingt. Er seufzte innerlich auf im Anbetracht der Tatsache, dass seine Neugier auf den Schützen immer weiter wuchs.

Fast trödelnd löste Vincent die Schnallen seines Holsters und versuchte dadurch so viel Zeit wie möglich zu schinden, um sich nicht näher mit dem jungen Mann an seiner Tür beschäftigen zu müssen. Seine Aufregung war nur zeitweise gewichen und er spürte, wie die Unruhe wieder in ihm aufstieg, sobald er sich in seiner Nähe befand. Der Rollbügel des Gurts an seinem Bein klimperte verhalten, als er das Holster von seinen Hüften zog. Er legte es behutsam auf dem Tisch ab, dann seufzte er leicht und drehte sich um. Cloud hatte den Kopf in den Nacken gelegt, seine Hände ruhten flach an der Tür und die blauen Augen verfolgten das schwache Pendeln der Glühbirne an der Zimmerdecke. Für einen kleinen Moment musterte er ihn ausgiebig, wie er so abwesend dastand, wie sich sein Brustkorb in ruhigem Takt hob und senkte und wie sein Puls unter der gespannten Haut am Hals gleichmäßig pochte. Dieser schlanke, schöne Hals. Ein leichtes Kribbeln machte sich in seinen Lippen breit, als er sich bei dem Gedanken daran, ihn dort küssen zu wollen, erwischte. Eilig begann er seine Hemdsärmel hinunterzukrempeln, um sich von diesem Anblick abzulenken. ''Also?''

Die tiefe Stimme riss Cloud klangvoll aus seinen Gedanken zurück in den Moment. War er so schnell schon wieder abgedriftet? Zögerlich schlüpfte er aus seinen Handschuhen, stopfte sie in die Hosentasche und rieb sich über die Augen. ''Reden.'' Ja, eigentlich wollte er das wirklich. Oder? ''Worüber?'' So unsinnig seine Hoffnung war, Vincent würde nicht nachfragen, so sicher war es gewesen, dass er es tat. Wenn er das nur selbst wüsste. Sein Blick wanderte die gegenüberliegende Wand hinab und kam auf Vincents blassen Händen zum Stehen, die geschickt die zerknitterten Manschetten umschlugen, aber die Knöpfe ausließen. Er dachte daran, wie diese Hände, ebenso geschickt, seinen Körper berührt hatten. Plötzlich kam er sich entsetzlich dumm vor. Was sollte er nun tun? Irgendetwas belangloses sagen? Einfach wieder gehen? Weiter herumstehen und hoffen, dass etwas passierte, was ihm die Entscheidung abnahm? Er versuchte die aufsteigende Aufregung hinunterzuschlucken, doch er konnte genau spüren, wie sich die Augen des anderen wartend auf ihn richteten. Wartend und erwartungsvoll. Diese durchdringenden, roten Augen. ''Heute Nacht, das...'' Jetzt war es zu spät. Wollte er wirklich mit ihm darüber sprechen? Er fühlte sich hin und her gerissen. ''Sieh es als Wiedergutmachung für mein miserables Verhalten.'' Die Worte kamen unerwartet. Cloud stutzte und blinzelte ihm verwirrt entgegen. Hatte er das gerade richtig verstanden? Wiedergutmachung? Nur eine...? Eindringlich musterte er sein Gegenüber. Kühl und distanziert wie immer. Das Gesicht fast ausdruckslos. Meinte er das etwa ernst?

Vincent schluckte trocken. Er hatte es sich eingeredet, seit er im Hotel die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, in der Hoffnung, wieder etwas Abstand zu seinem Freund gewinnen zu können. Nur eine Wiedergutmachung. Eine einmalige Angelegenheit. Mehr nicht. Dabei sollte es bleiben. Verdammt... Ein sonores Vibrieren durchzog den Boden, als die Motoren des Luftschiffs starteten und die Glühbirne mit ihrem kleinen Schirm an der Zimmerdecke stärker zu pendeln begann. Die stete Bewegung malte Schattenspiele an die Wände und ließ das Gesicht seines Freundes in gleichmäßigem Takt aufleuchten. ''Verstehe.'' Cloud rieb sich über den Nacken und machte keinerlei Anstalten seinen Platz an der Tür zu verlassen. Seine Kehle zog sich immer weiter zusammen, als sich auch sein Puls allmählich beschleunigte. Warum ging er nicht einfach? Was genau wollte er hier? Was wollte Cloud von ihm? Und umgekehrt...? Er ertappte sich selbst dabei, wie er langsam auf ihn zuging. Die blauen Augen richteten sich zu ihm auf. Cloud musste das Zimmer wieder verlassen. Direkt vor ihm blieb er stehen, hob seinen rechten Arm und stützte seine Hand neben dem blonden Schopf an der Tür auf. Das Metall unter seinen Fingern war kalt, doch er bildete sich ein, die Wärme zu spüren, die vom Gesicht des anderen ausging. Er musste gehen. Sofort. Sein Herz begann immer schneller zu schlagen. ''Cloud.''

Er musterte das Gesicht mit der fast ausdruckslosen Mine vor ihm. Täuschte er sich, oder war Vincent doch nicht so kühl und nüchtern, wie er zu sein vorgab? ''Geh jetzt.'' Er hörte, wie die Fingernägel neben seinem Ohr angespannt über das Metall schrabbten. Er hatte sich nicht getäuscht. Auch wenn er eigentlich hierhergekommen war, um mit ihm über das Geschehene zu sprechen und die Dinge zu klären, bemerkte er doch mit spitzbübischer Freude, wie viel Provokationspotential die Situation gerade entwickelte. Sollte er vielleicht...? Und würde ihm seine Reaktion nicht sogar als Antwort auf alles genügen? ''Und wenn ich bleibe?'' Unverwandt richtete sich sein Blick in Vincents Augen und der kurze Anflug von kaum merklicher Überraschung, der über dessen Züge huschte, blieb ihm nicht verborgen. Langsam näherte sich das blasse Gesicht seinem eigenen und stoppte wieder, als sie sich fast berührten. Warmer Atem strich über seine Haut und schickte einen angenehmen Schauer seinen Rücken hinab. Die andere Hand stützte sich neben seinem Kopf an der Tür auf und sein Herzschlag gewann rasant an Geschwindigkeit, als sich die tiefroten Augen mit einem durchdringenden Blick in seinen Kopf bohrten. ''Kann ich für nichts garantieren.''

Kabinenwände

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Nirvana

Cid und Barret, die bis eben noch hitzig diskutiert hatten, hoben die Köpfe und sahen dem aufgelösten Schützen verwirrt entgegen. Er presste sich die Hand auf die Brust und versuchte zu Atem zu kommen, als er aus dem Durchgang in den Raum taumelte. Das eigenartige Gefühl, welches schon seit dem Flug zum Gold Saucer in ihm aufgekeimt war, hatte plötzlich rasant an Intensität gewonnen und ihn völlig aus der Bahn geworfen. Wie ein zweiter Pulsschlag durchströmte es seinen ganzen Körper und brachte auch die dunkle Stimme in seinem Inneren in Aufruhr. Er hatte eine dumpfe Vorahnung, woher dieses sonderbare Gefühl kam, doch er musste sicher gehen.

Cloud bemerkte das vollkommen zerzauste schwarze Haar und die nur sporadisch angelegte Messingklaue. Die offen gelassenen Verschlüsse klimperten verhalten, als Vincent sich neben dem Piloten mit etwas zu viel Schwung auf der Steuerkonsole aufstütze. ''Hast du nicht verstanden?'' Seine Stimme war gereizt. Meinte er das tatsächlich ernst? Cloud musste unweigerlich an die Momente denken, in denen Vincent schon einmal die Kontrolle über sich selbst verloren hatte. War etwas geschehen? Besorgt heftete sich sein Blick auf ihn. ''Landen? So ein Unsinn. Du bist doch besoffen.'', brummte Cid ihm selbst leicht lallend entgegen. Barret begnügte sich mit einem dumpfen Glucksen. ''Lande das verdammte Schiff.'' Vincents tiefe Stimme gewann ein Stück weit ihre gewohnte Ruhe zurück und alarmiert erhob sich Cloud von seinem Platz. Cid lachte laut auf. ''Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich hier im Nirgendwo runter gehe!'' Ein Schatten huschte über das blasse Gesicht des anderen Mannes und mit einem hässlichen Kreischen glitten die Spitzen der Klaue über die Metallverkleidung der Steuerkonsole und hinterließen feine Schrammen. ''Lande.'' Cid entgleisten alle Gesichtszüge. ''Verdammte Scheiße, bist du bescheuert?!'' Er ballte seine Hand zur Faust. ''Pack mein Baby noch einmal an!'' Den zielstrebigen Hieb blockte Vincent mühelos mit seiner Klaue ab, umklammerte Cid's Handgelenk mit festem Griff und starrte ihm mit kaltem Blick entgegen. Cid verzog schmerzlich das Gesicht. Barret und Cloud schritten fast zeitgleich dazwischen. ''Hey, hey, hey! Immer mit der Ruhe!'' Der Hüne legte dem Piloten seine riesige Hand auf die Brust und schob ihn zurück, als auch Cloud Vincent zu fassen bekam und ihn mit einem harten Griff in die Schulter dazu veranlasste, Cids Hand loszulassen. ''Was zur Hölle ist los?'' Er fuhr ihn ungewollt barsch an und warf ihm einen strengen Blick zu. In den roten Augen tobte ein Feuer. ''Lande.'' Er presste das Wort bedeutungsvoll und mit so viel Nachdruck zwischen den schmalen Lippen hervor, dass Cloud spürte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten. Egal warum, es war offensichtlich wichtig. Wirklich wichtig. Und das Letzte was er wollte, war, dass Vincent hier und jetzt erneut die Kontrolle verlor. Er wandte den Kopf zu den anderen beiden um. Barret hielt den aufgebrachten Piloten immer noch mit seiner großen Hand im Zaum. ''Cid.'' ''Was?'' Gereizt schnauzte er zurück und versuchte sich an Barret vorbeizuschieben. ''Tu es.'' ''Was?!'' Seine Stimme überschlug sich fast. ''Dreht ihr jetzt alle durch? Wir sind hier quasi im Nirvana! Ich werde nicht landen!'' Mit der Faust schlug er gegen die Lehne des Sessel. ''Das ist keine Bitte.'' Cloud sprach ruhig auf ihn ein und hoffte, dem betrunkenen Piloten die Dringlichkeit der Situation begreifbar zu machen, als er spürte, wie ein Zittern Vincents Körper durchfuhr. Er umklammerte fest seine Schulter. ''Du willst mich verarschen.'' Cid schüttelte nur entgeistert den Kopf und schob Barrets Hand von sich weg. ''Ich sag's nochmal: Nir-va-na. Ich kann hier nicht landen!'' ''Doch, du kannst.'' Ein kaum hörbares Keuchen verließ die Lippen des Schwarzhaarigen, als er plötzlich ins Taumeln geriet und sich gegen die Konsole stützte. Cloud sah beunruhigt zu ihm herüber. ''Cid!'' ''Nein! Nein, nein und nein!'' Er warf dem Piloten einen kalten Blick zu. ''Lande das verdammte Schiff. Sofort!'' Mit einem entnervten Stöhnen hob Cid die Hände, als er merkte, dass weiterer Widerstand hier nichts mehr nützte und er besser nachgab. ''Na schön. Gut.'' Er wandte sich grummelnd dem Steuerpult zu. ''Verdammte Scheiße. Warum eigentlich immer ich?'' Eilig legte er Hebel um und drehte das Steuerrad, als er den Autopiloten ausschaltete und das Luftschiff zum Wenden bereit machte.

Vincent krallte sich verbissen in die oberste Stange der Brüstung. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt und die Unruhe nagte an ihm. Zum Glück flog die Highwind auf Autopilot nicht besonders schnell, sodass sie den überschrittenen Punkt schnell wieder erreichten. Das Gefühl in ihm schickte einen weiteren Impuls durch seinen Körper. ''Hier.'' Vincents Stimme war leise, doch er richtete sich entschlossen auf, atmete einen Moment tief durch und drehte sich dann langsam um und verließ die Brücke. ''Völlig bekloppt.'', brummte Cid, prüfte verbissen seine Geräte und steuerte das Schiff zur Landung. Cloud klopfte dem verärgerten Piloten dankend auf die Schulter, dann folgte er Vincent von der Brücke.
 

~
 

Die Highwind hatte noch nicht ganz aufgesetzt, als Vincent den Knopf für die Luke betätigte und sich an die Hydraulikleitungen klammerte, als der Wind durch die Öffnung rauschte. Cloud kam knapp hinter ihm zum Stehen und ergriff sein Handgelenk. ''Was ist los? Wo zum Teufel willst du hin?'' Die roten Augen durchbohrten ihn warnend, als Vincent den Kopf zu ihm drehte. Das tiefschwarze Haar flatterte wild und verbarg das halbe Gesicht unter dicken Strähnen. ''Lass mich gehen.'' Langsam schüttelte Cloud seinen Kopf und warf ihm einen ernsten Blick zu. ''In diesem Zustand sicher nicht.'' Die Messingklaue griff nach seinem Shirt, krallte sich darin fest und zog Cloud ein Stück näher. ''Ich weiß was du jetzt denkst, aber ich mein's ernst. Bleib hier. Folg' mir nicht.'' Vincents tiefe Stimme war ruhig, fast schon leise und doch war der drohende Unterton darin nicht zu überhören. Ein letzter, durchdringender Blick, dann stieß er den Jüngeren mit einem harten Ruck von sich, drehte sich um und sprang schließlich aus der Luke.

Cloud stieß sich mit den Händen von der Wand ab, um nicht dagegen zu fallen. Er wartete noch einen Moment, bis die Highwind vollständig aufgesetzt hatte und folgte ihm aus dem Schiff. In diesem Zustand würde er ihn garantiert nicht allein gehen lassen. Die letzten beiden Male als sein Gemütszustand eskaliert war, hatte er sich verletzt und jetzt schien unter der vermeintlich ruhigen Oberfläche noch weit mehr zu brodeln. Er konnte nicht zulassen, dass noch einmal etwas passierte, dass er sich selbst in Gefahr brachte. Mit einem tiefen Seufzen strich er sich durch das Gesicht und suchte nach dem Weg, den sein Freund eingeschlagen hatte. Er machte sich zu viele Gedanken um ihn, oder nicht?
 

~
 

Hier draußen war es dunkel. Dicke Wolken verschleierten den Mond und schluckten jedes Licht. Doch er brauchte seinen Weg nicht zu sehen. Das drängende Gefühl der Rastlosigkeit trieb ihn immer weiter voran. Scharfe Kanten schnitten ihm in die Handfläche, als er sich mühsam über felsiges Gelände vortastete. Wasserrauschen störte sie Stille der Dunkelheit und mischte sich mit dem Rauschen in seinen Ohren, als sein Herz das Blut eilig durch seine Adern pumpte. Warum nur war er so entsetzlich aufgewühlt? Was trieb ihn hier her? Die vage Vorahnung mischte sich zwischen seine rastlosen Gedanken. ~Kann das wirklich sein...?~ Er stoppte kurz und zog erschrocken die Hand zurück, als sie in ein Rinnsal eiskalten Wassers langte, doch die Unruhe trieb ihn augenblicklich weiter. ~''Willst du wirklich weitergehen?''~ Die dunkle Stimme in ihm meldete sich mit bissigen Unterton zurück. ''Lass mich in Ruhe.'' Langsam kletterte er einen kleinen Felsvorsprung hinunter. Das Rauschen des Wassers wurde beständig lauter, je weiter er ging. ~''Glaub mir, du rennst in dein Unglück.''~ Vincent schnaubte verächtlich und krallte sich in den nächsten Felsabsatz. ''Wie viel unglücklicher könnte ich noch werden?'' Die Stimme in ihm lachte boshaft auf. ~''Oh, glaub mir...''~ ''Mitnichten.'' Er spürte, wie sich ein feiner Wassernebel auf seine Haut legte. Mittlerweile hatten sich seine Augen soweit an die Dunkelheit gewöhnt, dass er das fließende Wasser zwischen dem Stein erkennen konnte. Er sah auf. Noch ein Stück weiter voraus klaffte ein finsteres Loch in einer Felswand. Dorthin drängte ihn sein Gefühl. Nein, es war nicht sein eigenes Gefühl, dass ihn dorthin trieb. Es war, als würde etwas aus der Schwärze heraus nach ihm rufen. Hatte nach ihm gegriffen und zugeschnappt, als er diesem Ort immer näher gekommen war und zog ihn nun immer weiter heran. Er hielt kurz inne und presste sich die Hand auf die Brust, in der Hoffnung, sein Herz würde sich wieder etwas beruhigen. Doch es schlug immer schneller. Es hatte keinen Zweck. Er wusste, er würde erst wieder zur Ruhe finden, wenn er den Grund für seine Aufregung gefunden hatte. Mit einem tiefen Atemzug setzte er sich wieder in Bewegung. ~''Du wirst es bereuen.''~ Wieder ein Lachen. Den Rest des Weges versuchte er die Stimme in ihm zu ignorieren, doch je mehr er es versuchte, um so lauter rebellierte sie. Rebellierte...? Nein, das war nicht richtig. Dieser spöttische Unterton... er machte sich über ihn lustig. Doch er schob seine Bedenken beiseite und hielt weiter starr auf das schwarze Loch zu. Als er in den Durchbruch trat, umfing ihn die Dunkelheit wie zäher Sirup und verschluckte ihn schließlich ganz.
 

~
 

Angestrengt stemmte sich Cloud über den nächsten Felsvorsprung. Es war so dunkel, dass er Mühe hatte ihm zu folgen, doch über das Rauschen des Wassers hinweg, konnte er die Steine hören, die unter Vincents schweren Schritten knirschten und beiseite rollten. Wo zur Hölle wollte er hin? Wie Cid schon gesagt hatte, sie waren hier im Nirgendwo. Außer Felsen, Gras und und noch mehr Felsen konnte er nichts anderes ausmachen. Alles überlagert von einem feuchten Hauch des Wassers, das überall zwischen den Steinen entlang floss. Dem Rauschen nach zu urteilen, musste ein Stück weiter unten ein Wasserfall sein. Wie hoch er über dem Wasser war konnte er nicht sehen. Nur wenige Schritte um ihn herum wurde es stockdunkel. Cloud kniff verbissen die Augen zusammen, um die schwarze Silhouette einige Meter weiter vor sich erkennen zu können. Er hatte recht viel Vorsprung gewonnen, doch war nur noch geradeaus weitergegangen, so gut das unwegsame Gelände eben ein geradeaus zuließ. Er hielt kurz inne und beobachtete Vincent. Zielstrebig bewegte er sich auf eine zerklüftete Felswand zu. Was zum Teufel wollte er dort? Plötzlich war sein dunkler Umriss verschwunden. ''Eine Höhle...?'' Cloud starrte angestrengt auf die Stelle, an der Vincent bis eben noch gestanden hatte.
 

~
 

Es war stockfinster und nur langsam tastete sich Vincent an der rauen Steinwand entlang, tiefer in die Höhle hinein. Irgendwo zwischen dem Dunkel konnte er einen Punkt bleichen Lichts ausmachen und klammerte sich mit all seiner Aufmerksamkeit an diesen kleinen Fleck.

Die Stimme in ihm tobte, schrie und lachte laut, doch er versuchte sie so gut es ging zu ignorieren, auch wenn er glaubte, sein Kopf würde jeden Moment bersten. In seinem Innern kämpften die Stimme und das Gefühl, das ihn tiefer in dieses dunkle Loch zog, um die Vorherrschaft. Das reinste Chaos. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Ohren waren taub vom Rauschen seines Blutes. Langsam wurde der Lichtpunkt größer und schon bald trat er aus der Schwärze in ein blasses, sacht glimmendes, weißes Licht. Es war ein kleiner Raum am Ende des Tunnels. Das drängende Gefühl, das ihn hierher gebracht hatte, verschwand abrupt und wich einer verwirrenden Erkenntnis. Erschrocken weiteten sich seine Augen, als er dem Licht zur Quelle folgte und es dauerte einen Moment, bis er begriff, was er dort vor sich sah. ''Das... kann nicht...'' Überwältigt taumelte er voran, bis seine ausgestreckte Hand die glatte, kalte Oberfläche des riesigen Makokristalls berührte, der in der Mitte des Raums aus dem Boden emporwuchs. ''Kann... nicht...'' Seine Handfläche glitt an dem glasklaren Kristall hinab, als er quälend langsam in die Knie ging und auf den Boden sank. ''Lu... cre...'' Sie war es. Daran gab es keinen Zweifel. Er erkannte den Frauenkörper, der in dem glasigen Gestein eingeschlossen war. Erkannte ihr Gesicht. ''...cia...'' ~*Hallo Vincent.*~

Zwei Seelen

Er war wie gelähmt, konnte nur mit Mühe seinen Kopf zu ihr aufrichten, als er ihre Stimme vernahm. Das konnte nicht wahr sein. Er musste träumen. Seine Hand ruhte noch auf dem Kristall und er zuckte unweigerlich zusammen, als er glaubte, einen warmen Hauch durch den kalten Stein dringen zu spüren. Reglos schien ihr Körper im Kristall zu schweben. So ruhig, mit einem friedlichen Ausdruck auf dem Gesicht, als würde sie schlafen. Einen ewigen Schlaf. Mit einem leisen Keuchen krallte er sich mit der Metallklaue in den steinernen Boden. Schlief sie... wie er geschlafen hatte? Erinnerungen versuchten sich aus seinem Innersten zurück an die Oberfläche zu kämpfen. Lang vergangene, gut vergrabene Erinnerungen. Er schluckte hart und schluckte sie wieder mit hinab. ~*Vincent.*~ Ihre glockenhelle Stimme ertönte in seinem Kopf. ~*Du hast her gefunden. Gut.*~ Ermattet legte er den Kopf ein Stück in den Nacken, um besser zu ihr aufsehen zu können. ''Lucrecia... hast du... mich...'' ~*Ich habe dich hergerufen, ja.*~ Ihr Körper und ihr Gesicht blieben vollkommen ungerührt. Sie war es gewesen, die ihn hier her geleitet hatte? Dieses drängende Gefühl steter Unruhe war tatsächlich ihr Geist gewesen, der ihn gerufen hatte? Ein paar Mal hatte er gedacht, dass dieses Gefühl ihm sehr vertraut gewesen wäre und nun hatte er Gewissheit. Die Information kam nur stückweise in seinem Kopf an. ~*Vincent, ich muss mit dir sprechen.*~

~''Was sie wohl will?''~ Die dunkle Stimme in ihm lachte boshaft auf. Vollkommen überfordert rang Vincent um Fassung und klammerte sich Hilfe suchend an den Kristall. ~*So rastlos auf deiner Reise...*~ Ihrer Stimme schwang ein bitterer Unterton mit. Unfähig, etwas zu tun oder zu sagen, ließ er seinen Kopf in den Nacken fallen, sah zu ihr auf und schmiegte seine Wange an das kalte Glas. Sie war hier gewesen? Die ganze Zeit? Für einen Moment schloss er die Augen und spürte, wie sich nach der ganzen Aufregung nun tiefe Erschöpfung in ihm breit machte. Diese ständigen Gefühlsausbrüche machten ihn wahnsinnig. Zwei Seelen die in ihm um die Vorherrschaft kämpften und welche beide so voller Inbrunst nach dieser dritten Seele gegiert hatten. Und nun war sie da. Direkt vor ihm, zum Greifen nah und doch so unerreichbar. Er spürte, wie die Anspannung von ihm abfiel und er langsam in sich zusammensank.

~*Du siehst so müde aus... der stete Kampf gegen ihn verzehrt dich.*~ Ihre Stimme hallte durch den Kristall und durchdrang volltönend seinen Kopf. Mit ihren Worten hatte sie absolut Recht. Schon seit er nicht mehr allein war, war jeder Tag eine Herausforderung. Er hatte das Gefühl, als würde in seiner Brust ein zweites Herz in ungleichem Takt zu seinem eigenen schlagen. Und es raubte ihm den Verstand. ~*Vincent, es tut mir leid, was dir widerfahren ist und es tut mir leid, was ich dir angetan habe. Du darfst dich nicht von ihm beherrschen lassen. Beherrsche ihn. Sieh ihn nicht als Fluch, sondern nutze seine Macht zu deinem Vorteil. Vincent, immerhin ist er der Grund, weshalb du noch am Leben bist.*~ In ihren letzten Worten lag Bedauern, aber auch viel Wärme. Statt eines bitteren Lachens, brachte er nur noch ein mattes Keuchen hervor, als er sich noch ein Stück enger an den Kristall presste. Nach allem was passiert war... er wäre lieber tot. Wie sollte er dieses Monster in ihm unter Kontrolle bringen? Er scheiterte doch immer wieder aufs Neue. ~''Du hast es erfasst. Du bist mir absolut unterlegen.''~ Schmerzhaft gruben sich die Spitzen seiner Klaue in sein Haar. ~''Also hör auf dich zu wehren und überlass mir, was mir zusteht.''~ Das boshafte, spitze Lächeln des Dämons in ihm war fast spürbar. So spürbar, dass ihm schlecht wurde. Wie lange sollte dieses Spiel noch gehen? Angesichts seines Zustands wohl bis in alle Ewigkeit. Die Metallspitzen bohrten sich fast unmerklich aber beständig in seine dünne Kopfhaut. Wenn nur Hojo nicht gewesen wäre. Hojo und seine verdammten Experimente. Unweigerlich keimten all die alten Erinnerungen in ihm auf. ~*Vergiss Hojo. Lass die alte Geschichte ruhen. Rache wird dich nicht weiter bringen, Vincent.*~ Er drehte den Kopf, lehnte seine Stirn gegen den Kristall und ließ auch seine Klaue aus seinem Haar an dem gläsernen Stein hinabsinken. Lange, pechschwarze Strähnen blieben zwischen seinen Fingern hängen. ''Wäre dieser Bastard nicht gewesen...'' Seine Stimme war leise und er konnte sehen, wie die glatte Fläche von seinem warmen Atem beschlug. Ja, wäre er nicht gewesen, dann wäre er jetzt tot. Dann wäre all der Schmerz vorbei, würde all das Elend ein Ende finden. Alles wäre einfach vorbei. Er atmete langsam aus, schloss erneut die Augen und sehnte sich nach dieser utopischen, absoluten Stille.

~''Du weißt so gut wie ich, dass dir dieser Frieden nicht vergönnt ist.''~ Stichelnd meldete sich die Stimme in ihm wieder zu Wort. Er seufzte leise. Auch dieses Elend wäre dann verschwunden. Ein zu herrlicher Gedanke. ~''Willst du mich so unbedingt loswerden?''~ Ein leises Lachen durchdrang ihn. ~''Dir würde so vieles entgehen.''~ ''Ich wüsste nicht was.'', entgegnete er zynisch. ~''Nicht? Oh...''~ Noch ein Lachen. ~''Lass mich dir ein bisschen auf die Sprünge helfen...''~

Wie von selbst begannen Erinnerungsfetzen durch seinen Kopf zu sprudeln. Verlorengegangene, verdrängte Bilder, die er gehofft hatte, nie wieder sehen zu müssen. ''Hör auf...'' Er kauerte sich dichter an den Kristall, suchte Halt an dem glatten Stein und grub seine Klaue fest in den kalten Boden. ~*Vincent, lass dich nicht von ihm beherrschen!*~ Ihre Stimme verlor in dem Gewirr an Gedankenbruchstücken an Kraft. ~''Du hast doch etwa nicht alles vergessen! Denk nur an die Schreie, diese herrliche Todesmelodie. Ihre entsetzten Gesichter. All das Blut.''~, säuselte die Stimme in ihm verzückt. Vincent grub seine Fingerspitzen immer fester in den Grund. Das war zu viel für ihn. Er konnte dieser Bilderflut nicht standhalten. Er sah sie vor sich... wie sie sich wimmernd auf dem Boden zusammenkauerten und voller Angst versuchten vor ihm zu fliehen...
 

~
 

''Bitte... bi-bitte... nein...'' Jammernd hob der Mann die Hände vor das Gesicht und presste sich gegen die Wand, an die er ihn getrieben hatte. Es gab für ihn keinen Ausweg mehr. Der weiße Kittel war blutverschmiert, aber es war nicht sein eigenes. Noch nicht.
 

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Mattgrünes Licht und aufsteigende Luftblasen vor seinen Augen. Nur schemenhaft konnte er Bewegung hinter dem Schleier aus Flüssigkeit und dickem Glas ausmachen. Er fühlte sich seltsam. Nicht wach, nicht schlafend. Irgendwo in einem Zustand dazwischen.
 

- - -
 

Er konnte es in seiner Handfläche knacken spüren, als er nach der Hand griff, die ihm abwehrend entgegen gestreckt wurde. Ein Schrei durchstieß seine Ohren. Es war nicht der erste und es würde nicht der letzte sein. Da waren noch mehr von ihnen. Aber zuerst... Das tränenverschmierte Gesicht blickte voller Angst zu ihm auf, nur noch unverständlich vor sich hin stammelnd. Dann griff seine große Klaue nach dem bleichen Kopf. Noch mehr Blut.
 

- - -
 

Wieder wachte er auf. Wieder dieser grüne Schimmer und unzählige Luftblasen. Doch diesmal hatte er das unbestimmte Gefühl, nicht allein zu sein. Aber er konnte keine körperliche Gegenwart spüren. Es war nicht greifbar. Doch er war sich sicher. Er war nicht mehr allein.
 

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''Es ist außer Kontrolle! Ruft sofort den Sicherheits-'' Ein ersticktes Gurgeln beendete den Satz. Warmes Blut floss seine Klauen hinab und tropfte auf die weißen Fliesen. Die anderen Menschen versuchten panisch aus den Laborräumen zu entkommen. Sie flohen. Vor ihm.
 

- - -
 

Hinter dem dicken Glas ging eine Person auf und ab. Seine Augen brauchten einen Moment sich vollständig an das diffuse Licht und den Blasenschleier zu gewöhnen, um genaueres erkennen zu können. Weißer Kittel, langes, braunes Haar... er kannte sie. Am Rand bewegte sich etwas. Eine Tür? Eine zweite Person kam in den Raum. Weißer Kittel, schwarzes Haar... auch sie kannte er. ''Du verschwendest deine Zeit mit diesem Unsinn.'' ''Nein, ich bin sicher, dass es funktionieren wird!'' ''Pah! Sieh ihn dir an. Nichts weiter als ein Häufchen leblose Materie.''
 

- - -
 

Wieder ein Schrei. Doch diesmal war er es selbst. Ungewohnt dunkel und grollend. War das wirklich er? Er fühlte sich so sonderbar. Als wäre er nur im Hintergrund. Schläfrig, abwesend. Als hätte etwas anderes die Kontrolle über ihn übernommen. Auf der Glasfront einer Schrankwand sah er die verschwommenen Konturen eines Ungetüms vorbeihuschen. War das wirklich er selbst?
 

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Die Luftblasen stiegen fast schon sprudelnd vor seinen Augen auf und es fiel ihm schwer, etwas hinter dem Glas erkennen zu können. Wieder war er nicht allein. Und diesmal war das Gefühl stärker als zuvor. Als hätte es Besitz von ihm ergriffen. Von der Glasscheibe schimmerte ihm ein unbekanntes Gesicht entgegen. Ein völlig verzerrtes Gesicht. Nicht sein eigenes. Und dahinter... ihr Gesicht. Mit schreckgeweiteten Augen und offenem Mund starrte sie ihn unentwegt an. ''L... cre...'' Seine unnatürlich große Hand legte sich auf die Scheibe, drückte und drückte immer stärker dagegen, bis das Glas mit einem lauten Knall zerbarst und er mitsamt der Flüssigkeit aus dem Tank gespült wurde. Die Luft griff mit kalten Fingern nach seinem nassen Körper. Er fror.
 

- - -
 

''Los doch! Los! Wehe es entkommt euch! Ich sorge persönlich dafür, dass ihr einen Kopf kürzer gemacht werdet!'' Die Stimme überschlug sich fast, als sich ein hämisches Augenblitzen hinter den runden Brillengläsern abzeichnete. Ein weiterer Metallhaken bohrte sich mit Wucht in seinen Körper und setze einen beißenden Schmerz frei. Er spürte wie das Blut seinen Körper hinabrann und er glaubte fast wahnsinnig zu werden. Dann brachten die uniformierten Männer ihn endlich zu Fall.
 

~
 

''Hör... auf...'' Keuchend kauerte sich Vincent auf dem Boden zusammen und krallte sich Halt suchend immer tiefer in den Stein. Die Fingerspitzen seiner bloßen Hand waren schon rot und vollkommen taub. Die Knöchel traten schlohweiß hervor und jeder Muskel in ihm war zum Zerreißen gespannt. Ein finsteres Gelächter durchtoste seinen ganzen Körper. ~*Vincent...*~ Ihre Stimme war nun kaum mehr als ein Wispern.

~''Ja! Erinnere dich! Was sie uns, was sie dir angetan haben! Und wärst du nicht zu schwach gewesen, wir hätten sie alle töten können! Alle! Alle! Auch sie! Und ihn! Wenn du nicht zu schwach gewesen wärst!''~

''Schweig...''

~''Ha! Du hättest stark sein können, wenn du mich gelassen hättest! Wenn du mir die Kontrolle übergeben hättest! Aber du kannst jetzt stark sein.''~

''Nein...''

~''Los doch! Sei stark! Hole nach, was dir damals nicht vergönnt war! Ich gebe dir alles, was du brauchst!''~

''Nicht...''

Sein ganzer Körper zitterte und er spürte voll Entsetzen, wie sein Widerstand Stück für Stück in sich zusammenbrach. All die vergangenen Tage und Wochen... er hatte zulange versucht, gegen ihn anzukommen. Jetzt hatte er keine Kraft mehr. Er war am Ende. Mit einer raschen Bewegung zuckten seine Finger über den Steinboden und hinterließen tiefe Furchen und dünne Blutspuren im Dreck.

~*Ja! Endlich! Sei ein guter Junge und lass mich frei!*~

Ein heiserer Schrei verließ seine Kehle, als ein alles überflutender Schmerz seinen Körper durchspülte.
 

~
 

Mit einem knappen Kopfschütteln holte er sich zurück aus dem Zustand kurzzeitiger Verwirrung. Es musste einen Höhleneingang geben, anders konnte er sich Vincents plötzliches Verschwinden nicht erklären. Mühsam arbeitete er sich weiter voran. Die Steine unter seinen Füßen wurden zunehmend rutschiger und machten die Kletterpartie zu einem gefährlichen Unterfangen. Er konnte sich immer noch nicht erklären, was seinen Freund hier an diesen unwirtlichen Ort getrieben hatte. Ob es nur an seinem instabilen Zustand lag? Ob er einen Ort gesucht hatte, an dem er den anderen nicht zur Gefahr werden konnte? Doch es schien ihm wichtig gewesen zu sein, dass Cid genau hier landete. Es musste also mehr dahinter stecken, als reine Rücksichtnahme. Unweigerlich dachte er an den drohenden Blick seiner roten Augen den er ihm zugeworfen hatte, bevor er von der Highwind gesprungen war. Es schien ihm ebenso wichtig gewesen zu sein, tatsächlich allein zu gehen. Er wollte es wieder nur mit sich ausfechten. Doch in diesem absolut aufgewühlten Zustand, so sprunghaft zwischen Ruhe und Rage und so ausgezehrt und schwach... konnte er da überhaupt noch gegen sich selbst ankommen? Die letzten Wunden waren klein geblieben und zügig wieder verheilt, doch er war sich nicht sicher, ob es diesmal bei kleineren Blessuren bleiben würde. Er wirkte sehr verzweifelt... und wenn er nun gar nicht mehr zurückkommen wollte? Augenblicklich beschleunigte Cloud seine Schritte und eilte über die zerklüfteten Felsen.

Er hatte Recht gehabt mit seiner Vermutung, dass sich zwischen den abfallenden Steinhängen ein Eingang verbarg. Die Schwärze die ihm aus dem Loch abwartend entgegenblickte schien fast greifbar zu sein und er zögerte einen Moment. Ein unbehagliches Gefühl stieg in ihm auf und schnürte ihm die Kehle zu. Diese alles verschlingende Schwärze erinnerte ihn an sein Mako-Delirium. Eine gefühlte Ewigkeit war er in vollkommener Finsternis umhergeirrt. Wenn er auch sonst ein Einzelkämpfer war... an jenem Ort hätte er sich jemanden an seiner Seite gewünscht. Ein leichter Schauer kroch über seinen Rücken. Mit einem trockenen Schlucken würgte er die Gedanken hinab und trat schließlich in die Finsternis ein.

Behutsam tastete sich seine Hand an der rauen Felswand entlang. Er konnte sich nur noch auf seine Hände und sein Gehör stützen. Seine Augen waren in dieser Schwärze fast vollkommen unnütz. So wanderte er weiter langsam an der Höhlenwand entlang. Ein dumpfes Grollen drang aus der Ferne zu ihm herüber. ~Monster...?~ Angestrengt versuchte er zu lauschen und das Knirschen der Steine die von der Decke auf ihn herabrieselten zu ignorieren, doch es blieb vorerst still. Ein blasser Lichtschimmer kämpfte sich durch die Dunkelheit und schien das Ende eines langen Ganges zu bezeichnen. Erleichtert atmete Cloud auf. Endlich würde er der beklemmenden Schwärze entkommen können.

Er hatte das Gefühl noch ewig gelaufen zu sein, als sich das bleiche Licht zu einem weiteren Durchgang geformt hatte. Wieder ertönte ein Grollen. Diesmal lauter und dichter und er musste mit der Hand seine Augen schützen, als erneut Dreck und kleine Steine von oben herabfielen. Vorsichtig suchte er hinter einem halbhohen Felsbrocken Deckung und spähte über den Stein in die vor ihm liegende Kammer, doch er konnte nicht viel erkennen. Angestrengt reckte er den Kopf um etwas mehr sehen zu können. Am Rande der Öffnung kam die Ecke eines scheinbar riesigen Kristalls zum Vorschein, von dem der blasse Lichtschein ausging. Wo Vincent wohl war? Ob er gegen das Monster gekämpft hatte? Ein erneutes Grollen riss ihn aus seinen Gedanken. Laut, tief und volltönend schien es direkt aus der Kammer zu kommen. Als er sich ein Stück aufrichtete, nachdem sich die Staubwolke, die von der Decke herab gekommen war, gelegt hatte, taumelte plötzlich ein massiger Körper am Durchgang vorbei und fiel zu Boden. Ein Paar riesiger, ledriger Schwingen zuckte unkontrolliert in die Höhe, als ein weiteres Grollen ertönte. Es kam von dem Monster, ohne Frage, doch jetzt, näher dran, schien sich zwischen das Grollen noch ein anderer Laut zu mischen. Ein Wimmern? Es klang leidvoll und verzweifelt. Ob es verwundet war? Hatte Vincent es in die Knie gezwungen? Cloud stützte die Hände am Felsen ab und richtete sich auf. Der dunkle Kopf des am Boden kauernden Wesens zuckte ruckartig zu ihm herum und die glühenden Augen starrten ihn entsetzt und zugleich wutentbrannt an.

Erschrocken wich er einen Schritt zurück, als das Monster plötzlich laut aufschrie, sich erhob und unkontrolliert mit dem ganzen Körper gegen den Eingang donnerte. Die Erschütterung, die durch das Gestein bebte, löste große Brocken von der Decke und Cloud hatte Mühe, dem Geröll, das auf ihn herabfiel, auszuweichen. Abgelenkt von dem Monster, dass nur wenige Meter vor ihm tobte, bemerkte er den kleinen Stein hinter ihm zu spät und geriet ins Stolpern. Rücklings stürzte er gegen die raue Felswand und sank benommen zu Boden. Ein dumpfes Pochen breitet sich von seinem Hinterkopf durch seinen ganzen Schädel aus. Vorsichtig tastete er mit den Fingerspitzen durch sein Haar und führte sich die Hand wieder vor seine Augen. Sein Blickfeld begann bereits sich zu verdunkeln, als er angestrengt auf die feuchtglänzenden Spitzen seines Lederhandschuhs blickte. War das Blut? Wo nur war Vincent? Ob alles in Ordnung war? Mit aller Kraft versuchte er gegen die plötzlich aufkommende Schwärze in seinem Kopf anzukommen, doch er verlor den Kampf schnell und fühlte, wie er hinwegdämmerte. Bewusstlos sackte er in sich zusammen.
 

~
 

Keuchend und erschöpft kauerte er auf dem kalten Boden und doch pulsierte eine unbändige Energie durch seine Adern. Sein Verstand wurde von einem alles betäubenden Schmerz und wilder Raserei beherrscht. Er hatte das Gefühl, als würde er träumen, als wäre er weit weg und würde wie durch Watte nur erahnen, was um ihn herum geschah. Er fühlte sich klein und nichtig, tief vergraben in etwas weit größerem und mächtigerem. Große Klauen gruben sich in den Dreck. Durch die Augen, die nicht seine eigenen waren, sah er auf sie herab. Es waren nicht seine Hände. Das konnte nicht er sein. Und doch... er spürte, dass er in diesem Körper steckte. Langsam führte er die Klauen vor das Gesicht und betrachtete sie eingehend. Groß, kräftig, gefährlich. Zaghaft wandte er den Kopf zur glatten Oberfläche des Kristalls um. Kalt und hart, wie der glasklare Stein selbst, traf ihn die Erkenntnis, als er in das Gesicht blickte, dass sich dort spiegelte. Er war dem Dämonen in ihm unterlegen und hatte ihm den Platz überlassen. Hatte ihm seinen Körper und den Großteil seines Bewusstseins überlassen. Und er kannte diesen Anblick. Dieses Gesicht hatte ihm vor über dreißig Jahren entgegengeblickt, als er in dem Tank in Hojos Labor zuletzt erwacht war. Hinter der Spiegelung ihr Gesicht. Erschrocken, voller Angst... Angst vor ihm. ~*Vincent, lass ihn nicht völlig die Kontrolle über dich gewinnen.*~ Ihre Stimme... das war ihre Stimme. Nur schwach und ganz leise konnte er sie in seinem Kopf vernehmen. Als wäre sie mit seinem eigenen Bewusstsein zusammen betäubt worden.

Noch immer starrte er auf das Konterfei auf der Oberfläche des Kristalls. Es war eine verzerrte Version seiner selbst. Doch es war noch immer er. Auch wenn er es nicht wahrhaben wollte. Es war sein abscheuliches Gesicht, waren seine Augen, aus denen die Mordlust leuchtete, seine Klauen, die sich vor verwirrender Erregung tiefer in den Dreck gruben. Er war immer noch er selbst. Er war es auch damals gewesen. Nicht das Monster, sondern er hatte all die Menschen getötet. Die Augen wanderten hinab auf die angespannten Klauen. An ihnen hatte so viel Blut geklebt. Seinetwegen.

Er konnte dem nicht standhalten. Es machte ihn wahnsinnig. Gefangen in diesem Monster, gefangen als dieses Monster. Er war nichts weiter als ein Monster. Tief und verzweifelt stieß er einen Schrei aus. Wankend richtete er sich auf, als er spürte, wie ihn unfreiwillig zwei riesige Schwingen empor rissen. Die kleine Bewegung zerrte schwer an seinen Schultern und ließ ihn zurücktaumeln. Unbeholfen sank er wieder in die Knie und stütze sich auf den Händen auf. Er fühlte sich hilflos, war vollkommen überfordert. Er wollte nicht so sein.

Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken. Mit einem Ruck wandte er den Kopf in die Richtung, aus der er es vernommen hatte. ~Nein! Nicht...~ Ein Paar erschrockener, blauer Augen blickte ihm entgegen. Cloud war ihm trotz seiner Warnung gefolgt. Warum nur? Warum hatte er nicht an Bord bleiben können? Jetzt war er hier und hatte ihn gesehen. In dieser schrecklichen Gestalt. Zwischen seine Enttäuschung mischte sich die Wut des Dämons. Er sah in seinem Freund nichts weiter als einen Eindringling, einen Feind. Mit einem lauten Schrei sprang er auf und warf sich mit aller Kraft gegen den schmalen Durchgang, doch der Körper des Monsters war zu groß, um ohne Weiteres durch die Öffnung im Fels zu gelangen. Mit Wucht traf er auf den Stein auf und spürte, wie der Aufprall seinen ganzen Leib erzittern ließ. Auch durch das Gestein ging ein Ruck und ließ die ganze Höhle erbeben. Dreck und Geröll löste sich von den zerklüfteten Wänden und polterte herab. Tobend versuchte das Monster in den Gang zu gelangen, doch zum Glück hinderte es der massige Körper daran. Vincent suchte mit seinem Blick nach Cloud und fand ihn strauchelnd durch den Steinregen zurückweichen, bis er plötzlich aus seinem Sichtfeld verschwand. Aufregung stieg in ihm auf, als er ihn am Boden liegend wiederfand. Gierige Klauen versuchten sich am Stein festzukrallen. ~Cloud!~ Zusammen mit dem Monster drängte er weiter gegen den Durchgang, um zu seinem Freund zu gelangen. Er schien verletzt, wurde zusehends benommener, bis er schließlich in sich zusammensackte. Vincent und das Monster schrien gemeinsam auf. Er wollte ihn retten. Er wollte ihn töten. Mit verächtlichem Schnaufen stieß er sich vom Stein ab und taumelte zurück in den Raum, als er spürte, wie sich die scharfen Kanten immer weiter in seine Haut schnitten. Vielleicht war es besser so. Besser, dass er ihn nicht sah, dass er ihn nicht erkannte. ~Cloud...~ Wieder war es seine Schuld, dass er in Gefahr schwebte. Seine zweite Seele wütete unruhig in ihm und mit einem wuchtigen Schlag der Schwingen wirbelte er herum. Vor dem Kristall kam er wieder zum Stehen. Sie wollte noch immer Chaos und Zerstörung, sehnte sich nach absoluter Vernichtung.

Auf der gläsernen Oberfläche vor ihm spiegelte sich die wutverzerrte Fratze und dahinter ihr Gesicht. So ruhig und friedlich. Nicht wie damals, als sie ihn voller Furcht angestarrt hatte. Sie war wunderschön. ~''Jetzt können wir sie töten!''~ Der Dämon schrie erneut auf. Ein dumpfer Schmerz durchfuhr seine rechte Hand, als sie geballt auf den harten Kristall traf. Wieder und wieder. Wollte er ihn etwa zerstören? ~Lucrecia...~ Wieder warf sich das Monster mit aller Wucht gegen den Kristall. ~Ich konnte dich nicht schützen... ich konnte dich nicht vor Hojo bewahren... es tut mir leid...~ ~''Jetzt wird sie bezahlen!''~ Ein weiterer Aufprall ließ seinen ganzen Körper erbeben. ~Doch er wird dich nicht bekommen...~ Der nächste Fausthieb verlor auf halbem Wege an Kraft und traf nur gedämpft auf den Stein auf. ~''Was tust du?! Bist du des Wahnsinns?!''~ Die dunkle Stimme durchtoste in blinder Wut seinen Kopf. ~''Töte sie! Töte sie! Töte sie!''~ Aufgebracht tobte das Monster gegen sein Aufbegehren an, doch auch der zweite Hieb verlor an Schwung. ~Ich werde... sie dir nicht überlassen...~ Ein dunkles Grollen verließ seine Kehle. ~''Du bist ein Narr! Sie gehört mir!''~ Mit schwindender Kraft wagte er einen letzten Vorstoß gegen den Dämonen, versuchte, ihn zurückzudrängen und seinen Geist und seinen Körper wieder in seine eigene Kontrolle zu bringen. ~Niemals... wird sie dir gehören...~ Konzentriert spürte er, wie das Gefühl für seinen eigenen, menschlichen Körper allmählich wiederkehrte. Das Monster taumelte verwirrt durch den Raum und suchte verzweifelt Halt an den zerklüfteten Wänden. ~''Hör auf! Hör auf! Verlass diesen Leib!''~ Er spürte seine Hände zurückkehren, konnte sich in den Stein krallen und den wankenden Dämonen zum Stehen bringen. ~Nein... du gehörst nicht hier her... du hast deinen Körper verloren... nicht ich...~ Der Schmerz kehrte unvermittelt zurück, als das Monster Stück für Stück wieder menschliche Formen annahm. Brüllend und rasend vor Zorn versuchte sich die zweite Seele gegen die Transformation zu wehren. Vincent konnte spüren, wie sich ihre metaphysischen Klauen nach seiner eigenen Seele ausstreckten, sie umklammerten und mit spitzen Krallen zu zerfetzen versuchten. Alles überschwemmender Schmerz durchzog ihn auf jeder Ebene seines Bewusstseins. Er würde versagen. Wie er immer versagte. Sein Geist, seine Lebensenergie schwand, wurde schwächer und schwächer. Dann wurde alles um ihn schwarz.
 

~
 

~*Vincent...*~ Das war ihre Stimme. ~*Vincent. Steh auf...*~ Glockenhell bahnte sie sich auf zarten Schwingen einen Weg durch das Dunkel. War es vorbei? Mit einem leisen Keuchen ließ er die letzte Luft aus seinen Lungen entweichen, ehe er neue, frische und kalte Luft in sie hineinsog. Langsam öffnete er seine Augen. Stein. Sein Blick fiel auf nackten Stein. Dann kehrte das Gefühl in ihn zurück. Völlig erschöpft kauerte er auf dem Boden, Schulter und Kopf an die Felswand gelehnt. Die schwarzen Strähnen, die über seine Wange strichen und ihm den Blick verschleierten, zeigten ihm, dass er wieder er selbst war. In seinem Kopf dröhnte es noch dumpf nach und sein ganzer Körper war steif und schmerzvoll, doch er war zurück. Hatte den Dämonen zurückgedrängt. Leise atmete er erneut tief aus. Er hatte vollkommen verdrängt, wie verzehrend und peinvoll die Verwandlung war. Sein Kopf hob sich langsam von der harten Wand und wandte sich zu dem bleichen, sacht schimmernden Licht um. ~*Vincent...*~ Sie war noch hier. Schwerfällig und schwach kroch er auf Händen und Knien zum Kristall herüber, um sich gegen den glasklaren Stein sinken zu lassen. Seine Fingerspitzen erkundeten zitternd die Risse, die den gesprungenen Kristall durchzogen. Er blickte auf. Sie war noch hier. Unversehrt. Erleichtert ließ er seine Stirn gegen die kalte Oberfläche sinken. ''Lu... crecia...'' Sie war noch hier. Sie würde hier bleiben. Und so würde auch er. Endlich konnte er ihr wieder nahe sein. Kleine Splitter drückten sich in seine Haut, doch er drängte sich nur noch inniger an den Kristall. ''Verlass mich... nie mehr...'' ~*Vincent. Bitte...*~ Kraftlos klammerten sich seine geschundenen Fingerspitzen in die Risse. Ihre schöne Stimme. ~*Bitte, lass mich ziehen.*~ Er zog die Beine an den Körper und schmiegte sich noch dichter an sie. ~*Tu dir nicht selbst weh. Du weißt es doch besser.*~ Warum war ihre Stimme so bitter? Er war doch hier. Endlich wieder bei ihr. Er würde bleiben. ~*Vincent, lass mich an dem Ort, an den ich gehöre. Lass mich in der Vergangenheit.*~ Unweigerlich stahl sich ein leises Keuchen aus seiner Kehle. Wovon sprach sie da? ''Nein... sag das nicht...'' ~*Bitte. Bitte, lass mich ruhen. Ich habe dir so viel Leid gebracht... das kann ich mir nie verzeihen.*~ Was redete sie da? Er war doch schwach gewesen. Er hatte sie nicht schützen können. Er war der Grund, warum...

~*Vincent... vergiss Hojo, vergiss mich. Lass die vergangenen Tage ruhen. Rache wird dir keine Erlösung sein.*~ Sie vergessen? Niemals könnte er... Verzweifelt klammerten sich seine Finger in den Kristall. ''Lucre...cia... nein... ich...'' ~*Du weißt es doch. Du spürst es doch. Lass die Vergangenheit zurück. Und geh... geh in die Zukunft.*~ Ganz langsam sank er wieder in sich zusammen, als sich die Bedeutung ihrer Worte zu einem konstanten Gedanken geformt hatten. ~*Ich will dich um eins noch bitten... stoppe meinen Sohn. Er tut großes Unrecht. Halte ihn auf... bitte.*~ Ihr Sohn... sprach sie von... Sephiroth? ~*Vincent, lass mich Frieden finden.*~

Zitternd kauerte er am Fuß des Kristalls und versuchte, ihre Worte zu begreifen. Sie wollte nicht, dass er blieb. Sie wollte, dass er ging. Schickte sie ihn fort? Nein... sie bat ihn. Bat ihn, Frieden finden zu dürfen. Sephiroth... ''Lu...crecia...'' Doch sie antwortete nicht mehr.

Mühsam stützte er sich auf seinen Händen auf. Er musste gehen. Auf allen Vieren schleppte er sich ein Stück weit über den Dreck. Sein Rüstungsarm lag achtlos beiseite geworfen mitten im Raum und vorsichtig angelte er mit spitzen Fingern nach dem kalten Metall. Er ließ sich zurück fallen, setzte sich und streifte ihn wieder über. Er hatte Mühe die kleinen Verschlüsse mit seinen fast tauben Fingern notdürftig zu schließen und verlor die Geduld, als sein zerfetzter Ärmel immer wieder im Weg war. Mit einem kurzen Ruck riss er den durchlöcherten Stoff ab. Er wollte gar nicht wissen, wie er aussehen musste. Er fühlte sich hundeelend.

Für einen Moment verharrte er noch auf dem Boden, sammelte seine letzten Reserven zusammen und erhob sich dann träge. Er war müde, völlig erschöpft und am Ende seiner Kräfte, doch er musste gehen. Sie hatte Recht. Er konnte nicht bleiben.

Ein letztes Mal wandte er sich zum Kristall, zu ihr, um. Sie ruhte unverändert hinter dem gesprungenen Glas. Ihrem gläsernen Sarg. ''Lucrecia...'' Er würde sie nicht vergessen. Niemals.

Er atmete tief aus, wandte nur widerwillig den Blick von ihr ab und verließ den kleinen Raum. Mit jedem Schritt den er von ihr weg tat, spürte er ihre Anwesenheit schwinden und ein Gefühl unbestimmter Schwermut nach seinem Herzen greifen. Er hatte sie nicht retten können.

Er taumelte den Gang hinab und stoppte nach einigen Schritten, als etwas am Rande seines Blickfelds seine Aufmerksamkeit erregte. ''Cloud...'' Noch immer lag sein Freund betäubt auf dem Boden. Langsam kniete er neben ihm nieder und legte ihm behutsam die Hand auf die Schulter. ''Cloud...'' Es dauerte einen Moment, doch dann kehrte endlich wieder Leben in den ausgekühlten Körper zurück. Er stöhnte leise auf und suchte mit seiner Hand unsicher nach seinem Kopf, klammerte sich auf halbem Wege aber in Vincents Arm fest. Wortlos half er ihm auf die Beine und schlang sich einen Arm um die Schultern, um ihn zu stützen. Dann traten sie gemeinsam in den langen Gang, der sie mit alles verschlingender Schwärze empfing. Nur ihr unsteter Atem und ihre unsicheren Schritte auf dem steinigen Boden waren zu hören und hallten verzerrt von den Wänden wider. Gedanken waberten träge durch seinen müden Kopf.

~Sephiroth stoppen... deinen Sohn? Er ist auch... Hojos Sohn... Hojo...~

Der Weg zurück

''Was zur Hölle dauert denn da so lange?'' Ungeduldig tippte Cid mit den Fingerspitzen auf dem Rand der Steuerkonsole herum, kaute auf seiner Zigarette und schaute dem Sekundenzeiger der Uhr beim Wandern zu. ''Ich mache mir langsam wirklich Sorgen.'' Tifa stützte ihre Wange auf die Fingerknöchel auf und verzog grübelnd das Gesicht. ''Sorgen? Ach was, Unsinn. Was soll denn passieren?'' Cid drehte sich schwungvoll von der Konsole weg und zog eine dünne Linie weißen Rauchs hinter sich her, als er die obere Ebene der Brücke durchschritt. ''Ich weiß doch auch nicht, aber ich habe kein gutes Gefühl.'' ''Kein gutes Gefühl?'' Der Pilot lachte trocken. ''Gefühle, papperlapapp. Wenn wir hier jetzt wegen jedem scheiß Gefühl gleich ein Fass aufreißen, dann kommen wir bis morgen nicht mehr nach Rocket Town.'' Barret nahm einen kräftigen Zug aus der mittlerweile vierten Flasche die auf dem Boden stand und räusperte sich kurz. ''Vielleicht sollten wir wirklich mal nachschauen.'' Er begutachtete den verbliebenen Rest bitteren Schnaps und stürzte dann auch diesen herunter. ''Was?! Verdammt, ich will doch einfach nur nach Hause!'' Cid schlug mit der Faust auf die Steuerkonsole, als er seinen Weg wieder zurückgegangen war. Verhalten klimperten die zwei Gläser, die mittlerweile nutzlos ein Stück weiter standen. ''Ja, genau!'' Entschlossen schlug Tifa mit der Fast in ihre Handfläche. ''Du willst da raus? Es ist dunkel und kalt und...'' ''Yuffie, du darfst gern hier bleiben.'' Sie lächelte dem verschlafenen Mädchen sanft entgegen. ''Ja, gut gut. Vielleicht kommen sie ja zurück, wenn ihr weg seid und dann geb' ich euch Bescheid.'' Yuffie hatte den anderen schon den Rücken zugewandt und war drauf und dran die Brücke zu verlassen. ''Nichts da. Wir gehen alle.'' Schwerfällig erhob sich Barret aus seinem Polsterstuhl. Der Hüne wankte leicht und er brauchte einen Moment, bis er sich an den Schwindel in seinem Kopf gewöhnt hatte. Er war trinkfest, keine Frage, aber das Zeug das Cid immer wieder anschleppte war wirklich nicht ohne. ''Schön. Gut. Dann aber flott, ich will hier nicht noch mehr Zeit verplempern.'' Cid stapfte missgelaunt voran und stopfte sich schon die nächste Zigarette in den Mundwinkel, obwohl er die andere noch nicht vollständig aufgeraucht hatte.

Tifa warf einen Blick über die Brüstung der Brücke. Nanaki hatte sich neben dem abgeschalteten Cait an seinem gewohnten Platz in einer Ecke der unteren Ebene zusammengerollt und schlief noch tief und fest. Auch wenn eine gute Nase bei der Dunkelheit draußen vielleicht gute Vorteile brachte, so entschied sie doch, ihn weiter schlafen zu lassen. Dann folgte sie Cid und den anderen aus dem Steuerraum raus durch das Luftschiff.
 

~
 

Vincent hatte das Gefühl, als würden sie schon seit Stunden durch die Finsternis laufen. Erschöpft und ausgelaugt wie er war, fiel es ihm schwer, sich auf seine Schritte zu konzentrieren und möglichst geradeaus zu gehen. Clouds benommener, wankender Körper machte es ihm nicht gerade einfacher. War er auf dem Weg in die Höhle auch so lange unterwegs gewesen? Was, wenn im Dunkeln mehr als ein Gang verborgen lag? Er musste einen Moment innehalten, presste seine Hand fest gegen die Felswand und tat ein paar tiefe Atemzüge. Kalte Luft füllte seine Lungen und würde seinem müden Kopf hoffentlich etwas auf die Sprünge helfen. Das Gewicht des anderen zerrte schwer an seiner Seite und er hatte alle Mühe aufrecht stehen zu bleiben. Seine Gedanken kreisten nur um Lucrecia und die Dinge, die sie gesagt hatte. Sollte es das nun wirklich gewesen sein? Ihr letztes Zusammentreffen? Die letzten Worte, die sie miteinander getauscht hatten? Er konnte das kaum glauben. So lange hatte er darauf gehofft, sie tatsächlich wiederzusehen und nun schlief sie dort, eingeschlossen in diesen riesigen Kristall und schickte ihn einfach wieder fort. Dabei wäre er nur zu gern bei ihr geblieben... Er atmete leise aus, krallte sich für einen Moment in den Stein und ließ seine Metallklaue mit einem unangenehmen Kratzen über die Felswand wieder hinabgleiten. Behutsam zog er sich Clouds Arm ein Stück fester über die Schultern und bugsierte ihn wieder zurück auf den Weg, von dem er glaubte, dass er im Dunkel vor ihnen lag. Sie mussten weitergehen. Er zuckte überrascht zusammen, als er spürte, wie sich zittrige Finger in den zerschlissenen Stoff seines Hemdes krallten. Sanft aber bestimmt festigte er auch seinen Griff um Clouds Rücken und bedeutete ihm, dass alles in Ordnung war. So in Ordnung, wie es nach den vergangenen Ereignissen eben sein konnte... Ob Cloud wohl ahnte, was er dort gesehen hatte? Ob er wusste, dass das Monster, das ihn beinahe attackiert hätte, sein innerer Dämon gewesen war? Dass er es gewesen war? Er seufzte leise und hoffte, er wüsste es nicht. Der Kopf seines Freundes ruhte wacklig an seiner Schulter und drohte bei den unsteten Bewegungen ihrer wankenden Schritte hinabzurutschen. Vorsichtig hob Vincent seine Hand von Clouds Rücken empor und bettete sie sanft auf das blonde Haar. Es fühlte sich nass und klebrig an. Er musste geblutet haben. Ein leises Gefühl von Schuld keimte in ihm auf. Nur seinetwegen. Nur, weil er nicht in der Lage gewesen war, sich und seinen fürchterlichen Dämonen unter Kontrolle zu halten. Er presste Clouds Kopf sacht gegen seine Schulter und versuchte etwas langsamer zu gehen. Doch langsamer gehen bedeutete auch, dass sie noch länger in dieser Finsternis unterwegs sein würden. Er fühlte sich in dieser vollkommenen Schwärze nicht wohl. Sie erinnerte ihn an eine Zeit, in der es nur dunkel um ihn gewesen war. Eine Zeit, in der er einsam gewesen war. Eine lange Zeit. Ihn beschlich das Gefühl, dass sie nicht allein waren. Folgte ihnen etwas? Er atmete leise aus und zuckte leicht zusammen, als er begriff, woher dieses unbestimmte Gefühl kam. Sie wurden nicht verfolgt. Nein. Es war nur er. Seine Seele. Auch wenn er den Dämonen in ihm zurückdrängen konnte, so war er doch nicht verschwunden. Für einen kleinen Moment des inneren Friedens hatte er inständig gehofft, es wäre so gewesen, doch nun spürte er ihn wieder deutlich und fast intensiver als zuvor. Die Verwandlung hatte ihn in Aufruhr versetzt, ihn endlich wieder ein Stück Freiheit kosten lassen und nun lauerte er wach und mit geschärften Sinnen dicht unter der Oberfläche seines Bewusstseins. ~''Ich krieg' dich noch.''~ Er konnte das Blecken der scharfen Zähne regelrecht spüren, doch für den Moment hatte er, trotz seines desolaten Zustands, die Herrschaft über sich und seinen Körper. Einen Schritt nach dem nächsten. Er hatte eine Aufgabe. Nur noch raus hier.

Benommen versuchte Cloud die Augen erneut zu öffnen, nur um festzustellen, dass sie noch immer in der Höhle waren. Doch er glaubte einen leichten, kalten Lufthauch zu spüren. All zu weit konnte der Ausgang nicht mehr entfernt sein. Er klammerte sich noch ein Stück fester in das Stück Hemd, dass er von Vincent zu fassen bekommen hatte. In seinem Kopf drehte sich alles und Blut rauschte in seinen Ohren. Daneben war alles, was er hören konnte, nur ihre tastenden Schritte und ihr Atem. Er lauschte einen Moment. Vincents Atmung war unstet und abgehackt, als würde es ihm große Mühe kosten. Ob ihm seine Last wohl zu groß war? Doch er spürte den festen, entschlossenen Griff um sein Handgelenk mit dem er ihn stützte und die andere Hand, welche seinen Kopf behutsam in Position hielt. Dennoch entging ihm nicht, dass auch sein Freund leicht taumelte und dann und wann ein kurzes Zittern durch seinen Körper ging. Was hatte ihn so erschöpft? War es der Kampf gegen das Monster gewesen? Dieses Monster... Er erinnerte sich an den Blick, den es ihm zugeworfen hatte, bevor er gestürzt war. Ein Blick, in welchem neben wilder Raserei, auch ein Hauch von Angst gelegen hatte. Eine sonderbare Angst. Es war keine Angst vor dem Tod gewesen, eher eine... er fand keine richtigen Worte dafür, doch für einen Moment hatte er geglaubt, diese Angst schon einmal in einem Blick gesehen zu haben... Das war doch vollkommen absurd. Er verdrängte die Gedanken, presste seinen Kopf fester gegen Vincents Schulter und spürte den nassgeschwitzten Stoff in seiner Handfläche knirschen. Dann schloss er die Augen wieder. Er konnte den Anblick dieser totalen Finsternis nicht ertragen. Es erinnerte ihn unweigerlich wieder an sein Delirium. Als er allein war. Ganz allein. Doch jetzt war er nicht allein. Er seufzte kaum hörbar. Damals hätte er sich jemanden an seiner Seite gewünscht. Jetzt und für diesen Moment war Vincent hier. Doch eigentlich war auch das nicht richtig. Er hätte nicht hier sein sollen. Jetzt musste sein Freund ihn heraustragen, weil er seine Warnung missachtet hatte. Er hätte ihm nicht folgen sollen. Nicht dieses Mal. Ein weiteres Seufzen. Es hatte keinen Zweck sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen. Wichtig war, dass sie wieder hier herauskamen. Als seine Benommenheit langsam nachließ, hob er seinen Kopf von Vincents Schulter und versuchte seinen Freund ein bisschen zu entlasten. Der kühle Luftzug hatte an Intensität zugenommen. Der Ausgang konnte nicht mehr weit entfernt sein. Und er hatte Recht. Kalt und feucht schlug ihnen plötzlich die wassernebelschwere Luft entgegen. Es war eine absolute Wohltat. Er atmete immer wieder tief ein und hoffte, die frische Luft würde seinen benommenen Kopf etwas klären. Steine polterten den Hang hinab, als sie unsicher darüber hinweg kletterten. So geschwächt und aneinander geklammert, war der Weg zurück noch rutschiger und mühsamer, als er es auf dem Hinweg schon gewesen war. Sie mussten vorsichtig sein, dass sie auf den nassen Steinen nicht ins Schlittern gerieten und den Hang hinabstürzten. Er spürte, wie seine linke Hand sacht begann zu kribbeln, als Vincent ihr mit seinem festen, verkrampften Griff die Blutzufuhr abschnürte. Auch seine andere Hand klammerte sich verbissen in seinem Rücken fest. Während er selbst langsam wieder zu Kräften kam, schien Vincent immer schwächer zu werden. Doch er sagte nichts. Durch die unbeständige Wolkendecke brach dann und wann bleiches Mondlicht hindurch und half ihnen auf dem unebenen Weg sicherer voranzukommen. Cloud neigte den Kopf leicht vor und konnte für einen kurzen Moment einen Blick auf seinen Freund richten. Das schwarze Haar war zerzaust und verbarg sein Gesicht, daneben blitzte seine Rüstung und ein Stück seines weißen Arms auf. Zerfetzter Stoff hing herab. Doch bevor er ihn noch eindringlicher mustern konnte, verschwand das bleiche Licht wieder hinter dem dicken Wolkenschleier. Cloud runzelte besorgt die Stirn und ignorierte, dass das Kribbeln in seiner Hand langsam zu kleinen Nadelstichen herangewachsen war. Ob Vincent verletzt war? Er konnte den Zustand des Älteren nur schwer einschätzen. Einzig der unruhige Atem, der hauchfeine, weiße Wolken in die kalte Nachtluft hinausstieß, zeigte ihm deutlich, dass er erschöpft war.

Niemand von beiden sprach auch nur ein Wort und langsam suchten sie sich, eng aneinander gedrängt, ihren Weg zurück zum Luftschiff.
 

~
 

Mit einem Knirschen setzte die Rampe wieder auf dem steinigen Boden auf. ''Und jetzt?'' Cid blieb am Ende stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und blies eine Rauchwolke aus. ''Es ist zappenduster.'' Mit einem Seufzen kam Tifa neben ihm zum Stehen. ''Na, wir teilen uns auf und suchen sie.'' Der Pilot lachte auf. ''Ist das dein Ernst? Und nachher rennen wir wie die Kühe blind im Kreis.'' ''Hast du einen besseren Vorschlag, alter Mann?'' Yuffies Faust traf ihn spielerisch am Oberarm. Argwöhnisch sah er zu ihr herüber und zog kräftig an seiner Zigarette. Die Glut legte einen roten Schimmer auf sein Gesicht. ''Ja. Wir scheißen drauf und fliegen weiter.'' Das Mädchen zog eine finstere Miene. ''Komm, ich weiß, dass du das nicht ernst meinst.''

''Wie's aussieht, müssen wir gar nicht lange suchen.'' Mit festen, lauten Schritten kam Barret die Rampe hinab, stemmte eine Hand in die Hüfte und wies mit einem Nicken geradeaus ins Dunkel.

''Wie?'' Überrascht sah Tifa auf. Es dauerte einen Moment bis sich ihre Augen soweit an die Nacht gewöhnt hatten und sie die zwei Schemen in einiger Entfernung ausmachen konnte. ''Oh, zum Glück...'' Sie atmete erleichtert auf.

Gemeinsam warteten sie am Aufgang zur Luke, bis die beiden dicht genug an die Highwind herangekommen waren. ''Na endlich. Wir haben schon befürchtet, ihr hättet Fahnenflucht begangen!'', schnauzte Cid ihnen laut und spöttisch entgegen. ''Cid!'' Tifa schenkte ihm einen bösen Blick und schüttelte leicht den Kopf, ehe sie den beiden entgegen ging. ''Seid ihr wohlauf? Ist alles in Ordnung?'' Doch sie erhielt keine Antwort. Besorgnis keimte in ihr auf und in leichtem Laufschritt brachte sie die letzten Meter zwischen ihnen hinter sich. ''Hey, was ist los, was ist passiert?'' Unruhig blickte sie zwischen den beiden hin und her und ergriff schnell Clouds anderen Arm, als sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte. Cloud warf ihr nur einen ablehnenden Blick zu, ließ sie aber gewähren und war fast ein bisschen erleichtert über die zusätzliche Stütze. Er glaubte, auch ein leises Aufatmen von Vincents Seite zu vernehmen. Zu dritt gingen sie zurück zum Luftschiff. ''Und? Welche Entschuldigung habt ihr für die Warterei vorzubringen?'' Der Pilot war offensichtlich missgelaunt und bereit ihnen seine ganze schlechte Stimmung entgegenzuschleudern. Er kaute unruhig auf dem letzten Rest seiner Zigarette herum. ''Cid, bitte!'' ''Was ist los, was ist passiert?'' Yuffie kam an Tifas Seite und beäugte die drei neugierig. Kurz vor der Rampe blieben sie stehen und Vincent hob behutsam Clouds Arm von seinen Schultern herunter. Schweigend schob er seinen Freund leicht zu Tifa. Sie sah über seine Schulter hinweg zu Vincent herüber, doch ging dann die Rampe hinauf ins Innere des Luftschiffs, als sich Cloud in Bewegung setzte und sie mit sich drängte. Yuffie und Barret folgten ihnen. Grummelnd stieg auch Cid wieder ein und schlug mit der Faust auf den Knopf, der die Rampe hinaufzog. Träge folgte Vincent ihm und war dankbar, dass Cid nicht wartete, bis die Luke geschlossen war, sondern schon zur Brücke vorauseilte. Er nahm einen tiefen Atemzug und ließ sich entkräftet auf den kalten Stahlboden sinken. Sie waren zurück.

Staub

''Was ist denn bloß passiert?'' Tifa wrang den Lappen in der kleinen Schale erneut aus und tupfte Dreck und Blutreste aus Clouds Haar. Sie saß hinter ihm auf dem schmalen Bett, hatte vorsorglich eine Wasserschüssel und Verbandszeug besorgt und kümmerte sich nun um seine Wunde. ''Tifa... ich weiß es nicht. Ich bin gestürzt und habe mir den Kopf angeschlagen.'' Sie brummte missmutig. ''Und du hast wirklich gar nichts mitbekommen?'' Er seufzte. Ihm war klar gewesen, dass sie Fragen stellen würde und er wusste auch, dass sie, wie gewohnt, nicht locker ließ. Manchmal verteufelte er ihre verdammte Neugier. ''Ich war bewusstlos. Alles was ich noch gesehen habe, war ein Monster.'' Tifa hielt kurz inne, fuhr mit den Fingerspitzen vorsichtig durch seine nassen Haare und begutachtete die Wunde. ''Ein Monster?'' ''Ja.'' Cloud zog ein Bein an den Körper und legte seinen Arm darauf ab. ''Vincent hat es bekämpft.'' Zumindest ging er davon aus. Gesehen hatte er nichts, von Vincent war weit und breit keine Spur gewesen, bis zu dem Zeitpunkt, als er ihn vom Boden aufgesammelt hatte. Was wohl wirklich passiert war? Und vor allem blieb immer noch die Frage offen, was er überhaupt dort wollte... Er rieb sich müde über die Augen. In seinem Kopf hallte noch immer ein dumpfes Dröhnen nach und er fühlte sich schlapp und ausgelaugt.

Tifa wusch den Lappen erneut aus und fuhr mit dem Prozedere fort. ''Es ist zum Glück nicht so schlimm wie ich dachte und nur oberflächlich aufgeplatzt. Das sollte gut verheilen, wenn alles sauber ist.'' Sie kümmerte sich immer rührend um die Gruppe, wenn jemand Hilfe brauchte und war auch jetzt nicht davon abzubringen gewesen, sofort nach seiner Verletzung zu schauen. ''Hm. Hast du Vincent vorhin noch gesehen?'' Sie hielt kurz inne, dippte ihre Fingerspitzen dann in die Wasserschale und zog noch etwas Dreck aus einer Haarsträhne. ''Wie? Nein, ich hab' ihn nicht gesehen.'' Ein letztes Mal tupfte sie mit dem Lappen behutsam über die Wunde, dann ließ sie ihn zurück in die Wasserschale sinken und erhob sich. ''Aber ich hielt es auch für wichtiger, erstmal nach deiner Verletzung zu sehen.'' Cloud zog die Stirn zusammen. Sollte Tifa tatsächlich nicht bemerkt haben, in welchem Zustand ihr Freund gewesen war? Er war sich fast sicher, dass auch Vincent verletzt sein musste. Auch wenn er ihn bis zuletzt gestützt hatte, war ihm nicht entgangen, wie schwach und kraftlos er gewesen war. ''Bis wir in Rocket Town sind wird es noch eine Weile dauern.'' Sie lächelte ihr gewohnt warmes, gutmütiges Lächeln und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. ''Ruh dich etwas aus.'' Dann griff sie nach der Schale und dem Verbandszeug und verließ seine Kabine.

Cloud verschränkte die Hände hinter dem Kopf und ließ sich auf sein Kissen fallen. Die nassen Haare lagen kühl in seiner Handfläche und er konnte die Wunde an seinem Hinterkopf verhalten pochen spüren. Vielleicht hatte sie Recht und er sollte sich wirklich ausruhen. Er war erschöpft, müde und etwas Schlaf würde ihm sicher gut tun. Mit leisem Seufzen schloss er die Augen und lag für eine Weile still da, bis ihn ein Geräusch aus seinem Ruhezustand riss. Langsam richtete er sich auf seinem Bett wieder auf. Er war sich sicher, dass er eine Tür hatte zuschlagen hören. Ob das Vincents Tür gewesen war? Flach atmend lauschte er einen Moment und konnte deutlich, wenn auch nur leise Schritte aus der anderen Kabine vernehmen. Cloud zögerte nicht lange, erhob sich wieder und verließ seinen Raum. Er hatte das Gefühl, Vincent wirklich dringend sehen zu müssen, wollte wissen, ob mit ihm alles in Ordnung war und... ja, er wollte wissen, was sich dort unten in der Höhle abgespielt hatte. Leise ließ er seine Tür hinter sich ins Schloss fallen, trat die drei Schritte bis an die nächste Tür ran, zögerte kurz, öffnete sie dann aber entschlossen.

Rote Augen sahen ihm zuerst überrascht entgegen, doch sie verdunkelten sich eilig und warfen ihm einen verärgerten Blick zu. Vincent war tatsächlich in seinem Zimmer. Ungläubig ob dieser Tatsache verharrte er einen Moment im Türrahmen. Er hatte fest damit gerechnet, dass er sich wieder irgendwo sonst an Bord der Highwind befinden würde, zurückgezogen und versteckt vor ihm und den anderen, doch er war hier. ''Was willst du?'' Die Stimme des Schützen war leise, als er den Kopf ein Stück senkte und seine Hand aus dem Rüstungsarm zog. Cloud sah auf, trat ganz in die Kabine ein und schloss die Tür hinter sich. ''Ich wollte nur nach dir sehen. Danke, dass du-'' ''Ich habe gesagt, du sollst mir nicht folgen und doch hast du es schon wieder ignoriert.'' Seine Worte kappten ihm scharf den Satz und ein durchdringender Blick seiner roten Augen verstärkte ihre Wirkung. Cloud schluckte leicht. Natürlich hatte er nicht vergessen, dass er sich gegen seine Warnung widersetzt hatte, doch er hatte sich um ihn gesorgt. All die anderen Male waren solche Situationen nicht gut für ihn ausgegangen. Er musterte Vincent eindringlich, doch er konnte im harten Licht der kleinen Glühbirne über ihm keine offensichtlichen Verletzungen erkennen. Lediglich seine Kleidung sah arg mitgenommen aus. Löcher und Risse in der Hose, das Hemd so gut wie zerfetzt. Es fehlten ein Ärmel und einige der silbernen Knöpfe und alles war bedeckt von einer dünnen Schicht Staub und Dreck. ''Ich weiß.'', erwiderte Cloud schließlich und ließ sich mit dem Rücken gegen die Tür sinken.

''Ich will dich nicht sehen.'' Vincent schnaubte verächtlich, legte seinen Rüstungsarm auf dem Tisch ab und verschränkte dann abwehrend die Arme vor der Brust. ''Geht es dir gut?'' ''Ist das alles, was du wissen willst?'' Doch Cloud sah ihm nur schweigend entgegen. ''Ja, bestens. Und jetzt verschwinde.'' Vincent bedachte ihn mit einen ernsten Blick und drehte ihm dann den Rücken zu. ''Was war mit dem Monster?'' Er zuckte kurz zusammen. ''Monster...?'' ''Du hast gegen es gekämpft, oder?'' Ein dumpfer Impuls durchzog Vincents Körper. Der Dämon lauerte jetzt so dicht unter seiner Oberfläche, dass es schon gefährlich war, wenn er nur von ihm sprach. ''Ja.'', gab er nur knapp zurück und hoffte das Thema damit erledigt zu haben. ''Und jetzt lass mich endlich in Ruhe.'' Doch er merkte, dass Cloud auch diesmal keine Anstalten machte den Raum wieder zu verlassen, aber er war zu müde, als dass er ihn mit Nachdruck darum bitten würde. So beließ er es dabei und versuchte stattdessen, den anderen einfach zu ignorieren. Für einen kleinen Moment schloss er die Augen und spürte, wie unmittelbar die Erschöpfung nach ihm griff. Es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung ihr jetzt nicht nachzugeben, war er doch schlicht am Ende seiner Kräfte. Er seufzte leise und zuckte leicht zusammen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte. ''Du siehst mitgenommen aus. Bist du wirklich nicht verletzt?'' ''Ich bin in Ordnung.'' Vincent packte Clouds Hand und schob sie bestimmt von seiner Schulter herab. Doch bevor er seine eigene Hand zurückziehen konnte, hielt sie ein fester Griff davon ab. Er sah über die Schulter und drehte sich schließlich wieder zu ihm um. Er kreuzte den Blick blauer Augen, ehe sie auf seine Hand hinabsahen.

Cloud keuchte kurz erschrocken auf, als er sah, wie geschunden ihre Innenfläche und die Fingerspitzen waren. Die Haut spannte von getrocknetem Blut. ''Hast du dich mit bloßen Händen in den Fels gegraben?'' Seine Worte klangen nicht einmal halb so scherzhaft, wie sie eigentlich gemeint waren und Vincent senkte den Blick, denn er hatte, ohne es zu wissen, nicht einmal Unrecht damit. Zum Glück war die Zeit, während der Dämon in ihm die vollkommene Kontrolle übernommen hatte, nur noch verschwommen in seinem Gedächtnis, doch er erinnerte sich, wie er sich vor Schmerzen gewunden und verzweifelt in den Stein gekrallt hatte. Er sah auf seine Hand hinab, die Cloud noch immer fest umklammert hielt. Im angetrockneten Blut auf seinen Fingerspitzen schimmerten kleine, klare Glassplitter. Es mussten Splitter aus den Rissen im Kristall sein. Lucrecias Kristall. Bei dem Gedanken daran, sie in der Höhle zurückgelassen zu haben, legte sich ein trüber Schatten über sein Gesicht.

Cloud seufzte leise und sah ernst zu Vincent auf. ''Was ist da unten passiert?'' Doch die roten Augen wichen seinem Blick nur wieder aus. ''Was hatte es mit dem Monster auf sich? Was zur Hölle wolltest du dort?'' Seine letzten Worte kamen mit etwas Nachdruck über seine Lippen, doch sein Freund schwieg weiter. Offensichtlich wollte er nicht darüber reden und missmutig verzog Cloud das Gesicht.

Hölle traf es wohl sehr passend. Er hatte ja überhaupt keine Ahnung, was er an diesem Ort durchlebt hatte. Die Angst und das düstere Gefühl kehrten unvermittelt zurück. Hatte er nicht erst all das hinter sich gelassen? Langsam zog er seine Hand aus Clouds Griff zurück und rieb sich gedankenverloren durch das Gesicht. Er spürte wie die Erschöpfung an ihm nagte und sich allmählich ein dumpfer Schmerz in seinem ganzen Körper ausbreitete. Auch wenn er sonst kaum schlief, wollte er gerade nichts anderes tun. Sich hinlegen und hoffen, dass die Alpträume ausbleiben würden. Sich ausruhen und hoffen, dass nach seinem Erwachen all die Ereignisse ungeschehen wären. Doch bedauerlicherweise wusste er es besser. Mit einem kaum hörbaren Seufzen ließ Vincent die Hände wieder sinken und blickte starr auf den Boden. Das leichte Schwanken der Glühbirne über ihm ließ seinen Schatten hin und her tanzen. Ein verhaltenes Rascheln neben ihm verriet, dass sich sein Besucher bewegte. Überrascht zuckte er zusammen, als sich plötzlich zwei kräftige Hände in seinen Nacken schoben, seinen Kopf ein Stück zur Seite zogen und Cloud ihn ohne Umschweife küsste. Seine Lippen pressten sich warm und weich auf seine eigenen, während sich die Hände sanft in sein Haar gruben. Sein müder Kopf brauchte einen Moment um die Situation zu realisieren, doch dann gab er schon dem Impuls nach, den Kuss zu erwidern. Langsam ließ er seine Hände über die Taille des anderen gleiten und klammerte sich vorsichtig im Stoff des Oberteils fest. Wieder und wieder trafen ihre Lippen aufeinander und er merkte, dass er die Nähe zu dem Jüngeren nach all den vorangegangenen Ereignissen genoss. Es war gut, dass er für den Moment nicht allein war. Auch wenn es ihm schwer fiel, es sich einzugestehen, so wusste er auch, dass er wohl sonst nur wieder in seinen eigenen Gedanken ertrunken wäre.

Als Cloud seine Hände tiefer in die langen Haare grub, konnte er den feinen Staubschleier spüren, der auf ihnen lag. Mit den Fingerspitzen glitt er unter das breite Band, dass Vincent um den Kopf trug und zog es behutsam durch das Haar hinab. Dann ließ er seine Hände wieder durch den schwarzen Schopf fahren, bis sie auf den kühlen Wangen zum liegen kamen. Strähnen kitzelten ihn an der Nasenspitze und er konnte trotz des trockenen Staubs in ihnen ihren unverwechselbaren Duft wahrnehmen. Mit einem letzten, innigen Kuss strich er mit den Daumen über die fein geschnittenen Wangenknochen. Auch seine Lippen schmeckten nach Staub. Alles an Vincent erweckte den Eindruck, als wäre er durch einen irdenen Sturm gewandelt. Dann löste er sich von ihm. Langsam öffneten sich die roten Augen und blickten ihm wartend entgegen. Das blasse Gesicht war fast ausdruckslos, doch es ließ die gewohnte Kälte und Distanz vermissen. Er nahm den Umstand mit einem erleichterten Lächeln an und ließ seine Hände dann auf seinen Schultern nieder. ''Sprich mit mir, wenn du willst. Und bitte sag, wenn du im Kampf gegen das Monster verletzt wurdest. Ich... würde es gutheißen, wenn du nicht darüber schweigst.'' Mit bittendem Blick sah er Vincent direkt in die Augen und strich sanft über seine Schultern. Über die Risskante des fehlenden Ärmels berührte er behutsam ein Stück der kühlen, vernarbten Haut. Er erinnerte sich, dass der Ältere schon einmal offen mit ihm gesprochen hatte und irgendwie war es ihm wichtig ihm klar zu zeigen, dass er Wert darauf legte, dass er es auch weiterhin tat.

Es schien, als würde Cloud tatsächlich glauben, er hätte ein Monster in der Höhle gesehen, als würde er nichts von seinem dunklen Geheimnis ahnen und das war auch gut so. Erleichtert atmete Vincent leise aus. ''Bitte... geh jetzt. Ich möchte allein sein.'' Erschöpfung überschwemmte ihn plötzlich wie eine riesige Woge und langsam ließ er sein Gesicht gegen Clouds Wange sinken, bis sein Kopf fast von allein an seinem Hals hinabglitt und er mit seiner Stirn auf der Schulter zum Liegen kam. Er spürte, wie ihn nach und nach Anspannung und Kraft verließen und er in sich zusammensank. ''Ja, natürlich.'' Clouds Stimme war ruhig und behutsam legten sich zwei Arme um seinen Rücken, um seinen Körper zu stützen. Mit einem tiefen Atemzug schloss Vincent die Augen und gab sich der Ruhe und wohligen Geborgenheit hin, die die Umarmung des Jüngeren bot. An seiner Schläfe konnte er den beständigen Pulsschlag spüren, der sich durch Clouds warmen Hals zog und ein leichtes Zittern durchfuhr seinen ermatteten Körper, als eine seiner Hände ihren Platz auf seinem Rücken verließ, um kurz darauf über seinen Kopf zu streichen und mit festem, aber nicht unangenehmen Griff in seinem Nacken zum Halten zu kommen.

Fast ein wenig erschrocken, drückte Cloud den entkräfteten Körper an sich und hielt ihn fest. Er hatte sich also nicht getäuscht, dass Vincent vollkommen am Ende war. Der Kopf auf seiner Schulter wog schwer und auch der Rest zog an ihm. Vorsichtig versuchte er in die Knie zu gehen und bemerkte erleichtert, dass der andere seiner Bewegung folgte. Als sie auf dem Boden saßen drehte sich Vincents Kopf und er spürte, wie er die Stirn an seinen Hals presste.

Eine gefühlte Ewigkeit verharrten sie in dieser Position und er konnte den ruhigen, steten Atemzug spüren, der über seine Haut strich. Ob Vincent wohl eingeschlafen war? Vorsichtig löste er seine Hand aus dem Nacken und fuhr mit den Fingerspitzen erneut durch das schwarze Haar. Die leichte Unregelmäßigkeit die das Atemintervall störte und ein kurzes Zucken der Schultern verriet ihm, dass sein Freund noch wach war. Er bedauerte es fast ein bisschen. Mit einem schwachen Lächeln bettete Cloud seine Wange auf das glatte, seidige Haar und sah dabei zu, wie er eine der langen Strähnen durch seine Finger gleiten ließ. Der dünne Staubmantel auf ihnen hatte sie mit einem grauen Schleier bedeckt und raubte ihnen ihren ganz eigentümlichen, wundervollen Glanz.

Vincent tat einen tiefen Atemzug. Mit jeder weiteren Minute die verstrich, fiel es ihm immer schwerer, sich wach zu halten und gegen die übermannende Erschöpfung anzukommen. Doch er konnte nicht hier, nicht jetzt, einfach einschlafen. Träge hob er seinen Kopf, legte Cloud eine Hand auf die Schulter und schob ihn ein Stück von sich. Fragend blickten ihm die klaren, blauen Augen entgegen, doch er wandte sich von ihm ab und musste sich mit den Händen auf dem Boden aufstützen, um nicht einfach umzufallen. ''Geh jetzt.'' Seine Stimme war leise und schwach und er spürte, wie sein Körper ihn beharrlich weiter nach unten zog. Er hörte Cloud neben sich leise seufzen, doch er legte ihm nur kurz die Hand auf die Schulter und erhob sich dann. ''Du weißt, wo du mich findest.'' Es verging noch ein stiller Moment, ehe er sich umwandte und die Kabine verließ. Mit dem Einrasten des Schlosses sank auch sein Körper einfach zu Boden. Zu wenig Kraft, zu erschöpft, um sich noch bis in das Bett zu schleppen. Schwerfällig drehte er sich auf den Rücken und blinzelte in das grelle Licht der kleinen Glühbirne. Wenn er es sich recht überlegte, machte es auch gar keinen Unterschied. Für einen kleinen Moment bereute er den Umstand, dass er Cloud weggeschickt hatte, doch er konnte nicht schlafen solange er bei ihm war. Zu groß war die Angst vor den Dingen, die da in der Dunkelheit auf ihn warteten. Zu groß die Angst, dass sie nicht allein dort blieben. Und er wollte Cloud nicht wieder damit hineinziehen, wenn er es vermeiden konnte. Er bettete die Hände auf seinen Bauch und mit einem tiefen Atemzug schloss er die Augen.

Stillstand

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Böses Gewissen

Nur widerwillig löste Cloud seine Hand aus dem schwarzen Haar und ließ sie noch ein kleines Stück den warmen Hals hinabstreichen, als sich Vincent langsam aufrichtete. Behutsam zog er sich aus ihm zurück und quittierte dieses letzte, köstliche Gefühl mit einem leisen Seufzen. Er zog seine Hose hinauf und knöpfte sie wieder zu, ehe er sich auf den Boden setzte und mit trägen Handgriffen sein zerwühltes Hemd richtete.
 

Cloud starrte noch einen Moment an die Decke, ehe er nach seinem Shirt griff, sich flugs über den Bauch wischte und dann aufsetzte. Er griff nach seiner Hose die Vincent ihm stumm zuschob und begann langsam und etwas umständlich hineinzuschlüpfen. Ihm war nicht danach, sich wieder anzuziehen und noch viel weniger war ihm nach der Aufbruchsstimmung, die Vincent, obwohl er noch ruhig dasaß, verbreitete.

Er blickte zu ihm auf, nachdem er seine Hose geschlossen hatte. Vincent hatte sein Bein angewinkelt und einen Arm auf seinem Knie abgelegt, als er die Hemdsärmel hinaufkrempelte. Beinahe andächtig rollte er den Stoff zusammen, zog die obere Falz mit den Fingern nach und begann dann auf der anderen Seite die Manschette umzuschlagen. Clouds Herzschlag beruhigte sich allmählich und ließ auch seinen Kopf wieder klarer werden. Seine Wunde meldete sich mit einem verhalten pochenden Schmerz zurück und vorsichtig fuhr er sich durch das Haar, um mit den Fingerspitzen nach ihr zu tasten. Eindringlich musterte er danach seine Hand, doch es war kein frisches Blut an ihr.

Er sah auf, als er den Blick roter Augen auf sich spürte, die sich noch im selben Moment wieder abwandten. Hatte er etwas gesagt? Grübelnd verzog er kurz das Gesicht. Ihm war, als hätte er geflüsterte Worte vernommen, doch Vincent blieb weiter stumm. Er musste sich getäuscht haben. Ja. Das leise Rauschen in seinen Ohren hatte ihm nur einen Streich gespielt.

Noch einmal ließ er seine Augen über das Bild wandern, das sich ihm bot. Die nackte, vernarbte Brust die sich noch immer unbedeckt in ruhigem, steten Takt kaum sichtbar hob und senkte, das feingeschnittene Gesicht, dessen warme Augen fast ausdruckslos einen unsichtbaren Punkt auf dem Boden fixierten. Und doch lag trotz dieser Ausdruckslosigkeit etwas in seinen Zügen, dass er selten bei seinem Freund gesehen hatte. Eine gewisse tiefe Ruhe, die... nein. Der angespannte, leicht bebende Kiefermuskel störte dieses Bild. Warum war er plötzlich so angespannt?

Ob er etwas sagen sollte? Doch ihm wollte nichts rechtes einfallen und es fühlte sich nicht richtig an, die friedliche Stille nach diesem... Erlebnis so rüde zu unterbrechen. Das alles war eben tatsächlich passiert, oder? Er hatte nicht geträumt. Ein angenehmes Kribbeln überzog seine Haut, überzeugte ihn von der Echtheit der Geschehnisse und schickte ein leichtes Lächeln über seine Lippen. Doch es erstarb nur Bruchteile später, als er am Rand seines Blickfelds Bewegung registrierte.
 

''Du gehst?'' Blaue Augen blickten ihm fragend entgegen, als er sich träge erhob und nachlässig ein paar der Hemdsknöpfe schloss. So bedauernswert dieser Umstand auch war, es war besser so. Glücklicherweise schien Cloud sein gehauchtes ''Es tut mir leid.'' nicht gehört zu haben, dass er beim Anblick seines, nach der Wunde tastenden Freundes nicht mehr unterdrücken konnte. Leider waren mit seinen Worten auch die Erinnerungen an die vergangenen Stunden wie eine aufgeblähte Teerblase wieder aufgebrochen und das dunkle Rumoren in seinem Innern zurückgekehrt. Mit einem leisen, langsamen Atemzug trat er an das schmale Bett heran, um seinen Umhang vom Boden zu klauben. Er bedauerte es wirklich, ihn so schnell und so kühl hier zurückzulassen, wollte sich lieber wieder an den warmen, wunderbar duftenden Körper schmiegen, doch ebenso wollte er kein Risiko eingehen und diese fragile Bindung zu Cloud nicht gefährden.

''Ja.'' Es tat ihm leid, den anderen mit dieser knappen Antwort abzuspeisen, doch er wusste nicht recht, wie er ihm seine Beweggründe klarmachen sollte. Vermutlich würde er gar nicht verstehen können, was da tief in ihm lauerte und Gefahr für sein Leben bedeutete. Er war schon viel zu oft damit in Kontakt gekommen und mittlerweile hatte er es noch weniger unter Kontrolle als zuvor.

Vincent vergrub die Finger tief in seinem Umhang und spürte den Stoff in seiner Handfläche knirschen. Dann wand er sich aus dem Blick der, ihn mit stummer Resignation durchbohrenden Augen und verließ die Kabine.
 

~
 

Cloud wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, die er nur damit zugebracht hatte auf die geschlossene Tür zu starren, bis er sich schließlich umgedreht und aufs Bett gesetzt hatte, doch auch hier auf der dünnen Matratze wollte er nicht wieder so recht zur Ruhe finden. Er war müde und vollkommen entspannt, doch sein Kopf ließ ihn nicht schlafen. Dabei konnte er nicht einmal einen klaren, deutlichen Gedanken fassen.

Es kreiste einfach alles wild durcheinander, Bilder und Empfindungen zogen an ihm vorbei und er hatte Mühe, ihnen zu folgen. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und grub sich wieder in das Kissen. Ihm missfiel der Umstand, dass Vincent so schnell gegangen war. Warum hätte er nicht noch wenigstens ein paar Momente bleiben können? Zuerst teilten sie eine... ausgesprochen intime Zeit miteinander und dann verschwand er so plötzlich, wie er hier aufgetaucht war. Sie hatten nicht einmal richtig miteinander gesprochen, andererseits war zumindest das auch nicht unbedingt nötig gewesen...

Cloud schloss die Augen, atmete ruhig aus und genoss dieses tiefe Gefühl der inneren Ruhe. Wenn er es sich recht überlegte, war diese ganze Situation in die sie beide hineingeraten waren mehr als nur absurd. Es war ausgerechnet dieser ihm eigentlich vollkommen fremde Mensch, der Mann aus dem Keller der Shinra-Villa. Er musste ihn entsetzlich ungläubig angestarrt haben, als er ihn gefunden hatte. Er... Cloud schüttelte den Kopf. Das waren nicht die Gedanken, die er sich aus dem überlaufenden See in seinem Kopf hatte herauspicken wollen.

Da war noch etwas anderes, das ihn beschäftigte. Er runzelte kurz die Stirn. Da war etwas gewesen, war noch vor ein paar Momenten in einer völlig berauschten Minute an ihm vorbei gestrichen und hatte ihn berührt. Tief berührt. Er öffnete die Augen wieder und musterte erneut die Kabinendecke, deren Linienmuster er mittlerweile auswendig kannte. Da war ein Gefühl von... ja, von Glück in ihm gewesen. Hatte er das wirklich gespürt, oder sollten ihm seine Endorphine zu diesem Zeitpunkt einen Streich gespielt haben? Sollten da etwa andere, mehr Gefühle sein, als die Freundschaft zueinander und ihr, zugegebenermaßen etwas eigentümliches Verhältnis?

Cloud wischte die Gedanken mit einem Seufzen beiseite. Das war doch völlig verrückt. Unsinnig. Und doch... Er löste eine Hand, strich sich mit den Fingerspitzen über die Lippen und konnte ein schwaches Lächeln nicht länger unterdrücken.
 

~
 

Er horchte tief in sich hinein, doch er fand nichts weiter, als ein leises, gleichmäßiges Rumoren, fast so, als hätte sich der Dämon in ihm wieder zur Ruhe begeben. Mit einem tiefen Atemzug sog er die kühle Nachtluft ein und genoss die Stille. Zum Glück war er friedlich geblieben. Nicht auszudenken was geschehen wäre, wenn die Erinnerungen den Dämon aufgeweckt hätten. Das Luftschiff wäre der denkbar schlechteste Ort gewesen. Allem voran in Clouds Gegenwart. Er musste besser aufpassen, wenn er ihm nicht noch einmal schaden wollte. Es war wirklich genug.

Am Horizont stahlen sich bereits die ersten Sonnenstrahlen zurück an den Himmel, als er das Haus wieder erreichte. Er war an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt und ließ sich mit dem Rücken gegen die kühle Fassade sinken, als er nach seinem Stirnband greifen und es abnehmen wollte, doch seine Fingerspitzen trafen nur auf die blanke Stirn. Richtig. Es lag noch auf seinem Tisch in der Highwind. Nachdem Cloud es ihm aus den Haaren gestrichen hatte. Er atmete tief ein und ließ sich an der Hauswand hinabgleiten.

Für den Moment war ihm, als könnte er die warmen Hände seines Freundes noch auf seinen Wangen spüren. Was, nur was, war da eben mit ihnen, mit ihm passiert? Er hatte nur in seiner Nähe sein wollen, hatte die Ruhe, die er ihm geschenkt hat, genießen wollen. Wie hatte es nur soweit kommen können? Er strich sich die losen Haare zurück und lehnte den Kopf zurück gegen die Wand. Das Schlimme an der Sache war, er bereute es nicht einmal. Da waren all diese Momente gewesen, die sich ihre Blicke gekreuzt hatten. Die Momente, in denen sie wohlige Nähe beieinander gefunden hatten. Da war... diese Neugierde. Es wäre ohnehin nur eine Frage der Zeit gewesen. Oder?

Vincent ließ die Arme auf die angewinkelten Knie sinken und ließ die Hände sinken, während er die Fingerspitzen aneinander rieb. Aber was war es überhaupt gewesen? War es wirklich nur reine Neugier? Er schloss die Augen und dachte an die Hände, die so fordernd durch sein Haar gewandert waren, an die Lippen, die ihn so... vertraut geküsst hatten. Nein. Es war spätestens nach dem dritten nicht mehr, nicht nur um Neugierde gegangen. Er atmete tief ein und ruhig wieder aus. Es war vollkommen verrückt. Ja. Genau. Vollkommen verrückt.

Ein kurzes Lächeln schlich sich auf die blassen Lippen.
 

Die Sonne war bereits vollständig am Himmel emporgekrochen, als er sich erhob, seinen Umhang zusammenraffte und das Haus durch die Tür gen Küche betrat. Die anderen waren bereits wach, er hatte vor einer Weile die ersten Stimmen gehört. Er erstarrte drei Schritte nach dem Eingang, als ihm eben eine dieser Stimmen entgegenschlug.

''Geh mir aus dem Weg! Das ist ja nicht zum aushalten!'' Cid stürmte durch die Fronttür, ließ sie schwungvoll gegen die Wand krachen und stapfte ohne Umschweife in die Küche, um seine Jacke von der Stuhllehne zu reißen. Shera folgte ihm völlig aufgelöst. ''Aber... Cid...'' ''Halt's Maul! Halt einfach dein Maul, ok?!'' Er ballte die erhobene Hand zur Faust und ließ sie mit einem Ruck wieder sinken. Ohne ein weiteres Wort verließ er aufgebracht das Haus. Die Tür schepperte zurück ins Schloss.

Vincent warf Shera einen fragenden Blick zu, nachdem sie sich auf einen der Stühle hatte fallen lassen. ''Frag nicht. Es ist immer das selbe mit ihm.'' Sie seufzte schwer und rieb sich mit dem Handrücken eine Träne von der geröteten Wange. ''Hatte ich nicht vor.'' ''Wie?'' Sie sah zu ihm auf und blinzelte unverständlich, bevor sie sich auch die andere Wange trocken wischte. ''Achso...'' Er legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. Es war ein gewohntes Bild. Fast jedes Mal wenn sie hier waren, stritten die zwei sich. Oder eher gesagt, stritt Cid.

Tifa betrat die Küche und warf ihnen einen fragenden Blick zu. ''Was ist denn schon wieder passiert?'' Sie sah abwechselnd von Vincent zu Shera und ging schließlich neben ihr in die Hocke. ''Was ist los?'' Die junge Frau lächelte nur schwach und zuckte leicht zusammen, als Tifa ihre Hand ergriff. ''Schon in Ordnung. Eine der üblichen Meinungsverschiedenheiten.'' ''So so.'' Sie schüttelte den Kopf. ''Cid ist unmöglich.'' ''Das sagst du nicht zum ersten Mal.'' ''Das wird sicher auch nicht das letzte sein.'' Sie drückte die schmale Hand ein letztes Mal fest, dann erhob sie sich wieder und sah zu Vincent auf. ''Ich vermute Mal, das bedeutet dann Aufbruch?'' ''Sehr wahrscheinlich.'' Er nahm ihre Worte zum Anlass und verließ die Küche auf dem selben Weg, den auch Cid genommen hatte.
 

~
 

''Cid?'' Yuffie klammerte sich verzweifelt am Geländer der Brüstung am Steuerdeck fest und sah zu den anderen herüber, während Cid neben ihr mit finsterer Miene die Highwind startklar machte. ''Cid?'' In den paar Minuten, die sie jetzt alle am Deck zusammengekommen waren, war es bereits die dritte Zigarette, die er regelrecht zu inhalieren schien. ''Cid?'' Genervt griff er sich kurz an die Nasenwurzel, ehe er den letzten Knopf mit der ganzen Faust betätigte. ''Ci-'' ''Scheiße, was willst du?!''

Das Mädchen sah ihn nur mit großen Augen an. Er war zwar oft missgelaunt, aber so wütend und barsch war er selten zu ihnen. Barret legte ihm beruhigend die große Hand auf die Schulter, doch auch sie schüttelt er nur verärgert ab, bis er ihn erneut an der Schulter packte und ihm ein Glas aufdrängte.

''Schalt mal einen Gang runter, alter Mann! Ich wollt' ja nur was fragen!'', schnauzte Yuffie nervös zurück, als sie den ersten Schock überwunden hatte. ''Also wirklich, reißt euch mal zusammen, alle beide! Cid, was ist überhaupt los mit dir?'' Tifa baute sich mit in die Hüfte gestemmten Händen vor ihnen auf. ''Erst Shera und jetzt brüllst du Yuffie an.'' Mit einem tiefen Atemzug nahm der Pilot endlich das Glas von Barret entgegen und leerte es in einem Zug, ehe er es auf die Konsole knallen ließ. ''Das ist mein verdammtes Problem, klar?''

''Wenn du schon uns anschreist, ist es auch unseres!'' Sie zog die Brauen zusammen und erwiderte seinen düsteren Blick. ''Der Zorn verrät ein böses Gewissen.'' ''Was willst du?'' Cid wandte ruckartig den Kopf zu Nanaki um, der sich neben Tifa gesetzt hatte und maulte auch ihm entgegen. ''Opa. Opa hat immer gesagt-'' ''Ich hab schon gehört was du gesagt-'' ''Cid! Es reicht!'' Tifa schnitt ihm scharf das Wort ab und ihre braunen Augen funkelten ihn aufgebracht an, als sie einen weiteren Schritt auf ihn zu tat. ''Jetzt spuck's schon aus.''

Vorsorglich hatte Barret das leere Glas vor dem wütenden Piloten gerettet und schenkte ihm nach. ''Tze.'' Cid drückte den Rest der Zigarette im schmutzigen Aschenbecher aus und fischte in der Brusttasche seiner Jacke schon nach der nächsten. ''Schön. Wenn du nicht darüber sprechen möchtest, bitte, das ist deine Sache. Aber dann sag uns wenigsens noch, was nun mit der Rakete ist. War das falscher Alarm, oder warum-'' ''Ja doch! Verdammt!'' Er zog die Handschuhe aus und ließ sie auf die Konsole klatschen, ehe er sich umdrehte, das Glas entgegen nahm, die Arme verschränkte und sich in gewohnter Manier gegen das Steuerpult lehnte. Er schien sich allmählich wieder zu fangen. Eine dünne Rauchwolke ging seinen Worten voraus. ''Es war fast falscher Alarm.''

Tifa sah ihm aufmerksam entgegen und auch die anderen sahen zu ihm. ''Es war bereits vor ein paar Tagen jemand von ShinRa hier.'' Die Glut des Tabaks leuchtete auf, ehe er eine weitere Rauchschwade aus seinen Mundwinkeln quellen ließ. ''Sie haben tatsächlich darüber nachgedacht, die alte Lady mit Massen an Sprengstoff an Bord zum Meteor zu jagen.'' Er schüttelte knapp den Kopf. ''Die haben das ernsthaft in Erwägung gezogen?'' Barret tat es ihm gleich und hakte die Arme ineinander. ''Ja, Idioten eben.'' Er nahm ein paar Schluck aus dem Glas und schien sich mit jedem weiteren zu entspannen. ''Aber?'' Vincent lehnte neben Yuffie an der Brüstung und reihte sich in die Pose der beiden anderen Männer ein. ''Sie haben den Plan wieder verworfen.''

''Weshalb?'' ''Sie ist flugunfähig. Quasi Schrott.'' Tifa atmete erleichtert aus. ''Aber das ist doch gut. Ich meine, solange wie das Ding da schon rumsteht, wundert es mich nicht, dass-'' ''Shera war's.'' Sie blinzelte ihm ungläubig entgegen. ''Wie?'' Auf das Gesicht des Piloten schlich sich ein ernster Ausdruck und dennoch bemerkte sie auch die leichten, weichen Züge dazwischen. ''Sie hat sie zerstört.'' ''Mit Absicht?'' ''Natürlich mit Absicht!'' Yuffie rutschte am Geländer hinab, als der entnervte Blick sie traf.

''Sie hat's gewusst.'' Die Glut tauchte sein Gesicht für einen Moment in schimmerndes Rot, als er kräftig an der Zigarette zog. ''Oh. Also...'' Auch Tifa wechselte in eine entspanntere Position und lauschte achtsam seinen Worten. ''Sie wusste, dass ShinRa kommen würde. Also hat sie die alte Lady lahm gelegt.'' Grübelnd verzog Barret die Augenbrauen. ''Und wo ist dann dein verdammtes Problem?'' Cid griff mit Daumen und Zeigefinger nach der Zigarette. ''Ich schätze, jetzt werd' ich nie zu den Sternen fliegen.'' Das leichte Lächeln, dass sich nach diesen Worten auf seine Lippen legte, entging keinem von ihnen.

Pläne schmieden

Schon zum zweiten Mal weckte ihn ein Blick, doch dieses Mal war er braun. Sanft und gutmütig. ''Geht es dir besser?'' Cloud wischte mit dem Handrücken über die trockenen Augen und blinzelte ihr kurz entgegen. ''Tifa.'' Sie lächelte. Langsam setze er sich auf, rieb sich über den kalten Nacken und die verhalten pochende Wunde am Hinterkopf. Sie war noch immer empfindlich, doch Tifas Pflege und den früheren Makoinfusionen sei Dank, war sie bereits wieder am abheilen. Er wandte den Kopf wieder zu ihr um und setzte zum Sprechen an. Erst dann nahm er das durchdringende Vibrieren der Luftschiffmotoren wahr.

''Hast du-'' ''Wir sind schon wieder unterwegs?'' Tifa verzog kurz den Mund und überging die Tatsache, dass er ihr so prompt das Wort abschnitt. ''Ja, auf dem Weg nach Junon.'' Cloud fuhr sich mit beiden Händen grob über das Gesicht und sah dann wieder zu ihr herüber. ''Und wieder habt ihr mich nicht geweckt. Wird das jetzt zur Gewohnheit?'' In seinem Blick lag kein Vorwurf, doch er war ernst.

''Willst du mir jetzt die Schuld dafür geben, dass du dich verletzt hast?'' Sie verschränkte herausgefordert die Arme und erwiderte seinen Blick. ''Das ist hier nicht das Thema.'' ''Richtig. Das ist nicht das Thema. Ich bin auch eigentlich hier, um dich zu holen. Wir wollten eine kleine Lagebesprechung machen.''

Sie erhob sich aus ihrer Hocke, strich ihm knapp über den Arm und lächelte ihm wieder entgegen. ''Komm. Steh auf und zieh dir was an.'' Ein leichtes Augenzwinkern, dann wandte sie sich um und verließ die Kabine, die Tür nur angelehnt.

Sie waren bereits unterwegs. Die Information manifestierte sich nur allmählich in seinen Gedanken. Hatte er wirklich wieder so lange geschlafen? Mit einem leichten Seufzen schüttelte er den Kopf. Das war absolut untypisch für ihn. Aber vielleicht hatte sein Kopf die Ruhe gebraucht. Nicht die Wunde, sondern die steten Gedanken...

Träge erhob er sich von dem schmalen Bett, griff nach seinem Pullunder am Boden und ließ ihn nach kurzem Zögern wieder liegen. In einem Spind in der Raumecke wurde er auf der Suche nach einem Ersatzstück fündig.

Er verließ die Kabine und betrat den kleinen Waschraum, der in der Mitte des Ganges lag. Flackernd entflammte die Leuchtstoffröhre über dem kleinen, angelaufenen Spiegel und tauchte den Raum in graugrelles Licht, als auch das Rauschen des kalten Wassers die Stille füllte.

Er wusch sich flugs und fuhr sich mit nassen Händen durch die Haare, als er einen Blick in den Spiegel warf. Überraschenderweise sah er tatsächlich so etwas wie ausgeruht aus, wenn man den müden Ausdruck in seinen Augen übersah. Er seufzte kurz und füllte seine gewölbten Hände ein weiteres Mal mit Wasser. Es war kalt, es war gut und es weckte seinen Kopf.

Sie waren bereits auf dem Weg nach Junon. Er hätte kurz nach der Uhrzeit schauen sollen. Sei's drum.

Cloud stützte sich mit den Händen auf dem Waschbeckenrand ab, ließ den Kopf einen Moment sinken und lauschte seinen Wirbeln beim Kacken, als er die Schultern langsam zurückzog. Ein dunkler Fleck am Rand des Wasserhahns erregte seine Aufmerksamkeit. Nur Schmutz? Nein. Die Ränder des Flecks fransten rot aus, als er sich allmählich in einem Wassertropfen auflöste. War das Blut? Er wischte mit dem Finger darüber. Die Schlieren die er auf der Keramik und seiner Haut hinterließ waren deutlich. Tatsächlich. Blut. Woher...? Sein Kopf knüpfte die Verbindung schneller, als erwartet. Natürlich. Die kleine Blutlache im Maschinenraum. Die Blutspur, die durch die halbe Highwind geführt hatte.

Wie schwer war Vincent in der Nacht wirklich verletzt gewesen? Er erinnerte sich an die kleinen, kreisförmigen Wunden auf der weißen Brust, als er sie im Hotel betrachtet hatte. Diese Nacht waren sie ihm gar nicht mehr aufgefallen. Dabei war er ihm direkt gegenüber... Er rieb sich über die Augen. Diese Gedanken. Dieses sanfte, warme Ziehen in ihm. Nein, jetzt war absolut nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie warteten alle auf ihn.

Eilig trocknete er sich ab, zog sich den frischen Pullunder über und verließ den Waschraum.
 

~
 

''...diese blonde Hure für verantwortlich.'' Cids Stimme war schon auf dem Gang zur Brücke zu hören. ''Ah! Sieh an. Die Prinzessin ist erwacht.'' Der Pilot grinste ihm zerknirscht entgegen. ''Ja, ist in Ordnung. Ich bin da. Also?''

Er winkte die Bemerkung abschätzig beiseite, blieb im Kreis der andern stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie waren alle da. Alle.

Vorsichtig ließ er seinen Blick am Saum der schwarzen Kleidung empor wandern, nur um ein abgewandtes Gesicht zu entdecken. Vincent stütze sich mit beiden Armen auf dem Geländer an der Steuerkonsole auf und hatte den Blick gesenkt. In seiner gewohnt kühlen und gleichgültigen Mine war nicht zu lesen, wie es ihm nach... dieser Nacht ging. Nichts. Nicht eine einzige, verdächtige Regung. Dann hob er plötzlich seinen Kopf. ''Natürlich ist sie dafür verantwortlich.'' ''Wie?'' Cid rieb sich über das Kinn und versuchte an das unterbrochene Gespräch anzuknüpfen. ''Scarlett. Das ist ihr Konzept.'' Vincent verlagerte das Gewicht auf ein Bein und löste seine Hand vom Geländer, um sich das Haar von der Schulter zurück zu streichen. Er trug sein Stirnband noch immer nicht. Ein leichtes, flüchtiges Lächeln huschte über Clouds Lippen, als er daran dachte, wie er das rote Stoffband aus den langen schwarzen Haaren gezogen hatte. Der Staubschleier auf ihnen war jedoch schon fast wieder vollkommen verschwunden.

''Wie ich sagte. Diese-'' ''Cid!'' Tifa schnitt ihm das Wort ab. Sie war durchaus etwas empfindlich, wenn es um seine Ausdrucksweise ging. Sie schüttelte langsam und bedeutend den Kopf. ''Soweit waren wir schon. Ihr Plan. Schön. Was machen wir also?'' Der Pilot zuckte nur mit den Schultern und nahm einen Schluck aus dem Glas, dass er mit einer erloschenen Zigarette zusammen umklammert hielt. ''Auf jeden Fall verhindern, dass die Sister nach Midgar gelangt.'' ''Fantastischer Plan.'' Yuffie hockte auf dem Boden und lehnte den Kopf gegen das Steuerpult. Scheinbar hatte sie wieder Zeit für ihre Reisekrankheit gefunden, zumindest sah sie nicht all zu gut aus und ihrer Stimme schwang eine leichte Unsicherheit mit. ''Bleibt die Frage nach dem wie.''

Cloud löste die Arme wieder und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. ''Sie haben einen Plan. Wir nicht. Nur den, ihren zu vereiteln.'' Ein Murren von der Seite unterbrach ihn. ''Ja, wie gewöhnlich. Wir können uns nicht immer nur auf den Zufall verlassen.'' Das Leder des Polsterstuhls knirschte, als sich Barret vorbeugte und auf den Knien abstützte. ''Aber was sollen wir auch unternehmen?'' ''Das ist doch genau die Frage, die wir hier zu klären versuchen.'' Yuffie rieb sich mit einem gedehnten Seufzen die Stirn und bette sie auf ihre Arme. ''Wir sind die Meister im Pläne schmieden.''

Sie redeten, alle. Die Stimmen begannen in seinem Kopf zu verschwimmen und es fiel ihm zusehends schwerer sich auf jede einzelne von ihnen zu konzentrieren. Sicher, Junon war ihre nächste Station und es war wichtig, dass sie sich Gedanken darum machten, wie sie Shinra davon abhalten könnten, etwas wirklich dummes zu tun, doch es war mehr als nur schwierig, sich wirklich einen Plan dafür zurechtzulegen. Sie wussten nicht, was sie tatsächlich in der stählernen Hafenstadt erwarten würde. Wenn der Kerl aus dem Corel-Gefängnis wirklich Recht hatte, dann wäre es eine fünzigfünzig Chance, dass die Sister überhaupt noch in Junon war. Hier blieb ihnen nur noch das Glück. Er seufzte leise. Ja, Glück. Das war ihr einziger Plan.
 

~
 

Sie blieben fast bis zum Abend auf der Brücke zusammen und besprachen Vorgehensweisen ohne feste Handhabe. Es war ein Elend. Die Anspannung war merklich zu spüren und drückte die allgemeine Stimmung. Vincent stieß sich vom Geländer ab und verließ ohne ein weiteres Wort die Brücke. Auch Yuffie hatte sich bereits vor einer Weile entschuldigt und sich in ihre Kabine zurückgezogen. Der Flug nach Junon war länger als der Weg von Corel nach Rockettown und bekam ihr nicht sonderlich gut. Ihm war der Flug an sich egal, doch die Gedanken in seinem Kopf nicht. Und sie hinderten ihn daran, dem Gespräch weiter zu folgen. Er musste raus. Am liebsten raus aus dem Flugschiff, doch sie waren mitten über dem Wasser.

Mit Junon kam auch Midgar in immer greifbarere Nähe. Und mit Midgar... auch Hojo. Verdammt.

Irgendwann war dieser Name gefallen. Und er hatte sich langsam aber beständig durch seinen Kopf gefressen. Jetzt war er angekommen und er konnte das gehässige Rumoren in seinem Innern nicht länger ignorieren. Der Ausbruch in der Höhle hatte ihn so empfänglich für die kleinsten Reize gemacht. Und Hojo war mehr als klein.

Die Tür klickte ins Schloss und mit leisem Summen entbrannte das Licht. Mit verkrampften Händen klammerte sich Vincent in den Rand des kleinen Waschbeckens. ~''Es wird nicht mehr lange dauern. Endlich.''~ Das Lachen, das ihn durchzog, war leise, aber deutlich. Die Erwähnung Hojos hatte ihn so plötzlich aus seinem erleichternden Schlaf geweckt und wieder dicht an die Oberfläche getrieben, ihn in freudige Aufregung versetzt und den falschen Herzschlag zum Rasen gebracht.

Vielleicht konnte kaltes Wasser den aufkommenden Schwindel verdrängen. Seine Hand griff nach dem Wasserhahn und verharrte auf dem kühlen Metall, nachdem das Rauschen erklang. ~''Du wehrst dich wieder.''~ Noch ein Lachen. ~''Glaub nicht, dass du mir noch all zulange Standhalten kannst.''~ ''Schweig.'' Die Knöchel seiner Finger traten allmählich weiß hervor. ~''Du weißt, dass ich Recht habe.''~ Wenn der Dämon weiter so an Stärke gewinnen würde, musste er ihm wohl leider zustimmen. Doch jetzt... nein. Nicht jetzt. Nicht hier. ~''Hojo gehört mir. Du hast uns schon die eine Rache vereitelt, ich werde es bei der zweiten nicht zulassen!''~ ''Sei still.'' Die Stimme erfüllte ihn und ließ seine Konzentration auf das Wasser, das Metall in seiner Hand, seinen eigenen Herzschlag immer weiter schwinden. Auch er wollte zu Hojo, wollte seine Rache üben und ihn für all diese Vergehen zur Rechenschaft ziehen, doch diese absolut tödliche Vorfreude des Dämons in ihm machte ihn krank. ~''Er wird sterben. Ja! Aber lass mich, lass uns doch zuvor ein bisschen spielen.''~ ''Schweig!'' Die Verwandlung hatte ihn gestärkt. Endlich wieder Macht zu haben, einen Körper zu haben. Er hatte Blut geleckt und wollte mehr. Dämon blieb Dämon. Und Dämonen fanden Freude in den niedersten Gelüsten.

Das Blut rauschte in seinen Ohren und als er aufsah verschwamm sein Spiegelbild vor seinen Augen auf dem blanken Glas. ~''Los. Lass mich raus!''~ ''Nein!'' Die stumpfen Dornen des Wasserhahns bohrten sich tief in seine Handfläche. ~''Lass... mich...''~ ''Nein!'' ~''Frei!''~

Hastig presste Vincent sich beide Hände fest auf den Mund und sank auf die Knie, als er das Stechen in seinen Schultern fühlte. War er so schwach geworden? Oder war der Dämon so stark? Er versuchte tatsächlich auszubrechen. Versuchte...

Er drückte die Stirn auf den kalten Boden und krallte sich tief in seinem Gesicht fest, als das Reißen von Haut und Stoff an seine Ohren drang und der Schmerz heiß durch seinen Rücken schoss.

''Nein! Nein!''

Boshaftes Lachen durchzog seinen Körper. ~''Hör auf dich zu wehren! Überlass diesen Körper endlich mir!''~ Vor Schmerz fast betäubt rutschte er halb auf die Seite, sog mit einem scharfen Atemzug neue Luft in seine Lungen und versuchte vergebens sich in den glatten Fliesen am Boden festzukrallen. Die knochigen Rahmen der Flügel stießen ungelenk gegen die Wände des zu kleinen Raumes. Er konnte, nein, er durfte dem Dämonen nicht nachgeben. Er würde sie alle in Gefahr bringen. Er würde sie alle... Seine Finger gruben sich tief in seine Kopfhaut. ''Verschwinde! Hör auf!'' Das dunkle Gelächter erfüllte ihn vollkommen, doch mit aller Kraft wehrte er sich gegen die drohende Metamorphose. Nicht jetzt. Nicht hier. Das Lachen wurde lauter, als erneut ein heißer, stechender Schmerz durch seinen Rücken fuhr und sich die Flügel quälend langsam wieder zurückzogen. ~''Du weißt, ich werde dich kriegen. Dieser Körper gehört mir!''~ Ein letztes Aufbegehren, ein letztes lautes Lachen, dann konnte er den Dämonen endlich wieder zurückdrängen.

Schweiß tropfte ihm von der Nasenspitze, als er sich erschöpft aufrichtete und gegen die kalte Fliesenwand fallen ließ. Er atmete tief und langsam ein und wieder aus und wartete bis der Schmerz in seinen Schultern zu einem verhaltenen Pochen abebbte.

Junon. Die nächste Station wäre erst Junon. Midgar schien ihm noch so weit entfernt wie am Tag, als er mit der Gruppe zusammen Nibelheim verlassen hatte. Und solange sie noch nicht in Midgar waren, solange Hojo noch nicht in greifbarer Nähe war, musste er dem Dämonen standhalten. Er ballte die Hände zu Fäusten und ließ sich an der Wand wieder hinabsinken. Standhalten. Ja.

Zeitverschwendung

Sie erreichten Junon am späten Nachmittag des Folgetages. Betretenes Schweigen erfüllte die Brücke des Luftschiffs, als sie auf der unteren Ebene standen und durch die großen Scheiben der Brücke die stählerne Hafenstadt betrachteten. Sie hatten gehofft, ein anderes Bild zu sehen. Sie hatten gehofft, nicht diese klaffende Lücke in den oberen Stadtetagen vorzufinden.

Die Sister Ray war weg. Sie kamen zu spät.

''Nun denn.'' Cid stapfte die wenigen Stufen hinauf zurück zur Steuerkonsole, zog seine Handschuhe wieder über und machte die Highwind für den Landeanflug bereit. Über Funk nahm er Kontakt zum Tower der großen Landungsbrücken von Junon auf.

''Wir sollten unsere Sachen holen.'' Tifa ließ die Arme von der Stuhllehne sinken, wandte sich um und verließ den Ausguck in Richtung der Quartiere. Die anderen folgten ihr schweigend.

Sie waren umsonst nach Junon gekommen. Völlig umsonst.

Ein weiterer Umweg, nichts als Zeitverschwendung.

Mit zittrigen Fingern nahm Vincent das Stirnband vom Tisch, zog es sich über und wühlte halbherzig die schwarzen Haare darunter hervor. Dann griff er nach dem Rüstungsarm. Die Aufregung in ihm machte es beinahe unmöglich die kleinen Verschlüsse anständig zu schließen.

Zeitverschwendung.

Er schlug mit den flachen Händen auf dem Tisch auf. Verdammt. Er durfte sich nicht so aus der Ruhe bringen lassen. Das dunkle Rumoren in ihm war laut. Sehr laut. Es rauschte wie das Blut in seinen Ohren und drohte sein Bewusstsein erneut zu verschlingen. Beständig bohrten sich die Spitzen der Klaue in die dünne Holzplatte. ~''Du bist zu schwach.''~

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus der Anspannung, als Tifa auch schon öffnete und einen Schritt in die Kabine trat. ''Fertig?'' Sie lächelte. Wie immer. Mit einem tiefen Atemzug zwang er sich zur Ruhe, riss den Umhang von der Stuhllehne und folgte ihr mit einem kurzen Nicken aus der Kabine.
 

Sie verließen die Highwind, als sie endlich aufgesetzt hatte und überquerten die Landungsbrücken in Richtung der Aufzüge hinunter in die Stadt. Es herrschte überraschend viel Betrieb auf den oberen Etagen, doch von ShinRa direkt war bisher nichts zu sehen. ''Also? Was machen wir jetzt?'' Cid kramte wie gewöhnlich in seinen Taschen nach Zigaretten und Streichholzschachtel und lehnte sich mit der Schulter leicht gegen die kalte Wand der Metallkabine. Der Rest der Gruppe sammelte sich ebenfalls in dem geräumigen Lastenaufzug.

''Wir sollten ein paar Informationen sammeln. Vielleicht können wir noch etwas über den Abtransport herausfinden. Seit wann sie damit fertig sind.'' Das Leder der dicken Handschuhe knirschte verhalten, als Cloud die Hände ein paar Mal unruhig zu Fäusten ballte und sie schließlich in die Hüften stemmte. ''Ja. Die Sister ist groß. Vielleicht haben wir noch etwas Zeit, bis sie Midgar erreicht oder zumindest vollständig wieder aufgebaut ist.'' Der Pilot quetschte sich die Zigarette zwischen die Lippen und nuschelte leicht, als er sie festklemmte um das Streichholz zu entzünden. Barret schnaufte missmutig. ''Du willst hier noch Zeit damit verschwenden? Wir sollten sofort weiter!'' ''Nein, er hat Recht. Vielleicht sind noch Arbeiter in der Stadt. Außerdem...'' Tifa lehnte sich leicht zu Cid herüber und zerrieb die brennende Spitze des Streichholzes zwischen Daumen und Zeigefinger, ehe er seine Zigarette entzünden konnte. ''Nicht im Aufzug. Wir sollten uns überlegen, wie wir jetzt weiter vorgehen.'' ''Also ein Plan?'' ''Ja, genau. Ein Plan.'' Der Hüne verschränkte schwerfällig die Arme vor der Brust und schüttelte nur den Kopf. ''Den hätten wir schon seit einer Weile nötig. Wir sollten uns wirklich etwas einfallen lassen.''

Ja, das hatten sie wirklich. Midgar war in greifbarer Nähe und definitiv der nächste Halt, doch sie hatten absolut keine Ahnung, was sie dort erwarten würde. Sicherlich würde Shinra die Sicherheitsbereiche ausweiten und für ausreichend Wachrobos sorgen. Vermutlich sogar eine komplette Sperrung des Stadtkerns anweisen. Aber das sollte ihr geringstes Problem sein.

Mit einem durchdringenden Zittern setzte die Fahrstuhlkabine auf dem Boden auf und öffnete die schweren Türen einen Moment später.

''Gut. Wir teilen uns auf?'' Cloud wandte den Kopf um. Vincents Stimme hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen. Etwas verwirrt blickte er zu dem Schützen herüber. Er wirkte, als hätte er es eilig hier weg zu kommen. Das war so gar nicht die Art, des sonst so ruhigen, besonnenen Mannes. Cloud nickte nur leicht. ''Ja. Ja, wir teilen uns auf.'' Die anderen brachen ihre Diskussion um die Sister und etwaige diffuse Pläne ab. ''Ich würde sagen, wir treffen uns in etwa vier Stunden vor dem Hotel der B3 Ebene wieder.'' ''Alles klar, gehen wir zu zweit oder jeder für...'' Tifa blinzelte irritiert, als sich der rote Umhang plötzlich umwandte und bereits schnellen Schrittes von ihnen entfernte. ''...sich.'' Sie setzte ein Seufzen nach, als sich Yuffie zu ihr gesellte. ''Auf geht’s!'' Sie grinste ihr mit ihrer obligatorischen Unbeschwertheit entgegen und lief dann vor. Auch Cid und Barret machten sich allmählich auf den Weg. Sie gingen zurück zu den Aufzügen, um zu den untersten Etagen zu gelangen. Cait und Nanaki waren auf dem Luftschiff geblieben, nur für den Fall der Fälle.

Allein zurückgelassen strich sich Cloud mit der Hand durch Gesicht und Haare und seufzte tief auf. Ob ihre Aktion hier wirklich sinnvoll war würde sich noch zeigen, doch er befürchtete fast, dass es ihnen nur weitere Zeit stahl. Wenn es so weiter gehen würde, bliebe ihnen am Ende nur noch ein Himmelfahrtskommando, um den Anschluss an die Ereignisse nicht zu verpassen. Langsam setze er sich in Bewegung und folgte der Richtung, die Vincent eingeschlagen hatte, doch auf der geraden Stadtetage war der rote Umhang nicht mehr zu sehen.
 

~
 

''Es tut mir leid, aber wir sind fast vollständig ausgebucht.'' Der Mann hinter dem Empfangstresen zog die Fingerspitze prüfend über die Zimmerliste.

''Ausgebucht... schon wieder.'' Barret schnaufte und verschränkte verärgert die Arme.

Das war bereits das fünfte Hotel, das sie aufsuchten. Eigentlich hatten sie sich nur noch zur Besprechung treffen und dann zur Highwind zurückkehren wollen, doch aufgrund des Abtransports letzter Teile wurde der Flugraum bis zum nächsten Morgen komplett gesperrt. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Nacht in Junon zu verbringen.

''Vielleicht sollten wir einfach zurück zur Highwind.'' Yuffie ließ die Arme hängen und rollte den Kopf müde auf der Rücklehne der kleinen Holzbank im Eingangsbereich hin und her. ''Die Landungsbrücken sind für heute unzugänglich, hast du vorhin nicht zugehört?'', zischte Cid verärgert. Ihm passte es überhaupt nicht, dass man ihn nicht zu seinem Luftschiff ließ. Der Mann am Tresen sah wieder von seinem Buch auf.

''Wir sind aufgrund der Hilfsarbeiter zum Abbau der Kanone so ausgelastet, es tut mir leid. Es wären allerdings noch drei Zimmer frei, zwei Einzel- und ein Doppelzimmer.''

''Nehmen wir.'' Clouds Worte ließen die Gruppe verstummen. Irritiert sah Tifa zu ihm auf. ''Wie?''

''Wir werden uns aufteilen. Besser so, als wenn wir noch länger suchen. Wir müssen so oder so hier bleiben.'' ''Gut. Wir gehen zurück zum Hostel auf C1.'' Cid wühlte in seiner Jackentasche schon wieder nach einer Zigarette, während Barret sich mit einem missgestimmten Murren zu dem Piloten umwandte. ''Morgen früh wieder an der Highwind?''

''Morgen früh an der Highwind.''

Cid bestätigte mit einem knappen Nicken und verließ mit dem Hünen im Schlepptau das Hotel. ''Ich beginne langsam zu glauben, dass das alles Kalkül war.'' Barret warf einen prüfenden Blick die Stadtetage entlang und schloss zu ihm auf. ''Was?'' ''Na, die Info über Rockettown und die alte Lady. Auch wenn tatsächlich jemand von ShinRa dagewesen ist.'' Das Streichholz flammte mit einem leisen Rauschen auf und legte einen roten Schimmer auf das Gesicht des Piloten, als er seine Zigarette entzündete und kräftig daran zog. ''Worauf willst du hinaus?'' Argwöhnisch zog Barret die Stirn zusammen. Er konnte es sich fast denken, doch er hoffte, dass Cid damit nicht wirklich Recht hatte. Allerdings lag der Verdacht mehr als nur nahe. ''Darauf, dass sie wissen, wie viel mir an der alten Lady liegt und, dass ich komme was wolle, zurück nach Rockettown geflogen wäre. Das war ein Ablenkungsmanöver.'' Sehr nahe. ''Scheiße.''
 

~
 

''Hier der Schlüssel für das Doppelzimmer und einmal die zwei Einzelzimmer.'' Mit übertriebener Sorgfalt legte der Hotelier die abgewetzten Schlüsselanhänger vor ihm auf den Tresen. Noch bevor Cloud etwas entgegnen konnte, griff Tifa nach dem kupfernen Anhänger des Doppelzimmers, während Vincent bereits von der anderen Seite einen der anderen Schlüssel nahm und wortlos in die erste Etage verschwand. ''Morgen früh an der Highwind?'' Tifa wiederholte die Abmachung nur rhetorisch und lächelte ihm warm entgegen, nachdem sie ihren irritierten Blick wieder von der Treppe lösen konnte. Cloud nickte nur knapp. ''Schlaf gut.'' Sie berührte ihn behutsam an der Schulter, sammelte dann die bereits vor sich hin dösende Yuffie von der schmalen Holzbank neben dem Tresen ein und verließ den Eingang durch die Schwingtür in den Zimmergang. Cloud unterschrieb die Buchung im Heft, das ihm wortlos neben den verbliebenen Schlüssel geschoben wurde und griff dann nach eben diesem. Dritte Etage, Zimmer vierunddreißig. Die Metallzahlen auf dem Anhänger waren schon angelaufen. Langsam stieg er die Treppen hinauf.

Die Rennerei durch die Stadt war ermüdend und bedauerlicherweise nicht sonderlich aufschlussreich gewesen. Die Sister war weg und die Arbeiter hatten sich sehr wortkarg gegeben. Die meisten von ihnen wussten vermutlich tatsächlich nicht mehr als sie vorgaben, nicht zu wissen. Der Flug hierher, die Nacht, die sie nun gezwungen waren hier zu verbringen, waren nichts weiter als Zeitverschwendung. Vermutlich war es der Zwischenstopp in Rockettown auch gewesen. Cid hatte da bereits so etwas angedeutet...

Morgen früh konnten sie hoffentlich ihren Weg fortsetzen. Dann würden sie endlich nach Midgar kommen. Wieder nach Midgar. Zurück nach Midgar.

Auf dem oberen Treppenabsatz der dritten Etage blieb er stehen. Sie alle würden zurück nach Midgar kommen. Zurückkehren. Er drehte sich um und stieg die Treppe wieder hinab.

Vincent auch. Nach ziemlich langer Zeit, wenn wirklich stimmte, was er gesagt hatte. Und es war ihm ein außerordentlich dringendes Anliegen. Vermutlich war das der Grund, warum der Schütze bei ihren Besprechungen und den Tag über so sonderbar angespannt wirkte und noch kürzer angebunden war, als es ohnehin seiner Art entsprach. Er wartete auf das Zusammentreffen mit Hojo. Nein, er erwartete es. Langsam bog er in den Gang der ersten Etage ein. Vielleicht nahm ihn das alles mehr mit, als er es sich anmerken ließ. Cloud musste an ihre vergangenen, kurzen Gespräche denken, den Vorfall in der verlassenen Stadt. Wer weiß, was sie in Midgar schließlich tatsächlich erwarten würde. Wer weiß, wann es die nächste, ruhige Nacht geben würde. Sie näherten sich dem Showdown. ShinRa. Zielgerichtet blieb Cloud vor der unliebsam lackierten Tür stehen. Er hatte sich die Zimmernummer des Anhängers tatsächlich merken können. Auf dem Gang und den umliegenden Zimmern war es ruhig. Vorsichtig klopfte er an die Tür und öffnete sie, nachdem es still geblieben war.

Schusslinie

Auch im Raum war es ruhig.

Neben dem Bett erleuchtete eine gedimmte Nachttischlampe das Zimmer nur spärlich und ließ die Schatten an den Wänden noch länger und tiefer wirken.

Auf dem kleinen Tisch am Fußende des Bettes sah er Vincents Rüstungsarm, Umhang und Holster liegen. Von seinem Freund selbst fehlte aber jede Spur.

Vielleicht war er im Bad? Er hatte auf dem Weg den Gang hinab ein Gemeinschaftsbad gesehen. Wo auch immer er sein mochte, er würde früher oder später zurückkommen. Solange würde er einfach auf ihn warten.

Doch noch bevor Cloud sich wieder umdrehen und die Zimmertür hinter sich schließen konnte, spürte er wie sich kaltes Metall in seinen Nacken presste.

''Vincent.''

Zumindest hatte er sich nicht darin getäuscht, dass der Ältere nach dem Eintreffen in Junon zusehends seltsamer und unruhiger gewirkt hatte.

Der Lauf der Schusswaffe bohrte sich energisch ein Stück fester gegen seine angespannten Muskeln und bestärkte ihn nur in dieser Annahme.

''Ich bin's.''
 

''Das sehe ich.''

Vincent atmete mit einem leichten Schnauben aus. Woran auch immer es liegen mochte, doch Cloud hatte definitiv ein Händchen dafür, ihn in den unpassendsten Momenten aufzusuchen. Mühsam versuchte er das Zittern seiner Hand unter Kontrolle zu bringen und die Pistole gerade zu halten. Ein Schweißtropfen rann von seiner Stirn, verfing sich in seinen Wimpern und kostete ihn wertvolle Konzentration.

''Würdest du dann bitte-''

''Nein.''

Er musste unglaublich vorsichtig sein. Kaum, dass er vorhin das Zimmer betreten hatte, hatte sich der Dämon laut und kraftvoll zurückgemeldet und versucht erneut die hauchdünne Barriere in ihm zu durchbrechen. Es war ein Elend.

Der Ausbruch in der Kristallhöhle hätte einfach nicht passieren dürfen. Doch jetzt, wo er geschwächt war und der Dämon frisches Blut geleckt hatte, war es so unglaublich schwer ihn unter Verschluss zu halten. Er hatte es den Abend zuvor auf der Highwind fast wieder geschafft. Fast.

Er würde nicht zulassen, dass er sich in Gegenwart anderer verwandelte. Er durfte nicht.

Und wenn doch... so würde er Cloud eben erschießen, bevor er ihn dem Dämon überließ. Er hatte schon einmal versuchen wollen den Jungen zu töten. Zu ihrer beider Glück war der Stein unnachgiebig geblieben und hatte dem Monster den Weg versperrt.

Doch jetzt... er wäre leichte Beute.

''Vincent.''

Er zuckte leicht zusammen, als er die Finger des anderen um sein Handgelenk spürte. Die Gedanken hatten ihn so sehr abgelenkt, dass er nicht mitbekam, wie Cloud sich zu ihm umgedreht hatte. Zum Glück hatte sein Finger noch neben dem Abzug geruht, sonst wäre es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass er seinem Gegenüber ungewollt eine Kugel durch die Kehle gejagt hätte.

Die andere Hand wand ihm behutsam die Waffe aus dem Griff. Es war unnütz sich dagegen zu wehren, denn immerhin hatte er nicht vor Cloud ernsthaft zu schaden. Nicht nochmal. Und vor allem nicht so. Doch das Rumoren in ihm war noch immer laut und hielt sein Blut in Wallung und seine Nerven bis zum Äußersten gespannt. Im Moment war hier niemand sicher.
 

Skeptisch betrachtete Cloud den Älteren, als er ihm vorsichtig die Pistole aus den kalten Fingern zog und sie kurzerhand auf das Sitzpolster des Lesesessel, der neben ihnen allein in der Zimmerecke stand, gleiten ließ.

Vincent wirkte nicht nur außergewöhnlich unruhig, sondern... fiebrig. Der Blick der roten Augen war unstet und seine blasse Haut schien auf jedem Zentimeter von einem dünnen Schweißfilm überzogen zu sein. Besorgt legte Cloud die Stirn in Falten und griff mit der nun wieder freien Hand nach der Schulter seines Freundes.

''Was ist los?''

Im Gegensatz zu seinen Händen, schien sich hier seine Körperwärme regelrecht durch den Stoff des Hemdes zu brennen. War er krank? Hatte er aus der Höhle doch Verletzungen mitgebracht die niemand bemerkt hatte? Ein Wundbrand würde zumindest seine Erscheinung erklären.

''Bist du verletzt?''

Doch Vincent schüttelte nur fahrig den Kopf. Schwarze Haarsträhnen blieben an seiner nassen Stirn kleben. ''Cloud.'' ''Ja.'' ''Du...'' Der Ältere versuchte seine Hand aus dem Griff zu winden. ''Du musst gehen.''

Oh nein.

''Sofort.''

Nicht nochmal. Das Spiel kannte er mittlerweile gut genug und er würde nicht noch einmal mitspielen. Irgendetwas ging hier vor sich und Cloud würde das Zimmer nicht verlassen, ehe er wusste was es war.

''Ich bleibe. Und du sagst mir jetzt, was mit dir ist.''

Die roten Augen wichen seinem Blick aus und suchten Halt in den hinter ihm gelegenen Schatten des Raumes.

''Bist du verletzt?''

''Nein, bin ich- lass mich los.''

Cloud hatte nach seinem Befreiungsversuch sofort wieder nach dem Handgelenk des anderen gegriffen und umklammerte es diesmal fester.

''Ist es wegen Midgar? Wegen Hojo?''

Vincents Gesicht kehrte mit einem Ruck vollständig zurück in sein Blickfeld und ein erschrockener und zugleich ertappter Ausdruck lag auf den blassen Zügen. Jackpot.

''Raus.''

Halbherzig begann der Ältere sich erneut aus seinem Griff zu winden.

Es war also diese Sache. Doch warum versetze es den Schützen in einen derart aufgewühlten Zustand?

Er war zwar auch die anderen Male etwas außer sich geraten, doch so intensiv war es vorher nicht gewesen. Lag es wirklich nur an Hojo? Irgendwie schien das nicht ganz richtig. Es musste noch etwas anderes mit reinspielen. Da war er sich sicher.

''Wir machen uns gleich morgen früh auf den Weg. Aber ich mache mir zugegeben etwas Gedanken um deinen Zustand. Ich will nicht, dass du uns so mit nach Midgar begleitest.''

''Was?''

Tiefdunkles Rot schien sich regelrecht durch seinen Schädel zu fressen, als sich der unruhige Blick plötzlich zielgerichtet auf ihn legte. Na bitte. Die Konzentration des anderen schien langsam zurückzukehren.
 

Das sollte wohl ein schlechter Scherz sein.

Nicht, dass er sich von Clouds Worten tatsächlich aufhalten lassen würde, doch sie trafen ihn wie ein Messer in den Rücken. Das war alles, worum es hier noch ging und der törichte Junge vor ihm würde ihm sicher nicht in die Quere kommen.

''Hör zu. Wenn du dich nicht unter Kontrolle hast, dann-''

''Genug.''

Mit einem kraftvollen Ruck befreite er seine Hand und stieß den Jüngeren von sich.

Was fiel ihm überhaupt ein?

~''Genau. Was fällt ihm überhaupt ein?''~ Ein dumpfes Lachen grollte durch seinen Körper, als sein Pulsschlag wieder anstieg und er deutlich spüren konnte, wie immer mehr kalter Schweiß aus jeder einzelnen seiner Poren drang. Verdammt. Verdammt verdammt verdammt. Er konnte nicht einfach...

''In diesem Zustand bist du nicht nur für dich selbst, sondern auch für uns eine Gefahr.''

Er trieb das Messer weiter rein. Und er hatte ja keine Ahnung. Hatte keine Ahnung, was für eine Gefahr.

''Was redest du da?''

''Sieh dich an. Du bist völlig außer dir.''

Vincent schnaubte verächtlich und schlug die Hand seines Freundes beiseite, als er ihn erneut an der Schulter packen wollte.

''Ich war selten mehr Zentrum meiner selbst als jetzt.''

Das war Unsinn. Und das wusste er auch. Aber es spielte keine Rolle was er jetzt noch sagte. Jede weitere Erklärung wäre hier verschwendet und kostete nur wertvolle Zeit. Zeit, die er brauchte, um Cloud aus dem Raum zu bekommen bevor hier etwas gewaltig schief ging.

Der Blonde seufzte kurz und hart und stellte sich ihm unnachgiebig in den Weg.

''Vincent. Das ist Blödsinn.''

~''Nun, das war nicht schwer zu erraten.''~

''Sei still.''

''Ich werde sicher nicht-''

''Nicht du!''

''Was?''
 

Irritiert musterte Cloud seinen Freund. Was meinte er mit: nicht er? War er noch verwirrter als es auf den ersten Blick den Anschein gemacht hatte? Was zum Teufel war los mit ihm?

''Vincent. Ich will dir nur helfen. Aber dir sollte klar sein, dass das so nicht funktioniert.''

Die roten Augen lagen aufmerksam auf ihm und folgten jeder kleinen Bewegung. Es wirkte fast wie ein... wie ein Raubtier. Ein leichter Schauer kühler Gänsehaut machte sich auf seinen Unterarmen breit. Das war alles nicht normal.

''Du hast doch überhaupt keine Ahnung.''

''Das sagtest du schon mal. Wie wär's dann mit einer Erklärung?''

Vincent lachte trocken auf.

''Das würdest du nicht verstehen.''

''Du hast es nicht versucht.''

''Hör einfach auf. Geh.''
 

Und jetzt standen sie hier und fingen an zu streiten, während in ihm der Dämon die Krallen an seiner Hülle wetzte? Nein, das war absolut irrsinnig. Je mehr Zeit verstrich, desto gefährlicher wurde es. Cloud musste einfach gehen. Und vor allem musste er aufhören, dauernd nachzufragen. Er täte gut daran, die Antwort niemals zu erfahren. Niemand sollte das. Und es war nur noch eine Station die dafür sorgte, dass dieses Unterfangen in Gefahr geriet. Nur noch Midgar. Nur noch Hojo. Nur noch dieser eine Moment. Und wenn das endlich erledigt sein würde... dann...

''Nein.''

Er verstand den Ernst der Lage nicht, was?

~''Lass ihn mir, wenn er nicht gehen will.''~

''Geh, verdammt.''

Warum zeigte sich Cloud nur diesmal so unnachgiebig? Merkte er nicht, wie angespannt die Situation war?

''Ich bleibe bis du mir sagst was hier los ist.''

Die Luft im Raum ließ sich fast schneiden. Vincents aufgebrachter Körper schien den Sauerstoff in Sekunden zu verbrauchen. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb und das Blut rauschte laut und heiß in seinen Ohren. Kontrolle bewahren. Und den Jungen endlich aus der Schusslinie bringen. Schusslinie. Schnell fand sein Blick die Waffe auf dem Sessel. Wenn er nicht hören wollte...

''Schön.''

Seine Fingerspitzen hatten den kalten Metallgriff gerade so gestreift, als ihn ein harter Faustschlag zurücktaumeln und in die Knie gehen ließ. Verwirrt und für einen Moment orientierungslos tastete sich seine Hand nach der sich schnell ausbreitenden, heißen Stelle auf seiner Wange. Was zum...?

''Vincent.''

Ein Paar Knie kam in sein verschwommenes Blickfeld, als sich Cloud ihm gegenüber in die Hocke begab. Langsam schüttelte er den Kopf um wieder einen klaren Gedanken zu bekommen. In ihm herrschte noch immer ein monotones Rauschen, doch nur noch die Hälfte davon war dem aufgewühlten Monster verschuldet. Die Überraschung des Schlages hatte ihn völlig aus dem Konzept gerissen und damit für eine kleine Unterbrechung gesorgt. Er stützte sich mit der Linken auf dem rauen Teppichboden ab und rieb mit den Fingern der Rechten über seine Augen um die Schleier aus seinem Blick zu bekommen.

''Was...''

''Besser?''

Blaue Augen musterten ihn gespannt und in ihnen lag neben der anfänglichen Sorge auch Wärme und Geduld.

Vorsichtig blickte Vincent zu ihm auf. Ja, es war in der Tat etwas besser. Doch noch lange nicht gut. Das war nichts weiter als ein kleiner, ein minimaler Zeitaufschub. Er musste noch immer gehen.

''Ich würde es begrüßen, wenn du nicht noch einmal abwägen würdest, mich zu erschießen. Zwei Mal in ein paar Minuten reicht völlig.'' Ein schwaches, kurzes Lächeln.

Wenn er nur wüsste.

Gefahrenzone

''Und jetzt...''

Cloud legte die Unterarme auf den Knien ab und musterte ihn mit durchdringendem Blick.

''Sagst du mir was los ist.''

Er würde nicht locker lassen, oder?

Vincent seufzte nur schwach, rieb sich ein letztes Mal über die schmerzende Wange und setzte sich dem Jüngeren gegenüber, die Ellbogen auf den Knien abgestützt, die Hände locker herabhängend. Das Zittern war noch immer nicht ganz verschwunden, ebenso die allgemeine Anspannung. Es war wie es war. Nur ein kurzer Zeitaufschub. Definitiv nicht genug um ihm das hier zu erklären. Davon ganz abgesehen, dass er keinen Sinn darin sah das zu tun.

Sicher, er hatte ihm von seiner Zeit in Nibelheim erzählt. Hojo und die Experimente. Doch er hatte ihm nicht gesagt, was das Endresultat war. Und er würde es auch nicht tun. Um keinen Preis. Die Zeit die ihm mit der Gruppe blieb war ohnehin nur geborgt und wer weiß schon, was nach Midgar sein würde. Da musste er die anderen nicht damit verschrecken, dass er war, was er war. Obwohl... wäre das nicht die sinnvollere Alternative? Einfach zu gehen? Es wäre für alle das Sicherste.

Zugegeben... es lagen einige Jahren zwischen seinem letzten Aufenthalt in Midgar und heute und es würde ihn nicht wundern, wenn sich so einiges in der Stadt getan hätte, doch er würde den Weg sicherlich auch allein finden. Dazu bräuchte er die Hilfe der anderen nicht.

Doch noch waren sie in Junon. Richtig. Und ohne die Highwind bräuchte er vermutlich ewig um nach Midgar zu gelangen. Außer er würde... nein. Nein! Das stand absolut außer Frage.

~''Du vermisst es. Gib es zu.''~

Er war immer noch präsent. Deutlich und viel zu nah.

''Ich warte.''

Cloud. Seine blauen Augen blickten ihm mit weit mehr Verständnis entgegen, als er für ihn übrig haben dürfte. Vincent seufzte schwer, ließ für einen Moment den Kopf sinken und wischte sich dann Stirn und Wangen an seinem Hemdsärmel ab. Er war vollkommen durchnässt.

''Ich kann nicht.''

Cloud sah kurz zur Seite, ehe er den Kopf leicht schüttelte und wieder zu ihm herüber sah.

''Hör zu. Ich sage das nur ungern, vor allem dir gegenüber, aber wir werden ohne dich fliegen, wenn du jetzt nicht mit mir sprichst.''

Vincent ließ den Kopf auf seinem Oberarm ruhen und kniff die Augen leicht zusammen.

''Hör auf das Messer tiefer in meinen Rücken zu treiben.''

''Ich hätte kein Problem damit es wirklich zu tun wenn du nicht zur Besinnung kommst.''

Schwarze Haarsträhnen und Schweißtropfen glitten an seinem Hals entlang, als er seinem Gegenüber das Gesicht zuwandte.

''Ich bin mehr bei Sinnen als mir lieb ist.''

Er wusste, Cloud würde diesen Hinweis nicht verstehen, aber das tat nichts zur Sache.

''Vincent.''

Allerdings war der fürsorglich-belehrende Unterton in seiner Stimme zu einer echten Qual geworden. Cloud hatte einfach nicht die leiseste Ahnung und schien nicht zu begreifen, dass er keine Absicht hegte das zu ändern.

''Ich werde nicht mit dir darüber sprechen.''

''Dann trennen sich hier unsere Wege.''

Schwungvoll erhob sich der Jüngere aus seiner Position und Vincent folgte ihm mit seinem Blick. Er wusste, dass er das nicht wirklich ernst meinte und doch lösten die Worte wieder ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust aus.

Nicht nur, dass er auf die Highwind angewiesen war... er wollte die Gruppe nicht verlassen. Er wollte Cloud nicht...

~''Was?''~ Ein finsteres Lachen tönte in ihm auf.

~''Du bist so töricht. Du weißt, dass du ihn nicht ewig von mir fernhalten kannst. Ich will ihn. Jetzt.''~

Scharfe Krallen rissen an seinen Eingeweiden und mit einem heißen Brodeln schoss das Blut durch seine Adern. Er versuchte es wieder. Versuchte die Kontrolle zu erlangen.

Schmerzerfüllt krümmte Vincent sich zusammen.
 

Das konnte doch nicht wahr sein.

Es war mehr als offensichtlich, dass hier etwas nicht stimmte und sein Freund hatte nichts besseres zu tun, als sich darüber auszuschweigen. Unmut keimte in Cloud auf, als er sich wieder auf die Knie fallen ließ und Vincent an den Schultern packte. Wie konnte er nur so stur sein? Was zum Teufel konnte so schlimm sein, dass er nicht einfach den Mund aufmachte?

''Vincent. Vincent!''

Er spürte wie sich die Muskeln des anderen unter seinen Händen anspannten und der feuchte Stoff des Hemdes an ihm kleben blieb. Er schien für einen Moment völlig entrückt und kämpfte offensichtlich gegen Schmerzen an.

''Cloud... geh.''

''Ich bleibe.''

Ein kaum hörbares, verzweifeltes Wimmern entwich dem Älteren, als er ihn fester an den Schultern packte und den gekrümmten Körper aufrichtete. Der Schmerz spiegelte sich auf dem schmalen Gesicht wider.

''Was zur Hölle ist los mit dir?''

Kalte, schweißnasse Hände umklammerten seine Unterarme.

''Du musst gehen. Bitte.''

''Rede!''

Er versetzte dem Schützen einen kurzen, kräftigen Ruck und blickte ihm starr und unnachgiebig entgegen. Der fiebrige Ausdruck vom Anfang war zurückgekehrt und er wirkte nervös und angespannt.

''Ich kann nicht.''

''Du kannst. Und wenn ich die Worte aus dir rausprügeln muss.''

Ein weiterer Ruck an den unnatürlich warmen Schultern des Mannes.

''Cloud... bitte.''

''Rede, verdammt!''

Noch ein Ruck. Der Griff um seine Arme verstärkte sich, als der andere kurz ins Wanken geriet. Er hatte sich die anderen Male doch auch nicht so lange bitten lassen. Warum wich er ihm bei diesem Thema immer und immer wieder aus? Warum schickte er ihn weg? Was, nur was ging in ihm vor?

''Cloud!''

Vincents bisher verhältnismäßig leise Stimme erhob sich und ließ ihn kurz irritiert zusammenzucken.

''Verlass das verdammte Zimmer. Geh weg von mir. Geh!''

Blasse Finger rutschten zu seinen Handgelenken, versuchten den festen Griff der Hände an seinen Schultern zu lösen und bohrten sich vergeblich in das dicke Leder der Handschuhe.

''Warum sollte ich? Hm? Was ist dann? Was passiert wenn ich bleibe?''

Ein weiteres, leises Wimmern entwischte den schmalen Lippen, als er von den Schultern abließ und stattdessen nach dem Kragen des Hemdes packte um ihn erneut zu schütteln. Der Stoff knirschte verhalten unter seinem Griff und verlor ein paar Tropfen, als er sie aus ihm herauswrang.

''Ich will dich nicht verletzen.''

Vincents Worten schwang ein leichter Hauch Verzweiflung mit.

''Das kenne ich schon. Neuer Versuch.''

''Ich mein's ernst.''

''Ich auch.''

Er riss ihn am Kragen ein Stück zu sich um ihm direkt in die Augen blicken zu können und sicherzustellen, dass ihm nicht viele Ausweichmöglichkeiten blieben.

''Vincent, verdammt nochmal, rede! Es wäre nicht das erste Mal, dass du mich verletzt und es wäre nicht das erste Mal, dass es mich nicht kümmert.''

Das stimmte nur zum Teil, aber zumindest im Moment würde er es billigend in Kauf nehmen, wenn er nur endlich aus seinem Freund herausbekommen würde, was hier mit ihm vor sich ging.

''Ich kann nicht.''

Er konnte selbst durch das Leder seiner Handschuhe eine der Nähte im zum Zerreißen gespannten Stoff platzen spüren, als er den Kragen bis zum Anschlag in seine Finger wickelte. Vincents Hals ruhte zwischen seinen geballten Fäusten und er konnte den rasenden Pulsschlag unter der nassen, bleichen Haut sehen. Das war alles, aber definitiv nicht normal.

''Du kannst, da bin ich mir sicher.''

Cloud presste die Worte ungeduldig zwischen den Zähnen hervor. Er war es langsam leid. Entweder er redete, oder er würde seinen Worten Taten folgen lassen.
 

Es war zum verrückt werden. Wie sollte er Cloud nur den Ernst der Lage begreiflich machen? Er machte hier keine Späße und würde auch nicht mehr all zu lange überhaupt in der Lage dafür sein. Sein Blut kochte, in ihm tobte ein ihm nur allzu bekannter Sturm und es kostete ihn seine letzte Kraft, das Monster in Gegenwart des anderen unter Verschluss zu halten.

''Nein. Ich will dir nicht weh tun.''

''So ein Unsinn!''

Cloud war aufgebracht. So hatte er den Jüngeren selten erlebt. Eigentlich noch fast nie. Es musste ein unheimliches Bild abgeben, als seine eigenen, tiefroten Augen sich mit dem grün fluoreszierenden Blick des anderen kreuzte. Grün? Dieses Detail brachte ihn für einen Moment aus dem Konzept.

Das Mako, das durch Clouds Körper floss, spiegelte sich in seinen Augen wider und verlieh ihm einen ähnlich unheilvollen Anblick, wie es bei ihm selbst der Fall sein musste.

''Ich will dich nicht hier lassen, hörst du?''

Sie wussten beide, dass er das nicht tun würde, aber Vincent verstand schon, was er damit ausdrücken wollte.

''Wenn du's mir jetzt nicht sagst, dann sorge ich dafür, dass du's tust.''

Ein weiterer Ruck am Kragen ließ den nassen Stoff schmerzhaft über seine Nackenwirbel scheuern. Zumindest schien er es damit wirklich ernst zu meinen.

Was für ein Ausweg blieb ihm noch? Er schaffte es nicht, Cloud aus der Gefahrenzone zu bringen und die Zeit drängte. Es waren nur noch Momente, Augenblicke. Er spürte den Dämon in ihm toben und es trieb ihn in den Wahnsinn.

''Cloud... ich-''

''Sag's mir!''

Die Fäuste ließen von seinem Kragen ab, nur um kurz darauf sein Gesicht mit festem Griff zu umklammern.

''Ich-''

''Sag's mir!''

Täuschte er sich, oder schwamm zwischen all dem aufgewühlten Mako auch ein Hauch Verzweiflung im Blick des Jüngeren mit?

''Ich...''

''Vincent.''

Sein Herz setzte für einen Moment aus, als sich warme Lippen auf seine eigenen pressten und zwei Hände seinen Kopf erbarmungslos festhielten.

Das Chaos in ihm erfuhr einen Umschwung und geriet vollkommen durcheinander.

''Ich mache mir einfach nur scheiß Gedanken, klar?''

Clouds Stimme war leise, aber deutlich und er konnte den warmen Atem auf seinen eigenen Lippen spüren. Es war wirklich ungewohnt ihn so zu erleben. So aufgebracht, so impulsiv.

''Ich...''

Vincent erwiderte den starren Blick der grünen Augen, als ihn kurz darauf ein weiterer Kuss einnahm. Sie waren ihm so nah, dass er das Mako wie grüne Schlieren über die sonst so stahlblaue Iris wabern sah. Es war ein berauschender Anblick. Sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb, angetrieben von dem Versuch des Monsters auszubrechen und der plötzlich aufkeimenden Erregung.

Der eigentümliche und ihm doch mittlerweile nur allzu gut bekannte Geruch des anderen umfing ihn, als er sich selbst dichter gegen die weichen Lippen drängte. Die Hände die sich von den Wangen in seinen Nacken schoben und die warme Zungenspitze die neckisch über seine eigene Unterlippe leckte boten eine willkommene Ablenkung.

Es hatte seine Vor- und Nachteile, dass er in diesem Zustand so leicht empfänglich für alle anderen Einflüsse war, doch auch wenn die plötzliche Zerstreuung dabei half den Dämonen in den Hintergrund zu drängen, so musste er vorsichtig bleiben. Aufpassen, nicht wieder die Kontrolle verlieren...

Vincents Hände griffen nach den Schultern des Blonden, als er sich auf die Knie begab und von sich aus ihren Kuss erneuerte. Er würde wirklich wachsam bleiben müssen, die Bewegungen des Monsters nicht außer Acht lassen, das aufgewühlte Chaos in ihm nicht unterschätzen... doch die Hände, die an seinem Hals hinabgewandert waren und sich nun ungeduldig an den Knöpfen des völlig zerknitterten, nassen Hemdes zu schaffen machten forderten seine ungeteilte Beachtung. Und sie sollten sie erhalten.

Eilig bugsierte er den Jüngeren über den harten Teppich. Wenn schon ein durchaus akzeptables, bequemes Bett in unmittelbarer Nähe war, würde er es nicht wieder auf dem Fußboden tun. Soviel stand fest. Denn in einer Sache musste er dem Monster in ihm zustimmen. Er wollte ihn. Jetzt.

Chaos

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Weckruf

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Freunde

Sie hatten es tatsächlich fertiggebracht das Hotel in weniger als zwanzig Minuten zu verlassen und befanden sich auf dem Weg zum Lastenaufzug, als Cloud Tifas sechsten Anruf ablehnte und ihr stattdessen eine kurze Nachricht schickte.

Sie waren unterwegs, ergo konnte er sich ihre drängelnde Nachfrage sparen. Er verstaute das PHS in der Hosentasche und warf einen Blick zur Seite. Vincent ging in einigen Schritt Entfernung neben ihm her und sah unter all seiner Kleidung so kühl und distanziert aus wie eh und je. Er wirkte in sich gekehrt, den Blick der tiefroten Augen auf einen Punkt weit hinter dem nicht sichtbaren Horizont gerichtet. Cloud ahnte auf was er es abgesehen hatte und wieder drängte sich der Wunsch auf, einfach an dieser Stelle zu stoppen. Auch trotz des Vorfalls widerstrebte es ihm, seinen Freund nach den vergangenen Stunden erneut so zu sehen. Er wünschte sich die weiche Haut wieder an seiner eigenen und vor allem die Entspannung und Ruhe zurück auf den Gesichtszügen, die sich nun kalt und hart hinter dem breiten Kragen des Umhangs verbargen. Mit einem leisen Seufzen rieb er sich kurz über die Augen, ehe er den Knopf für die Tür des Aufzugs drückte und sie die Kabine betreten konnten.

Metall kreischte unangenehm in seinen müden Ohren, als die Tür sich wieder schloss.

Cloud lehnte sich gegen die Wand und sah auf.

Wann würden es den nächsten ruhigen Moment für sie geben und noch viel wichtiger war, wann würde Vincent ihm endlich sagen, was zum Teufel eigentlich los war?

Gedankenverloren rieb er sich über die Schulter, auf der nur noch ein blassrotes Mal an den Biss erinnerte. Wenn er sich in einer Sache sicher war, dann in der, dass Vincents Verhalten nicht normal gewesen war. Wobei ''normal'' hier wohl eher das unpassendste Wort sein mochte. Es war, als hätte er einen inneren Kampf ausgefochten, als hätte etwas versucht, die Kontrolle über ihn zu gewinnen.

Er dachte wieder an die zwei massiven Narben die sich über die Schultern des Schützen zogen. Ihm wollte partout nicht in den Sinn kommen, was es damit auf sich hatte, doch sie muteten sonderbar an. Das stark verwachsene und verzweigte Gewebe zeigte deutlich, dass sich dort mehr als eine Wunde befunden haben musste. Als wäre die Haut dort wieder und wieder aufgebrochen.

Es hatte nicht den Anschein, als seien die Narben je richtig verheilt und ihre tiefrote Färbung sprach dafür, dass die letzte Verletzung nicht all zu lang her sein konnte. Doch die Position war, was ihn am meisten beschäftigte.

Unweigerlich musste er an eine alte Geschichte denken, in der einem Engel die Flügel abgehackt wurden.

Mit einem leichten Kopfschütteln schob er die unsinnigen Gedanken beiseite.

Vincent hatte ihm selbst von seiner Zeit mit Hojo erzählt. Wer weiß, was dieser Wahnsinnige ihm alles angetan hatte. Sicher würde es irgendeine Erklärung resultierend aus seinen unmenschlichen Experimenten geben.

Vielleicht hatte er Vincent die Schultern wieder und wieder aufgeschnitten, um... um was zu tun?

Der Gedanke an die Flügel ließ ihn nicht los. Was wäre wenn... das Monster aus der Höhle...

Er dachte wieder an diese sonderbare Angst, die im Blick des Ungeheuers gelegen hatte und die er mittlerweile so gut von seinem Freund kannte. Diese Verbindung war so über die Maßen grotesk und doch musste er sich eingestehen, dass es sie gab.

Vincent... ein Monster?

Er betrachtete das schmale, blasse Gesicht aus den Augenwinkeln heraus und musste an die erbärmlichen Kreaturen in den Makotanks des Nibelheimreaktors denken.

ShinRa und Hojo waren zu vielem fähig und doch schien dieser Gedanke einfach nur so vollkommen falsch.

Ein leichtes Frösteln überkam ihn und er verlor den Faden, als er den durchdringenden Blick roter Augen auf sich spürte.

''Willst du nicht aussteigen?''

Die Kabine hatte angehalten und sich geöffnet, ohne, dass er es mitbekommen hatte und Vincent trat bereits raus auf die untere Ebene der Landungsbrücken.

Neben all diesen Dingen die seine Gedanken rastlos hielten, lag ihm aber noch eine weitere Sache auf den Lippen.

''Wofür war das 'Danke'?''

Der Ältere sah kurz über die Schulter zu ihm, als auch Cloud den Aufzug verließ und die Tür sich mit leisem Rattern hinter ihnen schloss.

''Such dir was aus. Ich schulde dir sicher noch das ein oder andere.''

Mit eiligen Schritten und wehendem Umhang ließ er ihn hinter sich zurück.
 

~
 

''Nicht zu fassen.''

Gereizt kaute der Pilot auf dem glimmenden Rest seiner Zigarette herum.

''Cid.''

Tifa warf ihm einen mahnenden Blick zu, doch er schnaufte nur abschätzig und ging zur herabgelassenen Rampe der Highwind herüber.

''Und da soll nochmal einer sagen wir hätten es eilig. Das Ding da oben wartet bestimmt gnädigerweise noch ein paar Tage.''

Er nahm den Stummel aus dem Mund und verstreute die letzte Asche in der Luft, als er mit den Fingern in Richtung Himmel wies und dem Meteor einen argwöhnischen Blick schenkte.

''Cid, es ist genug.''

Sie drehte sich zu ihm um und wischte eine Ascheflocke von ihrer Wange. Die knappe Stunde die sie nun schon am Luftschiff warteten schien sich ewig hinzuziehen und das stete Gemecker des Piloten machte es definitiv nicht besser. Sie wusste, dass sie vergessen hatte auf Clouds Zimmernummer zu achten, sonst hätte sie noch gleich nach ihm gesehen, bevor sie das Hotel verlassen hatten, doch sie hatte ebenso gehofft, dass er vielleicht schon auf der Landungsbrücke war. Dass das nicht der Fall war, war an den Gesichtern von Cid und Barret unschwer zu erkennen gewesen. Sie hatten schon länger hier gewartet, nachdem sie in dem billigen Hostel der unteren Ebene wohl nicht wirklich zur Ruhe gekommen waren. Was genau vorgefallen war hatte sie gar nicht wirklich verstanden, da sie die Schimpftiraden der beiden Männer einfach so gut es ging überhörte. Und doch konnte sie die zwei mit voranschreitender Zeit verstehen, vor allem nach dem sie Cloud erst beim fünften Anruf erreicht hatte. Dass er knapp angebunden war, war nicht neues, aber dass er nicht vorher reagiert hatte war so gar nicht seine Art. Sie war sich sicher, dass er nicht mehr geschlafen hatte, sonst hätte er bereits beim ersten Klingeln abgenommen.

Auch, dass Vincent nicht längst hier war wunderte sie sehr. Er war sonst immer mit der erste, da er weniger zu schlafen schien als sie alle, aber vielleicht steckte den beiden dieser sonderbare Ausflug mitten in der Nacht doch noch mehr in den Knochen, als sie zugeben würden.

''Sie kommen.''

Nanaki erhob sich schwerfällig vom Boden, schüttelte sich und tappte dann in Richtung Luftschiff.

''Ich sehe noch gar nichts.''

Abwartend legte Yuffie den Kopf auf die andere Schulter und winkelte die Knie an, als sie weiterhin den Treppenaufgang des Landeplatzes beobachtete.

''Endlich.''

Tifa klappte ihr PHS zusammen, als sie erst Vincent und schließlich auch Cloud auf die Treppe zur höheren Ebene zukommen sah.
 

''Ich schwöre bei Titans Juwelen, beim nächsten Mal warte ich nicht mehr.''

Der Pilot kratzte sich mürrisch am Bart und trat an sie heran.

''Ständig das Gelaber, dass wir schnell weiter müssen und dann immer wieder Verzögerungen. Geht mir auf den Sack. Echt.''

Ihr Schnauben verriet ihren Missmut über seine Laune und seine Wortwahl, doch er ignorierte es.

''Und dass du unserer Prinzessin nicht mal längst in den Arsch getreten hast, wundert mich auch. Ihr habt doch so'n guten Draht zueinander, eh?''

Die verbleibenden Sekunden des Treppenaufstiegs nutze er um sich eine neue Zigarette zu drehen und schaffte es sie anzuzünden, bevor erst Vincent und dann auch Cloud die Ebene betreten hatten. Yuffie schwang sich hinter den beiden auf die Beine und folgte ihnen.

''Ist der Schönheitsschlaf wichtiger als das scheiß Ende der Welt?''

Cid stieß eine Rauchwolke aus und rieb sich mit dem Daumenknöchel über das Auge, als der Schütze direkt auf ihn zusteuerte.

''Wie lange brauchen wir bis Midgar?''

Er ließ sich mit der Antwort Zeit, bis er einen erneuten Zug an der Zigarette genommen hatte.

''Jetzt hat's wohl jemand eilig, was?''

''Cid, wie lange?''

Cloud löste die Frage ab, als Vincent bereits ungeduldig an Cid vorbeigerauscht war und auf die Highwind zusteuerte.

''Tze. So lang wie's eben dauert.''

Ein weiterer Zug an der Zigarette, dann aschte er abfällig vor die schweren Soldatenstiefel und kehrte dem Rest den Rücken, Tifas mahnenden Blick ignorierend.
 

~
 

''Was war denn bitte vorhin los?''

''Hm?''

Er versuchte sie zu ignorieren als sie auf dem Weg zu den Quartieren waren. Cid hatte mehr als schlechte Laune, das war ihm keineswegs entgangen und es war klüger, den Piloten in Ruhe zu lassen, bis ihn die Höhenluft wieder besänftigte.

Er würde sich schon früher oder später melden. Spätestens, wenn sie kurz vor Midgar waren.

Vincent hatte sich, sobald er die Highwind betreten hatte, wieder in Luft aufgelöst und Cloud war sich nicht sicher, ob er sich einen schnellen oder langsamen Flug wünschen sollte.

''Warum bist du nicht an dein PHS gegangen, als ich dich angerufen habe?''

Keiner von ihnen wusste, was genau sie dort nach all den Geschehnissen erwarten würde.

''Bin ich doch.''

''Cloud.''

Ihre Hand schlug flach auf der Metallwand auf, als sie sich ihm in den Weg stellte und ihn mit einem ernsten Blick der rehbraunen Augen bedachte.

''Du weißt selbst, dass das nicht typisch für dich ist und das vor allem im Moment. Also, was ist los?''

''Was soll schon los sein?''

Er verschränkte die Arme und ließ sich mit der Schulter gegen die Wand sinken, an der sie mit ihrer Hand lehnte.

Sie seufzte schwer.

''Bist du noch verletzt? Irgendwelche Nachwirkungen? Irgendwelche anderen Ereignisse von denen ich nichts mitbekommen habe? Rede mit mir.''

Für einen Sekundenbruchteil blitze ein schmales Grinsen in seinem Mundwinkel auf, bevor sie es bemerken konnte.

Irgendwie kam ihm diese Phrase bekannt vor. Und hier stand er nun auf der anderen Seite.

Er ließ den Kopf einen Moment hängen, ehe er wieder zu ihr aufsah.

Und irgendwie tat es ihm leid. Tifa machte sich nur Sorgen. Sie war hier der Mittelpunkt und versuchte die Gruppe zusammenzuhalten und natürlich versuchte sie ihm die Freundin zu sein, die sie schon immer gewesen war.

''Es ist alles in Ordnung mit mir.''

Sie runzelte sie Stirn.

''Ich... ich weiß nur einfach nicht, was vor uns -''

''Hast du Angst?''

''- liegt.''

Die dunklen Augen blickten ihm starr entgegen. Das tiefe, warme Braun war so ganz anders, als dieses unergründliche Rot.

Ob er Angst hatte? Vielleicht. Sie alle hatten Angst.

Aber sicher nicht aus denselben Gründen.

Er wusste, dass er nun eine verdammt gute Antwort brauchen würde, um keine langwierige Diskussion mit ihr zu beginnen, doch ihm fiel nichts dazu ein. Sie würde ihm im Moment vermutlich eh kaum etwas glauben, das zu sehr nach Ausrede klang, doch er hatte einfach keine Zeit für sie. Er wollte zu Vincent, auch wenn er sich sicher war, dass er sich irgendwo auf dem Schiff versteckt hielt und nicht in seiner Kabine saß und wartete.

''Tifa.''

Sie zog die Hand ein und schob sich ganz in sein Blickfeld.

''Cloud, ich... wir sind deine Freunde und ich würde mir wünschen, dass du dir das vor allem jetzt auch klar machst. Alles, was du vor uns versteckst kann zum falschen Zeitpunkt vielleicht eine Gefahr für die ganze Gruppe werden.''

Diesmal war er es, der die Stirn in Falten legte.

''Ich weiß ja, dass du durch das Mako widerstandsfähiger bist als wir, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dich das nicht vor allem beschützt. Die Wunde an deinem Hinterkopf sah zwar nicht so wild aus, aber vielleicht habe ich mich ja getäuscht?''

Er erlaubte sich ein leises Seufzen. Auf der einen Seite war er tatsächlich froh darum, das sie darauf beharrte und keinen weiteren Verdacht zu schöpfen schien, auf der anderen Seite ging ihm die Diskussion mittlerweile gegen den Strich und sie tat ihm leid.

''Es ist alles in Ordnung.''

''Das sagst du immer.''

Sie ließ sich mit dem Rücken gegen die Wand sinken, stütze sich für einen Moment mit den Händen auf den Oberschenkeln ab und atmete tief durch, ehe sie wieder zu ihm sah.

''Du hast dich ganz schön verändert seit damals.''

''Wir alle werden älter.''

''Das meine ich nicht und das weißt du auch.''

Ihr Blick lag schwer voll Vorwurf und gleichzeitig fast mütterlicher Fürsorge auf ihm und zog schwer an seinen Schultern.

''Ich bin mir nicht sicher, ob das alles nur ShinRas Verdienst ist, oder was noch alles vorgefallen ist. Aber du weißt, das was du uns in Kalm erzählt hast-''

''Stop.''

Das war nun wirklich das aller letzte Thema, über das er Lust verspürte zu reden und er war sich sicher, dass sie genau wusste, dass sie damit zu weit ging.

Für ihn war das Gespräch zumindest an dieser Stelle beendet und er löste sich von der Wand.

''Cloud, bitte.''

''Spar dir deine Entschuldigung für später auf.''

Er wusste, dass es ungemein schroff von ihm war, sie so stehen zu lassen, aber sie hatte angefangen, nicht er. Und er wusste genauso, dass in ein oder zwei Stunden keiner von ihnen beiden ein weiteres Wort darüber verlieren und sie in den gewohnten Umgang zurückfallen würden.

Jetzt waren erst einmal andere Dinge wichtig.

Showdown

''Ob sie die Kanone schon aufgebaut haben?''

Das Glas kam mit leisem Klirren auf der Steuerkonsole zum Stehen.

''Woher soll ich das wissen?''

Wie oft wollte er noch davon anfangen? Sie hatten gestern noch gefühlt die halbe Nacht über Midgar, die Sister Ray und ShinRa debattiert und scheinbar waren sie die einzigen gewesen, die sich tatsächlich Gedanken gemacht hatten.

Er war noch immer sauer, sein Rücken tat weh von dieser Zumutung von Bett und Barret hatte ihn mehr als einmal aus dem Schlaf gerissen, weil er sich auf der anderen Pritsche gewälzt hatte wie die Triebwerke der Highwind bei voller Kraft.

''Scheiße.''

Cid rieb sich über die müden Augen und griff dann nach der angebrochenen Flasche neben dem Steuerrad.

Der Flug würde sie noch ungefähr drei Stunden kosten und vermutlich war es mehr als unklug jetzt noch etwas zu trinken, aber verdammt, er war sauer und musste das irgendwie runterspülen.

''Vielleicht haben sie Midgar schon dem Erdboden gleich gemacht.''

Barret belegte den Platz des Co-Piloten und schraubte an seinem Gewehrarm.

''Blödsinn.''

Er war sich nicht sicher, ob er die Gruppe noch einmal zu einer Lagebesprechung zusammentrommeln sollte. Die Stimmung war angespannt und keiner von ihnen wusste, was sie in Midgar erwarten würde.

Und wenn er so darüber nachdachte... bisher hatte es nie mit einem Plan geklappt. Wenn sie denn überhaupt einen gehabt hatten. Also wozu die Aufregung.

Er nahm einen kräftigen Zug direkt aus der Flasche, schraubte den Deckel wieder zu und klemmte sie zwischen die Hebel der Steuerkonsole.

Und in diesem Fall würde ihnen ein Plan absolut nichts nützen. Wie auch?

''Der Stadtkern ist bestimmt dicht.''

Cid brummte ihm nur eine missgelaunte Antwort entgegen. Dieser Smalltalk war absolut unnötig und trug nicht zu seiner Laune bei.

Mutmaßungen brachten sie schließlich auch nicht weiter.

Ihnen blieb nichts anderes übrig als abzuwarten, bis sie vor Ort waren.

Hoffentlich konnte er die Highwind irgendwo in der Midgarregion landen. Im schlimmsten Fall hätte ShinRa auch das gesamte Luftgebiet gesperrt. Von Kalm aus wären sie vielleicht in knapp zwei Stunden an den Stadttoren. Wenn er irgendwo im Umland landen musste... dann würden sie Midgar bestimmt nicht mehr vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Wobei auch das keinen großen Unterschied machte.

Er lehnte sich gegen das Steuerpult und fischte in seinen Jackentaschen nach Tabak und Papier oder einer bereits fertigen Zigarette. Irgendwo musste doch noch...

''Verdammte Scheiße.''

Die letzte war tatsächlich vor zehn Minuten im Aschenbecher verraucht.

Mit gemurmelten Flüchen durchsuchte er hoffnungslos noch die Innentaschen seiner Jacke, eher er sie über die Lehne des Sitzes warf. Im Quartier lag garantiert noch mindestens eine Schachtel.

''Zehn Minuten.''

Er verließ die Brücke und überließ Barret seinen unfreiwillig neugewonnen Posten als Co-Pilot.
 

~
 

Wie viel Zeit war bereits vergangen? Eine Stunde? Zwei? Der Blick auf die kleine Uhr war mehr als ernüchternd. Lediglich der Minutenzeiger war fünf Positionen weitergerückt. Sie waren erst seit einer halben Stunde unterwegs.

Dreißig Jahre ewiger Alptraum erschienen ihm für den Moment weit weniger qualvoll als dreißig Minuten Warten. Und er wusste nicht, wie lange sie noch unterwegs sein würden.

Mit einem tiefen, langgezogenen Seufzen vergrub Vincent beide Hände in den schwarzen Haaren und versuchte dieses nagende Gefühl der Ungeduld zu ignorieren, doch es war quasi unmöglich.

Jeder einzelne Nerv war bis zum Zerreißen gespannt, sein ganzer Körper zitterte und das Rauschen seines Blutes machte ihn fast taub. Wie lange noch? Eine Stunde? Zehn?

Jede weitere Minute war einfach zu viel.

~''Du kannst es genauso wenig erwarten, was?''~

Und unter all der Anspannung durchströmte ihn dieses groteske Gefühl freudiger Erregung.

~''Hojo wird sich bestimmt genauso freuen dich zu sehen.''~

''Sei still.''

Das dunkle Lachen in ihm zerrte an seinem löchrigen Nervenkostüm.

~''Der Gott trifft auf seine Schöpfung. Wie wunderbar.''~

Und er konnte einfach nichts dagegen tun. Alles ihn ihm, jede einzelne Faser verzehrte sich danach Hojo gegenüber zu treten und ihn für all die verlorenen Jahre, für all die Grausamkeiten und für ihren Untergang zahlen zu lassen.

Es war der einzige Grund, weshalb er sein Grab in den Kellergewölben der Shinra-Villa verlassen hatte.

Die Aussicht auf Rache.

Die Aussicht auf Vergeltung.

Auf Ruhe.

~''Glaubst du, danach ist es vorbei?''~

Er wünschte sich nichts anderes, doch das dunkle Lachen zerrte schwer an dieser Hoffnung.

''Ja.''

Mit einem tiefen Seufzen rieb er sich durch das Gesicht und ließ sich auf der schmalen Bettkante nieder.

~''Wie töricht.''~

''Wir werden sehen.''
 

~
 

Die Unruhe in ihm war auf ein fast unerträgliches Maß gestiegen, als er erneut den Gang zu den Unterkünften ansteuerte. Er war sauer auf Cid, dass er sich in keinsterweise dazu geäußert hatte, wie lange sie für den Weg nach Midgar brauchen würden, erschöpft von Tifas mütterlicher Fürsorge und besorgt, weil er sich sicher war, fast die komplette Highwind abgelaufen zu sein und trotzdem nicht eine Spur von Vincent gesehen hatte. Mit einem Seufzen lehnte Cloud sich gegen das schmale Geländer der Zwischenetage und warf einen Blick auf sein PHS. Es waren etwas mehr als anderthalb Stunden vergangen.

Mit einem Mal kam er sich unglaublich naiv und dumm vor. Warum hatte er so viel Zeit verschwendet? Wenn Vincent nicht gefunden werden wollte, würde ihn auch niemand finden. Und selbst wenn er ihn gefunden hätte... was dann? Alle bisherigen Gesprächsversuche waren ab einem bestimmten Punkt gescheitert und jetzt... jetzt war es für weitere Worte fast zu spät. Sie waren auf direktem Weg nach Midgar. Beginn des Showdowns und der Abrechnung mit ShinRa. Und doch hätte er sich noch etwas mehr Zeit gewünscht, gemeinsame Zeit. Zeit, in der er wusste, dass sein Freund zumindest ruhig sein konnte und nicht wie gewöhnlich vor sich hin brütete. Oder etwas ausbrütete.

Unweigerlich musste er wieder an den plötzlichen Ausbruch denken. Die Male zuvor, die Vincent sich so sonderbar verhalten hatte. Die untypische Unruhe in seiner Art, die Aufregung und die Angst in den roten Augen... nein, hier war nicht der richtige Ort und auch nicht mehr die richtige Zeit dafür, um sich darüber Gedanken zu machen.

Er war sich sicher, dass ihnen nicht mehr all zu viel Zeit blieb, bis sie die Midgarregion erreichten und es wäre vermutlich-

[''Noch knapp eine Stunde bis Kalm. Wie sieht's aus? Eine letzte, sinnfreie Lagebesprechung, bevor es losgeht?'']

Cid war ihm einen Schritt voraus. Schön.

Er rieb sich mit beiden Händen über das müde Gesicht und folgte dem Weg durch die Quartiere, um zur Brücke zu gelangen.

Spätestens dort würde er Vincent mit Sicherheit sehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er fernbleiben würde. Selbst wenn der Weg nach Midgar für ihn aufwühlend sein musste.
 

Cloud hatte gerade das erste Zimmer passiert, als ihn das Geräusch einer sich öffnenden Tür aufblicken ließ.

Rote Augen sahen ihm entgegen und ließen ihn irritiert blinzeln.

''Vincent. Du warst hier?''

Behutsam schloss der Schütze die Tür hinter sich.

''Ja. Wo sollte ich sonst sein?''

Die Antwort spottete jeglicher Eventualität und das wusste er genauso gut wie Cloud.

Er atmete tief durch und rieb sich die Schläfe.

All die verschwendete Zeit und er war die ganze Zeit in seinem Zimmer gewesen?

Cloud schluckte den aufkeimenden Ärger hinunter, als er den Blick des anderen auf sich spürte.

Er wirkte überraschend ruhig und gefasst. Umso mehr wurde die erstickte Wut in ihm durch ehrliche Skepsis ersetzt.

''Gehen wir.''

Sollte all der Trubel im Vorfeld nur unnötiges Drama gewesen sein?

Nein, das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen und er war sich sicher, dass es damit mehr auf sich gehabt hatte, als nur Anspannung vor der Ankunft in Midgar.

Und so sehr ihn dieses ausgeglichene, fast schon gleichgültige Gemüt neben ihm auf eine sonderbare Art und Weise beruhigte, so falsch fühlte es sich an.

Er war sich sicher, dass es unter dieser kühlen Fassade brodelte. Das hatte es schon getan, als sie noch nicht direkt auf Midgar zugesteuert hatten und er erwischte sich einen Moment dabei, wie er sich die Unruhe zurück wünschte. Einfach, um seinen Freund besser einschätzen zu können.

Mit einem schwachen Kopfschütteln schob er die Gedanken beiseite.
 

~
 

''Das hat doch alles keinen Zweck.''

''Möglich, dennoch sollten wir uns wenigstens an die wenigen Informationen halten, die uns sicher sind.''

Tifa schlug die Hände ineinander und übertönte damit Cids genervtes Brummen.

''Wir haben nicht mehr viel Zeit und wir wissen nicht genau, was uns vor Ort erwarten wird. Daher sollten wir jetzt-''

''Aufhören zu reden und die Sachen packen.''

Der Pilot war noch immer schlecht gelaunt und zündete sich schon die nächste Zigarette an, obwohl noch ein letzter Rest in seinem Mundwinkel glimmte.

Tifa seufzte und setzte zu einer Erwiderung an, als Cloud ihr dazwischen kam.

''Ja, das sollten wir tun. Wie steht's mit der Landung?''

Cid löschte den Stummel im übervollen Aschenbecher der sich mit Flasche und Glas den spärlichen Platz auf der Steuerkonsole teilte und kontrollierte die Anzeigen.

''Wunderbar. Wie's aussieht ist der Luftraum sauber und wir können ein Stück dichter dran.''

''Gut. Dann lasst uns-''

Ein schrilles Piepsen schnitt ihm das Wort ab.

''Cid? Was ist das?''

Tifa hielt sich ein Ohr zu, um das plötzliche, laute Geräusch etwas abzumildern.

''Was bei Ifrits...''

Der Pilot stützte sich über die Konsole, beobachtete Radar und Anzeigen und betätigte endlich den Knopf, um den Alarm zu unterbrechen.

''Da ist etwas auf direktem Kurs nach Midgar. Etwas großes.''

''Was?''

Cloud war der erste, der den Blick in Richtung der großen Panoramascheiben der Brücke wandte und tatsächlich eine verschwommene Silhouette auf dem Küstenstreifen am Horizont entdeckte.

''Weapon.''

Er drehte den Kopf leicht zur Seite, als Vincent neben ihm auftauchte.

''Es ist Diamond Weapon. Es greift Midgar an.''

Caith meldete sich aufgeregt.

''Sie werden die Sister einsetzen!''

Eilig sammelten sie sich alle an der Front der Brücke und starrten auf die sich immer deutlicher abzeichnende Figur und Midgars Schatten, der ebenfalls bereits in sichtbare Nähe gerückt war.

''Wie konnte Weapon so lange dem Radar entkommen?''

Yuffie legte eine Hand an die Scheibe und starrte gebannt in die Ferne.

''Woher soll ich das wissen? An der Technik lag's sicher nicht.''

Der Pilot blaffte ihr barsch entgegen, warf aber selbst einen Blick auf die Szenerie.

Barret hingegen eröffnete ein ganz anderes Thema.

''Wie haben sie die Sister so schnell aufgebaut?''

Tatsächlich war über der riesigen Stadt die Makokanone aus Junon zu sehen. Einsatzbereit ragte sie über dem Tower in den ewig dunklen Himmel.

''Vermutlich haben sie mit dem Abtransport aus Junon viel früher begonnen, als wir erfahren haben.''

''Hm.''

Caith raschelte leise auf dem großen Spielosaurus.

''Oh nein.''

''Was...''

Ein helles Licht durchbrach den Schatten Midgars, als sich die Kanone in Position begab und offensichtlich zum Abschuss vorbereitete.

Cloud blickte starr geradeaus.

Wenn er genau hinsah, konnte er feinste grüne Linien durch die Stadt zur Sister Ray hin pulsieren sehen. Sie zapften tatsächlich die Makoreaktoren an.

Der Rumpf der Maschine begann zu glühen, als sich die Energie konzentrierte und schließlich mit einem grellen Lichtblitz den Weg zu ihrem Ziel suchte.

Das Makoprojektil durchbohrte Diamant Weapon in dem Moment, als es selbst zum Angriff überging und ein Stakkato an Geschossen gen Midgar sandte.

Dann brach der wuchtige Koloss zusammen.

''Bei Ramuh...''

''Sie haben auf den Nordkrater gezielt.''

''Was?''

Cloud fiel es schwer, den Blick von der Szenerie abzuwenden und Cait zuzuhören.

''Sephiroth. Sie werden versucht haben die Barriere zu durchbrechen.''

''Sephiroth? Natürlich...''

Aus dem Augenwinkel bemerkte Cloud, wie das Licht über Midgar erlosch und nichts als Finsternis hinterließ.

''Sie... oh nein. Oh nein!''

Die aufgeregte Stimme der Robokatze lenkte seine Aufmerksamkeit augenblicklich um.

''Was ist?''

''Wir sinken. Sie können die Kanone nicht stoppen.''

''Was?''

Auch Tifa wandte sich von der Scheibe ab.

''Was soll das heißen? Sie schießen nochmal?''

Das Plüschtier ruderte wild mit den Armen.

''Offensichtlich. Das war nicht geplant. Es wird das Zentrum in Stücke reißen!''

''Dann halt sie auf!''

''Das... es geht nicht.''

''Was heißt hier 'es geht nicht'?''

Barret warf sich knurrend dazwischen.

''Du bist doch hier der ShinRa-Spion. Tu was verdammt!''

''Ich kann nicht. Jemand scheint die Kontrolle über den Hauptrechner übernommen zu haben.''

''Wie, jemand? Wer?''

''Der Tower!''

Yuffies Worte ließen sie alle zurück auf die Stadt blicken. Eine Explosion erleuchtete Midgars Spitze neben dem Rumpf der Sister. Der Angriff von Weapon schien den Tower getroffen zu haben und ließ das Wahrzeichen der Stadt in Flammen aufgehen.

''Oh nein, nein, nein! Wir müssen uns beeilen! Los!''

Cid war noch zurück am Steuerpult, bevor Caith zu Ende gesprochen hatte.

''Ich lenke die Highwind direkt über die Stadt. Wir springen ab.''

''Was?!''

Yuffie sah ihm entsetzt entgegen.

''Noch schneller geht’s nicht.''

''Aber...''

''Du kannst auch hier bleiben. Einer muss auf die Highwind aufpassen.''

''Ich...''

Cloud drehte sich noch einmal um, als er bereits auf dem Weg war, die Brücke zu verlassen und richtete einen letzten Blick gen Horizont.

Vor der Scheibe stand Vincent und sah mit ausdrucksloser Miene auf Midgars brennenden Schatten herab. Er wirkte so unnatürlich ruhig, dass es ihm einen kühlen Schauer über den Rücken jagte.

Sie waren auf direktem Weg zur Konfrontation mit ShinRa und Vincent... er hatte nur ein Ziel.

Midgars Schatten

Es war alles ganz schnell gegangen, als sie den unmittelbaren Luftraum über Midgar erreicht und über die Notfallleitern auf ein höhergelegenes Gebäude abgesprungen waren.

Yuffie hatte sich tatsächlich von Cid dazu überreden lassen, mit Nanaki auf der Highwind zu bleiben. Dass er der Kleinen sein heißgeliebtes Luftschiff überließ, zeigte, dass er, auch wenn er es nie öffentlich zugeben würde, einen Narren an ihr gefressen hatte. Er war grob zu ihr, das war er zu jedem, aber es schien, als sähe er etwas in ihr, was ihm fehlte.

Auf jeden Fall war es gut zu wissen, dass die Highwind bewacht und für den Notfall einsatzbereit blieb und Yuffie langsam aber sicher über ihre Flugkrankheit gesiegt hatte.

Der Abstieg vom Hochhaus über die Feuertreppe schien sich ins Endlose zu ziehen.

Es war dunkel, vielerorts war die Beleuchtung fast komplett ausgefallen und nur die Scheinwerfer um den Tower und die generelle Notbeleuchtung der Stadt erhellten ersatzweise die abgeschotteten Bereiche. Zwischen den Häusern blitzen immer wieder vereinzelte Lichtkegel auf.

''Sie haben die Infanterie ausgesendet. Wir sollten vorsichtig sein.''

Caith führte sie die Treppe hinab und zwei Häuserblocks weiter, bis sie in einer schmalen Sackgasse zum Stehen kamen.

''Ende, na ganz super.''

Barret brummte seinen Missmut ungedämpft hinaus.

''Nicht, dass uns der ShinRa-Spion in einen Hinterhalt gelockt hat.''

''Barret.''

Tifa stieß ihm in die Seite und schüttelte knapp den Kopf.

''Schon gut. Wir sind nicht ohne Grund hier.''

Die Robokatze blieb stehen und deutete auf eine kleine, gut in die Straße eingepasste Klappe.

''Heidegger hat die Infa losgeschickt. Sie wissen, dass ihr hier seid.''

''Natürlich wissen sie das! Der scheiß Spion hat uns verpfiffen.''

Caith ignorierte den Hünen.

''Wir sollten durch den Untergrund weitergehen. Wenn wir Glück haben, kommen wir ungesehen durch.''

''Gibt es keinen anderen Weg?''

Cloud verschränkte die Arme und musterte die Luke.

''Bedauerlicherweise ist das unsere einzige Chance, wenn wir ShinRa so lange wie möglich aus dem Weg gehen wollen.''

''Na dann.''

Cid war es, der nach der Klappe griff und den Weg in den Untergrund öffnete.

''Sieht gar nicht mal so einladend aus.''
 

Nacheinander kletterten sie die Leiter hinab, bis sie in den Versorgungsschächten Midgars angelangt waren. Überall flackerte die rote Notbeleuchtung und verlieh den engen Tunneln eine bedrückende Atmosphäre. Es war unangenehm warm und stickig, aber das war es in Midgar fast überall.

Cloud richtete seine Handschuhe und tastete prüfend nach dem Griff seines Schwerts.

Jetzt würden sie jederzeit auf einen Kampf vorbereitet sein müssen.

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Caith übernahm die Führung der Gruppe und nacheinander folgten sie ihm durch den schmalen Schacht.

Der rote Umhang rauschte als letztes an Cloud vorbei, ehe er den Schluss bildete. Noch immer war ihm ganz sonderbar zumute, wenn er den schweigenden Schützen beobachtete. Seit sie von Midgars Schatten verschlungen worden waren, hatte er kein Wort mehr gesagt, hatte keine einzige Regung das blasse Gesicht gestört. Es war wie eine Maske. Kalt und unbewegt.

Cloud fröstelte. So in sich gekehrt hatte er ihn vermutlich noch nie erlebt. Er war, als er zur Gruppe dazugestoßen war, ein großes, verschlossenes Mysterium gewesen, doch selbst da hatte es schon genug kleine Augenblicke gegeben, in denen seine Züge gebröckelt und anderen Emotionen gewichen waren. Wenn auch nur kurz, doch es war weit mehr Leben in diesem Gesicht gewesen, als es das in den vergangenen Minuten war.

Doch er war sich sicher, dass unter dieser fast leblosen Fassade ein Sturm tobte.

Es musste.

Nach allem, was vorher geschehen war, die Dinge, die er ihm erzählt, diese Augenblicke, auf die er so hingefiebert hatte.

Fieber...

Er dachte wieder an die glühende Haut unter seiner Hand, als er seinen tobenden Freund zurück zur Besinnung bringen musste. Als er fast außer sich war und wirkte, als würde er sich jeden Augenblick in ein wildes Tier verwandeln.

Cloud stockte für einen Moment bei diesem Gedanken, doch das Fadenende, dass zu ergreifen er die Chance gehabt hätte, verflog so schnell wie es gekommen war.

Vincents jetzige Erscheinung stand in absolutem Kontrast zu all den vorangegangenen Tagen. Und es machte ihm Angst.

Der rote Umhang, der in gleichmäßigem Takt vor ihm hin und her waberte, schien fast mit dem roten Licht der Umgebung zu verschmelzen und je länger er auf den, unter dem Stoff verborgenen, Rücken starrte, umso mehr verschwammen auch die Konturen.

Zu gern würde er mit ihm reden.

Ihn aus diesem unheimlichen Zustand reißen.

Doch jedes zusätzliche Geräusch wäre nur eine Gefahr.

Ihre Schritte und die klappernde Ausrüstung waren schon laut genug.

Er beließ es bei einem leisen Seufzen.

~Vincent... was geht in dir vor?~
 

~
 

Am Ende einer gefühlt ewigen Odyssee durch die Versorgungsschächte gelangten sie über eine weitere Leiter in ein Untergrundbahnsystem. Das rote Licht wurde von schmalen, grellgelben Streifen an den Tunnelwänden abgelöst. Hier schien der Strom noch zu fließen.

''Was ist das hier?''

Tifa rieb sich über die Oberarme, um die leichte Gänsehaut zu verstecken. Es war überraschend kühl geworden, obwohl sie sich mitten unter der Stadt befanden. Ihre Schritte hallten von den dunklen Stahlwänden der Tunnel wider und irgendwo in der Ferne plätscherte es leise.

''Das ist ein stillgelegter Teil der vor acht Jahren geplanten Untergrundbahn dieses Sektors. Andere Projekte hatten allerdings Vorrang und so wurde der Bau vorerst eingestellt.''

Caith tappte ein paar Schritte voraus.

''Wenn wir den Schienen in Richtung Sektor drei folgen, sollten wir in der Nähe des Towers wieder an die Oberfläche kommen.''

''Wie weit ist es noch?''

Barret musterte die Robokatze argwöhnisch.

''Es sollte nicht mehr weit sein. Vielleicht zwanzig, dreißig Minuten.''

Sie setzten sich langsam wieder in Bewegung.

''Ich wusste gar nicht, dass es zwischen der Oberseite und den Slums noch so ein massives Untergrund-System gibt.''

Tifa schloss zu Cloud auf und ließ den Blick von einer runden Stahlwand zur nächsten wandern.

''Vollkommen verrückt. Diese ganze Stadt ist ein einziger Wahnsinn.''

Er nickte ihr nur stumm zu. Midgar war nichts weiter als ein riesiges Labyrinth. Ein Labyrinth mit ausgeklügeltem System.

''Wir sollten uns auf Kämpfe einstellen, sobald wir zurück an der Oberfläche sind.''

''Wir?''

Barret schnaufte Caith verächtlich entgegen.

''Mein Fehler. Heidegger hat weitere Infa-Truppen losgeschickt. Sie sind ebenfalls auf dem Weg zur Sister Ray. Mittlerweile wissen wir auch, wer den Hauptrechner übernommen hat. Du solltest hier unten nicht rauchen.''

Cid zögerte einen Moment und ließ die Flamme die Spitze der Zigarette schwärzen.

''Gut möglich, dass es hier zu unvorhergesehenen Gaslecks kommen könnte.''

Das Streichholz erlosch mit einer fixen Handbewegung.

''Nach acht Jahren?''

''Es hat sich niemand um die Tunnel gekümmert. Sie wurden stillgelegt.''

Cid brummte missmutig und schob die Zigarette zurück in seine Brusttasche.

''Du hast gesagt, ihr wisst wer die Kontrolle über die Makokanone hat?''

Ein dumpfes Gefühl durchzog Clouds Brust, als hätte er die Antwort kommen sehen. Es gab nicht viele Möglichkeiten, zumindest keine, die wirklich einen Nutzen von dieser monströsen Maschine haben könnten.

''Hojo. Er will den Nordkrater ein weiteres Mal bombardieren und zwar mit aller Kraft, die er Midgar entziehen kann.''

Cloud sah zu Vincent herüber.

Obwohl der Name gefallen war, zeigte er keine Regung. Unverändert ging er stumm mit etwas Abstand neben der Gruppe her.

Das gefiel ihm nicht.

Da war nichts. Kein kurzes Aufatmen, keine Bewegung die ihm verraten hätte, dass er den Namen überhaupt gehört hatte. Er musste, keine Frage, doch er nahm es unkommentiert hin.

''Das heißt...''

Tifa rieb sich erneut über die Arme, doch dieses Mal nicht vor Kälte.

''Er opfert die gesamte Stadt, wenn ihn niemand aufhält.''

Caith tappte ein Stück vor um sich an einer Gabelung kurz zu orientieren und den weiteren Weg einzuschlagen.

''Das ist doch Wahnsinn. Wie kann so ein Verrückter überhaupt bei ShinRa arbeiten?''

''Er ist ein überaus fähiger Wissenschaftler.''

''Der nichts als Scheiße produziert!''

Cids Stimme hallte laut von den Wänden wider.

''Er hat Fehler gemacht-''

''Er ist wahnsinnig! All die Menschenleben sind ihm egal.''

Tifas Bestürzung war nicht zu überhören. Und sie hatte vollkommen Recht. Erneut ließ Cloud seinen Blick zu dem sacht wehenden roten Umhang wandern.

~Sie sind ihm wirklich egal. Ich will gar nicht wissen, was er damals...~

Er schluckte und ballte die Hand zur Faust. Wenn er so darüber nachdachte, hatte auch er eine Rechnung mit Hojo zu begleichen. Er hatte es so gut es ging verdrängt, all die Erinnerungsfetzen, die falschen und doch echten hatten in seinem Kopf einen fast undurchdringlichen Schleier gebildet und die vergangenen fünf Jahre in den Hintergrund treten lassen. Fünf Jahre... was waren schon fünf Jahre gegen dreißig? Er unterdrückte ein tiefes Seufzen, als er Tifas Finger spürte, die sich um seine harte Faust legten.

''Alles in Ordnung?''

Er entspannte sie augenblicklich und ließ es zu, dass sie für einen Moment seine Hand hielt.

''Ja.''

Braune Augen bedachten ihn mit einem skeptischen Blick, der wusste, dass er nicht die Wahrheit sagte, aber es war nicht wichtig. Nicht für den Moment.

Hier in Midgars Untergrund war überhaupt nichts in Ordnung.
 

~
 

~''Nur noch ein bisschen.''~

Er versuchte die dunkle Stimme zu ignorieren, doch sie redete ohne Unterlass.

~''Ob er sich freuen wird, dich zu sehen?''~

Es war wirklich anstrengend.

~''Oh, ich bin mir ganz sicher. Der verlorene Sohn kehrt nach so vielen Jahren endlich zurück.''~

~Sei endlich ruhig.~

~''Warum sollte ich? Ich bin so gespannt darauf ihm endlich wieder zu begegnen. Und ich weiß, dass du auch nichts anderes willst. Seit 30 Jahren.''~

Vincent presste die Kiefer aufeinander, als Hojos Name fiel. Er musste ruhig bleiben, seine Gefühle kontrollieren, durfte keine Regung zulassen. Jeder noch so kleine Umschwung in dieser mühsam aufgebauten Fassade könnte sie augenblicklich zum Einsturz bringen.

~''Willst du spielen?''~

Ein leises, süffisantes Lachen erfüllte ihn und er konnte den Dämonen die Zähne fletschen spüren.

Alles, nur das nicht.

~''Sieh sie dir an. Sie wären so leichte Beute.''~

~Wag' es dich nicht.~

Klauen kratzten an seinem Inneren.

~''Warum nicht? Was liegt dir an ihnen? Wenn sie wüssten was du wirklich bist, glaubst du, sie hätten dich mitgehen lassen?''~

Das Säuseln der dunklen Zunge versuchte seinen Geist zu vergiften, als er den Blick der blauen Augen auf sich spürte. Ob Cloud sich wieder Gedanken machte? Er verschwendete eindeutig zu viel Zeit damit zu versuchen ihn zu ergründen. Es wäre besser gewesen, er hätte von Anfang an auf ihn gehört und sich ferngehalten. Dieses... etwas... was zwischen ihnen entstanden war...

~''Oh, ist es der Junge? Wir könnten ihn zuerst fressen. Sein Blut war köstlich.''~

Wieder dieses Lachen.

Vincent bemerkte, wie die Konturen der Umgebung langsam an Schärfe verloren.

Diesen Bastard in ihm unter Verschluss zu halten kostete ihn viel zu viel Kraft.

Doch er konnte, durfte nicht schwach werden.

Er würde sie alle in Gefahr bringen, er würde sie alle...

~''Töten? Warum stört es dich hier? Vor dreißig Jahren hat es dich nicht gestört. Nicht einen von ihnen hast du verschont.''~

~Halt dein verdammtes Maul.~

~''Weil ich Recht habe? Komm, lass uns nur ein bisschen spielen.''~

Er spürte das Leder seines Handschuhs knirschen, als er die Rechte krampfhaft ballte.

Wie lang war dieser verdammte Tunnel noch?

Besuchsrecht

''Hier ist es.''

Cait hielt an einer Stelle mitten in den Tunneln, an der eine schmale Leiter sie aus der feuchten Kälte zurück in die warmen, stickigen Versorgungsschächte führte.

''Wie kann es eigentlich mitten in der Stadt zu diesen Temperaturunterschieden kommen?''

Tifa rieb sich über die noch immer kühle Nasenspitze.

''Neben den Bahnschächten laufen die Leitungen für das Kühlwasser des Reaktors entlang. Deswegen sammelt sich auch so viel Feuchtigkeit in den Tunneln, was einer von vielen Gründen war, warum manche Teilstrecken stillgelegt worden sind.''

Es dauerte eine Weile, bis sie alle die Leiter erklommen hatten und sich vollzählig in dem kleinen Kontrollraum wiederfanden.

''Es dürfte jetzt nicht mehr weit sein. Sie haben die Sister quasi direkt um den Tower herum gebaut. Ich weiß nicht, wie viel Schaden er tatsächlich durch den Angriff von Diamond Weapon genommen hat und wie sicher der Aufgang zur Kanone noch ist.''

''Wir werden es sehen, wenn dir da sind, oder?''

Cid versuchte ein weiteres Mal sich eine Zigarette anzuzünden. Die Robokatze warf ihm im Rahmen ihrer Mimik einen missbilligenden Blick zu, sagte aber nichts weiter und ließ ihn gewähren. Die Versorgungsschächte wurden regelmäßig genutzt und er wusste, dass sie sicher waren.

''Natürlich.''

Sie verließen die kleine Kammer nacheinander und Cloud schloss am Ende die schwere Sicherheitstür hinter ihnen.

Er zögerte einen Moment, ehe er der Gruppe folgte. Der rote Umhang war wieder direkt vor ihm.

Je weiter sie sich ihrem Ziel näherten, desto bedrückender wurde die allgemeine Stimmung in der Gruppe und Vincent wurde zusehends stiller. Sofern man bei seinem Zustand noch von einer Steigerung sprechen konnte.

Mit einem tiefen Seufzen setze er sich in Bewegung. Es fiel ihm schwer seinen Kopf zu ordnen und sich für ein Thema zu entscheiden. Der Vorstoß zur Sister, Hojo, der dort vermutlich auf sie wartete und dieser nun wieder so verschlossene Mann vor ihm. Er hatte sich an das leichtere, offenere Gemüt gewöhnt und wünschte es sich zurück. So schnell als möglich.

Am liebsten würde er einfach umkehren, zurück zum-

''Hier können wir hoch.''
 

Cait wartete an einer weiteren Leiter auf sie, welche zurück an die Oberfläche führte.

Stickige, brütende Stadtluft, vermischt mit dem Qualm und Geruch von Feuer, wehte Cloud entgegen, als er als Letzter aus dem Schacht kletterte. Flackerndes Licht erhellte die Gasse und den am Ende gelegenen Platz neben der normalen Beleuchtung. Ein kurzer Blick in die Höhe wies ihm die Quelle. Der Tower stand in Flammen. Diamond Weapons Angriff hatte das obere Drittel getroffen, zerstört und in Brand gesetzt. Ob es den Präsidenten wohl mit erwischt hatte?

''Dies sind Lieferzugänge auf der Rückseite des Towergeländes. Wenn wir uns westlich halten, sollten wir den Aufgang zur Sister erreichen.''

Die Robokatze und Tifa standen an der Gebäudeecke der kurzen Gasse und prüften die Umgebung.

''Es patrouilliert immer noch Infanterie.''

''Natürlich. Nur weil der Tower brennt, enthebt sie das nicht ihrer Befehle. Heidegger und Scarlet haben den Tower noch vor dem Einschlag verlassen.''

''Wo sind sie jetzt?''

Cid sog den letzten Rest seiner Zigarette ein und schnippte den Stummel aus der Gasse.

''Das weiß ich leider nicht. Ich musste selbst schauen, dass ich aus dem Tower verschwinde.''

''Schon klar. Und jetzt lockst du uns direkt in ihre Arme.''

''Barret!''

Tifa bedachte den Hünen mit einem strafenden Blick.

''Schon gut. Wir sollten zusehen, dass wir die Patrouillen umgehen. Links neben dem Verwaltungsgebäude ist ein Dienstgang, den wir nutzen können.''

Die Robokatze wies auf eines der unscheinbaren Häuser, die den Tower auf der Hinterseite umringten.

''Zwei Gebäude weiter ist der Aufgang zur Kanone. Seht ihr?''

Die kleine Plüschhand wanderte ein Stück in die Höhe und machte sie auf ein Metallgerüst aufmerksam.

''Na dann, worauf warten wir noch?''

Cloud schob sich an ihnen vorbei, besah sich die Szenerie selbst einen Moment und bemerkte den Dreiertrupp Infanteristen, die in einem weiteren Seitengang verschwanden.

Er wollte das Ganze endlich hinter sich bringen.
 

''Reiner wird die Luft nicht.''

Der rote Umhang schwang an ihm vorbei, raus auf den kleinen Platz.

Vincent hatte es mittlerweile mindestens genauso eilig wie er selbst. Die Makokanone war in unmittelbarer Nähe, das Ziel auf das sie all die vergangenen Tage gewartet haben war fast greifbar.

Und für ihn... Hojo.

Cloud folgte Tifa und Cait. Sie schienen tatsächlich den perfekten Zeitpunkt zwischen den Patrouillengängen abgepasst zu haben.

Der Platz war leer und auch die Straße, in die sie einbogen, verbarg keine versteckten Einheiten.

Ein ungutes Gefühl meldete sich in den hintersten Ecken seines Kopfs, doch die Sister war zu nah, als dass er ihm genug Aufmerksamkeit schenkte.

Über den Dächern der halbhohen Gebäude war das Gerüst, welches um die Kanone herumgebaut worden war, zu sehen und wurde von weiter oben von den Lichtern der Maschine selbst erhellt. Die Szenerie war bedrückend.

Als wären Midgars Schatten und der brennende Tower nicht bereits genug Atmosphäre, so taten die blinkenden Warnlichter, der grüne Makoschimmer der durch die Schläuche transportiert wurde und die hellen Strahler die diese Monstrosität über ihnen beleuchteten, ihr übriges.
 

Vincents Schritte wurden zusehends schneller. Noch im letzten Augenblick konnte Cloud sein Handgelenk ergreifen und ihn vom Aufstieg der Treppen abhalten.

''Was hast du vor?''

Die einzige Antwort war ein vorwurfsvoller Blick der roten Augen, die erst die Finger um seine Hand und dann ihn selbst bedachten.

''Du wirst nicht allein gehen.''

''Das ist nicht eure Sache.''

Cloud sah sich kurz um, dann zurück zu seinem Freund.

''Doch, das ist es. Sonst wären wir kaum alle hier.''

Vincent schnaufte verächtlich und zog seine Hand mit einem harten Ruck aus dem festen Griff.

''Hojo gehört mir. Halt dich da raus.''

Wieder griff Cloud nach seinem Arm, als er die erste Stufe erklimmen wollte.

''Warte, verdammt!''

''Lass mich los.''

Noch während er sich erneut aus dem Griff des anderen wand, erzitterte plötzlich die Erde.
 

[''Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn da?'']

Mit der lautsprecherverzerrten Stimme erschien zwischen den Häusern eine riesige Maschine.

''Heilige Scheiße! Was ist das denn?''

Cid sprach wohl für sie alle.

''Oh nein. Scarlets neues Spielzeug...''

Cait ignorierte Barrets bösen Blick und sah zu der Steuerkuppel des gigantischen Mecha-Kriegers hinauf, als sie sich öffnete.

Tatsächlich gab sie neben Heidegger auch die Leiterin der Abteilung für Waffenentwicklung frei.

''Wohin des Wegs? Ihr habt euch doch wohl nicht etwa verlaufen?''

Ein süffisantes Lächeln umspielte die üppigen, rot geschminkten Lippen der blonden Frau.

''Ich wüsste nicht, was dich das zu interessieren hat.''

Cid trat einen Schritt vor und verschränkte die Arme vor der Brust.

''Die Sister Ray ist mein Baby und ich kann mich nicht daran erinnern, euch ein Besuchsrecht eingeräumt zu haben. Nur weil sie dir das Weltraumprogramm genommen haben, Highwind, heißt das nicht, dass du und deine Bande sich nun an meinem Kind vergreifen dürft.''

Scarlet hatte sich von ihrem Sitz erhoben, mit beiden Händen auf das Steuerpult gestützt und sah abfällig auf sie herab.

Das war dieses ungute Gefühl also gewesen. Der Grund, wieso die Infa den Platz geräumt hatte.

''Ihr wusstest, dass wir hierher kommen.''

Angestrengt richtete Cloud den Blick an dem roten Metallungetüm hinauf. Sie mussten es die ganze Zeit gewusst haben, sonst wären sie nicht zeitgleich hier aufgekreuzt.

''Sicher wussten wir Bescheid. Die Turks hätten euch bereits in den U-Bahn-Tunneln aufgegriffen, wenn sie die Order dazu bekommen hätten. Habt ihr allen Ernstes geglaubt, ihr könntet Midgar betreten, ohne, dass wir davon Wind bekommen? Ich bitte euch.''

Sie lachte ihr schrilles, unangenehmes Lachen.
 

Neben der großen Bedrohung unmittelbar vor ihnen, erregte eine Bewegung auf den höher gelegenen Ebenen der Sister Ray Vincents Aufmerksamkeit.

''Hojo...''

Wenn er sich nicht beeilte, würde er ihm bestimmt noch entwischen.

Doch konnte er seine Freunde einfach so...?

~''Vergiss die anderen. Du weißt, dass er da oben ist. Und du willst ihn.''~

Verdammt.

In diesem Punkt musste er ihm zustimmen. Er hatte Recht und er war diesen ganzen, elendigen Weg nur mitgekommen, um zu Hojo zu gelangen.

Alles nur wegen Hojo.

Nur wegen ihm.

Er griff nach dem schmalen Geländer des Baugerüsts.
 

''Vincent!''

Cloud bemerkte aus dem Augenwinkel, wie sich Vincent die Stufen hinaufbewegte.

Er konnte ihn auf gar keinen Fall allein gehen lassen, doch da stand ihnen noch dieses andere Problem gegenüber.

''Ich hoffe, ihr bleibt noch ein bisschen. Dann könnt ihr eine Kostprobe meiner selbstkreiierten Weapon genießen.''

Scarlet lachte erneut auf.

''Was? Weapon?''

Cid verzog das Gesicht und schenkte dem Ungetüm vor ihnen, sowie dem Ungetüm in der Steuerkuppel einen abschätzigen Blick.

''Na irgendjemand muss sich ja unserem kleinen Problem, welches das Abwehrsystem von Gaia auf den Plan gerufen hat, annehmen.''

Wichtigtuerisch plusterte sich Heidegger neben seiner Kollegin auf.

Cloud wurde die Zeit knapp. Er musste sich entscheiden.

''Verdammt, Vincent!''

''Komm!''

Tifa packte ihn am Handgelenk und zog ihn die Treppen hinauf.

''Aber-''

''Kümmert ihr euch um die Sister, wir halten hier schon die Stellung!''

Barret wedelte auffordernd mit seinem Gewehrarm.

Cloud brauchte einen Moment um sich zu sortieren, bis er seine Hand aus Tifas Griff löste und selbst die Treppen hinaufrannte.

Hatte sie mit Barret gesprochen? Sie musste.

Hoffentlich würden sie wirklich zurechtkommen. Scarlets kleines Spielzeug sah mehr als nur bedrohlich aus, doch wenn sich einer von ihnen mit Maschinen und folglich deren Schwachpunkten auskannte, dann war es Cid. Barret gab zuverlässige Rückendeckung und sie hatten Reeve an ihrer Seite. Vielleicht konnte er ihnen noch nützlich sein, wenn er es schaffte Zugang zu Scarlets Datenbank zu erhalten. Er sollte sich keine Sorgen machen, sie würden bestimmt zurechtkommen.

Viel eher sollte er sich Gedanken um das machen, was vor ihnen lag.

Die Treppen schienen sich endlos emporzuwinden , bis sie endlich zu der Plattform führten, auf denen der Hauptrechner und die Betriebskonsolen aufgebaut waren.

Drei Treppenabsätze über ihnen flatterte der rote Umhang. Vincent war schnell. Und er schien es verdammt eilig zu haben.
 

~''Oh, ich kann es kaum erwarten! Was er wohl sagen wird, wenn er dich sieht?''~

''Sei still.''

Erfolglos versuchte er die dunkle Stimme zu ignorieren und sich auf das Laufen zu konzentrieren, doch seine Schritte trugen ihn wie von selbst und diese unsägliche Stimme in ihm war laut. Sehr laut. Das Chaos in ihm brodelte wild und heiß durch seine Adern und die Ränder seines Blickfelds begannen zusehends zu verschwimmen. Er konnte Cloud erneut nach ihm rufen hören, doch das spielte keine Rolle. Überhaupt täte er besser daran weg zu bleiben.

Hojo war seine Sache. Ganz allein seine Sache.

~''Unsere.''~

Und eben das machte es nicht besser. Im Gegenteil.

''Hojo ist unser.''

Er sog scharf die Luft ein und störte die schnelle, rhythmische Atmung. Hatte er das eben gesagt? Nein... der Dämon...

Ein lautes, dunkles Lachen durchströmte ihn.

Er war dabei seinen Geist zu übernehmen und Vincent war sich nicht sicher, was an dieser Stelle schlimmer war.

Wenn sein Geist im Körper des Dämons gefangen war, oder wenn der Dämon seinen eigenen Körper übernahm.

Vincent musste sich konzentrieren. Er wollte dem Ursprung all seiner Leiden selbst gegenübertreten, nicht im Schatten des Chaos.

Und eben jenes war nur noch ein paar wenige Treppenabsätze von ihm entfernt. Das leise, sonore Brummen des Hauptrechners begann die Luft zu füllen, gemischt mit dem Kampflärm einige Meter unter und dem Zischen und Rauschen der Schläuche und Hydraulikantriebe der Kanone über ihm.

~''Der verlorene Sohn...''~

Er erreichte eine weitere Ebene. Das Metall der Stufen unter seinen Füßen verschwamm zu einem grauen Schleier und auch der Rest der Umgebung verlor immer weiter an Kontur.

~''...ist zu seinem Schöpfer...''~

Die Geräusche wurden Schritt für Schritt vom immer lauter werdenden Rauschen des Blutes in seinen Ohren verschluckt. Es pumpte heiß durch seine Adern und trieb ihn an wie das Öl und Mako die gigantische Maschine.

Er erreichte den letzten Absatz.

Die Stufen endeten in einer kleinen Plattform, an deren Seiten sich das gesamte Computerterminal erstreckte.

Und zwischen all den Bildschirmen, Hebeln und Knöpfen, erkannte er gestochen scharf den weißen Kittel.

~''...zurückgekehrt.''~

Name

Seine Schritte hallten von den Metallplatten wider, als er vom Treppenabsatz auf die Plattform trat.

Zwischen all die anderen Geräusche mischte sich das Tippen schlanker Finger auf Computertasten.

Vincent blieb stehen.

Nur für einen Moment unterbrach das rhythmische Spiel, als sich der Kopf des anderen Mannes kurz zur Seite drehte und einen flüchtigen Blick über die Schulter gestattete.

''Ah, da seid ihr also.''

Er widmete sich wieder der Recheneinheit vor ihm und murmelte unverständliche Worte.

Vincent starrte ihm unentwegt auf den gebeugten Rücken. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, dass er es kaum wagte sich zu rühren.

~''Ist das alles?''~

Was hatte er erwartet? Immerhin hatte er ihn vor 30 Jahren als gescheitertes Experiment entsorgt wie Müll.

Hatte ihn weggeschlossen und schließlich vergessen.

Er hatte...

''Hojo!''

Clouds Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

Sie waren ihm tatsächlich gefolgt. Natürlich waren sie das.

~''Mit mehreren macht es doch immer mehr Spaß, nicht wahr?''~

Das dunkle Lachen, dass Rauschen seines Blutes, all die anderen Geräusche vermischten sich zu einer fast unerträglichen Geräuschkulisse.

''Ihr seid zu spät.''

Der Mann vor ihnen stütze sich mit einer Hand auf der Bedienkonsole ab und wandte sich halb zu ihnen um.

''Die Reaktoren speisen die Kanone und werden meinem Sohn die nötige Energie liefern.''

Cloud blieb dicht neben Vincent stehen.

''Du wirst... warte, was?!''

''Dein Sohn?''

Tifa konnte das leise, entsetze Keuchen kaum unterdrücken.

Vincent war der einzige, der nicht reagierte. Sie hatten es nicht gewusst. Woher sollten sie auch.

Es war alles so lange her...

Hojo lachte ein kurzes, kratziges Lachen.

''Sephiroth ist sein Sohn?''

Die Verwirrung in ihrer Stimme nahm nur weiter zu, als ihr Blick zwischen Cloud, Vincent und ihrem Gegenüber hin und her wanderte.

Die Rückseite des Kittels hatte sich ihnen wieder zugedreht, als Hojo seine Brille zurechtrückte und Daten auf dem Bildschirm prüfte.

''Der Energielevel ist erst auf 83%... es dauert viel zu lang.''

Er sprach leise, mehr zu sich selbst und doch konnte zumindest Vincent ihn verstehen.

Wenn er die geballte Energie tatsächlich auf den Nordkrater richtete... sie mussten es verhindern. Oder?

Eigentlich...

''Hojo.''

Eigentlich war es ihm egal. Für ihn zählte nur eines.

''Vincent?''

Cloud wandte den Kopf mit fragendem Blick zu ihm um, als er sich in Bewegung setzte.

Das hier war nicht ihre Sache, es war seine, seine ganz allein.

~''Unsere.''~

Langsam, fast andächtig, glitt die Hand an den Griff seiner Waffe, zog sie mit einer fließenden, geschmeidigen Bewegung aus dem Holster und richtete sie geradeaus, als er sich Schritt für Schritt dem Ursprung allen Leides näherte.

Ein leises Seufzen begleitete die Drehung des anderen, untermalt von einem kleinen Aufblitzen, als sich einer der grellen Scheinwerfer in den Brillengläsern spiegelte.

''Valentine.''

Dürre Finger griffen nach der Sehhilfe und putzten sie mit einer Gelassenheit am Kittelschoß sauber, als wäre nicht der Lauf einer Waffe auf ihren Besitzer gerichtet.

Langsam schob Hojo die Brille zurück an ihren Platz und sah ihm entgegen, als er in wenigen Schritt Entfernung vor ihm erneut stehen blieb.

''Wer hätte gedacht, dass du noch...''

Kleine, scharfe Augen musterten ihn eindringlich.

''...lebst.''

Der spöttische Unterton entging ihm nicht.

Er wusste, in welchem Zustand er ihn damals in den Katakomben der Shinra-Villa eingeschlossen und zurückgelassen hatte. Nicht wirklich lebendig. Aber eben auch nicht wirklich tot.

Vincent umklammerte eisern den Griff der Waffe, um das plötzlich aufkommende Zittern zu verbergen.

Die leise Stimme des Wissenschaftlers ging im Dröhnen seines Schädels fast unter.

''Kann ich behilflich sein? Hast du eine Frage? Eine Bitte? Möchtest du sonst etwas wissen, oder verschwendest du gerade nur unnötig meine Zeit?''

Die Hände kreuzten sich hinter dem Kittel. Eine nur allzu typische Geste.

Vincent kannte sie gut.

''Warum...''

Selbst das Sprechen begann ihm schwerzufallen. Seine Konzentration litt unter dem aufkommenden Sturm in ihm und schrumpfte zunehmend auf das absolut Nötigste zusammen.

''Ist das alles?''

Ein weiteres, kratziges Lachen, ehe er den Kopf leicht schüttelte.

''Reines Interesse. Warum sonst tut ein Forscher, was er tut? Er will Antworten.''

''Warum...''

Seine Zunge war schwer und träge, dafür sein Blick mitsamt Lauf zielgerichtet auf den verwundbarsten Punkt seines Gegenübers gerichtet.

In seiner Brust konnte Vincent deutlich das Schlagen beider Herzen spüren.

Seines und das des Dämons.

Schnell, hart, intensiv.

Am Rande seines verschwimmenden Blickfelds bemerkte er nur beiläufig das Auftauchen der anderen beiden.

Tifa. Cloud.

Sie sollten nicht hier sein. Es war zu gefährlich.

Hojo gehörte ihm.

~''Uns.''~

Ihnen.
 

''Stell den Scheiß ab!''

Eine flüchtige Geste einer kräftigen Hand in Richtung des Terminals.

Ein weiteres Lachen von Hojo.

''Ich befürchte, das ist nicht möglich.''

''Was? Los, beende das auf der Stelle!''

Tifas Stimme verbarg den aufkeimenden, hysterischen Unterton mehr schlecht als recht.

''Es geht nicht. Der CPU arbeitet selbstständig.''

Auf dem Bildschirm im Hintergrund war die Prozentanzeige ein kleines Stück weiter vorangekrochen und wies ihnen auf wie wenig Zeit ihnen blieb, bis die Sister ein weiteres Mal abfeuern würde, während das zunehmende, statische Knistern in der Luft verdeutlichte, mit welcher Wucht und Energie sie es tun würde.

''Dann schalte ich es ab.''

Cloud hob das Breitschwert aus seiner Halterung am Rücken. Das Terminal zu zerstören dürfte die leichteste Aufgabe werden.

Er warf einen prüfenden Blick zur Seite, auf Vincent, der fast reglos dastand, die Waffe still auf den Wissenschaftler gerichtet, ehe er einen Schritt nach vorn tat.

Tifa begab sich hinter ihrem Gefährten ebenfalls in Angriffsposition.

''Ich fürchte...''

Hojo ließ eine Hand in den Taschen seines Kittel verschwinden und zog sie behutsam wieder hervor. Er öffnete sie, warf einen kurzen Blick auf den Inhalt der auf der Handfläche ruhte und hob sie dann zum Mund, um etwas zu schlucken.

''Das kann ich nicht zulassen.''

Er lachte wieder.
 

Vincent keuchte leise.

Nur langsam drang die Frage, die er schon zuvor gestellt hatte, nein, stellen wollte, erneut durch seine Erstarrung.

''Warum... Lucrecia... wie konntest du ihr...''

Er konnte kaum sprechen und er konnte sich nicht einmal erklären warum. War er doch endlich an seinem Ziel angelangt. Er hatte alle Möglichkeiten, sich für alles was geschehen war an Hojo zu rächen, doch er war nicht in der Lage sich zu bewegen.

Er zitterte am ganzen Körper, sein Herzschlag drohte seinen Brustkorb zu sprengen und das Rauschen seines Blutes war zu einem ohrenbetäubenden Krach angeschwollen.

Nein, es... es war nicht nur sein Blut.

Es war all die fremde und doch so vertraute Energie, die ihn durchströmte und an eigener Aktion hinderte.

''Vincent.''

Clouds Stimme war nur noch ein Hauch, er könnte fast schwören, sie sich nur eingebildet zu haben. Wie alles andere um ihn herum auch. Seine Wahrnehmung schrumpfte, bis nur noch Hojo in ihrem Mittelpunkt stand. Er allein. Er, der Ursprung. Die Ursache. Das Übel.

Sein widerwärtiges, schnarrendes Lachen.

''Du hast es immer noch nicht verstanden, was?''

Er rückte seine Brille ein weiteres Mal zurecht und sah dann auf, fing den Blick seiner Augen ein.

''Sie hat dich nie geliebt. Alles was sie tat, tat sie aus Schuldgefühlen deinem Vater gegenüber. Ja, sie hat deinen elendigen Vater geliebt, aber niemals dich. Für sie warst du, wie für mich, nichts weiter als ein willkommenes Versuchsobjekt.''

Sein Grinsen war schief und zerschnitt das alte Gesicht wie eine Fratze.
 

''Das reicht!''

Die Spitze des Breitschwerts richtete sich nach vorn.

''Ja, ich stimme zu.''

Vorsichtig nahm Hojo seine Brille ab und verstaute sie in einer der Kitteltaschen.

''Es reicht.''

Die plötzliche Veränderung seines Körpers kam überraschend und brachte Tifa und Cloud kurz ins Stocken, ehe sie sich, bereit für den bevorstehenden Kampf, endgültig in Stellung begaben.

Als würde die Haut des Wissenschaftlers kochen, begannen Blasen und Geschwüre auf seiner Haut zu wuchern, sprengten den Stoff des Kittels, als sie rasant anwuchsen und schließlich seinen gesamten Körper verformten. Arme, Beine, Torso und Kopf verschmolzen und repositionierten sich auf groteske Art und Weise.

''Was zum...''

Cloud beobachtete die Szenerie mit Entsetzen und konnte seinen Blick kaum von dem pulsierenden, blubbernden Fleischkoloss vor ihnen abwenden.

Neben ihm stand Vincent.

Unverändert, als wäre er vor Minuten an Ort und Stelle zu Stein erstarrt.

Nur die Brust hob und senkte sich unter dem gespannten Stoff von Hemd und Umhang in einem viel zu schnellen Takt.

Ein kehliges, dröhnendes Lachen forderte seine Aufmerksamkeit, doch er fand sich in einem Zwiespalt wieder.

Er wusste, dass Vincent nicht in Ordnung war und alles in ihm schrie danach, die Gefahr vor ihm zu ignorieren und die drei Schritte zwischen ihnen zu überbrücken.

''Vincent!''

Keine Reaktion. Nicht einmal ein kurzes Zucken des blassen Gesichts.

Donnernd schlug ein deformierter Arm auf der Plattform auf.

''Vincent!''

Doch, da war eine Regung. Ein kurzer Ruck des Kopfes, ein verirrter Blick.

Wo auch immer sein Freund gerade gefangen war, er musste schleunigst zurückkommen.

''Vincent!''

Die andere Gliedmaße krachte auf das Metall nieder und ließ die Umgebung ohrenbetäubend erzittern.

Ein weiteres, unkoordiniertes Schwanken, dann endlich, endlich sahen die tiefroten Augen zu ihm herüber, doch er erkannte, im selben Augenblick wie Tifa hinter dem roten Umhang hervor- und auf ihn zusprang, dass in den roten Augen kein Anzeichen dafür lag, dass er ihn wirklich gehört hatte.

Oder doch?

''Cloud!'' Tifas Schulter rammte sich hart in seine Brust und ließ sie gemeinsam zurücktaumeln, als zwischen ihnen und Vincent einer der beiden mutierten Arme niedersauste.

Staub, Metall- und Lacksplitter stoben auf.
 

Hatte jemand seinen Namen gerufen?

Alles was seine Augen noch erhaschen konnten, war ein undefinierbarer Wust aus Haut und Muskelgewebe, der ihm die ohnehin knappe Sicht abschnitt.

Er war gefangen in diesem Moment, diesem einen, entsetzlichen Moment, den er all die vergangenen Tage so oft wieder und wieder erlebt und doch noch unterdrückt hatte.

Alles, was er noch spürte, war die zunehmende Taubheit seines Geistes und der allumfassende Schmerz in seinem Körper.

Ein nur allzu vertrauter Schmerz.

~''Sie hat dich nicht geliebt.''~

~Das war eine Lüge.~

~''Er hat's gesagt. Und hat er nicht-''~

~Sei still.~

Grollendes Lachen begleitete den Schmerz.

~''Du bist so blind. Du bist immer blind gewesen. Bist du es nicht leid?''~

~Schweig.~

Mehr Lachen.

Mehr Schmerz.

~''Gib auf.''~

Schwerfällig erhob sich die Sichtblockade aus Fleisch und gab den Blick auf zwei verschwommene Flecken frei.

''...ent!''

Hatte er nicht seinen Namen gehört?

~''Du hast nur einen Namen.''~

''...ncent!''

Die vagen Gestalten klarten auf, je mehr er sich auf sie konzentrierte. Sie bekamen bekannte Konturen, Farben, Gesichter.

''Vincent!''

Es war Tifa, die dazu ansetzte zu ihm zu laufen und auf halbem Weg mit der Wucht der abnormen Extremität kollidierte.

Wie beiläufig fegte die Kreatur sie von den Beinen und schleuderte ihre schmale Gestalt gegen die halbhohe Absperrung, welche die Plattform umgab.

Nur wenige Zentimeter höher und sie wäre all die Meter des Gerüsts hinabgefallen und auf den Straßen Midgars aufgeschlagen.

Bewusstlos sackte ihr Körper zusammen.

''Tifa!''

Clouds Schrei verschmolz mit dem Dröhnen in Vincents Kopf.

''Vincent, verdammte Scheiße, wach auf!''

Dann hob er das Schwert an und stürmte mit wenigen Schritten auf das groteske, sich immer weiter verändernde Wesen zu.

Nein, Hojo.

Es war noch immer Hojo.

~''Du hast ihn gehört.''~

Mit einem wuchtigen Schlag versank das massive Metall in dem unkenntlich verformten Leib.

Blut und andere Flüssigkeit strömte aus dem tiefen Schnitt, als Cloud das Breitschwert aus der Masse zog und zu einem weiteren Schlag ansetzte.

~''Wach auf.''~

Doch mit dem erneuten Eindringen der Klinge, schlug auch der massige Arm auf ihn ein. Mit Leichtigkeit fegte er Cloud von den Beinen und beförderte ihn an eine der Seiten der Plattform. Dumpf schlug der Körper an den Metallstreben auf.

''Chaos.''

Metamorphose

Alles überflutender Schmerz zwang ihn in die Knie.

Vincent wusste, dass es jetzt kein Zurück mehr geben würde.

All die vergangenen Tage, all die weiteren Beinahe-Ausbrüche, hatten ihn soweit geschwächt, dass er die zweite Seele in ihm mehr als nur deutlich durch seinen Körper pulsieren spüren konnte.

Der zweite Herzschlag, all der angestaute Zorn.

Und anders als in der Kristallhöhle, ließ er es einfach geschehen.

Er wehrte sich nicht weiter, denn er wusste, dass es aussichtslos war. Jede weitere Sekunde würde ihn nur unnötig quälen und im Anbetracht des vor ihm wütenden Fleischbergs, war es nicht die falscheste Entscheidung, die Kontrolle an Chaos abzugeben.

Als seine Knie die Plattform berührten und er die Augen schloss, brachen die großen Flügel mit brachialer Gewalt aus seinen Schultern empor und bildeten den Anfang der Metamorphose.

Sein müder Geist verlor sich im Strudel der anderen Seele und sehnte sich nach der süßen Betäubung.

~''Braver Junge. Dein Körper, mein Medium.''~

Das dunkle Lachen begleitete eine weitere Welle heißen Schmerzes, als sich seine Glieder verformten und dem Dämon in ihm die Gestalt verliehen, die seine Seele innehatte.

Halt suchend krallten sich seine Finger in das Gitter im Boden, als der dunkle Parasit ihn fast gänzlich verschluckte, um die volle Kontrolle zu erlangen.

Irgendwo tief in seinem Inneren rief eine Stimme seinen Namen, doch sie war zu leise, als dass sein geschwächter Geist sie hätte hören können.

Jetzt zählte nur noch eines.

Seine Rache.
 

Der metallene Boden ächzte leise unter der plötzlichen Mehrbelastung und erzitterte erneut, als das Monstrum, in welches Hojo sich gewandelt hatte, die schweren Arme darauf niedersausen ließ.

Es stieß einen unartikulierten Schrei aus, als es Chaos erblickte und riss die Extremitäten erneut in die Luft, um anzugreifen.

~''Monster gegen Monster. Es ist mir ein Fest.''~

Langsam löste er die Finger aus dem Gitter und ließ die Klauen emporschnellen, um sie tief in das herannahende Fleisch zu graben und ihn abzuwehren. Kraftvoll zog er sie beiseite und ließ die Arme auf dem Boden aufprallen.

Dann erhob er sich.

Das Wesen ging augenblicklich wieder zum Angriff über und schwang sein ganzes Gewicht in Richtung des Dämonen.

Mit gebleckten Zähnen und einem tiefen Grollen nahm er die Herausforderung an und stürzte sich mit einem kräftigen Flügelschlag auf seinen Feind.

Die Klauen gruben sich tief in die pulsierende Masse und begannen Stück für Stück blutige Fetzen aus der Gestalt zu reißen.

Dunkles Blut spritzte und strömte über ihn hinweg, als seine Finger den offenen Schnitt des Breitschwerts zu fassen bekamen und die sich bereits wieder schließende Wunde weiter aufrissen.

Der abnorme Körper heilte schnell, doch nicht schnell genug für ihn.
 

Ein grelles Kreischen drang an seine Ohren, als das Wesen zur Gegenwehr ansetzte und einen der massigen Arme um den, im Vergleich schmalen, Leib von Chaos zu wickeln und ihn kraftvoll an sich zu pressen.

Vincents Seele stöhnte in seinem Inneren leidvoll auf, als die Luft gewaltsam aus der Lunge des Dämonenkörpers gepresst wurde.

Heißes Blut rauschte wie wildes Wasser in seinen Adern.

Er hatte gehofft die Verwandlung würde ihn dieses Mal ganz verschlingen und von den Qualen befreien, doch sein Geist war, wenn auch tief verborgen, viel zu wach und konnte jede Empfindung viel zu genau spüren.

~''Ah, komm schon. Ohne den süßen Schmerz wäre es doch nur halb so wunderbar.''~

Ein dunkles Lachen durchzog ihn, bevor Chaos sich mit kräftigen Flügelschlägen und dem Einsatz der Klauen aus der unfreiwilligen Umarmung befreite.

Seine eigene arbeitete fast effektiver als die falsche aus Metall, doch beide bohrten sich wieder und wieder unbarmherzig in den Leib, bis sie auf kochendes Blut stießen und es nur allzu willig zu Tage förderten.

Mit dem frischen Blut kam der Gestank.

Süß und faulig strömte es aus den gerissenen Wunden und sammelte sich auf dem Boden unter ihnen zu einer glitschigen Lache. Mit jeder weiteren Bewegung verteilte das Monstrum die verdorbene Körperflüssigkeit und suhlte sie beide darin.
 

~''Wer hätte geahnt, dass unser Schöpfer eines Tages zu einer seiner eigenen Perversitäten verkommen würde.''~

Chaos leckte sich grinsend über die Lippen und verteilte den Geschmack des Blutes in seinem Mund.

Vincent wurde schlecht. Wenn er noch einen letzten Funken Kontrolle besessen hätte, er hätte es augenblicklich wieder ausgespien, doch der Dämon schluckte es in sadistischer Freude.

~''Genießen wir das Henkersmahl!''~

Und noch mit dem letzten Wort, rammte er Zähne und Klauen ein weiteres Mal in den Fleischberg, um sich grabend und beißend einen Weg ins Innere zu bahnen.

Grelle Schreie erfüllten die Luft und das Monstrum wand sich schmerzerfüllt unter der gnadenlosen Attacke.

Es war klar, wer hier der Henker und wer die Mahlzeit war.
 

~
 

''Ihr elendigen Bastarde! Na los doch, Bewegung! Bevor uns hier alles um die Ohren fliegt!''

Eine Gruppe schwer bewaffneter Infanteristen hielt Heidegger und Scarlet geschützt, als sie aus dem Mechakrieger kletterten und den Rückzug antraten.

''Damit kommt ihr nicht davon!''

Ein letztes Mal verschoss die aggressive Blondine ihr Gift, ehe sie im Geleitschutz verschwand.
 

Mit einem kräftigen Ruck zog Cid die Lanze aus der Metallverkleidung des Kampfroboters und ließ sie zu Boden fallen, ehe er selbst eilig nach einer ungefährlichen Abstiegsmöglichkeit suchte.

Er kletterte zur Hüftgelenköffnung und dankte der Leiterin der ShinRa Waffenentwicklung im Stillen dafür, das sie tatsächlich an schmale Sprossen für Wartungsarbeiten gedacht hatte.

So schnell er konnte, stieg er den bebenden Koloss hinab.

''Na los doch! Beeil dich!''

Barett trat ungeduldig auf der Stelle und hielt nach einer geeigneten Fluchtmöglichkeit Ausschau.

Sie hatten es geschafft den Mecha die Straße zurück auf den kleinen Platz zu drängen, ehe Cid die Klappen für die Kabelverteilung und Versorgung der Maschine ausloten konnte. Von einer Feuerleiter an einer Hauswand aus hatte er den Speer geworfen, um sich einen hauchdünnen Ankerpunkt zu schaffen, ehe er auf das Geländer geklettert und schließlich gesprungen war.

Seinem lautstarken Fluchen zu urteilen hatte er selbst nur halb damit gerechnet, dass er es tatsächlich schaffen würde.

Immerhin hatte er genug kühlen Kopf bewahrt, um sich unumwunden dem Verteilerpunkt zu widmen, die Klappe auszuhebeln und alles zu durchtrennen, was irgendwie wichtig aussah.

Dass er dabei einen Kurzschluss verursacht hatte, war zwar nicht geplant und nicht unbedingt die günstigste Variante gewesen, doch immerhin hatte es Scarlet und Heidegger zum sofortigen Abbruch ihrer Attacke gezwungen. Genau im rechten Moment, als die Verstärkung angerückt war.

''Scheiße man, weg hier!''

Mit einem letzten Sprung landete der Pilot auf dem Boden, griff nach seiner Waffe und stürmte auf Barret zu, der jetzt ebenfalls keine Notwendigkeit mehr darin sah, hier länger als nötig zu verweilen.
 

Noch bevor sie die schützende Häuserecke ganz erreichten, erfüllte ein Zischen und monotones Surren die Luft, ehe der erste der beiden Waffenarme barst.

Schlitternd kam Cid hinter Barret an der Hauswand zum Stehen und lehnte sich dicht daran, als eine kleine Druckwelle Metallteile an ihnen vorbei schoss.

''Minerva, das war knapp.''

Mit dem Arm wischte er sich Schweiß von der Stirn und rang hastig nach Luft.

''Aber sowas von.''

Barret ließ das Gehäuse seines Gewehrarms aufspringen und löste einen der Munitionsgurte, um ihn in die Öffnung einzuspeisen.

''Wir sollten keine Zeit verlieren. Vielleicht-''

Eine weitere Explosion schnitt ihm das Wort ab und beförderte größere Stücke des Mechas über das Gebäude hinweg.

''Klar.''

Cid lief los, sobald die Druckwelle vorüber war und steuerte wieder auf die Sister Ray zu, die sie in weiser Voraussicht hinter sich gelassen hatten.

Barret folgte ihm schnell.
 

''Was zum...?''

Angestrengt versuchte Cid auf den oberen Etagen des Gerüsts etwas ausmachen zu können, doch der Lärm der rauschenden Hydraulik und der Makoversorgungsschläuche schluckte fast jedes andere Geräusch und die Hochleistungsstrahler um die Kanone herum ließen die höhergelegenen Bereiche im Dunkeln verschwinden.

Einzig kleine Pfützen dunkler Flüssigkeit bedeckten den untersten Treppenabsatz und den Boden davor.

''Ist das Blut?''

Barret blieb neben ihm stehen, nur um ebenfalls einen Blick nach oben zu vergeuden.

''Sieht fast so aus. Los.''
 

~
 

~Hör auf. Hör auf!~

~''Na was ist denn? Schmeckt dir die Rache nicht so süß wie erhofft?''~

Vincent konnte es nicht mehr ertragen.

Der Gestank von fauligem Blut und viel zu schnell verwesendem Fleisch betäubte seinen Geist, ebenso wie die jammervollen Laute, die das zerfetzte Monstrum von sich gab.

Allein mit seinen, ihren, Klauen und Zähnen hatte Chaos den Feind regelrecht geschlachtet und schien noch immer keine Befriedigung gefunden zu haben, solange noch ein letzter Rest Leben durch die Masse zuckte.

Ein weiteres Mal grub er sich mit den Zähnen in dem Teil fest, der wohl Hals oder Brust gewesen war und biss ein Stück heraus, um es zu schlucken.

~Hör auf.~

Er folterte nicht nur ihren Feind, er folterte auch seinen Wirt und Vincent blieb keine Möglichkeit sich ihm zu entziehen. Vergeblich hatte er versucht seinen Geist in die Ohnmacht zu schicken, doch Chaos hatte ihn vehement daran gehindert.

~''Du wolltest diese Rache auch. War es nicht so?''~

Er wand sich in seinem metaphysischen Gefängnis und versuchte den Geruch und den Geschmack dieser Hinrichtung zu verdrängen.

~Nicht... so.~

Ein dunkles Lachen durchzog ihren Körper.

~''Doch. Genau so.'''~

Kraftlos wand sich das, was von einem der Arme des Monstrums übrig geblieben war um seinen Schenkel und versuchte ihn vergebens zu Fall zu bringen.

Langsam zog Chaos sein Bein aus dem laschen Griff und trat die Extremität zu Boden.

Als er die Klauen spreizte und zu einem weiteren Schlag ansetzte, durchzog ein heftiges Pulsieren die mittlerweile fast zur Unkenntlichkeit zerstückelte Masse.

Argwöhnisch beobachtete er, wie sich die Mutation zurückbildete und den schwerverletzten Körper des Wissenschaftlers wieder preisgab.

Mit einem Röcheln zog er sich die wenigen Schritte zum Computerterminal herüber, um sich mühsam daran emporzustemmen.

Wachsame Augen folgten seinem Weg.

~Was...~

~''Lass es uns besser gar nicht erst herausfinden.''~

Wie automatisch hatten die verbliebenen Finger angefangen etwas auf der Tastatur zu tippen, als Chaos mit einem Flügelschlag über ihm erschien, die Klauen tief in den nun so kleinen Schädel rammten und ihn mit voller Wucht auf das Terminal schlug.

Die Bildschirmanzeige stand bei 96%, als der letzte Herzschlag aus Hojos Körper verschwand.

Missmutig ließ Chaos den Kopf fallen, richtete sich auf und sah zum ersten Mal über die Seite der Plattform.

Ein Paar fluoreszierend grüner Augen blickte ihm entgegen.

~Nein!~

Der Dämon bleckte die Zähne.

~''Oh, kennt er endlich dein kleines Geheimnis.''~

Vincents Seele schrie stumm auf.

Wie viel hatte er gesehen?

Selbst wenn... er brauchte jetzt nur noch eins und eins zusammenzuzählen.
 

Cloud kniete gegen das Geländer gelehnt auf der Stelle, an die Hojos mutierter Körper ihn geschleudert hatte.

Seine Hand umklammerte fest das Metall, um ihm einen Gegenpol zu seinem rasenden Herzschlag zu geben.

Hatte er das wirklich gesehen?

Seine Gedanken hatten in seinem Kopf die offensichtlichen Verbindungen schneller geknüpft, als er mit dem Begreifen eben dieser hinterher kam und doch war er erschrocken über das, was sich nur wenige Meter vor ihm abgespielt hatte.

Die sonderbare Angst in den Augen, die seltsamen Anfälle, die breiten Narben auf den Schultern.

Das Monster aus der Kristallhöhle... es war Vincent selbst.

Er war aus seiner Benommenheit erwacht und das erste, was er gesehen hatte, waren die zwei gewaltigen Schwingen, die aus dem Rücken des Schützen hervorgebrochen waren.

Ihnen folgte der Rest und danach...

Cloud schluckte trocken.

Vincent... das Monster hatte nicht gegen Hojo gekämpft. Es hatte ihn schlicht und ergreifend abgeschlachtet. Wie besessen und... wie es den Anschein machte, mit einer bizarren Freude daran.

Ein Schauer durchfuhr ihn, als sich die scharfen Augen der Bestie auf ihn richteten.

Unweigerlich musste er sich fragen, wie viel von diesem Monster noch Vincent war.

Erkannte er ihn?
 

Aufmerksam musterte Chaos den anderen.

~Tu das... nicht.~

~''Was, willst du mich etwa aufhalten?''~

Ein dunkles, gieriges Lachen versetzte Vincents Seele in alarmierte Unruhe.

Langsam tat er einen Schritt auf Cloud zu.

~''Du hast ihn mir so oft verwehrt und mein Durst ist bei weitem nicht gestillt.''~

Verzweifelt begann Vincent seine letzten, verbliebenen Kräfte zu mobilisieren, doch er musste schnell feststellen, dass nicht mehr viel davon übrig war.

Die Verwandlung dauerte zu lange an, Chaos war zu stark.

~''Du weißt doch, die verbotenen Früchte schmecken am süßesten. Lass mich auch mal kosten.''~
 

Angespannt drückte sich Cloud am Geländer in die Höhe und versuchte verzweifelt auszumachen, ob sein Gegenüber Freund oder Feind war.

Es tobte nicht und war weit ruhiger, als in der Nacht in der Höhle, doch das musste nichts heißen.

Wenn er allerdings ehrlich zu sich war, hoffte er inständig, dass genug von Vincent übriggeblieben war, dass die Situation hier nicht eskalierte.

Dennoch sah er sich hastig um.

Er fand sein Schwert auf halbem Weg zwischen ihnen, ein Stapel Gerüststangen etwas weiter in seiner Nähe.

Im schlimmsten Fall würde er...

''Cloud? Was zum... verdammte Scheiße!''

Irritiert zuckte sein Blick zum Treppenaufgang, auf dem Cid erschien.

''Cloud, was-''

''Bleib weg!''

Er wusste nicht, was er tun sollte. Die wachsamen Augen seines Gegenübers durchbohrten ihn mit einer Intensität die viel zu schnell, viel zu unangenehm wurde, als er dazu ansetzte, das verbliebene Stück Weg zwischen ihnen zu überbrücken.

Seine Gedanken überschlugen sich und rechneten die Chancen einer direkten Konfrontation aus, als er aus dem Augenwinkel etwas aufblitzen sah, just in dem Moment, indem sich die Flügel mit einem Rauschen erhoben und das Biest zum Sprung ansetzte.

''Cloud?!''

Er drehte den Kopf und entdeckte Barret.

''Was... Nein, nicht!''

Im Affekt stieß er sich von der Brüstung ab und schnellte einen Schritt vor, noch bevor er die Sinnlosigkeit seines Handelns begriff.

Mit einer kleinen Stichflamme verließen die Kugeln den Gewehrarm und rissen Chaos in vollem Sprung aus der Luft.

''Vincent!''

Dämon

Cloud schlitterte über den Gitterboden, als er seinen Schritt abfing und sich hastig umwandte.

Er sah noch wie der massige Körper auf der Platte aufschlug und sich die Flügel zuckend ineinander falteten.

''Geh aus dem Weg!''

Er konnte das Klicken von Barrets Gewehrarm viel zu deutlich hören, obwohl die Angst Stück für Stück von ihm Besitz ergriff.

Hastig richtete er sich wieder auf und sah kurz zwischen Vincent, oder dem was er jetzt war, und Barret hin und her.

''Hör auf! Es ist Vincent!''

Irritiert runzelte der Hüne die Stirn und zögerte einen Moment, doch Clouds ernster Blick ließ ihn schließlich die Waffe senken.

''Bitte... was?!''

Langsam trat er vom letzten Treppenabsatz auf die Platte, während Cid sich ein paar Schritte weiter neben Tifa niederkniete und ihre Vitalfunktionen prüfte, ehe er sie in eine bequemere Position rückte.

Cloud wandte sich dem Monster zu, dass ruhig und schwer atmend auf dem Boden lag. Durch die Lache aus verdorbenem Blut, welche Hojo großzügig hinterlassen hatte, zog sich allmählich eine dünne hellrote Spur.

Wie gut hatte Barret getroffen?

Er schluckte hart bei dem Gedanken.

Mit jedem weiteren Schritt den er auf Vincent zuging, konnte er den rauschenden, rasselnden Atem hören. Bei einem Tier müsste man davon ausgehen, dass es seine letzten Atemzüge wären.

Einer der Flügel zuckte kurz und sank ein Stück weiter zusammen, als sein Stiefel die Lache berührte.

''Vincent?''

Vorsichtig näherte er sich ihm und stockte erneut, als sich auch der andere Flügel zusammenklappte. Gebannt beobachtete er jede Regung des Monsters.

Zwischen den Flügeln schlängelte sich der völlig verdreckte rote Umhang hindurch, in dessen breitem Kragen der Kopf verborgen lag. Die beiden Klauen, die neben und über dem Kopf lagen, zogen langsam die Finger an, bevor sie sich ruckartig in die Löcher der Bodenplatte krallten und nach Halt suchten.

Ein langgezogenes Ächzen begleitete den Versuch den verwundeten Körper emporzustemmen, ehe es mit einem hilflosen Wimmern erstarb und der Leib die erkämpften Zentimeter zurück auf den Boden sackte.

Dann wurde es ruhig.

Vorsichtig setze Cloud sich wieder in Bewegung, alarmiert durch die plötzliche Reglosigkeit des Wesens.

Kein Zucken, kein Zittern, kein Atemzug, als er dicht neben ihm stehen blieb und in die Knie ging.

''Vincent...?''

Er lauschte auf ein Geräusch, zögerte, bevor er seine Hand nach ihm ausstreckte und die seltsame, dunkle Haut berührte. Der Stoff, der sich über den schlanken, muskulösen Arm spannte, war an einigen Stellen gerissen und gab den Blick auf die sonderbare Färbung frei.

Unter dem Kopf und zwischen den Armen sammelte sich immer mehr frisches Blut auf der Platte.

''Vincent?''

Er glaubte ein schwaches Ausatmen zu hören, bevor sich der Arm unter seiner Hand langsam zu verändern schien.

Wie in Zeitlupe verlief die Verwandlung rückwärts und ließ einen reglosen Körper in einem Wust zerfetzter, durchnässter Kleidung zurück.
 

''Cloud? Was zur Hölle soll das?''

Barret kam hinter ihm zum Stehen.

Vorsichtig griff Cloud nach den Schultern seines Freundes und drehte ihn behutsam auf den Rücken. Die blasse Haut schien unter all dem Dreck wächsern hindurch und als er seinen Blick langsam hinab wandern ließ, tauchten nach und nach ein paar der kreisrunden, kleinen Einschusslöcher im schwarzen Stoff auf. Sie verteilten sich über Brust und Bauch und gesellten sich zu anderen Schlitzen und Rissen, unter denen die weiße Haut vor Blut und Dreck kaum auszumachen war.

Barret sog scharf die Luft ein.

''Scheiße. Ist er...? Hab' ich...?''

Mit steigender Angst suchte Cloud selbst nach Anzeichen dafür, dass Barret ihn nicht getötet hatte, was ihm angesichts seines Zustands und der zahlreichen Wunden mehr und mehr unmöglich schien.

Behutsam griff er nach der Hand, die bei der Drehung auf den Bauch gerutscht war und ein weiteres Einschussloch verdeckte, um sie neben ihm abzulegen, als sich die kalten Finger in einer kurzen, zaghaften Bewegung um seine eigenen schlossen. Der Griff war nicht fest und mehr eine reine Reaktion auf die Berührung, doch sie entlockte ihm ein erleichtertes Seufzen.

Er lebte.

''Nein. Aber-''

''Ich denke, wir sollten hier schleunigst verschwinden.''

Die Stimme des Piloten unterbrach ihn, als er neben ihnen auftauchte und mit einer simplen Geste auf die bevorstehende Katastrophe wies.

Cloud und Barret folgten seinem Fingerzeig.

Auf den Bildschirmen des Computerterminals drängten sich die Warnhinweise, dass die Kanone kurz vor einer Überlastung stand.

''Nicht gut… Cid?''

''Yuffie weiß schon Bescheid. Sie steuert das Ostgebäude an.''

''Sie...was?''

Barret blickte dem Piloten entgeistert entgegen.

''Die Highwind läuft auf Halbautopilot, den Rest hab ich ihr vor einer Weile für den Notfall gezeigt.''

Cid hatte ihm schon den Rücken gekehrt, um zurück zum Treppenaufgang und damit zu Tifa zu gehen, die noch immer bewusstlos, aber in weit stabilerer Position am Geländer saß.

''Du hast… was? Wann?''

''Ich denke, es ist erstmal wichtiger, dass wir hier abhauen.''

Er ließ den Hünen irritiert zurück und kniete neben Tifa nieder, um sie behutsam vom Boden aufzuheben.

Cloud folgte seinem Beispiel und zog Vincents Körper langsam in eine sitzende Position, ehe er sich den linken Arm um die Schultern schlang.

''Absolut...Barret?''

Es dauerte einen kleinen Augenblick, ehe er reagierte und sich wieder zu Cloud umdrehte und begriff, was er von ihm wollte.

Ohne weiteres Zögern ergriff er den anderen Arm ihres Kameraden und half dabei, ihn in die Höhe zu bringen.

Prüfend ließ Cloud seinen Blick über den reglosen Körper wandern, ob die Schusswunden unter der plötzlichen Belastung neues Blut zu Tage fördern würden, doch unter all dem Schmutz und Dreck den Hojo in seiner mutierten Form hinterlassen hatte, war das nur schwer zu beurteilen.

Sie setzten sich in Bewegung, um die Plattform auf dem Weg, den sie gekommen waren, wieder zu verlassen.

Besorgt runzelte Cloud die Stirn, als er bemerkte, dass er kaum auf Barrets Hilfe angewiesen war. Vincent war überraschend leicht.

Er kam nicht umhin zu überlegen, ob er es schon immer gewesen war, oder ob der Kampf und die Verwandlung die er vollzogen hatte, so sehr an ihm gezehrt hatten. Was es auch war, wichtig war erst einmal, dass sie so schnell wie möglich die Sister verließen.

Mit einem kleinen Ruck zog er den Arm seines Freundes noch ein Stück fester um seine Schulter und spürte, wie schwache, kalte Finger Halt an seinem Unterarm suchten.
 

~
 

''Scheiße, das war keine Sekunde zu früh.''

Cait betätigte den Schalter und noch während sich die Luke der Highwind schloss, explodierten die ersten Makoleitungen unter ihnen und tauchten die Umgebung großzügig in Flammen und grelles, grünes Licht.

''Könnt ihr Tifa nehmen? Ich will uns so schnell wie möglich hier weg bringen.''

Cid überreichte ihren Körper an Barret und eilte mit Cait an seiner Seite zurück in den Steuerraum.

Yuffie hatte das Luftschiff gefährlich nah an den Boden gesteuert, um sie aufzusammeln. Jetzt mussten sie zusehen, dass sie hier verschwanden, ehe die komplette Kanone in die Luft flog.

Cloud zog sich Vincents Arme über die Schultern und folgte Barret in Richtung der Quartiere. Sein Kopf ruhte neben seinem eigenen und die langen, verklebten Haare fielen mit jedem Schritt weiter über seine Schulter hinab. An ihnen haftete der Gestank des verdorbenen Blutes.

Ein leichter Schauer schlich sich zwischen seinem und Vincents Körper seinen Rücken hinab, als er daran dachte, wie sein Freund das Monstrum, zu dem Hojo mutiert war, abgeschlachtet hatte. Überall auf der Plattform hatte sich Blut und unreine Körperflüssigkeit verteilt. Es war abstoßend gewesen.

Vorsichtig nahm er beide Hände zusammen in seine Linke, um die Tür zu Vincents Raum öffnen zu können.

Schräg gegenüber brachte Barret Tifa in ihr Zimmer und warf Cloud einen letzten, vielsagenden Blick zu.

''Hol Yuffie. Sie wird sicher besser Bescheid wissen.''

Barret nickte und verschwand dann hinter der Tür.

Normalerweise war die Versorgung der Verletzten immer Tifas Aufgabe gewesen, aber in diesem Fall würde Yuffie ihren Part übernehmen müssen.
 

Cloud stieß die Tür mit dem Fuß zu und setzte Vincent langsam auf dem schmalen Bett ab, ehe er sich herumdrehte und auch den Rest auf die dünne Matratze beförderte.

Er ließ seinen Blick erneut prüfend über den plötzlich so schmal wirkenden Körper fahren. Die Risse und vor allem die Einschusslöcher im Stoff machten ihn nervös.

Vorsichtig löste er den Verschluss des Umhangs und die verbliebenen Knöpfe des zerfetzten Hemdes, um sicherzugehen, dass die Verletzungen nicht doch lebensbedrohlich waren. Die blasse, blutverkrustete Haut unter dem Stoff war unangenehm kalt und spannte sich bei jedem schwachen Atemzug über den verwundeten Brustkorb.

Er zählte die Schusswunden.

Und während er zählte, löste er die verbliebenen Verschlüsse des Rüstungsarms, zog behutsam erst den einen und dann den anderen Arm aus den Ärmelfetzen und drehte Vincent leicht auf die Seite, um die Wunden zu prüfen. Seine Augen folgten dabei einer große Schnittwunde, die sich vom Bauch über die Seite bis hin zum Rücken zog. Mindestens die Hälfte der Kugeln war glatt durch ihn hindurchgegangen und mindestens zwei wären für jeden Menschen lebensbedrohlich, wenn nicht gar tödlich gewesen.

Doch Vincent lebte. Irgendwie.

Mit einem schalen Beigeschmack schrieb er diesen Umstand den Dingen zu, für die Hojo verantwortlich war. Sie hatten sein Leben in Gefahr gebracht und doch gleichzeitig gerettet.
 

Es dauerte einen kleinen Moment, bis er bemerkte, dass sein Blick an den großen, offenen Wunden auf den Schulterblättern ruhte. Die alten Narben waren aufgebrochen und hatten tiefe, hässliche Schnitte hinterlassen.

Die Wunden, aus denen die Flügel aus Vincents Körper hervorgebrochen waren.

Cloud zog den rechten Handschuh aus und ließ seine Fingerkuppen sacht über die Wundränder gleiten. Sie waren noch feucht vom Blut, doch hatten bereits begonnen an den äußersten Rändern wieder zusammenzuwachsen.

Ein Gemisch aus Neugier und Entsetzen durchströmte ihn, als er die offene Stelle auf der anderen Seite umrundete.

Flügel, ein jeder davon so groß wie Vincent selbst.

Cloud musste erneut an die Geschichte mit dem Engel und seinen abgehackten Flügeln denken, doch sie waren gar nicht verschwunden und es waren auch keine Federn gewesen.

Es waren die ledrigen Schwingen eines Dämons und sie ruhten in ihm.

Cloud schluckte hart.

Er hatte es mit eigenen Augen gesehen, doch erst jetzt sickerte die Information durch den abebbenden Adrenalinnebel zu ihm hindurch.

Vincent war dieser Dämon gewesen. Hier. In der Höhle. Das Glimmen in seinen Augen, als er versucht hatte, ihn mit seinen Klauenspitzen zu durchbohren.

Die Angst.

Jetzt ergab auch sie einen Sinn, diese sonderbare, ihm mittlerweile so vertraut gewordene Angst in den unergründlichen, roten Augen.

Er hatte Angst gehabt, dass genau das hier geschehen würde.
 

Mit einem tiefen Seufzen ließ Cloud den bewusstlosen Körper zurück in das Laken sinken und ging neben dem Bett in die Knie, um seine Hand vorsichtig um das Handgelenk des anderen zu schlingen.

Unter der kalten Haut arbeitete ein schwacher, unsteter Puls.

Er beruhigte und beunruhigte ihn gleichermaßen. Das hier war nicht Vincents Puls allein. Unter dieser blassen, entstellten Haut lauerte ein Monster.

Cloud strich sich mit der Linken durch das Haar und bemerkte erst jetzt den hämmernden Kopfschmerz, der ihn schon seit dem Aufprall am Geländer begleitete. Er atmete ruhig ein und wieder aus und mit jedem Lufthauch der ihn verließ, strömten mehr Eindrücke der vergangenen Minuten auf ihn ein.

Langsam strichen seine Finger von Vincents Handgelenk aus über die Innenfläche, die kalten Finger empor. Wie im Blutrausch hatte er sie wieder und wieder in Hojos abnormen Körper getrieben, das faule Fleisch zerfetzt und Organe herausgerissen. Und auch wenn seine Linke unter dem Rüstungsarm gesteckt hatte, so war durch die gelockerten Verschlüsse doch etwas Blut gesickert. Cloud strich über einen noch nicht völlig geronnenen Fleck und verrieb das verdorbene Blut auf der weißen Haut.

Er ließ seinen Blick den vernarbten, verwundeten und verdreckten Arm hinaufwandern, über Schulter und Hals hin zum blassen Gesicht.

Die Haut hier schien noch heller als sonst, an den Schläfen und Kieferrändern schimmerten tiefblaue Adern hindurch und ließen sie fast durchsichtig wirken.

Seine Züge waren ruhig, doch nicht völlig entspannt. Die Lider waren dicht aufeinander gepresst und unter ihnen konnte er die Augen unstet wandern sehen.

Unweigerlich kam in ihm die Frage auf, was wohl gerade in Vincent vor ging.

Ob er wohl mit seinem inneren Dämon… sprach?

Er musste unweigerlich an die Momente denken, in denen Vincent Dinge gesagt hatte, die nie an ihn gerichtete gewesen waren. So abstrus dieser Gedanke auch war, vielleicht traf es zu. Ein unangenehmes, bedrückendes Gefühl breitete sich in ihm aus und langsam zog er seine Hand zurück. Er musterte den Dreck der an seinen Fingerspitzen kleben geblieben war und wischte ihn dann knapp an seiner Hose ab, als es an der Tür klopfte.

''Cloud?''

Yuffie betrat den Raum, unter den Arm eine kleine Tasche geklemmt und in der Hand eine kleine Schüssel mit Wasser, auf deren Rand ein Lappen drohte, auf den Boden zu rutschen.

Entscheidung

Er rückte ein Stück zur Seite um Yuffie Platz an Vincents Seite zu machen. Vorsichtig stellte sie die Schüssel auf dem verbliebenen Stück Matratze neben seinem Kopf ab und setzte sich dann mit der Tasche auf den Boden.

''Wie geht's Tifa?''

Cloud zog an seinem anderen Handschuh.

''Soweit gut. Sie ist eben wieder aufgewacht, der Treffer hat ziemlich gesessen.''

Er ließ sie zusammen neben sich auf den Holzboden fallen, ehe er begann den Schulterschutz zu lösen. Jetzt wo sie davon sprach, spürte er selbst wie der Ursprung seiner Kopfschmerzen ein dumpfes Pochen in seinem Rücken war. Er musste direkt gegen den oberen, dicken Handlauf der Brüstung gefallen sein.

Yuffie kramte derweil ein kleines Fläschchen aus dem Koffer und prüfte das Etikett, um dann ein paar Tropfen davon ins Wasser zu geben.

Sie ließ den Lappen das Gemisch aufsaugen, ehe sie ihn sorgfältig auswrang und an Vincents Schulter begann Blut und Dreck von den Wunden zu waschen.

''Wow. Barret hat wirklich auf ihn geschossen?''

''Ja. Es war ein Versehen.''

Sie tupfte vorsichtig um das kreisrunde Loch, das knapp unterhalb des Schlüsselbeins gerade so seine Lunge verfehlt haben musste und spülte den Lappen aus, um das Prozedere zu wiederholen.

''Was? Wie kann man denn aus Versehen auf Vincent schießen?''

''Weil es verdammt nochmal nicht Vincent war!''

Cloud sah auf, als Barret die Tür hinter sich schloss.

Yuffie musste sie offen gelassen haben, er hatte gar nicht bemerkt, wie er hereingekommen war.

''Wie?''

Sie warf einen irritierten Blick zu ihm, als er zu ihnen aufschloss.

Seine dunklen Augen musterten Vincent für einen Moment ausgiebig, ehe er sich an Cloud wandte.

''Ich hab eben mit Cid gesprochen. Wir sollten uns deswegen was überlegen.''

Mit einem Nicken deutete er zurück auf Vincent.

Cloud runzelte die Stirn. Das hatte er eben nicht wirklich gehört, oder?

Er ließ die Rüstung von seiner Schulter in seine Hände rutschen, als er sich erhob und Barret abwägend ansah.

''Deswegen? Was soll das heißen?''

''Naja, das Ganze hätte ziemlich in's Auge gehen können.''

''Hätte? Du hast auf ihn geschossen!''

''Weil er ein scheiß verdammtes Monster war! Guck ihn dir an. Er sollte tot sein!''

Barrets laute Stimme durchdrang schneidend seinen Kopf.

Im Prinzip… hatte er Recht, oder? Hatte er nicht selbst vor ein paar Momenten noch ähnliche Gedanken verfolgt? Dass Vincent noch lebte war definitiv kein minervagegebenes Geschenk.

''Barret!''

Entsetzt starrte Yuffie ihn vom Boden aus an und lenkte damit ein, bevor sein Frust sich vollends die Bahn brach.

''Scheiße! Wir reden noch darüber.''

Mit einem deutlich hörbaren Schnaufen, wandte er sich wieder um und verließ den Raum, nicht ohne die Tür lauter als nötig ins Schloss zurück zu ziehen.

Yuffie seufzte leise, wusch den Lappen abermals aus und setzte ihre Arbeit fort.

''Cloud? Was hat er damit gemeint?''

Gedankenversunken drehte er seinen Schulterschutz in den Händen.

Hatte er Recht?

''Es… gab einen kleinen Zwischenfall. Ich denke, du wirst nachher so oder so davon erfahren.''

Er hob die Handschuhe vom Boden auf und ging langsam zur Tür.

Yuffie setzte zu einer weiteren Frage an, doch schluckte sie hastig wieder hinunter. Die gekippte Stimmung war deutlich zu spüren.

''Cid wird übrigens nahe Kalm landen. Er wollte nur ersteinmal weg aus Midgar.''

''Gut.''
 

Leise zog er die Tür hinter sich zu und ging den Gang hinab, bis er den kleinen Waschraum erreichte. Flackernd sprang die Leuchtstoffröhre an und erhellte den Platz am Waschbecken mit kaltweißem Licht.

Er legte die Handschuhe auf der kleinen Ablage ab und hing den Schulterschutz an einem der ungenutzten Haken auf, bevor er den Wasserhahn aufdrehte. Rauschend ergoss sich das kalte Nass in seine Hände, ehe er sich einen Schwall durchs Gesicht rieb und schließlich einen Blick in den Spiegel wagte. Was ihm entgegenblickte war nichts außergewöhnliches. Nur eine Kleinigkeit am Rande seines Ärmelausschnitts erregte seine Aufmerksamkeit.

Mit den Fingerspitzen schob er den Stoff beiseite und fuhr das fast vollkommen verblasste Mal mit dem Zeigerfinger nach.

Hatte Barret Recht? Bisher war zwar nichts vorgefallen… oder zumindest nichts, was die Anderen mitbekommen hätten, aber...

Er ließ seine Gedanken zur vergangenen Nacht abschweifen. Vincents seltsames Verhalten und dieser sonderbare… Ausbruch. Als hätte plötzlich etwas anderes in seinem Körper gesteckt.

Cloud schluckte bitter, als ihm die Bedeutung seiner Worte bewusst wurde.

Ob Vincent sich wohl verwandelt hätte, wenn er nicht vorher bewusstlos geworden wäre?

Er schob die Schulter ein Stück weiter in Richtung Spiegel, um die blassrote Bissspur genauer zu betrachten. Ob er ihn angegriffen hätte?

Es wäre nicht das erste Mal gewesen.

Cloud atmete langsam aus und stützte sich mit den Händen auf dem schmalen Waschbeckenrand ab.

Deswegen hatte Vincent ihn wieder und wieder gewarnt. Hatte ihn gebeten zu gehen und seine Nähe zu meiden.

Weil er dieses Monster in sich trug. Weil er… dieses Monster war.

Und er hatte ihn berührt, das Bett mit ihm geteilt. Aber es war immer Vincent gewesen. Oder?

Hatte Barret Recht?

Mit einem tiefen Seufzen legte er den Kopf in den Nacken und strich sich durch das Haar.

Was zum Teufel war hier eigentlich los?
 

~
 

''Ist er aufgewacht?''

Er konnte sich die Antwort denken, trotzdem wollte er Yuffie wenigstens gefragt haben.

Sie war mit Tifa an ihrer Seite auf dem Weg zur Brücke.

''Nein, unverändert. Aber die Wunden heilen sehr schnell.''

''Hmh.''

Das wunderte ihn ebenfalls nicht und doch überraschte es ihn etwas, in Anbetracht des Ausmaßes seiner Verletzungen. Vincent hatte, auch ohne, dass die Kugeln von Barrets Maschinengewehr ihn getroffen hatten, genug im Kampf gegen Hojo einstecken müssen.

In seiner mutierten Form hatte der Wissenschaftler in seinem Todeskampf ordentlich ausgeteilt, auch wenn er Vincent schließlich unterlegen war.
 

Sie fanden den Rest an gewohnten Plätzen auf der Brücke.

Da die Highwind inzwischen dicht hinter Kalm gelandet war, hatte Cid sich gegen das Steuerrad gelehnt, in der einen Hand ein Glas, in der anderen eine halb abgebrannte Zigarette. Barret saß wieder auf dem Sitz des Co-Piloten, Nanaki und Cait neben ihm auf dem Boden. Sie hatten hier auf sie gewartet.

''Ich denke, der nächste Weg ist klar, trotzdem sollten wir diese Nacht noch in Kalm verbringen.''

Cid zog langsam an seiner Zigarette und legte den anderen Arm über der Brust ab. Die Flüssigkeit im Glas schwappte gefährlich zur Seite, doch er vergoss keinen Tropfen.

''Die Sister hat auf den Nordkrater geschossen und Sephiroth weitere Energie zukommen lassen. Jede verstrichene Stunde könnte uns wertvolle Zeit kosten.''

Cait tappte auf der Stelle hin und her, als sich Cid wieder einschaltete.

''Du hast gut Reden. Wir brauchen etwas Ruhe. Die ganze Angelegenheit in Midgar war für uns weit anstrengender als für dich.''

Womit er nicht Unrecht hatte.

Reeve hatte seine Robokatze und nahm selbst nie aktiv an den Geschehnissen teil.

''Ja, wir sollten unsere Reserven noch etwas auftanken, bevor wir wieder aufbrechen.''

Tifa wiegte den Kopf von einer auf die andere Schulter. Man sah ihr deutlich an, dass ihr der Aufprall noch nachhing.

''Apropos Angelegenheit… was machen wir mit der anderen?''

Barret stützte sich mit seinem gesunden Arm auf der Lehne des Sitzes auf und warf einen erwartungsvollen Blick in die Runde.

''Bitte? Was für eine andere Angelegenheit?''

Sie musterte Barret fragend, ehe sie seinem Blick zu den anderen folgte.

''Vincent.''

Cid warf seinen Namen in den Raum, als wäre es ein ernsthaftes Diskussionsthema. Er trank einen weiteren Schluck, zog ein letztes Mal an der Zigarette und drehte sich um, um den Rest im Aschenbecher, der auf der Steuerkonsole stand, auszudrücken.

''Was ist mit Vincent?''

Tifa wandt ihren fragenden Blick zum Piloten. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie absolut nichts verstand.

''Ja, ich möchte bitte auch aufgeklärt werden.''

Yuffie hatte sich wieder gegen die Brüstung gelehnt und einen Fuß gegen die Metallstangen gestemmt.

''Oben auf der Sister. Er hat sich-''

''Ich denke nicht, dass wir wirklich darüber reden müssen.''
 

Cloud verschränkte die Arme vor der Brust. Er fühlte sich in dieser gesamten Situation mehr als unwohl. Er verstand, worum es den anderen hier ging, aber es war immer noch Vincent.

''Was? Er hat dich angegriffen! Er hat sich in ein scheiß Monster verwandelt!''

Aufgebracht erhob sich der Hüne von seinem Sitz, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen.

''Was nichts daran ändert, dass-''

''Stopp, stopp, stopp. Was?!''

Tifa fiel ihnen beiden ins Wort und drängte sich in die Mitte ihrer Gesprächsrunde.

''Was ist passiert?''

Cloud trat unruhig auf der Stelle. Er wollte nicht darüber reden. Er wollte sich selbst nicht damit beschäftigen müssen.

''Nachdem Hojo zu diesem Ding wurde… Vincent hat ihn getötet.''

''Indem er selbst zu einem verdammten Monster geworden ist!''

''Er ist… was?''

Ungläubig wanderte ihr Blick zwischen den beiden hin und her.

''Ja, er… anders wären wir nie gegen Hojo angekommen!''

''Und deswegen attackiert man auch gleich seine eigenen Leute.''

''Du hast auf ihn geschossen!''

''Hätte ich ihn dich töten lassen sollen? Scheiße, ich wusste doch nicht mal, dass er das war!''

Barret hieb mit der Faust auf die Steuerkonsole und ließ die Gläser, die darauf ruhten, gefährlich klirren.

Er erntete einen finsteren Blick von Cid, ehe dieser sich wieder ins Gespräch einbrachte.

''Im Eifer des Gefechts passiert sowas schonmal. Wir sollten uns auf jeden Fall überlegen, was mir mit ihm machen.''

''Was wir… was?!''

Cloud entgleisten die Gesichtszüge. Über was genau sprachen sie hier?

''Wenn wir zum Nordkrater aufbrechen, müssen wir sichergehen, dass wir uns aufeinander verlassen können. Ich denke es ist besser, wenn er hier bleibt.''

Yuffie ließ sich von der Brüstung zurück auf den Boden sinken und sah irritiert zu Cid.

''Du willst ihn hier zurücklassen?''

''Cid, wie kannst du sowas sagen?''

Tifa gab ihr Rückendeckung und Cloud atmete innerlich erleichtert auf. Er war froh, dass sie nicht alle gleich dachten, auch wenn der Gegenwind von denen kam, die keine Ahnung hatten.

''Cid hat Recht. Was, wenn das nochmal passiert? Er ist eine Gefahr für uns alle! Er hat Cloud angegriffen, wer sagt, dass er es nicht auch bei uns tun würde?''

Murrend mischte sich Barret wieder ein und ließ seinen Zeigefinger drohend durch die Runde wandern.

''Das war sicher kein Vorsatz. Wir wissen alle wie seltsam er sich verhalten hat, als wir der Sister näher gekommen sind''

''Tifa, du hast es nicht gesehen!''

''Das muss ich auch nicht, um zu wissen, dass er trotzdem einer von uns ist! Es gibt sicher eine Lösung.''

Sie verschränkte angriffslustig die Arme vor der Brust. Sie tat das, was sie immer tat. Sie verteidigte die Gruppe, um jeden Preis. Der Zusammenhalt war ihr wichtig.

''Lösung? Wer weiß, ob er überhaupt Kontrolle darüber hat.''

Doch sie hatte Cid und Barret vereint gegen sich.

''Wie du schon sagtest, er hat sich oft genug seltsam verhalten und keiner von uns kennt ihn eigentlich wirklich.''

''Was soll das denn jetzt heißen?''

''Er ist ein Risikofaktor.''

Yuffie rückte dichter an Tifas Seite, um ihre Seite zu unterstützen.

''Ihr klingt, als wolltet ihr einen Hexenprozess eröffnen.''

''Vielleicht ist er ja eine. Das was da oben passiert ist, ist auf jeden Fall nicht normal.''

Barret spiegelte ihr Verhalten, indem er ebenfalls die Arme vor der Brust kreuzte und sich neben Cid aufbaute.

Tifa schnaubte verärgert.

''Wer von uns ist schon normal?''

Cid war der einzige, der ungeniert die Hand hob.

''Wart ihr eigentlich schon immer so misstrauisch? Ihr habt euch doch sonst auch blind auf ihn und seine Rückendeckung verlassen.''

Tifas Blick wurde ernster, als er es eh schon war und Barret knirschte hörbar mit den Zähnen, als er ihr stumm diesen Punkt einräumen musste.
 

Schweigend versuchte Cloud sich auf seinen Atem zu konzentrieren. Über was sprachen sie hier eigentlich? Dieses ganze Gerede war mehr als unnötig. Auch wenn er selbst gezögert hatte, dämmerte ihm langsam, dass all das hier nichts anderes als Frustabbau war. Sie alle standen unter Stress. Midgar war ein einziger Spießrutenlauf gewesen und jetzt suchten sie alle nach einem Ventil. Aber Vincent war definitiv nicht das richtige.

Er selbst hatte sich von Barrets Worten verunsichern lassen, da er ihm durchaus einen gewissen Teil Recht einräumte und verstand, woher das Misstrauen rührte, und doch… er hatte im Gegensatz zu ihnen allen mehr von Vincent erfahren, hatte die kritischen Situationen miterlebt, von denen keiner von ihnen wusste und doch hatte er Vincent vertraut.

Vielleicht hätte er eher etwas in Erfahrung bringen können, über das, was in ihm vorging, das, was unter der Oberfläche gewartet hatte. Wenn er so darüber nachdachte, hatte es mehr als genug Zeichen gegeben, die Anlass zum Zweifeln gewesen wären, doch er hatte ihm vertraut.

Die Angst in den roten Augen und die Tatsache, wie sparsam Vincent über all das gesprochen hatte, verdeutlichte ihm, dass es genau diese Situation war, vor welcher er Angst gehabt hatte. Dass es geschehen würde, dass sie alle sehen würden, was er so lange vor ihnen verborgen gehalten hatte und dass sie… nein. Sie hatten nicht das Recht dazu ihn hier auszusetzen, wie einen geprügelten Hund.

Vincent hatte es so lange versteckt gehalten, in dem Wissen, sie würden ihn ausstoßen, wenn es herauskäme. Und hatte nicht er selbst ein ums andere Mal damit gedroht, ihn zurückzulassen, wenn er ihm nicht erzählte, was vor sich ging? Wie ironisch.

Cloud seufzte tief. Diese Erkenntnis traf ihn hart und bitter.

Und doch, Vincent war immer ein verlässlicher Mitstreiter gewesen. Er hatte es vor ihnen verborgen, um sie nicht zu verunsichern und… um sie zu schützen.

All die Momente, in denen es so aussah, als würde er einen inneren Kampf ausfechten…

Cloud war sich sicher, dass er in diesen Momenten mit dem Monster in ihm gerungen haben musste. Damit es nicht ausbrach. Damit niemand in Gefahr geriet. Also musste er doch ein gewisses Maß an Kontrolle darüber besitzen.

Vielleicht war der Ausbruch oben auf der Sister Hojo verschuldet. Hatte Vincent nicht erwähnt, dass er sein primäres Ziel gewesen war? Er hatte, im wahrsten Sinne des Wortes, auf dieses Treffen hingefiebert.

Dass er sich verwandelt hatte, war sicher einfach ein emotionaler Kurzschluss gewesen.

Kannte er selbst das nicht auch?

Was aber wiederum auch bedeutete, wenn Hojo der Auslöser gewesen war… warum sollte es jetzt noch einen Grund für Vincent geben, erneut die Kontrolle zu verlieren?

Er hatte sein Ziel erreicht, das war alles, was für ihn gezählt hatte, richtig?

Cloud nahm einen weiteren, tiefen Atemzug.
 

''Hört ihr euch eigentlich selbst reden? Ihr tut, als wäre Vincent plötzlich der Feind.'

Cid und Barret sahen zu ihm auf.

''Was? Wir wollen nur kein Risiko eingehen. Wir müssen für den letzten Auftakt sicher sein, dass wir uns aufeinander verlassen können und wenn-''

''Wir können uns aufeinander verlassen. Sag mir eine Situation, in der du es vorher nicht konntest.''

Cid zögerte einen Moment und ließ seine Chance verstreichen.

''Ich habe genug gehört, mir reicht’s. Ich werde Vincent nicht gehen lassen, er ist einer von uns und egal was vorgefallen ist, ich vertraue ihm, dass es nicht wieder passieren wird. Er hat für uns gekämpft und ist so wie wir vorher auf seine, jetzt auf unsere Unterstützung angewiesen und im Kampf gegen Sephiroth können wir jeden einzelnen von uns gebrauchen. Jeden.''

Cloud spürte das aufgeregte Kribbeln des Adrenalins in seinen Fingerspitzen, als er sich endlich Luft gemacht hatte.

Er stand zu seiner Entscheidung. Egal, was passiert war und egal, was noch vor ihnen lag.

''Also reißt euch zusammen.''

Er spürte die irritierten Blicke der anderen auf sich, als er sich umdrehte und die Brücke verließ.
 

Sie würden sich zusammenraufen müssen. Sie lagen falsch.

Und auch wenn ein kleiner Funke Zweifel übrig blieb, so war er sich doch sicher, dass sie seinen Worten folgen würden. Sie waren ein Team. Sie mussten zusammenhalten, jetzt mehr denn je. Schließlich waren sie auf dem Weg zu Sephiroth.

Ein durchdringendes Zittern erfasste seinen Körper, als er daran dachte. Es war ein Gefühl der Aufregung, Angst, Wut und Entschlossenheit und es strahlte bis in jede noch so kleine Ecke seines Bewusstseins aus.

Es war ein in seiner Intensität zunehmend unangenehmes Gefühl, dass ihn unruhig werden ließ.

Ob Vincent auf dem Weg zu Hojo ähnlich gefühlt hatte? Er konnte erahnen, wie es ihn wahnsinnig gemacht haben musste, auf ihrem Weg immer wieder unterbrochen worden zu sein, diesem einen Ziel so nah und doch immer wieder davon abgedriftet. Ein schmales Lächeln stahl sich in seinen Mundwinkel, als das Gefühl in ihm langsam wuchs. Er blickte auf seine Hände hinab.

Wer weiß, vielleicht würde er sich im Kampf gegen den ehemaligen General auch in ein Monster verwandeln. In seinen Adern floss mehr als genug Mako.

Seine Hand schloss sich um die Klinke, als er an Vincents Tür angekommen war. Langsam öffnete er sie und schob sie behutsam auf, um keinen unnötigen Lärm zu verursachen.

Er betrat den noch immer beleuchteten Raum und sah auf.

Das schmale Bett war leer.

Versprechen

Eilig hastete er durch die Gänge hinab, doch unten angekommen erwartete ihn nur die leere, offene Luke.

Cloud zögerte keinen Moment und verließ die Highwind.

Ihre Besprechung hatte nicht all zu lange gedauert und angesichts der Tatsache, dass Vincent restlos all seine Sachen mitgenommen hatte, konnte er sicher noch nicht weit gekommen sein.

Das dichte Gras der bewachsenen Ebenen rund um den kahlen Fleck Erde, auf dem sich Midgar erstreckte, dämpfte seinen Sprung, als er sich von der letzten Kante der Luke fallen ließ. Die Nacht hier war angenehm, doch sein Kopf war viel zu beschäftigt, als dass er die milde Luft wirklich wahrgenommen hätte.

Eilig setzte er sich wieder in Bewegung, der unweit des Luftschiffs gelegenen Stadtgrenze von Kalm entgegen.

Im Dunkeln zeichneten sich die ersten erhellten Fenster deutlich ab und wurden zunehmend zahlreicher, als er sich den Häusern näherte.

Nur noch ein paar Schritte und er betrat den erst nur plattgetretenen, doch bald schon gepflasterten Weg in die Stadt hinein.

Es war spät und hinter den hellen Scheiben waren nur noch wenige Menschen unterwegs, ebenso war es in den Gassen und schmalen Straßen weitgehend ruhig.

Cloud zügelte sein Tempo, als er die Wege zwischen den Häusern abzulaufen begann, lauschte jedem Geräusch und beobachtete aufmerksam jeden kleinen Winkel, doch noch fehlte von Vincent jede Spur.

Ob er wohl etwas von ihrem Gespräch mitbekommen hatte?

Er konnte es sich kaum vorstellen. Allein die Zeit, die er von den Quartieren hinauf zur Brücke und wieder zurück gebraucht hätte… er wäre definitiv noch in seinem Zimmer gewesen.

Vincent musste die Highwind von sich aus verlassen haben. Ob er sich Vorwürfe wegen der Ereignisse an der Sister machte? Vermutlich. Zumindest wäre es ein plausibler Grund, warum er gegangen sein könnte. Und dennoch… dass er nach allem was geschehen war überhaupt schon wieder auf den Beinen war, war fast undenkbar.

Auch wenn er gesehen hatte, wie schnell sich der geschundene Körper regeneriert hatte, schlich sich ein leichter Anflug von Angst um seinen möglicherweise noch verwundeten Freund in seine Gedanken.
 

Ein leises, kaum hörbares Klicken lenkte seine Aufmerksamkeit zur Nebenstraße, die von der kleinen Kreuzung abzweigte, an die er soeben gelangt war. Cloud blieb stehen und sah angestrengt in die kaum beleuchtete Straße hinein, als sich das Klicken wiederholte.

''Vincent?''

Er sah prüfend über seine Schulter zurück in die anderen Wege, ehe er dem Geräusch in die dunkle Straße folgte.

Seine Schritte waren langsam und mit Bedacht gesetzt, seine Sinne vollkommen auf die Schatten an den Häuserwänden konzentriert. Angestrengt lauschte er in die Stille, doch das Klicken wiederholte sich nicht.

Frustration begann die Angst in seinem Kopf allmählich abzulösen.

Was, wenn Vincent Kalm doch bereits verlassen hatte? Oder er gar nicht erst in die Stadt gegangen war? Zweiteres hatte er überhaupt nicht in Betracht gezogen, jetzt, wo er so darüber nachdachte… er war geradewegs dem erstbesten Weg gefolgt.

Clouds Schritte verloren abermals an Tempo, als er das Ende der Straße und damit eine weitere Kreuzung auf sich zukommen sah.

Und was, wenn Vincent nun wirklich vollends gegangen war, ohne zurückzukehren?

Ein flaues Gefühl machte sich in seinem Magen breit, als er in seinem Kopf diese Möglichkeit wieder und wieder überdachte.

Das sich weiter ausbreitende Gefühl behagte ihm überhaupt nicht und er war sich nicht einmal sicher, ob es an der aufkeimenden Erkenntnis lag, dass ihm Vincent eigentlich noch immer so gut wie fremd war und er ihn so dicht an sich heran gelassen hatte, dass ihn der Umstand seines Verschwindens tatsächlich in solche Aufruhr versetzte, oder ob es wirklich der Unmut darüber war, dass sein Freund und damit auch ein Mitglied ihrer Gruppe verschwunden war, oder dass…

Das Klicken ertönte erneut und vereinnahmte seine komplette Aufmerksamkeit auf einen Schlag. Kurz vor Ende der Straße hatte er es mehr als deutlich und ganz in seiner Nähe gehört.

Cloud blieb stehen und wandte den Kopf zu Seite.

Zwischen den letzten drei Häusern zweigte eine kleine Gasse von der Straße ab. Langsam bewegte er sich darauf zu.

Der schmale Weg zwischen den Häuserwänden schien für einen Moment völlig von der Dunkelheit verschluckt zu werden, bevor sich seine Augen ein weiteres Mal an die Schwärze gewöhnten und sich Umrisse und Schemen und schnell auch deutlichere Konturen aus den Schatten schälten. Er betrat das unebene Kopfsteinpflaster, als er etwas entfernt eine Bewegung bemerkte. Langsam näherte er sich. Weder das Geräusch noch die Bewegung in den Schatten wiederholte sich, dafür trat an ihre Stelle die deutliche Gewissheit, beobachtet zu werden. Doch es fühlte sich keineswegs bedrohlich an.

Er erhaschte ein Aufblitzen dunkler Augen, als er sich einer schmalen Treppe zu einem Hintereingang näherte.

''Vincent.''

Das blasse Gesicht wandte sich von ihm ab, als er ihm gegenüber zum Stehen kam.

''Was willst du hier?''

Die dunkle Stimme war leise und klang matt. Vincent saß auf der obersten der vier Stufen, die Unterarme auf die Knie gestützt und tief in seinen Umhang versunken.

''Dich einsammeln, nachdem ich dich nicht in deinem Zimmer gefunden habe.''

Cloud verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf seinen Freund hinab, beobachtete ihn, ob er noch Anzeichen der Verletzungen zeigte, doch es schien alles in Ordnung.

''Aber die Frage ist wohl eher, was du hier tust. Kannst du mir verraten, was du vor hast?''

Vincent betrachtete seine Klaue und bewegte sie ein paar Mal hin und her, als er den letzten Riegel an seinem Rüstungsarm justierte. Das verräterische Klicken erklang erneut, als der Riegel einrastete.

Cloud musterte ihn aufmerksam dabei. Es war, wie er es sich gedacht hatte. Die Zeit war zu knapp gewesen, also hatte Vincent lediglich sein Zeug zusammengerafft und war abgehauen. Erst hier in der Ruhe der fast schlafenden Stadt hatte er die Gelegenheit gefunden, sich um seine Ausrüstung zu kümmern.
 

''Ich gehe.''

Noch einmal bewegte Vincent jeden Finger, drehte die Hand hin und her und zog vorsichtig an den Riegeln. Der Metallarm war bei seiner Verwandlung etwas in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Gestalt des Dämons war massiger als er selbst und die Verschlüsse und Gelenke des Rüstungsarms waren leicht verzogen. Nichts, was sich nicht wieder in Ordnung bringen ließ. Zum Glück war kein größerer Schaden entstanden.

Ein letztes Mal betrachtete er seine Klaue von beiden Seiten, dann musste er sich eingestehen, dass es nichts mehr zu tun gab, womit er sich von der Anwesenheit des anderen hätte ablenken können.

''Und warum?''

Langsam ließ er den Arm wieder auf sein Knie sinken und faltete die Hände ineinander.

Vincent hatte gehofft, sein Verschwinden würde möglichst lange unentdeckt bleiben und er hätte Kalm schon verlassen, bevor es jemand, er, bemerken würde.

Er atmete einmal tief ein und wieder aus, ehe er endlich den Blick nach oben richtete und auf aufmerksame, blaue Augen traf.

''Ich denke nicht, dass ich das erklären muss.''

Das Blau verdunkelte sich.

Um ehrlich zu sein, hatte er nicht damit gerechnet, dass nach dem Vorfall auf der Sister Ray überhaupt jemand aus der Gruppe auf die Idee kommen würde, nach ihm zu suchen. Nicht einmal er. Und doch stand er vor ihm und Vincent war sich nicht sicher, ob er über diese Tatsache verärgert oder erleichtert sein sollte. Alles was er wollte war in Ruhe gehen zu können.
 

''Und ich denke, dass ich gern eine Antwort auf meine Frage hätte.''

Cloud wusste, dass er jetzt keineswegs nachgeben durfte. Vincent sah nicht so aus, als würde er nur einen kurzen Moment Ruhe suchen. Sein Vorhaben war durchaus ernst. Umso erleichterter war er, dass er ihn doch noch gefunden hatte. Vorsichtig trat er noch einen Schritt dichter an ihn heran. Vincents Kleidung war noch völlig verdreckt und zerschlissen vom Kampf mit Hojo und ein seltsamer Ausdruck lag in seinen dunklen, roten Augen, den er so noch nie gesehen hatte.
 

Der Druck seiner Hände verstärkte sich, als sich die Fingerkuppen langsam in den jeweils anderen Handrücken bohrten.

''Barret hat Recht. Ich sollte tot sein.''

Er konnte sehen, wie sich Clouds Stirn zusammenzog und sein Blick schwerer auf ihm lag. Die verschränkten Arme lösten sich aus ihrem Kreuz und suchten hilflos Halt an den unzähligen Gürtelschlaufen.

''Warte…''

Seine Stimme klang verunsichert.

''...du hast das mitbekommen?''

''Ja.''

Er hatte alles gehört. Auch wenn er augenscheinlich bewusstlos und sein Körper tatsächlich noch nicht wieder in der Lage gewesen war sich zu bewegen, so hatte sein Geist doch Wache gehalten.

Und er hatte sich eingestehen müssen, dass Barret richtig lag. Er sollte tot sein. Er war ein Monster. Es war vollkommen natürlich, dass Barret so reagiert hatte und er konnte sich nicht vorstellen, dass es bei den anderen anders sein würde.

Was Cloud anging… ja, was zur Hölle tat er überhaupt hier? Er wollte ihn zurückholen? Wozu? Er hatte doch ebenso gesehen was in ihm ruhte. Hatte mehr als ein einmal bereits Bekanntschaft mit dem Dunklen in seinem Innern machen müssen. Und er wollte ihn… zurückholen?

Angestrengt versuchte er diesen Umstand zu begreifen und dieses zaghafte Gefühl von Erleichterung tief in ihm zu verstehen, doch die Gegenseite wog schwer.
 

Mit einem tiefen Seufzen rieb sich Cloud mit der Rechten über das Gesicht.

''Scheiße… das…''

Das hätte nicht passieren sollen. Nicht passieren dürfen.

Er hatte mit seiner Vermutung also fast richtig gelegen. Es ging um den Vorfall auf der Sister Ray. Aber auch um die Reaktionen darauf. Dennoch würde er ihn nicht gehen lassen. So viel stand fest.

''Hör zu. Natürlich haben wir über die ganze Sache gesprochen, aber ich will keinesfalls, dass du deswegen gehst.''

Die roten Augen verengten sich leicht, als ihr Blick schwer auf ihm zu ruhen schien.

''Du. Aber ich nehme an, der Rest.''

Was zum….? Legte er ihm gerade Worte in den Mund, die er nie gesagt hatte? Er folgte Vincents Bewegungen, als er sich auf seinen Knien abstützte und ungewohnt schwerfällig von der Treppe erhob.

''Das habe ich nicht gesagt.''

''Aber so ist es, richtig?''

Die schlanke Gestalt des Älteren erhob sich dunkel vor ihm, als er, ohnehin größer als er selbst, noch einen Moment auf den Stufen stehen blieb und auf ihn herunter blickte. Dann trat er die Treppe hinab.

''Nein, ist es nicht. Du bist Teil der Gruppe und bleibst es auch.''

Ein unbehagliches Gefühl wühlte sich durch sein Inneres, als Cloud in die tiefroten, fast müde wirkenden Augen seines Gegenübers blickte.

''Ich sollte es nicht sein.''

Das blasse Gesicht wandte sich von ihm ab, als Vincent dazu ansetzte zu gehen.

''Ich wüsste nicht, was dagegen spricht.''
 

Abrupt hielt Vincent in der Bewegung inne, als er spürte, wie eine kräftige Hand nach seinem Handgelenk griff und es durch den Rüstungsarm fest umklammerte. Er blickte auf die Hand hinab.

''Cloud.''

''Nein, Vincent.''

Ein wildes Gemisch aus Frustration, Angst, Erleichterung und Zuneigung kochte in ihm auf. Mit einem schweren Schlucken versuchte er es hinabzuwürgen. Er konnte nicht bleiben. Durfte nicht bleiben.

''Ich bin eine tickende Bombe. Du hast es doch selbst gesehen.''

Der Griff wurde zunehmend stärker und schien das Metall enger an seine Haut zu pressen, als Cloud ein paar Mal ansetzte um offensichtlich die richtigen Worte zu finden.

''Aber Hojo ist tot. Was sollte es noch geben, dass dich... dieses Ding in dir in Raserei versetzt?''

Wie richtig seine Worte waren und wie sehr er damit den Kern der bitteren Wahrheit traf, war ihm vermutlich nicht einmal bewusst. Auch ihn selbst erschlug die Erkenntnis erst jetzt, da sie ausgesprochen wurde. Es war nicht nur die Gefahr, die von ihm ausging.

Vincent senkte den Blick gen Boden.

''Du hast Recht. Es gibt nichts mehr für mich.''

Hojo war tot. Lucrecia für immer unerreichbar. Was war ihm noch geblieben, außer diesem vertrauten und doch so fremden Pochen in seiner Brust? Seinem eigenen, inneren Dämonen.

Und selbst dieser hielt sich seit dem Vorfall bedeckt. Außer dem dissonanten Herzschlag, der neben seinem eigenen in seiner Brust vibrierte, war von dem Monster nichts zu spüren. Es ruhte. Tief in ihm. Doch wer wusste schon, für wie lange. Vielleicht…

Er musste erneut Schlucken, doch seine zunehmend trockene Kehle machte es schier unmöglich.

Was, wenn auch sein Dämon nun für immer ruhte?

Er war erschrocken darüber, wie sehr ihn dieser Gedanke verunsicherte. Sollte er nicht froh darüber sein? Er wäre keine Bedrohung mehr. Und dennoch… die Finsternis in ihm war über die vergangenen dreißig Jahre sein einziger Vertrauter gewesen, zu seinem einzigen Vertrauten geworden. Wenn auch das nun nicht mehr wäre…

''Es gibt nichts mehr.''

Das Atmen fiel ihm zusehends schwerer, er fühlte sich, als würde der Stein, der in seiner Kehle gesteckt hatte, allmählich seine Lunge zerquetschen.

Was, wenn er nun tatsächlich ganz allein wäre?

Er sah herab auf Clouds Hand, die seinen Arm noch immer fest umschlossen hielt.

Aber war er nicht....?

Nein, was wusste er schon. Einen Bruchteil. Nichts weiter, als die Splitter, die er bereit gewesen war mit ihm zu teilen. Warum überhaupt? Er war schwach gewesen. Er hatte seinen inneren Disput nicht vollständig allein austragen können. Er…

Ein warmes Kribbeln ging von seinem Handgelenk aus.

Nein, er würde ihn nicht weiter der Gefahr, die er selbst war, aussetzen.
 

Fast eisern umklammerte er den metallenen Arm, als er spürte, dass etwas nicht stimmte, dass er offensichtlich etwas falsches gesagt hatte.

Er war hierher gekommen, um Vincent wieder mitzunehmen und nicht, um ihn weiter davonzutreiben.

''Vincent.''

Die Leere, die in die roten Augen trat, versetzte ihm einen Stich in’s Herz. Was war nur plötzlich geschehen?

Er spürte, wie kalte Finger seine Hand umschlossen, um sie mit überraschender Kraft von der Metallklaue zu lösen.

''Lass es, Cloud.''

Die tiefe Stimme war leise und verlor sich fast im breiten Kragen des Mantels, als Vincent erneut dazu ansetzte sich umzudrehen und zu gehen.

Er wollte ihn nicht gehen lassen. Er war doch....

Eilig packte Cloud nach der Schulter des anderen und zerrte ihn mit einem kräftigen Ruck zurück. Noch bevor Vincent sich gegen seinen Griff wehren konnte, packte er ihn auch an der anderen Schulter und drängte ihn die übrigen zwei Schritte zurück gegen die Wand.

Ein leises Keuchen entwich den schmalen Lippen, als er seinen Rücken gegen den kalten Stein presste.

Fest krallten sich seine Finger in den Stoff des Umhangs.

Er sah zu ihm auf, doch das blasse Gesicht blieb reglos, die roten Augen leer.

''Du kannst nicht gehen.''

Mit einem leisen Seufzen ließ er sich gegen den Körper des anderen sinken und lehnte seinen Kopf auf die Schulter.

Er durfte nicht gehen.

Knapp über dem Kragen konnte er ein letztes Stück freier Haut ausmachen, unter dem sich deutlich die Pulsschlagader abzeichnete. Sie bewegte sich gleichmäßig. Langsam. Fast zu langsam.

Unwillkürlich vergruben sich seine Finger tiefer in den Stoff.
 

Clouds Kopf wog schwer, fast anklagend auf seiner Schulter.

Und er fühlte sich schuldig. Für alles, was geschehen war. Für alles, was noch geschehen könnte, wenn er nicht ging.

Die Wärme des anderen drang langsam durch seine eigene Kleidung. Im Gegensatz zum strafenden Gewicht des blonden Kopfes, war sie voll ehrlicher Zuneigung und Vertrautheit.

Zu viel davon.

Als hätte er seine Gedanken gehört, löste Cloud seinen Kopf und sah zu ihm auf. Die blauen Augen waren weich und streiften über sein gesamtes Gesicht, ehe sie an seinen eigenen hängen blieben.

''Vincent, ich-''

''Bitte.''

Er griff nach den Händen auf seinen Schultern und schob sie von sich.

Zu viel Nähe. Fast unerträglich viel.

''Sag es nicht.''

Er würde es bereuen. Und er selbst würde es nicht ertragen.
 

Noch einmal suchte Cloud seinen Blick, doch die roten Augen blieben leer.

Langsam ließ er seine Hände sinken, als sie aus dem Griff des anderen rutschten.

Eine leise Wehmut begann in ihm zu flüstern.

''Warum bist du so kalt?''

Er hatte es nicht sagen wollen, doch die Worte verließen seinen Mund völlig ungefragt, während er noch immer versuchte zu begreifen, was mit ihm geschehen war.

Langsam entzog sich Vincent seiner Nähe, löste sich von seinem Platz und trat an ihm vorbei in die Gasse.

''Kalt?''

Das schwarze Haar floss langsam von der Schulter über den Rücken, als er den Kopf zur Seite drehte.

''Ich denke, so bin ich nunmal.''

Sie wussten beide, dass das nicht stimmte und doch hielt er seine emotionslose Fassade aufrechter denn je.

In die Woge von Wehmut mischte sich Verzweiflung, als er zusehen musste, wie Vincent ihm den Rücken zuwandte und ging.

Es musste noch etwas geben, irgendetwas das er tun konnte, um ihn aufzuhalten.

Automatisch begann er seinem Freund zu folgen.

''Was ist mit Sephiroth?''
 

Seine Schritte verlangsamten sich, bis er wieder zum Stehen kam. Sein Blick suchte den Boden vor ihm ab, nach einem Punkt, an dem sie sich festhalten konnten.

''Sephiroth...''

Festhalten.

Lucrecias Sohn. Das letzte Stück, das von ihr geblieben war.

Etwas, zum Festhalten.

Sie hatte ihn noch um eine Sache gebeten.

Diese eine Sache.

Nur ein einziger Punkt zum Festhalten.

~*Halte ihn auf... bitte.*~

Sie hatte ihn darum gebeten.

Sie hatte Recht gehabt. Mit allem.

Die Rache an Hojo hatte ihm keine Heilung verschafft, im Gegenteil. Es hatte alles nur schlimmer gemacht.

Er sah auf seine Hände hinab, drehte die Handflächen zu sich und begann die Finger langsam zu krümmen, bis sie sich ballten.

Sie hatte ihm dieses stumme Versprechen abgerungen.

Und er…

''Ich...''

Seine Augen trafen auf einen erwartungsvollen blauen Blick.

Er würde es halten.
 


 

~.❧ .~


Nachwort zu diesem Kapitel:
Uuuund das war's erstmal!
Mal schauen, in welchen Abständen ich neues Material hochladen kann. :)
In diesem Sinne: gute Nacht!
*winke winke* Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Faszination pur!

Nur Einbildung oder war es doch eine zärtliche Geste? Wer weis wer weis! ^_^
Bald geht's weiter! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Na na na? ^^
Es kommt langsam, laaaaangsam in's Rollen. x3

Kleine Musik-Empfehlung zum Abschluss: Dir En Grey - Yokan

Habt einen schönen Abend! Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Einfach der Stimmung halber empfehle ich mal ''Dir en Grey - Vinushka''.

Habt einen schönen Nachmittag! ^_^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier endet die Geschichte.
Nach über zweieinhalb Jahren ist es endlich vollbracht.
Ich bedanke mich vielmals für alle, die sich die Zeit genommen haben zu lesen, oder sogar einen Kommentar zu hinterlassen.
Vielen vielen Dank!
In diesem Sinne... tadaa.
Fräulein U. Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (19)
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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SMeinicke
2019-03-25T20:34:02+00:00 25.03.2019 21:34
Ich will nicht,dass es endet -.-
Von:  SMeinicke
2019-03-25T12:27:27+00:00 25.03.2019 13:27
Unfassbar gut geschrieben. Eine der besten Fanfictions hier!!! Unbedingt mehr davon
Antwort von:  FraeuleinUnruh
21.09.2019 21:43
Hey!
Ist ne Weile her, dass ich hier auf mexx unterwegs war, daher habe ich deinen Kommentar auch erst jetzt gesehen. xD
Aber vielen Dank für deine lieben Worte! Freut mich, dass es dir gefallen hat. :)
Wenn du Interesse hast, heute ist die Fortsetzung gestartet.

Tadaa,
Fräulein U.
Von:  Sunny_Valentine
2018-10-03T15:20:03+00:00 03.10.2018 17:20
Hmm, ich frage mich wirklich, warum diese FF so wenige Kommentare hat.
Ich für meinen Teil, habe endlich die Nadel im Heuhaufen gefunden! Ich liebe dieses Paar so abgöttisch - aber bisher habe ich keine FF gefunden, die mir irgendwie zusagte! Da ich finde, dass Vincent und Cloud so unglaublich schwierig zu paaren sind. Aber jetzt, jetzt! Endlich bin ich zufrieden!

Ich mag im großen und ganzen deinen Schreibstil. Er ist gut und verständlich geschrieben. Details sind enthalten, aber nicht zu viele, genau richtig.
Diverse Stellen haben mir besonders gefallen:
- die allgmeine Szenerie in der ShinRa-Stadt
- Yuffie im Gold Saucer
- Cids Wutausbrüche
- Tifas Gruppenverhalten
- der "Bosskampf" mit Hojo (hab das zerrackeln echt genossen!)
- definitiv die Lemonszenen (hab fast nen Herzkasper bekommen!
- und noch viele andere Kleinigkeiten ^^

Nur eine Sache stößt mir echt sauer auf - die FF ist zu Ende! *heul*
Wenn es eine Fortsetzung geben sollte - gib mir Bescheid! ^^
Antwort von:  FraeuleinUnruh
25.10.2018 13:21
Hey hey!

Entschuldige die späte Antwort, aber noch vielen lieben Dank für deinen Kommentar!
Ja, die Kommis sind auf mexx leider sehr rar geblieben, umso mehr freue ich mich dennoch über jeden, der sich die Zeit genommen hat, hier was zu hinterlassen. :)
Und natürlich freue ich mich genauso darüber, dass dir die Story gefallen hat und sie deinen Ansprüchen gerecht geworden ist! Und natürlich, dass es nur fast ein Herzkasper war und du noch einen Kommi dalassen konntest, hehe. ^^ Vielen Dank! <3
Ob es eine Fortsetzung geben wird, weiß ich noch gar nicht. Aktuell fehlt mir die Zeit zum Schreiben und es liegt hier noch ein anderes, weit größeres Projekt in der Warteschleife.
Aber sollte es je weitergehen, geb ich gern Bescheid. ^^
Nochmal vielen lieben Dank für dein Review!

Tadaa,
Fräulein U.


Von:  Shiva0102
2018-08-28T10:50:03+00:00 28.08.2018 12:50
Vielen Dank für diese tolle Geschichte!!! Ich liebe sie 😍 Dein Schreibstil ist einfach umwerfend - bitte mach weiter so! Ich habe immer soooo mitgefiebert ^.^
Wird es eine Fortsetzung geben? Bist du schon ab was Neuem dran?
Liebe Grüße, Shiva
Antwort von:  FraeuleinUnruh
29.08.2018 10:25
Hey hey!

Vielen Dank für einen Kommentar und deine so lieben Worte! <3
Ich hab' mich riesig gefreut! -^^-

Ob es eine Fortsetzung geben wird weiß ich noch nicht, geplant ist aber soweit erstmal nichts, da ich aktuell noch an anderen, größeren Projekten schreibe. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob sie thematisch etwas für animexx wären, da sie wirklich ganz anders sind und die vorigen Projekte, die ich zeitweise hier hochgeladen hatte, leider so gar keinen Anklang gefunden haben.

Auf jeden Fall nochmal vielen Dank, für deinen Kommentar und vllt liest man sich ja mal wieder. :)

Tadaa,
Fräulein U.
Von:  Lexischlumpf183
2018-06-13T07:23:22+00:00 13.06.2018 09:23
Uh, was ne Rede, hoffe Vincent hat nix dummes vor. Ich bin mega neugierig was nu passiert, also biitte schnell weiterschreiben 😄😄😄
Von: abgemeldet
2018-01-20T07:56:31+00:00 20.01.2018 08:56
Sehr tolle FF
Antwort von:  FraeuleinUnruh
28.02.2018 01:05
Danke dir. :)
Von:  BlueEyedRaven
2017-08-09T20:21:34+00:00 09.08.2017 22:21
Sehr schöne Fanfiction. Dein Schreibstil ist gut und flüssig zu lesen. Ich bin gespannt wie es mit den beiden weiter geht.
Antwort von:  FraeuleinUnruh
10.08.2017 01:27
Hey hey!
Danke für deinen Kommentar und die lieben Worte!
Ich freu'mich, dass dir die Fic gefällt und hoffe, dass du weiterhin dabei bleibst!
Gute Nacht für dich und bis zum nächsten Kapitel! :)
Tadaa,
Fräulein U.
Von:  LillianaBlack
2017-06-26T20:48:37+00:00 26.06.2017 22:48
Wuhuuu! Endlich ein neues Kapitel! ❤️ Ich hatte mich sooo darüber gefreut und wurde nicht enttäuscht. Betrachte das hier also als kleine Motivationsspritze! X3 Zumal ich nach wie vor keinen Shonen-Ai Fan bin, aber bei dir kann ich nicht aufhören zu lesen. X3
Antwort von:  FraeuleinUnruh
27.06.2017 00:06
Hey hey!
Ja, was lange währt... hehe. Well well. Es tut mir sehr leid, dass es dann doch SO lange gedauert hat, aber ich war komplett raus aus der Story.
Jetzt versuche ich wieder aufzuholen und hoffe, dass die kommenden Uploads nicht wieder ein halbes Jahr brauchen.
Danke für deinen lieben Kommentar und natürlich doppelt danke, dass du, obwohl du Shonen-Ai noch immer doof findest, hier weiterhin dabei bist! ^^
Ich kann dir nämlich nicht versprechen, dass es jetzt bis zum Ende S-A frei bleibt. Eventuell wirst du das ein oder andere Kapitel noch überleben müssen. Hehe.
Well well, das nächste Kap ist auf jeden Fall schon in Arbeit und ich denke, dass es in den nächsten 2-3 Wochen hoch gehen wird. Was danach sein wird wage ich nicht zu versprechen. Aber ich werd's versuchen, wieder öfter hinzubekommen. :)
Noch einmal Danke an dich und deine lieben Worte und bis zum nächsten Mal!
Tadaa,
Fräulein U.
Von:  LillianaBlack
2016-12-29T20:26:39+00:00 29.12.2016 21:26
Puh... Das nenne ich einen Readathon. Bin gestern Abend über deine Fanfiction gestolpert. Vincent ist mein Lieblings-Char und obwohl mich Shonen-Ai eigentlich nicht wirklich interessiert, habe ich begonnen, die Story kurz anzulesen. Bin ziemlich picky was Shonen-Ai angeht, also ja - irgendwie hat das schon was zu bedeuten. XD Aus kurz anlesen wurde jedenfalls ein Marathon, der sich sogar auf der Arbeit forsetzte. XD

Also... ich finde deine Fanfiction super geschrieben, was mich auch als Nicht-Shonen-Ai-Leserin dazu bewog, weiterzulesen. Du beschreibst die beiden super (sie kommen trotz - meiner Meinung nach - non-canon Pairing authentisch rüber), der Schreibstil ist mehr als angenehm zu lesen und ich bin im Prinzip rundum zufrieden - wäre ich nur nicht so ungeduldig. XD Aber obwohl ich Happy Endings sehr gerne mag, finde ich es super, dass du es Cloud und Vincent nicht zu einfach machst und (vor allem bei Vincent) so in-character bleibst. Auf spektakuläre Weise unkitschig und einfach nur zufriedenstellend. <3 Das macht die Fanfic so spannend und authentisch. Dafür gibt's ein Favo. Freue mich schon auf die kommenden Kapitel und bin gespannt, wohin du die beiden in deiner Story noch führen wirst. ;)

Lieben Gruß
LillianaBlack
Antwort von:  FraeuleinUnruh
31.12.2016 19:11
Holla!!!
Da hast du mir aber einen Schreck eingejagt! xD
Ein Kommentar! OMG! Ich freu' mich riesig! <3

Du hast alle 26 Kaps in einem Tag gelesen?! Alter Schwede, nicht schlecht. xD Aber ich freu' mich drüber, dass es dich scheinbar so gefesselt hat! ^^
Ich danke dir vielmals für all die lieben Worte, du ahnst gar nicht, wie viel Freude du mir damit bereitest!
Vor allem, dass die zwei bei dir so canon rüberkommen! Das ist gar nicht so einfach und es ist toll, dass es beim Leser so ankommt.

>>Auf spektakuläre Weise unkitschig und einfach nur zufriedenstellend. <3
Darf ich dich knutschen? xD Nein, im Ernst! Vielen vielen lieben Dank!
Ich bin so gar nicht für Fluff, Kitsch und großartige Romantik zu haben, schreibe es demnach auch nicht und freue mich natürlich sehr, dass es trotzdem Leser gibt, die hier dann reinschauen und mir so einen lieben Kommentar dalassen. x3
Ich hoffe, dass ich das neue Kapitel bald fertig habe, aber ich verspreche nichts. Im Moment (und wie man den Hochladeintervallen ansehen kann) dauert es leider immer etwas länger. v.v

Auf jeden Fall nochmal vielen Dank für deinen lieben Kommentar als auch für deinen Favo-Eintrag und natürlich auch danke für's Lesen! :)

Liebe Grüße,
Fräulein U.
Von:  Ansay
2016-05-30T19:54:03+00:00 30.05.2016 21:54
Sehr gutes Kappi. Du wirst immer besser und dein Schreibstil noch 'weicher'/flüssiger . Das finde ich sehr gut :3
Ich mag es wie Vincent langsam Cloud vertraut,aber dennoch das ganze nicht in diese kitschige Schiene abrutscht :3 Sehr schön ^~^
Antwort von:  FraeuleinUnruh
02.06.2016 21:10
Hey hey!
Ich danke dir für deinen Kommentar und dein Lob! -^^-
Habe mich sehr gefreut!
Ja, so langsam findet er Halt bei Cloud und merkt, dass er sich ihm anvertrauen und vertrauen kann.
Kitschig wird es bei mir sowieso nicht geben (hoffentlich :D), das ist einfach nicht mein Ding. Zumindest was das Schreiben meiner eigenen Sachen angeht. :)
Liebe Grüße,
Fräulein U.


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