Treat [him] von GodOfMischief ================================================================================ Kapitel 10: Die letzte Chance ----------------------------- Es war wie ein kleiner Silberstreif am Horizont. Ein kurzer Satz, der Tony das Licht sehen ließ und er entschloss sich, seinen Zorn vorerst beiseite zu schieben, denn jetzt galt es, Bruce zu finden – und das hoffentlich lebendig. „Schalt das Signal frei“, er klang ein wenig, als wäre er verschnupft, stellte den Stuhl, den er umgeworfen hatte, wieder auf und rollte ihn zum nächstbesten Tisch, an dem ein Computer stand, um über diesen die Position seines Freundes ausfindig zu machen. Er fuhr das entsprechende Programm hoch und selbst dies dauerte ihm dieses Mal zu lange. „Der Sender ist aktiv“, ertönte die Stimme seines Hausherren über ihm und Tony nickte schweigend, fuhr sich mit den Handrücken über die Augen, damit er die Tränen endlich los wurde. Er konnte nicht sagen, ob Bruce überhaupt noch in der Stadt, gar am Leben war, doch immerhin hatte er einen Anhaltspunkt, etwas womit er arbeiten konnte. Wie ein Wahnsinniger tippte er auf die Tastatur ein und versuchte das Signale zu orten. Die Welt. Amerika. Tony hoffte und bangte, dass das Signal aus New York kam, wenn er richtig Glück hatte, dann auch Manhattan, oder Queens, oder die Bronx, es war ihm vollkommen egal, Hauptsache etwas, dass er erreichen konnte, so schnell wie möglich, ehe er seine Chance verpassen würde. Das Bild auf dem Desktop verdeutlichte sich. Gott, hatte das schon immer so lange gedauert? Erst grummelte Tony, doch dann stieß er einen Seufzer der Erleichterung aus, als New York auf der Mattscheibe prangte. Er betrachtete die einzelnen Stadtteile eingehend und hätte am liebsten Wetten darauf abgeschlossen, in welchem sich sein Freund befand. Das Bild verdeutlichte sich weiter und schließlich blinkte eine rote Kugel auf. Brooklyn. Dann würde er sicher bei Steve sein, dem Jungen, der in diesem Stadtteil groß geworden war. Tony war erneut von seinem Stuhl aufgesprungen und wollte sofort zu seinem Anzug laufen – die schnellste und beste Möglichkeit, direkt zu Bruce zu gelangen, doch seine KI mimte mal wieder den Spielverderber. „Sir, Doktor Banner bewegt sich. Und wenn ich es anmerken darf, viel zu schnell.“ Das Genie stockte einen Moment und wandte sich wieder dem Bildschirm zu. Es brauchte einen Moment, bis die Position des Punktes seine Position veränderte, doch JARVIS hatte recht. Wenn Bruce momentan in Brooklyn war, dann garantiert nicht mehr lange und schon gar nicht bei Steve. „Kannst du ausmachen, wo er hin will?“ „Es gibt unzählige Attraktionen, Häuser, Unterschlüpfe, U-Bahn-Stationen und Bahnhöfe in der Stadt, die Doktor Banner anpeilen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, dass-“ Doch Tony hörte gar nicht mehr zu. Er hatte die Worte gehört. U-Bahn, Bahnhöfe, er spann den Gedanken sofort weiter und verlor den roten Punkt beinahe aus den Augen, als er die Grenze von Queens erreichte. Die Worte hallten immer und immer wieder durch seinen Kopf und seine Augen wurden immer größer, als ihm der Sinn von alle dem in den Kopf kam. „Mach den Anzug bereit.“ Er hatte schon damit gerechnet, dass JARVIS womöglich widersprach, doch nun kam gar nichts seinerseits, außer die Bestätigung, dass der Iron Man Suit einsatzbereit war, sollte Tony dort ankommen. Und dieser verlor keine Zeit mehr. Er wusste, wohin es Bruce verschlagen würde und er wollte keine Zeit verlieren, denn wenn sein Freund den John F. Kennedy International Airport erreicht hatte, würde er abhauen. Wohin auch immer. Weit weg und das hieß sicher verdammt weit weg. Und so, wie er Bruce kannte, würde er das Armband loswerden, sobald er heraus fand, dass sich dort ein eingebauter Peilsender befand, er würde es zerstören und dann zurück in die kleinsten Dörfer der Welt kehren, immer auf der Flucht, versuchte dabei den Menschen zu helfen, um auf diese Art und Weise vor seiner eigenen Vergangenheit fliehen zu können. Und das alles, ohne auch nur ein Wort zu Tony zu sagen. Er hätte es vermutlich verstanden. Tony sprang auf und rannte zum Fahrstuhl, drückte panisch auf den Knöpfen herum und konnte nicht still halten. Kaum hatten sich die Türen so weit geöffnet, dass er sich hindurch zwingen konnte, hämmerte er auf den Knopf herum, der ihn direkt in seinen Workshop bringen sollte. Erst als die Türen lautlos zu gingen, verfluchte er sich dafür, dass er abermals nicht die Treppe genommen hatte. Sanft glitt der Fahrstuhl auf die entsprechende Etage und als sich die Tür wieder langsam öffnete, quetschte er sich erneut hindurch. Der Mark VII stand bereit in seinem gläsernen Schaukasten, die Türen waren bereits offen und es schien, als würde der Anzug ihn mit offenen Armen empfangen. Es war einfach für Tony einzusteigen und das erste Mal stand er wieder still, wartete geduldig darauf, dass sich der Anzug um seinen Körper schloss, die Antriebe aufluden und sich die Statistiken und Informationen vor seinem Gesicht zeigten. Er würde nicht lange brauchen, um zum JFK Airport zu gelangen, doch Tony bangte, dass es womöglich doch zu spät war. Und als Ein-Mann-Flugobjekt würde er die ganzen Starts und Landungen der Flugzeuge sicher ein wenig durcheinander bringen. Er hörte schon die Aufforderungen vom Tower, die es ihm schwerer machen wollten, dass er landete. Sollte Bruce bereits in irgendeinem Flugzeug sitzen. Wäre er nicht mehr bei klarem Menschenverstand gewesen, wäre er sicher direkt durch die Decke gestartet, doch JARVIS hatte auch daran gedacht, ihm den Start zu vereinfachen, indem er bereits den Zugang zur Landeplattform geöffnet hatte. „Alle Kraft auf die Schubdüsen, ich hab es eilig, J“, während Tony dies über die Lippen brachte, wieder ein wenig seines Selbstbewusstseins zurückgewonnen, durch diesen kleinen Hoffnungsschimmer, rannte er bereits zum Ausgang, als die Anzeigen seines Helmes seine Worte bestätigten. Er hörte das Rauschen seines Antriebs, das Rauschen des Windes, konnte die Sonne sehen, die Gebäude unter ihm und wenn es ihn in diesem Moment interessiert hätte, sicher auch die erstaunten Gesichter der Menschen, die es noch immer, nach all den Jahren als sein Dasein als Iron Man bewundernswert fanden, wenn er einen Auftritt wie diesen hinlegte. Aber jetzt ging es nicht darum, sein Ego zu streicheln, er hatte Wichtigeres vor. Schnell gewann er an Höhe und blickte hinab auf die Wolkenkratzer New Yorks, versuchte sich zu orientieren, während er in der Luft balancierte, als wäre es eine Leichtigkeit. Unter ihm prangte der Stark Tower, er konnte den Central Park sehen und die Anzeige seines Helmes deutete ihm bereits die Richtung zum Flughafen. Tony atmete tief durch, es würde nicht allzu viel Zeit kosten, dort hin zu kommen, doch er beeilte sich trotzdem, gab wieder vollen Schub auf die Düsen und hatte in weniger als einer Minute bereits Queens erreicht. Es konnte wirklich von Vorteil sein, Millionen zu haben, um so einen Anzug zu bauen. Unter ihm erstreckte sich Queens, er konnte das Blinken des Peilsenders aus seinem Augenwinkel erkennen, er bewegte sich kaum mehr, war jedoch bereits am Flughafen angekommen, er wuselte durch die Hallen, konnte nicht still stehen. Hoffentlich wurde sein Flug nicht gleich aufgerufen. Wie hatte er überhaupt so schnell an ein Ticket kommen können? Möglichkeiten, die Bruce sicher lieber vermieden hätte, huschten durch seine Gedanken und er setzte langsam zu einem Sturzflug an. Er entdeckte das riesige, weiße Gebäude, die unzähligen Flugzeuge, die sich auf den Landebahnen postiert hatten. Das Sonnenlicht brach sich in den gläsernen Fenstern und Menschen strömten aus dem Gebäude heraus, strömten herein. „Sir, der Tower versucht eine Verbindung zu ihnen herzustellen.“ „Dafür hab ich keine Zeit“, er sondierte die Lage. Sein Bildschirm zeigte ihm aufgeregte Gesichter, die hinauf in den Himmel starrten, ihn anstarrten. Doch Bruce war nicht unter ihnen. Er lokalisierte ihn irgendwo im Gebäude und ihm war es vollkommen egal, wenn er das Glas zerstörte, als er hindurch flog, es war ihm vollkommen egal, das der Boden unter dem Gewicht des Anzuges splitterte, als er landete. Geschrei brach um ihn herum aus, panische und überraschte Rufe, die alsbald von Aufregung und Begeisterung ersetzt wurden. Tony erhob sich und blickte sich um. Die Leute schienen gar nicht auf den Gedanken zu kommen, dass die Möglichkeit bestünde, dass hier ein Angriff auf sie zukommen könnte, wenn ihr Idol vor ihnen auftauchte. Sie umschwärmten ihn nicht, sondern hielten einen respektablen Abstand, während er sich umschaute, auf der Suche nach seinem Freund. Die Lokalisierung fiel nun wesentlich einfacher. Bruce war einige Hallen entfernt und schien gar nichts von dieser Sache mit zu bekommen, doch Tony wusste zu gut, dass sich sein Auftauchen wie ein Lauffeuer ausbreiten würde, deswegen sollte er keine Zeit verlieren. Also hielt er sich auch nicht weiter mit seinen Fans auf, als diese ihm verblüfft nachblickten, kaum das er sich wieder in die Lüfte erhob und sich in eben jene Halle begab, in der Bruce verweilte. Ausrufe und Flüstern folgten ihm nach, kaum hatte er die Halle betreten, landete er und sah sich um. Die Menschenmasse ließ ihn Bruce nicht sehen. Langsam ging er weiter und die Menge spaltete sich vor ihm. Wäre der Peilsender nicht so verlässlich, würde er erneut die Hoffnung verlieren, doch der Punkt bewegte sich kein Stück und er sah so nahe aus, dass er beinahe vermochte ihn zu greifen. Und abrupt blieb er stehen. Die Menschen sahen verwundert drein. Doch Tony sah ihn und niemand anderen. Bruce hockte auf einer der unbequemen Bänke, das violette Hemd, dass zwei Nummern zu groß war, die braune, ausgebeulte Hose, die ihm ebenfalls nicht passte. In einer kleinen Tasche die wenigen Habseligkeiten, die er besaß. Sein Gesicht sah übermüdet aus, doch kaum erhob er sich und blickte zu dem Aufruhr hinüber, entgleisten seine Züge und er griff nach seiner Brille, wollte sie abnehmen, als könne er gar nicht glauben, was er dort sah. Und es war just in diesem Moment, als Tony ein Stein – nein, wenn nicht gleich ein ganzes Gebirge – vom Herzen fiel. Er spürte das Rasen in seiner Brust, atmete viel zu schnell und konnte es im ersten Moment gar nicht für real halten. Ehe Bruce es sich anders überlegen konnte und das Weite suchte – erneut- war Tony in Windeseile zu ihm getreten und packte seinen Arm. Der Helm öffnete sich und er sah seinen Freund entgeistert an, konnte sehen, wie sich der Schmerz und die Trauer in seinen Augen spiegelte und Fragen überkamen ihn, warum er es nicht bereits zuvor gesehen hatte. Tony wollte etwas sagen, irgendwas. Ihn anschreien, lachen, weinen, irgendeinen seiner typischen doofen Kommentare abgeben, irgendeinen netten Spruch, dann würden sie lachen und wieder zurück zum Tower gehen. Es war, als gäbe es in diesen Hallen nur noch sie beide und die unausgesprochenen Entschuldigungen und Vorwürfe, die ihnen durch den Kopf gingen. Bruce regte sich nicht, er sah ihn an, wie ein Tier das im Begriff war, von einem Auto überfahren zu werden und wenn Tony ihn nicht festhalten würde, dann wäre er sicher längst wieder abgehauen. Auch wenn sie beide wussten, dass es keinen Zweck mehr hatte. „Warum?“, das Wort kam so leise hervor, dass er sich selbst kaum sicher sein konnte, dass es von ihm stammte. Sein Mund fühlte sich so trocken an, seine Kehle und seine Augen brannten. Tony fühlte dieses Jucken an der Nase, das ihm bereits andeutete, er würde wieder weinen, wenn er sich nicht unter Kontrolle brachte. Doch Bruce regte sich noch immer nicht. Er nahm tief und zitternd Luft. Vermutlich überlegte er sich bereits eine Antwort, die nicht allzu große Auswirkungen hatte. „Ich konnte nicht“, seine Stimme klang ebenso rau, wie die Tonys. Und eben jener gab keine Antwort, er hoffte es würde noch etwas kommen, doch stattdessen wandte Bruce den Blick von ihm ab und sah zu Boden, so wie er es immer tat, wenn er einer Konversation aus dem Weg gehen wollte. „Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich hab deine Dateien gefunden, bei Gott, ich dachte du wärst tot!“ Bruce zuckte unmerklich zusammen, als Tony die Stimme erhob. Er hätte ahnen können, dass er lauter wurde, er hatte sich gedacht, dass er ihn anschreien würde, dass er richtig wütend wurde, er lamentierte immer weiter, wurde so laut, dass die Leute um sie herum anfingen zu gaffen und zu tuscheln. Sie hatten gesagt, sie wollten diese Beziehung geheim halten, weil Tony sonst vermutlich zu viel riskieren würde, doch jetzt schien dieser Vorsatz den Bach runter zu gehen. „Tony?“, Bruce erstarrte, als er aufblickte, denn Tonys Worte waren verebbt, der Griff um seinen Arm hatte sich gelöst. Der sonst so gefasste Playboy rang um seine Fassung, doch man konnte deutlich sehen, dass ihm die Tränen bereits in den Augen standen. „Es... es tut mir leid“, man musste retten, was noch zu retten war, er fuhr ihm mit dem Daumen über die Wangen, als die ersten Tränen herunter rollten, „Ich- ich wollte gar nicht, ich dachte nur, wenn ich gehe-“, Bruce kam ins Stottern und wusste nicht mehr, was er sagen wollte. Dieser Anblick brach ihm das Herz. Wann hatte er das letzte Mal solche Gefühle für jemandem gehabt, dass so ein Aussetzer seinerseits gleich so was in ihm hervor rief? Gott, er kam sich noch bescheuerter vor und machte sich Vorwürfe, dass er es überhaupt so weit hatte kommen lassen. Er war zwar gut anderthalb Tage weg gewesen, doch in dieser Zeit hatte er Tony mehr vermisst, als er anfangs gedacht hatte und jetzt, wo dieser in Fleisch und Blut vor ihm stand, merkte er erst, wie sehr er an diesem hing. „Bitte“, Tony stockte und machte einen weiteren Schritt auf Bruce zu, sodass dieser das Vibrieren der Rüstung praktisch spüren konnte, „Komm wieder in den Tower, komm wieder zu mir. Tu mir das nicht noch ein mal an, Bruce, bitte. Bleib bei mir.“ Seine Stimme schwankte und er zitterte, wie ein Wahnsinniger. Bruce wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Andererseits hatte er nun nicht auch mit so einem Gefühlsausbruch von Tony gerechnet und er lag jetzt vollkommen auf dem Trockenen, weil er nicht wusste, wie er den Älteren wieder beruhigen sollte. Doch anscheinend brauchte er dies auch gar nicht. „Ich liebe dich“, Tony hauchte ihm diese Worte entgegen und automatisch versteifte sich Bruce, denn er konnte nicht mehr entkommen, spürte das kalte Metall des Anzugs an seinen Wangen und die warmen Lippen Tonys auf seinem Mund. Es war ein Moment, in dem die Welt um sie herum still stand, das aufgebrachte Getuschel der Meute verstummte Bruce brauchte einen Moment, bis er es realisierte. Bis er realisierte, wie sein Herz zu rasen begann und sich dieses wunderbare Gefühl in seinem Magen ausbreitete. Wie lange war er nun schon mit Tony zusammen? Gut zwei Jahre? Genau konnte er es nicht sagen, doch diese zwei Tage hatte ihm schon gereicht, um zu merken, wie sehr er Tony vermisst hatte, wie sehr er ihn liebte und brauchte. Wie sehr sie sich beide brauchten, um nicht an ihrer Selbst zu verzweifeln. Mit einem Seufzen löste Bruce sich von Tony und fuhr sanft immer und immer wieder mit dem Daumen über seine Wangen. Es war für den Moment so, als wären alle seine Probleme wie weg geflogen und nur noch sie beide existierten. „Ich liebe dich auch“, sagte Bruce so leise, dass nur Tony es hören und konnte und versiegelte ihre Lippen erneut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)