Ungewünschte Gespräche von Alaiya (... und unerwünschte Stille) ================================================================================ Ungewünschte Stille ------------------- Die Tatsache, dass gerade einmal eine der drei Wochen umgegangen war, machte nichts besser. Wie sollte sie die verbleibenden zwei Wochen überleben? Vielleicht wäre es vor einem halben Jahr noch leichter gefallen, doch nun kam Joanne nicht umher, sich nach draußen zu wünschen. Immerhin gab es einige Dinge, die sie noch tun musste, und sie hätte sich lieber allein mit Lowfyr angelegt, als zwei weitere Wochen lang Däumchen zu drehen. Am Ende jedoch hatte sie es versprochen – und sie würde sicher nicht riskieren, dass am Ende der Doc in seinem Tank verrecken würde, nur weil sie es nicht geschafft hatte, für eine Weile ruhig sitzen zu bleiben. Und doch: Es war ihre Verantwortung, sich um das Problem der Willys zu kümmern. Fraglos hatte das Gespräch mit Robert nicht unbedingt dazu geführt, dass sie sich umso mehr nach etwas Ablenkung sehnte. Ein kleines Gerangel mit ein paar Gangern, wenn Runs schon außen vor waren. Etwas, dass ihr eine Möglichkeit gab, über etwas anderes nachzudenken, als den Inhalt des Gesprächs und die möglichen Implikationen. Um genau zu sein, hätte es erfordert, über ihre Gefühle nachzudenken und nach sieben Jahren, in denen sie sich selbst davon überzeugt hätte, eben solche nicht zu haben, war dies eine ausgesprochen schlechte Idee. Was für einen Unterschied sollte es überhaupt machen? Nein, sie sollte, wollte und konnte nicht darüber nachdenken, sie brauchte etwas, um sich davon abzulenken... Leider gab es keine Möglichkeit sich solche Ablenkung zu verschaffen. All das, was für sie in Frage gekommen wäre, war zu gefährlich. Und all das, was sie tun konnte – sprich: Sich um die Security kümmern oder sich im Labor hinsetzen, vermochte es nicht, ihre Gedanken davon abzuhalten, weiter zu kreisen. Und so war ein weiterer Tag vergangen, den größtenteils im Labor verbracht hatte – nicht ohne mindestens alle paar Minuten genervt aufzuseufzen. Doch nun war es Abend und nach einer guten Stunde Training im Keller, hatte sie sich mit einer mageren Mahlzeit ins Wohnzimmer gesetzt, in der Hoffnung zumindest bei der hirnlosen Action von Karl Combatmage abschalten zu können. Sie hatte ihren Salat gerade aufgegessen, als etwas eher seltenes geschah: Die Tür zu Hazels Zimmer öffnete sich und die kleine japanische Frau schlicht (anders konnte man es wirklich nicht sagen) zum Badezimmer hinüber. Sie sagte kein Wort, als sie Joanne sah, warf ihr jedoch einen beinahe verschreckten Blick zu, ehe sie durch die Badezimmertür verschwand. Mittlerweile hatte sich Joanne daran gewöhnt, dass man nicht darauf hoffen durfte, ein Gespräch mit dem Mädchen anzufangen – doch seltsam fand sie die Kleine schon. Immerhin kannte sie schüchterne Menschen, fraglos, aber schüchtern war für Hazel kein Ausdruck. Das Mädchen saß die meiste Zeit entweder im Serverraum oder ihrem Zimmer und selbst wenn der Doc sie einmal dazu brachte, mit ihnen zu essen, war es eher so, als hätte man dem Sessel, auf dem Hazel saß, einen Teller hingestellt. Sicher, der Teller leerte sich, aber ein Mehrwert für die laufende Konversation ergab sich nicht. Eigentlich war es Joannes Meinung, dass man Hazel einfach lassen sollte. Jeder wie er mochte, sofern es niemand anderen schadete, oder? Doch der Doc hatte sich in den Kopf gesetzt dem Mädchen zu helfen und wer war sie ihm dabei einzureden. Während sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Trideo zuwandte, hörte sie, wie die Dusche im Badezimmer anging, und die Folge war gerade am Ende angelangt, als sich die Tür wieder öffnete. Es war schon faszinierend, wie es Hazel schaffte nicht das geringste bisschen Präsens auszustrahlen. Wenn man sie nicht ansah, hätte man nicht gewusst, dass sie da war. Beinahe hatte die junge Japanerin schon wieder ihre Zimmertür – direkt neben dem Durchgang zur Küche – erreicht, als Joanne sich überwand, doch die Stimme zu heben. „Hast du schon etwas gegessen?“, fragte sie. Hazel zuckte beinahe zusammen und sah sich zu ihr um. „Nein“, kam ein kleinlautes Flüstern. „Es sind noch Nudeln und Salat in der Küche“, erwiderte Joanne. Das Mädchen, das nun nur einen dunklen Jogginganzug trug, reagierte nicht, sah sie nur unsicher an. Es war offensichtlich, dass sie einen inneren Kampf ausfocht, der wahrscheinlich zwischen ihrem Bedürfnis allein zu sein und de ihr wahrscheinlich einst anerzogenen japanischen Freundlichkeit ausgetragen wurde. Offenbar war es letztere, die gewann. „Okay.“ Eine Pause in der sie sich halb in die Küche bewegte. Dann: „Danke.“ Joanne seufzte und warf ihr über die Schulter hinweg einen Blick zu, während sich Hazel mit unsicheren Bewegungen Essen auf einen Teller füllte. Mit diesem in der Hand wollte sie ganz offenbar auf ihr Zimmer gehen. Zugegebener Maßen wusste Joanne nicht ganz, was sie mit ihr tun sollte. Sicher, der Doc hätte Hazel beredet hier zu bleiben, mit ihnen zu sprechen – was sie dennoch nicht getan hätte – doch Joanne hatte beinahe Mitleid, mit dem Mädchen, dass sie jedes Mal mit einem Blick ansah, der mehr an ein Reh überraschte, das auf der Straße von den Scheinwerfern eines Autos überrascht wurde. Doch gleichzeitig wusste sie auch, dass es genau dies war, das der Doc, Joachim, ändern wollte. Wahrscheinlich verstand er besser, als Joanne es je gekonnt hätte, die angenehmen Seiten dessen sich komplett in ein Projekt zu vertiefen und Zuflucht in irgendeinem Arbeitszimmer zu suchen, doch wusste er auch, was Joanne viel eher nachvollziehen konnte, dass zu große Zurückgezogenheit, gerade zusammen mit dem ganz offenbar effektiv nicht vorhandenen Selbstwertgefühl Hazels sicher nichts Gutes bedeutete. „Willst du dich nicht ein wenig zu mir setzen?“, bot sie daher an. Ein verschreckter Blick. „Wieso?“, flüsterte Hazel kaum hörbar. Joanne verkniff es sich nur mühselig die Augen zu verdrehen. „Einfach so. Der Doc ist noch im Tank und ich könnte etwas Gesellschaft vertragen.“ Sie versuchte ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken, nicht sicher, ob es ihr gelang. Daraufhin zögerte Hazel. „Okay“, sagte sie schließlich, schlich zum Sessel neben dem Tisch und hockte sich drauf. Denn meistens hockte Hazel sich, anstatt sich zu setzen. Beinahe immer hatte sie mindestens ein Bein angezogen, wie eine Wand zwischen sich und dem Rest der Welt. So saß sie da, nun mit beiden Beinen zwischen sich und dem Tisch, während sie mit einer Gabel immer wieder einzelne Nudeln oder Salat aufpikste. Natürlich schwieg sie dabei. Joanne seufzte leise. Wie sollte sie überhaupt mit dem Mädchen reden? „Was machst du im Moment so?“ Hazel sah nicht vom Essen auf, erbarmte sich jedoch nach zwei weiteren Bissen zu antworten: „Du weißt schon. Dinge. In der Matrix.“ Diese Antwort kam, wie immer, mit leiser, kaum hörbarer Stimme. „Was für Dinge denn?“, fragte Joanne ein wenig hilflos. Immerhin war sie froh, Matrixsuchen durchführen zu können – doch so wirklich hatte sie sich mit der Matrix einfach nie befasst. „Matrix-Dinge halt“, war die kleinlaute Antwort. Joanne war sich sicher, dass bei jedem anderen diese Antwort in einem abwehrenden Ton vorgetragen worden wäre, der deutlich gemacht hätte, dass man nicht darüber reden wollte, doch Hazel flüsterte die Antwort eher. Allerdings war es ohnehin klar, dass sie nicht reden wollte. Mit niemanden und über gar nichts. Was würde der Doc jetzt machen? Die Antwort war, auch das wusste sie nicht. Am Ende war Joachim bei weitem sozialer als sie es überhaupt sein wollte. „Nun, dann ist dir zumindest nicht langweilig.“ „Nein.“ Joanne beobachtete das Mädchen beim Essen, während sich der Teller immer weiter leerte. „Das ist... Doch schon einmal etwas.“ Ein Nicken. Tja, was sollte sie sonst noch sagen? „Magst du nicht einmal mit anderen ein wenig rausgehen? Es ist bald Weihnachten. Gibt es niemanden, für den du Geschenke kaufst?“ Wieder eine Pause. „Nicht wirklich“, flüsterte Hazel dann. „Ich feiere Weihnachten nicht.“ „Das solltest du dem Doc sagen“, meinte Joanne halb scherzend. „Ich wette, er hat dich eingeplant.“ Schweigen, ehe Hazel schließlich murmelte: „Doktor Anderson ist im Koma. Da kann ich es ihm nicht sagen.“ „Natürlich“, seufzte Joanne. „Später.“ Darauf war ihre einzige Antwort ein Nicken. Langsam leerte sich Hazels Teller, ohne dass sie von sich aus ein Wort sagte. Als das Mädchen schließlich aufgegessen hatte und aufstand, um den Teller wieder in die Küche zu bringen, räusperte sich Joanne noch einmal. Immerhin war es so gar nicht ihre Art einfach so aufzugeben. „Wollen wir vielleicht zusammen einen Film schauen?“, schlug sie daher vor. Wieder sah Hazel sie nur kurz und unsicher an. „Nein“, hauchte sie dann. „Ich würde lieber auf mein Zimmer gehen.“ Daraufhin zuckte Joanne nur mit dem Schultern. Man konnte niemanden zwingen. „Dann tu das“, meinte sie. Erneut nickte Hazel nur und verschwand, kaum dass sie den Teller weggebracht hatte, wieder in der Dunkelheit ihres Zimmers. Noch einmal zuckte Joanne mit den Schultern und seufzte. Nun, es hätte schlimmer laufen können, beschloss sie, als sie durch das Trid-Programm zappte. Sie war halt nicht gut mit so etwas – und immerhin: Selbst Murphy brachte das Mädchen immer wieder zum Zusammenzucken, wenn er mit ihr redete. Und wenn sogar Murphy – das personifizierte Charisma mit Elfenohren – es nicht schaffte, mit ihr zu reden, wie sollte sie es dann schaffen? Nur ein Problem blieb: Sie hatte wieder nichts zu tun und im Trideo lief nichts, was ausreichend Ablenkung geboten hätte. Drek. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)