Reflection von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 1: Nothing is craved in stone ------------------------------------- Wie nahe kann man sich kommen und gleichzeitig so weit voneinander entfernt sein, dass es schmerzt? Wir arbeiten seit Jahren zusammen, aber es ist, als wäre ich Luft für dich. Es ist nicht so, als würdest du mich ignorieren, wir reden miteinander, aber nur wenn es um die Band geht und das tat unglaublich weh. Hasst du mich so sehr oder bin ich dir einfach nur egal? Dabei ist alles, was ich je wollte, dich zu berühren, dich in den Armen zu halten und dir sagen zu können, dass ich dich liebe. Seufzend beobachte ich dich - obwohl es seit Tagen regnet, scheint es dich nicht berühren zu können. Wie auch der Rest der Welt dich nicht zu berühren scheint - wenn ich nur wissen würde, wo du in Gedanken bist. Bei mir? Wohl kaum, auch wenn ich es mir sehnlichst wünsche würde. Ein müdes Lächeln legt sich auf meine Lippen und ich werfe einen Blick zurück auf die Blätter, welche du uns heute morgen ausgeteilt hast. Neue Songtexte, von dir geschrieben und sie schneiden so viel tiefer in mein Herz, als du vermutlich je ahnen könntest. Wieso nur kann ich mit dir nicht reden? Vermutlich ist es die reine Angst, welche mich davon abhält. Ich will dich in den Arm nehmen, aber ich habe wahnsinnige Angst, dass du unter meiner Berührung zerbrechen würdest - wie Glas. Oder eine Illusion. Manchmal frage ich mich, ob du wirklich existierst oder ich mir dich nur einbilde, die ganze Band einbilde…Liegt es daran, dass ich ihn ersetze? Dass du dich schuldig fühlst? Aber ich kann doch nichts dafür, dass hide meinte, ich würde gut in die Band passen. Am Anfang hatte ich sogar Angst vor dir…Danach lernte ich dich Stück für Stück besser kennen, merkte, was du alles leistest um die Band voran zu bringen und die Angst wandelte sich in Bewunderung und irgendwann - in Liebe. Du würdest mich bestimmt für komplett verrückt halten, immerhin, wie soll man jemanden lieben, mit dem man kaum Zeit verbringt - wenn wir uns außerhalb der Band trafen, dann mit dem Rest um zusammen trinken zu gehen oder zum Abendessen. Wenn wir allein im gleichen Raum sind, ignorierst du mich komplett - aber ich kann doch auch nichts dafür, dass er gehen musste. Dass Taiji dir das Herz gebrochen hat und du darüber nicht hinweg kommen konntest und es immer noch nicht bist. Vermutlich sollte ich das nicht mal wissen, aber Toshi hatte es mir anvertraut, bei einer Kneipentour an welcher du nicht teilgenommen hattest. Es war ein Schock für mich zuerst - aber erklärte gleichzeitig auch so viel. Wieso du immer so traurig wirktest, wenn du auf dein Handy sahst, das leichte Zusammenzucken bei jedem Anruf und jeder Email. Wenn es regnete war sowieso kaum mit dir zu reden - außer Toshi schien niemand mehr an dich heran zu kommen. So blieb mir nur zu warten, zu beobachten und zu schweigen. So wie jetzt auch. Du spielst, lässt deine Finger über die Tasten gleiten, als wärst du körperlich nicht anwesend, sondern würdest schweben und ich zucke leicht zusammen, als hide mir grinsend in die Seite knufft. „Immer noch unglücklich verliebt, huh?“ Seufzend lasse ich den Kopf hängen, er weiß es doch und muss mich trotzdem jedes Mal wieder damit aufziehen. Pata sieht nur kurz von seiner Gitarre auf, schenkt uns einen verwirrten Blick und spielt dann weiter, als wäre nie etwas gewesen. Ich bewundere ihn dafür. Wenn ich mich doch auch irgendwie ablenken könnte. Aber meine Finger zittern im Moment viel zu sehr um Bass spielen zu können und ich will nicht erneut von dir angemeckert werden, dass ich mich besser zu konzentrieren habe. Wieso musst du auch Kurenai spielen? Dieses Lied, dass mich immer wieder daran erinnert, dass für mich kein Platz in deinem Herzen ist, weil du niemanden an deiner Seite akzeptieren würdest außer Taiji. Welches sich anfühlt, als würdest du eure Beziehung beschreiben - oder besser - eure Trennung. Bevor ich es richtig begreifen kann, rinnen mir Tränen über die Wangen und ich befreie mich wortlos von hide, dass ich mit schnellen Schritten unseren Probenraum verlassen kann. Es ist ein Wunder, dass ich mir nicht weh tue oder die Treppe hinunter falle, so sehr zittere ich und meine Sicht ist durch die Tränen ebenfalls komplett verschleiert. Wieso musste ich mich auch in einen Mann verlieben, der nicht über seinen Ex hinweg ist? Vor der Tür zünde ich mir mit zitternden Fingern eine Zigarette an, lasse fast das Feuerzeug fallen und rutsche dann an der Wand entlang zu Boden und vergrabe das Gesicht in den Händen. Jedes Mal wenn ich versuche, mich weiter von dir zu entfernen, werde ich wie magisch nur noch mehr angezogen - ich weiß nicht, wie lange ich das noch ertragen kann ohne zu zerbrechen. Als sich Schritte nähern, traue ich mich kaum, die Augen zu öffnen, zucke nur leicht zusammen, als ich in eine Umarmung gezogen werde und mir sanft jemand die kaum gerauchte Zigarette entwendet um diese auf dem Asphalt auszudrücken. Erst als pinke Haare in mein Sichtfeld fallen, erkenne ich hide und lasse widerstandslos zu, dass er mich in die Arme zieht um mich an seiner Schulter auszuweinen. hide ist tot. Der Satz kreist in meinem Kopf, hält sich hartnäckig und will auch nicht verschwinden, ganz egal, was ich auch versuche. Momentan fühle ich mich schrecklich betäubt, ob das im Gegensatz zu gestern jetzt eine Verbesserung darstellt kann ich nicht sagen. Gestern hatte ich noch geweint und geschrien, um mich geschlagen und getreten, wechselte von aggressiv zu todtraurig. Mittlerweile fühle ich überhaupt nichts mehr - außer einer tiefen, inneren Leere. Das kann einfach nicht sein, das darf einfach nicht wahr sein. Wieso er? Wieso der Mann welcher mir all die Jahre eine perfekte Stütze war, mir geholfen hatte, alle Lebenslagen zu überstehen und vor allem - über meine unglückliche Liebe hinweg zu kommen. Als sich Schritte nähern, zucke ich heftig zusammen, sehe mein Gegenüber nur mit schreckensweiten Augen an, bis mir bewusst wird, dass es gar nicht hide sein und ein leises Aufschluchzen entkommt meinen Lippen, bevor ich mich müde an Sayuri lehne, welche zaghaft neben mir auf dem Sofa Platz genommen hat. Ich wollte die Nacht nicht allein bleiben, also hatte ich sie angerufen und sie war vorbei gekommen, ohne Fragen zu stellen. „Du solltest vielleicht schlafen…“ Ich schüttele nur stumm den Kopf - wenn ich schlafe, werde ich von dir träumen und dafür bin ich noch nicht bereit. „Essen?“ Erneut schüttele ich den Kopf, gebe ein leises Seufzen von mir - meine Augen brennen so grauenvoll. Vielleicht sollte ich sie doch schließen für ein paar Minuten, aber ich hab grauenvolle Angst davor. Was wenn DAS hier der Alptraum ist? Was wäre mir lieber? Ich weiß es nicht mal, erschaudere leicht, als Sayuri vorsichtig beginnt mir über den Rücken zu streicheln. „Hiro…Dann trink bitte wenigstens deinen Tee.“ Mit leeren Augen sehe ich auf, bemerke erst jetzt die Tasse auf dem kleinen Wohnzimmertisch - der Tee mochte wohl heiß gewesen sein, als sie ihn mir hingestellt gehabt hatte, aber jetzt…Fast hätte ich ihr gesagt, dass ich nicht wollte, schlucke diese Antwort jedoch gerade noch so hinunter - sie kümmert sich um mich und bevor sie verschwindet und mich mit meinen Gedanken und Gefühlen allein lässt, gebe ich lieber nach. Auch wenn ich fast die Tasse hätte fallen lassen, aber irgendwie schaffe ich es diese auszutrinken, ohne den Tee zu verschütten oder etwas zu zerbrechen und die Tasse zurück auf den Tisch zu stellen, schniefe leise auf. Das hier muss alles ein Irrtum sein, dass kann nicht wahr sein. Niemals. Wieso hätte hide sich je umbringen sollen? Er hatte so viel was ihn am Leben gehalten hatte. Und so egoistisch es auch klingen mag - ich war mir sicher, dass ich immer auf ihn würde zählen können. Als Freund, als Mentor…Es erschien mir so verdammt irreal, dass er gegangen sein sollte und uns alle zurück gelassen…Nein, völlig unmöglich. Irgendwie hat Sayuri es geschafft, dass ich mich doch etwas beruhigen konnte und wenig später war ich in ihren Armen so weit abgedriftet, dass mein Handy mich erst beim dritten Versuch aus diesem Halbschlaf reißen kann - und dann suche ich panisch nach dem mobilen Gerät, kann nicht verhindern, dass mir erneut die Tränen kommen, als ich den Namen auf dem Display erkenne. Toshi. Obwohl Sayuri versucht, mir das Handy abzunehmen, bin ich schneller, springe fast schon auf und sinke erstmal auf die Knie, weil meine Beine eingeschlafen sind, aber ich lasse nicht los, hoffe, bete einfach, dass mir Toshi sagen kann, dass das ein Traum ist, ich einfach nur verschlafen habe und zu spät zur Bandprobe dran bin. Aber er will nur wissen, ob ich etwas von Yoshiki gehört habe, was ich verneinen muss. Die Nachfrage ob er vorbei kommen soll, verneine ich ebenfalls, erzähle ihm aber auch gleichzeitig, dass ich nicht allein bin, was ihn durchaus zu beruhigen scheint. Nachdem ich ihn gebeten habe, Yoshiki zu suchen und gut auf ihn aufzupassen, verabschieden wir uns und ich seufze tief auf. Bitte nicht. Bitte nicht auch noch du. Bitte tu nichts Unvernünftiges, Yoshiki. Das würde ich nicht überleben. Ich kann es nicht ertragen innerhalb von mehreren Stunden den Mann zu verlieren, der wie ein Bruder für mich war UND den Mann den ich liebe - denn das wird mir wieder schmerzlich bewusst. Dass ich dich immer noch liebe. Die Angst, dass dir etwas passiert sein könnte…War ich davor noch ruhig und nahezu betäubt, fühlt es sich jetzt an, als würde alles erneut auf mich einstürzen und ich vergrabe das Gesicht in den Händen um nicht zu schreien. Das ist alles zu viel. Wieso muss das alles passieren? Ich verstehe es nicht, will es auch gar nicht verstehen - es macht mich wahnsinnig. Und im gleichen Moment fällt mir jemand ein, der vermutlich noch mehr leiden wird, als ich. Pata. Auch wenn dieser nicht zugeben wird, dass er leidet. Zum Glück versteht Sayuri meine Erklärungen, so dass wir uns wenig später auf dem Weg zu unserem zweiten Gitarristen befinden. Wieso habe ich da nicht früher daran gedacht? Aber gut, zu meiner Entschuldigung muss ich sagen, dass es mir kaum möglich war, überhaupt zu denken, seit die Nachricht von hides Tod mich erreichte - also wird Pata mir hoffentlich verzeihen können. Während der Fahrt beiße ich mir fast die Unterlippe blutig, so sehr sind meine Gedanken bei dir. Fast hätte ich mir mehr Zeit gewünscht um endlich abschließen zu können, aber was erwarte ich auch? Für die Polizei war es Selbstmord, Fall abgeschlossen. Die Trauerfeier zieht wie im Nebel an mir vorbei, sogar Yoshikis Rede kann ich nur bruchstückhaft lauschen, weil es für mich absolut unbegreiflich scheint. Deine Gitarren, welche hinter uns an der Wand stehen, die vielen Blumen, die Fans, deine Familie. Das muss ein Alptraum sein. Einer aus dem man nicht erwachen kann, egal wie sehr man es auch versucht. Ab und an wirft Toshi besorgte Blicke zu mir, aber ich bringe es nicht über mich zu lächeln. Als wir die Beerdigung endlich hinter uns lassen, bin ich mir nicht sicher, ob ich nicht ebenfalls einen Notarzt benötige, aber ausgerechnet Yoshiki ist es, der einen Arm um mich legt und ich schluchze leise auf, klammere mich richtig an ihm fest. Wer hätte gedacht, dass ich von dem Mann Halt bekomme, von dem ich es mir als Einziger gewünscht habe und es gibt so viel, dass ich dir sagen will, aber kein Wort kommt über meine Lippen und ich bin mir sicher, dass es auch nicht wirklich angebracht wäre in dieser Atmosphäre über meine Gefühle zu reden. Der restliche Tag läuft wie ein alter schwarz-weiß Stummfilm vor meinen Augen ab und als er endlich vorbei ist, falle ich müde in mein Bett und bin froh, endlich nichts mehr sehen zu müssen. Wer hätte gedacht, dass wirklich so viele Fans kommen würden? Aber gut, was erwarte ich - hide hat die Herzen von Fans schneller eingefangen als ein Cowboy seine Kühe…Ein Cowboy…Meine Gedanken beginnen zu Taiji zu driften und bevor ich richtig drüber nachdenken kann, überkommt mich ein Weinkrampf mit der Intensität eines ausgewachsenen Hurrikans - irgendwann gibt mein Körper zum Glück nach und lässt mich in einen barmherzigen Zustand zwischen Schlaf und Ohnmacht fallen aus dem ich so schnell hoffentlich nicht mehr erwachen werde. Denn es ist genug für einige Monate - ich brauche eine Auszeit - vom Leben an sich, von dir, von meinen Freunden, meinen Eltern, einfach jedem, der versuchte für mich da zu sein und es fast nur noch schlimmer gemacht hatte. Auch wenn es mir leid tut, aber irgendwann werden sie es hoffentlich verstehen können. Und wenn nicht werde ich mich immer noch entschuldigen können, später. Vielleicht sollte ich erstmal das Land verlassen - hier hält mich nichts mehr, die Band ist doch längst Geschichte und feste Beziehungen werden immer ein Traum bleiben, solange ich dich nicht aus dem Kopf bekomme. Ein neues Land für einen neuen Anfang - klingt gut, hier würde mich doch eh niemand wirklich vermissen. Die nächsten Jahre waren schwer für mich - aber das Einzige, was ich nie geschafft habe, war dich aus dem Kopf zu bekommen. Nicht mal unser letztes Konzert vor der Bandauflösung hatte es geschafft gehabt, mich so sehr zu treffen wie hides Tod - aber es ist das, was mir am Meisten in Erinnerung geblieben ist. Die letzte Zeit mit hide auf der Bühne…Seufzend strecke ich mich, lasse die Fingerspitzen sanft über deinen Rücken gleiten. Es ist verrückt - aber nachdem wir wieder zusammen gekommen sind als Band - nach Jahren - konnte ich nicht mehr. Es war während unserer Arbeit an I.V. - wir hatten die Single fast fertig, waren etwas trinken gegangen um das zu feiern. Dass du wieder mit Toshi gesprochen hattest, war uns allen einen Extradrink wert und im Endeffekt waren wir alle verdammt betrunken und wo Sugizo, Toshi und Pata weiter feiern gegangen sind, hatte ich mich angeboten, dich nach hause zu bringen. Das Problem war, dass du anhänglich geworden warst und dann führte eins zum Anderen - ein Kuss, zwei Küsse, irgendwann hatte ich dich an die Schlafzimmerwand gepinnt und dann… hatte ich dich endlich da, wo ich dich seit Jahren hatte haben wollen. Unter mir. Wimmernd, stöhnend und so wunderschön. Wer hätte gedacht, dass deine Fingernägel so schmerzhaft werden könnten? „Yo-chan…Wo willst du denn hin um die Uhrzeit?“ Fast schon schmollend sehe ich zu dir auf und kaum dass du dich gedreht hast um mich zu küssen, habe ich die Arme um dich geschlungen und ziehe dich wieder zurück ins Bett. Nur dass ich es mir dieses Mal lieber fast komplett auf deinem Körper bequem mache, mit dem Kopf auf deiner Schulter und den Arm so fest um dich geschlungen, dass du dich gar nicht mehr würdest befreien können. Hoffe ich zumindest - in der Praxis sieht das wohl anders aus, welche Chancen habe ich auch gegen einen trainierten Drummer? Erschreckender Weiße weniger, als ich zu hoffen wage, aber für den Moment scheinst du unsicher, was du überhaupt tun willst und als du mir schließlich lachend durch die Haare wuschelst, muss ich grinsen und strecke dir zufrieden die Zunge heraus. „Du hast gewonnen, Heath…“ Schmunzelnd hebe ich den Kopf etwas um dich unschuldig angrinsen zu können, bevor ich verspielt nach deiner Unterlippe schnappe und beginne kleine Kreise auf deinem Brustkorb zu malen. „Und wie ich gewonnen habe, Yo-chan.“ So viel mehr als du je wissen wirst. Immerhin, ich habe einiges an Erfahrung mitgenommen in den letzten Jahren, vielleicht etwas zu viel, Freunde gefunden, Freunde verloren, aber auch so viele Erinnerungen gesammelt, die mir nie wieder irgendwer nehmen können wird und mit einem zufriedenen Laut vergrabe ich die Zähne in deinem Hals, hinterlasse erstmal einen dunklen Knutschfleck, bevor ich es mir wieder richtig auf dir bequem mache. „Meins~“ Und ich werde den Teufel tun und dich mir je wieder wegnehmen lassen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)